Agenda 2015 /2016 3 4 7 8 11 14 18 24 42 Vorwort Agenda, Übersicht KomponistInnen und Uraufführungen Ensemble und Team Working like an investigator —Mats Gustafsson Ohne ihn wäre ich ein Anderer geworden —Georg Friedrich Haas Rückenwind alter Geschichten —Uwe Kolbe Agenda, Details Sponsoren und Förderer, Impressum 2Inhalt Sven Hartberger mit capsicum chinense Und wo bleibt denn nun eigentlich das Neue?!, dessen Heraufkommen die Älteren nicht wie früher zitternd und abwehrbereit befürchten, sondern das sie mit gefestigtem Selbstbewusstsein und voll freudiger Erwartung von den Jüngeren verlangen und einfordern. In der virtuellen Konzerthalle des 21. Jahrhunderts, mit dem großen Anything Goes über dem Eingang, sitzen die zu Gunsten der Jungen durchaus abdankungsbereiten Meister des späten 20. Jahrhunderts, harren mittlerweile schon gar nicht mehr geduldig des fruchtbaren Neuen, erwarten die genialischen Werke unserer Zeit und stimmen mit wachsender Verdrossenheit die Lamentatio über ihr Ausbleiben an. Vielleicht hilft ein Perspektivenwechsel. Armin Köhler, der große, wunderbare Sendungsgestalter, Festivalleiter, Autor und Gesprächspartner, dessen wir bei den diesjährigen Musiktagen in Donaueschingen ehrend gedenken werden, hat eine solche Veränderung des Standpunkts und der Erwartungen als einer der Ersten schon am Ende des vergangenen und am Beginn des neuen Jahrhunderts angeregt. 3Vorwort Als Titel für einen von ihm herausgegebenen Band mit Texten, die im Rahmen seiner Musiktage entstanden sind, hat er deshalb ein Diktum des Philosophen Boris Groys gewählt – „die innovation bleibt immer auf einem fleck“ – mit dem deutlich zur Suche nach anderen Qualitätskriterien als jenem des Neuheitsgehalts eines Werkes eingeladen wird. Tatsächlich ist die stets mit sorgenvoll gefurchter Stirne und in bedeutungsvollem Ton vorgetragene Frage, was denn nun neu sei an dieser Neuen Musik, etwa so klug, wie die Erkundigung nach dem Mittleren am Mittelalter. Die wesentlich durch den missverstandenen Kategoriebegriff „Neue Musik“ suggerierte Neuheitsforderung ist wegen der notwendigen Endlichkeit im Bereich des Materialfortschritts, der die Forcierung dieses Aspekts bis in die 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts befeuert hat, längst obsolet geworden. Sein Fortdauern in der aktuellen Diskussion erscheint einerseits als ein in die Kunst verlagertes Abbild der Wachstumslogik der gerade regierenden Weltwirtschaftsdoktrin, andererseits als eine eskapistische Technik, die es uns erspart, betreffende Fragen von weitaus größerem existenziellen Gewicht verhandeln zu müssen. Solche entschieden lohnenderen Fragen könnten zum Beispiel jene nach dem eigentlichen Gehalt und der grundsätzlichen Bedeutung unserer Kunst sein, nach dem Wesen von Moderne und Reaktion, nach der verpönten Unterscheidung zwischen U und E in der Musik (– für die zuletzt wieder Hans Zender in seinem schönen Buch „Waches Hören“ mit sehr guten Gründen eingetreten ist –), nach einer zeitgemäßen Kontextualisierung der Musik im 21. Jahrhundert und nach unserem Angebot an HörerInnen, die den sehr idealen Vorstellungen der Erfindung Konzertsaal weder entsprechen noch entsprechen wollen. Das Klangforum Wien, das ein Solistenensemble und keine Akademie ist, stellt sich diesen brennenden Fragen nicht nur im theoretischen Diskurs, sondern vor allem laufend in der Praxis und in der neuen Saison auch programmatisch: mit seinem „Generationen“-Zyklus, durch seine Mitwirkung am „Echotecture“Projekt von netzzeit und der Szenografieklasse von Anna Viebrock an der Wiener Kunstakademie, in seinen „Festlichen Tagen alter Musik“ und – in einem kleinen Vorgriff auf die nächste Saison – durch einen gemeinsam mit den Musiktagen Donaueschingen erteilten Auftrag, der dem Ensemble für den Herbst 2016 einen echten musikalischen Klassenkampf mit dem Hammond Avantcore Trio Steamboat Switzerland beschert, welcher nach den kompositorischen Vorgaben von Bernhard Gander und Michael Wertmüller auszutragen sein wird. Die wesentliche Aufgabe überlassen wir aber wie immer allen unseren Freund­ Innen, die bereit sind, die Musik in sich selbst entstehen zu lassen und das Neue, nach dem es sie verlangt, selbst aufzusuchen und zu finden. Zu diesem schönen Unterfangen wünschen wir Inspiration und Freude. —Sven Hartberger Agenda, Übersicht 13. Juli 2015 Siena, Teatro dei Rozzi Accademia Chigiana Pollini Perspectives UA — 31. Juli 2015 Salzburg, Kollegienkirche Salzburger Festspiele Salzburg contemporary — 7. August 2015 Salzburg, Kollegienkirche Salzburger Festspiele Salzburg contemporary 4. Oktober 2015 Parma, Teatro Farnese Festival Traiettorie ... wie stille brannte das Licht — 6. Oktober 2015 Porto Casa da Música ... wie stille brannte das Licht — 12. Oktober 2015 Wien, Konzerthaus Generationen Instrumente — UA — 16. August 2015 Duisburg, Gebläsehalle Ruhrtriennale Für Gerard Mortier — 25. August 2015 Alpbach, Erwin Schrödinger Saal Europäisches Forum Alpbach Junge Talente UA UA UA — 7. September 2015 Wien, d51 Klangforum PLUS Nachbarn — 21. September 2015 Wien, Konzerthaus Generationen Gegenbeweis?! EA — 26. September 2015 Brixen, Damiani-Holz&Ko Transart Symposion — 2. Oktober 2015 Venedig, Teatro alle Tese Biennale di Venezia Parole di settembre — 28. Oktober 2015 Wien, Radiokulturhaus Echo des Unerhörten Weimar-Leningrad/ Die verdrängte Avant-Garde — 6. November 2015 Wien, Konzerthaus Wien Modern Carnaval EA — 8. November 2015 Stuttgart, Liederhalle Musik der Jahrhunderte Lachenmann Perspektiven — 13. November 2015 Wien, Konzerthaus Wien Modern Substantie UA — 15. November 2015 Zürich, Kunsthaus Tage für Neue Musik Carnaval — 20. November 2015 Huddersfield, St. Paul‘s Hall Huddersfield Contemporary Music Festival Opening Concert — 25. November 2015 Salzburg, Mozarteum Dialoge Zeit — 4 Agenda, Übersicht 29. November 2015 Luxemburg, Philharmonie Rainy Days Speicher — 5. Dezember 2015 Shanghai Shanghai Conservatory of Music Bai Chuan Award UA — 7. Dezember 2015 Wien Radiokulturhaus Portrait Alberto Posadas EA EA — 15. Dezember 2015 Wien, Konzerthaus Generationen Epigramm 17. Februar 2016 Wien, Konzerthaus Generationen Klangflächen 11. April 2016 Wien, Konzerthaus Generationen Der starke Jahrgang EA EA — — 2. März 2016 Wien, Konzerthaus Generationen Ausreißer — 15. April 2016 Kairo Cairo Contemporary Music Days Klarinettenquintett 9. März 2016 Grenoble MC2, Auditorium Musique et architecture — 9. März 2016 Grenoble MC2, Garage hélicoïdal Musique et architecture — EA — 19. Dezember 2015 Gent De Bijloke in vain — 13., 16., 18., 20., 23., 25., 28. und 30. Januar 2016 Wien Theater an der Wien Die Dreigroschenoper — 14. Januar 2016 Wien, Konzerthaus Generationen Autodidakte EA EA EA — 17. Januar 2016 Wien, Porgy & Bess Klangforum PLUS PPCM/ fast foward — 4. Februar 2016 Stuttgart Eclat Festival Koffer — 5 25. März 2016 Krems Imago Dei Das Tuch — UA — 15. Mai 2016 Shanghai Internationales Musikfest FAMA — 4. und 5. Juni 2016 Wien, Konzerthaus Wiener Festwochen Polis — 8. Juni 2016 Paris, Centre Pompidou ManiFeste Création UA 31. März 2016 Wien, Konzerthaus Festliche Tage alter Musik Wien ohne Worte — — 1. April 2016 Wien, Konzerthaus Festliche Tage alter Musik Die Extremisten — UA 2. April 2016 Wien, Konzerthaus Festliche Tage alter Musik Neue Welt — 2. April 2016 Wien, Konzerthaus Festliche Tage alter Musik Voix étouffées — 3. April 2016 Wien, Konzerthaus Festliche Tage alter Musik Die große Geste — 13. Juni 2016 Kopenhagen, Republique Teater Klang Festival Toujours vers toi — 13. Juni 2016 Kopenhagen, Republique Teater Klang Festival Portrait Mathias Spahlinger — 16.-18. Juni 2016 Wien, Semperdepot Akademie der bildenden Künste Echotecture — 24. Juni 2016 Graz, MUMUTH Klangforum PLUS PPCM — Eva Reiter (*1976) Salmansdorf, Wien Thomas Wally (*1981) Landstraße, Wien 6 Uraufführungen KomponistInnen Beat Furrer —Klarinettenquintett —Neues Werk Dieter Ammann Georges Aperghis Béla Bartók Arnold Bax Franck Bedrossian Alban Berg Lord Berners Pierluigi Billone Ernest Bloch Pierre Boulez Ferruccio Busoni Alfredo Casella Aureliano Cattaneo Friedrich Cerha James Dillon Gottfried von Einem Morton Feldman Jean Françaix Uli Fussenegger Bernhard Gander Roberto Gerhard Gérard Grisey Mats Gustafsson Georg Friedrich Haas Pavel Haas Karl Amadeus Hartmann Josef Matthias Hauer Joseph Haydn Juliana Hodkinson Charles Ives Leoš Janáček Johannes Kalitzke Rudolf Karel Erwan Keravec Gideon Klein Charles Koechlin Józef Koffler Peter Jakober —Substantie Ylva Lund Bergner —Toujours vers toi Olga Neuwirth —Eleanor-Suite Piotr Peszat —Computer Chro­nicles Salvatore Sciarrino —Carnaval Thomas Wally —jeux éoliens III Yukiko Watanabe —Color Study 7 KomponistInnen und Uraufführungen Bernhard Lang Klaus Lang Gustav Mahler Olivier Messiaen Tristan Murail Luigi Nono Arne Nordheim Nikolai Obuchow Maurice Ohana Leo Ornstein Michael Pelzel Matthias Pintscher Enno Poppe Alberto Posadas Stefan Prins Max Reger Eva Reiter Silvestre Revueltas Terry Riley Nikolai Roslawez Jorge Sánchez-Chiong Giacinto Scelsi Dmitri Schostakowitsch Arnold Schönberg Mathias Spahlinger Simon Steen-Andersen Karlheinz Stockhausen Alexandre Tansman Heitor Villa Lobos Anton Webern Kurt Weill Stefan Wolpe Iannis Xenakis Otomo Yoshihide Alexander Zemlinsky Agata Zubel Vito Žuraj Klangforum Wien Joonas Ahonen, Klavier Annette Bik, Violine Markus Deuter, Oboe Lorelei Dowling, Fagott Andreas Eberle, Posaune Vera Fischer, Flöte Eva Furrer, Flöte Uli Fussenegger, Kontrabass Gunde Jäch-Micko, Violine Benedikt Leitner, Violoncello Andreas Lindenbaum, Violoncello Florian Müller, Klavier Anders Nyqvist, Trompete Dimitrios Polisoidis, Viola Gerald Preinfalk, Saxophon Sophie Schafleitner, Violine Lukas Schiske, Schlagwerk Krassimir Sterev, Akkordeon Virginie Tarrête, Harfe Olivier Vivarès, Klarinette Christoph Walder, Horn Björn Wilker, Schlagwerk Bernhard Zachhuber, Klarinette Ehrenmitglieder Sylvain Cambreling Friedrich Cerha Beat Furrer Dramaturgie Uli Fussenegger Andreas Lindenbaum Anders Nyqvist Vorstand Thomas Stelzer Markus Haffner Armin Thurnher Recherche Joonas Ahonen Vera Fischer Sophie Schafleitner Direktorium Wolfgang Bürgler Thomas Herndl Friedrun Huemer Hans Hurch Stefan Klestil Monika Knofler Michael Landau Marcel Landesmann Katarina Noever Hannah Rieger Wolfgang Stocker Ensemblevertretung Benedikt Leitner Intendant Sven Hartberger Sekretariat Ingrid Stiller Produktion Bettina Mirus Michael Blamauer Ernst Rott Jürgen Semlitsch Alexej Solowjow Peter Stenzel Christine Weitzer Marketing & PR Emilija Jovanović Sidonie Forstreiter Büroorganisation Marina Steiger Buchhaltung Doris Böhm Haushalt Anđa Pejić Join us! 8 Ensemble und Team 9 Generationen Der Konzertzyklus 2015/2016 im Wiener Konzerthaus Auch die neueste Musik kommt nicht aus dem Nichts. Erfindungen, Erfahrungen, Wissen aus der ferneren und näheren Vergangenheit finden sich, oft in wundersamen Verkleidungen, im Gegenwärtigen. Das Klangforum lauscht den verschlungenen und versteckten Wegen der Musik aus dem Gestern ins Heute nach. Mehr