Lehrveranstaltung Forschungsfragen und Ethik

Werbung
Lehrveranstaltung
Forschungsfragen und Ethik
Teil 2_3.1-2
MM 24 WS 2011_12
Andreas Zieger, Universität Oldenburg
Institut für Sonder- und Rehapädagogik
Einführung in Ethik,
Rehapädagogische Ethik, Medizin- und
Neuroethik (Exkurs) sowie Forschungsethik
10.01. und 14.02.2012
Übersicht
3.1 Ethik
Exkurs1: Ethik (Forschung) in der
Sonder/Rehapädagogik, Ethik der Inklusion
Exkurs 2: Ethik der Anwendung der ICF
Exkurs 3: Medizin- und Neuroethik
3.2 Forschungsethik
Literatur
3.1 „Ethik“ - Definition
Ethik (http://de.wikipedia.org/wiki/Ethik)
•  das sittliche Verständnis
Ethos
•  „Charakter, Sinnesart“
Teilgebiet der Philosophie
befasst sich mit Moral, insbesondere hinsichtlich ihrer
Begründbarkeit:
•  Vernunftgeleitete Reflektion auf Moral, Sitte, Tugend
•  Theorie von Moral, Sitte und Tugend.
Ziele von Ethik
•  Ethik bedeutet kein Wissen um seiner selbst
willen (theoria), sondern Wissen für eine
verantwortbare Praxis (praktische Wissenschaft)
•  Hilfe für sittlichen Entscheidungen in einer
unübersichtlich werden, komplexen Welt.
•  Begründungen für allgemeine Prinzipien guten
Handelns, ethischen Urteilens oder
Wertvorzugsurteile für bestimmte
Problemsituationen.
•  Anwendung auf den situationsspezifischen
Einzelfall ist Aufgabe der praktischen Urteilskraft
und des geschulten Gewissens.
Sokrates
496-399 v.Chr.
•  Hat Ethik ins Zentrum
des philosophischen Denkens gerückt:
•  Sokratische Wende: Abwendung von reiner
Naturbetrachtung zugunsten menschlicher
Angelegenheiten.
•  Vertrat die sophistische Auffassung der
Vorsokratiker, wonach es den Menschen als
Vernunftwesen unangemessen sei, wenn
dessen Handeln nur von Konventionen und
Traditionen geleitet wird.
Aristoteles
384-322 v.Chr.
•  Begründer die Ethik als eigenständige
philosophische Disziplin
•  wissenschaftliche Beschäftigung mit
Gewohnheiten, Sitten und Gebräuchen (ethos)
•  Überzeugung von der Zugänglichkeit allen
menschlichen Handelns für eine vernünftige und
theoretisch fundierte Reflexion
•  Das Ziel des menschlichen Lebens ist das gute
Leben, das Glück.
•  Die konkreten Einzeldinge (wie Sokrates) die
Substanzen (nicht die Idee wie bei Plato) sind
das Grundlegende aller Wirklichkeit
Kant
1724-1804
•  Einfachste und klassische Formulierung
nach der Frage ethisch-moralisch guten
Handelns: „Was soll ich tun?“
•  Was Du nicht willst, dass man Dir tue, das füg´
auch meinem anderen zu.
