Klimaänderung – was weiß die Wissenschaft?

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Schwerpunkt Klimawandel – eine Zwischenbilanz
Klimaänderung – was weiß die Wissenschaft?
In ihrem dritten Sachstandsbericht (TAR – Third Assessment Report) haben die Arbeitsgruppen des
International Panel on Climate Change (IPCC) die bis 2001 verfügbaren Informationen und Forschungsergebnisse bezüglich der Art der Veränderungen, deren Auswirkungen sowie Möglichkeiten,
Kosten und Nutzen von Minderungs- und Anpassungsmaßnahmen zusammengefasst. Er zeigt, dass
es Möglichkeiten gibt, im gemeinsamen Handeln die Verminderungs- und Anpassungskosten zu reduzieren und durch eine nachhaltigere Entwicklung Schlimmeres zu vermeiden. Der Bericht lässt kaum
Zweifel daran, dass die anthropogenen Einflüsse zu einer signifikanten Änderung von Klimaparametern geführt haben. Der TAR wird – vor allem für die politischen Entscheidungsträger – in einem
Synthesebericht zusammengefasst. Auf diesem basieren die nachfolgenden, zusammenfassenden Ausführungen.
Von Tillmann K. Buttschardt, Karlsruhe
D
1. Einleitung
er Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen
(IPCC) – eine Gründung der
Weltmeteorolgie-Organisation
(WMO) und dem Umwelt-Programm
der Vereinten Nationen (UNEP) –
hat die Aufgabe, die aktuell verfügbaren naturwissenschaftlichen,
technischen und sozioökonomischen Daten zur Klimaänderung zu bewerten und Möglichkeiten der Verminderung und Anpassung zu formulieren. Er fungiert
zudem als beratender Ausschuss für
die Folgekonferenzen der Klimarahmenkonvention der Vereinten
Nationen (UNFCCC)1.
1
United Nations Framework Convention on
Climate Change. Die Konvention wurde am
09.05.1992 in New York verabschiedet und
am Weltgipfel in Rio de Janeiro 1992 von
über 150 Ländern, darunter auch die Europäische Union, unterschrieben und ist seit
1994 in Kraft. Die im Anhang I der Konvention aufgeführten Länder verpflichten sich
darin, die Treibhausgasemissionen bis zum
Jahr 2000 bis auf das Niveau von 1990 zurückzuführen. Das so genannte Kiotoprotokoll entstand 1997 im Rahmen der Dritten
Vertragsstaatenkonferenz. Es enthält die
rechtlich verbindliche Verpflichtung der
Unterzeichnerländer zusätzlich zur Reduzierung gemäß UNFCCC, ihre anthropogenen Treibhausgasemissionen von 2008 bis
2012 um 5% unter das Niveau von 1990 zu
senken.
18
In drei Arbeitsgruppen arbeiten im
IPCC eine Vielzahl von Wissenschaftlern international zusammen.
Die Ergebnisse werden auf den Plenarsitzungen des IPCC vorgestellt,
diskutiert und für den Synthesebericht in allen Einzelheiten verabschiedet. Die Assessment-Reports
des IPCC bilden somit die derzeit
beste zusammenfassende Darstellung des Kenntnisstandes über dieses hochkomplexe Thema2.
Die Auswirkungen der Klimaänderungen auf die natürlichen Systeme
und die menschliche Gesellschaft
auf der einen Seite sowie die Änderungen im Klimasystem selbst, verursacht durch Rückkopplungen und
direkte Einflüsse aus den anderen
Systemen, lässt sich nur beurteilen,
wenn das System ganzheitlich betrachtet wird. Das IPCC hat hierzu
einen Beurteilungsrahmen aufgestellt, der schematisch und vereinfacht die Herangehensweise nachzeichnet (Abbildung 1).
In der Regel werden bei den Ausführungen zur Klimaänderung die
anthropogenen Emissionen treibhauswirksamer Gase und Aerosole
2
Die Deutsche Fassung des Syntheseberichts
ist bei der Deutschen IPCCKoordinierungsstelle des BMBF und des
BMU erhältlich: DLR-PT, Königswinterer
Str. 522, Bonn, helmut.kuehr at dlr.de
zum Ausgangspunkt genommen.