Informationen unter www.klangforum.at/konzertzyklus Von einem Längsschnitt der Jahresringe eines Baumes kann man bei einem Furnier sprechen. Ein Abbild von Zeit – markante Einschnitte im Wachstum: die mageren und die fetten Jahre, für Kundige leicht ablesbar. In feinste Schichten geschnitten – fast nur noch der Schatten eines Baumes, seines Selbst. All diese Jahre, vielleicht über Generationen hinweg, von noch größerer Distanz gesehen: bloß ein Blitz, ein Aufleuchten, ein schneller Pinselstrich in der Zeit. Magere und fette Jahre, © Fabian Seiz für das Klangforum Wien, 2015 10Konzertzyklus Working like an investigator —Otomo Yoshihide and Erwan Keravec interviewed by Mats Gustafsson Some 150 years separate the first appearance of a turntable in a concert hall from the application for a patent for a new type of instrument designed by a Mr. Sax. True – that covers a few generations. But that is nothing compared to the distance in time to the oldest preserved bagpipe from the 15th century. Mats: How important is the past for you, the previous history of music? Erwan: I grew up in traditional music. Traditional music is the music of heritage. Traditional musicians receive this heritage and they have to decide, in the world of the XXI century, what they have to play, what traditional culture can be today and to convey it to the next generation. We don‘t have to forget the heritage but we need to project it into this century. Otomo: I look at myself as living between interpreting the reality around myself and interpreting the experience of the past. Music is the same as my life, there is no difference between the two. M: How much inspiration do you draw from former generations of players for the music you want to work with? What is there to learn from the older generations? O: I got a lot of things from older generations of Japanese free musicians like Masayuki Takayanagi and Kaoru Abe. I also got a lot of inspiration from American free jazz and European improvised music. Not only this, probably also a lot of things from the older generations like philosophy, and from Japanese language, good things and bad things… but I can’t say that all those things are only a result of the past. 11 Working like an investigator E: In 2007, I recorded a CD “Urban Pipes“. This album tried to show the bagpipe as a universal instrument and to imagine music for solo bagpipe that would not evoke its cultural origin. This meant modifying traditional playing and modes and working on the bagpipe sound and harmonic strangeness beyond strictly melodic parameters. But there is something that I’ve kept: the power, the projection of the sound and the immediacy of the playing. M: Erwan – what made you start playing such an ancient instrument? And how did you develop your new techniques? E: As I said before, I grew up in traditional music. So, what I saw and heard when I was young were all the instruments of Breton traditional music; bagpipe is one of those instruments. Usually, the bagpipe plays the melody but when I started playing with improvisers, I had to change this habit. I worked on my instrument like an investigator, looking for all the sounds it could possibly produce. M: Otomo – you are considered a pioneer, one of the 1st generation of turntable players. What made you start playing the turntables? How did you develop your technique? O: My father was an electric engineer. My mother was fond of music. That’s the big reason why I started to play music with electronics. Turntable was one of the important tools, but also tape recorders, radios, handmade oscillators and amps. I used all kinds of cheap electronics as musical instrument when I was a teen in the 70’s. Of course I got a strong influence from Christian Marclay and the Music Concrete by the French and Japanese composers when I developed my turntable techniques. M: Are there still new techniques to find on your respective instrument? How can it be further developed? O: Yes! During the last 15 years I have spent a lot of time trying to find the way on my guitar. I also tried to find ways of dealing with my turntables without using actual records. Sound installation is another way. Also I am now travelling to other Asian countries. In particular, I often go to Southeast Asia, this is a very different context compared to my own history. It is not always easy for me to get an instrument to work with, so I have to rethink how to make music under these conditions. So, yes, it is necessary for me to find new ways. E: It’s still possible to find new techniques, but, I’m not sure that it is the most important aspect. It’s more important to find the music using these techniques. Because a new sound is just a sound if there is no consideration of how to make use of it. M: Did you ever have a teacher on your instrument? O: Masayuki Takayanagi was my teacher, especially when I played guitar, but most of the time I did not have a teacher. E: When I started learning the bagpipe, it was not taught in conservatories or music schools. It was taught by nonprofessional musicians/teachers. After this period of learning, I discovered contemporary music practice with the musicians I started to play with: Jean-Luc Cappozzo, Beñat Achiary, Arfi. They are my “teachers” too. 12 M: What kind of music inspired you the most to become the player you are now? O: Kayoukyoku – that is the Japanese Pop music from the 60’s and 70’s. Improvised Music and Free Jazz. Also music by Toru Takemitsu and Duke Ellington. E: For me it is free music, contemporary music, traditional music. When I played in traditional music I played in a band who had met a jazz big band, La Marmite Infernale, from l’Arfi. This meeting was, for me, the first time I had to improvise. It was a strange situation for me because I had never improvised before, but it was simple and obvious… M: What single composer inspired you the most to become the player you are now? E: When I started to develop a new music for bagpipe, I decided to commission a composer. At that time, there was a piece which proved to be very important for my decision. It was 280 mesures pour clarinette by Georges Aperghis: sound, form, organisation of the music… A great piece! M: Do you see a new generation emerging? Working on the same instruments as you, going musically in the same direction? Or in a totally new direction? Is there a new generation at all? O: I do not know much about a new turntable generation. However there are many interesting artists in the new generation, such as Tetsuya Umeda, Yuko Mori and others. They are not like traditional musicians and not like sound artists, but for me they are real musicians and they are making new stuff. E: There’s a new generation of bagpipe players now, a very good generation of players. Teaching is really different today. Teachers are professionals and very competent. But they all play traditional music or combine it with rock; they are not really into contemporary music. M: When it comes to written contemporary music, is there a generation of composers that you find particulary interesting and inspiring? O: I still don‘t understand… what is ”contemporary” music? I just live with the music. And I get in contact with the music that I am interested in. I look it up. E: Not really a generation, not really a composer, but I really like the music of Philippe Leroux for his way of thinking, or Wolfgang Mitterer for his powerfulness, or Susumu Yoshida for his patience… M: Do you have a vision for the future when it comes to contemporary music and how it will work? On a level in society? And esthetically? O: Yes, but it is better not to explain from the musician‘s perspective. It is all about improvisation. M: Improvisation has always been an important tool in compositional works. Perhaps most music anyway has its origin in improvisation (!). How can free improvisation feed and inspire contemporary composers to work in new ways and directions? O: I am not interested in ways of thinking, that draw boundaries between composition and improvisation. Of course it is a very important thing, especially in European music history. But I am not only part of European music history – I have to think about my own history. E: By improvisation, we can imagine a music which cannot be written down and the interplay is therefore very important. I think composers and improvisers have to work together more and more closely. M: Do you think that future generations of contemporary composers as well as interprets of that music will deal more with free improvisation in the future? Will free improvisation play a more important role in contemporary music in the future? O: For myself, I do not need the categorical boundaries. I can only say: people need improvisation. But composition is also a good idea. 13 Working like an investigator M: Did you collaborate a lot with perfomers of contemporary classical music in the past? How do you look at it – is that something that works for you – to combine your music with the music and esthetics of a contemporary classical ensemble? E: After “Urban Pipes”, I decided to go further with this new approach and to call on the attention of contemporary music composers. Now I’ve commissioned and premiered 11 solo pieces, 4 pieces with 2 singers (soprano, baritone) and one piece for 4 traditional instruments. For the last piece – a piece by Bernard Cavanna for bagpipe solo – it was the first time I combined my work in improvised music with the way of thinking as a composer. A very interesting situation of playing indeed. Deutsch: www.klangforum.at/gustafsson Ohne ihn wäre ich ein Anderer geworden Friedrich Cerha zum Geburtstag —Georg Friedrich Haas Er hat lange Zeit nicht darüber gesprochen. Nur wenn er dazu befragt wurde. Aber ich habe ihn nicht befragt. Friedrich Cerha ist desertiert. Zweimal. Zunächst 1943 in Dänemark, – noch behielt er die Uniform – schloss sich dem Widerstand an und reiste mit blankounterschriebenen Marschbefehlen durch Deutschland, die er je nach Bedarf ausfüllte. Nach seiner Zuteilung zu einer „Noteinheit“ 1944 organisierte er sich Zivilkleider und tauchte in Thüringen unter – auf das Kriegsende wartend. Hungernd, frierend, in der ständigen Angst entdeckt und hingerichtet zu werden. Den Sommer 1945, nach Kriegsende, verbrachte er als Bergführer und Hüttenwirt in Tirol. Er hat hier wohl die Kraft wiedergefunden, nach diesen traumatischen Erfahrungen weiterzuleben. Viel später, in der Oper Baal wird er diese Energie der Naturgewalten besingen. Nein – er schrieb keine romantischen Alpensymphonien und keine Musik über irgendwelche Haine und Fluren. Aber ich erinnere mich noch heute, wie rätselhaft tief mich jene Szenen in Baal bei der Uraufführung 1981 berührten. Hier war spürbar: Da spricht jemand, der Natur nicht als Tourist konsumiert hatte, sondern der sie als einzige Möglichkeit des Überlebens erspürt und erlitten hatte. In der brachialen Ausdrucksgewalt der Spiegel reflektiert sich das erlebte Grauen. Die Sprache dieser Musik