Wie ich den Islam erlebte und erlitt … von Engelbert Haupt Herausgegeben von Manfred Backhausen Die nachfolgenden biografischen Skizzen stellen einen Auszug aus einem umfangreicheren Lebenslauf des dar. Aufgrund seiner Erfahrungen mit bestimmten sunnitischen Organisationen und Personen in der Bundesrepublik wurden die Namen der beteiligten Personen, die Bezeichnungen bestimmter Organisationen sowie die Ortsnamen verändert. Die Original-Aufzeichnungen liegen dem Herausgeber vor.Obwohl bereits über 20 Jahre alt sind sie so aktuell wie nie zuvor. Da die Aufzeichnungen für sich sprechen, wurde auf jede Kommentierung verzichtet. Ohne jemals daran zu denken, in näheren Kontakt mit dem Islam zu treten, war ich von der islamischen Kultur schon immer sehr beeindruckt. An bekannten islamischen Stätten habe ich bisher besuchen können: Hagia Sophia, FathiiMoschee, Syleyman-Moschee, Blaue Moschee, alle in Istanbul; Große Moschee in Sofia, Felsendom und Al Aksa-Moschee in Jerusalem, Große Moschee in Akko, die erste englische Ahmadiyya-Moschee in London. Nachdem ich, wie bereits weiter oben geschildert die Katholische Kirche verlassen hatte, war ich lange Jahre auf der Suche nach "meinem" persönlichen Gott. In intensiven Studien befaßte ich mich schließlich auch mit dem Islam. Nachdem ich auch den gesamten Koran in der deutschen Übersetzung von Max Henning (VMEVerlag, Wiesbaden) gelesen hatte, schien mir der Islam als einzige folgerichtige Religion dazustehen. Der Glaube an einen Gott, die Weltbezogenheit der islamischen Gesetze und Regeln zogen mich an. Also versuchte ich Kontakte zu verschiedenen islamischen Organisationen meiner Heimatstadt Hannover zu knüpfen. Da ich außer einigen kleinen Broschüren wenig erhielt, fragte ich schließlich beim Leiter der Islamischen Wissenschaftlichen Akademie (IWA), Herrn Prof. Aweladse, nach. Der wiederrum verwies mich an den deutschen Muslim Dr. Albert Breuer. Er pries Breuer als gebildeten Mann und absoluten Kenner des Islam an. Also nahm ich Kontakt zu ihm auf, zunächst in schriftlicher Form. Vorher aber besuchte ich noch während des Fastenmonates Rhamadan die arabische Moschee in Hannover, da mir eine Einladung meines ägyptischen Bekannten Hassan vorlag. Während mir die Gastfreundschaft der Menschen sehr imponierte, war ich vom Gebrüll des Imam Ibrahim (Abraham) regelrecht erschrocken. Man kann seine Predigt wirklich nur als Gebrüll bezeichnen! Ich verstand natürlich absolut nichts von dem was er sagte, bemerkte jedoch sofort seinen fanatischen Zug. Erstmals aß ich nun auch auf dem Fußboden, wobei die freundlichen Menschen mir extra eine Gabel brachten, da sie annahmen, ein Deutscher würde nicht mit den Fingern essen. In dieser kleinen Moschee lernte ich dann auch gleich den ersten deutschen Muslim kennen. Einen irgendwie verklemmt wirkenden jungen Mann, der mich sogleich zu missionieren begann. Später erfuhr ich über ihn, daß er grundsätzlich nur Hemden ohne Kragen trug, da Christen Hemden mit spitzem Kragen tragen und daß er genau berechnet hatte, wie lang die Barthaare eines Muslims sein müssen. Auch außerhalb der Moschee trug er das muslimische Gebetskäppchen und erklärte einem türkischen Freund gegenüber, seine künftige Ehefrau werde er in der Wohnung einschließen; nur so seien die diesbezüglichen Gebote Allahs zu befolgen. Er ließ sich auch nur noch bei seinem islamischen Namen Abdurrahman rufen. Schließlich erreichte mich ein Anruf Dr. Breuers. Zunächst war ich von seiner bestimmenden Art sehr beeindruckt. Er meinte, ich solle nicht lange um den heißen Brei herum reden, sondern direkt Moslem werden, alles andere sei Unsinn. Warum er in diesem Gespräch auch immer wieder auf die Datenverarbeitung, PC's usw. einging, wurde mir erst später klar. Er empfahl mir zum Übertritt die Moschee der Vereinigung der Moslemischen Kulturellen Zentren (VMKZ). Dies seien sehr feine Leute, sehr sauber, wenn auch etwas steif. Mich ließ er kaum zu Wort kommen und wir vereinbarten einen Termin für meinen Übertritt. Da ich wußte, daß für den Übertritt lediglich der Satz "Es gibt keinen Gott außer Allah und Mohammed ist sein Prophet" genügte, bereitete ich mich nicht weiter vor, sondern wir fuhren zur besagten Moschee, sicherlich die schönste und reichste in Hannover. Dort empfing uns Osman Kacoglu, überall nur Ösman Bey genannt, ein junger Mann, über dessen Funktion ich mir lange Zeit im Unklaren war. Er ließ sich kurz erklären, wer ich war und warum ich Moslem werden wolle. Dann "befahl" er den Hodschah (Imam, Vorbeter in der Moschee) ins Zimmer und es ging los. Ohne nähere Erläuterung verlangte man von mir außer dem o.g. Glaubensbekenntnis das Nachsagen weiterer Sätze, deren Bedeutung und Inhalt ich bis heute nicht kenne. Meine diesbezüglich Frage wurde mit dem Hinweis beantwortet, das sei in dieser Vereinigung halt so üblich. Versehen mit einer Art islamischen Katechismus in Türkisch -die wichtigsten Gebete in arabischer Umschrift waren darin allerdings für mich markiert worden- und einem Kalender mit islamischen Gebetszeiten fuhr ich nach Hause. Wie fühlte ich mich? Man hätte doch glauben können, ich sei nun glücklich, aber dieses Gefühl setzte nicht ein. Es war mehr ein schmerzliches Gefühl des Abschiedes von meiner bisherigen Welt, ohne das ich dieses Gefühl näher beschreiben konnte. Heute weiß ich, daß ich ein schöneres Gefühl hatte, als ich vor langen Jahren als Nichtmoslem islamische Städten in der Türkei, Europa, Israel und Afrika besuchte. Vielleicht hatte zu diesem Gefühl auch der Umstand meines ersten "Anschisses" beigetragen. ich hatte nämlich den erwähnten Katechismus mit den Koranversen beim Schuhe zubinden auf die Treppenstufe gelegt. Ohne zu beachten, daß ich ein ganz frischer Moslem war, wurde ich direkt zurecht gewiesen, daß sich das nicht gehöre, da