Vom Elektrolytbad zum faradayschen Gesetz

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Gelernt ist gelernt
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GRUNDLAGEN
Vom Elektrolytbad zum faradayschen Gesetz
Helmuth Biechl
Batterie
Amperemeter
Dieser Beitrag versucht anschaulich zu erklären, was man
unter elektrischem Strom versteht. Neben der Betrachtung der Verhältnisse in einem Elektrolyt wird auch auf
die Beweglichkeit von Ladungsträgern und die Driftge-
I
Anode
+
A
–
U
+
–
Elektrolyt
schwindigkeit sowie auf die Kraft im elektrischen Feld eingegangen. Der Beitrag endet mit Erklärungen zum fara-
Na+ +
– Cl–
vp
vn
dayschen Gesetz.
Der Begriff Strom stammt eigentlich aus der Mechanik, genauer gesagt aus der Hydraulik und Pneumatik, wo aus Atomen
oder Molekülen aufgebaute Flüssigkeiten z. B. durch ein Rohr
fließen oder strömen. In der Elektrizitätslehre orientierte man
sich bei der Definition des elektrischen Stromes an diesen physikalischen Vorgängen. Hier handelt es sich um Ladungen, die
durch eine bestimmte Fläche fließen, z. B. durch die Querschnittsfläche eines Leiters. Welche Arten von Ladungsträgern
kennen wir? In erster Linie sind es die Elektronen in Metallen,
die sich leicht verschieben lassen – wie wir bereits wissen. Das
heißt, eine bestimmte Teilchenanzahl N mit der Ladung q tritt
in einer bestimmten Zeit Δt durch die Fläche A. Damit lautet
die Definition für den elektrischen Strom:
(1)
Nehmen wir nun an, als bewegliche Ladungsträger kommen
ausschließlich Elektronen vor. Bei einer Stromstärke in Höhe
von I = 1 A treten dann in einer Zeitspanne von Δt = 1 s gemäß
Gl. (1) N Elektronen durch eine gedachte Fläche A:
Bei den beweglichen Ladungsträgern kann es sich aber auch
um Ionen handeln, die sich in einer Flüssigkeit bewegen. Gibt
man z. B. Kochsalz (NaCl) in Wasser, zerfällt es in Na+-Ionen
und Cl–-Ionen. Diejenigen Ionen, die zum Pluspol (Anode)
wandern, nennt man Anionen, diejenigen, die sich in Richtung
Minuspol bewegen, heißen Kationen. Bild 1 zeigt einen Versuch, bei dem durch Anlegen einer elektrischen Spannung an
die beiden, in den Elektrolyt getauchten Elektroden ein elektrischer Strom fließt. Die Bewegung der Ionen erzeugt diesen
Strom. Die Na+-Ionen wandern nach rechts und die Cl–-Ionen
nach links. An der Kathode erhalten die Na+-Ionen jeweils ein
Elektron, d. h., die Elektrode gibt ein Elektron an das Na+-Ion
ab. Damit wird dieses neutralisiert und lagert sich an der
Elektrode ab. Im Laufe der Zeit überzieht sich die Kathode mit
einer Natriumschicht. Man nennt diesen Vorgang »galvanisieren«. Das Cl–-Ion hingegen gibt an der Anode ein Elektron ab
Prof. Dr.-Ing. Helmuth Biechl, Labor für Elektrische Antriebe und
Mechatronik, Fachhochschule Kempten
de 6/2006
Na
Bild 1: Stromfluss durch Ionenbewegung in einem Elektrolyt
und wird dort ebenfalls neutralisiert. Es steigt dann als Chlorgas an die Oberfläche der Flüssigkeit.
Ähnliche Vorgänge wie bei diesem Experiment laufen im
Inneren einer Batterie ab. Man kann sie sich als eine Art
»Elektronenpumpe« vorstellen, die die Elektronen von der
einen Seite (Anode) zur anderen Seite (Kathode) transportiert.