•  Selbstverantwortung, Selbstgesetzlichkeit
Hegel
1770-1831
•  Unterscheidung zwischen Ethik u. Moral
•  Versuch einer Synthese aus dem
klassischen Gemeinschafts- und dem
modern-individualistischen Freiheitsdenken
•  Dialektik als „Pate“ für Feuerbach und Marx
Unterscheidung
Gesellschaftliche Normen des Handelns
•  Empirische Wissenschaften wie Soziologie,
Ethnologie und Psychologie
•  Beschreibung und Erklärung faktisch
bestehender ethischer Überzeugungen,
Einstellungen und Sanktionsmuster
Normative Ethik
•  Prinzipien und Kriterien der Moral, allgemein
gültige Normen und Werte
•  Rechtfertigung und Kritik guten handeln Sollens
Ethikformen heute (I)
Allgemeine Ethik
Befasst sich mit Normen und Werten als
•  Kriterien für gutes und schlechtes Handeln und
die Bewertung seiner Motive und Folgen
•  Grundlage für:
Angewandte Ethik
Befasst sich mit normativen Problemen eines
spezifischen Lebensbereiches
•  Individualethik, Sozialethik, Bereichsethiken
Ethikformen heute (II)
Praktische Philosophie
•  befasst sich mit dem menschlichen
Handeln, z. B. als Rechts- , Staats- und
Sozialphilosophie
Theoretische Philosophie
•  befasst sich mit der menschlichen
Erkenntnis, z.B. Logik, Erkenntnistheorie
und Metaphysik.
Gliederung von Ethik
Nach Art der Behandlung ethischer
Aussagen:
•  Normative Ethik, z.B. allgemeine Ethik,
angewandte Ethik (Bereichsethiken).
•  Deskriptive Ethik, beschreibt Moral mit
empirischen Mitteln, ohne Wertung.
•  Metaethik, reflektiert die allgemeinen logischen,
semantischen und pragmatischen Strukturen
moralischen und ethischen Sprechens.
Grundlage für deskriptive und normative Ethik
Nach Art der Begründung
ethischer Aussagen:
•  Theologische Ethik, z.B. jüdisch, christlich,
islamisch
•  Religiös-philosophische Ethik, z.B. buddhistisch,
konfuzianisch
•  Philosophische Ethik, z.B. Rationalismus,
Intutionismus
Nach Zahl der avisierten Personen:
•  Individualethik
•  Sozialethik
Nach Prinzipien und Werten (vgl. allgemeine
normative Ethik):
• 
• 
• 
• 
• 
• 
• 
Pflichtethik
Verantwortungsethik
Hedonismus
Konsens-/Diskursthoerie/Dialogethik
Mitleidsethik
Utilitarismus (Nützlichkeitsethik)
u.v.a.m.
Nach Anwendungsbereichen (vgl.
angewandte Ethik):
• 
• 
• 
• 
• 
• 
• 
• 
• 
• 
Arbeitsethik
Ärztliche Ethik
Bildungsethik
Bioethik
Friedensethik
Forschungsethik
Institutionsethik
Konsumethik
Kriegsethik
Medizinethik
• 
• 
• 
• 
• 
• 
• 
• 
• 
• 
Medienethik
Naturethik
Neuroethik
Ökologische Ethik
Organisationsethik
Rechtsethik
Sexualethik
Sicherheitsethik
Tierethik
Wirtschaftsethik etc.
Disziplinen der Ethik nach Art der
Behandlung ethischer Aussagen
Disziplin
Gegenstandsbereich
Methode
Deskriptive
E.
Tatsächlich befolgte Handlungspräferenzen, Normen und Werte
beschreibend
empirisch
Metaethik
das moralische/ethische Sprechen
analytisch
Normative E. Prinzipien und Kriterien der Moral,
allgemein gültige Normen und
Werte
wertend, je nach
Ansatz (apriorisch,
empirisch)
Angewandte
E.
gültige Normen, Werte,
Handlungsempfehlungen des
wertend, je nach
Ansatz (apriorisch,
jeweiligen Bereichs
empirisch)
Exkurs 1: Ethik in Lehre und
Forschung Sonder-/Rehapädagogik
4. Ethik (z.B. Theorien und Begriffe, Ethik
der Medizin/Bioethik)
In zwei Modulen vertreten:
•  EuG: Ethik und Gesellschaft mit der Vorlesung
„Ethik in der Rehabilitationspädagogik“ und den
begleitenden Wahlpflichtseminaren
•  EIP: Ethik – Integration – Partizipation (nach
LPO 2003 und im Master Sonderpädagogik)
http://www.fk-reha.tu-dortmund.de/fk13/de/Fakultaet/Lehrgebiete/
Theorie_der_Rehabilitation_und_Paedagogik_bei_Behinderung/
index.html
(Stand: 10.01.2012)
„Sonderpädagogik bewegt sich … im
Grenzbereich zur Therapie und erfordert
hohe Ethik, Ausgeglichenheit und Liebenkönnen.