der Koran oder Teile des Korans immer nur ganz oben liegen dürfe. Zunächst ließ man mich nun in Ruhe am Freitagsgebet teilnehmen. Es verging allerdings kein Freitag ohne die obligatorischen Hinweise, daß mein Gebet nur gültig sei, wenn ich es korrekt in Arabisch sprechen bzw. murmeln würde. Das gleiche gelte für meine Gebetshaltung. Meine Hinweise, Allah wäre doch sicherlich nicht so kleinlich und würde etwas bestrafen, was ich erst lernen müßte, wurden abgetan. Erstmals wurde ich mit Hadithen bekannt gemacht. Ich sollte sie nunmehr als ständigen Begleiter kennen lernen. Alleine diese ständige Bevormundung verleidete mir bereits sehr früh das Gebet. Die meiste Freude bereitete mir noch das gemeinsame Gebet, doch ging ich bereits unter einem Vorwand nach kurzer Zeit hierfür in eine andere Moschee in Hannover oder in die kleine dem DITIB angeschlossene Moschee in Minden. DITIB bedeutet "Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Diyanet)“. Die Religionsbehörde Diyanet in Ankara hat sich mit der besagten Union in Deutschland eine Art Zweigstelle geschaffen. In Minden kannte man mich nicht, freute sich über einen deutschen Muslim und ließ mich im Übrigen in Ruhe. Selbst heute gehe ich dort noch ganz gerne einmal meine Tasse türkischen Tee trinken. Aber schon diese kleinen Ausflüge nahm man mir übel, da die DITIB-Leute nicht als richtige Moslems angesehen wurden, da sie sowohl den türkischen als auch den deutschen Staat akzeptierten. Ebenso nachhaltig verbot man mir und dem Sohn von Dr. Breuer die Teilnahme an einem AhmadiyyaKongress in Hannover - man fürchtete offiziell um unsere Seelen, da die Ahmadiyya-Moslems nicht als Moslems anerkannt wurden. Das fünfmalige Pflichtgebet habe ich eigentlich von Beginn an kaum eingehalten. Gemeinsame Gebete in besagtem Verband oder in muslimischen Häusern dagegen endeten jedesmal mit den üblichen Belehrungen. Stellte ich theologische Fragen, verwies man an den Hodschah, der aber konnte meist kein Deutsch. Der einzige, der etwas Deutsch konnte, mokierte sich bereits nach einigen Wochen über die Länge meines Schnurbartes! Ein weiterer Schock für meine neuen "Brüder" war die Tatsache, daß ich mich dazu bekannte, Mitglied der SPD und einer Gewerkschaft zu sein. Man erklärte mir unumwunden, daß passe nicht für einen Moslem. Merkwürdigerweise waren aber sowohl Dr. Breuer als auch die türkischen Freunde Mitglieder in politischen Parteien in der BRD oder in der Türkei. Es braucht nicht betont zu werden, daß diese Parteien stramm rechts standen. Dr. Breuer erzählte sogar voller Stolz, wie er in Tunesien den Wahlkampf eines extrem rechts stehenden islamischen Politikers unterstützt habe. Ob die FDP. der er in Deutschland angehörte, dies billigte, ist mir nicht bekannt. Gewerkschaften und alles vermeintlich politisch Linke wurden diffamiert. Auch mein Hinweis, meine Frau wolle Christin bleiben, stieß auf Unverständnis, obwohl ich mir diesmal die Freiheit nahm, bezüglich dieser Frage aus dem Koran zu zitieren. Ein Argument ist mir noch gut im Gedächtnis geblieben: Dr. Breuer erklärte, ich solle gefälligst meiner Frau erklären, als Muslima hätte sie viele Vorteile, u.a. könne sie mich nur dann beerben. Leicht schockiert ging ich an diesem Abend nach Hause. Ebenso schockiert war ich einige Tage später, als mir Dr. Breuer kategorisch erklärte, ich hätte gefälligst dafür zu sorgen, daß mein Sohn sofort einen moslemischen Namen führen sollte und natürlich Moslem werden sollten. Mein Hinweis auf Absprachen mit meiner Frau vor unserer Eheschließung und vor der Geburt, wischte er mit dem Argument weg, das spiele überhaupt keine Rolle. Bald verlangte Dr. Breuer, daß ich mir gefälligst sofort einen islamischen Namen zulege und verwies auf eine diesbezügliche Hadith. Da ich nicht meine gesamte Persönlichkeit umkrempeln wollte, übersetzte ich meinen zweiten Namen Gabriel und nannte mich daher Djibril. Bereits in meiner Übertrittsurkunde erschien dann dieser Name. Von diesem Moment an lebte ich mit der schizophrenen Situation, daß mich die Muslime Djibril riefen und meine Eltern, meine Frau, meine Freunde und Kollegen natürlich weiterhin Manfred. Weiterhin forderte man mich auf, in meinem Büro und in meiner Wohnung alle Bilder mit Menschen zu verbannen, verwies auf den Koran und ließ meinen Hinweis nicht gelten, meine Frau sei schließlich Christin. Per Zufall stieß ich dann auf den Artikel eines deutschen Moslems zu diesem Thema. Danach wußte ich dann nicht mehr, ob ich lachen oder weinen sollte. Überhaupt Dr. Breuer! Er bot mir recht bald das Du an und betonte, er führe den Namen Hajii Süleyman (Salomon). Sein wichtigstes Wort war "Al Hamdullilah" und in jedem zweiten Satz betonte er die Überlegenheit des Islam in allen nur möglichen Fragen. Bald erhielt ich Einladungen zu ihm nach Hause. Er war mit einer Tunesierin verheiratet, sie hatten drei Kinder. Die Wohnung sah aus wie in 1001 Nacht. Dr. Breuer lief im Hause nur mit Kaftan und Käppchen herum; seine Frau und das fast erwachsene Mädchen in orientalischer Kleidung sowie Kopftuch und eine Art Käppchen. Meine diesbezüglichen Fragen nach der Quelle dieser Kleidung wurden auch wieder mit einer nicht näher bezeichneten Hadith beantwortet. Da ich am ersten Abend zufällig ein Hemd mit Stehbündchen trug, nahm man wohl an, dies sei die Trennung von christlicher Kleidung und war begeistert. Gleich beim ersten Essen setzte ich mich in die Nesseln, als ich, wie gewohnt, mit der linken Hand die Gabel zum Munde führte. Man forderte mich auf, künftig mit der rechten Hand dies zu tun. An diesem Abend nun rückte man auch endlich damit heraus, was man von mir in Sachen Islam erwartete! Dazu müssen jedoch noch einige Vorabinformationen erfolgen. Dr. Breuer war von Beruf Geograf und arbeitete seinerzeit in einem großen Verband