war radikal neu als das Werk komponiert wurde. Dieses neue Material ist aber nicht aus einem akademischen Wunsch entstanden, auf experimentellem Weg bis jetzt unerforschte Klangmaterialien zu erproben. Dieses Neue ist – wie alles Wesentliche in der Musikgeschichte – das Ergebnis eines ungebändigten Expressionismus. Wie bei aller großen Musik ist es auch bei den Spiegeln nicht notwendig, den autobiographischen Hintergrund zu kennen. Der emotionale Sog dieser sich aufbauenden und sich verschiebenden Klangmassen spricht unmittelbar zu denjenigen, die dafür ein aufmerksames Ohr haben. Da gibt es nichts in der Komposition, das vorwiegend durch die erzählte Geschichte gerechtfertigt wäre. Alles ist in musikalischen Gesetzmäßigkeiten begründet, die unmittelbar emotional nachzuvollziehen sind. Cerha hat sich niemals damit begnügt, es sich im Gebäude des jeweils neu gefundenen musikalischen Materials gemütlich einzurichten. Sein Lebensprinzip, zu jedem Zeitpunkt einfach das Richtige zu tun, – koste es, was es wolle – bewirkte ein Œuvre, das in seinem Reichtum und in seiner Vielfalt unüberschaubar ist. In seiner Oper Netzwerk übertrug er das musikalische Prinzip einer nonseman­ tischen Kommunikation auf die Vokalpartien. Das Bühnengeschehen ist klar, die Prozesse zwischen den Agierenden unmissverständlich nachzuspüren – alles in abstrakten sprachähnlichen Vokalisen formuliert. Durch den Verzicht auf Sprache hat Cerha den Begriff des Musiktheaters hier konsequent zu Ende gedacht. Er hat hier Türen in Räume geöffnet, die noch weitgehend unerkundet sind. Die Fragen „Was verbleibt in der Oper, wenn der Text eliminiert wird? Wie verständlich sind Vokalisierungen, die auf Begriffe verzichten? Wie kann eine Handlung nur durch Klang, Sprachmelodie und Szene verdeutlicht werden?“ öffnen völlig neue Möglichkeiten. Unvergesslich ist mir die Uraufführung der Keintate. Im Gegensatz zu Netzwerk ist hier die gesprochene, verständliche Sprache der Ausgangspunkt des Werkes. Kompositionstechnisch betrachtet: Dieses Stück orientiert sich weitgehend an den stimmtechnischen Möglichkeiten des Sängers der Vokalpartie, Heinz Karl Gruber. Und es scheut sich nicht vor konkreten musikalischen Anspielungen, es sprüht geradezu vor Witz. Als es zum ersten Mal erklang, war das Publikum zunächst beinahe geschockt: Von Cerha hätte man derart konkret Fassliches nicht erwartet. Aber der zunächst noch liebenswürdige Humor zog alle in seinen Bann und bald herrschte eine geradezu ausgelassene Stimmung mit brüllendem Gelächter. Aber der Humor wurde immer bitterer, immer böser, eine an den „Herrn Karl“ gemahnende Niedertracht drang an die Oberfläche. Allmählich erstickte das Lachen. Es wurde immer stiller, zuletzt lachte nur mehr eine einzige Frau, geradezu hysterisch, bis es ihr gelang, sich mit tatkräftiger Unterstützung ihres Partners unter Kontrolle zu bringen und auch sie verstummte. Eine beklemmende Stimmung hatte sich breitgemacht, schließlich sang Gruber vom Tod, der jedes Mal anders aussieht und jedes Mal anders riecht. Es war so etwas wie ein zweischichtiger Kontrapunkt entstanden: einerseits die differenziert und ausdrucksvoll gearbeitete Musik mit ihren zahllosen Anspielungen und Scheinzitaten und andererseits die Linearität der Publikumsreaktionen (vom Jahrmarkt zum Friedhof). „Wån i a Banfleisch ess …“ Heute noch klingt mir die entsprechende Stelle der Keintate im Ohr wenn ich ein Beinfleisch esse (was geradezu zwangsläufig immer ein Teil meines Wien-Aufenthaltes ist). Die Melodie in ihrer verqueren Traurigkeit fügt sich in die Struktur und in den Geschmack des Fleisches ein – und deshalb werde ich beim Beinfleischessen immer ein wenig melancholisch. — 14 Ohne ihn wäre ich ein Anderer geworden 15 Wie kann man es wagen, Alban Bergs Lulu auch noch nach Cerhas Vollendung in der zweiaktigen Fassung zu spielen? Das laszive Ende des 2. Aktes und der Verzicht auf die alles erklärenden Doppelrollen – Dr. Schön muss ja im 3. Akt als Jack the Ripper wiederkehren! – DAS ist ein Eingriff in das Werk Bergs. Auch wenn nicht jede Note der vollendeten Version von Berg selbst stammen sollte: Die dreiaktige Fassung steht seinen Intentionen wesentlich näher als die als „Werktreue“ getarnte Beschränkung auf die zwei von Berg selbst fertiggestellten Akte. — Heute ist Neue Musik wie selbstverständlich in das Kulturleben integriert. Was einmal Avantgarde war, wird an den Musikuniversitäten gelehrt und eine neue Generation von KomponistInnen wird erzogen, die mit der gleichen Selbstverständlichkeit „avantgardistische“ Techniken in ihren Werken benutzen, mit der konservative TonsetzerInnen während der 50er, 60er und 70er Jahre „freitonal“ komponierten. Es fällt heute schwer, sich in jene Pionierzeit zurück- zuversetzen, in der das Neue noch wirklich provozierte und nur gegen den massiven Widerstand von Teilen des Publikums und der Presse in der Öffentlichkeit gespielt werden konnte. Und es gibt heute MusikerInnen, die technisch und konzeptionell höchst anspruchsvolle Musik auf höchstem Niveau realisieren können – im Gegensatz zu den 50er bis 80er Jahren, wo neue Musik häufig von unwilligen, schlecht vorbereiteten und destruktiv agierenden Menschen gespielt wurde. Dass es Cerha gelang, mit der „Reihe“ eine Tradition zu beginnen, die heute zur Existenz von professionell auf Neue Musik spezialisierten Ensembles geführt hat, kann ihm gar nicht hoch genug angerechnet werden. Aber wer als 17-Jähriger den Mut aufgebracht hat, von der deutschen Wehrmacht zu desertieren und sich der Widerstandsbewegung eines Landes anzuschließen, dessen Sprache er nicht konnte, der wird sich doch von einer so läppischen Kleinigkeit wie der konservativen Wiener Nachkriegskulturpolitik nicht einschüchtern lassen! — 16 Ohne ihn wäre ich ein Anderer geworden Und Cerha war Lehrer. Er zählt zu den Wenigen, von denen ich sagen kann: Ich wäre ein Anderer geworden als ich bin, wenn ich diesem Menschen nicht begegnet wäre. English: www.klangforum.at/cerha Klangforum PLUS Der Proberaum des Klangforum Wien befindet sich im 5. Wiener Bezirk, einem Stadtteil abseits der etablierten Kulturszenerie, mit einem Reichtum an verschiedenen Kulturen und Talenten, in dem gesellschaftliche Ausschlüsse schnell sichtbar werden. Vielfalt, Dialog und Reflexion kennzeichnen die Arbeit der 24 MusikerInnen aus zehn verschiedenen Ländern, die hier täglich proben, diskutieren und konzipieren. Aus dem Bedürfnis des Künstlerkollektivs heraus, einem möglichst breiten Publikum seine Arbeit zugänglich zu machen und somit Neue Musik nachhaltig in das Musikleben der Stadt und ihrer Bewohner einzubinden, sind im Laufe der mehr als 20 Jahre zahlreiche Vermittlungsprojekte entstanden. In seinem Programm Klangforum PLUS setzt das Ensemble vor allem auf langfristige Partnerschaften und Begegnungen verschiedener Kulturen. Neben Kompositions- und Interpretationsworkshops werden Probenbesuche und Werkeinführungen für Kinder und Jugendliche angeboten. Durch die Spezialausbildung Performance Practice in Contemporary Music im Rahmen seiner Professur an der Kunstuniversität Graz sorgt das Klangforum für die Weitergabe seines Wissens an die jüngere MusikerInnengeneration. Mehr Informationen unter www.klangforum.at/plus 17 Klangforum PLUS Rückenwind alter Geschichten Etwas über Beat Furrers Umgang mit den Mythen —Uwe Kolbe 18 Rückenwind alter Geschichten Das musikalische Werk Beat Furrers kommt von zwei Orten her, gehört ihnen an, umfasst sie, geht immer wieder zu ihnen hin. Es hat zwei Angelpunkte, räumlich gesehen einen rechts, einen links, auch östlich und westlich, aus der Nähe betrachtet, soweit möglich, aus sich selbst, eher oben und unten. Wenn dieser Text sich darauf beschränkt, dieses und dieselben zu behaupten und zu umschreiben und sonst gar nichts, tut er es im Schutz folgender Erklärung. Die Erklärung trägt den Charakter einer Pointe. Danach sollte Stille sein oder Musik erklingen, das eine als das andere, Musik als Stille, Stille als Musik, was grundsätzlich auch die zwei Seiten der Furrerschen Medaille wären, demnach alles, worauf dies hier hinauswill. Doch die Beredtheit desjenigen, von dem die Erklärung stammt, sie stoppte auch nicht mit derselben. Hier ist sie: Es „kann die Sprache, als Organ und Symbol der Erscheinungen, nie und nirgends das tiefste Innere der Musik nach außen kehren, sondern bleibt immer, sobald sie sich auf Nachahmung der Musik einlässt, nur in einer äußerlichen Berührung mit der Musik, während deren tiefster Sinn, durch alle lyrische Beredsamkeit, uns auch keinen Schritt näher gebracht werden kann.“ Nietzsche, Die Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik. Dieses skeptische Votum im Gepäck, geht es hier um Beat Furrer und seinen Umgang mit Mythos und Sprache. Er selbst ist derjenige, der sich der Dichtung bemächtigt, der sich Gedicht und Dichter nimmt, deren Orte, deren Konstellationen, der Vers, Biographie, Novelle, und wieder und wieder, scheint es, die Epen liest und Drama daraus konzipiert, musikalisches Drama, versteht sich, und von der Bühne her tönen lässt, der die Bühne verwandelt in den Sammel- und Ursprungsort der Klänge diesseits, rechts, und in den Sterbeort, den Grenzort der Musik jenseits, links. Wie er das kann und warum er das kann, hat, wenn ich es recht sehe, eine Ursache. Insbesondere und vor allem entzieht sich Beat Furrer nicht dem Mythos, welcher unter allem liegt, was groß an Literatur und Kunst, wenn sie echt ist. Er arbeitet also mit jener Kraft, welche die Oberfläche der Künste seit Menschengedenken aufreißt wie die steinerne Hülle der Erde, wenn der heiße Kern sich rührt. Er arbeitet, scheint es, auch durch sie, durch diese bewusste und konsequente Anbindung. 19 Wer je einen Klang, einen Sound Bit von Beat Furrer erhascht, gehört und aufgefasst hat, weiß, dass nicht von Klassizismus, überhaupt nicht von irgendeinem Ismus oder Neo-Ismus die Rede ist. Der Mann ist frei. Dieses Ungebundene, dieses Offene hat eine eigene Tradition gerade in der Neuen Musik (falls dieser alte Begriff noch benutzt wird). Rufen wir einen Zeugen auf, György Ligeti. Zu dem 2006 in Wien verstorbenen Komponisten gibt es bei Beat Furrer zufällig eine Handvoll biographischer Parallelen: auch er Wahl-Österreicher, auch er Komponist Gehen wir zunächst, nicht zufällig mit Ovid, dessen Metamorphosen eine unerschöpfliche Zusammenschau der griechisch-lateinischen Mythen sind, Richtung Osten, an jenen Ort „mitten im Raume der Welt, zwischen Meer und Erde und Himmel“, wo etwas statthat, das einen Musiker nicht kalt lassen kann: „jeglicher Laut dringt hier zu den lauschenden Ohren“. Im CD-Booklet des Hörtheaters Fama wird Ovid prominent zitiert. Beschrieben wird da ein Haus, das es in sich hat, weil es von draußen her alles sammelt, was die Leute so Er arbeitet also mit jener Kraft, welche die Oberfläche der Künste seit Menschengedenken aufreißt wie die steinerne Hülle der Erde, wenn der heiße Kern sich rührt. und Kompositionslehrer, auch bei ihm „naturgemäß“ Wien. Und last but not least stellt sie der Große Österreichische Staatspreis nebeneinander. Von dem Musikjournalisten Eckhard Roelcke wurde Ligeti einmal gefragt: „Gibt es eine Grundeinstellung, die Sie Ihren Schülern vermittelt haben?