Die Arbeit mit den Problemen der Familien und
den Verhaltensproblemen der Kinder verlangt
Ein hohes Maß an Selbstreflexion und
Beziehungsfähigkeit (im Sinne einer
Dialogischen Heilpädagogik, welche das
Medizinische Paradigma in der
Sonderpädagogik abgelöst hat).“
http://de.wikipedia.org/wiki/Sonderp%C3%A4dagogik (Stand:
10.01.2012)
Rehabilitationspädagogik
„Die Studierenden sind mit
erziehungswissenschaftlichen Denkansätzen
sowie den theoretischen (wie z.B.
Selbstbestimmung, Teilhabe, Empowerment,
Assistenz, Diversität, Disability Studies usw.)
und ethischen Grundkonzepten der
Rehabilitationspädagogik vertraut und können
sie auf berufspraktische Problemstellungen
übertragen.“
http://www.hu-berlin.de/studium/beratung/sgb/rehamono
(Stand: 10.01.2012)
Philosophie (und Ethik) der Inklusion
Werteorientierungen und Handlungskonzepte der Menschenrechtsdimensionen: Selbstbestimmung, Gleichberechtigung und Teilhabe
(Wocken 2011, S. 57)
Franz. Revolution
Werteorientierung
Menschenrechte BRK
Handlungskonzepte
Positive Valenzen
Negative Valenzen
Freiheit
Autonomie
Unmündigkeit
Selbstbestimmung
Assistenz
Fürsorge
Gleichheit
Gleichwertigkeit
Minderwertigkeit
Gleichberechtigung
Gleichstellung
Kategorisierung
Brüderlichkeit
Zugehörigkeit
Dissoziabilität
Teilhabe
Inklusion
Exklusion
Exkurs 2: ICF und Ethik
Auszüge aus dem Final Draft (2011, 170ff.)
•  Von Anfang an hat der Revisionsprozess der
ICF vom Beitrag seitens Menschen … und
Organisationen von Menschen mit
Behinderungen profitiert.
•  Vor allem Disabled Peoples' International hat
ihre Zeit und Energie für den Prozess der
Revision zur Verfügung gestellt …
•  Die WHO erkennt die Bedeutung der vollen
Partizipation von Menschen mit Behinderungen
… an.
•  Die ICF ist keine Klassifikation von Menschen!
•  Die Kategorien in der ICF neutral gefasst, um
Herabsetzungen, Stigmatisierungen und
unangemessene Konnotationen zu vermeiden.
•  Die WHO wird sich weiterhin dafür einsetzen,
dass Menschen mit Behinderungen durch die
Klassifikation und die Beurteilung ermächtigt
statt ihrer Rechte beraubt und diskriminiert
werden.
•  Das Eintreten für Behindertenrechte kann auch
durch die Verwendung der ICF gestärkt werden.
•  Das wichtigste Ziel … ist die Identifikation von
Maßnahmen, welche das Maß an sozialer
Partizipation [Teilhabe] von Menschen mit
Behinderungen erhöhen können.
Anhang 6 (S.172)
Ethische Leitlinien zur Verwendung der ICF
„Jedes wissenschaftliche Werkzeug kann falsch
gebraucht oder missbraucht werden … Dieses
Dokument ist davon nicht ausgeschlossen …
Respekt und Vertraulichkeit
(1)  Die ICF sollte so verwendet werden, dass das
Individuum mit seinem ihm innewohnenden
Wert geschätzt und seine Autonomie
respektiert wird.