in Hannover. Da er einige Jahre im Iran und in Ägypten verbracht hatte, fühlte er sich zum islamischen Wirtschaftstheoretiker geboren und veröffentlichte hierüber auch einige kleine Broschüren und Artikel. Das bemerkenswerteste an diesen Beiträgen war, daß sie immer dann nebulös wurden, wenn es an die konkrete Anwendung der Scharia in der Wirtschaft und der Gesellschaft ging. Sein Sohn Orhan studierte Jura und arbeitete nebenher in der Computerbranche. Ich nun sollte zum einen den o.g. islamischen Verband organisatorisch unterstützen und zudem mithelfen, ein islamisches Informationssystem mit angeschlossener Zeitung zu schaffen. Hierzu würde ich aber unbedingt einen PC benötigen. Da aber gerade der Sohn seinen PC verkaufen wolle, würde man diesen mir gerne verkaufen, incl. Bildschirm, Software und Drucker. Da ich mir für meine publizistischen Arbeiten sowieso einen PC zulegen wollte, schlug ich ein und kaufte das, wie ich heute weiß, völlig veraltete Gerät, zu einem zudem völlig überhöhten Preis. Die beiden "Fachleute" hatten schnell spitz bekommen, daß ich damals von der Materie so gut wie keine Ahnung hatte. Als nächstes schwatzten sie mir einen Mailboxanschluß auf, da ich nur so die spätere Zentrale des Infosystemes übernehmen könne. Bei der Mailbox handelte es sich damals um ein weit verbreitetes System zur Vernetzung privater EDV-Anlagen zu Kommunikationszwecken. Um diese Geschichte abzukürzen: Nach fast einem dreiviertel Jahr war ich um über zweitausend DM an Mailbox-Gebühren leichter, hatte das System fast nie genutzt und wenn, dann nur für Unsinn. Also kündigte ich den Anschluß wieder! Gleichzeitig wollte man mich noch in Kontakt mit einer weiteren islamischen Organisation bringen, welche seinerzeit die traurige Berühmtheit erlangte, ständig in Verfassungsschutzberichten zu stehen. Sie wird von einem rechts außen stehenden türkischen Politiker geleitet und gibt eine Zeitung heraus, deren hervorstechendes Merkmal ihr widerlicher Antisemitismus im Stile des in der Nazi-Zeit berüchtigten pornografischen und antisemitischen Hetzblattes "Der Stürmer" ist. Es gelang mir bis auf wenige schriftliche Kontakte, jede weitere Beziehung im Keime zu ersticken. Dafür aber begann meine Tätigkeit als unbezahlter Büromitarbeiter im bereits genannten Verband in Hannover. Dieser Verband ist in einem großen eigenen Gebäude untergebracht, welches ganz nach den Wünschen der Organisation umgebaut worden war. Büroräume und Moschee - alles nur vom feinsten, ebenso die elektronische Ausstattung. Geleitet wurde alles von einem Vorsitzenden, seinem Vertreter, einem Generalsekretär und einem nicht näher definierten Mann für Öffentlichkeitsarbeit. Während ich den Vorsitzenden nie kennen lernte, merkte ich schon bald, daß der Vertreter absolut nichts zu sagen hatte - er unterschrieb lediglich die Aufnahmeurkunden, zudem sprach er ganz leidlich Deutsch. Das gleiche galt für den Generalsekretär, mit der Ausnahme, daß er nur schlecht Deutsch sprechen konnte. Er war ein wirklich lieber Mensch, der sich ganz der Mystik hingab und im Übrigen im Verband nichts zu tun und zu sagen hatte. So schrieb er mir einmal die folgenden Zeilen auf und meinte, ich solle sie ständig aufsagen: "ALLAHÜME SALLI ALA SEYYIDINA MUHAMMEDIN VE ALA ALI SEYYIDINA VE NEBIYYINA MUHAMMED". Er behauptete, an normalen Tagen würden Engel diesen Spruch über Mohammed zu Allah tragen; an Freitagen aber würde der Spruch direkt vom Gläubigen zu Mohammed gehen. Obwohl offiziell den Titel Generalsekretär tragend, erschien er in amtlichen Urkunden und Fragebögen plötzlich als Bibliothekar. Sein erlernter Beruf war der eines Offiziers in der türkischen Luftwaffe. Der eigentliche Führer war der bereits erwähnte Osman Bey, einmal als PRMann bezeichnet, ein anderes Mal als Geschäftsführer. Obwohl also offiziell ohne satzungsmäßigen Auftrag, merkte man schon an seinem Büro und seinem Auftreten, daß er hier zu bestimmen hatte. Er war Akademiker, gebildet, aus einer guten Familie stammend, politisch stramm rechts stehend und, wie ich bald bemerkte, der absolute Vertraute seines Ordensführers in der Türkei. Ich schreibe hier bewußt Orden, warum? Während Dr. Breuer ohne weiteres zugab, daß der Verband ein Ableger einer türkischen Tecke (Orden) sei und irgendwie auch ganz fürchterlich mystisch angehaucht, wurde dies von den türkischen Mitgliedern stets in Abrede gestellt, besonders dann, wenn wieder einmal etwas in der Presse oder in einem Buch erschienen war. Die Mystik wurde zugegeben, die Tecke nicht! Trotz dieses Mystizismus betonte man immer wieder, voll und ganz auf dem Boden der Sunna und der Scharia zu stehen. Dennoch bemerkte ich des Öfteren beim Gang durch die Moschee merkwürdige Gebetsversammlungen zu völlig ungewöhnlichen Zeiten. Natürlich blickte ich damals so gut wie nicht durch und ließ alles über mich ergehen. Lediglich dem Mystizismus erteilte ich oft und laut eine klare Absage. Osman Bey also, Liebhaber italienischer schneller Autos, leitete das Unternehmen. Immer wie aus dem Ei gepellt, perfekt Deutsch sprechend, war er äußerlich der Typ des erfolgreichen Jungmanagers. Daran hinderte ihn auch nicht sein übertriebener Hang zum Mystizismus. Auf meine spätere Frage, wie er denn die Sunna und den Mystizismus verbinden könne, erklärte er mir, daß sei wie bei einer Nuß: Die Schale sei die Sunna, die schöne Frucht aber die Mystik. Außerdem sammelte er Aussprüche Mohammeds über den bösen Blick. Trat er zum Gebet an, verwandelte sich der an sich lebhafte und freundlich dreinblickende Mann in eine maskenhafte Statue. Jede Bewegung saß, die äußere Form ging ihm über alles. Einmal erläuterte er mir sogar, wie man in einem Auto vorschriftsmäßig auf dem Sitz sein Pflichtgebet verrichtet. Ich gebe gerne zu, daß ich beeindruckt war, allerdings weniger