“ Er antwortete: „Eine einzige Grundhaltung: Freiheit. Man soll machen, was man will, und dabei nicht andere kopieren. …Ich bin für völlige Ungebundenheit und Originalität. Aber auch für das Handwerk.“ Die Freiheit, von der Ligeti hier spricht, ist die erste Entdeckung beim Hören der Musik Beat Furrers. Als legte er jeweils ab, was er vorher gemacht hat. Musikstück um Musikstück – die Vielzahl der Genres spricht für sich – wird ein eigener Zugang gefunden, ein neuer Raum angeeignet und hörbar gemacht. Titel der Stücke, Figuren, die aufgegriffen werden, verweisen, scheint es, auf mehr Linien, auf mehr Abstammung als die jeweils wechselnden Herangehensweisen. Darin, in den aufgerufenen alten Erzählungen und ihren Figuren gibt die Freiheit dieses Komponisten ihr pagan-abendländisches Fundament zu erkennen. Der Gedanke, der immer neue, der hochproduktive, der dieses Werk wesentlich vorantreibt, wurzelt in zweierlei Richtung des Mythos. Ohne das zur Kenntnis zu nehmen, wäre diese große und beharrliche Arbeit nicht zu verstehen. reden. Wem immer in der Welt das Wort entschlüpft ist, ob geschrien, geflüstert, ob gestöhnt oder gewispert, hier wird es angeschwemmt. Beat Furrer hat dieses Haus am Rande des Meers der Rede als Raum und Klangraum rekonstruiert wie auch erfunden, auf die Hör- und Schaubühne gestellt zuerst in Donaueschingen 2005, hat sich anderen Text geholt als den des anregenden Römers, vor allem aus „Fräulein Else“ von Arthur Schnitzler. Jenes verzweifelnde Fräulein insbesondere hat er in die Klangkulisse des Hauses der Fama gestellt. Wie auch nicht? Stirbt sie nicht am Gerücht, bevor es noch aufträte, ist sie nicht ausgesetzt der Fälschung der Biographie mitten im jungen Leben, die ihre eigenen Eltern ihr antun mit dem Verkauf ihrer Unschuld? Unentrinnbar. Noch Fama, schon Fatum, Verhängnis. Aber es ist auch das Hotel, irgendeines, es ist auch das Mietshaus irgendwo, es ist auch das Leben in der Stadt oder das dem Dorftratsch Ausgesetztsein, es ist Leben in der Mehrzahl, Allmacht der Stimmen, bewusst, halbbewusst, unbewusst, gewalttätig für diejenige, für denjenigen, der ausgesetzt ist, der hört. Nicht nur in diesem Hauptwerk, auch in dem kürzeren Lotófagos wirkt das Chorische, das Vielstimmige des Mythos. Nach der Überlieferung vermochte Odysseus kaum, diejenigen seiner Mannen wieder an Bord zu holen, welche das Leben der Lotophagen, der Lotosesser nur kurz mitgelebt hatten. So ergeht es auch dem Hörer des Stücks. Er möchte rufen: Bitte hört nicht auf, ihr lockenden SopranEchos! Bitte säge weiter, du Bass, wie ein Nebelhorn in mein süchtiges Stammhirn! Es ist der Punkt der Verlockung zum bequemen, zum nicht mehr selbstverantworteten Leben, eine bei Homer kaum ausgearbeitete Metapher, die hier, als Musik, sehr direkt wirkt. Auf diesem raschen Weg scheinbar ankommen, den Geist der Gelegenheit opfern, das Ziel hintan stecken, alle fünfe gerade sein lassen – wen wandelte es nicht hie und da an? Nur ein Odysseus lässt sich nicht beirren und erreicht Ithaka. Der eine Ursprung also, zu dem uns diese Musik immer wieder führt, der östliche, der rechts gelegene, der obere ist hier einer des vielfältigen Lauts, der Lautstärke auch. Es ist der Pol der Klangwelt, den die Sprachen erzeugen, sowohl vom Vorbild im Mythos her als auch von Gedanke und Realisation im Furrerschen Werk mit seinen mehrsprachigen Referenzen, neben dem Deutschen Italienisch, Spanisch, Französisch... Nennen wir ihn provisorisch den sozialen Mythos. Fama ist ein Ungeheuer, allgegenwärtig durch unser aller ständiges Miteinanderreden, auch wenn wir es tarnen mögen als Diskurs etc. pp. Fama ist das Gegenteil von Schweigen, von Stille. Fama ist ein mit vielfarbenen, aber farblosen, mit tonlosen Tönen gefiedertes Monster, das schon auf dem Dachfirst sitzt, während wir uns hier unten sicher wähnen in der Bedeutung. Fama ist die schwarze Art des antiken Chors, wie er an jener von Nietzsche benannten Quelle der Tragödie funktionierte, unheimlich und unausweichlich, nämlich mitreißend alles und jedes und alle und jeden, die sich vielleicht gar nicht Teil davon, die sich unbeteiligt wähnten, nur zu gern selbständige Individuen wären und es hier, in diesem Nu gar nicht sind. Und so bedrängt das Stück Fama, das Hörstück, bedrängt das Gehör, ist Herzhören, schlimmes Hören… Es geht trotz des gesprochenen, trotz des akustisch verstehbaren Fräulein-Texts nicht um Semantik, nicht um Bedeutung dessen, was Mensch ausdrückt, nicht um das Verweisende in all jenen Texten, die Furrer hier wie in anderen Vokalwerken hernimmt. Der Zugriff der Musik erfolgt direkt in die Magengrube, in den zuckenden Kehlkopf der Hörenden und wie gesagt in das Herz, in das blutige. Warum? 20 Rückenwind alter Geschichten Weil Beat Furrer uns dicht heranführt an den gemeinsamen Quell von Sprache und Musik. Wie kann er das tun inmitten eines grausam beschallten öffentlichen Raums, von dem er selbst in einem Interview sagt, in ihm sei Musik gar nicht mehr notwendig? Ich behaupte: mit dem ihm eigenen Ernst. Der auch da ist, wenn er spricht, wenn er zum Beispiel den einfachen Satz sagt von der Stille im gut gebauten Konzerthaus. Weil er kein Spieler ist, wenn es um den Stoff, um das Material geht. Weil, wenn ich diese Musik richtig verstehe, ein wacher, empfindsamer Mensch sie schreibt. Es gibt zu unserem Glück Personen in der Geschichte der Musik, der Dichtung, der bildenden Kunst, die wissen, worum es geht. Die geben sich nicht zufrieden. Die erarbeiten sich Maßstäbe und lassen sich nicht beirren. So einer ist dieser Mann. Manche verschleißen sich darüber, werden irr daran. So einer ist er zum Glück nicht. Wo gehen sie genau hin und warum, warum dringen diese so tief ein, gehen so weit, während andere mit leichter Münze glänzen? Weil sie es müssen. Es gibt keinen anderen Grund. Beat Furrer gehört zu denen, die künstlerisch keine Rücksicht nehmen. Versteht sich von selbst, dass hier nicht der viel reisende Dirigent gemeint ist, der erfolgreiche Ensemblegründer und lehrende Vermittler. Da folgt er professionellem Selbstverständnis, man wünscht ihm, in gesunden Maßen. Ein Dichter, den der Komponist prominent zum Zeugen aufruft, ist Vergil. Nicht der Vergil Dantes, obwohl das auf einer solchen Reise nahe läge. Was Beat Furrer hier voraussetzt und woran er hier arbeitet, deutet darauf hin, dass er schon weit vorgedrungen ist in die Tiefe. Großen Erfolg hatte dort, in jener düsteren, auf paradoxe Weise fruchtbaren Tiefe, lange vor ihm ein Mann, dessen Name hier genannt wird, obwohl und weil er uns wie dem Komponisten heilig ist. Wir erreichen den anderen Pol. Wir hören Begehren, wir hören Canti della tenebra aus den Orphischen Gesängen des Dino Campana. Wir geraten in das andere Land, an das andere Ende, in den Westen oder auch Nordwesten, das Land der Kimmerer bei Homer, auf die linke Seite des Wandels auf Erden, sogar auf den Darstellungen des Jüngsten Tags noch der Christenheit (um nur kurz den Monotheismus zu erwähnen) abwärts in die Unterwelt. Wir treffen dort den anderen Helden, an dem das Werk des Komponisten sich allerdings heftiger und langfristiger und wieder und wieder entzündet. Nicht nur mit dem Sujet selbst stellt er sich in die größte Tradition. Musik und Dichtung sind hier gleichauf. Man kennt das Thema der ersten überlieferten Opern der Musikgeschichte, die Liebe zwischen dem Sänger aller Sänger und seiner Frau, die Überwindung des Todes durch Gesang und die folgende Schwäche des sterblichen Orpheus. Soweit der allgemeine Teil der Stafette, die seit Jahrtausenden durch alle Künste zieht. Die Aufmerksamkeit gelte etwas anderem, zu dem Beat Furrer regelmäßig zurückkehrt, um wieder davon auszugehen. Es ist die Stille, in dem Fall die Stille im wichtigsten Moment des Aufstiegs, der Rückkehr aus der Unterwelt: „indes der Blick ihm wie ein Hund vorauslief…, // blieb sein Gehör wie ein Geruch zurück. / Manchmal erschien es ihm als reichte es / bis an das Gehen jener beiden andern, / die folgen sollten diesem ganzen Aufstieg. / Dann wieder wars nur seines Steigens Nachklang / und seines Mantels Wind was hinter ihm war. / Er aber sagte sich, sie kämen doch; / sagte es laut und hörte sich verhallen.“ Jene beiden andern, die der aufsteigende Sänger hinter sich weiß, sind seine tote Frau Eurydike und der sie leitende Gott Hermes. Jeder weiß, was dem Moment, von dem Rilkes Gedicht „Orpheus. Eurydike. Hermes“ spricht, vorausging: das Konzert des Sängers vor dem Thron des Totenreichs, vor König Hades und Königin Persephone. Der größte Triumph, den Musik und Dichtung als Lied, das sie zusammen sind, jemals feiern konnten. Der größte Moment in der Geschichte der Musik. Die Stiftung des Mysteriums, an dem Hörende bis heute teilhaben, immer, wenn Musik sie berührt, immer, wenn Musik echt ist, wenn Stimme, Strich, Rauigkeit, Anschlag das Wer je einen Klang, einen Sound Bit von Beat Furrer erhascht, gehört und aufgefasst hat, weiß, dass nicht von Klassizismus, überhaupt nicht von irgendeinem Ismus oder Neo-Ismus die Rede ist. Der Mann ist frei. Tiefste erreichen, das biologische Wesen, welches an der Tragik des Göttlichen teilnimmt mit dem Eintritt ins Hören. Die Szene danach also, um die geht es, um den stillen Gang hinauf, den leisesten Weg, der je gegangen wurde, nichts für das grobe Gehör. Orpheus bei Rilke „sagte es laut und hörte sich verhallen.“ Wir wissen von der Vermutung eines viel späteren Schriftstellers, der Erfolg des Sängers hätte nicht die Herausgabe Eurydikes bewirkt. Die Göttin der Unterwelt selbst wäre ihm verfallen, überwältigt von der Musik. Wovon sonst? Und klingt es, klingt es nicht sehr wahrscheinlich? Erklärt sich nicht so auch das Verbot, sich umzuwenden, einfacher als auf jede andere Weise? Was wäre denn dabei gewesen, wenn der Mann Orpheus seine Frau als Schatten hätte sehen können? Aber Persephone selbst – er wäre vielleicht nie mehr ans Tageslicht gekommen, hätte es nicht mehr vermocht oder nicht gewollt? Sein Lied, das Gebet an die Weiße Göttin wäre erhört, die Karriere hätte ihr Ziel erreicht: Vereinigung mit der Göttin, die einerseits die Erbin des Reichs der Fruchtbarkeit ist, als Herrscherin über die Unterwelt aber personifiziertes unerfüllbares Sehnen. Wir sind an dem anderen Pol des Werks, seiner mythischen Rückbindung, der Begründung seiner Gewalt, des Grunds, warum wir das hören wollen. Musik überwindet den Tod, das sagt sich so, mit dem Rückenwind einer alten Geschichte. Das Lied des Sängers lässt schwarze, leere, steinerne Herzen schlagen, als bewegte sie das Blut des Lebens. Schön und gut. Der zweite Pol dieses musikalischen Werks aber ist wie gesagt Stille, Pause, das klangliche Nichts, das wie das Tao der alten Chinesen das Etwas, den Klang gebiert. Ohne Atemholen, ohne das Verhallen des vorigen Tons, des Worts, ohne das Abebben der älteren Litanei, ohne dieses Schweigen zwischen dem Einen und dem Anderen gibt es nichts Neues. Ohne Innehalten kein Ausdruck, ohne den Moment vor dem Einsatz keine Musik. Wenn auch der schalltote Raum eine Illusion, die wahre Stille wiederum auch nur ein Mythos ist, abgesehen von ihrem Vorhandensein im Weltall. Für welches Ohr allerdings? Denn das Ohr hört, wenn alles sonst schweigt, die Geräusche des Körpers. Für wirkliche Stille als wirklichen Ausgangspunkt gibt es nur einen Ort: die Unterwelt, den Tod, die Stille jenseits der Pforte – lasst alle Hoffnung 21 fahren! –, das Schweigen über dem Walten Charons, die Lautlosigkeit blass blühender Asphodelen, die allmächtige Stille auf dem Fluss Lethe, die Stille des Vergessens, die, das sei beachtet, Voraussetzung ist für Wiedergeburt, für die weitere Teilnahme am Kreislauf des Lebens, des Hörens. Warum geht Beat Furrer dorthin und nimmt seine Zuhörer mit an einen so fernen, auch mit Musik nicht oft, nicht jederzeit erreichbaren Punkt? Ich würde lieber sagen, ich wüsste es nicht. Ich konstatierte nur den Fakt und das Erstaunen darüber. Nehmen es denn alle hin? Nehmen wir es einfach so hin? Wer Beat Furrers Oper La bianca notte hört, muss sogar das Folgende schon hingenommen haben: „…dein unbekanntes Gedicht von Lust und Schmerz, du bleiches Kind der Klänge im blutgezeichneten Kreis der geschwungenen Lippen, Königin der Musik, doch für das keusche, das geneigte Haupt wache ich, nachtgeweihter Dichter, über die hellen Sterne in den Himmelsmeeren, ich… für dein Stillewerden.