Mit steigender Batteriespannung U wächst nicht nur die auf
die Ladungsträger wirkende Kraft, sondern auch die
Geschwindigkeit, mit der sich die Ionen in der Flüssigkeit
bewegen. Der Vorgang in Bild 1 hält so lange an, bis alle Ionen
neutralisiert sind. Damit der Stromfluss nicht zum Erliegen
kommt – schließlich ist er ja an Ladungsträger gebunden –
muss man dann neues Kochsalz in die Flüssigkeit geben.
Beweglichkeit der Ladungsträger
Am Beispiel »Elektrolyt« kann man gut erkennen, warum man
von elektrischem Strom spricht. Es handelt sich dabei um
nichts anderes als um bewegte Ladungen.
Dass sich Ladungen in der Flüssigkeit bzw. im Metall
bewegen, liegt an der Kraft F, die auf die Ladungsträger wirkt.
Die Kraft F wird von der elektrischen Feldstärke E gemäß folgender Gleichung erzeugt:
F = q·E
Vom Elektrolyt zur Batterie
Kathode
Cl
(2)
Die Elektrodenanordnung (Geometrie, Abstand) beeinflusst
das von der Batteriespannung U hervorgerufene elektrische
Feld E.
Die Ladungen driften mit konstanter Geschwindigkeit v
durch das Metall bzw. durch die Flüssigkeit. Es gilt: v ~ E. Dieser proportionale Zusammenhang (dafür steht das Zeichen ~
in der Gleichung) sagt Folgendes aus: Steigt die elektrische
Feldstärke E und damit die Kraft F, driften die Ladungsträger
schneller, d. h., ihre Geschwindigkeit v steigt ebenfalls. Sowohl
die Flüssigkeit als auch das Metall setzen den Ladungsträgern
einen gewissen Reibungswiderstand entgegen. Bei geringem
Widerstand steigt die so genannte Beweglichkeit b der
Ladungsträger (umgekehrte Proportionalität). Es gilt:
vp = bp · E
vn = bn · E
Dabei ist vp die Geschwindigkeit der positiven Ladungsträger
und bp deren Beweglichkeit. vn und bn beziehen sich auf die
negativen Ladungsträger.
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EINE MODERNE ANWENDUNG
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Der umgekehrte Vorgang des Galvanisierens heißt Elektrolyse. Hierbei lagert sich also kein Stoff an die Elektrode an, sondern die in
einem Elektrolyten befindliche Elektrode löst sich durch den Stromfluss auf. Auch diesem Vorgang liegt Gl. (3) zu Grunde.
Schauen wir uns dazu ein ganz aktuelles Beispiel an: Die koreanische Fa. Samsung brachte im vergangenen Herbst eine Waschmaschine mit patentiertem »Silver Nano Health«-System auf den
Markt. Hierbei werden Silberionen (Ar = 107,8682; zi = 1) beim Waschund Spülzyklus durch Elektrolyse freigesetzt (dadurch werden Bakterien und Pilze schon bei niedrigen Waschtemperaturen abgetötet).
Es heißt, die beiden aus hochreinem Silber bestehenden Plättchen
wiegen insgesamt 15 g und reichen für 3000 Waschzyklen. Pro
Waschgang werden also 5 mg freigesetzt, wobei ein Strom im mABereich fließt (ein genauerer Wert ließ sich nicht in Erfahrung bringen; wir gehen hier von 50 mA aus). Nun können wir mit Gl. (3)
berechnen, wie lange der Vorgang dauert (bei höherem Strom funktioniert es noch schneller):
Schalter
+
Batterie
U
Glühlampe
–
Bild 2: Einfacher Stromkreis bestehend aus Batterie, Leitern,
Schalter und Glühlampe
Wie wir wissen, gibt es in Metallen nur negative Ladungsträger, die Elektronen. Bei üblichen Stromstärken bewegen sich
die Elektronen sehr langsam im metallischen Leiter. Die
Geschwindigkeit beträgt dort meist weniger als 1 mm/s. Die
Elektronen kriechen sozusagen durch das Metall. Nun kann
man sich fragen, weshalb in einem Stromkreis wie in Bild 2
dargestellt, die Wirkung dennoch sofort einsetzt, d. h. ohne
Verzögerung. Das liegt daran, dass sich beim Schließen des
Schalters alle Elektronen gleichmäßig in Bewegung setzen, d. h.
ohne Verzögerung – sozusagen wie die Waggons einer Eisenbahn, die sich auch alle gleichzeitig in Bewegung setzen, wenn
die Lokomotive anfährt. Mit dem Schließen des Schalters in
Bild 2 werden die Elektronen in der Glühwendel der Lampe
sofort bewegt, und die Glühwendel beginnt unmittelbar sich zu
erwärmen und anschließend zu leuchten.
