Wie ich den Islam erlebte - MJB

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Wie ich den Islam erlebte und erlitt …
von
Engelbert Haupt
Herausgegeben
von
Manfred Backhausen
Die nachfolgenden biografischen Skizzen stellen einen Auszug aus einem
umfangreicheren Lebenslauf des dar. Aufgrund seiner Erfahrungen mit
bestimmten sunnitischen Organisationen und Personen in der Bundesrepublik
wurden die Namen der beteiligten Personen, die Bezeichnungen bestimmter
Organisationen sowie die Ortsnamen verändert. Die Original-Aufzeichnungen
liegen dem Herausgeber vor.Obwohl bereits über 20 Jahre alt sind sie so aktuell
wie nie zuvor.
Da die Aufzeichnungen für sich sprechen, wurde auf jede Kommentierung
verzichtet.
Ohne jemals daran zu denken, in näheren Kontakt mit dem Islam zu treten, war
ich von der islamischen Kultur schon immer sehr beeindruckt. An bekannten
islamischen Stätten habe ich bisher besuchen können: Hagia Sophia, FathiiMoschee, Syleyman-Moschee, Blaue Moschee, alle in Istanbul; Große Moschee
in Sofia, Felsendom und Al Aksa-Moschee in Jerusalem, Große Moschee in
Akko, die erste englische Ahmadiyya-Moschee in London. Nachdem ich, wie
bereits weiter oben geschildert die Katholische Kirche verlassen hatte, war ich
lange Jahre auf der Suche nach "meinem" persönlichen Gott. In intensiven
Studien befaßte ich mich schließlich auch mit dem Islam. Nachdem ich auch den
gesamten Koran in der deutschen Übersetzung von Max Henning (VMEVerlag, Wiesbaden) gelesen hatte, schien mir der Islam als einzige folgerichtige
Religion dazustehen. Der Glaube an einen Gott, die Weltbezogenheit der
islamischen Gesetze und Regeln zogen mich an. Also versuchte ich Kontakte zu
verschiedenen islamischen Organisationen meiner Heimatstadt Hannover zu
knüpfen. Da ich außer einigen kleinen Broschüren wenig erhielt, fragte ich
schließlich beim Leiter der Islamischen Wissenschaftlichen Akademie (IWA),
Herrn Prof. Aweladse, nach. Der wiederrum verwies mich an den deutschen
Muslim Dr. Albert Breuer. Er pries Breuer als gebildeten Mann und absoluten
Kenner des Islam an. Also nahm ich Kontakt zu ihm auf, zunächst in
schriftlicher Form.
Vorher aber besuchte ich noch während des Fastenmonates Rhamadan die
arabische Moschee in Hannover, da mir eine Einladung meines ägyptischen
Bekannten Hassan vorlag. Während mir die Gastfreundschaft der Menschen sehr
imponierte, war ich vom Gebrüll des Imam Ibrahim (Abraham) regelrecht
erschrocken. Man kann seine Predigt wirklich nur als Gebrüll bezeichnen! Ich
verstand natürlich absolut nichts von dem was er sagte, bemerkte jedoch sofort
seinen fanatischen Zug. Erstmals aß ich nun auch auf dem Fußboden, wobei die
freundlichen Menschen mir extra eine Gabel brachten, da sie annahmen, ein
Deutscher würde nicht mit den Fingern essen. In dieser kleinen Moschee lernte
ich dann auch gleich den ersten deutschen Muslim kennen. Einen irgendwie
verklemmt wirkenden jungen Mann, der mich sogleich zu missionieren begann.
Später erfuhr ich über ihn, daß er grundsätzlich nur Hemden ohne Kragen trug,
da Christen Hemden mit spitzem Kragen tragen und daß er genau berechnet
hatte, wie lang die Barthaare eines Muslims sein müssen. Auch außerhalb der
Moschee trug er das muslimische Gebetskäppchen und erklärte einem
türkischen Freund gegenüber, seine künftige Ehefrau werde er in der Wohnung
einschließen; nur so seien die diesbezüglichen Gebote Allahs zu befolgen. Er
ließ sich auch nur noch bei seinem islamischen Namen Abdurrahman rufen.
Schließlich erreichte mich ein Anruf Dr. Breuers. Zunächst war ich von seiner
bestimmenden Art sehr beeindruckt. Er meinte, ich solle nicht lange um den
heißen Brei herum reden, sondern direkt Moslem werden, alles andere sei
Unsinn. Warum er in diesem Gespräch auch immer wieder auf die
Datenverarbeitung, PC's usw. einging, wurde mir erst später klar. Er empfahl
mir zum Übertritt die Moschee der Vereinigung der Moslemischen Kulturellen
Zentren (VMKZ). Dies seien sehr feine Leute, sehr sauber, wenn auch etwas
steif. Mich ließ er kaum zu Wort kommen und wir vereinbarten einen Termin
für meinen Übertritt.
Da ich wußte, daß für den Übertritt lediglich der Satz "Es gibt keinen Gott außer
Allah und Mohammed ist sein Prophet" genügte, bereitete ich mich nicht weiter
vor, sondern wir fuhren zur besagten Moschee, sicherlich die schönste und
reichste in Hannover. Dort empfing uns Osman Kacoglu, überall nur Ösman
Bey genannt, ein junger Mann, über dessen Funktion ich mir lange Zeit im
Unklaren war. Er ließ sich kurz erklären, wer ich war und warum ich Moslem
werden wolle. Dann "befahl" er den Hodschah (Imam, Vorbeter in der Moschee)
ins Zimmer und es ging los. Ohne nähere Erläuterung verlangte man von mir
außer dem o.g. Glaubensbekenntnis das Nachsagen weiterer Sätze, deren
Bedeutung und Inhalt ich bis heute nicht kenne. Meine diesbezüglich Frage
wurde mit dem Hinweis beantwortet, das sei in dieser Vereinigung halt so
üblich. Versehen mit einer Art islamischen Katechismus in Türkisch -die
wichtigsten Gebete in arabischer Umschrift waren darin allerdings für mich
markiert worden- und einem Kalender mit islamischen Gebetszeiten fuhr ich
nach Hause. Wie fühlte ich mich? Man hätte doch glauben können, ich sei nun
glücklich, aber dieses Gefühl setzte nicht ein. Es war mehr ein schmerzliches
Gefühl des Abschiedes von meiner bisherigen Welt, ohne das ich dieses Gefühl
näher beschreiben konnte. Heute weiß ich, daß ich ein schöneres Gefühl hatte,
als ich vor langen Jahren als Nichtmoslem islamische Städten in der Türkei,
Europa, Israel und Afrika besuchte. Vielleicht hatte zu diesem Gefühl auch der
Umstand meines ersten "Anschisses" beigetragen. ich hatte nämlich den
erwähnten Katechismus mit den Koranversen beim Schuhe zubinden auf die
Treppenstufe gelegt. Ohne zu beachten, daß ich ein ganz frischer Moslem war,
wurde ich direkt zurecht gewiesen, daß sich das nicht gehöre, da der Koran oder
Teile des Korans immer nur ganz oben liegen dürfe.