Diese verändern dann die atmosphärischen Vorgänge, was sich wiederum im modifizierten Klimageschehen sowohl in der Realität als auch
durch die Klimagrößen messtechnisch manifestiert. Durch vielfältige
geophysiologische Wechselwirkungen kommt es zu Anpassungen der
Ökosysteme und der darauf aufbauenden menschlichen Nutzungssysteme. Die sozioökonomische Entwicklung ist es jedoch, die ganz
maßgeblich auf die anderen Faktoren einwirkt.
Für eine Bewertung bzw. für die
Modellierung und Prognostik möglicher künftiger Zustände der einzelnen Komponenten wirken nun jedoch mehrere Faktoren erschwerend:
•
Zeiteffekte: Die verzögerte
Reaktion von Teilgrößen einzelner Subsysteme bzw. ihr Beharrungs- und Pufferungsvermögen
bewirken eine Kaschierung/Verschleierung, teilweise
auch signifikante Zeitverzögerungen der eigentlichen Prozessmuster. Beispielsweise reagieren die alpinen Gletscher
aufgrund ihrer Lage und geringeren Ausdehnung viel schneller
FORUM GEOÖKOL. 15 (3), 2004
Schwerpunkt Klimawandel – eine Zwischenbilanz
Grundthese vor, die nachfolgend
ergänzend erläutert wird.
2.1
Emissionen von
Treibhausgasen und Aerosolen
These des Syntheseberichts:
Atmosphärische Treibhausgaskonzentrationen und ihre Strahlungsantriebe sind generell während
des 20. Jahrhunderts infolge
menschlicher Aktivitäten gestiegen
(D-IPCC 2002: 12).
Abb. 1: Die einzelnen Komponenten zum Verständnis des Systems des Klimawandels
und die Stellung menschlicher Einflussnahme (Quelle: D-IPCC 2002: 8, verändert)
und direkter als die großen polaren, vergletscherten Gebiete.
•
•
3
Rückkoppelungseffekte:
Durch gegenseitige Abhängigkeiten kommt es zu anschwellenden oder dämpfenden ökosystemar begründeten Veränderungen, die nicht immer in ihrer
Gesamtheit voraussehbar oder
quantifizierbar sind. So kommt
Landnutuzungsänderungen
nicht nur über die unmittelbar
wirksamen stofflichen Veränderungen, etwa die Freisetzung
von Kohlendioxid (CO2) und
Methan (CH4) durch Abbrennen
und Umnutzung3 von Waldgebieten, sondern auch durch die
veränderte Albedo eine klimawirksame Bedeutung zu.
Wissensstand: Die großen
Forschungsbemühungen, die
Menge an Daten, Rechenmodellen und Szenarien darf nicht
darüber hinweg täuschen, dass
der aktuelle Kenntnisstand in
vielen Punkten nicht ausreichend ist. Insbesondere die unterschiedliche Wirksamkeit von
Eiskristallen und Aerosolen auf
die verschiedenen Stockwerke
Eine ganz erhebliche Bedeutung erlangen
solche Umnutzungen z.B. durch die Folgenutzung Rinderzucht oder Reisanbau durch
die Freisetzung des Treibhausgases Methan.
FORUM GEOÖKOL. 15 (3), 2004
der Atmosphäre sowie deren
Strahlungsantriebe oder die
Schließung von Lücken im
weltweiten Beobachtungs- und
Messnetz sollen hier beispielhaft
angeführt werden.
•
Effekte der Entwicklung
der menschlichen Gesellschaft: Die Entwicklung verschiedener Szenarien im dritten
Sachsandsbericht zeigt bereits,
dass hier noch weitaus größere
Unsicherheiten bzw. Entwicklungsmöglichkeiten offen stehen.
Um dennoch abgesicherte Aussagen
zu erzielen und der Politik konkrete
Entscheidungshilfen an die Hand zu
geben, wurden vom IPCC so genannte Konfidenzniveaus eingeführt
(Tab. 1).