“ Und weiter: „Die weißen Felsen, die stummen Quellen der Winde und Sterne..., die reglos stehn…“ Die Hörenden sind hier ausgesetzt dem Schrei und der Stille. sus und mit dem großen Musiktheater Begehren kompositorisch unterwegs war, wo er immer wieder hingeht, zur Quelle. Der soziale Pol des Mythos, derjenige der Fama, hat sein Gegenstück in Liebe und Verzicht, in der Einsamkeit, in dem sprichwörtlichen Pfeifen im Walde, das ja auch eine sehr genaue, nämlich nützliche Musik ist. Fragen und Antworten, sich selbst wie Narziss, dem geliebten Gegenüber wie Orpheus, auf jedes Risiko hin. Sich umdrehen und das geliebte Gegenüber verlieren wie schon einmal, das dürfen wir nicht vergessen, dass es sich wiederholt. Wohin kehrt der Komponist zurück, wenn Triumph und Scheitern so dicht bei­ein­ ander liegen, wie es der Mythos zeigt, weil es im wirklichen Leben der Fall ist? Er kehrt zurück an die Arbeit. Und weil der Ernst groß ist, ist der Erfolg sicher. (Hamburg, März/Mai 2015) English: www.klangforum.at/furrer Der Zugriff der Musik erfolgt direkt in die Magengrube, in den zuckenden Kehlkopf der Hörenden und wie gesagt in das Herz, in das blutige. Beat Furrer weiht uns ein in das Schicksal des Dichters Dino Campana, dessen Hauptwerk die hier zitierten Canti orfici sind, die Orphischen Gesänge, und der Dichterin Sibilla Aleramo ein, aber auch wieder nicht. Was er allemal tut, ist, nah an die Initiation heranzuführen, die Orpheus selbst erst erfahren hat, als er aufstieg, sogar erst, nachdem er wieder zurück war. Der Sänger wurde zum Priester, und seine Mysterien stifteten Dichtung, die nach ihm benannte orphische Tradition. Der Komponist führt uns in eine klingende Landschaft, in welcher Lärm des Gewöhnlichen nicht vorkommt. Er stellt eine so gravierende Frage, dass ihr nur Schweigen antworten kann oder Lied, also Dichtung und Musik. Er führt uns erneut dorthin, wo er schon mit Narcis- Agata Zubel (*1978) Hveravellir, Island Aureliano Cattaneo (*1974)/ Eva Cattaneo Núñez (*2009) Cercedilla, Spanien 22 Simon Steen-Andersen (*1976) Middelfart, Dänemark Stefan Prins (*1979) Antwerpen, Belgien 23 Agenda, Details 13. Juli 2015 Siena, Teatro dei Rozzi Accademia Chigiana Pollini Perspectives Salvatore Sciarrino — Carnaval UA der Gesamtfassung Daniele Pollini, Klavier Neue Vocalsolisten Stuttgart Dirigent: Tito Ceccherini — 31. Juli 2015 Salzburg, Kollegienkirche Salzburger Festspiele Salzburg contemporary Olivier Messiaen — Couleurs de la cité céleste Gérard Grisey — Jour, contre-jour Matthias Pintscher — Verzeichnete Spur Pierre Boulez — ...explosante-fixe... Eva Furrer, Flöte Vera Fischer, Flöte Thomas Frey, Flöte Benedikt Leitner, Violoncello Andreas Lindenbaum, Violoncello Peter Sigl, Violoncello Alexandra Dienz, Kontrabass Florian Müller, Klavier Peter Böhm, Florian Bogner, Gilbert Nouno, Klangregie Dirigent: Sylvain Cambreling — 7. August 2015 Salzburg, Kollegienkirche Salzburger Festspiele Salzburg contemporary Pierre Boulez — Le marteau sans maître Olga Neuwirth — Lonicera Caprifolium — Eleanor-Suite UA Hilary Summers, Alt Della Miles, Bluessängerin Tyshawn Sorey, Schlagzeug Peter Böhm & Florian Bogner, Klangregie Dirigent: Sylvain Cambreling — 24 Agenda, Details Olga Neuwirth — Eleanor-Suite Diese Komposition ist für mich ein Tribut an die vielen Menschen, die es wagten und wagen, Kritik auszusprechen, trotz aller sozialen und politischen Widerstände. In unserer ach so weltoffenen Zeit, wo schon leiser Widerspruch als Bedrohung angesehen wird, sitzt der Finger skandalös locker am Abzug. Im Besonderen aber möge Eleanor-Suite – daher auch der weibliche Vorname im Titel des Stückes – ein Tribut an mutige Frauen sein. Der Lichtkegel ist gerichtet auf die vielen vergessenen afroamerikanischen Jazz-Musikerinnen „when men ruled the beat“. Der Name Eleanor ist eine Referenz an Billie Holiday. Von Kindheit an war ihr Leben geprägt durch Verletzungen, die tiefe Wunden hinterließen. Wunden, mit denen schwer gelebt werden konnte. Ihr großes Talent, ihre Seelen- und Geistesgröße kämpfte stets gegen ein Gefühl von Leere. Nichts konnte diesen wahren Nihilismus schwächen. Daher setzte ich anstelle der gepflegten Aura des klassischen Gesangs die Direktheit des Blues. Eleanor beharrt auf dem Unaufhebbaren des Schmerzes und auf ihrer Subjektivität. Sie ringt um Freiheit, geht einen schweren, aber selbst gewählten Weg. Trotz aller Verletzungen sucht sie selbstbewusst 25 ihren eigenen Ausdruck, ihre eigene Identität. Musik und Text mögen einen treibenden, unnachgiebigen Sog erzeugen. Die musikalische Form soll eine Spontaneität vermitteln, die nicht, wie so oft bei der sogenannten „zeitgenössischen Klassik“, von strukturellen Limitationen blockiert wird. Die EleanorSuite beginnt zunächst wie ein Sichten alter Blues-Platten in der Tradition von Williams, Lambert und Hendricks: quasi-instrumentaler Jazzgesang. Transformiert mittels Schlagzeug, E-Piano und E-Gitarre ins Schein-Jetzt. Wie schon in meinem Musiktheater American Lulu (2006-2012) hört man immer wieder eingespielte Fragmente von Martin Luther King-Reden und Gedichten der Schriftstellerin June Jordan, einer der bedeutendsten afroamerikanischen Lyrikerinnen der Gegenwart. Innerhalb der Polizei ist der Hass auf Schwarze zunehmend verbreitet. Mehr Schutz für Afroamerikaner und andere Minderheiten vor ungerechtfertigter Polizeibrutalität muss erneut eingefordert werden. Traurig, wenn man bedenkt, dass Martin Luther King in seiner letzten Rede folgende Sätze äußerte: „But one hundred years later, the Negro still is not free. ... And so we‘ve come here today to dramatize a shameful condition. ... Now is the time to make real the promises of democracy.“ 50 Jahre später sind wir wieder, oder immer noch, in „beschämenden Zuständen“ – auch in unseren demokratischen Ländern. Ich wollte zwar mit American Lulu eine Art musikalischen Protest gegen Rassismus und Sexismus setzen, die ich während meiner vielen Aufenthalte in den USA seit den späten 1980er Jahren wieder aufflammen sah, aber ich hätte nicht gedacht, dass mein 2006 begonnenes Stück American Lulu (noch vor der Wahl Barack Obamas zum Präsidenten) solch traurige Aktualität erhalten würde. Man bedenke allein, dass in den Vereinigten Staaten gegenwärtig mehr Afroamerikaner in Gefängnissen sitzen, als 1850 in Sklaverei gehalten wurden. Eleanor-Suite war ein spontaner Ausdruck meiner hilflosen Empörung gegen rassistische Gewalt und gegen Gemetzel, wie in der Redaktion von Charlie Hebdo geschehen. Ich konnte und wollte nicht stumm bleiben. Nach dem Schock war der Moment gekommen, Mut zum Nachdenken zu finden. Das Stück war da schon beinahe fertig, aber ich wollte die Hitze des Augenblicks nicht abklingen lassen, denn sie führt nicht automatisch zu einer ausgewogeneren Wahrheit, wie uns immer wieder erklärt wird. Jetzt wollte ich reagieren und nicht später, wenn sich die Dinge wieder „gelegt“ haben. Eleanor-Suite ist meine Art von Solidarität und mein künstlerischer Protest gegen geforderte Alltagskonformität sowie äußere und innere Repression. (Januar 2015) English: www.klangforum.at/neuwirth Uraufführung 7. August 2015 Salzburg, Kollegienkirche Yukiko Watanabe (*1983) Köln, Deutschland Yukiko Watanabe — Color Study 日常の中で私たちは音の彩(色)を繊細 に聞き分け、耳から想像し、無意識のう ちに自らの空想を加え、理解したような 気持ちになっている。例えば眠りに入る 直前に聞いた物音は、その過程の中で (音の在り処は確認されることがない。 そして眠気と戦いながらも。)うつらう つら形を変えつつ、夢の中に入ってい く。それがどう矛盾を孕んだものであっ ても夢の中ではそれが正義であり、それ がその世界の現実である。毎日見る夢た ちは、その日あったことと関係がありそ うでなかったり、ただ自分という因子を 介し、繋がっている。 26 Agenda, Details この作品は、一つ一つの音の色を小さな タイルのように見立て、それを並べるよ うに書かれている。特殊な楽器編成から 生まれる、はっきりと色の異なるタイル は、各々独立しており、ただ偶然的に隣 り合っているというほかには関係はな い。これらを一つずつ貼り付けていくと 同時に、それぞれに伴う空想の世界を少 しずつ滲ませるように作曲した。そのタ イルが異なる人であるならば、彼らが見 るであろう夢の一片を窓から覗くような 気分で。 今まで私は幾つかの曲を同じ時代に生き る美術作品からインスピレーションを得 る形で作曲している。ここ最近はブラジ ルの現代アートに惹かれることが多い。 例えばHenrique OliveiraやAdriana Varejão。今回の作品では後者のAdriana Varejãoの作品からヒントを得て作曲し た。彼女の作品の多くは同じくタイルを モティーフにしている。水色の浴槽の中 で不安気に揺れているように見えるタイ ル、それは人工的であり自然的でもあ る。中にはタイルのその内側(中身は肉 片のように赤い)が見えるようになって いる作品もあり、表面のタイルの静的な 美しさとは真逆の“生”的なイメージを 伴っている。 