PDF-Download - Zentrum für Medizinische Ethik

Werbung
Zentrum für Medizinische Ethik
MEDIZINETHISCHE MATERIALIEN
Heft 157
DAS REGENSBURGER MODELL ZUR AUSBILDUNG IN KLINISCHER ETHIK
Günter Fröhlich
Gerhard Rogler
3. Auflage Februar 2007
Dr. phil. Günter Fröhlich ist Lehrbeauftragter für „Ethik der Medizin“ an der Medizinischen
Fakultät der Universität Regensburg. Daneben unterrichtet er am Institut für Philosophie der
Universität Regensburg und ist Lehrbeauftragter für „Ethik der Sozialen Arbeit“ am
Fachbereich
Sozialwesen
der
Fachhochschule
Regensburg.
[email:
[email protected]]
Prof. Dr. med. Dr. phil. Gerhard Rogler ist Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Innere
Medizin I am Universitätsklinikum Regensburg, 93042 Regensburg: [email:
[email protected]]
Inhalt
Seite
Die Stellung der Medizinethik im Curriculum der Medizinerausbildung
an der Universität Regensburg………
…………………………………………………1
Ablauf des Kurses……………………………………………………………………………...3
Ethik-Vorlesung………………………………………………………………………………..4
Thema 1: Patientenautonomie, Probleme des Aufklärungsgesprächs,
und Einwilligung……………………………………………………………………...13
Thema 2: Beziehung zwischen Patienten, Ärzten, Pflegenden und Angehörigen……………15
Thema 3: Umgang mit Tod und Sterben, Sterbebegleitung und Sterbehilfe…………………17
Thema 4: Umgang mit Kindern, vor allem bei psychischen oder onkologischen
Erkrankungen…………………………………………………………………………22
Thema 5: Selbstverständnis von Ärzten und Studierenden in der Medizin…………………..25
Klausur und Evaluation……………………………………………………………………….28
Schulung der Tutoren…………………………………………………………………………30
Zum Bedenken………………………………………………………………………………..33
Anhang:
1. Stundenplan………………………………………………………………………………...36
2. Tugendkataloge für Arzt und medizinische Laien…………………………………………37
3. Bochumer Arbeitsbogen zur medizinethischen Praxis…………………………………….38
4. Medizinethische (klinikethische) Begründungsstrategien…………………………………40
Herausgeber:
Prof. Dr. Dr. Jochen Vollmann, Prof. Dr. Hans-Martin Sass, Prof. Dr. Michael Zenz
Zentrum für Medizinische Ethik Bochum, Ruhr-Universität, Gebäude GA 3/53, 44780 Bochum
TEL (0234) 32-22749/50 FAX +49 234 3214-598 Email: [email protected]
Internet: http://www.medizinethik-bochum.de
Der Inhalt der veröffentlichten Beiträge deckt sich nicht immer mit der Auffassung des
ZENTRUMS FÜR MEDIZINISCHE ETHIK BOCHUM. Er wird allein von den Autoren
verantwortet. Das Copyright liegt beim Autor.
© Günter Fröhlich, Gerhard Rogler
Schutzgebühr:
Bankverbindung:
ISBN: 3-931993-39-6
1. Auflage Dezember 2004, 3. Auflage 2007
€ 6,00
Sparkasse Bochum, Kto.-Nr. 133 189 035, BLZ: 430 500 00
Das Regensburger Modell zur Ausbildung in Klinischer Ethik
Protokoll der Blockwoche für das 4. Klinische Semester zur Ausbildung in Ethik der Medizin
nach der neuen ÄAppO an der Medizinischen Fakultät der Universität Regensburg
Günter Fröhlich und Gerhard Rogler, Regensburg
Die Stellung der Medizinethik im Curriculum der Medizinerausbildung an der
Universität Regensburg
Ethisch problematische Entscheidungen sind ein Teil des ärztlichen Alltags. Die
Vermittlung eines ethischen Basiswissens oder die Anleitung zu einer strukturierten
Aufarbeitung eines ethischen Problems war jedoch bisher nicht Inhalt der medizinischen
Ausbildung. Dies wurde von Studierenden der Medizin immer wieder bemängelt und als
Defizit
empfunden.
Dies
hat
sich
nun
geändert.
Nach
der
neuen
Ärztlichen
Approbationsordnung vom 27. Juni 2002 (welche verbindlich zum Sommersemester 2004
umgesetzt werden musste) soll „[die Ärztliche Ausbildung auch] ... die geistigen, historischen
und ethischen Grundlagen ärztlichen Verhaltens auf Basis des aktuellen Forschungsstandes
vermitteln.“ Als so genannte „... Querschnittsbereiche, in denen Leistungsnachweise zu ...
erbringen“ sind, werden für die Zulassung zum Zweiten Abschnitt der ärztlichen Prüfung
unter anderen genannt: „Geschichte, Theorie, Ethik der Medizin“.
In Regensburg ist es bereits während des Vorklinikums möglich, im Rahmen eines
Wahlpflichtfachs über 2 SWS (mit Leistungsnachweis) Seminarkurse und Vorlesungen in
Philosophie zu besuchen, die vom Institut für Philosophie der Universität Regensburg
angeboten werden. Die Alternativen in der Fächerauswahl sind hierbei Seminare aus dem
Bereich
des
Strafrechts,
den
Wirtschaftwissenschaften,
Mathematik-Übungen
für
Naturwissenschaftler und Sprachkurse. Diese Veranstaltungen werden meist im 2. oder 4.
Semester besucht. Die Möglichkeit, Philosophiekurse zu besuchen, ist neu. Gesicherte Zahlen
hierfür liegen nicht vor. In den vergangenen zwei Semestern nutzten etwa 20 Studierende im
Vorklinikum pro Semester dieses Angebot. Besucht wurden vor allem Veranstaltungen aus
dem Bereich der Medizinethik.
Das Curriculum während des klinischen Ausbildungsabschnittes in Regensburg sieht
eine Pflichtveranstaltung zum Thema „Theorie, Geschichte und Ethik der Medizin“ von
mindestens 20 Stunden vor. Die Struktur dieser Veranstaltung ist nicht vorgeschrieben, ein
zumindest teilweiser Seminarcharakter ist erwünscht. Das Curriculum weist das Fach zudem
als sogenanntes „Querschnittsfach“ aus.
1
Die ethische Ausbildung am Klinikum der Universität Regensburg wird in einem
Blockkurs (eine ganze Woche) zu Beginn des vierten Klinischen Semesters durchgeführt.
Insgesamt umfasst der Kurs (ohne Leistungsnachweisprüfung und Evaluation) 32 Stunden.