(2) Die ICF sollte nie benützt werden, um einzelne
Menschen zu etikettieren oder sie nur mittels
einer oder mehreren Kategorien von
Behinderung zu identifizieren.
(3) In klinischen Kontexten sollte die Verwendung
der ICF immer in voller Kenntnis, mit der
Einwilligung und Kooperation derjenigen Person
erfolgen, deren Funktionsfähigkeit und
Behinderung klassifiziert wird. Wenn
Einschränkungen der kognitiven Fähigkeiten des
Individuums diesen Einbezug erschweren oder
verhindern, sollten seine Interessensvertreter
aktive Teilnehmer an diesem Prozess sein.
(4) Die durch die ICF kodierten Informationen
sollen als persönliche Informationen betrachtet
und verbindlichen Regeln der Vertraulichkeit
unterstellt werden, welche für die jeweilige
Verwendung der Daten adäquat ist …“
Exkurs 3: Medizinethik und …
Hippokratischer Eid
Nie werde ich irgend jemanden
auch auf Verlangen nicht ein
tödliches Mittel verabreichen
oder auch nur
einen Rat dazu erteilen.
Hippokrates, ca. 460-377 v.Chr.
Der Arzt soll und darf nichts anderes
thun, als Leben erhalten,
ob es Werth habe oder nicht, dies
geht ihn nichts an ...
Maasst er sich dies einmal an, wird
der Arzt der gefährlichste Mensch im
Staate...
Christoph Hufeland 1742-1836
Die Bewertung
des rein biologischen Lebens
hat die mögliche Entwertung
zur unmittelbaren Folge und wird
zur geistigen Voraussetzung
der Vernichtung dieses biologischen
Unwertes.
Viktor von Weizsäcker 1886-1957
Lehren aus den Nürnberger
Ärzteprozessen (1947)
„Es tritt die Gefahr der persönlichen
Aufspaltung ein, bei der – ist sie vollzogen
– der Funktionär persönlich in seiner
Funktion ein Teil des „Es“, der Sache wird,
die ihren eigenen, vom PersönlichMenschlichen unabhängigen seelischen
Grund in ihn versenkt ….“
Mielke & Mitscherlich: „Medizin ohne Menschlichkeit“
1948/1978/1990, S. 19
„Psychologie des Völkermords“
Lifton & Markusen 1990
Individuelles Menschsein
z.B. Psychische Folgen bei NS-Ärzten und KZ/SSSchergen und vielen anderen:
•  Abstumpfung, Spaltung, Dissoziation
•  Fragmentiertes, gebrochenes Selbst/Ich
Allgemeines Menschsein
•  Verbrechen an der Menschheit
•  Aufspaltung und Vernichtung des „Gattungsselbst“
„Denn es kann wirklich kein Zweifel darüber
bestehen, dass die moralische Anästhesie
gegenüber den Leiden der zu Euthanasie
und Experimenten Ausgewählten
begünstigt war durch die Denkweise einer
Medizin, welche den Menschen betrachtet,
wie ein chemisches Molekül oder einen
Frosch oder ein Versuchskaninchen.“
Viktor von Weizsäcker: „Euthanasie und
Menschenversuche“ 1947, S. 101
Ethische Konsequenzen für Ärztekodex
Wunder 2002, S. 476 ff.
1.  Individuelle Rückbindung der Medizin:
Bedeutung der Arzt-Patient-Beziehung als
soziale Mikrosituation (Begegnung)
2.  Informierte persönliche Einwilligung vor jedem
Heilversuch (Selbstbestimmung)
3.  Konkreter Nutzen für den Einzelnen
4.  Rückbindung (re-ligio) auf das Gattungsselbst
(Gewissen, Verantwortung für den anderen,
verletzliches, fürsorgliches Menschenbild)
Helsinki-Deklaration 1947/48 und ff.