Deutsch/ English: www.klangforum.at/watanabe Uraufführung 25. August 2015 Alpbach, Erwin Schrödinger Saal 16. August 2015 Duisburg, Gebläsehalle Ruhrtriennale 25. August 2015 Alpbach, Erwin Schrödinger Saal Europäisches Forum Alpbach Für Gerard Mortier Junge Talente Ferruccio Busoni — Gesang vom Reigen der Geister op. 47 — Berceuse élégiaque op. 42 (arr. Erwin Stein) Alban Berg — Fünf Orchesterlieder op. 4 (arr. Emilio Pomàrico) Giacinto Scelsi — Pranam I & II Anton Webern — Symphonie op. 21 Olivier Messiaen — Couleurs de la cité céleste Yukiko Watanabe — Color Study UA Thomas Wally — jeux éoliens III UA Piotr Peszat — Computer Chronicles UA Gottfried von Einem — Glück, Tod und Traum (Alpbacher Tanzserenade) op. 17 Sarah Wegener, Sopran Natalia Pschenitschnikova, Mezzosopran Florian Müller, Klavier Dirigenten: Sylvain Cambreling, Emilio Pomàrico Unter den Orten, an denen Gerard Mortier als Theaterleiter und Festivalintendant gewirkt hat, gibt es keinen, der besser geeignet wäre als Stätte für ein lebendiges Erinnern an ein außerordentliches und fortwirkendes Lebenswerk und seinen Urheber. Nirgends hat sich das Besondere an diesem Werk deutlicher gezeigt als eben hier im Ruhrgebiet, einer terra incognita auf den Landkarten des mit Recht so genannten Kulturbetriebs. In dieser Region, in der es bis dahin für die meisten Menschen nur wenige Möglichkeiten zur Begegnung mit Neuer Musik, mit zeitgenössischen Theaterformen oder avancierten Bühnenproduktionen gab, hat Gerard Mortier in den Jahren 2002-2005 ein Festival etabliert, das durch seine offensive Programmatik und seine klare, prononciert gegenwarts- und zukunftsorientierte Haltung das Ruhrgebiet zu einem Zentrum europäischer Musik- und Theaterkultur gemacht hat. Die Lamentatio über die angebliche Stumpfheit und Trägheit des Publikums hat Gerard Mortier durch seine Arbeit als das entlarvt, was sie ist: als eine schwer erträgliche Überheblichkeit gegen offene, interessierte Menschen, denen anstelle der ihnen geschuldeten geistigen Anregung wohlfeiles Amusement geboten wird, denen Bildungsferne und intellektuelle Inkompetenz unterstellt werden, während ihnen aus schierer Bequemlichkeit vorenthalten wird, was Kunst für sie leisten kann und soll. Gerard Mortier hat dieser Behauptung über die geistige Insuffizienz des breiten Publikums stets lebhaft widersprochen, und er hat nicht nur widersprochen, sondern durch die Tat bewiesen: in Brüssel, in Salzburg, in Paris, in Madrid und eben in ganz besonders auffälliger Weise in einer angeblichen kulturellen Wüstenei, als die das Ruhrgebiet unter den überheblichen Auguren des Musik- und Theatergeschäfts gegolten hatte. Die Gebläsehalle im Industriepark ist deshalb der prädestinierte Ort, um an ein über den Tod seines Schöpfers hinaus fruchtbares Lebenswerk und an seine Bedeutung für Gegenwart und Zukunft zu erinnern. Sylvain Cambreling, Emilio Pomàrico, Natalia Pschenitschnikova und Sarah Wegener tun dies zusammen mit dem Klangforum Wien in ehrendem Gedenken an einen Einzigartigen: Gerard Mortier. (sh) — 27 Dirigent: Michael Wendeberg — 7. September 2015 Wien, d51 Klangforum PLUS Nachbarn Auf der Suche nach Begegnungen mit der lokalen Bevölkerung wurde das Ensemble in seiner unmittelbaren Nachbarschaft fündig: Nur wenige Meter von seinem Proberaum entfernt, befindet sich die Volksschule Am Hundsturm, mit der eine langfristige Partnerschaft vereinbart werden konnte. Details: www.klangforum.at/nachbarn — 21. September 2015 Wien, Konzerthaus Generationen Gegenbeweis?! Eva Reiter — Alle Verbindungen gelten nur jetzt Vito Žuraj — Fired-up Agata Zubel — Not I EA Simon Steen-Andersen — Chambered Music Stefan Prins — Fremdkörper #3 (mit Michael Jackson) Agata Zubel, Sopran Eva Reiter, Kontrabassblockflöte Peter Böhm & Florian Bogner, Klangregie Dirigent: Baldur Brönnimann — Thomas Wally — jeux éoliens III jeux éoliens III für Bläseroktett ist das dritte Werk einer Gruppe von Kompositionen, die ausschließlich für Blasinstrumente geschrieben wurden und deren Klanglichkeit – zumindest teilweise – von der Möglichkeit „äolischer Klänge“ geprägt ist. Ähnlich wie bei seinen beiden Vorgängerstücken (jeux éoliens für Flöte/Bassflöte und Klarinette in B/ Bassklarinette und jeux éoliens II für Bassflöte, Bassklarinette und Fagott) dienten mir als Ausgangspunkte instrumentenspezifische Techniken und die damit verbundenen Klangphänomene – so selbstverständlich dies klingen mag, so ist dies nicht der einzig Piotr Peszat — Computer Chronicles Punktem wyjścia dla procesu kompozytorskiego były dwa komentarze prezentera amerykańskiego programu TV Computer Chronicles: „[…] to tylko jeden, niewielki przykład, jak komputery zmieniły nasze podejście do muzyki” oraz „[…] oto Kelly Langello, ma 8 lat, jest uczennicą trzeciej klasy, oraz.. jest producentem video-muzycznym”. Powyższe cytaty wskazują na pewną tendencję – zmianę w rozumieniu (nie tylko na gruncie muzycznym, ale również w bardziej ogólnym ujęciu) otaczającej nas rzeczywistości. Sztuka, według mnie jest reakcją na rzeczywistość. Odrzucając 28 Agenda, Details mögliche Impuls für ein neues Werk: Auch können etwa bestimmte harmonische Konstellationen oder formale Überlegungen als erste Anreger für ein neues Stück agieren. Wie der Titel verrät, spielt hier die Möglichkeit von Blasinstrumenten, Luftklänge zu erzeugen, eine wesentliche Rolle; Luftklänge im Sinne der den Blasinstrumenten typischen Klangerzeugung ebenso wie im Sinne der Technik, einem Ton einen hörbaren Luftanteil beizufügen oder einen praktisch ausschließlich aus Luft bestehenden Ton zu erzeugen. Die schon in jeux éoliens und jeux éoliens II wesentlich zum Klangbild beitragenden chromatisch absteigenden „äolischen“ Skalen sind auch in jeux éoliens III ein wesentlicher klanglicher Bestandteil, jedoch in weit geringerem Maße. Aus den instrumentenspezifischen Techniken (etwa Doppelflageoletts, Bisbigliando und Vierteltonglissandi der Oboe; äolische Klänge, Slaps und Mehrklänge mit klar erkennbarer harmonischer Struktur der Klarinetten; Flaps, „Brassy“-Spiel und Bisbigliando der Fagotte; gestopftes Spiel und reine Luftklänge mit unterschiedlicher Artikulation der Hörner; Spiel mit WaWa-Dämpfer, reine Luftklänge und Bisbigliando der Trompete) und aus den mit diesen Techniken einhergehenden Einschränkungen erwächst die Möglichkeit eines Spiels: jeux éoliens III stellt eine spielerische Verknüpfung einer überschaubaren Anzahl klanglicher Aktionen dar, die zusammenwirkend ein durch persönliche ästhetische Entscheidungen geordnetes äolisches Netzwerk ergeben. pewne aspekty rzeczywistości – zamykamy się na nią. Zamknięcie się na rzeczywistość, postawa bierna, jest moim zdaniem, najgorszą z możliwych postaw. Nie potrafię jednak odpowiedzieć na pytanie, co może się okazać większą pułapką - bezrefleksyjna akceptacja rzeczywistości, czy bezrefleksyjne zamknięcie się na nią? wania, zmieniającego w towar wszystko, co dotąd postrzegaliśmy bezpośrednio. Również i w Computer chronicles, za Debord’em, niejako wołam do Hegla, Lukácsa, Marksa, by „przyjrzeli się powstawaniu centrów handlowych, przedmieść, samotnych tłumów miejskich i kilkudniowych idoli”. Niezwykle interesującym kontekstem, dopełniającym zmieniający się obraz rzeczywistości, były dla mnie teksty Guy Debord’a, jego koncepcja społeczeństwa jako spektaklu. Debord w Społeczeństwie spektaklu stworzył wizję społeczeństwa jako zbioru obrazów, których biernie pożądamy, a na które nie mamy żadnego wpływu. Społeczeństwa fałszu i wyobco- English: www.klangforum.at/wally Uraufführung 25. August 2015 Alpbach, Erwin Schrödinger Saal Właśnie tę mnogość kontekstów, wynikającą ze złożoności obrazu rzeczywistości, której doświadczamy, staram się uchwycić w trwającym niespełna 10 minut utworze – Computer Chronicles. Deutsch/ English: www.klangforum.at/peszat Uraufführung 25. August 2015 Alpbach, Erwin Schrödinger Saal 26. September 2015 Brixen, Damiani-Holz&Ko Transart 4. Oktober 2015 Parma, Teatro Farnese Festival Traiettorie Symposion ... wie stille brannte das Licht Gustav Mahler — Das Trinklied vom Jammer der Erde Dieter Ammann — Le réseau des reprises Johannes Kalitzke — Angels Burnout Graffiti Georg Friedrich Haas — in vain Bernhard Gander — fluc´n´flex Beat Furrer — linea dell’orizzonte Terry Riley — In C Uli Fussenegger — San Teodoro 8.1 Anton Webern — Sechs Stücke für Kammerorchester op. 6 Arnold Schönberg — Fünf Orchesterstücke op. 16 (arr. Felix Greissle) Pierluigi Billone — Ebe und anders Georg Friedrich Haas — ... wie stille brannte das Licht Markus Schäfer, Stimme Krassimir Sterev, Akkordeon Peter Böhm & Florian Bogner, Klangregie Dirigent: Bas Wiegers — 2. Oktober 2015 Venedig, Teatro alle Tese Biennale di Venezia Parole di settembre Aureliano Cattaneo — Parole di settembre (Madrigale primo Libro primo Libro secondo Frottola Libro terzo Madrigale secondo) mit der visuellen Installation von AROTIN & SERGHEI — Infinite screen Donatienne Michel-Dansac, Sopran Andrew Watts, Countertenor Otto Katzameier, Bassbariton Dirigent: Johannes Kalitzke — Marisol Montalvo, Sopran Anders Nyqvist, Trompete Kevin Fairbairn, Posaune Dirigent: Johannes Kalitzke — 6. Oktober 2015 Porto Casa da Música ... wie stille brannte das Licht Anton Webern — Sechs Stücke für Kammerorchester op. 6 Pierluigi Billone — Ebe und anders Georg Friedrich Haas — ... wie stille brannte das Licht Johannes Kalitzke — Angels Burnout Graffiti Programmdetails siehe 4. Oktober 2015 — 12. Oktober 2015 Wien, Konzerthaus Generationen Instrumente Mats Gustafsson/ Erwan Keravec/ Otomo Yoshihide/ Klangforum Wien — Improvisationen Mats Gustafsson, Saxophon Erwan Keravec, Bagpipes Otomo Yoshihide, Turntables — 29 28. Oktober 2015 Wien, Radiokulturhaus Echo des Unerhörten 6. November 2015 Wien, Konzerthaus Wien Modern Weimar-Leningrad/ Die verdrängte Avant-Garde Carnaval Nikolai Roslawez — Poème douloureux, Poème lyrique (aus: Trois poèmes) — Nocturne (aus: 3 Tänze, Nr. 2) Nikolai Obuchow — Six prières Dmitri Schostakowitsch — Klaviertrio Nr. 1 c-Moll, op. 8 Stefan Wolpe — Konzert für neun Instrumente, op. 22 Karl Amadeus Hartmann — Tanzsuite Salvatore Sciarrino — Carnaval EA der Gesamtfassung Joonas Ahonen, Klavier Neue Vocalsolisten Stuttgart Dirigent: Tito Ceccherini — Sophie Schafleitner, Violine Benedikt Leitner, Violoncello Florian Müller, Klavier Moderation: Irene Suchy Dirigent: Amaury du Closel 8. November 2015 Stuttgart, Liederhalle Musik der Jahrhunderte Aus dem auf den Ersten Weltkrieg folgenden politischen Chaos entstand in Deutschland unter der neuen Weimarer Republik und in Russland nach der bolschewistischen Revolution eine Vielfalt von musikalischen Strömungen, die, vom Dadaismus bis zur Neuen Sachlichkeit und von der Zweiten Wiener Schule bis zur Entstehung des Jazz in der E-Musik zu Anfang der dreißiger Jahre, eine ausgesprochen reichhaltige Entwicklung erfährt. Unter der Radikalisierung der aufsteigenden autoritären Ideologien, die in der UdSSR schon an der Macht oder in Deutschland auf dem Weg zur Machteroberung waren, ist 1932-33 diese befreiende Kreativität zum Untergang verurteilt. Im Namen des neuen nationalsozialistischen oder sowjetischen Menschen wird die Avantgarde in beiden Ländern gleichzeitig mundtot gemacht, die eine aus rassistischen und politischen Gründen, die andere im Namen des sozialistischen Realismus. Die Folgen sind bekannt: das Exil oder die Verschleppung der Komponisten, die Unterdrückung und das spätere Vergessen ihrer Werke. Salvatore Sciarrino — Carnaval Nicht irgendein Recht auf Gedächtnis ist der Grund, aus dem das Werk dieser Komponisten Gehör finden soll, sondern die Bedeutung ihres musikalischen Schaffens und auch das Versprechen der Erneuerung, das ihre Kompositionen für die moderne kulturelle Welt darstellen. Ihre Musik wurde in einer Periode der wirtschaftlichen und geistigen Not geschaffen, die unserer aktuellen Situation in vielem frappant ähnlich ist, und sie vertritt Prinzipien, die eine enge Resonanz mit unserer Gesellschaft finden: Verdinglichung, Freiheit, Entfremdung, Utopie. Verschleppt wie Roslawez, ins Exil getrieben wie Stefan Wolpe (in die USA) oder Obuchow (nach Frankreich), oder ins innere Exil gezwungen wie Hartmann oder Schostakowitsch, sind alle diese Schaffenden fehlende Glieder innerhalb der Modernität. Ziel dieser vom „Erstickte Stimmen – Forum Wien“ veranstalteten Konzertreihe im Rahmen der Serie „Echo des Unerhörten“ im RadioKulturhaus ist es, diese Kreativität wieder ins Leben zu rufen. (Amaury du Closel) — 30 Agenda, Details Lachenmann Perspektiven Programmdetails siehe 6. November 2015 — 13. November 2015 Wien, Konzerthaus Wien Modern Substantie Bernhard Lang — DW16 (Songbook 1) Stefan Prins — Fremdkörper #3 (mit Michael Jackson) Peter Jakober — Substantie UA Jorge Sánchez-Chiong — Final Girl 2009 Marisol Montalvo, Mezzosopran Peter Böhm & Florian Bogner, Klangregie Dirigent: Bas Wiegers — 15. November 2015 Zürich, Kunsthaus Tage für Neue Musik Carnaval Salvatore Sciarrino — Carnaval Programmdetails siehe 6. November 2015 — Peter Jakober (*1977) Nussdorf, Wien Peter Jakober — Substantie „Unter Substanz verstehe ich das, was in sich ist und aus sich begriffen wird; das heißt etwas, dessen Begriff nicht den Begriff eines anderen Dinges nötig hat, um daraus gebildet zu werden.