religiös. Ein anderes Mal erklärte er mir die islamische Weise des Ganges auf die Toilette. In arge Verlegenheit brachte ich ihn, als ich ihn, als Bruder im Islam fragte, wie man denn als Moslem, z.B. in der Türkei ein Mädchen kennen lernen könnte. Er erschrak, redete etwas von Badehaus oder so und kam auf dieses Thema nicht mehr zurück. Es bereitete ihm wohl schon Schwierigkeiten im Zusammenhang mit den genau einzuhaltenden Waschritualen das Wort Geschlechtsverkehr in den Mund zu nehmen. Seinen tatsächlich ausgeübten Beruf, offiziell war er im Verband ja nur ehrenamtlich tätig, habe ich nie in Erfahrung bringen können. Er sollte zwar ein Geschäft haben, ich kann mir dies aber alleine schon deshalb nicht vorstellen, weil er praktisch Tag und Nacht im Verband anwesend war. Er muß jedoch sehr wohlhabend gewesen sein, da er einmal bei einem Einbruch in seine Wohnung bestohlen wurde und es sich bei dem Diebesgut um erhebliche Werte gehandelt hat. Ansonsten war in der Verbandszentrale und auch sonstwo jeder für alles oder nichts zuständig, vielleicht mit Ausnahme des Büroangestellten. Aber auch er bekam, wie alle anderen, für seinen mindestens zehnstündigen Arbeitstag und das an sieben Tagen in der Woche, zuzüglich einer Nachtschicht, einen wirklichen Hungerlohn. Er tat es, wie er mir sagte, für die Sache des Islam. Den anderen erging es ebenso, wenn nicht noch schlimmer. Hinzu kamen die Arbeiten aller Mitglieder auf freiwilliger Basis an Moscheen, Zentren etc. aber auch in Privathäusern. Als ich einmal den Wunsch äußerte, man möge mir doch einen türkischen Fliesenleger für unsere Eigentumswohnung vermitteln, wurde ein armer Kerl hinbeordert. Er sollte bei mir für ein Gotteslob arbeiten. Ich werde nie vergessen, wie dankbar der gute Mann war, als ich ihn schließlich von mir aus doch noch bezahlte; immerhin hatte er jede Menge Kinder zu versorgen. Er war ein einfacher ehrlicher Mann und sagte mir beim gemeinsamen Gebet u.a., daß ich mir keine Sorgen wegen des korrekten Gebetes machen brauche. Wenn ich kein Arabisch könne, genüge es auch, "Ya Allah" zu sagen, da Gott schließlich in die Herzen und nicht auf den Mund achten würde. Während meiner nunmehrigen Verbandstätigkeit mußte ich feststellen, daß alle Mitglieder und Angestellten im gesamten Bundesgebiet mit solchen Hungerlöhnen abgespeist wurden. Früher einmal hat man so etwas als Ausbeutung bezeichnen dürfen. Im Übrigen herrschte absolute Diktatur. Kam einer der leitenden Funktionäre, stand alles auf und verbeugte sich ehrfürchtig. Ich selber verbat mir ein solches Verhalten meiner Person gegenüber und war wohl auch der einzige der sich an dieses Ritual gegenüber den "Herren" nicht hielt. Dr. Breuer entschuldigte dieses Verhalten damit, daß die Türkei zu lange ein Kaiserreich gewesen sei komme aber erst einmal die Islamische Republik in der Türkei, werde dies natürlich alles ganz ganz anders. Die Bezeichnung Vereinigung war auch so eine Farce, bezeichnet sie doch im Deutschen einen Zusammenschluß selbstständiger Vereine etc. Im vorliegenden Falle aber gab es nur nicht-rechtsfähige "Zweigstellen", die alleine absolut nichts bestimmen konnten und auch keinen eigenen Grundbesitz hatten. Alles ging von der Hannoveraner Zentrale aus! Von nun an gehörte es also zu meinen Aufgaben, Schreiben zu entwerfen, Vordrucke anzulegen, Briefe zu beantworten, Verhandlungen mit dem Zoll zu führen, Arbeitsverträge, Mietverträge und Kaufverträge vorzuprüfen, Gespräche mit Politikern etc. vorzubereiten usw. usf. - teilgenommen habe ich an einem solchen Gespräch aber, von einer Ausnahme abgesehen, nie. Diese Ausnahme kam auch nur zustande, weil ich zufällig anwesend war und der Termin eigentlich verschwitzt worden war. Während dieser Arbeiten konnte ich nun feststellen, wie immens reich diese Organisation sein mußte. Grundstücke und Häuser in Millionenwerten wurden gekauft, aber auch angemietet. Eine meiner weiteren Aufgaben bestand dann darin zu prüfen, wie man am besten die alten Mieter herausbekommt. Als Argumente galten z.B. griechische Nationalität oder "gottlose" Türken! Natürlich reichte bei einer solchen Politik das Geld für eine vernünftige Bezahlung der Mitarbeiter nicht mehr aus und oft genug las ich Schreiben der Sozialämter verschiedener Orte, aus denen sich entnehmen ließ, daß manche Mitarbeiterin und mancher Mitarbeiter so eben am Existenzminimum vorbei schrammte. Ich selber erhielt für meine fast tägliche nebenberufliche Arbeit, den Einsatz meines Autos etc. im gesamten Zeitraum einmal ein winziges Souvenir aus der Türkei geschenkt. Wie bereits oben einmal geschildert, wurde ich dabei sehr sorgfältig aus dem Innenbereich heraus gehalten - ich war der gehobene Bürodiener, oder aber ganz einfach ein nützlicher Idiot. Mitunter lud man mich auch dort im Zentrum zum Essen im eigenen Restaurant ein. Waren mir vorher, wenn überhaupt, nur Frauen und selbst kleine Mädchen begegnet, mit Kopftuch bekleidet, die schamhaft zur Seite blickten und vorbei huschten, erlebte ich in diesem Restaurant den absoluten Höhepunkt. Während die Männer beim Mittagsmahl saßen, klopfte es von außen an eine Art Kellerfenster. Daraufhin begab sich der Koch oder einer seiner Mitarbeiter mit dem Essen zu diesem Fenster, drehte den Kopf zur Seite und das Essen wurde von einer Hand hereingeholt, während sich sofort wieder das Fenster schloß. Auf meine Frage erklärte man mir, dort würden die Frauen für sich speisen. Obwohl mir Dr. Breuer bereits einige "Erkenntnisse" bezüglich der Unterordnung der Frau vermittelt hatte, war ich, gelinde gesagt, schockiert. Hatte ich mich schon daran gewöhnt, Frauen nicht anzusehen, Frauen nur zu besuchen, wenn ein männlicher Verwandter in der Nähe war, Frauen nicht die Hand zum Gruß zu reichen etc. etc. - an so etwas würde ich mich nie gewöhnen