Prinzipien der Medizinethik
modifiziert nach Beauchamp & Childress 2009
Fürsorge
Paternalismus, Beneficience
Aufgeklärte Einwilligung
Informed consent
Gerechtigkeit
Justice
Arzt-PatientBeziehung
als
Selbstbestimmung
Autonomie
soziale
Mikrosituation
Schadensvermeidung
Non maleficience
modifiziert nach Vollmann
2000 und Zieger 2012
Medizinethische Brennpunkte
• 
• 
• 
• 
• 
• 
Genozid
Präimplantationsdiagnostik
Antiageing
Sterbehilfe
Hirntoddefinition
Präfinale Organentnahme
… Neuroethik
Definition
•  Disziplin im Grenzgebiet zwischen den
Neurowissenschaften und Philosophie
Unterschiedliche Auffassungen zum
Gegenstandbereich:
1.) Teil der Bioethik der sich mit der
moralischen Bewertung von
neurowissenschaftlichen Technologien
beschäftigt:
http://de.wikipedia.org/wiki/Neuroethik (Stand: 30.01.2012)
•  als „den Bereich der Philosophie, der die
Behandlung oder Verbesserung des
menschlichen Gehirns moralisch
diskutiert.“ (Illes 2006)
•  Typische Fragen der … Neuroethik sind:
In welchem Maße darf man in das Gehirn
eingreifen, um Krankheiten zu heilen oder
kognitive Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit
oder Gedächtnis zu verbessern?
•  Neuroenhancement, Neuro-doping
2.) als Verhältnis zwischen
neurowissenschaftlichen Erkenntnissen
und moralisch relevanten Konzepten wie
etwa „Verantwortung“, „Freiheit“,
„Rationalität“ oder „Personalität“:
•  „die sozialen Fragen nach Krankheit,
Normalität, Sterblichkeit, Lebensstil und der
Philosophie des Lebens, informiert durch
unser Verständnis der grundlegenden
Gehirnmechanismen“(Gazzaniga 2005).
•  fragt letztlich nach der Bedeutung der
Hirnforschung für das menschliche
Selbstverständnis.
Neue Bildgebung -Neuroimaging
Die
Entwicklung
von
bildgebenden
Verfahren –
hier ein fMRTScan – wirft
zahlreiche
neuroethische
Probleme auf.
Müller et al
2009
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Fmrtuebersicht.jpg&filetimestamp=20070410095511
Neuroethische Brennpunkte
Umgang mit schwerst zerebral
Geschädigten und nicht einwilligungsfähigen (jungen, alten) Menschen:
Angeboren:
•  Un- oder Neugeborene mit Mißbildung am Kopf, Rücken:
Cephalocele, Hydrocephalie, Hydranencephalie,
Anencephalie, Myelocele, Spina bifida, Mißbildungstumor
Erworben:
•  Neurologische Intensivpatienten: Schlaganfall, Locked-inSyndrom, SHT, Koma
•  Degenerativ: ALS, Wachkoma
•  Gerontopsychiatrisch: Demenz
Sterbehilfe für Babys?
In den Niederlanden
sollen Babys, die an
einer unheilbaren
oder
„unerträglichen“
Krankheit leiden,
legal getötet werden
können.
Hoppe: Die niederländische Entwicklung zeigt, „dass
die Dammbruchtheorie stimmt … Hier sind keine
Mitleids-, sondern vielmehr materielle Aspekte
entscheidend.“ (Hoppe)
Zeichen und Zeugnis, 21. September 2005
Gelähmter Australier gestorben - Recht auf
Sterben?
Rossiter - mit
Atemwegsinfektion
und Trachealkanüle;
vom Kopf abwärts
gelähmt.
21. Sept. 2009
Ein Gericht hatte im August entschieden, dass sich die
Pfleger nicht strafbar machten, wenn sie die künstliche
Ernährung auf seinen Wunsch hin beendeten.
Terri Schiavo
† 2005
PVS
Human vegetable?
Aktive Sterbehilfe bei „Wachkoma“?
