Komorbide psychische Stö Störungen bei pathologischem Glü Glücksspielen Volker Premper Fachtagung Pathologisches Glücksspiel Magdeburg 19.10.2016 Überblick Befundlage stationäre Reha Erkennen komorbider Störungen Behandlungsansätze Konsequenzen für die beraterische und therapeutische Praxis Dr. Volker Premper, AHG Klinik Schweriner See Überblick Befundlage stationäre Reha Erkennen komorbider Störungen Behandlungsansätze Konsequenzen für die beraterische und therapeutische Praxis Dr. Volker Premper, AHG Klinik Schweriner See FVS BADO 2015 - Psych. Störungen bei PG (ohne F1) Stationäre Behandlung PG Männer Frauen Gesamt 15 Kliniken, N=1157 N=1008 (87,1%) N=149 (12,9%) N=1157 Organische, einschl. symptomat. psychischer Störungen F0 4 0,4% 2 1,3% 6 0,5% Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen F2 36 3,6% 5 3,4% 41 3,5% Affektive Störungen F3 399 39,6% 88 59,1% 487 42,1% Neurotische-, Belastungs- und somatoforme Störungen F4 119 11,5 % 40 26,9% 149 12,9% Verhaltensauffälligkeiten mit körperl. Störungen oder Faktoren F5 25 2,5% 14 9,4% 39 3,4% Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen F6 208 20,6% 26 17,7% 234 20,2% Intelligenzminderung F7 6 0,6% 46 30,9% 52 4,5% Entwicklungsstörungen F8 4 0,4% 0 0,0% 4 0,4% Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend F9 32 3,2% 5 3,4% 37 3,2% Untersuchung an der KSS (N=101) (Premper & Schulz, 2008) Eine oder mehr komorbide Störungen Lebenszeitprävalenz: Zwölfmonatsprävalenz: 91,1% 84,2% Komorbide Diagnosen (Achse I) (Zwölfmonatsprävalenz) N % OR Eine oder mehr substanzbezogene Störungen (ohne F17) F1x.x 26 25,7 Eine oder mehr affektive Störungen F3x.x 52 51,5 4,6 F40/41 48 47,5 2,9 27 26,7 7,8 Eine oder mehr Angststörungen Somatoforme Störungen F45.x Dr. Volker Premper, AHG Klinik Schweriner See Zeitliche Reihenfolge des Auftretens der Störungen Eine oder mehrere psychische Störungen vor Beginn des Glücksspielens: Eine oder mehrere psychische Störungen nach Beginn des Glücksspielens: Zeitgleiches Auftreten einer psychischen Störung mit Beginn des Glücksspielens: 70,3% 63,4% 14,9% vor Beginn nach Beginn des Glücksspielens des Glücksspielens Angststörungen 76,9% 15,2% Affektive Störungen 30,3% 60,6% Dr. Volker Premper, AHG Klinik Schweriner See Komorbide Persönlichkeitsstörungen (Achse II) Sichere Persönlichkeitsstörung: Sichere o. wahrsch. Persönlichkeitsstörung: Persönlichkeitsstörungen nach Clustern Cluster A (sonderbar, exzentrisch) Cluster B (emotional, dramatisch) Cluster C (ängstlich, furchtsam) Nicht näher bezeichnete PS Sichere Diagnose N = 30 28 (27,7%) OR= 1,8 51 (50,5%) OR= 2,0 Sich. o. wahrsch. Diagnose N = 87 N % N % 2 6,7 12 13,8 5 16,7 25 28,7 11 36,7 36 41,4 12 40,0 14 16,1 Typologische Klassifizierung Die mittels einer Clusteranalyse gefundene Zuordnung der Patienten zu drei Clustern legt folgende Interpretationen nahe: Cluster 1: „Defensiv-leidende Glücksspieler„ N=51 (50,5%) Personen mit einer „defensiven" Persönlichkeitsstörung und hoher Achse I Komorbidität bei mittlerer Ausprägung der Schwere der Glücksspielsucht. Cluster 2: „Reine Glücksspieler„ N=29 (28,7%) Personen ohne Persönlichkeitsstörungen mit geringer Achse I Komorbidität bei niedriger Ausprägung der Schwere der Glücksspielsucht. Cluster 3: „Expansiv-leidende Glücksspieler„ N=18 (17,8%) Personen mit einer „expansiven" Persönlichkeitsstörung und mittelgradiger Achse I Komorbidität bei hoher Ausprägung der Schwere der Glücksspielsucht. Dr. Volker Premper, AHG Klinik Schweriner See Nachbefragung nach 6 Monaten Abstinenzstatus nach DGSS IV N=79, Ausschöpfungsquote 78,2% Dr. Volker Premper, AHG Klinik Schweriner See Ähnliche Modelle Petry, J. (2001) 1. Depressiv - neurotische Glückspieler 2. Narzisstisch - persönlichkeitsgestörte