“ (Baruch de Spinoza) Das Nebeneinander der Klanggeschehen verursacht dabei jedoch scheinbare Zusammenhänge und Verbindungen. Die autonomen Verläufe werden zueinander in Beziehung gebracht und verlieren dabei ihren selbstständigen Charakter. Substantie ist ein scheiternder Versuch von Eigenständigkeit, da dieser nur im Abgleich erkannt werden kann. English: www.klangforum.at/jakober Der von Spinoza formulierte Begriff von Substanz ist zentraler Aspekt des Stückes: der Frage nachgehend, was Substantielles kreieren kann und wie sich dieses zueinander verhält. Mehrere klangliche Ebenen passieren gleichzeitig und autonom: leise, fragile Klangverläufe der Holzbläser, die durch die Live-Elektronik entfremdet werden, bewegte, ziselierende Klänge der Streicher und ein durchgehender, leise pulsierender Beckenklang, der die Klangfacetten des Instruments auslotet. 31 Uraufführung 13. November 2015 Wien, Konzerthaus Folgeaufführung 20. November 2015 Huddersfield, Town Hall Bai Chuan Award Der seit dem Jahr 2009 jährlich stattfindende Bai Chuan Award gehört zu den wichtigsten Kompositionswettbewerben Chinas. Er wird vom renommierten Musikkonservatorium in Shanghai veranstaltet, das auf eine lange Tradition zurückblickt und seit seiner Gründung einen intensiven Dialog mit der westlichen Kultur pflegt. Der Wettbewerb richtet sich an junge KomponistInnen aus dem In- und Ausland und wird für kammermusikalische Besetzung (3-6 SpielerInnen) ausgeschrieben. Im Laufe seines 32 Agenda, Details fünfjährigen Bestehens sind zahlreiche neue Werke vielversprechender KomponistInnen entstanden, 45 davon konnten bereits auf internationaler Bühne uraufgeführt werden. Der Name des Wettbewerbs, „Bai Chuan“ – als Sammelname für alle Arten von Gewässern –, bezieht sich auf das alte chinesische Sprichwort: „Der Ozean ist weit, weil er hunderte Flüsse einlässt.“ Großzügigkeit und Toleranz ermöglichen Austausch und gegenseitiges Lernen – ein Antrieb, der für den Fortschritt ausschlaggebend ist. Bai Chuan Award bleibt diesem Gedankengut treu, mit dem Ziel, die Leidenschaft für neue Werke zu wecken und somit die Urheber (KomponisitInnen und Ausführende) Neuer Musik zu fördern. Das Klangforum Wien wird die Kompositionen der neun FinalistInnen im Rahmen eines Abschlusskonzerts präsentieren. Es wird das erste Gastspiel des Ensembles in China sein, bevor es im Mai 2016 wieder nach Shanghai zurückkehrt, um beim internationalen Spring Music Festival Beat Furrers Musiktheater FAMA dem chinesischen Publikum vorzustellen. English: www.klangforum.at/baichuan 20. November 2015 Huddersfield, St. Paul‘s Hall Huddersfield Contemporary Music Festival 7. Dezember 2015 Wien Radiokulturhaus Opening Concert Portrait Alberto Posadas Agata Zubel — Not I Peter Jakober — Substantie Pierluigi Billone — Ebe und anders Beat Furrer — linea dell’orizzonte Alberto Posadas — La lumière du noir — Anamorfosis — Tres pinturas imaginarias EA — Tratado de lo inasible EA Agata Zubel, Sopran Anders Nyqvist, Trompete Kevin Fairbairn, Posaune Florian Bogner & Markus Urban, Klangregie Dirigent: Clement Power — Dirigent: Nacho de Paz — 25. November 2015 Salzburg, Mozarteum Dialoge 15. Dezember 2015 Wien, Konzerthaus Generationen Epigramm Zeit Franck Bedrossian — Epigram I & II EA Gérard Grisey — Jour, contre-jour Olivier Messiaen — Oiseaux exotiques Jean Françaix — Nonetto (nach W.A. Mozarts Quintett in Es-Dur KV 452) Morton Feldman — Atlantis Beat Furrer — linea dell’orizzonte — Nuun Donatienne Michel-Dansac, Sopran Florian Müller, Klavier Peter Böhm & Florian Bogner, Klangregie Dirigent: Sylvain Cambreling — Joonas Ahonen, Klavier Florian Müller, Klavier Dirigent: Beat Furrer — 29. November 2015 Luxemburg, Philharmonie Rainy Days Speicher 19. Dezember 2015 Gent De Bijloke in vain Georg Friedrich Haas — in vain Dirigent: Sylvain Cambreling — Enno Poppe — Speicher Dirigent: Enno Poppe — 5. Dezember 2015 Shanghai Shanghai Conservatory of Music Bai Chuan Award UA — 13., 16., 18., 20., 23., 25., 28. und 30. Januar 2016 Wien Theater an der Wien Die Dreigroschenoper Kurt Weill — Die Dreigroschenoper Libretto: Bertolt Brecht Inszenierung: Keith Warner Bühne: Boris Kudlička Kostüme: Kaspar Glarner Choreographie: Anthony van Laas Licht: Bruno Poet SolistInnen: Tobias Moretti, Florian Boesch, Anne Sofie von Otter, Nina Bernsteiner, Angelika Kirchschlager, Markus Butter Arnold Schoenberg Chor (Ltg. Erwin Ortner) Klangforum Wien Dirigent: Johannes Kalitzke — 33 14. Januar 2016 Wien, Konzerthaus Generationen 2. März 2016 Wien, Konzerthaus Generationen Autodidakte Ausreißer Georges Aperghis — Champ-Contrechamp EA Salvatore Sciarrino — Cantiere del poema EA James Dillon — New York Triptych EA Giacinto Scelsi — Pranam I & II Tristan Murail — Un sogno Olga Neuwirth — Lost Highway Suite Anna Radziejewska, Sopran Florian Müller, Klavier Dirigent: Johannes Kalitzke — Anna Clare Hauf, Mezzosopran Olivier Vivarès, Klarinette Gerald Preinfalk, Saxophon Andreas Eberle, Posaune Florian Müller, Keyboard Georg Schulz, Akkordeon Christopher Brandt, E-Gitarre Peter Böhm & Florian Bogner, Klangregie Dirigent: Johannes Kalitzke — 17. Januar 2016 Wien, Porgy & Bess Klangforum PLUS PPCM/ fast forward Bernhard Lang — DW 3 — scan Bernhard Lang — DW 1.2 Klangforum Wien gemeinsam mit Studierenden der Richtungen PPCM und Jazz der Kunstuniversität Graz IEM Graz, Live-Elektronik Leitung und Einstudierung: Dimitrios Polisoidis, Gerald Preinfalk — 4. Februar 2016 Stuttgart Eclat Festival 9. März 2016 Grenoble MC2, Auditorium Musique et architecture Iannis Xenakis — Thalleïn Karlheinz Stockhausen — Kontra-Punkte Beat Furrer — Xenos-Szenen Vokalensemble NOVA Dirigent: Beat Furrer — Koffer 9. März 2016 Grenoble MC2, Garage hélicoïdal Michael Pelzel — Sempiternal lock-in Georg Friedrich Haas — Anachronism Enno Poppe — Koffer Musique et architecture Dirigent: Enno Poppe — 17. Februar 2016 Wien, Konzerthaus Generationen Klangflächen Michael Pelzel — Sculture di suono – in memoriam Giacinto Scelsi EA Georg Friedrich Haas — ... wie stille brannte das Licht Friedrich Cerha — Bruchstück, geträumt — Mouvements I-III Sarah Wegener, Sopran Dirigent: Peter Rundel — 34 Agenda, Details Karlheinz Stockhausen — Tierkreis — 25. März 2016 Krems Imago Dei Das Tuch Joseph Haydn — Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze (Sonata III, V-VII) Bernhard Lang — Monadologie IX (Sonata I, II, IV) Olivier Messiaen — Quatuor pour la fin du temps (1. Liturgie de cristal, 6. Danse de la fureur, pour les sept trompettes) Salvatore Sciarrino — La Malinconia — Due notturni crudeli — Let me die before I wake Sprecher: Dörte Lyssewski und Hans-Michael Rehberg — Das Tuch La Sindone di Torino – ein zum Gewebe materialisiertes Stück Zweifel, Liebe und Hoffnung. Das im Dom von Turin verwahrte Grabtuch zeigt deutlich das Bild eines Leichnams, der alle Spuren jener Misshandlungen und Torturen trägt, wie sie Jesus von Nazareth nach den übereinstimmenden Berichten der synoptischen Evangelien zugefügt worden sind. Seit das Stück Tuch mit dem rätselhaften Abbild um die Mitte des 14. Jahrhunderts zum ersten Mal aufgetaucht ist, war und blieb es Projektionsfläche für viele Arten von Glaube, Liebe und Hoffnung, vor allen Dingen aber auch eine ständige Quelle vielfacher Zweifel. In seinem für zwei Sprecher geschriebenen Text verfolgt Martin Mosebach die Spur aller Zweifel, die sich an diesem Stück Stoff kristallisieren, mit dem probaten Mittel der Zusammenschau der Ergebnisse vielfältiger wissenschaftlicher Untersuchungen, welchen das Objekt durch die Jahrhunderte bis herauf in unsere Tage unterworfen wurde. Im Verlauf von zwei Stunden, in denen sachlicher Bericht und unaufgeregte Analyse mit Kompositionen von Joseph Haydn, Olivier Messiaen, Salvatore Sciarrino und Bernhard Lang wechseln, lernen wir jene Form des Zweifels kennen, die eher zu verstehen begehrt, als zu wissen und zu beweisen, eine Art des fragenden Staunens, welche durch Zuwendung Raum lässt für Liebe, Hoffnung und andere weder mess- noch wägbare Güter. English: www.klangforum.at/dastuch 35 Festliche Tage alter Musik Im Jahr 2012 hat Friedrich Cerha angemerkt, dass es weder die Avantgarde noch die klassische Moderne seien, denen im aktuellen Musikleben nicht adäquater Raum gegeben werde. Vielmehr sei es das Fehlen der Meisterwerke aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf den Spielplänen der Konzerthäuser und in den Repertoires von Orchestern und Ensembles, das nicht nur in Hinblick auf die Bedeutung dieser verschwundenen Werke selbst, sondern vor allem auch für das Verständnis und die Rezeption des aktuellen Musikschaffens ein gar nicht zu überschätzendes Problem darstelle. Für die große Musik dieser Zeit gebe es weder adäquate Aufmerksamkeit seitens der Musikinstitutionen noch entsprechendes Engagement bei öffentlichen und privaten Fördereinrichtungen. Tatsächlich entspricht die Hörsituation, in der das Publikum heute auf zeitgenössische Musik trifft, jener eines Musikfreundes, dessen letzte konsolidierte Hörerfahrung die Musik der Zauberflöte ist, und der übergangslos mit Wagners Tristan konfrontiert wird. Die 70 Jahre Musikentwicklung und -geschichte, die dazwischen fehlen, werden ihn kaum mehr erleben lassen als unverständlichen, mutwilligen Lärm. Mit den „Festlichen Tagen alter Musik“ unternimmt das Klangforum Wien in Zusammenarbeit mit dem Forum Voix Etouffées die Errichtung einer musikalischen Brücke ins Heute. Im Rahmen seines ab dem Frühjahr 2016 jährlich in Wien stattfindenden Festivals wird das Ensemble Werke von Komponisten vorstellen, die wesentlich zur Formung unseres Begriffs von Moderne beigetragen haben und deren Schaffen deutlichen Einfluss auf heutiges Komponieren behalten hat. Die „Festlichen Tage“ zeichnen mit ihren Konzertprogrammen, mit Textdokumenten aus der Zeit und in den Konzertgesprächen den Kampf der Avantgarden des frühen 20. Jahrhunderts gegen die beharrenden Kräfte. Ebenso zeigen sie das Ringen eben jener Konservativen um einen eigenen Weg, der an den äußersten Rändern des alten Regelwerks ein neues Schaffen jenseits des platten Epigonentums ermöglichen sollte. Im Rahmen der „Festlichen Tage“ wird das Klangforum Wien gemeinsam mit dem Forum Voix Etouffées ein Konzert jenen Komponisten widmen, deren für die Musik der Gegenwart noch immer bedeutsames Schaffen von den verschiedenen Totalitarismen des 20. Jahrhunderts unterdrückt worden