Gemessen an der Gesamtstundenzahl von 868 Stunden gemäß ÄAppO §27 (1) für die Fächer
und die Querschnittsbereiche im Hinblick auf den Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung
beträgt der Anteil des Faches „Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin“ in Regensburg
etwa 3,5 %. Eine weitere ethische Ausbildung ist während des klinischen Studienabschnittes
aktuell nicht realisiert und im Curriculum nicht vorgesehen. Sie wird allerdings seitens der
Studierenden auf der Basis freiwillig zu besuchender Lehrveranstaltungen dringend
erwünscht. In Regensburg wurde von Studierenden sogar eine Vortragsreihe zu medizinethischen Fragen über das Semester hinweg organisiert. Die ethische Ausbildung geschieht
nicht am Patientenbett, sondern soll in einer Reflexion über ethische Problemfelder des
klinischen Alltags bestehen. Verzichten wollte man bewusst auf die brisanten und in der
Öffentlichkeit heftig und kontrovers diskutierten Themen, wie sie z. B. durch die Fortschritte
in der Reproduktionsmedizin und in der Gentechnik entstanden sind. Andere Fragen, welche
sowohl die öffentliche Diskussion wie den ärztlichen Alltag betreffen, wie z. B. die nach
Abtreibung vs. Schutz des ungeborenen Lebens, Probleme der Transplantationsmedizin,
Konflikte mit klinischen Studien und Gerechtigkeitsfragen in der Gesundheitsökonomie,
wurden zwar nicht ausdrücklich als solche thematisiert, aber in einzelnen Fallanalysen
integriert angesprochen.
Die Blockveranstaltung war aus Vorlesungen und Seminaren gemischt. In einem
Vorlesungsblock über sechs Stunden wurde zur Einführung in den Blockkurs und in das
Thema der klinischen Ethik (ethische Probleme im ärztlichen Alltag, ärztliche
Verantwortungsstrukturen, Begriff der Ethik und des Ethos, Medizinethische Modelle) eine
erste Orientierung geboten. Diese Vorlesungen wurden ergänzt durch Vorlesungen über
Geschichte der Medizin (Schwerpunkte: Antike Medizin und Medizin im Dritten Reich; 6
Stunden) und Theorie der Medizin (Schwerpunkte: Wichtigkeit der Reflexion über
theoretische Konzepte der Medizin; 2 Stunden). Das übrige Wochen-Programm bestand aus
Seminarveranstaltungen – vorgesehen waren studentische Kleingruppen mit bis zu höchstens
15 Studierenden –, welche von Tutoren (Oberärzte und Assistenzärzte aus den Kliniken der
Inneren Medizin I und II und der Abteilung für Hämatologie/Onkologie des
Universitätsklinikums Regensburg) geleitet wurden. 1
2
Die Seminare deckten die folgenden Themen ab. Diese orientieren sich an den
Vorschlägen der Lehrziele, welche von der „Akademie für Ethik in der Medizin in Göttingen“
entwickelt wurden. Wir haben uns dabei auf die Bereiche beschränkt, die uns unmittelbar für
den Klinikalltag relevant erschienen:
1) Patientenautonomie, Einwilligung in Therapien, Patientenverfügungen, Ziele des
Aufklärungsgesprächs, Einwilligung (4 Stunden)
2) Kommunikation zwischen Ärzten, Patienten, Angehörigen, Pflegepersonal, Arzt und
Patient, Kommunikation und Entscheidungsprozesse, Umgang mit Informationen (4
Stunden)
3) Umgang mit Tod und Sterben, Sterbebegleitung und Sterbehilfe, Todesdefinitionen,
Entscheidungen
am
Lebensende,
Therapiebegrenzung
und
Therapieverzicht,
Palliativmedizin, rechtliche Hinweise, Patientenverfügungen (4 Stunden)
4) Umgang mit Kindern, v. a. bei psychischen oder onkologischen Erkrankungen, Frage nach
dem
Kindeswohl,
Zustimmung
und
Einwilligung
der
Eltern,
Umgang
mit
Kindesmisshandlung und –missbrauch, Neonatologie, Umgang mit Anderssein, Grenzen
des Krankheitsbegriffs, Leid und Schmerzen bei Kindern, Umgang mit Kunstfehlern,
Forschung am Menschen (4 Stunden)
5) Selbstverständnis von Ärzten und Studierenden der Medizin, Ärztliche Berufsordnung,
Gute klinische Praxis, Ärztliche Beteiligung an polizeilichen Maßnahmen, Folter,
Todesstrafe, Beitrag der Medizin zum gesellschaftlichen Verständnis von Gesundheit,
Krankheit und Behinderung (2 Stunden).
Es
war
ursprünglich
vorgesehen,
einen
weiteren
Seminarblock
zum
Thema
Gesundheitsökonomie anzubieten. Hierzu findet aber an der Universität Regensburg ein
eigener Blockkurs im Zweiten Jahr des Klinischen Studiums statt. 2
Ablauf des Kurses
In einem ersten Schritt sollten die Studierenden lernen, ethische Probleme anhand von
Fallbeispielen zu erkennen und zu analysieren und in einem zweiten Schritt ihre eigenen
moralischen Vorstellungen mit Hilfe von Konfliktfällen hinterfragen. Es ging zu keiner Zeit
darum, diese Konflikte vollständig aufzulösen und einheitlichen Problemlösungen
zuzuführen. Solche versagen nämlich im ärztlichen Alltag, da die moralische Beurteilung
jedes Falls vom konkreten Situationskontext abhängt, dieser aber immer variiert. Zwar
1
Einer der Stundenpläne des Blockkurses, welche ab dem Wintersemester Geltung hat, findet sich im Anhang 1.
3
wurden medizinisch „brisante“ Fälle vorgestellt, im Vordergrund standen aber nicht die
medizinisch-wissenschaftlichen Beurteilungen, sondern das Einüben der Fähigkeit angesichts
medizinischer Befunde an Patienten auch eine medizin-ethische Dimension, vor allem
innerhalb der Arzt-Patienten-Beziehung im Spannungsbogen von der Selbstbestimmung des
Patienten und der ärztlichen Verantwortung zu erkennen.
Das zentrale didaktische Hilfsmittel lag in der sequenzierten Fallanalyse, wie sie vor
allem in Ulm für die medizinethische Lehre verwendet wird. Fälle werden darin
abschnittsweise vorgetragen oder leicht modifiziert fortgesetzt, um an ihnen zentrale ethische
Konflikte in der Diskussion mit den Studierenden zu demonstrieren. Die Fälle wurden z. T.
selbst entwickelt bzw. aus der Literatur entnommen und für den jeweiligen Zweck aufbereitet.
(Als sehr hilfreich erwiesen sich hierfür die „Medizinethischen Materialien“ des Zentrums für
Medizinische Ethik in Bochum oder die Zeitschrift Ethik in der Medizin, ersch. beim
Springerverlag.)
Es soll im Folgenden eine kurze Zusammenstellung der in der einführenden EthikVorlesung 3 und den Seminaren angesprochenen Themen und Fragen geboten werden – die
Fallvorstellungen sind dabei sehr verkürzt wiedergegeben. Jeder Arzt, der klinische Erfahrung
hat, wird aber sehr schnell Ergänzungen vornehmen können, welche die Fälle sachlich und
inhaltlich erweitern. Für die ethische Auseinandersetzung sind bei der vorliegenden
Darstellung in erster Linie Fragen formuliert, da die Fälle nur als Ausgangspunkt für
Diskussionen und nicht als faktische Vorgaben dienten. Um nicht vom Ende her zu
argumentieren, sind gerade sequenzierte Falldarstellungen gewinnbringend für Kurse in der
Medizinethik einzusetzen.