2. Veränderungen des
Klimasystems und der daran
angeschlossenen Systeme
Für die Einzelnen in Abbildung 1
genannten Komponenten des Systems der Klimaänderung wird nun
nachfolgend übersichtsartig der
aktuelle Sach- und Wissenstand
dargestellt. Die Ausführungen folgen
dem Ansatz des Syntheseberichts
und stellen zunächst jeweils eine
dem Bericht wörtlich entnommene
Genaue Angaben hierzu finden sich
im Beitrag von C.-D. Schönwiese in
diesem Heft. Auch wenn die Konzentrationen von atmosphärischem
Kohlendioxid (CO2) und Methan
(CH4) wesentlich während der letzten 420.000 Jahre schwankten, nie
in diesem Zeitraum war die atmosphärische Konzentration größer als
heute. Die höchsten aufgezeichneten
Werte wurden in den 1990er Jahren
gemessen. Die Zuordnung der Konzentrationserhöhungen zu Entstehungsprozessen ist meist geklärt. So
entstammen etwa drei Viertel des
Anstieges des Treibhausgases CO2
der Verbrennung von fossilen Energieträgern. Das restliche Viertel geht
zu Lasten von Landnutzungsänderungen und der Entwaldung. Der
Anstieg von Methan wird auf Emissionen des Energieverbrauchs, der
Viehwirtschaft, des Reisanbaus und
von Deponien zurückgeführt. Ozon,
als drittwichtigstes Gas, wird ebenfalls der Verbrennung fossiler Energieträger und anderen Emissionen
Tab. 1: Konfidenzniveaus im Synthesebericht: Die Wahrscheinlichkeit, dass
ein Forschungsresultat der Aussagen der
Working Group I stimmt (Daten aus: DIPCC 2002: 12.)
Konfidenzniveau
praktisch sicher
sehr wahrscheinlich
Wahrscheinlich
Mittlere Wahrscheinlichkeit
unwahrscheinlich
sehr unwahrscheinlich
äußerst unwahrscheinlich
Wahrscheinlichkeit
Größer 99%
90 – 99%
66 – 90%
33 – 66%
10 – 33%
1 – 10%
kleiner 1%
19
Schwerpunkt Klimawandel – eine Zwischenbilanz
aus Verkehr, Industrie
und der Landwirtschaft zugeordnet.
These des Syntheseberichts:
Tab. 2: Wetter-Indikatoren und Ihre Veränderung in den letzen Dekaden mit den von den Arbeitsgruppen angegebenen Konfidenzniveaus gem. Tab. 1. (aus: D-IPCC 2002: 13)
Mittlere globale Erdober- Anstieg um 0,6° ± 0,2° im 20. Jahrhundert
flächentemperatur
Erdoberflächentempera- Größerer Anstieg im 20. Jahrhundert als in irgendeitur der Nordhemisphäre nem anderen Jahrhundert der letzten 1000 Jahre;
199034 Jahre wärmstes Jahrzehnt des Jahrtausends
Täglicher TemperaturAbnahme von 1950 bis 2000 über dem Land; nächtlischwankungsbereich
che Minimum-Temperaturen nahmen doppelt so
schnell zu wie die täglichen Maximaltemperaturen
Hitzetage / Hitzeindex
Zunahme
Kälte- / Frosttage
Abnahme für fast alle Landregionen im 20. Jahrhundert
Kontinentale NiederAnstieg um 5-10 % im 20. Jahrhundert auf der Nordschläge
hemisphäre, trotz einer Abnahme in einigen Regionen
(z.B. Nord- und Westafrika, Teile des Mittelmeerraumes
Stakniederschläger
Zunahme in mittleren und höheren Breiten
Sommertrockenheit
In einigen Regionen, wie teilen von Asien und Afrika
wurde in den letzten Jahrzehnten eine wachsende
Häufigkeit und Intensität von Dürren beobachtet
Der aus dem Anstieg
anthropogener
Treibhausgase seit
der vorindustriellen
Zeit resultierende
Strahlungsantrieb ist
positiv (Erwärmung), mit einem
kleinen Unsicherheitsbereich; derjenige des Aerosoleffekts ist negativ
(Abkühlung) und
kleiner, während der
Strahlungsantrieb
der indirekten Aerosoleffekte (über Wolken und den Wasserkreislauf) groß sein könnte, aber nicht
gut quantifiziert ist (D-IPCC 2002:
12).
Als Strahlungsantrieb wird die Änderung der vertikalen Nettoeinstrahlung an der Tropopause durch interne oder externe Veränderungen des
Klimasystems in Watt pro Quadratmeter angegeben. Dieser hat sich als
Maß für eine erste Abschätzung für
Klimaauswirkungen verschiedenster
Art bewährt, wobei durch die globale Mittelung nicht immer auch die
regionalen Klimaänderungen wiedergegeben werden können.
2.2 Klimaänderungen
These des Syntheseberichts:
Eine steigende Anzahl von Beobachtungen ergibt ein kollektives
Bild einer sich erwärmenden Erde
und anderer Änderungen des Klimasystems (D-IPCC 2002: 18).