können. Nachdem ich im Koran zu diesem Thema nichts fand, verwies man mich wieder auf unzählige Hadithe. Nun endlich kaufte ich mir mehrere englische und deutsche Hadithsammlungen, u.a. und stellte fest, daß es wirklich für alles und nichts eine Hadith gibt - selbst wenn sie sich, was oft genug passiert, total zu widersprechen scheinen. Während der Verzicht auf Alkohol und Schweinefleisch mir absolut keine Probleme bereitete, rauchte ich weiter Zigaretten und Pfeife. Auch hier machte man mir die Hölle heiß und zitierte wieder jede Menge Hadithe dagegen. Breuer selber rauchte auch, meinte aber, bei mir sei es reine Sucht, während es bei ihm erlaubter Genuß sei. Gleichzeitig kritisierte man, daß ich immer noch einen goldenen Ehering trug und riet mir, je nach Geldbeutel, einen aus Silber oder aus Platin zu nehmen. Auf meine Frage, wieso denn Platin, schließlich sei das doch noch ein edleres Metall als Gold, erklärte man mir, das stehe im Koran und in den Hadithen und damit basta. Während ich den Alkoholverzicht sehr ernst nahm, mußte ich bei einer türkischen Beschneidungsfeier in Minden erleben, wie mir wohlmeinende islamische Freunde heimlich Whiskey in die Cola gaben und sich totlachen wollten, als ich es bemerkte. Einziger Kommentar dieser handfesten Burschen, man muß nicht alles so eng sehen. So nach und nach regten sich bei mir die ersten Zweifel, ob mein Schritt wirklich der richtige gewesen sei, doch verdrängte ich solche Gedanken zunächst noch permanent. Um mir aber ein Ventil zu schaffen, vertiefte ich etwas meine Kontakte zu DITIB und lernte dort einen ehemaligen Mufti kennen, der auch gut Deutsch sprach. Er widersprach der These vom verbotenen goldenen Ehering, da er als Urkunde gelte; weiterhin erklärte er, der Islam mache aber aus Platin und Gold grundsätzlich schon einen Unterschied, da Platin keine Währungsdeckung wie Gold darstelle. Auch er riet mir, nicht alles zu eng zu sehen, war aber dann bezüglich Kopftuch und echtem Goldschmuck für Männer doch auf Seiten der Eiferer des bisher geschilderten Verbandes. Ein Ergebnis dieser Gespräche war, daß ich nun auch noch zusätzlich die kleine DITIB-Gemeinde in meinem Wohnort administrativ unterstützte. Zum Opferfest wurde ich von "meinem" Verband mehr oder weniger ultimativ aufgefordert, gefälligst einen Hammel zum Preise von 200,--DM zu opfern. Freunde in Saudi-Arabien würden schon die Opferung durchführen. Sicherlich war mein Opfertier eines jener, welche später nutz- und sinnlos in der saudischen Wüste verwesten, wie eine schiitische deutsche Zeitung unwidersprochen berichtete. Der eigentliche Gedanke der Opferung, wird so natürlich völlig ad absurdum geführt, Hauptsache der Buchstabe des Gesetzes wird erfüllt. Zur gleichen Zeit erlebte ich, wie sich die verschiedenen islamischen Zentren und Verbände in der Bundesrepublik gegenseitig beschimpften und diffamierten. Gründete der eine Verband ein Nachrichtenblatt, kam prompt das andere eine Woche später mit der gleichen Idee. Gründete eine Organisation einen Islamischen Pfadfinderbund, gründete ein anderer prompt auch einen. Hier taten sich besonders die rein deutschen Zentren besonders hervor. Dies alles eingedenk der Tatsache, daß nach den Ergebnissen der Volkszählung damals noch keine 48.000 Deutsche dem Islam angehören, davon sicherlich über 40.000 Frauen, die nur aus Liebe zu ihren, zumeist türkischen Männern konvertiert sind. Was gab es da alles für Traumzahlen im islamischen Blätterwald. Dieser ach so kleine Haufen, zudem zersplittert in dutzende Organisationen hatte nichts Besseres zu tun als den anderen nachzuweisen, daß sie eigentlich gar keine richtigen Moslems seien. Als ich mich erdreistete einen diesbezüglichen Artikel den beiden größten islamischen Zeitungen "Al Ulema" und "Al Kibir" anzubieten, erhielt ich prompt einen bösen Brief von einem der Chefredakteure. Wie ich es mir erlauben könne, beide Zeitungen anzuschreiben. Und dann der bei vielen moslemischen Organisationen offen vorgetragene oder latent vorhandene Antijudaismus. Dr. Breuer, Sohn eines Unteroffiziers aus dem 2. Weltkrieg, war es sichtlich unangenehm, daß mein bester Freund Jude war und daß ich sogar etwas Hebräisch konnte. So oft es ging, wetterte er gegen die jüdische Religion. Im Übrigen vertrat er ein fundamentalistisches Gedankengut, wie ich bald bemerken mußte. Er freute sich z.B. diebisch über einen deutschen Moslem, welcher Pazifist war und dem man, während eines von Breuer vermittelten Arabischstudiums in Libyen den Umgang mit Gewehren beigebracht hatte. Im Hause seiner Mutter in Hannover, das ich einmal besuchte, lag ein Prachtexemplar des Korans direkt unter dem Foto des dekorierten Unteroffiziers. Eines Tages fand ich bei der Büroarbeit im Verband ein türkisches Buch über "Freimaurer und Judentum". Hier wurden Juden und Freimaurer in teilweise ekelhafter Form in einen Topf geworfen und es wurden lange Listen mit angeblichen Juden und Freimaurer abgedruckt, u.a. fand ich dort auch Willy Brandt und Helmut Schmidt. Meine Bemerkung, dies sei nicht nur ekelhaft und unislamisch, sondern zudem objektiv falsch, wurde mit der Bemerkung abgetan, davon könne ich keine Ahnung haben, das wisse man besser. Die antisemitische Hetze eines anderen Verbandes habe ich bereits weiter oben erwähnt - um sie zu verstehen, brauchte man noch nicht einmal Türkisch zu können! Nach meinen Erfahrungen mit den genannten islamischen Zeitungen vermied ich künftig fast jeden Kontakt mit deutschen Moslems, obwohl man sich sehr bemühte, mich auf ihre Seite zu ziehen. Mit dem Kinderkram dieser Leute aber wollte ich nichts zu tun haben. Positiv dagegen verliefen meine Kontakte zu einer Organisation moslemischer Emigranten in Fürth und Nürnberg, der Geistlichen Verwaltung der Moslemflüchtlinge in der Bundesrepublik