Ethik-Vorlesung
In einem ersten Schritt sollte deutlich gemacht werden, dass ethische Probleme
Phänomene des klinisch-ärztlichen Alltags sind und keineswegs nur in besonderen
Situationen wie in der Intensivmedizin oder der Tumortherapie auftreten. So steht in der
täglichen Praxis z. B. schon in Frage, welche Nebenwirkungen eines präventiv gegebenen
Medikaments man bei welcher Effektivität (Number needed to treat) akzeptieren will. Wenn
z. B. ein Medikament einen Herzinfarkt bei einem von 60 Patienten verhindern kann,
gleichzeitig aber zu Polyneuropathie und Libidoverlust bei 20% der Behandelten führt, ist
2
„Gesundheitsökonomie, Gesundheitssystem und Öffentliche Gesundheitspflege“ ist ein von der ÄÄppO eigens
vorgesehener Querschnittsbereich, in dem ein Leistungsnachweis zu erbringen ist.
3
Die Vorlesungen zur Geschichte und Theorie der Medizin (insgesamt 8 Stunden) lagen außerhalb unserer
Verantwortung und finden im vorliegenden Text keine Berücksichtigung mehr.
4
eine Abwägung und eine ethische Entscheidung im Hinblick auf die Lebensqualität des
einzelnen Patienten offenbar notwendig. Fragestellungen dieser Art sind zentrale ethische
Probleme der Präventivmedizin, zeigen aber andererseits bereits, dass die klinische Ethik
keine Leitlinien oder „Patentlösungen“ bieten kann. Der Patientenwille, ob es nun der
„mutmaßliche“ oder der verbal geäußerte ist, wird, was die einzuschlagende Therapie angeht,
mitentscheidend.
Dies leitet zu einem weiteren typischen klinisch ethischen Problemfeld über: Dem
Spannungsverhältnis zwischen Leitlinien und Patientenautonomie, Behandlungsalternativen
und individualisierter Medizin. Durch die aktuellen Entwicklungen, durch das Aufstellen von
Leistungskatalogen, Bezahlung der Kliniken nach Durchschnittsleistungen pro Fall (sog.
DRG-System) sowie durch die Definition von öffentlich publizierten Leitlinien und Standards
wird der Arzt im öffentlichen Verständnis zunehmend zum Dienstleister, an den ein
bestimmter Anspruch herangetragen werden kann, der dann vom Arzt auch einzulösen ist.
Andererseits werden von Patienten und Patientenverbänden der Mangel an einer
individualisierten Medizin und der Verlust der persönlichen Beziehung zwischen Arzt und
Patient beklagt. In dieses Konfliktfeld werden die heutigen Medizinstudenten entlassen, ohne
darauf vorbereitet zu sein. Eine reine Dienstleistungsmedizin würde auch eine Verschiebung
der Schwerpunkte der medizinischen Ethik bedeuten. Das „In-Beziehung-Treten“ von Arzt
und Patient, das aufzubauende Vertrauensverhältnis, das die Grundlage vieler klinisch
ethischer Ansätze ist, kann bei einem Dienstleister-Arzt nicht mehr dieselbe Bedeutung
haben, wie sie es zu Zeiten der – zugegebenermaßen eher paternalistisch geprägten –
traditionellen Arzt-Ethik hatte. Mit dem sanktionierten (kostendeckenden) Abarbeiten von
Untersuchungen als ärztlicher Tätigkeit oder sogar mit der Auswahl von Patienten mit dem
erwarteten besten Kosten-Einnahmen-Verhältnis (oder auch noch mit der Konkurrenz der
Kliniken und Krankenhäuser um diese Patienten) hat eine Entwicklung eingesetzt, die in
ihrer weitreichenden Bedeutung für das ärztliche Selbstverständnis den Studenten begreiflich
gemacht werden sollte.
Ein weiterer Punkt, der ethische Fragen im klinischen Alltag aufwirft, ist das sog.
„Placeboproblem“. Darf der Arzt selbst versuchen, – möglicherweise auch in suggestiver
Weise – Hoffnungen zu wecken, oder sollte er sich auf evidenz-basierte schulmedizinische
Kenntnisse zurückziehen. Wie soll er ein Aufklärungsgespräch durchführen: Berichtet er über
jede
denkbare
Komplikation
einer
Untersuchung
–
wobei
bekannt
ist,
dass
Untersuchungsangst die Komplikationsrate erhöht – oder versucht er, den Patienten nur zu
beruhigen? Kann er Hoffnungen auf Therapieeffekte wecken, wenn er selbst nicht an diese
5
wirklich glaubt (z. B. bei Tumorpatienten)? Gerade dies sind Fragen des ärztlichen Alltags,
die nicht nur in Ausnahmesituationen auftreten.
Klinische Ethik muss sich neben dem Problem der notwendigen Aufklärung des
Patienten auch mit den Themen „Sterben“ und „Tod“ auseinandersetzen. Situationen, die mit
den Grenzbereichen des Lebens verbunden sind, werden zwangsläufig jeden Arzt betreffen.
Wie weit kann man in der Schmerzbehandlung cerebraler Metastasen bei einem
Mammakarzinom gehen, wenn die Prognose völlig aussichtslos ist? Darf man die
Schmerzbekämpfung mit Morphinen bis in einen Bereich fortführen, in dem die
Atemdämpfung durch diese Medikamente vielleicht schon selbst zum Tod führt oder diesen
zumindest beschleunigt? Sollte eine 92 jährige Patientin reanimiert werden, wenn ihre
Tochter versichert, dass ihre Mutter das nicht wollte und ein wenige Tage altes Formular
bescheinigt, dass die Patientin auf eigenen Wunsch und eigene Verantwortung und gegen
ärztlichen Rat aus einer stationären Behandlung entlassen wurde? Sollte ein Bein bei
psychosomatisch bedingten Schmerzen amputiert werden, wenn kein fassbares Korrelat der
Schmerzen außer den Angaben des Patienten vorhanden ist? Wie verhält man sich bei einer
medizinischen Aufklärung über die Risiken einer Knochenmarktransplantation, da man weiß,
dass an der Therapie etwa 30% der Behandelten sterben werden?
Werden Studenten bei diesen Vorlesungen befragt, ob sie medizinischen Leitlinien
oder klinische Ethik für wichtiger halten, entscheidet sich meist eine Mehrheit für die
Leitlinien. Man kann ganz allgemein davon ausgehen, dass jüngere Ärzte medizinische
Leitlinien bevorzugen, während ältere sich dagegen eher einem deutliches Defizit an
Sicherheit in Fragen der klinischen Ethik bewusst sind. Zu Beginn des Kurses überwiegt also
auch die Meinung, dass klinisch-ethische Konflikte durch klare Handlungsanweisungen
vermeidbar sind. Ein Ziel unseres Kurses, dies zu widerlegen, konnte erreicht werden. Am
Ende war sich die überwiegende Mehrheit darüber im Klaren, dass Behandlungsrichtlinien
klinisch ethische Fragen nicht entschärfen, sondern vielmehr neue Fragen und Probleme
aufwerfen.