ist. English: www.klangforum.at/festlichetage — Forum Voix Etouffées Wer erinnert sich heute an Viktor Ullmann, Karol Rathaus oder Franz Schreker? Wem sagen die Namen Alfred Tokayer, Stefan Wolpe, Erich Zeisl oder Aldo Finzi noch etwas? Einige dieser Komponisten spielten allerdings vor der Machtergreifung der Nazis eine wichtige Rolle in der europäischen Musiklandschaft und haben Werke hinterlassen, die zu den wichtigsten des weltweiten Musikkulturerbes zählen. Andere, die noch am Anfang ihrer Karriere standen, haben die Blüte ihres vielversprechenden Talents nie erlebt. Unter den Opfern des Dritten Reichs nehmen diese „erstickten Stimmen“ einen besonderen Platz ein. Als Vertreter verschiedenster Musikströmungen und mehrheitlich jüdischer Abstammung wurden sie aufgrund ihrer angeblich „entarteten“ Musik zur Flucht ins Exil gezwungen oder deportiert. Die Rehabilitation dieser Komponisten hat gerade erst begonnen. Um ihnen wieder eine Stimme zu geben, muss noch viel getan werden hinsichtlich Recherche, Verbreitung, Identifizierung (wer sind sie?) und Bewertung (welchen Wert haben ihre Werke?): denn über die Umstände ihres Ablebens hinaus – so schrecklich diese auch waren – macht die Vermächtnisarbeit nur dann Sinn, wenn durch sie Komponisten aus dem Vergessen hervortreten können, denen durch die Universalität ihrer Werke – unter anderen Umständen – mit Sicherheit ein Platz in der Musikwelt erhalten geblieben wäre. Ihnen diese Gerechtigkeit zukommen zu lassen ist eben das Ziel des Forums Voix Etouffées. — 36 Festliche Tage alter Musik 31. März 2016 Wien, Konzerthaus Festliche Tage alter Musik 2. April 2016 Wien, Konzerthaus Festliche Tage alter Musik Wien ohne Worte Voix étouffées Alban Berg — Vier Stücke op. 5 — Kammerkonzert Max Reger — Eine Romantische Suite op. 125 (Scherzo) (arr. Arnold Schönberg) Alexander Zemlinsky — Sinfonietta (arr. Roland Freisitzer) — Pavel Haas — Bläserquintett op. 10 Leo Ornstein — Poems of 1917 (N.1-5) Józef Koffler — Die Liebe op. 41 Gideon Klein — Streichtrio Alexandre Tansman — Septett — 1. April 2016 Wien, Konzerthaus Festliche Tage alter Musik Die Extremisten Maurice Ohana — Enterrar y callar Heitor Villa Lobos — Quinteto em forma de chôros Charles Koechlin — Les Heures Persanes op. 65 (La Caravane, Arabesques) Roberto Gerhard — Bläserquintett Ferruccio Busoni — Indianisches Tagebuch Béla Bartók — Sonate für zwei Klaviere und Schlagwerk — 2. April 2016 Wien, Konzerthaus Festliche Tage alter Musik Neue Welt Lord Berners — L‘Uomo dai Baffi Charles Ives — Largo Silvestre Revueltas — Planos Alfredo Casella — L’adieu à la vie Stefan Wolpe — Konzert für neun Instrumente, op. 22 — 37 3. April 2016 Wien, Konzerthaus Festliche Tage alter Musik Die große Geste Leoš Janáček — Mládí Arnold Bax — Nonet Josef Matthias Hauer — Musik-Film op. 51 (arr. Johannes Schöllhorn) Rudolf Karel — Nonett — 11. April 2016 Wien, Konzerthaus Generationen 4. und 5. Juni 2016 Wien, Konzerthaus Wiener Festwochen Der starke Jahrgang Polis Beat Furrer — linea dell’orizzonte Georg Friedrich Haas — AUS.WEG Bernhard Lang — DW26 ‘The Exhausted’ EA Karl Amadeus Hartmann — Concerto funébre Luigi Nono — Guai ai gelidi mostri Arnold Schönberg — Ode an Napoleon Buonaparte (Lord Byron) op. 41 Georg Friedrich Haas — Wer, wenn ich schriee, hörte mich… Marisol Montalvo, Stimme Peter Böhm & Florian Bogner, Klangregie Dirigent: Emilio Pomàrico — 15. April 2016 Kairo Cairo Contemporary Music Days Klarinettenquintett Thomas Wally — Caprice Arne Nordheim — Flashing Bernhard Gander — khul Klaus Lang — origami Beat Furrer — Klarinettenquintett UA — 15. Mai 2016 Shanghai Internationales Musikfest FAMA Beat Furrer — FAMA Eva Furrer, Kontrabassflöte Bernhard Zachhuber, Bassklarinette Olivier Vivarès, Bassklarinette Vokalensemble des Opernhauses Shanghai Dirigent: Beat Furrer — Patricia Kopatchinskaja, Violine Lukas Schiske, Schlagwerk Dirigent: Bas Wiegers — 8. Juni 2016 Paris, Centre Pompidou ManiFeste Création Beat Furrer — Klarinettenquintett — Lotófagos I — Neues Werk für Kontrabass und Elektronik UA Salvatore Sciarrino — Carnaval n. 1-10 Neue Vocalsolisten Stuttgart Uli Fussenegger, Kontrabass IRCAM, Klangregie Dirigent: Beat Furrer — 13. Juni 2016 Kopenhagen, Republique Teater Klang Festival Toujours vers toi Beat Furrer — Klarinettenquintett Bernhard Lang — Monadologie XXVIII ‘Seven’ Juliana Hodkinson — Inapparent air and aviary Ylva Lund Bergner — Toujours vers toi UA — 13. Juni 2016 Kopenhagen, Republique Teater Klang Festival Portrait Mathias Spahlinger Mathias Spahlinger — adieu m’amour — apo do (von hier) — gegen unendlich — 38 Agenda, Details Piotr Peszat (*1990) Jordanów, Polen Ylva Lund Bergner — Toujours vers toi I stycket Toujours vers toi (Alltid mot dig) jobbar jag med tankar omkring gruppdynamik och grupptryck. Tillsammans kan en grupp musiker finna nya vägar och ljud, men när de vänder sig emot varandra, börjar allt falla samman. I Toujours vers toi vill jag pröva att låta musiken formas utifrån de personligheter jag tillskriver musikerna. Några musiker är dominanta medan andra är mer tillbakadragna. En av dem kommer ofrivilligt att vara orsak till gruppens söndertrasande; det blir en kedjereaktion med starkare och starkare känslor i gruppen. Jag kommer att låta gruppen ha valet att antingen försonas eller att skapa ett annat slut. Titeln är hämtad ur en dikt av den franske poeten René Char, men musiken är annars inte inspirerad av dikten. Deutsch/ English: www.klangforum.at/lundbergner 39 Toujours vers toi Sans te le dire Jusqu’à ta bouche aimée. Mais l’instant qui coule Me nomme Quels que soient les traits que j’emprunte. Préférée de l’air la calandre Ne met pas en terre son chant, Et dans les blés le vent passe. J’approche de la rose La pointe de ma flamme. L’épine n’a pas gémi ! Seule ma propre poussière Peut m’user. —René Char Uraufführung 13. Juni 2016 Kopenhagen, Republique Teater Echotecture Die Befragung der scheinbar unverrückbaren Gesetze des Musiktheaters durch das Musiktheater selbst und mit seinen eigenen Mitteln steht im Mittelpunkt eines neuen Projekts des Klangforum Wien mit netzzeit und den Studierenden der Klasse von Anna Viebrock an der Akademie der Bildenden Künste Wien. Während sich das Genre Oper an den großen Häusern zunehmend in der Bewahrung eines klassischen Repertoirekanons einigelt und sich statt auf Inhalte auf orchestrale Bravour und sängerisches Virtuosentum konzentriert, sucht „Echotecture“ einen Weg zum Kern des Genres, indem es den Blick auf die einzelnen Elemente der Kunstform verschiebt und diese neu ordnet. Der Grundgedanke von „Echotecture“ ist Opernarbeit, die nicht primär durch Libretto und Komposition initiiert und bestimmt ist, sondern durch die Parameter der räumlichen Umgebung, in welcher das Werk von Librettisten, Komponisten, 40 Agenda, Details SzenografInnen und MusikerInnen gemeinsam geschaffen wird. Im Verlauf der sechsmonatigen Zusammenarbeit wird der umgebende Raum, in dem das Werk entsteht, in einem kollektiven Schaffensprozess aller kreativen Kräfte in Bild, Wort und Musik verwandelt werden. Als kreative Kräfte werden in diesem Prozess sämtliche an „Echotecture“ mitwirkende KünstlerInnen betrachtet, also insbesondere auch diejenigen, deren Arbeit gemeinhin als eine bloß „nachschöpfende“ oder „interpretatorische“ (miss)verstanden wird, also jene der BühnengestalterInnen und der MusikerInnen des Ensembles. Zur Verwirklichung seines vom Raum inspirierten musikdramatischen Ansatzes greift „Echotecture“ auf die verloren­ gegangene Idee des Theaterkomponisten zurück, der in täglicher, enger Zusammenarbeit mit der Kompanie schnell, mit Frische und Leichtigkeit, zu Musik macht, was Raum und Tag ihm zutragen. Mit Peter Jakober und Matthias Kranebitter sind zwei Komponisten der jungen Generation eingeladen worden, diese Aufgabe zu übernehmen. Abseits der verfestigten Tradition von Oper und Musiktheater versteht sich „Echotecture“ als prozesshafte Befragung eines alten Genres. Der Weg soll dabei nicht unbedingt wichtiger sein als das Ziel, seine Bedeutung für alle Beteiligten und auch für die Rezeption des Werks durch das Publikum hat aber durchaus größeres Gewicht als dies in den gängigen Vorstellungen über die Kunstform der Fall ist. English: www.klangforum.at/echotecture 16.-18. Juni 2016 Wien, Semperdepot Akademie der bildenden Künste Echotecture Ein Projekt von netzzeit mit der Akademie der bildenden Künste Wien — 24. Juni 2016 Graz, MUMUTH Klangforum PLUS PPCM Mit seiner Professur an der Kunstuniversität Graz betreut das Klangforum Wien seit 2009 zwei Ausbildungsprogramme für junge InstrumentalistInnen: ein Masterstudium sowie einen postgradualen Lehrgang in der Studienrichtung Performance Practice in Contemporary Music. Als Höhepunkt des PPCM–Studienprogramms findet auch im neuen Studienjahr 2015/16 das jährliche Abo-Konzert der DozentInnen des Klangforum Wien gemeinsam mit ihren StudentInnen im Grazer MUMUTH statt. Die Grundidee der experimentellen Projektreihe, die bereits beim letzten MUMUTH-Konzert mit „scan“ umgesetzt werden konnte, wird nun fortgeführt. Dabei geht es um den Versuch einer Neuformulierung eines offenen musikalischen Umgangs mit dem Werk eines/r Komponisten/in. Spartenübergreifende Synergien mit anderen Instituten der KUG zu diesem Zweck sind Teil des Grundkonzepts. Aktuell stehen Kompositionen von Klaus Lang sowie Musik aus dem Barock im Mittelpunkt unseres Programms. Gemeinsam mit dem Komponisten und in Zusammenarbeit mit dem Institut für Alte Musik der KUG werden verschiedene musikalische Aspekte in gemeinsamen Workshops durchleuchtet und die Ergebnisse im Rahmen eines abendfüllenden Konzertereignisses präsentiert. (Dimitrios Polisoidis, Koordinator der Klang­forum Wien-Professur an der KUG) — 41 Klangforum Wien Diehlgasse 51, 1050 Wien T +43 1 521 67-0 F +43 1 521 67-30 [email protected] www.klangforum.at Impressum Herausgeber und Verleger: Klangforum Wien Redaktion: Emilija Jovanović, Mitarbeit: Sigrid Kammerer Design: Bueronardin Herstellung: Donau Forum Druck Hauptsponsor Kooperationen impuls academy | competition | festival Fördernde Institutionen Wenn nicht anders angegeben, stammen alle in der Agenda 2015/2016 des Klangforum Wien enthaltenen Textbeiträge zu den neuen Werken dieser Saison von den jeweiligen KomponistInnen. Bildnachweise: Cover: Fabian Seiz für das Klangforum Wien, 2015, S. 3: Sigrid Kammerer, S. 9: Edgar Honetschläger, S. 10: Sidonie Forstreiter, S. 12: Mats Gustafsson, S. 15, 16, 32, 35: Elodie Grethen, S. 17: Maximilian Gehmacher, S. 18: Didi Sattmann, S. 37: Arnold Schönberg Center, S. 40: Anna Viebrock 42 Sponsoren und Förderer, Impressum Beiträge von Körperschaften öffentlichen Rechts Wie klingt Gemütlichkeit? Was braucht man heute zum Glücklichsein? Einen Ort zum Verschnaufen. Einen Ort zum Träumen. Einen Ort, um Kraft zu sammeln für die Reise in den Alltag oder ins Unbekannte. Einen Ort für alle, die durchs Leben reisen. A-1070 Vienna | Austria | Kirchengasse 41 | T +43-1/522 66 66 | www.altstadt.at | www.facebook.com/Altstadt.Vienna