Böttger-Kessler (2006): Befragung von
MitarbeiterInnen im Gesundheitswesen
(Ärzte, Pflegepersonen in Kliniken und
(Alten-) Pflegeheimen (2001-2002)
•  Über 50% für gesetzliche Änderung in
Richtung aktive Sterbehilfe (NL/B: 55%)
•  65% für aktive Beendigung des Lebens
„unter bestimmten Umständen“
davon Ärzte:
•  allgemein: 38% (NL/B)
•  bei Wachkomatösen: 51,5%
davon Pflegepersonal
(welches die Hauptlast
der Versorgung psychisch und physisch
tragen muss):
Allgemein für aktive Sterbehilfe:
•  63% bei Wachkomatösen
•  „unter bestimmten Umständen“: 70%
(Zieger 2002, 1)
3.2 Forschungsethik
„Beschäftigt sich mit den ethischen
Grundlagen der Forschung und dem
Spannungsfeld zwischen
Forschungsinteressen und der Einhaltung
allgemeingültiger Normen und Werte ...
Im Zentrum ... stehen Fragen nach der
Verantwortung und Verantwortbarkeit von
Forschung und ihren möglichen
Auswirkungen auf den Einzelnen und die
Gesellschaft ...
Gesellschaftlich relevante
Problemfelder sind ...
•  Tierversuche oder Menschenversuche mit
Probanden,
•  Stammzellforschung,
•  Gentechnik,
•  die Forschung zu Rüstungszwecken,
•  der Ressourcenverbrauch durch die
Forschung und
•  der Datenschutz.“
http://de.wikipedia.org/wiki/Forschungsethik (Stand:
27.01.2012)
Carl von Ossietzky
(1889-1938)
„Wissenschaft und Technik
waren nicht in erster Linie da, zu helfen.
Sie schufen Werkzeuge der Vernichtung,
Werkzeuge grässlichsten Mordes ...
Wir müssen die Wissenschaft wieder
menschlich machen.“
Wissenschaft „menschlich“ machen?
Partizipation in Forschung
„Forschen nicht ´über´ sondern ´mit´
Menschen mit Behinderung - Peer-Interview
als Möglichkeit der Erfassung der Lebensqualität
von Menschen mit Behinderung – anhand eines
Beispiels aus dem Wohnbereich der Lebenshilfe
Salzburg.“
Breinlinger, S., Diplomarbeit MA, Kultur- und
Gesellschaftswissenschaften, FB Soziologie und
Politikwissenschaft, Uni Salzburg 2011 (Stand:
29.12.2011)
Download: www.bidok.uibk.ac.at/library/breinlinger-peerdipl.hmtl
Beispiel ETH Zürich
Forschungsethik
Richtlinien für Integrität
in der Forschung und gute wissenschaftliche
Praxis in der ETH Zürich
http://www.vpf.ethz.ch/services/researchethics/Broschure.pdf
(Stand: 27.01.2012)
Vorwort
Erfolgreiche Forschung basiert
auf Kompetenz. In der Praxis ist
diese allein aber nicht hinreichend,
sondern benötigt ein von
Vertrauen geprägtes Umfeld zur
Entfaltung. Vertrauen wiederum
kann sich nur dort entwickeln, wo
Integrität das Handeln bestimmt.
Deswegen ist es für die ETH Zürich
und insbesondere deren Leitung
eine wichtige Aufgabe, Integrität in
der Forschung zu fördern und zu
fordern. Den Forscherinnen und
Forschern wird der für
selbstbestimmte und
eigenverantwortliche Forschung
notwendige Freiraum gegeben, der
dann zu einem fruchtbaren
Boden für erfolgreiche
Wissenschaft werden kann, wenn
er durch Wahrhaftigkeit,
Selbstkritik, Transparenz und
Fairness gefüllt wird.