Weiterhin wurden die Grundlagen einer Ethik der ärztlichen Verantwortung
entwickelt, gängige medizin-ethische Modelle vorgestellt, Grundfragen, Methoden und
Herangehensweisen innerhalb der Ethik erläutert sowie die maßgeblichen ethischen
Begründungsstrategien skizziert. Zum Schluss wurde erläutert, welchen Gewinn man sich bei
den Themenseminaren durch die Analyse von klinischen Konfliktfällen erhofft.
Der philosophische Frage, was Verantwortung überhaupt ist, nähert man sich am
besten unter hermeneutischen Gesichtspunkten. Verantwortung für etwas übernehmen kann
6
man dann fassen als „dieses etwas von sich selbst her zu betrachten und ihm auf diese Weise
gerecht zu werden“, Verantwortung für jemanden dagegen als „diesem jemand gerecht zu
werden“.
Verantwortung
heißt
dann
zuerst
(und
insbesondere
in
ethischen
Zusammenhängen), dass man den Menschen, dem man gerecht werden soll, als Person
wahrnimmt; als Person, die von sich selbst her verstanden werden will. Durch die Übernahme
von Verantwortung macht man sich gewissermaßen zum Anwalt einer Sache bzw. zum
Stellvertreter der Bedürfnisse einer Person. Die Verantwortung verlangt darüber hinaus nach
einer Rechtfertigung, ob der Verantwortung auch Genüge getan wurde.
Nun sieht sich der Arzt in seinem Handeln verschiedenen Verantwortungsbereichen
gegenüber. Die innere Haltung im Bemühen, diesen Verpflichtungsbereichen gerecht zu
werden, kann man als das „Ethos des Arztes“ bezeichnen. Diese Bereiche sind das ArztPatienten-Verhältnis, die Verpflichtung des Arztes auf das Heilen (Ethos des Heilens), das
Verhalten den Institutionen gegenüber und der verantwortliche Einsatz der Mittel, d. h. in
erster Linie der verwendeten oder zugrundeliegenden Methoden, welche eingesetzt werden,
um Erkenntnisse zu gewinnen und Therapien durchzuführen.
Das besondere Arzt-Patientenverhältnis ergibt sich schon aus dem unmittelbaren
Bezug zu einer anderen Person, welche in besonderer Weise auf Hilfe angewiesen ist, und
durch die darauf bezogenen besonderen Fachkenntnisse des Arztes. Diese beiden Umstände
führen zwangsläufig zu einem hierarchisch strukturieren Verhältnis. Diese Hierarchie ist für
bestimmte Bereiche dieses Verhältnisses letztlich wohl nicht zu überwinden. Sie verträgt sich
jedoch nicht mit der neuzeitlichen Auffassung des Menschen als eines freien Wesens, das
selbst bestimmen will, was mit ihm geschieht. Medizin-ethische Überlegungen richten ihr
Augenmerk also auf die weitgehende Berücksichtigung des Willens und der Wünsche des
Patienten.
Allerdings versuchte schon die antike Arztkunst den Patienten vor einer Willkür des
Arztes zu schützen. Ein Zeugnis hierfür ist der Eid des Hippokrates. Neben standesrechtlichen
Verpflichtungen formulierte man damals schon die Prinzipien, niemals dem Patienten
Schaden zuzufügen (primum nil nocere), sondern im Gegenteil nur zum Wohle des Kranken
tätig zu sein (bonum facere). Man erkannte eine besondere Verpflichtung dem menschlichen
Leben gegenüber, forderte korrekte Verhaltensweisen gegenüber den Kranken und
verpflichtete sich zum Schweigen über das bei der ärztlichen Behandlung Erfahrene. Daneben
erkannte man auch Grenzen des ärztlichen Handelns an.
Auch das „Ethos des Heilens“ ist ein Versuch, innerhalb des hierarchischen
Verhältnisses einen Ausgleich zu finden, indem sich der Arzt uneingeschränkt auf das Wohl
7
und die Heilung des Patienten verpflichtet. Hierbei stellen sich freilich die Fragen, wie das
Wohl des Patienten genauer zu fassen ist und in welcher Beziehung das Wohl des Patienten
zum medizinisch Machbaren, gesundheits-ökonomisch Bezahlbaren und zum medizinischen
Fortschritt – wobei das Wohl eines einzelnen jetzt zu behandelnden Patienten mit dem Wohl
anderer, später zu behandelnder Patienten konfligiert – steht.
Im „Ethos den Institutionen gegenüber“ stellen sich die Fragen nach der
Gesundheitsökonomie, nach dem Alltag in der Klinik, nach dem Umgang von Ärzten und
Pflegern untereinander und mit nicht-medizinischem bzw. nicht-pflegerischem Personal, mit
der Verwaltung, dem Umgang mit Daten, den rechtlichen Bestimmungen und den Gesetzen.
Im „Ethos bezüglich der Mittel“ fragt man nach dem Zustandekommen von medizinischen
Forschungsergebnissen und Therapiekenntnissen (z. B. in Bezug auf Menschenversuche
während des Dritten Reiches oder bei Fragen des Embryonenschutzes). Hierher gehören aber
auch die Fragen, inwiefern der Patient eigene Verantwortung trägt und wie weit der Arzt diese
auch einfordern darf. Zumindest stellt sich die Frage angesichts von Therapiealternativen.
Dem Wohl des Patienten kann der Arzt nur gerecht werden, wenn er eine Therapie findet,
welche der Patient von seinem Selbstverständnis, von seinen Lebensumständen und von
seinen Wertvorstellungen her akzeptieren und welcher er dann von daher auch zustimmen
kann.
Das
„Ethos
des
Arztes“
beruht
damit
im
Wesentlichen
auf
einem
Partnerschaftsverhältnis zwischen Arzt und Patient. Die gängigen medizinethischen Modelle
versuchen dieses Verhältnis näher zu beschreiben und daraus Handlungsanleitungen für den
Arzt abzuleiten:
Ein wichtiges Modell stammt von Beauchamp und Childress. 4 Man nimmt hierbei an,
dass der Arzt sich im Handeln an vier mittleren Prinzipien orientieren kann:
Selbstbestimmung
(respect
for
autonomy),
Schadensvermeidung
(nonmaleficence),
Fürsorgepflicht (beneficence) und Gerechtigkeit (justice). Man hält dabei die Prinzipien für
interkulturell vermittelbar und für selbstevident. Außerdem könne man im Konfliktfall die
Prinzipien untereinander abwägen. Doch kritisieren vor allem Europäer, dass die Prinzipien
nicht ausreichend begründet seien. Im Konfliktfall stoßen sie offenbar unvermittelbar
aufeinander, da man keine Kriterien angeben kann, wie sie gewichtet werden müssen.