Mit einer möglichen Variationsbreite
von 0,4°C bis 0,8°C wird die Erwärmung der mittleren Erdoberflächentemperatur seit 1860 und heute mit
0,6°C ermittelt. Es ist darüber hinaus
sehr wahrscheinlich, dass die 1990er
Jahre die wärmste Dekade, 1998 das
wärmste Jahr seit Beginn der instrumentellen Aufzeichnung waren.
20
Zwischen 1950 und 2000 können
pro Dekade sowohl anhand von
Satelliten- als auch von Sondenmessungen Erwärmungsraten von 0,4°C
über Europa und 0,3°C über Nordamerika gleichermaßen in der unteren Atmosphäre als auch an der
Erdoberfläche nachgewiesen werden. Deutliche Unterschiede ergeben
sich hier zu den Tropen
(0,1°C/Dekade), welche auf verschiedene Effekte (z.B. El-NiñoPhänomen) zurückgeführt werden,
jedoch aktuell nicht vollständig verstanden sind.
Es ist zudem sehr unwahrscheinlich,
dass die beobachtete Erwärmung
während des 20. Jahrhunderts ganz
auf natürliche Phänomene zurückzuführen ist. Modellsimulationen, welche die anthropogenen Einflussfaktoren ausschließen, können die gemessenen Temperaturwerte nicht
nachzeichnen. Hingegen stimmen
Modellrechungen der natürlichen
und anthropogenen Antriebe in
Kombination und die Messresultate
sehr gut überein.
Tabelle 2 gibt eine Übersicht über
die Veränderungen einzelner Wetter-Indikatoren, welche Änderungen
im Klimasystem belegen.
Eine Reihe von wichtigen Aspekten
des Klimas scheinen sich indes nicht
verändert zu haben und können
sehr wahrscheinlich
wahrscheinlich
wahrscheinlich
wahrscheinlich
sehr wahrscheinlich
sehr wahrscheinlich
wahrscheinlich
wahrscheinlich
einerseits eventuell Ausdruck des
Beharrungsvermögens oder der Elastizität der betrachteten Systeme
sein, andererseits sind möglicherweise noch nicht alle Phänomene
hinreichend genau verstanden. Auch
ließen sich – vor der außergewöhnlichen Häufung im Sommer 2004 –
keine statistisch abgesicherten Aussagen über die Wahrscheinlichkeit
von Änderungen der Häufigkeit von
Tornados, Gewittertagen oder Hagel
für einige Regionen Ableiten. Auch
gab es 2001 noch keine nachgewiesenen Änderungen der Gesamteisausdehnung der Antarktis.
2.3 Auswirkungen auf
natürliche Systeme
These des Syntheseberichts:
Beobachtete Änderungen des regionalen Klimas in den letzten 50
Jahren haben sich in vielen Teilen
der Welt auf biologische und hydrologische Systeme ausgewirkt (DIPCC 2002: 22).
Weltweit 44 regionale Studien zu
über 400 Pflanzen und Tierarten mit
einer Laufzeit von 20-50 Jahren
zeigen ein gleichgerichtetes und
stimmiges Bild der Entwicklungen,
die weitgehend in ihrer Richtung
mit den erwarteten Effekten der
Klimaänderung einhergehen. Auch
für die etwa 100 physikalischen
FORUM GEOÖKOL. 15 (3), 2004
Schwerpunkt Klimawandel – eine Zwischenbilanz
Tab. 3: Biologische- und physikalische Indikatoren und Ihre Veränderung in den letzen Dekaden mit
den von den Arbeitsgruppen angegebenen Konfizenzniveaus gem. Tab. 1. (nach: D-IPCC 2002: 14)
Mittlerer globaler
Meeresspiegel
Dauer der Eisbedeckung von Flüssen und
Seen
Ausdehnung und
Dicke des arktischen
Meereises
Nicht-polare Gletscher
Schneebedeckung
Permafrost
El-Niño-Ereignisse
Wachstumsperiode
Verbreitung von Pflanzen und Tieren
Brutzeit, Blütezeit,
Wanderung
Korallenbleiche
diskutieren. Als Beispiele seinen genannt:
Anstieg mit einer durchschnittlichen Rate von 1-2
mm pro Jahr im 20. Jahrhundert
Abnahme um ca. 2 Wochen im 20. Jahrhundert in
mittleren und höheren Breiten der Nordhemisphäre
