Medizin 6. August 2016 9 Miniorgan mit großer Wirkung Text von unserer Redakteurin Angela Groß Wenn die Schilddrüse nicht richtig arbeitet, gerät im Körper einiges durcheinander D ie Schilddrüse bringt nur ein paar Gramm auf die Waage, und doch ist sie für den Körper als Hormonproduzent so wichtig. „Viele wissen nicht, was die Schilddrüse anrichten und was sie für einen Ärger machen kann“, sagt Dr. Jörg Seeberger, Facharzt für Nuklearmedizin in Ilsfeld. Wieso ist das so? Seeberger macht das Ganze plastisch, erinnert an das Gehirn als Leitzentrale, nennt die Schilddrüse den Sicherungskasten, der das Haus mit Strom versorgt. „Wenn da etwas durchbrennt, fällt im Haus irgendwo das Licht aus. Und so kann bei Problemen mit der Schilddrüse das Herz betroffen sein, das Schwierigkeiten macht, oder Leber, Nieren und Darm.“ Die Schilddrüse beeinflusst das komplette halsabwärts liegende Organsystem – und tangiert nicht selten das seelische Wohlbefinden. Vom rasenden Herzschlag bis zur Dauermüdigkeit, von Überaktivität bis zur depressiven Verstimmung: Es gibt eine ganze Latte von Symptomen. Sie können von einer fehlerhaft arbeitenden Schilddrüse herrühren, aber auch eine andere Ursache haben. Vielen Menschen mit Schilddrüsen-Problemen geht es besser, wenn sie wissen, was los ist. Das kann gelegentlich dauern. Seeberger, der im April im Schozachtal seine nuklearmedizinische Praxis eröffnet hat, kennt einige solcher trauriger Geschichten. Ein Patient bekam einen Herzschrittmacher, obwohl er ein Problem an der Schilddrüse hatte. Menschen tauchen auf, die alle möglichen somatischen Erkrankungen angeben und sich beklagen, dass „keiner sie ernst nimmt“. Werte im Ungleichgewicht Das Gute sei, dass mehr Hausärzte als früher einen Blickwinkel für die Schilddrüse entwickelt hätten, erklärt der Facharzt. Häufig kommt er ins Spiel, wenn die Blutwerte der Schilddrüsenhormone nicht stimmen, eine braucht Zeit. „Wenn man in den Mechanismus der Schilddrüse eingreift oder schnell einen Dosiswechsel vornimmt, weiß der Regelkreis nicht mehr, was passiert“, sagt der Facharzt. Endokrinologen, Spezialisten für Hormonerkrankungen oder Nuklearmediziner wüssten, welche Voruntersuchungen notwendig seien, „bevor sie in die Medikamentenkiste greifen“. Bei Patienten mit der Autoimmunkrankheit Hashimoto zerstört sich die Schilddrüse mit der Zeit selbst, sie müssen das Hormon ersetzen. Ohne Schnitt und Narbe Im ehemaligen Bahnhof in Ilsfeld hat sich Dr. Jörg Seeberger mit seinem Team in einer Facharztpraxis für Nuklearmedizin niedergelassen. Die Schilddrüsen-Diagnostik ist ein großer Schwerpunkt. Fotos: Veigel Über- oder Unterfunktion sich abzeichnet, schwankende Werte Fragen offen lassen. Mit dem Verfahren der Szintigraphie kann eine Momentaufnahme der Arbeit der Schilddrüse hergestellt werden. Dazu bekommt der Patient eine geringe Menge eines schwach radioaktiven Stoffes in die Armvene gespritzt, der den Körper nach spätestens sechs Stunden wieder verlässt. Die Strahlendosen sind deutlich geringer als in der Röntgendiagnostik, beruhigt Seeberger, der weiß, dass viele Patienten sich Sorgen machen, wenn sie zum ersten Mal zur Szintigraphie kommen. Nach einer kurzen Einwirkzeit nimmt der Patient für kurze Zeit vor einer GammaKamera Platz (großes Foto). Diese spezielle Kamera macht das Radiopharmakon, das in den Zellen gespeichert ist, sichtbar – alles ist vollkommen schmerzfrei. Dann geht es einen Raum weiter. Bei der Sonographie, dem Ultraschall, schaut der Arzt danach, wie das Gewebe aussieht. Wie ist das Organ durch- Feuer und Flamme „Ein Nuklearmediziner kann vielen Menschen helfen. Wir sind oft die Primärdiagnostiker, die den Leuten auf die Sprünge helfen, warum es ihnen weh tun“, sagt Dr. Jörg Seeberger. Für sein Gebiet ist der 50Jährige Feuer und Flamme. Warum? Es ist die Kombination aus Innerer Medizin, Endokrinologie und dem Einsatz von Großgeräten. blutet? Gibt es Knoten – und wie sind sie zu beurteilen? Wie aktiv ist die Schilddrüse? Jahrelange Erfahrung ist notwendig, um die Bilder beurteilen zu können. Sonographie, Szintigraphie, Labor und Angaben des Patienten bieten dem Arzt alle Informationen für die Schilddrüsen-Diagnostik. Einigen Patienten bleibt das Thema Operation nicht erspart. Dann, wenn die Schilddrüse zu groß ist oder Knoten vorhanden sind. Andere profitieren vom Verfahren der Radiojodtherapie, sie nehmen in einem Krankenhaus eine kleine Kapsel ein, die das Gewebe verstrahlt und zerstört. „Das ist eine bewährte und sichere Therapie“, beurteilt