Edmund Pelegrino vertritt dem gegenüber die Ansicht, dass die vier Prinzipien erster
Ordnung durch Prinzipien zweiter Ordnung ergänzt werden müssen. Er nennt:
Wahrhaftigkeit,
Ehrlichkeit,
Wahrung
der
8
Privatsphäre,
Schweigepflicht,
Vertrauenswürdigkeit, Mitleid, Einfühlungsvermögen, Hilfsbereitschaft, Wohlwollen, unter
den entsprechenden Umständen auch Tapferkeit. Pelegrino will damit antike und
mittelalterliche Tugend-Theorien in die Medizinethik einführen. 5 :
In einer Art Zusammenschau fordert Hanns Peter Wolff für der Ethik des Arztes
sowohl medizinische Pflichten als auch ethische Prinzipien und ärztliche Tugenden. Für die
Pflichten greift er auf das Corpus hippocraticum zurück (Verpflichtung zur Hilfeleistung,
Verschwiegenheit und Achtung vor dem menschlichen Leben), ergänzt es aber durch die
Wahrhaftigkeit, die Verantwortlichkeit und die Selbstbestimmung des Patienten. Als
Prinzipien formuliert er Fürsorge (Hilfeleistung und Schadensverhütung), Selbstbestimmung
und Patientenaufklärung (gegründet auf dem Respekt vor der Freiheit und Würde des
Menschen) und Gerechtigkeit sowie soziale Verträglichkeit. Als Tugenden sollte der Arzt
Geduld aufbringen, Einfühlungsvermögen besitzen und mitempfinden können. 6
Hans-Martin Sass entwickelt zuletzt eine differentialethische Methodik (Bochumer
Arbeitsbogen zur Medizinethik). Er versteht Ethik als „konsensfähigen Inhalt rationaler
Güterabwägung“. Sie sei verbal vermittelbar und diskutierbar. Das Ethos dagegen sei ein
Vorbild und müsse vorgelebt werden. Sass fordert Ergänzungen der bisherigen Prinzipienund Wertorientierung durch eine Güterabwägung der Grundgüter des primum nil nocere, des
bonum facere, der paternalistischen Verantwortung des Arztes und der selbstbestimmenden
Autonomie des Patienten. Eine Auflösung von Konflikten bei Sich-Ausschließen zweier
Prinzipien könne nur in der Interaktion zwischen Arzt und Patient innerhalb der Betrachtung
des Einzelfalles erfolgen. Darüber hinaus seien Nachfolgegüter (auf der Grundlage der
vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patient) gefordert: Wahrheit am
Krankenbett, Schweigepflicht und Zustimmung nach Aufklärung (informed consent). Daraus
ließe sich eine prinzipielle Patientenethik entwickeln, die im Abwägen von Gesundheitsrisiko
und Lebensqualität und von Einwilligung und Selbstverantwortung bestehe. Das alles habe in
einer „asymmetrischen Vertrauenspartnerschaft“ zu gipfeln, in welcher der Arzt neben der
Aufklärung auf die Verpflichtung des Patienten hinweist. Hier habe man zwischen
Informationsrecht
und
Informationspflicht
4
und
zwischen
Präventionsrecht
und
T.L. Beauchamp, J.F. Childress, Principles of biomedical ethics, Oxford 1989.
Vgl. Edmund D. Pelegrino, The virtuous Physician, and the Ethics of Medicine, in: Earl F. Shelp (ed.), Virtue
and Medicine, Dortrecht 1985, 237-255.
6
Vgl. Hanns Peter Wolff, Arzt und Patient, in: Hans-Martin Sass (Hg.), Medizin und Ethik, Stuttgart 1999, 184211.
5
9
Präventionspflicht abzuwägen. Außerdem bestehe ein Recht auf Verfügungen für den
Betreuungsfall und eine Pflicht zur Solidarität. 7
Von diesen Vorbedingungen ausgehend erschließen sich relativ leicht die Anlage und
die Verwendungsweise des „Tugendkatalogs für Arzt und medizinische Laien“ und des
„Bochumer Arbeitsbogens zur medizinethischen Praxis“. Die beiden Hilfsmittel werden
vorgestellt und kurz erläutert. Es wird darauf hingewiesen, dass sich die Falldiskussionen
während der Themenseminare nach Möglichkeit am Bochumer Arbeitsbogen orientieren.8
Obwohl für das ärztliche Handeln eine Orientierung an den mittleren Prinzipien (und
den damit notwendigen Ergänzungen) zunächst maßgeblich ist – nicht zuletzt, weil die
Prinzipien tatsächlich konsensfähig sind –, erscheint es uns nötig, auch innerhalb einer
Vermittlung ärztlicher Ethik auf den Umstand hinzuweisen, dass diese Orientierung für den
Einzelnen immer zu kurz greifen wird. Der verantwortlich handelnde Mensch verlangt
zwangsläufig danach, seine eigene moralische Überzeugung und seine daraus abgeleiteten
Handlungen wesentlich tiefgreifender zu begründen. Der Rückgriff aber auf derlei (Letzt-)begründungsstrategien gilt als überflüssig und gefährlich. Zumeist handele es sich dabei – so
der Vorwurf – um hoch theoretische und unüberschaubar komplexe Spitzfindigkeiten, welche
für die „Praxis“ keinerlei Relevanz hätten und die zuletzt nur zu einem Grabenkampf um die
im Grunde unversöhnlichen Begründungsstrategien führen könnten.
Doch kann man aus der Beschäftigung mit der traditionellen ethischen Theorie
wesentlich mehr lernen als nur die Fähigkeit, den eigenen Begründungsansatz gegenüber dem
vermeintlichen Gegner besser rechtfertigen zu können. Zunächst ergeben sich nämlich aus der
Beschäftigung mit der grundlegenden Literatur gewisse ethische Grundfragen, welche sich
bei jedem Ansatz wiederfinden. Zwar fällt die Beantwortung dieser Fragen im einzelnen ganz
anders aus, und mit der Schwerpunktsetzung auf bestimmte Begriffe ergeben sich
verschiedene Wertorientierungen und Handlungsanweisungen; dennoch ist entscheidend, dass
sich bei jeder Ethik – Ethik verstanden als „reflektiert-philosophisches Nachdenken über das
richtige und gute Verhalten“ – die gleichen Fragen nach dem Leben und unseren Zielen, nach
unserem Glück und der Freundschaft, nach der Verpflichtung und dem Sollen, nach dem
7
Vgl. hierzu Hans Martin Sass, Ethik-Unterricht im Medizinstudium, Methoden, Modelle. Ziele in der
Integration von Medizinethik in die medizinische Aus- und Fortbildung, Bochum 1996; Hans Martin Sass,
Herbert Viefhues, Güterabwägung in der Medizin. Ethische und ärztliche Probleme, Heidelberg 1991; HansMartin Sass, Hippokratisches Ethos und Nachhippokratische Ethik, Bochum 1994 (vgl. hierin auch den
„Tugendkatalog für Arzt und medizinische Laien“; vgl. Anhang 2); vgl. auch den „Bochumer Arbeitsbogen zur
medizinethischen Praxis. Wissenschaftliche und ethische Analyse zur Behandlung eines medizinischen Falles“
(erstmals in Heft 2 der „Medizinethischen Materialien“ des Zentrums für Ethik in der Medizin, Bochum 1987;
vgl. Anhang 3).
10
Nutzen, der Verantwortung und nach der Freiheit und nicht zuletzt die Frage nach dem Guten
immer wieder neu stellen.