Glücksspieler Blaszczynski & Nower (2002) „Pathways-Modell“ 1. Glücksspieler, deren Spielverhalten durch Konditionierung, kognitive Variablen und geringe Urteilsfähigkeit bestimmt wird. 2. Glücksspieler, die unter einer prä prämorbiden psychiatrischen Stö Störung leiden 3. Glücksspieler, die Merkmale von Impulsivitä Impulsivität und Persö Persönlichkeitsstö nlichkeitsstörungen zeigen Dr. Volker Premper, AHG Klinik Schweriner See Überblick Befundlage stationäre Reha Erkennen komorbider Störungen Behandlungsansätze Konsequenzen für die beraterische und therapeutische Praxis Dr. Volker Premper, AHG Klinik Schweriner See Erkennen komorbider Störungen • Umfassende Anamneseerhebung – – – – – Vorerkrankungen Vorbehandlungen Berufsanamnese Sozialanamnese Biographischen Anamnese • Aktuelles psychosoziales Funktionsniveau • Verhaltensbeobachtung im Behandlungssetting • Problemaktualisierungen Dr. Volker Premper, AHG Klinik Schweriner See Erkennen komorbider Störungen Gezielte Exploration • Leiden Sie noch unter anderen (psychischen) Beschwerden? • Wann traten Sie zum ersten mal auf? • Veränderten sich die Beschwerden im Laufe der Zeit? • Was löst aktuell die Beschwerden aus, oder verschlimmert sie? • Was haben Sie unternommen, um mit diesen Beschwerden zurecht zu kommen? • Waren Sie wegen der Beschwerden in Behandlung? • Beeinflussen diese Beschwerden Ihr Glücksspielen? Dr. Volker Premper, AHG Klinik Schweriner See Erkennen komorbider Störungen Einsatz von psychometrischen Instrumenten • Depression: Becksches Depressionsinventar (BDI II) IDS (Hautzinger, 2013) • Angststörungen: AKV • Persönlichkeitsstörungen: IPDE oder SKID II, Screeningfragebögen • ADHS: HASE • Schizophrenie: BSIP- Das Basel Screening Instrument für Psychosen Mannheimer Checkliste Dr. Volker Premper, AHG Klinik Schweriner See Überblick Befundlage stationäre Reha Erkennen komorbider Störungen Behandlungsansätze Konsequenzen für die beraterische und therapeutische Praxis Dr. Volker Premper, AHG Klinik Schweriner See Bausteine des Behandlungsprogrammes Motivierung Wissensvermittlung Verhaltensdiagnostik Klärung der Auslösebedingungen und der Funktionalität des Spielens Kognitive Umstrukturierung Korrektur von Fehlannahmen über das Spielen Modifizierung des Selbstbildes Verhaltensanalyse des Interaktionsverhaltens Umgang mit Geld, Geldmanagement 26.10.2016 Dr. Volker Premper, AHG Klinik Schweriner See 16 Bausteine des Behandlungsprogrammes • Rückfallprävention • Identifizieren von Rückfallrisiken • Umgehen mit Craving • Suchtgedächtnis • Expositionsübungen • Soziales Kompetenztraining • Konflikt- und Problemlösetraining • Bearbeitung der individuellen Lern- und Problemgeschichte • Problemaktualisierung und Verhaltensmodifikation in der therapeutischen Wohngruppe • Bearbeitung komorbider Störungen • Familienseminare, Paargespräche Dr. Volker Premper, AHG Klinik Schweriner See 26.10.2016 17 Vulnerabilitätsmodell Selbstwertproblematik Beziehungsstörung Gefühlsdysregulation Unsicher-vermeidende Bindungsmuster aufgrund Broken Home-Situation Innere Bedürfnisstruktur Selbstwertsteigerung, Gefühlsabwehr, Austauschorientierung Kompetenzerleben, Aktionsmöglichkeit, Kontaktangebot Glücksspielangebote als äußere Anreizsituation (J. Petry, 1996, 2003) 18 Bearbeitung der Hintergrundproblematik Gefühlsdysregulation: Aktionsdrang als Vermeidungsverhalten (negative emotionale Schemata) => Achtsamkeitsübungen => Gefühle akzeptieren und regulieren Beziehungsstörung: Individualistisch-kompetitives Interaktionsverhalten (Austauschorientierung) => Gruppendynamische Übungen. => Klären von Beziehungsbedürfnissen, Verantwortungsübernahme Selbstwertproblematik: Diskrepanz zwischen Befindlichkeit und Außendarstellung (Überkompensation) => Bearbeitung