Seeberger das Verfahren. Der größte Teil der Schilddrüsen-Patienten, die beim Nuklearmediziner medikamentös antherapiert werden, hat eine Unterfunktion. Sie nehmen das synthetisch hergestellte Levothyroxin ein, das ihnen fehlt. Feinfühliges Vorgehen ist gefragt, die Sache Bei einem neuartigen Verfahren, der Echotherapie, setzt Seeberger hochintensiv fokussierten Ultraschall (Hifu) therapeutisch ein, um gutartige Schilddrüsenkoten zu zerstören. Energiereiche Ultraschallwellen werden durch eine Art Hohlspiegel gebündelt, fokussiert und auf einen Punkt gelenkt. Dadurch entsteht Hitze: Der Knoten wird regelrecht eingeschmolzen und das umliegende, gesunde Gewebe geschont. Bei der Schilddrüse ist der Einsatz von Hifu vergleichsweise neu, viel Erfahrung hat man schon beim Prostatakarzinom oder auch bei gutartigen Tumoren der Brust, den Fibroadenomen. Seine Praxis sei eine der ersten Standorte in Süddeutschland, die diese Methode bei gutartigen Schilddrüsenknoten anbietet, erklärt Seeberger. „Mit der Echotherapie können wir bestimmte Knoten nur lokal und nicht-invasiv, ohne Schnitt behandeln.“ Die Schilddrüse übernimmt nach der Behandlung wieder ihre Funktion. Im Gegensatz zu vielen Operationen müssen Patienten nicht dauerhaft Tabletten einnehmen. Der Schwerpunkt in der Ilsfelder Praxis ist die Therapie und Diagnostik von Schilddrüsen-Patienten, behandelt werden aber auch Rheuma- und Arthrose-Gelenke. Ins Spiel kommt der Nuklearmediziner außerdem bei Krebskranken, bei denen der Verlauf der Erkrankung kontrolliert wird. Stau in den Beinvenen Text Martin Faber, dpa Krampfadern sind mehr als ein kosmetisches Problem – Viele Behandlungsmöglichkeiten Krampfadern sind nicht schön anzusehen. Doch sie sind weniger ein kosmetisches als vielmehr ein gesundheitliches Problem. Mediziner sprechen bei einer fortgeschrittenen Krampfader von Varikose. Langfristig können sich Krampfadern entzünden, zu bläulich-schwarzen Ablagerungen in der Haut, Hautverdickungen und schließlich zu offenen Beinen führen. Normalerweise fließt das Blut in den Venen vom Fuß bis zum Herzen. Venenklappen sorgen dafür, dass das Blut von einer Klappe zur nächsten transportiert wird und nicht zurückfließt. „Bei Krampfadern sind diese Klappen kaputt, so dass das Blut gerade bei längerem Stehen und Sitzen von oben ins Bein versackt und sich unten in der Vene staut“, erklärt Professor Markus Steinbauer, Sekretär der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin in Berlin. „Das führt dazu, dass sich die oberflächlichen Beinvenen erweitern.“ Bevor die ersten Krampfadern sichtbar werden, sind die Beine oftmals geschwollen und fühlen sich schwer an. „Unbehandelt werden Krampfadern immer größer. Und sie entwickeln sich auch nicht von selbst zurück“, sagt Steinbauer. Helfen Kompressionsstrümpfe, die auf die Venen drücken, nicht weiter, können verschiedene operative Methoden eingesetzt werden. Sind nur kleinere Seitenvenen betroffen, eignet sich häufig die sogenannte Sklerosierung. „Indem man meist ein aufgeschäumtes Verödungsmittel in die Seitenvenen injiziert, wird eine akute Entzündung er- zeugt, so dass die Venenwände von innen miteinander verkleben und sich verschließen“, erklärt Professor Hans-Henning Eckstein, Leiter der Gefäßchirurgie des Klinikums rechts der Isar in München. Lasertherapie Krampfadern sind als blaue Linien sichtbar. Foto: Andrea Warnecke Radiowellen- oder Lasertherapie wird meist angewandt, um lange Stammvenen zu behandeln. „Die Vene wird mit einer Nadel leicht angestochen, dann wird eine Sonde in die Vene eingeführt und bis zur Leiste hochgeschoben, und schließlich wird unter Ultraschallkontrolle von einem Radiowellen- oder Lasergerät kontrolliert Hitze auf die Veneninnenwand abgegeben“, erklärt Hans-Georg Lie- saus, Facharzt für Gefäßchirurgie an der Ullsteinhausklinik in Berlin. Dadurch verklebt die Inenwand, die Vene schrumpft zusammen, und das verbliebene Blut gerinnt. Ist das nicht möglich, wird das Stripping-Verfahren eingesetzt. „Dabei legt man die betroffene Stammvene mit zwei kleinen Schnitten frei. Dann wird eine Sonde in die Vene eingeführt, mit der die Stammvene aus dem Körper herausgezogen wird“, erklärt Liesaus. Eine neue Klappenkorrektur-Technik erhält die Stammvenen: „Dabei näht man kleine Kunststoffmanschetten um die defekten Venenklappen, so dass sie wieder schließen und die Stammvene erhalten bleibt“, erläutert Frings. „Sollte Jahre später eine Bypass-Operation am Herzen notwendig sein, rettet diese Stammvene ein Leben.“