Um diese Fragen nun kreist nicht nur das Denken der großen Philosophen, sondern das
Denken jedes Menschen. Und es lässt sich annehmen, dass nicht nur die Philosophen zu
unterschiedlichen Antworten kommen, sondern eben auch die „normalen“ Menschen. Auch
für den Arzt sind diese Fragen in zweierlei Hinsicht relevant: Zum einen schärft er durch die
Auseinandersetzung mit den ethischen verschiedenen Begründungstypen seine eigene
ethische Urteilsfähigkeit. Zum anderen aber weiß er in der Auseinandersetzung im Team und
vor allem in seiner Auseinandersetzung mit dem Patienten, dass es verschiedene
Möglichkeiten gibt, sein Leben einzurichten und sein Handeln zu begründen. Ohne dieses
Wissen wird er dem Patienten als selbstbestimmter Person mit einer unter Umständen völlig
konträrer Wertvorstellung niemals gerecht werden können. Das Gemeinsame der
Wertorientierung erkennt er dabei in der Auseinandersetzung auch des anderen Individuums
mit den gleichen philosophisch-ethischen Grundfragen. Deswegen ist der Hinweis auf
unterschiedliche Begründungsstrategien innerhalb der Ethik und ihre grundsätzliche
Anerkennung (echte Toleranz) auch kein blanker Relativismus.
Im Wesentlichen unterscheidet man – um nur die einschlägigen zu nennen –
teleologische, formale und utilitaristische Begründungsformen in der Ethik. Die teleologische,
tugendethische bzw. eudämonistisch Begründungsform geht zurück auf Aristoteles (384-321
v. Chr.). Dieser sieht das Ziel des menschlichen Handelns in der Erreichung der Eudaimonia
(Glückseligkeit), die sich durch die Kombination eines „guten Lebens“ – das betrifft die
äußeren Lebensbedingungen – und eines „guten Handelns“ einstellt. Das „gute Handeln“
besteht in eine Orientierung am „Mittleren“ unter Vermeidung von Extremen. Wer das
Mittlere trifft, handelt nach Aristoteles „tugendhaft“. Die „Tugend“ bei Aristoteles ist also ein
„Möglichst-Gut“ jeder Handlung in der Orientierung am Maß der Mitte. Er unterscheidet eine
Tugend des Charakters und der Haltung („Ethos“) sowie eine des Verstandes („Klugheit“ und
„Einsicht“).
Der Hauptvertreter der prinzipiellen, formalistischen bzw. deontologischen Richtung
ist Immanuel Kant (1724-1804). Dieser ist der Meinung, dass moralische Handlungen weder
durch persönliche Neigungen oder Wünsche noch durch eine Abschätzung und eine
Bewertung der Handlungsfolgen motiviert sein dürfen. Jenes bringe uns generell vom rechten
Weg ab, zu diesem seien wir letztlich nicht ausreichend in der Lage, da wir die Folgen unserer
8
Beide Hilfsmittel – Tugendkatalog und Arbeitsbogen – wurden den Studierenden in der Veranstaltung im
Handout zur Verfügung gestellt.
11
Handlungen nicht vollständig oder nahezu vollständig berechnen könnten; außerdem
bewerteten wir die Folgen unserer Handlungen wieder nur nach unseren Vorlieben. Dagegen
sollen wir uns an das objektiv gegebene moralische Gesetz des kategorischen Imperativs
halten („Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie
ein allgemeines Gesetz werde!“). Dieses dient als Prüfinstanz unserer Handlungsregeln. Seine
Anwendung garantiere die Allgemeinheit unserer Prinzipien. Für die Folgen unserer
Handlungen werden wir dadurch in gewisser Weise entlastet.
Nach John Stuart Mill (1806-1873) und dem Utilitarismus (hedonistisch und
empirisch) sollten uns zur moralischen Beurteilung unserer Handlungen ausschließlich die
Folgen interessieren; und zwar insofern, als sie uns nützen oder schaden. Im Nutzen für den
Menschen und darüber hinaus für die Allgemeinheit einer Gesellschaft sei das Gute zu sehen.
Am meisten nütze uns die Befriedigung unserer Interessen und unserer Bedürfnisse. Das
utilitaristische Paradigma ist im anglo-amerikanischen Raum das meist verbreitete
Begründungsschema, vor allem auch in der Medizin- und in der Bioethik. Innerhalb dieser
Paradigmen gibt es freilich verschiedene Ausformungen. 9
Jenseits dieser unterschiedlichen Formen der moralischen Grundlagen – aber gewiss
nicht unabhängig davon – kann es im medizinisch-klinischen Alltag zu ethischen Konflikten
in den Wertentscheidungen zwischen den Beteiligten einer Behandlungsentscheidung und
innerhalb der Wertorientierung jedes einzelnen kommen. Daneben gibt es noch Konflikte in
den Kommunikationsstrukturen, welche aber sehr häufig ebenfalls Konflikte in den
Wertstrukturen sind. Der erste Schritt auf dem Weg zu einer Lösung dieser Konflikte muss
demnach darin bestehen, sich die Wertstrukturen der beteiligten Personen und die
Wertkonflikte innerhalb typischer Situationen des ärztlichen Alltags zu verdeutlichen.
Dem dient in der ethischen Ausbildung von Medizinstudierenden die Analyse von
exemplarischen Fällen 10 . Zum einen können an Hand der Übungsfälle die eigenen moralische
Intentionen und Positionen bewusst gemacht und in einem zweiten Schritt geschärft und
reflektiert werden. Zum anderen lernt man daran, ethische Konflikte und die eigene Position
zu diesen zu verbalisieren. Die Fähigkeit, ethisch zu argumentieren, kann also geübt werden.
Das Ziel von ethischen Entscheidungen innerhalb problematischer Behandlungssituationen ist
die Konsistenz der Handlungen während einer Therapie, innerhalb des Behandlungsteams,
unter Umständen sogar innerhalb einer Klinik. Das bedeutet, dass Behandlungsmaßnahmen
9
Vgl. hierzu auch Anhang 4.
Man spricht hierbei vom narrativen Ansatz. Die Alternative dazu besteht im systematischen Aufarbeiten von
Positionen der ethischen Problemfelder innerhalb des medizinischen Spektrums, indem man die Argumente für
und wider erörtert.
10
12
nicht ohne klare Gründe einmal so und dann wieder anders durchgeführt werden dürfen. Um
solche „ethischen Leitlinien“ zu formulieren, muss einem aber von Grund auf klar sein, was
man für ethisch richtig hält und welche Ziele man damit verbindet.
Für die Lösung von Kommunikationsproblemen (v. a. der schweren Art) braucht es
freilich einen professionellen psychologischen Berater. Auch dieser aber ist angewiesen auf
die Kommunikationsfähigkeit der Beteiligten. Ethische Begründungen und die Fähigkeit,
ethisch zu argumentieren, erleichtern hierbei die Arbeit eines solchen Beraters oder machen
ihn sogar von vornherein überflüssig.
Wir wenden uns im Folgenden den Themenbereichen für die klinische Ethik zu.