kein Konfidenzniveau •
angegeben
sehr wahrscheinlich
Ausdünnung um 40% in den letzten Jahrzehnten im
Spätsommer und Frühherbst
wahrscheinlich
Gut dokumentierter und weitverbreiteter Rückzug im
20. Jahrhundert
Abnahme der Fläche um 10% seit Beginn der globalen Satellitenbeobachtungen in den 60er Jahren
Schmelzen, Erwärmung und Abbau in Teilen der
polaren und subpolaren und Gebirgsregionen
Sind in den letzen 20-30 Jahren häufiger, anhaltender
und intensiver geworden als in den vorangegangenen
100 Jahren
Verlängerung um 1-4 Tage pro Jahrzehnt in den
letzten 40 Jahren auf der Nordhemisphäre, vor allem
in den höheren Breiten
Hat sich für Pflanzen, Insekten, Vögel und Fische
polwärts und in die Höhe verschoben
Frühere Blütezeit von Pflanzen, frühere Ankunft von
Vögeln, frühere Daten der Brutzeit, früheres Auftauchen von Insekten in der Nordhemispäre
Viel häufiger, insbesondere während El-NiñoEreignissen
kein Konfidenzniveau
angegeben
Sehr wahrscheinlich
Prozesse existieren derartige Untersuchungen. Sie zeigen in die selbe
Richtung. Beispiele für die angeführten Veränderungen sind in Tabelle 3 aufgezeigt.
2.4 Auswirkungen auf
menschliche Systeme
These des Syntheseberichts:
Es gibt vorläufige Hinweise darauf, dass soziale und wirtschaftliche Systeme von beobachteten
Veränderungen des Klimasystems
beeinflusst werden (D-IPCC 2002:
24).
In vielen Teilen der Welt deutet sich
an, dass extreme Wetter- und Klimaereignisse zunehmend schwere
wirtschaftliche und soziale Schäden
verursachen. Waren es in der Dekade der 50er Jahre 13 Ereignisse mit
einem Jahrzehntdurschschnitt von
rund vier Mrd. US-$, so waren es
von 1990-1998 bereits 72 Ereignisse
mit einem Durchschnitt von knapp
40 Mrd. US-$. Selbst wenn in diese
Statistik auch demographische und
FORUM GEOÖKOL. 15 (3), 2004
kein Konfidenzniveau
angegeben
kein Konfidenzniveau
angegeben
kein Konfidenzniveau •
angegeben
kein Konfidenzniveau
angegeben
kein Konfidenzniveau
angegeben
kein Konfidenzniveau
angegeben
wirtschaftliche Effekte hineinwirken,
so ist der Trend deutlich.
Neben diesen eher episodischen
Ereignissen wirken sich die Veränderungen jedoch auch auf die Produktivität einzelner terrestrischer (Sahel: Rückgang der Getreideproduktion) sowie aquatischer (Westküste
Nordamerikas, Verfall der Fischerei)
Regionen aus.
Änderungen der Landnutzung –
namentlich die Entwaldung –
wirken sich direkt regional auf
das Klimageschehen aus, welches wiederum Bodenerosion
und Desertifikation und letztlich
die Wüstenbildung fördert.
•
Änderungen in den hydrologischen Kreisläufen steigen mit
den erwarteten Klimaänderungen an und verschärfen die
Problematiken der Wasserversorgung: zu wenig, zu viel oder
zu unreines Wasser.
These des Syntheseberichts:
Klimaänderungen bedingen in vielen
Regionen negative Umweltveränderungen, denen nur wenige positive
Effekte gegenüberstehen. So sind
viele Umweltprobleme, die bislang
eher separat betrachtet wurden,
jedoch in einen Zusammenhang mit
dem Klimawandel zu stellen und im
Kontext dieser Überlegungen zu
Halogenierte Kohlenwasserstoffe tragen nicht nur zur
Zerstörung der stratosphärischen Ozonschicht bei, sondern
sind ebenfalls
hochwirksame
Treibhausgase.
•
2.5 Wechselwirkungen
Lokale, regionale und globale
Umweltprobleme sind oft auf Art
und Weisen gekoppelt, die gemeinsam die nachhaltige Befriedigung menschlicher Bedürfnisse
beeinflussen (D-IPCC 2002: 98).