Die ersten Experimente und Untersuchungen diesbezüglich
gehen auf Michael Faraday zurück. Das nach ihm benannte
faradaysche Gesetz erlaubt es, Berechnungen in der Galvanik
durchzuführen. Es lautet:
Das faradaysche Gesetz
Wir wollen nun nochmals auf das Elektrolytbad zurückkommen, mit dem man – wie bereits beschrieben – durch Galvanisieren metallische Überzüge herstellen kann (z. B. verzinken).
MICHAEL FARADAY
Michael Faraday wurde am 22. September 1791 als Sohn eines Goldschmieds in einem Vorort von London
geboren. Entsprechend seiner Herkunft und den wirtschaftlichen Verhältnissen der Familie erhielt er nur
eine sehr bescheidene Schulbildung
und lernte auf der damaligen Elementarschule lediglich Lesen, Schreiben
und Rechnen. Mit 13 Jahren kam er zu
einem Buchbinder in die Lehre und
nutzte hierbei die Gelegenheit, die Michael Faraday
ihm zugänglichen wissenschaftlichen (1791 – 1867)
Bücher zu lesen. Besonders angetan
hatte es ihm die Elektrizitätslehre. Er ließ es jedoch mit dem Lesen
allein nicht bewenden, sondern versuchte, die beschriebenen Experimente zuhause mit einfachen Mitteln nachzuvollziehen. Auf diese
Weise erwarb er sich – sozusagen im Selbststudium – grundlegende
naturwissenschaftliche Kenntnisse, die er durch den Besuch öffentlicher Vorträge der Royal Institution of Great Britain noch erweiterte. 1813 bewarb er sich als Assistent bei dem seinerzeit berühmten
Chemiker Davy, bekam diese Stelle und beschäftigte sich anschließend mit chemischen Untersuchungen verschiedener Art. 1821
wurde er Oberinspektor der Royal Institution, 1824 Mitglied der
Royal Society, 1825 Direktor des Laboratoriums der Royal Society
und 1827 sogar Professor für Chemie. Neben seinen chemischen Forschungen führte er auch ab etwa 1820 umfangreiche physikalische
Experimente und Untersuchungen durch.
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(3)
cF = Faraday-Konstante (
zi
)
= Ladungszahl des Ions, auch als Wertigkeit bezeichnet
(z. B. 1 bei Cl– oder 2 bei Cu++)
Ar = relatives Atomgewicht (gibt an, um welchen Faktor ein
Element schwerer ist als ein Wasserstoffatom, lässt sich
dem Periodensystem der chemischen Elemente entnehmen)
Δm = Masse, die sich beim Galvanisieren ablagert
Betrachten wir hierzu ein Beispiel: Wir wollen einen leitfähigen
Gegenstand mit einer Kupferschicht überziehen. Diese Kupferschicht soll eine Gesamtmasse von Δm = 1,2 g annehmen. Welchen Strom muss man fließen lasen, wenn der Überzug nach Δt
= 2 h fertig sein soll (Kupfer: Ar = 63,6; zi = 2)? Wir setzen mit
Gl. (3) an:
Wir müssen also 2 Stunden lang einen Strom von I = 0,5 A fließen lassen, so dass die Kathode einen Kupferüberzug mit einer
Masse von Δm = 1,2 g erhält. Als Salz, das man zum Verkupfern in das Wasserbad gibt, so dass ein entsprechender Elektrolyt entsteht, lässt sich z. B. Kupfersulfat (CuSO4) verwenden.
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de 6/2006
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