Thema 1: Patientenautonomie, Probleme des Aufklärungsgesprächs und Einwilligung
Fallvorstellung 1 11 : Bei der körperlichen Untersuchung infolge einer Notfallaufnahme
(Sturz im Pflegeheim), wurde bei einer 78jährigen Rentnerin ein Mammakarzinom
diagnostiziert. Die Patientin verweigerte jede Therapie.
Es wurde diskutiert: Ist die Haltung der Patientin nachvollziehbar? Wie reagiert der
Arzt bzw. die Ärztin? Wie wird die Patientin aufgeklärt? Was heißt Patienten-Autonomie?
Welche Alternativen gibt es zu einer operativen Entfernung des Knotens? Wie ist der
Krankheitsverlauf ohne Therapie? Welche Nachteile sind dabei für den Alltag der Patientin zu
erwarten? Welche Konsequenzen hat die Operation? Welche Konsequenzen muss man
überhaupt bei Therapieverweigerung beachten? Wann thematisiert der Arzt gegenüber den
Patienten deren Tod? Würde die Bewertung anders ausfallen, wenn es sich um eine 35jährige
Patientin handelte? Gibt es bei einer jüngeren Patientin andere Motive, eine solche Operation
zu verweigern? Welcher Unterschied besteht bezüglich der Patientenautonomie zwischen
kurativen und palliativen Maßnahmen? Wie ist der Gesamtzustand der Patientin
einzuschätzen? Bestehen weitere Erkrankungen? Inwiefern muss die Familie einer solchen
Patientin mit in die Entscheidungen einbezogen werden? Es stellt sich weiter die Frage nach
der Urteilsfähigkeit der Patientin.
Es wurde dann berichtet, dass für die 78jährige Frau infolge eines hirn-organischen
Psychosyndroms schon vor längerer Zeit eine Amtspflegschaft eingerichtet worden war. Es
wurde Rücksprache mit der neurologischen Abteilung gehalten, inwiefern die Patientin
überhaupt noch einwilligungsfähig war. Der dann befragte Betreuer der Patientin lehnte
11
Modifiziert nach Carmen Kaminsky, Ethische Aspekte medizinischer Fälle – kommentiert und diskutiert.
Ergebnisse der IV. Fallstudien des Zentrums für Medizinische Ethik (Medizinethische Materialien Heft 62),
Bochum 1990, 55f.
13
jedoch eine kurative Therapie mit dem Hinweis auf die Lebensqualität der Patientin ebenfalls
ab.
Was bedeutet eine Amtspflegschaft oder eine Betreuungssituation? Für welche
Bereiche werden solche Pflegschaften eingerichtet? Welche Arten von Betreuung gibt es?
Wer entscheidet über eine Pflegschaft? Was sieht das Betreuungsrecht vor? Wie ist mit
Betreuern von Patienten umzugehen? Gibt es finanzielle Aspekte der Therapie oder der
Therapieverweigerung?
Was
ist
zu
beachten,
wenn
der
Betreuer
in
einem
Verwandtschaftsverhältnis zum Patienten steht? Was ist unter Lebensqualität und dem
Lebenswert allgemein zu verstehen?
Fallvorstellung 2 12 : 45jähriger Patient mit Amyotropher Lateralsklerose (ALS),
progredienter Verlauf; trotz künstlicher Ernährung (infolge Schluckstörungen) und einer
nichtinvasiven Überdruckbeatmung mittels Maske wurde der Patient insgesamt als sehr
kommunikativ beschrieben. Er bediente sich, als er noch zuhause versorgt werden konnte, des
Computers und er unterhielt auf diese Weise zahlreiche E-Mailkontakte. Wegen eines HerzKreislaufstillstands infolge einer Aspirationspneumonie wurde er reanimiert und anschließend
intubiert. Es stellte sich heraus, dass infolge eines hypoxischen Hirnschadens weite Bereiche
der Großhirnfunktion ausgefallen waren. Der Patient wurde irreversibel apallisch. Die Frau
des Patienten verlangte, nachdem sie als Betreuerin vom Vormundschaftsgericht eingesetzt
wurde, die Extubation. Aus Gesprächen mit ihrem Mann wüßte sie, dass er nur beatmet
werden wollte, wenn die Möglichkeit der Wiedererlangung des Bewusstseins bestünde. Eine
Extubation würde aber infolge der Atemwegserkrankung sehr schnell zum Tod führen.
Es wurde diskutiert: Wer darf/muss den Tubus entfernen (heftige Diskussion!)? Wie
steht man zu iatrogen bedingtem Leid? Wie ist der Patientenwille zu eruieren? Reicht eine
Erklärung der Frau zur Bestimmung des mutmaßlichen Willens des Patienten aus? Was ist
unter dem „mutmaßlichen Patienten-Willen“ zu verstehen? Hätte im vorliegenden Fall schon
vorher auf mögliche Komplikationen aufmerksam gemacht werden müssen, damit der
Patientenwille zuverlässig eruiert und dokumentiert hätte werden können? Wie hat eine
solche Patientenaufklärung zu erfolgen? Unter welchen Voraussetzungen ist eine
Patientenaufklärung überhaupt „rechtfertigend“? Welche Funktionen hat eine Aufklärung des
Patienten aus juristischer Sicht? Unter welchen Bedingungen und in welcher Form hat eine
Patientenaufklärung zu erfolgen? Was sind die Ziele einer Aufklärung des Patienten? Wann
12
Nach Charly Gaul, „Kann Autonomie ‚fremdvertreten‘ werden? Philosophische, medizinische und juristische
Überlegungen zur Einstellung lebenserhaltender Therapie bei Schwerstkranken unter Wahrung der Autonomie
der Betroffenen“, in: Ethik in der Medizin 14,2002, 162ff.)
14
sind Aufklärungen unwirksam? Wer klärt den Patienten auf? Welche Inhalte müssen
Aufklärungen enthalten?
Thema 2: Beziehung zwischen Patienten, Ärzten, Pflegenden und Angehörigen
Das Problem der unterschiedlichen Kommunikationsebenen, welchen der Arzt im
Alltag ausgesetzt ist, wurde an Hand von sequenzierten Rollenspielen vermittelt. Das
Rollenspiel fungiert hier nur als Methode, innerhalb von gespielten Konfliktsituationen eine
Selbsterfahrung zu erzeugen oder zu simulieren, an Hand derer die ethischen Dimensionen
dieser Konflikte gleichsam „erfühlt“ und dann im Plenum diskutiert und reflektiert werden
konnten.
Der
Schwerpunkt
dieses
Themenkomplexes
lag
ebenfalls
auf
der
Patientenaufklärung bzw. der Aufklärung der Angehörigen.
Häufig treffen Ärzte auf das kommunikative Problem als Nicht-Fachärzte, Auskunft
über einzelne Fachfragen zu geben, für die sie in ihrer vollen Tragweite nicht ausreichend
ausgebildet sein können. Die Folge ist eine Unsicherheit im Umgang mit Patienten. Auf der
einen Seite hat der Arzt gegenüber dem Patienten einen enormen Wissensvorsprung, auf der
anderen Seite darf ihn das nicht dazu verleiten, über den Patienten leichtfertig hinweg zu
reden und zu entscheiden. Diese Gefahr besteht besonders angesichts einer Unsicherheit in
ausgesprochenen Fachfragen, v. a. wenn es um den Verlauf und die Prognose von ernsthaften
Erkrankungen
geht.