Zunächst ließ man mich nun in Ruhe am Freitagsgebet teilnehmen. Es verging
allerdings kein Freitag ohne die obligatorischen Hinweise, daß mein Gebet nur
gültig sei, wenn ich es korrekt in Arabisch sprechen bzw. murmeln würde. Das
gleiche gelte für meine Gebetshaltung. Meine Hinweise, Allah wäre doch
sicherlich nicht so kleinlich und würde etwas bestrafen, was ich erst lernen
müßte, wurden abgetan. Erstmals wurde ich mit Hadithen bekannt gemacht. Ich
sollte sie nunmehr als ständigen Begleiter kennen lernen. Alleine diese ständige
Bevormundung verleidete mir bereits sehr früh das Gebet. Die meiste Freude
bereitete mir noch das gemeinsame Gebet, doch ging ich bereits unter einem
Vorwand nach kurzer Zeit hierfür in eine andere Moschee in Hannover oder in
die kleine dem DITIB angeschlossene Moschee in Minden. DITIB bedeutet
"Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Diyanet)“. Die
Religionsbehörde Diyanet in Ankara hat sich mit der besagten Union in
Deutschland eine Art Zweigstelle geschaffen. In Minden kannte man mich
nicht, freute sich über einen deutschen Muslim und ließ mich im Übrigen in
Ruhe. Selbst heute gehe ich dort noch ganz gerne einmal meine Tasse türkischen
Tee trinken. Aber schon diese kleinen Ausflüge nahm man mir übel, da die
DITIB-Leute nicht als richtige Moslems angesehen wurden, da sie sowohl den
türkischen als auch den deutschen Staat akzeptierten. Ebenso nachhaltig verbot
man mir und dem Sohn von Dr. Breuer die Teilnahme an einem AhmadiyyaKongress in Hannover - man fürchtete offiziell um unsere Seelen, da die
Ahmadiyya-Moslems nicht als Moslems anerkannt wurden. Das fünfmalige
Pflichtgebet habe ich eigentlich von Beginn an kaum eingehalten. Gemeinsame
Gebete in besagtem Verband oder in muslimischen Häusern dagegen endeten
jedesmal mit den üblichen Belehrungen.
Stellte ich theologische Fragen, verwies man an den Hodschah, der aber konnte
meist kein Deutsch. Der einzige, der etwas Deutsch konnte, mokierte sich
bereits nach einigen Wochen über die Länge meines Schnurbartes! Ein weiterer
Schock für meine neuen "Brüder" war die Tatsache, daß ich mich dazu
bekannte, Mitglied der SPD und einer Gewerkschaft zu sein. Man erklärte mir
unumwunden, daß passe nicht für einen Moslem. Merkwürdigerweise waren
aber sowohl Dr. Breuer als auch die türkischen Freunde Mitglieder in
politischen Parteien in der BRD oder in der Türkei. Es braucht nicht betont zu
werden, daß diese Parteien stramm rechts standen. Dr. Breuer erzählte sogar
voller Stolz, wie er in Tunesien den Wahlkampf eines extrem rechts stehenden
islamischen Politikers unterstützt habe. Ob die FDP. der er in Deutschland
angehörte, dies billigte, ist mir nicht bekannt. Gewerkschaften und alles
vermeintlich politisch Linke wurden diffamiert. Auch mein Hinweis, meine Frau
wolle Christin bleiben, stieß auf Unverständnis, obwohl ich mir diesmal die
Freiheit nahm, bezüglich dieser Frage aus dem Koran zu zitieren. Ein Argument
ist mir noch gut im Gedächtnis geblieben: Dr. Breuer erklärte, ich solle
gefälligst meiner Frau erklären, als Muslima hätte sie viele Vorteile, u.a. könne
sie mich nur dann beerben. Leicht schockiert ging ich an diesem Abend nach
Hause. Ebenso schockiert war ich einige Tage später, als mir Dr. Breuer
kategorisch erklärte, ich hätte gefälligst dafür zu sorgen, daß mein Sohn sofort
einen moslemischen Namen führen sollte und natürlich Moslem werden sollten.
Mein Hinweis auf Absprachen mit meiner Frau vor unserer Eheschließung und
vor der Geburt, wischte er mit dem Argument weg, das spiele überhaupt keine
Rolle.
Bald verlangte Dr. Breuer, daß ich mir gefälligst sofort einen islamischen
Namen zulege und verwies auf eine diesbezügliche Hadith. Da ich nicht meine
gesamte Persönlichkeit umkrempeln wollte, übersetzte ich meinen zweiten
Namen Gabriel und nannte mich daher Djibril. Bereits in meiner
Übertrittsurkunde erschien dann dieser Name. Von diesem Moment an lebte ich
mit der schizophrenen Situation, daß mich die Muslime Djibril riefen und
meine Eltern, meine Frau, meine Freunde und Kollegen natürlich weiterhin
Manfred. Weiterhin forderte man mich auf, in meinem Büro und in meiner
Wohnung alle Bilder mit Menschen zu verbannen, verwies auf den Koran und
ließ meinen Hinweis nicht gelten, meine Frau sei schließlich Christin. Per Zufall
stieß ich dann auf den Artikel eines deutschen Moslems zu diesem Thema.
Danach wußte ich dann nicht mehr, ob ich lachen oder weinen sollte.
Überhaupt Dr. Breuer! Er bot mir recht bald das Du an und betonte, er führe den
Namen Hajii Süleyman (Salomon). Sein wichtigstes Wort war "Al Hamdullilah"
und in jedem zweiten Satz betonte er die Überlegenheit des Islam in allen nur
möglichen Fragen. Bald erhielt ich Einladungen zu ihm nach Hause. Er war mit
einer Tunesierin verheiratet, sie hatten drei Kinder. Die Wohnung sah aus wie
in 1001 Nacht. Dr. Breuer lief im Hause nur mit Kaftan und Käppchen herum;
seine Frau und das fast erwachsene Mädchen in orientalischer Kleidung sowie
Kopftuch und eine Art Käppchen. Meine diesbezüglichen Fragen nach der
Quelle dieser Kleidung wurden auch wieder mit einer nicht näher bezeichneten
Hadith beantwortet. Da ich am ersten Abend zufällig ein Hemd mit
Stehbündchen trug, nahm man wohl an, dies sei die Trennung von christlicher
Kleidung und war begeistert. Gleich beim ersten Essen setzte ich mich in die
Nesseln, als ich, wie gewohnt, mit der linken Hand die Gabel zum Munde
führte. Man forderte mich auf, künftig mit der rechten Hand dies zu tun.