Die urbane Luftqualität mit den Leitagenzien Stickoxide,
Kohlenmonoxid
flüchtige organische
Substanzen trägt
über die Bildung
von bodennahem
Ozon ebenfalls zur
Bildung troposphärischen Ozons bei,
mit einem entsprechend hohen Strahlungsantrieb.
3. Künftige Entwicklung
Der dritte Assessment Report (TAR)
widmet einen Schwerpunkt möglichen künftigen Entwicklungen. Über
ergänzende Szenarienberechnungen4 werden für bestimmte sozio4
Szenarien sind plausible, in sich konsistente
Darstellungen der zukünftigen Entwicklung,
welche bestimmte Rahmensetzungen und
Entwicklungsverläufe unterstellen. Eine
erste Fassung der Szenarien wurde vom
IPCC 1992 vorgelegt. Diese wurden nun für
den TAR in einem eigenen Sonderbericht
(Special Report on Emission Scenarios,
SRES) neu gefasst.
21
Schwerpunkt Klimawandel – eine Zwischenbilanz
ökonomische Entwicklungspfade
Aussagen abgeleitet.
•
Mittlere globale Meeresspiegelerhöhung ab 1990: + 9-88 cm.
These des Syntheseberichts:
•
Hitzbelastungen und Wintersterblichkeit: Abnahme der Wintersterblichkeit in einigen gemäßigten Zonen, verstärkte
Auswirkungen von Hitzbelastungen.
Die Projektionen zeigen in allen
SRES-Szenarien eine mittlere globale Oberflächentemperatur, die
im 21. Jahrhundert mit einer Geschwindigkeit ansteigt, die es paläoklimatischen Daten zufolge
sehr wahrscheinlich in den letzten
100.000 Jahren nicht gegeben hat.
(D-IPCC 2002: 115).
Zentrales Ergebnis ist zudem, dass
unabhängig vom eingeschlagenen
Weg der Minderung in allen Szenarien die Kohlendioxidemissionen,
die mittlere globale Erdoberflächentemperatur und der Meeresspiegel
während des 21. Jahrhunderts weiter ansteigen werden. Allerdings
werden wesentliche regionale Unterschiede z.B. bei der Niederschlagsentwicklung prognostiziert.
Je eher starke Minderungsmaßnahmen eingeleitet werden, umso eher
ist auch eine Abschwächung der
erwarteten Veränderungen gegeben.
Erfolgen keine Veränderungen und
Eingriffe seitens der Klimapolitik, so
sind bis 2100 gravierende Auswirkungen möglich. Nachfolgend sind
einige Folgen zusammengestellt (DIPCC 2002: 37):
•
CO2-Gehalt: 540-970 ppm.
•
Mittlere globale Temperaturänderung ab 1990: + 1,4-5,8°C.
•
Durch Erreger in Gewässern
übertragene Krankheiten: Ausdehnung der Gebiete mit potenzieller Übertragung von Malaria
und Dengue-Fieber.
•
Ernährung: Arme sind durch
vergrößertes Hungerrisiko anfällig.
Da selbst bei einer sofortigen drastischen Reduktion der Treibhausgasemissionen der Anstieg der klimawirksamen Gase und der dadurch
hervorgerufenen Effekte bestehen
bliebe, ist die Notwendigkeit von
Maßnahmen unabhängig noch bestehender Unsicherheiten evident.
Der Synthesebericht formuliert hierzu: „Anpassung ist eine Notwendigkeit; ihre Kosten können durch Voraussicht, Bewertung und Planung
gesenkt werden“ (D-IPCC 2002:
117).
4. Chancen: Gibt es
möglicherweise ein Glück im
Unglück?
Die gesamtglobale Bedrohungslage
Abb. 2: Schlüsselelemente nachhaltiger Entwicklung und Ihre Zusammenhänge (aus
D-IPCC 2002: 108, neu gezeichnet).
22
kann jedoch als Herausforderung
der Weltgemeinschaft auch die Möglichkeit bergen, einige der derzeit
bestehenden Ungleichheiten zu verändern und den Prozess einer nachhaltigen Entwicklung einleiten helfen.
These des Syntheseberichts:
Anpassung ist eine auf allen Ebenen notwendige Strategie, um
Minderungsbemühungen gegen
eine Klimaänderung zu ergänzen.
Zusammen können sie dazu beitragen, Ziele der nachhaltigen
Entwicklung zu erreichen (D-IPCC
2002: 76).