Was integres Handeln im
konkreten Fall für den einzelnen
Forschenden heißt, wird nicht
nur durch die gesetzlichen und
Die institutionellen
Regelungen der ETH Zürich
bestimmt, sondern ist auch von
den Gepflogenheiten seiner
Wissenschaftsgemeinschaft
und vom ethischen Konsens der
Gesellschaft abhängig.
In deren Auftrag forschen wir, sie
ermöglicht uns Forschung
und stellt deswegen
berechtigterweise Ansprüche an
uns. Von unserer Integrität
hängen die Glaubwürdigkeit und
damit die Akzeptanz unserer
Forschung in der Gesellschaft ab.
Gemeinsam getragene und
gleiche Standards sind die
Keimzelle und Voraussetzung für
eine Kultur des Vertrauens. Diese
in einer hoch kompetitiven
Umgebung der Spitzenforschung
zu bewahren ist eine
Herausforderung, die ohne eine
aktive Pflege und Förderung
nicht gemeistert werden kann.
Hier sieht sich die Schulleitung
Verantwortung Ihren Beitrag zu
leisten, indem sie selber Vorbild
ist und mit den Richtlinien für
Integrität in der Forschung für die
ETH Zürich eine gemeinsame
Basis für Vertrauen in der
Forschung schafft. Diese
Richtlinien sollen eine
Orientierungshilfe zum integren
Handeln sein. Sie
sind nicht nur als Leitplanken zu
verstehen, innerhalb derer man
sich unbedacht bewegen kann,
sondern sie sollen auch Anstoß
zur kritischen Reflexion des
Handelns in der Forschung sein.
So gelebt wird Integrität in der
Forschung zum Ausgangspunkt
für den nachhaltigen Erfolg in der
Wissenschaft.
Richtlinien für Integrität in der Forschung und
gute wissenschaftliche Praxis an der ETH
Zürich
•  Die Schulleitung hat die Richtlinien für Integrität
in der Forschung und gute wissenschaftliche
Praxis an der ETH Zürich (RSETHZ 414) an
ihrer Sitzung vom 14. November 2007
verabschiedet und auf den 1. Januar 2008 in
Kraft gesetzt.
•  Die Richtlinien wurden im Februar 2008 allen
wissenschaftlich tätigen Mitarbeitenden der ETH
Zürich in Form einer zweisprachigen Broschüre
an den Arbeitsplatz zugestellt.
•  Die Vertrauensperson steht Forschenden der
ETH Zürich bezüglich der Integrität in der
Forschung und der guten wissenschaftlichen
Praxis beratend, unterstützend und vermittelnd
zur Verfügung.
•  Bei einem Verdacht auf Fehlverhalten in der
Forschung ist die Vertrauensperson die
Ansprechperson.
•  Nach dem Eingang einer Meldung prüft die
Vertrauensperson die Sachlage gemäss dem in
der Verfahrensordnung bei Verdacht auf
Fehlverhalten in der Forschung an der ETH
Zürich (RSETHZ 415) festgelegten Verfahren.
Fehlverhalten
•  Menschenunwürdiger Versuchsaufbau
und/oder –ablauf
•  Kein Nutzen für den Einzelfall
•  Fehlende Aufklärung und Einwilligung
•  Falsche Methodik, so dass unnötige
Belastungen/Schäden bei den
Versuchteilnehmern („Probanden“)
entstehen.
•  Keine Genehmigung der Ethikkommission
•  Abschreiben/Plagiat, Datenfälschung
Forschung am Menschen
Ethikkommission
•  Für jede Forschungsuntersuchung am
Menschen, die nicht entweder unter das
Heilmittelgesetz oder das Patientengesetz,
muss vor Versuchsbeginn eine Bewilligung
der Ethikkommission eingeholt werden.
Vorgehen
•  Gesuche an die Ethikkommission der ETH
Zürich müssen mindestens fünf Wochen
vor Versuchsbeginn auf
www.etappo.ethz.ch eingereicht werden …
•  Die Ethikkommission beschließt, ob ein
Antrag auf dem Korrespondenzweg
behandelt werden kann oder ob dafür eine
Kommissionssitzung einberufen werden
muss.