An diesem Abend nun rückte man auch endlich damit heraus, was man von mir
in Sachen Islam erwartete! Dazu müssen jedoch noch einige
Vorabinformationen erfolgen. Dr. Breuer war von Beruf Geograf und arbeitete
seinerzeit in einem großen Verband in Hannover. Da er einige Jahre im Iran und
in Ägypten verbracht hatte, fühlte er sich zum islamischen
Wirtschaftstheoretiker geboren und veröffentlichte hierüber auch einige kleine
Broschüren und Artikel. Das bemerkenswerteste an diesen Beiträgen war, daß
sie immer dann nebulös wurden, wenn es an die konkrete Anwendung der
Scharia in der Wirtschaft und der Gesellschaft ging. Sein Sohn Orhan studierte
Jura und arbeitete nebenher in der Computerbranche. Ich nun sollte zum einen
den o.g. islamischen Verband organisatorisch unterstützen und zudem mithelfen,
ein islamisches Informationssystem mit angeschlossener Zeitung zu schaffen.
Hierzu würde ich aber unbedingt einen PC benötigen. Da aber gerade der Sohn
seinen PC verkaufen wolle, würde man diesen mir gerne verkaufen, incl.
Bildschirm, Software und Drucker. Da ich mir für meine publizistischen
Arbeiten sowieso einen PC zulegen wollte, schlug ich ein und kaufte das, wie
ich heute weiß, völlig veraltete Gerät, zu einem zudem völlig überhöhten Preis.
Die beiden "Fachleute" hatten schnell spitz bekommen, daß ich damals von der
Materie so gut wie keine Ahnung hatte. Als nächstes schwatzten sie mir einen
Mailboxanschluß auf, da ich nur so die spätere Zentrale des Infosystemes
übernehmen könne. Bei der Mailbox handelte es sich damals um ein weit
verbreitetes System zur Vernetzung privater EDV-Anlagen zu
Kommunikationszwecken. Um diese Geschichte abzukürzen: Nach fast einem
dreiviertel Jahr war ich um über zweitausend DM an Mailbox-Gebühren
leichter, hatte das System fast nie genutzt und wenn, dann nur für Unsinn. Also
kündigte ich den Anschluß wieder!
Gleichzeitig wollte man mich noch in Kontakt mit einer weiteren islamischen
Organisation bringen, welche seinerzeit die traurige Berühmtheit erlangte,
ständig in Verfassungsschutzberichten zu stehen. Sie wird von einem rechts
außen stehenden türkischen Politiker geleitet und gibt eine Zeitung heraus, deren
hervorstechendes Merkmal ihr widerlicher Antisemitismus im Stile des in der
Nazi-Zeit berüchtigten pornografischen und antisemitischen Hetzblattes "Der
Stürmer" ist. Es gelang mir bis auf wenige schriftliche Kontakte, jede weitere
Beziehung im Keime zu ersticken.
Dafür aber begann meine Tätigkeit als unbezahlter Büromitarbeiter im bereits
genannten Verband in Hannover. Dieser Verband ist in einem großen eigenen
Gebäude untergebracht, welches ganz nach den Wünschen der Organisation
umgebaut worden war. Büroräume und Moschee - alles nur vom feinsten,
ebenso die elektronische Ausstattung. Geleitet wurde alles von einem
Vorsitzenden, seinem Vertreter, einem Generalsekretär und einem nicht näher
definierten Mann für Öffentlichkeitsarbeit. Während ich den Vorsitzenden nie
kennen lernte, merkte ich schon bald, daß der Vertreter absolut nichts zu sagen
hatte - er unterschrieb lediglich die Aufnahmeurkunden, zudem sprach er ganz
leidlich Deutsch. Das gleiche galt für den Generalsekretär, mit der Ausnahme,
daß er nur schlecht Deutsch sprechen konnte. Er war ein wirklich lieber Mensch,
der sich ganz der Mystik hingab und im Übrigen im Verband nichts zu tun und
zu sagen hatte. So schrieb er mir einmal die folgenden Zeilen auf und meinte,
ich solle sie ständig aufsagen: "ALLAHÜME SALLI ALA SEYYIDINA
MUHAMMEDIN VE ALA ALI SEYYIDINA VE NEBIYYINA
MUHAMMED". Er behauptete, an normalen Tagen würden Engel diesen
Spruch über Mohammed zu Allah tragen; an Freitagen aber würde der Spruch
direkt vom Gläubigen zu Mohammed gehen. Obwohl offiziell den Titel
Generalsekretär tragend, erschien er in amtlichen Urkunden und Fragebögen
plötzlich als Bibliothekar. Sein erlernter Beruf war der eines Offiziers in der
türkischen Luftwaffe.
Der eigentliche Führer war der bereits erwähnte Osman Bey, einmal als PRMann bezeichnet, ein anderes Mal als Geschäftsführer. Obwohl also offiziell
ohne satzungsmäßigen Auftrag, merkte man schon an seinem Büro und seinem
Auftreten, daß er hier zu bestimmen hatte. Er war Akademiker, gebildet, aus
einer guten Familie stammend, politisch stramm rechts stehend und, wie ich
bald bemerkte, der absolute Vertraute seines Ordensführers in der Türkei. Ich
schreibe hier bewußt Orden, warum? Während Dr. Breuer ohne weiteres zugab,
daß der Verband ein Ableger einer türkischen Tecke (Orden) sei und irgendwie
auch ganz fürchterlich mystisch angehaucht, wurde dies von den türkischen
Mitgliedern stets in Abrede gestellt, besonders dann, wenn wieder einmal etwas
in der Presse oder in einem Buch erschienen war. Die Mystik wurde zugegeben,
die Tecke nicht! Trotz dieses Mystizismus betonte man immer wieder, voll und
ganz auf dem Boden der Sunna und der Scharia zu stehen. Dennoch bemerkte
ich des Öfteren beim Gang durch die Moschee merkwürdige
Gebetsversammlungen zu völlig ungewöhnlichen Zeiten. Natürlich blickte ich
damals so gut wie nicht durch und ließ alles über mich ergehen. Lediglich dem
Mystizismus erteilte ich oft und laut eine klare Absage.
Osman Bey also, Liebhaber italienischer schneller Autos, leitete das
Unternehmen. Immer wie aus dem Ei gepellt, perfekt Deutsch sprechend, war er
äußerlich der Typ des erfolgreichen Jungmanagers. Daran hinderte ihn auch
nicht sein übertriebener Hang zum Mystizismus. Auf meine spätere Frage, wie
er denn die Sunna und den Mystizismus verbinden könne, erklärte er mir, daß
sei wie bei einer Nuß: Die Schale sei die Sunna, die schöne Frucht aber die
Mystik. Außerdem sammelte er Aussprüche Mohammeds über den bösen Blick.