Deutschland, welche nach 1945 von ehemals mit Nazi-Deutschland verbündeten moslemischen Soldaten aus der UdSSR, Jugoslawien etc. gegründet wurde. Deren Schreiben und deren Zeitung hoben sich wohltuend von dem Geschreibsel der anderen ab. Schade nur, daß diese Gruppe unter ihrem Imam Ibrahimowitsch im Aussterben begriffen ist und sich theologisch immer mehr nach "meinem" Verband ausrichtete. Schließlich bekam ich noch Kontakt zu der westdeutschen Gruppe des Muslimischen Weltkongresses, einem Miniverein, der aber immer betont, den deutschen Islam, was immer das auch sein mag, zu vertreten. Er engagierte sich sehr stark im islamisch-christlichen Dialog, oft schon bis zum Synkretismus und versuchte nachzuweisen, daß der Islam in Deutschland jahrhundertealte Wurzeln habe. Als Historiker fielen mir bei der entsprechenden Lektüre bald die Haare aus. Die Beweisführung hatte zum Teil schon fast groteske Züge. Der Leiter dieser Organisation, welche sich später wohl von der Weltorganisation im Zusammenhang mit der Rushdie-Affäre getrennt hat, ist der deutsche Moslem Abdullah Suleiman, welcher oft als sog. Islamexperte bezeichnet wird. Neben seinem Einsatz für "seine" islamischen Gruppierungen ist er aktiver Freimaurer, was ihn u.a. für Dr. Breuer mehr als verdächtig machte. Breuer sorgte dann auch dafür, dass die Freimaurereigenschaft Abdullah Suleiman allgemein bekannt gemacht wurde. Abdullah leitet auch das Muslimische-Archiv Deutschland, eine Art privates Standesamt für Moslems. Hier erhält man u.a. Glaubensurkunden, welche die Pilgerfahrt nach Mekka erleichtern, da sie von Saudi-Arabien anerkannt werden. Die einzige vernünftige, seriöse und wissenschaftlich fundierte Zeitung "Islam und der Westen" von Dr. Smail Balic, einem in Österreich lebenden Bosnier, wurde von fast allen Gruppen verteufelt, sein Redakteur des Alkoholismus bezichtigt. Leider mußte dieses Blatt inzwischen das Erscheinen einstellen. Dr. Breuer, der sich inzwischen von einer islamischen Zeitung als "islamischer Wirtschaftswissenschaftler" feiern läßt, entdeckte weitere Probleme des Islam in Deutschland: Gelatine und die rituelle Schlachtung. Nachdem er selber noch über einige deutsche Moslems gelästert hatte, die plötzlich keine Cola mehr trinken wollten, weil angeblich Spurenelemente von Alkohol darin enthalten seien, propagierte er nun die schweinefleischfreie Gelatine. Es sollte dafür gesorgt werden, daß es genügend Gelatine gäbe, die von Moslems benutzt werden könne. Im zweiten Fall ging es um langwierige Verhandlungen mit den Behörden bezüglich der Schlachtung ohne vorherige Betäubung. Zuallererst propagierte er in dem von seinem Sohn zwischenzeitlich gegründeten "Nachrichtenblatt des Islam", es erschien im Zusammenhang mit dem ebenfalls vom Sohn herausgegebenen arabisch-deutschen Pressedienst, daß man künftig nicht mehr vom Schächten sprechen solle, denn das sei jüdisch, sondern gefälligst von Dzaab. Dann versuchte er, auch mit meiner Hilfe, an Gutachten heranzukommen, die den Staat von der Schmerzlosigkeit überzeugen könnten. Während ich die nötigen Vorarbeiten und Recherchen durchführen durfte, auch ohne meine Einwilligung Redaktionsmitarbeiter an dem Informationsdienst wurde, war ich von den zu führenden Gesprächen selbstverständlich ausgeschlossen. Allerdings gingen mir bereits bei diesen Vorarbeiten endlich die Augen auf. Frau Breuer, eine Kindergärtnerin, befaßte sich intensiv mit dem Curriculum zum islamischen Religionsunterricht an niedersächsischen Schulen. Dieser Entwurf wurde total verrissen, was man aber selber genau wollte, blieb trotz umfangreicher Gegendarstellungen im Dunkeln. Obwohl als Erzieherin pädagogisch gebildet, war Frau Breuer eine Anhängerin der körperlichen Züchtigung. Selbst ihr erwachsener Sohn blieb davon, wie er mir einmal berichtete, nicht verschont. Er fand das auch in Ordnung und wunderte sich, daß ich nicht mit gleichen Erlebnissen aufwarten konnte. Im Übrigen durfte man Frau Breuer, wenn überhaupt, nur die Hand reichen, wenn sie vorher Handschuhe angezogen hatte. Zur Verteidigung der im Islam erlaubten Polygamie erklärte sie öffentlich: "Lieber die zweite Frau eines interessanten Mannes, als die erste Frau eines Dummkopfes". Zwischenzeitlich aber hatte ich noch die Ehre, in Privataudienz vom Pir der Tecke, also der Mutterorganisation "meines" Verbandes, einem ehemaligen türkischen Abgeordneten im Hannoverischen Zentrum empfangen zu werden. Der Inhalt des Gespräches war eigentlich belanglos, was mich dagegen anwiderte, war die Unterwürfigkeit meiner "Brüder" diesem Manne gegenüber. Viel schlimmer kann es bei Karol Wojtyla im Vatikan auch nicht zugehen. Scheinbar aber hatte ich durch diesen Besuch die entsprechenden kleinen Weihen empfangen. Man schlug mir nämlich wenig später den Vizevorsitz des reorganisierten "Islamischen Fürsorgeverbandes", einer reinen Tochtergesellschaft, vor. Sehr schnell bekam ich mit, daß mit diesem Verband die Zugehörigkeit zum eigentlichen religiösen Verband sollte in jedem Falle verschleiert werden- der Versuch unternommen werden sollte, einmal auch an Türken zu gelangen, die der Sunna bisher fern standen und zum anderen sollte diese neue Organisation den Einfluß deutscher Sozialverbände, z.B. der Arbeiterwohlfahrt, auf Türken brechen. Nachdem ich zugesagt hatte zu kandidieren, teilte man mir nach einigen Tagen mit, die Wahl habe stattgefunden, Osman Bey sei Vorsitzender und ich sei sein Vertreter und müsse nun nur noch schnell die Notariatsurkunde mit unterzeichnen. Wo, wann, wie diese Wahlversammlung stattgefunden hatte, habe ich nie in Erfahrung bringen können. Jedenfalls arbeite ich von diesem Moment an auch noch für den Wohlfahrtsverband und unterschrieb ab und zu offizielle Schreiben an Behörden, Eigentümer etc. So konnte für Nicht-Moslems und für