biografischer Belastungen => Ressourcenaktivierung (modifiziert nach J. Petry, 1996, 2003) Behandlungsansätze Substanzbezogene Störungen: • Informationsvermittlung • Motivierung zur Verhaltensänderung (Abstinenz o. Konsumreduktion) • Verhaltensdiagnostik • Kognitive Umstrukturierung • Aufbau von Alternativverhalten/ Rückfallprophylaxe • Expositionsübungen • Angehörigenarbeit • Berufliche u. soziale Reintegration • Vorbereitung der Nachsorge/Weiterbehandlung • Permanente Motivierung Dr. Volker Premper, AHG Klinik Schweriner See 19 Behandlungsansätze Depressive Störungen: • Gründliche Diagnostik und Diagnosestellung • Einschätzung des Suizid-Risikos (u.U. mehrfach) • Problem- und Verhaltensanalyse • Vermittlung des therapeutischen Modells • Aktivitätsaufbau • Veränderung von Kognitionen • Förderung von sozialer Kompetenz und Gefühlsausdruck • Kontrolle des Ansprechverhaltens (Verlaufserhebung, Veränderungsmessungen) • Erhaltungstherapie Dr. Volker Premper, AHG Klinik Schweriner See Behandlungsansätze Angststörungen: • Umfassende Diagnostik und Differentialdiagnostik • Problem- und Verhaltensanalyse • Klärung der Funktionalitäten • Vermittlung eines individuellen Störungsmodelles • Veränderung angstbezogener Kognitionen • Expositionsübungen • Bearbeitung der Hintergrundproblematik Dr. Volker Premper, AHG Klinik Schweriner See Behandlungsansätze Persönlichkeitsstörungen: • Gründliche Diagnostik und Differentialdiagnostik • Transparenz, angemessene Sprache • Positivierung: problematisches Verhalten als verstehbarer Anpassungsversuch • Erkennen dysfunktionaler Kognitionen und sich daraus ergebender Interaktionsprobleme • Ermutigung zum Akzeptieren der eigenen Besonderheiten • Übungen zum Interaktionsverhalten und zur sozialen Wahrnehmung Dr. Volker Premper, AHG Klinik Schweriner See In der Therapie von Glücksspielern mit Schizophrenie beachten • Frühwarnsignale besprechen • Medikamentencompliance thematisieren • Psychiatrische Konsile (Medikation, Risikoabschätzung bzgl. Dekompensation) • Zeitnahe Information und verbindliche Absprachen mit dem Team • Besonders auf Kontinuität achten, Abwesenheit besprechen etc. • Entlastung durch zeitlich begrenztes Herausnehmen aus „Pflichtveranstaltungen“ legitimieren • Respektvollen Umgang(ston) betonen Dr. Volker Premper, AHG Klinik Schweriner See Behandlungsansätze ADHS: • Erwerb von Techniken zur Selbstregulation und zur Kontrolle von Impulsivität – – – – – Stopp-Prinzip: Denken, Prüfen, Tun Erstellen von Handlungsplänen Überprüfung von Handlungskonsequenzen Zeitliche Organisation des Verhaltens Selbstregulation von starken Gefühlen • Erwerb von Fähigkeiten zur Verbesserung der Alltagsbewältigung – Aufmerksamkeit und Konzentration – Zeitmanagement – Gedächtnis und Alltagsorganisation • Entspannungs- und Achtsamkeitstraining • Übungen zum Interaktionsverhalten und zur sozialen Wahrnehmung Dr. Volker Premper, AHG Klinik Schweriner See Konsequenzen für die therapeutische Praxis • • • • • • Auf das Vorliegen möglicher komorbider Störungen muss ausdrücklich geachtet werden. Die Motivation zur Behandlung komorbider Störungen sollte aufgebaut werden, bei substanzbezogenen Störungen ist auf Abstinenz hinzuwirken. Bei Vorliegen einer Angststörung ist das Rückfallrisiko besonders hoch. Depressive Krisen können sich schnell zuspitzen, insbesondere auf mögliche Suizidalität ist zu achten. Eine Verbesserung der Gefühlsregulation, insbesondere der Umgang mit negativ getönten Emotionen, sollte wesentlicher Bestandteil der Behandlung sein. Eine spezifische Behandlung der komorbiden Störungen sollte Teil des Gesamtbehandlungsplanes sein. Dr. Volker Premper, AHG Klinik Schweriner See Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit 26.10.2016 Dr.Volker Premper 27