Trat er zum Gebet an, verwandelte sich der an sich lebhafte und freundlich
dreinblickende Mann in eine maskenhafte Statue. Jede Bewegung saß, die
äußere Form ging ihm über alles. Einmal erläuterte er mir sogar, wie man in
einem Auto vorschriftsmäßig auf dem Sitz sein Pflichtgebet verrichtet. Ich gebe
gerne zu, daß ich beeindruckt war, allerdings weniger religiös. Ein anderes Mal
erklärte er mir die islamische Weise des Ganges auf die Toilette. In arge
Verlegenheit brachte ich ihn, als ich ihn, als Bruder im Islam fragte, wie man
denn als Moslem, z.B. in der Türkei ein Mädchen kennen lernen könnte. Er
erschrak, redete etwas von Badehaus oder so und kam auf dieses Thema nicht
mehr zurück. Es bereitete ihm wohl schon Schwierigkeiten im Zusammenhang
mit den genau einzuhaltenden Waschritualen das Wort Geschlechtsverkehr in
den Mund zu nehmen. Seinen tatsächlich ausgeübten Beruf, offiziell war er im
Verband ja nur ehrenamtlich tätig, habe ich nie in Erfahrung bringen können. Er
sollte zwar ein Geschäft haben, ich kann mir dies aber alleine schon deshalb
nicht vorstellen, weil er praktisch Tag und Nacht im Verband anwesend war. Er
muß jedoch sehr wohlhabend gewesen sein, da er einmal bei einem Einbruch in
seine Wohnung bestohlen wurde und es sich bei dem Diebesgut um erhebliche
Werte gehandelt hat.
Ansonsten war in der Verbandszentrale und auch sonstwo jeder für alles oder
nichts zuständig, vielleicht mit Ausnahme des Büroangestellten. Aber auch er
bekam, wie alle anderen, für seinen mindestens zehnstündigen Arbeitstag und
das an sieben Tagen in der Woche, zuzüglich einer Nachtschicht, einen
wirklichen Hungerlohn. Er tat es, wie er mir sagte, für die Sache des Islam. Den
anderen erging es ebenso, wenn nicht noch schlimmer. Hinzu kamen die
Arbeiten aller Mitglieder auf freiwilliger Basis an Moscheen, Zentren etc. aber
auch in Privathäusern. Als ich einmal den Wunsch äußerte, man möge mir doch
einen türkischen Fliesenleger für unsere Eigentumswohnung vermitteln, wurde
ein armer Kerl hinbeordert. Er sollte bei mir für ein Gotteslob arbeiten. Ich
werde nie vergessen, wie dankbar der gute Mann war, als ich ihn schließlich von
mir aus doch noch bezahlte; immerhin hatte er jede Menge Kinder zu versorgen.
Er war ein einfacher ehrlicher Mann und sagte mir beim gemeinsamen Gebet
u.a., daß ich mir keine Sorgen wegen des korrekten Gebetes machen brauche.
Wenn ich kein Arabisch könne, genüge es auch, "Ya Allah" zu sagen, da Gott
schließlich in die Herzen und nicht auf den Mund achten würde. Während
meiner nunmehrigen Verbandstätigkeit mußte ich feststellen, daß alle Mitglieder
und Angestellten im gesamten Bundesgebiet mit solchen Hungerlöhnen
abgespeist wurden. Früher einmal hat man so etwas als Ausbeutung bezeichnen
dürfen.
Im Übrigen herrschte absolute Diktatur. Kam einer der leitenden Funktionäre,
stand alles auf und verbeugte sich ehrfürchtig. Ich selber verbat mir ein solches
Verhalten meiner Person gegenüber und war wohl auch der einzige der sich an
dieses Ritual gegenüber den "Herren" nicht hielt. Dr. Breuer entschuldigte
dieses Verhalten damit, daß die Türkei zu lange ein Kaiserreich gewesen sei komme aber erst einmal die Islamische Republik in der Türkei, werde dies
natürlich alles ganz ganz anders. Die Bezeichnung Vereinigung war auch so eine
Farce, bezeichnet sie doch im Deutschen einen Zusammenschluß selbstständiger
Vereine etc. Im vorliegenden Falle aber gab es nur nicht-rechtsfähige
"Zweigstellen", die alleine absolut nichts bestimmen konnten und auch keinen
eigenen Grundbesitz hatten. Alles ging von der Hannoveraner Zentrale aus!
Von nun an gehörte es also zu meinen Aufgaben, Schreiben zu entwerfen,
Vordrucke anzulegen, Briefe zu beantworten, Verhandlungen mit dem Zoll zu
führen, Arbeitsverträge, Mietverträge und Kaufverträge vorzuprüfen, Gespräche
mit Politikern etc. vorzubereiten usw. usf. - teilgenommen habe ich an einem
solchen Gespräch aber, von einer Ausnahme abgesehen, nie. Diese Ausnahme
kam auch nur zustande, weil ich zufällig anwesend war und der Termin
eigentlich verschwitzt worden war. Während dieser Arbeiten konnte ich nun
feststellen, wie immens reich diese Organisation sein mußte. Grundstücke und
Häuser in Millionenwerten wurden gekauft, aber auch angemietet. Eine meiner
weiteren Aufgaben bestand dann darin zu prüfen, wie man am besten die alten
Mieter herausbekommt. Als Argumente galten z.B. griechische Nationalität oder
"gottlose" Türken! Natürlich reichte bei einer solchen Politik das Geld für eine
vernünftige Bezahlung der Mitarbeiter nicht mehr aus und oft genug las ich
Schreiben der Sozialämter verschiedener Orte, aus denen sich entnehmen ließ,
daß manche Mitarbeiterin und mancher Mitarbeiter so eben am
Existenzminimum vorbei schrammte. Ich selber erhielt für meine fast tägliche
nebenberufliche Arbeit, den Einsatz meines Autos etc. im gesamten Zeitraum
einmal ein winziges Souvenir aus der Türkei geschenkt.
Wie bereits oben einmal geschildert, wurde ich dabei sehr sorgfältig aus dem
Innenbereich heraus gehalten - ich war der gehobene Bürodiener, oder aber ganz
einfach ein nützlicher Idiot.
Mitunter lud man mich auch dort im Zentrum zum Essen im eigenen Restaurant
ein. Waren mir vorher, wenn überhaupt, nur Frauen und selbst kleine Mädchen
begegnet, mit Kopftuch bekleidet, die schamhaft zur Seite blickten und vorbei
huschten, erlebte ich in diesem Restaurant den absoluten Höhepunkt. Während
die Männer beim Mittagsmahl saßen, klopfte es von außen an eine Art
Kellerfenster. Daraufhin begab sich der Koch oder einer seiner Mitarbeiter mit
dem Essen zu diesem Fenster, drehte den Kopf zur Seite und das Essen wurde
von einer Hand hereingeholt, während sich sofort wieder das Fenster schloß.
Auf meine Frage erklärte man mir, dort würden die Frauen für sich speisen.
Obwohl mir Dr. Breuer bereits einige "Erkenntnisse" bezüglich der
Unterordnung der Frau vermittelt hatte, war ich, gelinde gesagt, schockiert.