Stadtverwaltungen der Eindruck entstehen, auch deutsche Moslems seinen in diesem Verband vertreten. Doch auch dies war selbstverständlich eine der vielen Fata Morganas. Zu sagen hatte ich nämlich nach wie vor nichts - ich war nur ein Aushängeschild! Als weiteres Tätigkeitsfeld erschloß sich mir dann die "Islam GmbH", ebenfalls ein Ableger der religiösen Gemeinschaft, allerdings mit rein kommerziellen Zielen, z.B. den Verkauf von Waren, mit Filialen im gesamten Bundesgebiet. Auch deren Angestellte mußten mit Minilöhnen vorliebnehmen. Die organisatorische Arbeit dagegen wurde vom Büroangestellten der Vereinigung und mir abgewickelt. Als Entlohnung erhielt ich dann irgendwann einmal einen türkischen Semawar und einmal eine Portion Hammelfleisch. Für den Erfolg dieser Werke scheute man sich schließlich auch nicht mehr, Kontakte mit deutschen Politikern, selbst zu solchen von der ansonsten verachteten SPD, aufzunehmen. Daneben ging es bei mir weiter mit meiner Arbeit für das künftige islamische Infosystem. Während Dr. Breuer und seine Kinder die Fäden zogen, durfte ich auch hier die administrative Arbeit verrichten. Ich wurde als Kontaktadresse genannt, erschien plötzlich und ohne mein Zutun als Redakteur mit meinem islamischen Namen in besagter Zeitung der Familie Breuer. Allerdings hatte ich auch hier inhaltlich natürlich nichts zu sagen. Hatte ich eigene Ideen, wurden diese zwar angenommen, dann aber sehr schnell ad acta gelegt. Das Gefühl des Mißbraucht Werdens beschlich mich immer mehr. Schließlich wurde ich auch noch als Fahrer der Familie Breuer eingesetzt. Fragen nach meinen eventuellen Unkosten stellte man erst gar nicht. Und wehe, ich konnte einmal aus beruflichen Gründen eine Fahrt nicht durchführen, dann war gleich die Hölle los und alle möglichen Hadithe über Pünktlichkeit und Vertrauen prasselten auf mich nieder. Der vorige Hinweis auf meine nicht unerheblichen Unkosten gilt auch für die vielen Fälle, wo ich als Renten-, Grundstücksankauf- und Mieterberater fungierte. Meine ganze Freizeit war praktisch ausgefüllt mit Arbeiten für irgendwelche islamischen Organisationen oder Personen. Dr. Breuer schließlich legte dann sogar für mich einen Kalender an, in den er alle mir übertragenen Aufgaben eintrug. Regelmäßig wurden dann diese Einträge und die Erledigungsvermerke mit seinem Duplikat verglichen. Da mich dies doch zu sehr an die Methoden der Zeugen Jehovas, deren Missionare von Haus zu Haus gehen und verpflichtet sind, hierrüber in einem Kalender Rechenschaft abzugeben, erinnerte, warf ich den Kalender eines Tages einfach weg, in der Hauptsache um wieder mein eigener Herr zu werden. Inzwischen hatte ich auch das Buch des deutschen Moslems Ahmad von Denffer vom Islamischen Zentrum München über eine ordensähnliche islamische Vereinigung in Deutschland gelesen. In diesem Buch wird ein Alleinvertretungsanspruch proklamiert, dem Führer ist absoluter Gehorsam schuldig, ich würde ihn daher lieber als Guru bezeichnen. Auch hier wurde von den Mitgliedern u.a. das Führen eines Tagebuches gefordert. Die koranischen Aussagen "Niemand soll über Vermögen bemüht werden (Sure 2, Vers 233)", Nicht belastet Allah eure Seelen über Vermögen (Sure 2, Vers 286)", "Allah will es Euch leicht machen (Sure 4, Vers 32)", "Nicht belasten wir eine Seele über Vermögen (Sure 6, Vers 153)" sowie "Und abnehmen wird er /der Prophet Muhammad, der Autor/ ihnen ihre Last und die Joche, die auf ihnen waren (Sure 7, Vers 156)" haben für diese Menschen keinerlei Gültigkeit. Wer in die Fänge solcher Leute gerät, hat m.E. nach nur die Wahl zwischen verrückt werden oder zum Zombie zu degenerieren. Vor diesen Konsequenzen schreckten dann selbst die sonst nicht zimperlichen Angehörigen der Familie Breuer zurück. Aber auch von ihnen bekam ich Sprüche in der Art zu hören, der Islam sei in der Bundesrepublik eine Minorität und Minoritäten brauchten nicht tolerant zu sein. Also sei man auch nicht tolerant. So langsam aber sicher verstärkten sich meine Zweifel, auch durch das Studium islamischer Literatur. Das ganze religiöse Getue, die ewigen Bismillah'rs, El Hamdullilahs, Inch'Allahs usw. gingen mir mehr und mehr auf die Nerven. Ich sah nun immer deutlicher, daß ich hier verraten und verkauft war. Anstatt sich an Gott und der Religion zu erfreuen, war ich in eine der übelsten Zwangsjacken gekommen, die sich ein Mensch überhaupt vorstellen kann! In diesen Zeitraum fiel dann auch ein lebhafter bis böser Schriftwechsel mit einigen deutschen Moslems, weil ich es gewagt hatte, in einem Zeitungsartikel das Nachäffen orientalischer Kleidung und das Arabisieren der deutschen Sprache durch deutsche Moslems zu kritisieren. Man haute mir nur so die Bismillah'rs und Hadithe um die Ohren. Interessant war in diesem Zusammenhang mein Treffen mit zwei Professoren aus Saudi-Arabien und Ägypten in der Akademie des Prof. Aweladse in Hannover. Beide Herren erschienen in englischen Maßanzügen und amüsierten sich über die deutschen Moslems im Kaftan und mit Prophetenbarttracht. Als ich es dann als Privatmann wagte, einen offenen Brief an den Bischof von Fulda wegen dessen zum Teil böswilligen Artikelserien über den Islam und die Muslime zu schreiben, wurde ich ultimativ zurückgepfiffen. Solche Schreiben dürfen im sunnitischen Islam scheinbar nur Moslems mit einer besonderen Weihe abfassen und versenden. Heute tut mir, nebenbei bemerkt, dieser offene Brief ein wenig leid, denn in vielen Punkten hatte der Bischof zweifelsohne recht, was nicht bedeutet, daß ich seinen grundsätzlichen Standpunkt oder gar die Katholische Kirche damit unterstützen möchte. Zwischenzeitlich tat sich auch Neues im und um den besagten und schon oft genannten Verband. Ösman Bey teilte mir so ganz nebenbei mit, er sei nun zum neuen Vorsitzenden der Vereinigung gewählt