•  Im ersten Falle kann mit einem Entscheid
innerhalb eines Monats gerechnet werden.
•  Ist eine Kommissionssitzung notwendig,
liegt ein Entscheid spätestens drei Monate
nach Gesuchseingabe vor.
•  Gesuche, die über Drittmittel finanziert
werden, beurteilt die Ethikkommission
erst, wenn die schriftliche Bewilligung des
Geldgebers vorliegt.
•  Auf Antrag der Kommission entscheidet
der Vizepräsident für Forschung über
Bewilligung, Verweigerung oder Abbruch
eines Projektes.
•  Tritt ein Schadensfall ein, hat der Projektleiter …
unverzüglich schriftlich Anzeige zu erstatten.
Stichwort „Forschungsethik“
Stichwort „Gute wissenschaftliche Praxis“
Leitlinie
Gute
wissenschaftliche
Praxis
30. Sept. 2002
CvO Uni Oldenburg
Fazit
•  Forschungsfragen sind immer auch
ethische (und gesellschaftliche) Fragen
•  Sehr komplexe und spezifische wissenschaftliche Gegenstände und Kenntnisse
•  „Verwirrende“ Entwicklungen im Bereich
Ethik
•  „Denkwerkzeuge“ der politischen
Philosophie: Biomacht, Biopolitik, Bioethik,
Biomedizin … (Agamben, Foucault, Gehring)
Quellen und weiterführende
Literaturhinweise
Beauchamp, T., Childress, J. (1978/2009, 5. Aufl.).
Principles of Biomedical Ethics. Oxford: University Press
Böttger-Kessler, G. (2006). Aktive Sterbehilfe bei
Wachkoma-Patienten. Frankfurt am Main: MabuseVerlag
Dederich, M. (2000). Behinderung, Medizin, Ethik.
Behindertenpädagogische Reflexionen zu
Grenzsituationen am Anfang und Ende des Lebens. Bad
Heilbrunn: Klinkhardt
Changeux, J.-P., Ricoeur, P. (2002). What makes us think?
A neuroscientist and a philosopher argue about ethics,
human nature, and the brain. Chichester: Princeton
University Press
Ethik: http://de.wikipedia.org/wiki/Ethik (Stand: 09.01.2012)
Forschungsethik: h
ttp://de.wikipedia.org/wiki/Forschungsethik (Stand:
27.01.2012)
Gazzaniga, M. (2005). The ethical brain. New York: Dana
Press
Illes, J. (Hrsg.) (2006). Neuroethics: defining the issues in
theory, practice, and policy. Oxford University Press,
Oxford
Maio, G. (2011). Mittelpunkt Mensch: Ethik in der Medizin.
Ein Lehrbuch. Stuttgart: Schattauer
Neuroethik: http://de.wikipedia.org/wiki/Neuroethik (Stand:
30.01.2012)
Sabine Müller, S., Zaracko, A., Groß, D., Schmitz, D.
(2009). Chancen und Risiken der Neurowissenschaften.
Berlin: Lehmanns Media
Schnell, M.W., Heinritz, Ch. (2006). Forschungsethik: Ein
Grundlagen- und Arbeitsbuch mit Beispielen aus der
Gesundheits- und Pflegewissenschaft. Bern: Huber
Wiesing, U., Simon, A., Engelhardt, D.v. (2000). Ethik in
der medizinischen Forschung. Stuttgart: Schattauer
Wocken, H. (2011). Zur Philosophie der Inklusion. Spuren,
Eckpfeiler und Wegmarken der
Behindertenrechtskonvention. Teilhabe 50(2): 52-59
Zieger, A. (1999). Ethische Grenzfragen in der Behandlung
Schwerst-Hirngeschädigter. Mitteilungen der LuriaGesellschaft e.V., 6;1:4-18
Herunterladen