Hatte ich mich schon daran gewöhnt, Frauen nicht anzusehen, Frauen nur zu
besuchen, wenn ein männlicher Verwandter in der Nähe war, Frauen nicht die
Hand zum Gruß zu reichen etc. etc. - an so etwas würde ich mich nie gewöhnen
können. Nachdem ich im Koran zu diesem Thema nichts fand, verwies man
mich wieder auf unzählige Hadithe. Nun endlich kaufte ich mir mehrere
englische und deutsche Hadithsammlungen, u.a. und stellte fest, daß es wirklich
für alles und nichts eine Hadith gibt - selbst wenn sie sich, was oft genug
passiert, total zu widersprechen scheinen.
Während der Verzicht auf Alkohol und Schweinefleisch mir absolut keine
Probleme bereitete, rauchte ich weiter Zigaretten und Pfeife. Auch hier machte
man mir die Hölle heiß und zitierte wieder jede Menge Hadithe dagegen. Breuer
selber rauchte auch, meinte aber, bei mir sei es reine Sucht, während es bei ihm
erlaubter Genuß sei. Gleichzeitig kritisierte man, daß ich immer noch einen
goldenen Ehering trug und riet mir, je nach Geldbeutel, einen aus Silber oder
aus Platin zu nehmen. Auf meine Frage, wieso denn Platin, schließlich sei das
doch noch ein edleres Metall als Gold, erklärte man mir, das stehe im Koran und
in den Hadithen und damit basta.
Während ich den Alkoholverzicht sehr ernst nahm, mußte ich bei einer
türkischen Beschneidungsfeier in Minden erleben, wie mir wohlmeinende
islamische Freunde heimlich Whiskey in die Cola gaben und sich totlachen
wollten, als ich es bemerkte. Einziger Kommentar dieser handfesten Burschen,
man muß nicht alles so eng sehen.
So nach und nach regten sich bei mir die ersten Zweifel, ob mein Schritt
wirklich der richtige gewesen sei, doch verdrängte ich solche Gedanken
zunächst noch permanent. Um mir aber ein Ventil zu schaffen, vertiefte ich
etwas meine Kontakte zu DITIB und lernte dort einen ehemaligen Mufti kennen,
der auch gut Deutsch sprach. Er widersprach der These vom verbotenen
goldenen Ehering, da er als Urkunde gelte; weiterhin erklärte er, der Islam
mache aber aus Platin und Gold grundsätzlich schon einen Unterschied, da
Platin keine Währungsdeckung wie Gold darstelle. Auch er riet mir, nicht alles
zu eng zu sehen, war aber dann bezüglich Kopftuch und echtem Goldschmuck
für Männer doch auf Seiten der Eiferer des bisher geschilderten Verbandes. Ein
Ergebnis dieser Gespräche war, daß ich nun auch noch zusätzlich die kleine
DITIB-Gemeinde in meinem Wohnort administrativ unterstützte.
Zum Opferfest wurde ich von "meinem" Verband mehr oder weniger ultimativ
aufgefordert, gefälligst einen Hammel zum Preise von 200,--DM zu opfern.
Freunde in Saudi-Arabien würden schon die Opferung durchführen. Sicherlich
war mein Opfertier eines jener, welche später nutz- und sinnlos in der
saudischen Wüste verwesten, wie eine schiitische deutsche Zeitung
unwidersprochen berichtete. Der eigentliche Gedanke der Opferung, wird so
natürlich völlig ad absurdum geführt, Hauptsache der Buchstabe des Gesetzes
wird erfüllt.
Zur gleichen Zeit erlebte ich, wie sich die verschiedenen islamischen Zentren
und Verbände in der Bundesrepublik gegenseitig beschimpften und
diffamierten. Gründete der eine Verband ein Nachrichtenblatt, kam prompt das
andere eine Woche später mit der gleichen Idee. Gründete eine Organisation
einen Islamischen Pfadfinderbund, gründete ein anderer prompt auch einen. Hier
taten sich besonders die rein deutschen Zentren besonders hervor. Dies alles
eingedenk der Tatsache, daß nach den Ergebnissen der Volkszählung damals
noch keine 48.000 Deutsche dem Islam angehören, davon sicherlich über 40.000
Frauen, die nur aus Liebe zu ihren, zumeist türkischen Männern konvertiert sind.
Was gab es da alles für Traumzahlen im islamischen Blätterwald. Dieser ach so
kleine Haufen, zudem zersplittert in dutzende Organisationen hatte nichts
Besseres zu tun als den anderen nachzuweisen, daß sie eigentlich gar keine
richtigen Moslems seien. Als ich mich erdreistete einen diesbezüglichen Artikel
den beiden größten islamischen Zeitungen "Al Ulema" und "Al Kibir"
anzubieten, erhielt ich prompt einen bösen Brief von einem der Chefredakteure.
Wie ich es mir erlauben könne, beide Zeitungen anzuschreiben.
Und dann der bei vielen moslemischen Organisationen offen vorgetragene oder
latent vorhandene Antijudaismus. Dr. Breuer, Sohn eines Unteroffiziers aus dem
2. Weltkrieg, war es sichtlich unangenehm, daß mein bester Freund Jude war
und daß ich sogar etwas Hebräisch konnte. So oft es ging, wetterte er gegen die
jüdische Religion. Im Übrigen vertrat er ein fundamentalistisches Gedankengut,
wie ich bald bemerken mußte. Er freute sich z.B. diebisch über einen deutschen
Moslem, welcher Pazifist war und dem man, während eines von Breuer
vermittelten Arabischstudiums in Libyen den Umgang mit Gewehren
beigebracht hatte. Im Hause seiner Mutter in Hannover, das ich einmal besuchte,
lag ein Prachtexemplar des Korans direkt unter dem Foto des dekorierten
Unteroffiziers. Eines Tages fand ich bei der Büroarbeit im Verband ein
türkisches Buch über "Freimaurer und Judentum". Hier wurden Juden und
Freimaurer in teilweise ekelhafter Form in einen Topf geworfen und es wurden
lange Listen mit angeblichen Juden und Freimaurer abgedruckt, u.a. fand ich
dort auch Willy Brandt und Helmut Schmidt. Meine Bemerkung, dies sei nicht
nur ekelhaft und unislamisch, sondern zudem objektiv falsch, wurde mit der
Bemerkung abgetan, davon könne ich keine Ahnung haben, das wisse man
besser. Die antisemitische Hetze eines anderen Verbandes habe ich bereits
weiter oben erwähnt - um sie zu verstehen, brauchte man noch nicht einmal
Türkisch zu können!
Nach meinen Erfahrungen mit den genannten islamischen Zeitungen vermied
ich künftig fast jeden Kontakt mit deutschen Moslems, obwohl man sich sehr
bemühte, mich auf ihre Seite zu ziehen. Mit dem Kinderkram dieser Leute aber
wollte ich nichts zu tun haben.