Wie bereits vorstehend erläutert
wurde, bestehen in vielen Bereichen
Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen Umweltproblemen
und dem Treibhauseffekt. So kann
der verstärkte Kampf gegen die Desertifikation durch angepasste Nutzungssysteme (z.B. AgroForstsysteme in den Tropen) gleichermaßen zur Nahrungsmittelsicherheit, zum Bodenschutz und zur
Festlegung von Kohlendioxid in
Biomasse dienen. Auch der Ansatz
des Emissionshandels kann in diesem Zusammenhang zu nützlichen
Nebeneffekten, so genanntem Sekundärnutzen, führen, indem beispielsweise die Entwicklung und
Einführung effizienterer Techniken
in der Energieerzeugung und
-nutzung attraktiver werden.
Bereits heute ist jedoch deutlich,
dass es keinen günstigeren Entwicklungsweg für die menschliche Gemeinschaft zu geben scheint, der
nicht den Ansatz der Nachhaltigkeit
zentral berücksichtigt. Abbildung 2 macht dies anhand der drei
Hauptdimensionen der nachhaltigen
Entwicklung deutlich: Wirtschaftliche, soziale und umweltbezogene
Bereiche stehen in gegenseitiger
Abhängigkeit und sind nur im Einklang nachhaltig zu entwickeln.
Derzeit bestehende Ungleichgewichte – dies ist vor allem die einseitige
Ausrichtung auf die Hauptdimension
Wirtschaft – müssen beseitigt werFORUM GEOÖKOL. 15 (3), 2004
Schwerpunkt Klimawandel – eine Zwischenbilanz
den. Werden hier die anderen beiden Dimensionen mit berücksichtigt,
ergeben sich tatsächlich neue Chancen für Entwicklung.
Dr. Tillmann Buttschardt
Institut für Geographie und Geoökologie Universität Karlsruhe
Kaiserstraße 12
7628 Karlsruhe
5. Literatur
•
D-IPCC (Deutsche IPCC Koordinierungsstelle des BMBF ) (Hrsg.)
(2002): Klimaänderung 2001, Synthesebericht. Bonn, September
2002. Bezug s. Fußnote 2
•
Alle Berichte des IPCC sowie Bezugsmöglichkeiten sind auf der Internetseite des IPCC nachzuschlagen: www.ipcc.ch
Tel.: 0721 / 608-4722
Fax: 0721 / 696761
E-Mail:
tillmann.buttschardt at ifgg.unikarlsruhe.de
Einführung in den Themenkomplex Klimawandel
Von Manfred Meurer, Karlsruhe
M
it großer Freude konstatiere ich nach unserer letzten
gemeinsamen Verbandsveranstaltung in Karlsruhe vor mehreren Jahren das lebhafte Echo, das
die Tagung des Verbandes für Geoökologie in Karlsruhe auch an diesem Wochenende wieder erfährt.
Ursache dieses großen Zuspruchs ist
zweifellos das Thema Klimawandel
mit seinen verschiedenartigen Facetten und die hohe ungeminderte
Aufmerksamkeit, die ihm seit Jahren
in den Medien auf lokaler bis globaler Skala zuteil wird. Eng einher
geht damit die intensiv geführte
Diskussion über die Wechselwirkungen des Klimawandels mit Naturkatastrophen, unter denen gerade den
klimatisch induzierten ein besonders
hoher Stellenwert zukommt. Man
denke hier an die verheerenden
Orkane der letzten Wochen und
Monate mit ihren zahlreichen Todesopfern sowie auch enormen monetären Verlusten. Ungeklärt bleibt
dabei freilich die Frage, inwieweit
ein umfassenderes Klimamonitoring
das Ausmaß dieser Schäden hätte
wesentlich verringern können.
Zahl und Umfang der rapide zunehmenden Schäden, die sich u.a. in
den Verlustziffern der großen Versicherungsunternehmen niederschlagen, finden inzwischen verstärkte
Beachtung auch bei politischen Entscheidungsträgern und verschiede-
nen Forschungsdisziplinen. Erinnert
sei an zahlreiche Studien über regional differenzierte Auswirkungen
von Meeresspiegelschwankungen in
Natur- und Kulturräumen bei einem
mittleren Anstieg des Meeresspiegels
von ca. 30 cm im letzten Jahrhundert. Verstärkte Beachtung finden
ferner Analysen über räumliche
Abb. 1: Quelle: eigenes Foto
FORUM GEOÖKOL. 15 (3), 2004
23
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