worden und müsse daher selbstverständlich aus optischen Gründen den Vorsitz im Islamischen Wohlfahrtsverband abgeben. Diesen Posten nun bot er mir an, direkt versehen mit dem Hinweis, bis auf einige Unterschriften brauche ich ja sowieso nichts zu tun und schon gar nichts entscheiden. Nur mit Mühe konnte ich ihn von diesem Plan abbringen. Plötzlich erinnerte ich mich an eine Aussage von Dr. Breuer, Ösman Bey werde sicherlich eines schönen Tages der Pir der Tecke in der Türkei werden. Was übrigens aus dem Vorgänger Ösmans als Verbandsvorsitzender geworden ist, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Da ich durch einen beruflichen Wechsel nicht mehr so oft ins Verbandsbüro kommen konnte, kühlte die Freundschaft und Brüderlichkeit so langsam aber sicher ab. Als ich dann noch um eine Bescheinigung für das Finanzamt bat, aus der hervorging, daß mir die Kosten für die Mailbox ausschließlich durch den Verband entstanden waren, erhielt ich diese bereits kommentarlos. Meinen erneuten Opfertierbeitrag nahm man stillschweigend zur Kenntnis. Um mich für das Souvenir und den Semawar zu revanchieren, schenkte ich Ösman Bey, da ich seinen Tick für das alte, untergegangene Osmanische Reich kannte, eine zweibändige, sehr seltene Reprintausgabe eines osmanischen Geschichtswerkes in alt-osmanischer Sprache und arabischer Schrift, welches ich in der ehemaligen DDR besorgt hatte - es erfolgte bereits kein Dankeschön mehr. Als man dann noch, wegen einer falschen Anschrift, einen Brief von mir an eine alevitische Gemeinde abfing, war ich endgültig unten durch und die ganze brüderliche Fassade zerbrach. Ich hatte in diesem Schreiben die Sunna, die Scharia und den "nicht erschaffenen" Koran angezweifelt - in den Augen dieser Sunniten natürlich ein fast todeswürdiges Verbrechen. Lediglich die deutschen Moslems versuchten noch eine Weile, mich zurückzugewinnen. Um dem aus dem Wege zu gehen, gab ich vor, eine längere Studienreise nach Oman zu unternehmen. Daraufhin setze ein Telefonterror gegen mich, meine Mitarbeiter im Büro und sogar meine Eltern und meine Frau ein. Über den, gemeinsam mit PC und Monitor gekauften älteren Drucker hieß es plötzlich, dieser sei mir nur geliehen worden. Obwohl mir die entsprechende Quittung vorlag, hatte ich die Nase so voll, daß ich die alte Kiste postwendend Dr. Breuer und seinem Sohn zusandte. Seitdem bitten mich lediglich die türkischen Sunniten in meinen neuen Heimatort ab und zu um Hilfe in Verwaltungsfragen. Aber auch sie haben bemerkt, daß ich nicht mehr derjenige bin, den sie glaubten, vor sich zu haben. Ein türkischer Freund, der alewitischer Abstammung war, zwischenzeitlich aber formal Sunnit geworden war, bemerkte es als erster und sagte mir einmal im örtlichen türkischen Cafe: "Die ganze Misere in der heutigen Türkei verdanken wir dem Islam und der Tatsache, daß man die Ideale Kemal Atatürks nach und nach verraten hat". Ich konnte ihm da nur noch zustimmen und hoffen, daß in diesem schönen Land niemals die sog. Fundamentalisten das Ruder übernehmen. So richtig frei aber fühlte ich mich erst wieder, als ich meinen, mir aufgezwungenen arabischen Vornamen wieder ablegte und mir selber sagte, Du bist kein sunnitischer Moslem mehr. Das geschah in der Nacht nach dem letzten Fastenbrechen in der Moschee des Verbandes in Hannover. Dorthin hatte man jede Menge islamischer und nichtislamischer Prominenz eingeladen, darunter viele christliche Geistliche. Während man diese Menschen, ja die ganze deutsche Gesellschaft und den Staat ansonsten intern beschimpfte, verlachte und über sie lästerte, kroch man ihnen hier regelrecht in den Hintern und spielte sich als staatstreu und -tragend auf. Es war so widerlich, daß ich mich still und leise und auf Nimmerwiedersehen verdrückte. Einige Stunden vorher hatte ich noch mitbekommen, wie unter Führung von Dr. Breuer islamische Organisationen in der Bundesrepublik versuchten, eine gemeinsame Erklärung zum Fall Rushdie abzugeben. Dabei wurde die schlimmste Rabulistik betrieben, alles nach dem Motto, wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß! Das also waren die selbst ernannten Kämpfer Allahs auf Erden! Gerade diese beiden letzten Erfahrungen paßten haargenau in das Bild, was ich inzwischen aus eigener Anschauung von den Anhängern der Sunna hatte. Mein Fazit nach dieser Zeit als Sunnit? Ob der Koran tatsächlich das gesamte und richtig wiedergegebene offenbarte Wort Gottes darstellt, ob er unerschaffen ist, mag dahin gestellt sein. Hierzu empfehle ich insbesondere das hochinteressante Werk von Günter Lüling aus Erlangen "Der Ur-Koran". Ich weiß, daß die offiziöse sunnitische Geschichtsschreibung häufig objektiv falsch ist, man lese hierzu u.a. nur das Werk von H.-G. Behr "Söhne der Wüste - Kalifen, Händler und Gelehrte". Von den vier sogenannten rechtgeleiteten Kalifen verdient m. E. nur Ali diese Bezeichnung, die drei anderen waren im günstigsten Falle brutale Machtmenschen, auch wenn z.B. das von Mohammed Rassoul aus Köln herausgegebene Buch "Die rechtgeleiteten Kalifen" im Stile eines Märchenbuches etwas anderes hierzu aussagt. Alle mir bekannten sunnitischen Gruppierungen halten sich noch nicht einmal an das nach ihrer Auffassung geoffenbarte Wort Allahs. Für Sie ist Gott eine Krämerseele, der sich u.a. um Fragen der Mode, der Barttracht, um Spurenelemte von Alkohol und Schweinefleisch kümmert und all dies als Grundlage für die ewige Seeligkeit aufrechnet. Verlangt man eine Aufklärung zu diesen Fragen, erhält man Zitate aus dem Koran oder den Hadithen, oder aber diesbezügliche Broschüren. Oft merken diese Leute dann gar nicht, daß sie sich darin selber widersprechen. Ich bin heute fest davon überzeugt, daß ich bei einem längeren Verweilen unter diesen Menschen schwerste psychische Schäden davongetragen hätte.