Positiv dagegen verliefen meine Kontakte zu einer Organisation moslemischer
Emigranten in Fürth und Nürnberg, der Geistlichen Verwaltung der
Moslemflüchtlinge in der Bundesrepublik Deutschland, welche nach 1945 von
ehemals mit Nazi-Deutschland verbündeten moslemischen Soldaten aus der
UdSSR, Jugoslawien etc. gegründet wurde. Deren Schreiben und deren Zeitung
hoben sich wohltuend von dem Geschreibsel der anderen ab. Schade nur, daß
diese Gruppe unter ihrem Imam Ibrahimowitsch im Aussterben begriffen ist
und sich theologisch immer mehr nach "meinem" Verband ausrichtete.
Schließlich bekam ich noch Kontakt zu der westdeutschen Gruppe des
Muslimischen Weltkongresses, einem Miniverein, der aber immer betont, den
deutschen Islam, was immer das auch sein mag, zu vertreten. Er engagierte sich
sehr stark im islamisch-christlichen Dialog, oft schon bis zum Synkretismus und
versuchte nachzuweisen, daß der Islam in Deutschland jahrhundertealte Wurzeln
habe. Als Historiker fielen mir bei der entsprechenden Lektüre bald die Haare
aus. Die Beweisführung hatte zum Teil schon fast groteske Züge. Der Leiter
dieser Organisation, welche sich später wohl von der Weltorganisation im
Zusammenhang mit der Rushdie-Affäre getrennt hat, ist der deutsche Moslem
Abdullah Suleiman, welcher oft als sog. Islamexperte bezeichnet wird. Neben
seinem Einsatz für "seine" islamischen Gruppierungen ist er aktiver Freimaurer,
was ihn u.a. für Dr. Breuer mehr als verdächtig machte. Breuer sorgte dann auch
dafür, dass die Freimaurereigenschaft Abdullah Suleiman allgemein bekannt
gemacht wurde. Abdullah leitet auch das Muslimische-Archiv Deutschland, eine
Art privates Standesamt für Moslems. Hier erhält man u.a. Glaubensurkunden,
welche die Pilgerfahrt nach Mekka erleichtern, da sie von Saudi-Arabien
anerkannt werden.
Die einzige vernünftige, seriöse und wissenschaftlich fundierte Zeitung "Islam
und der Westen" von Dr. Smail Balic, einem in Österreich lebenden Bosnier,
wurde von fast allen Gruppen verteufelt, sein Redakteur des Alkoholismus
bezichtigt. Leider mußte dieses Blatt inzwischen das Erscheinen einstellen.
Dr. Breuer, der sich inzwischen von einer islamischen Zeitung als "islamischer
Wirtschaftswissenschaftler" feiern läßt, entdeckte weitere Probleme des Islam in
Deutschland: Gelatine und die rituelle Schlachtung. Nachdem er selber noch
über einige deutsche Moslems gelästert hatte, die plötzlich keine Cola mehr
trinken wollten, weil angeblich Spurenelemente von Alkohol darin enthalten
seien, propagierte er nun die schweinefleischfreie Gelatine. Es sollte dafür
gesorgt werden, daß es genügend Gelatine gäbe, die von Moslems benutzt
werden könne. Im zweiten Fall ging es um langwierige Verhandlungen mit den
Behörden bezüglich der Schlachtung ohne vorherige Betäubung. Zuallererst
propagierte er in dem von seinem Sohn zwischenzeitlich gegründeten
"Nachrichtenblatt des Islam", es erschien im Zusammenhang mit dem ebenfalls
vom Sohn herausgegebenen arabisch-deutschen Pressedienst, daß man künftig
nicht mehr vom Schächten sprechen solle, denn das sei jüdisch, sondern
gefälligst von Dzaab. Dann versuchte er, auch mit meiner Hilfe, an Gutachten
heranzukommen, die den Staat von der Schmerzlosigkeit überzeugen könnten.
Während ich die nötigen Vorarbeiten und Recherchen durchführen durfte, auch
ohne meine Einwilligung Redaktionsmitarbeiter an dem Informationsdienst
wurde, war ich von den zu führenden Gesprächen selbstverständlich
ausgeschlossen. Allerdings gingen mir bereits bei diesen Vorarbeiten endlich die
Augen auf. Frau Breuer, eine Kindergärtnerin, befaßte sich intensiv mit dem
Curriculum zum islamischen Religionsunterricht an niedersächsischen Schulen.
Dieser Entwurf wurde total verrissen, was man aber selber genau wollte, blieb
trotz umfangreicher Gegendarstellungen im Dunkeln.
Obwohl als Erzieherin pädagogisch gebildet, war Frau Breuer eine Anhängerin
der körperlichen Züchtigung. Selbst ihr erwachsener Sohn blieb davon, wie er
mir einmal berichtete, nicht verschont. Er fand das auch in Ordnung und
wunderte sich, daß ich nicht mit gleichen Erlebnissen aufwarten konnte. Im
Übrigen durfte man Frau Breuer, wenn überhaupt, nur die Hand reichen, wenn
sie vorher Handschuhe angezogen hatte. Zur Verteidigung der im Islam
erlaubten Polygamie erklärte sie öffentlich: "Lieber die zweite Frau eines
interessanten Mannes, als die erste Frau eines Dummkopfes".
Zwischenzeitlich aber hatte ich noch die Ehre, in Privataudienz vom Pir der
Tecke, also der Mutterorganisation "meines" Verbandes, einem ehemaligen
türkischen Abgeordneten im Hannoverischen Zentrum empfangen zu werden.
Der Inhalt des Gespräches war eigentlich belanglos, was mich dagegen
anwiderte, war die Unterwürfigkeit meiner "Brüder" diesem Manne gegenüber.
Viel schlimmer kann es bei Karol Wojtyla im Vatikan auch nicht zugehen.
Scheinbar aber hatte ich durch diesen Besuch die entsprechenden kleinen
Weihen empfangen. Man schlug mir nämlich wenig später den Vizevorsitz des
reorganisierten "Islamischen Fürsorgeverbandes", einer reinen
Tochtergesellschaft, vor. Sehr schnell bekam ich mit, daß mit diesem Verband die Zugehörigkeit zum eigentlichen religiösen Verband sollte in jedem Falle
verschleiert werden- der Versuch unternommen werden sollte, einmal auch an
Türken zu gelangen, die der Sunna bisher fern standen und zum anderen sollte
diese neue Organisation den Einfluß deutscher Sozialverbände, z.B. der
Arbeiterwohlfahrt, auf Türken brechen. Nachdem ich zugesagt hatte zu
kandidieren, teilte man mir nach einigen Tagen mit, die Wahl habe
stattgefunden, Osman Bey sei Vorsitzender und ich sei sein Vertreter und müsse
nun nur noch schnell die Notariatsurkunde mit unterzeichnen. Wo, wann, wie
diese Wahlversammlung stattgefunden hatte, habe ich nie in Erfahrung bringen
können. Jedenfalls arbeite ich von diesem Moment an auch noch für den
Wohlfahrtsverband und unterschrieb ab und zu offizielle Schreiben an
Behörden, Eigentümer etc. So konnte für Nicht-Moslems und für
Stadtverwaltungen der Eindruck entstehen, auch deutsche Moslems seinen in
diesem Verband vertreten. Doch auch dies war selbstverständlich eine der vielen
Fata Morganas. Zu sagen hatte ich nämlich nach wie vor nichts - ich war nur ein
Aushängeschild!
Als weiteres Tätigkeitsfeld erschloß sich mir dann die "Islam GmbH", ebenfalls
ein Ableger der religiösen Gemeinschaft, allerdings mit rein kommerziellen
Zielen, z.B. den Verkauf von Waren, mit Filialen im gesamten Bundesgebiet.
Auch deren Angestellte mußten mit Minilöhnen vorliebnehmen. Die
organisatorische Arbeit dagegen wurde vom Büroangestellten der Vereinigung
und mir abgewickelt. Als Entlohnung erhielt ich dann irgendwann einmal einen
türkischen Semawar und einmal eine Portion Hammelfleisch. Für den Erfolg
dieser Werke scheute man sich schließlich auch nicht mehr, Kontakte mit
deutschen Politikern, selbst zu solchen von der ansonsten verachteten SPD,
aufzunehmen.
Daneben ging es bei mir weiter mit meiner Arbeit für das künftige islamische
Infosystem. Während Dr. Breuer und seine Kinder die Fäden zogen, durfte ich
auch hier die administrative Arbeit verrichten. Ich wurde als Kontaktadresse
genannt, erschien plötzlich und ohne mein Zutun als Redakteur mit meinem
islamischen Namen in besagter Zeitung der Familie Breuer. Allerdings hatte ich
auch hier inhaltlich natürlich nichts zu sagen. Hatte ich eigene Ideen, wurden
diese zwar angenommen, dann aber sehr schnell ad acta gelegt. Das Gefühl des
Mißbraucht Werdens beschlich mich immer mehr. Schließlich wurde ich auch
noch als Fahrer der Familie Breuer eingesetzt. Fragen nach meinen eventuellen
Unkosten stellte man erst gar nicht. Und wehe, ich konnte einmal aus
beruflichen Gründen eine Fahrt nicht durchführen, dann war gleich die Hölle los
und alle möglichen Hadithe über Pünktlichkeit und Vertrauen prasselten auf
mich nieder. Der vorige Hinweis auf meine nicht unerheblichen Unkosten gilt
auch für die vielen Fälle, wo ich als Renten-, Grundstücksankauf- und
Mieterberater fungierte. Meine ganze Freizeit war praktisch ausgefüllt mit
Arbeiten für irgendwelche islamischen Organisationen oder Personen. Dr.
Breuer schließlich legte dann sogar für mich einen Kalender an, in den er alle
mir übertragenen Aufgaben eintrug. Regelmäßig wurden dann diese Einträge
und die Erledigungsvermerke mit seinem Duplikat verglichen. Da mich dies
doch zu sehr an die Methoden der Zeugen Jehovas, deren Missionare von Haus
zu Haus gehen und verpflichtet sind, hierrüber in einem Kalender Rechenschaft
abzugeben, erinnerte, warf ich den Kalender eines Tages einfach weg, in der
Hauptsache um wieder mein eigener Herr zu werden. Inzwischen hatte ich auch
das Buch des deutschen Moslems Ahmad von Denffer vom Islamischen
Zentrum München über eine ordensähnliche islamische Vereinigung in
Deutschland gelesen. In diesem Buch wird ein Alleinvertretungsanspruch
proklamiert, dem Führer ist absoluter Gehorsam schuldig, ich würde ihn daher
lieber als Guru bezeichnen. Auch hier wurde von den Mitgliedern u.a. das
Führen eines Tagebuches gefordert. Die koranischen Aussagen "Niemand soll
über Vermögen bemüht werden (Sure 2, Vers 233)", Nicht belastet Allah eure
Seelen über Vermögen (Sure 2, Vers 286)", "Allah will es Euch leicht machen
(Sure 4, Vers 32)", "Nicht belasten wir eine Seele über Vermögen (Sure 6, Vers
153)" sowie "Und abnehmen wird er /der Prophet Muhammad, der Autor/ ihnen
ihre Last und die Joche, die auf ihnen waren (Sure 7, Vers 156)" haben für diese
Menschen keinerlei Gültigkeit. Wer in die Fänge solcher Leute gerät, hat m.E.
nach nur die Wahl zwischen verrückt werden oder zum Zombie zu degenerieren.
Vor diesen Konsequenzen schreckten dann selbst die sonst nicht zimperlichen
Angehörigen der Familie Breuer zurück. Aber auch von ihnen bekam ich
Sprüche in der Art zu hören, der Islam sei in der Bundesrepublik eine Minorität
und Minoritäten brauchten nicht tolerant zu sein. Also sei man auch nicht
tolerant.
So langsam aber sicher verstärkten sich meine Zweifel, auch durch das Studium
islamischer Literatur. Das ganze religiöse Getue, die ewigen Bismillah'rs, El
Hamdullilahs, Inch'Allahs usw. gingen mir mehr und mehr auf die Nerven. Ich
sah nun immer deutlicher, daß ich hier verraten und verkauft war. Anstatt sich
an Gott und der Religion zu erfreuen, war ich in eine der übelsten Zwangsjacken
gekommen, die sich ein Mensch überhaupt vorstellen kann!
In diesen Zeitraum fiel dann auch ein lebhafter bis böser Schriftwechsel mit
einigen deutschen Moslems, weil ich es gewagt hatte, in einem Zeitungsartikel
das Nachäffen orientalischer Kleidung und das Arabisieren der deutschen
Sprache durch deutsche Moslems zu kritisieren. Man haute mir nur so die
Bismillah'rs und Hadithe um die Ohren. Interessant war in diesem
Zusammenhang mein Treffen mit zwei Professoren aus Saudi-Arabien und
Ägypten in der Akademie des Prof. Aweladse in Hannover. Beide Herren
erschienen in englischen Maßanzügen und amüsierten sich über die deutschen
Moslems im Kaftan und mit Prophetenbarttracht.
Als ich es dann als Privatmann wagte, einen offenen Brief an den Bischof von
Fulda wegen dessen zum Teil böswilligen Artikelserien über den Islam und die
Muslime zu schreiben, wurde ich ultimativ zurückgepfiffen. Solche Schreiben
dürfen im sunnitischen Islam scheinbar nur Moslems mit einer besonderen
Weihe abfassen und versenden. Heute tut mir, nebenbei bemerkt, dieser offene
Brief ein wenig leid, denn in vielen Punkten hatte der Bischof zweifelsohne
recht, was nicht bedeutet, daß ich seinen grundsätzlichen Standpunkt oder gar
die Katholische Kirche damit unterstützen möchte.
Zwischenzeitlich tat sich auch Neues im und um den besagten und schon oft
genannten Verband. Ösman Bey teilte mir so ganz nebenbei mit, er sei nun zum
neuen Vorsitzenden der Vereinigung gewählt worden und müsse daher
selbstverständlich aus optischen Gründen den Vorsitz im Islamischen
Wohlfahrtsverband abgeben. Diesen Posten nun bot er mir an, direkt versehen
mit dem Hinweis, bis auf einige Unterschriften brauche ich ja sowieso nichts zu
tun und schon gar nichts entscheiden. Nur mit Mühe konnte ich ihn von diesem
Plan abbringen. Plötzlich erinnerte ich mich an eine Aussage von Dr. Breuer,
Ösman Bey werde sicherlich eines schönen Tages der Pir der Tecke in der
Türkei werden. Was übrigens aus dem Vorgänger Ösmans als
Verbandsvorsitzender geworden ist, konnte ich nicht in Erfahrung bringen.
Da ich durch einen beruflichen Wechsel nicht mehr so oft ins Verbandsbüro
kommen konnte, kühlte die Freundschaft und Brüderlichkeit so langsam aber
sicher ab. Als ich dann noch um eine Bescheinigung für das Finanzamt bat, aus
der hervorging, daß mir die Kosten für die Mailbox ausschließlich durch den
Verband entstanden waren, erhielt ich diese bereits kommentarlos. Meinen
erneuten Opfertierbeitrag nahm man stillschweigend zur Kenntnis. Um mich für
das Souvenir und den Semawar zu revanchieren, schenkte ich Ösman Bey, da
ich seinen Tick für das alte, untergegangene Osmanische Reich kannte, eine
zweibändige, sehr seltene Reprintausgabe eines osmanischen Geschichtswerkes
in alt-osmanischer Sprache und arabischer Schrift, welches ich in der
ehemaligen DDR besorgt hatte - es erfolgte bereits kein Dankeschön mehr.
Als man dann noch, wegen einer falschen Anschrift, einen Brief von mir an eine
alevitische Gemeinde abfing, war ich endgültig unten durch und die ganze
brüderliche Fassade zerbrach. Ich hatte in diesem Schreiben die Sunna, die
Scharia und den "nicht erschaffenen" Koran angezweifelt - in den Augen dieser
Sunniten natürlich ein fast todeswürdiges Verbrechen. Lediglich die deutschen
Moslems versuchten noch eine Weile, mich zurückzugewinnen. Um dem aus
dem Wege zu gehen, gab ich vor, eine längere Studienreise nach Oman zu
unternehmen. Daraufhin setze ein Telefonterror gegen mich, meine Mitarbeiter
im Büro und sogar meine Eltern und meine Frau ein. Über den, gemeinsam mit
PC und Monitor gekauften älteren Drucker hieß es plötzlich, dieser sei mir nur
geliehen worden. Obwohl mir die entsprechende Quittung vorlag, hatte ich die
Nase so voll, daß ich die alte Kiste postwendend Dr. Breuer und seinem Sohn
zusandte. Seitdem bitten mich lediglich die türkischen Sunniten in meinen neuen
Heimatort ab und zu um Hilfe in Verwaltungsfragen. Aber auch sie haben
bemerkt, daß ich nicht mehr derjenige bin, den sie glaubten, vor sich zu haben.
Ein türkischer Freund, der alewitischer Abstammung war, zwischenzeitlich aber
formal Sunnit geworden war, bemerkte es als erster und sagte mir einmal im
örtlichen türkischen Cafe: "Die ganze Misere in der heutigen Türkei verdanken
wir dem Islam und der Tatsache, daß man die Ideale Kemal Atatürks nach und
nach verraten hat". Ich konnte ihm da nur noch zustimmen und hoffen, daß in
diesem schönen Land niemals die sog. Fundamentalisten das Ruder
übernehmen.
So richtig frei aber fühlte ich mich erst wieder, als ich meinen, mir
aufgezwungenen arabischen Vornamen wieder ablegte und mir selber sagte, Du
bist kein sunnitischer Moslem mehr. Das geschah in der Nacht nach dem letzten
Fastenbrechen in der Moschee des Verbandes in Hannover. Dorthin hatte man
jede Menge islamischer und nichtislamischer Prominenz eingeladen, darunter
viele christliche Geistliche. Während man diese Menschen, ja die ganze
deutsche Gesellschaft und den Staat ansonsten intern beschimpfte, verlachte und
über sie lästerte, kroch man ihnen hier regelrecht in den Hintern und spielte sich
als staatstreu und -tragend auf. Es war so widerlich, daß ich mich still und leise
und auf Nimmerwiedersehen verdrückte. Einige Stunden vorher hatte ich noch
mitbekommen, wie unter Führung von Dr. Breuer islamische Organisationen in
der Bundesrepublik versuchten, eine gemeinsame Erklärung zum Fall Rushdie
abzugeben. Dabei wurde die schlimmste Rabulistik betrieben, alles nach dem
Motto, wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß! Das also waren die selbst
ernannten Kämpfer Allahs auf Erden!
Gerade diese beiden letzten Erfahrungen paßten haargenau in das Bild, was ich
inzwischen aus eigener Anschauung von den Anhängern der Sunna hatte. Mein
Fazit nach dieser Zeit als Sunnit? Ob der Koran tatsächlich das gesamte und
richtig wiedergegebene offenbarte Wort Gottes darstellt, ob er unerschaffen ist,
mag dahin gestellt sein. Hierzu empfehle ich insbesondere das hochinteressante
Werk von Günter Lüling aus Erlangen "Der Ur-Koran". Ich weiß, daß die
offiziöse sunnitische Geschichtsschreibung häufig objektiv falsch ist, man lese
hierzu u.a. nur das Werk von H.-G. Behr "Söhne der Wüste - Kalifen, Händler
und Gelehrte". Von den vier sogenannten rechtgeleiteten Kalifen verdient m. E.
nur Ali diese Bezeichnung, die drei anderen waren im günstigsten Falle brutale
Machtmenschen, auch wenn z.B. das von Mohammed Rassoul aus Köln
herausgegebene Buch "Die rechtgeleiteten Kalifen" im Stile eines
Märchenbuches etwas anderes hierzu aussagt. Alle mir bekannten sunnitischen
Gruppierungen halten sich noch nicht einmal an das nach ihrer Auffassung
geoffenbarte Wort Allahs. Für Sie ist Gott eine Krämerseele, der sich u.a. um
Fragen der Mode, der Barttracht, um Spurenelemte von Alkohol und
Schweinefleisch kümmert und all dies als Grundlage für die ewige Seeligkeit
aufrechnet. Verlangt man eine Aufklärung zu diesen Fragen, erhält man Zitate
aus dem Koran oder den Hadithen, oder aber diesbezügliche Broschüren. Oft
merken diese Leute dann gar nicht, daß sie sich darin selber widersprechen.
Ich bin heute fest davon überzeugt, daß ich bei einem längeren Verweilen unter
diesen Menschen schwerste psychische Schäden davongetragen hätte.
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