Diesen
Situationen
sind
in
erster
Linie
Allgemeinärzte,
Bereitschaftsdienst-Ärzte und Notaufnahme-Ärzte ausgesetzt. Dienstpläne nehmen zumeist
nämlich keine Rücksicht darauf, dass ein Arzt noch jung, neu und unerfahren ist.
Das erste Rollenspiel 13 bestand in einer solchen Notaufnahme-Situation. Zuerst wurde
den Studierenden aber die Frage gestellt, wie diese das Dilemma von Wahrhaftigkeit bei einer
schweren Erkrankung und dem Vertrauen, wenn man für die spezifische Erkrankung kein
Facharzt ist, beurteilen. In wie weit soll in solchen Situationen die Tragweite einer Diagnose
mitgeteilt werden? Wir nahmen den Fall eines jugendlichen Patienten, der sich am späten
Nachmittag zusammen mit seinem Bruder in der Notaufnahme vorstellt. Er klagt lediglich
über Rachenschmerzen. Vom Hausarzt ist der Notaufnahme-Arzt telefonisch über den
Verdacht auf eine akute Leukämie informiert. Der Patient selbst wirkt unsicher und ängstlich.
Die Notaufnahme fungiert in diesem Beispiel als Zwischenstation vor der Aufnahme auf eine
hämatologische Spezialstation. Der Notaufnahme-Arzt ist kein Spezialist und verfügt nicht
über gesichertes Wissen über die Prognose, über die Therapie und über die Risiken von
Erkrankung und Therapie. Er weiß gerade, dass manchmal keine Heilung bei akuten
15
Leukämien möglich ist, dass die Therapie allerdings erhebliche Belastungen für den Patienten
und seine Angehörigen mit sich bringt, dass Patienten auch an den Nebenwirkungen von
Chemotherapien, die mitunter sehr heftig sein können, versterben und dass die Therapie
mehrere Monate dauert.
Die Situation war für den Notaufnahme-Arzt zusätzlich problematisch gestaltet: Er
war mit drei weiteren, schwer kranken Patienten beschäftigt, zudem war in einer halben
Stunde ein weiterer bewusstloser Patient für den Schockraum angekündigt. Im Falle des
Leukämiekranken muss als erstes „medizinisch-technisches“ Ziel ein Differentialblutbild zur
Diagnosesicherung erstellt werden, das dann von einem Arzt des hämatologischen
Hintergrunddienstes beurteilt werden muss, um die Schwere der Erkrankung und damit den
Therapiebeginn festzustellen. Wie findet der Arzt einen Zugang zum Patienten? Wie erklärt er
ihm die Notwendigkeit von Untersuchungen im Stadium der unsicheren Diagnose?
Wie verfährt man bei der Aufklärung des Patienten? Wie erklärt man ihm seine
Krankheit? Welche Begriffe verwendet man (Leukämie, Krebserkrankung, Blutkrebs)? Was
tut man, wenn der Patient sich nicht mit dem Verweis auf den Spezialarzt zufrieden gibt? Wie
macht man ihm die Notwendigkeit der Untersuchungen klar (obwohl die meisten Patienten
zufrieden sind, wenn mit ihnen „irgendetwas“ passiert!)? Dürfen Angehörige, welche den
Patienten begleitet haben, bei dem Gespräch dabei sein? Sollte die eigene Stellung innerhalb
der Klinikhierarchie vor dem Hintergrund des aktuellen Ausbildungsstandes mitgeteilt
werden? Inwiefern trägt das zur Verunsicherung des Patienten bei? Sollte man die Fragen des
Patienten steuern? Wie reagiert man auf seine Fragen: Was passiert mit mir? Was fehlt mir?
Muss ich hier bleiben? Bekomme ich Medikamente? Dauert die Behandlung lange? Ist es
schlimm? Wie reagiert man auf eine Abwehrhaltung des Patienten, der die Diagnose (Krebs!)
nicht glauben will, vor allem, wenn man sich selbst mit der Diagnose noch nicht sicher ist?
Was sagt der Arzt, wenn der Patient eine Prognose verlangt? Zumeist stehen solche
Gespräche zwischen Arzt und Patient auch noch unter enormem Zeitdruck. Wie geht man mit
Störungen um (Pflegekräfte, Hausfunk)? Wie steht es um das Vertrauensverhältnis zum
Patienten, wenn ein Schichtwechsel bevorsteht? Kann man ihn „auf eigenen Verantwortung“
entlassen? Stellt sich die Frage nach einer Suizidgefährdung?
Zweites Rollenspiel: Andere Probleme stellen sich für den Stationsarzt. Dieser ist
Fachmann und hat ausreichende und fundierte Erfahrungen mit Leukämieerkrankungen. Das
Problem, wie man den Patienten über die Art seiner Erkrankung aufklärt, stellt sich hier auf
einer anderen Ebene: Wie steht es dabei um Wahrscheinlichkeitsaussagen und den damit
13
Die Rollenspiele sind entwickelt von Dr. Falitsa Mandraka und Dr. Florian Obermeier.
16
verbundenen Prognosen? Hat der Patient überhaupt eine Möglichkeit, statistische Aussagen
zu verstehen? Was mutet man ihm damit zu? Wie vermittelt man die Alternativen von
Behandlungen? Wie spricht man über die Dauer einer Therapie? Wie steht es um die
besonderen Lebensumstände des Patienten? Wie weit werden diese durch den Aufenthalt auf
der Station und die Chemotherapie eingeschränkt? Wie viel Zeit bleibt insgesamt überhaupt
zur Klärung dieser Fragen? Wer darf den Patienten aufklären? Wo hat ein solches Gespräch
idealerweise stattzufinden? Wie geht man dabei mit den Angehörigen um? Wie reagiert man
auf Differenzen innerhalb der Familie, soweit sie die Behandlung oder aber auch die Familie
und ihre Struktur selbst betreffen? Muss der Arzt dabei unter Umständen den Vermittler
spielen?
Wie geht man mit Medikamentenstudien um? Kann sich der Patient nach einer
eingehenden Aufklärung durch den Arzt weigern, an einer Studie teilzunehmen? Wie sehen
die Formulare aus, mit deren Hilfe der Arzt aufklärt und der Patient seine Einwilligung
bekundet? Sind solche Formulare sinnvoll? Sind die verwendeten Fragebögen zu „technisch“?
Ähnliches gilt für die Formulare zur Aufklärung von Operationen, diagnostischen Eingriffen
(z. B. im Hinblick auf eine Knochenmarkpunktion) oder Therapien (z. B. Chemotherapie). In
welcher Hinsicht werden dabei das Wohl und der Wille des Patienten berücksichtigt? Darf
man ihm oder seinen Angehörigen angesichts der Situation des Patienten etwas
verschweigen? Muss man das nicht sogar unter Umständen?
Thema 3: Umgang mit Tod und Sterben, Sterbebegleitung und Sterbehilfe
Dieser Themenbereich ist für die ethische Ausbildung von Medizinern ein
außerordentlich zentraler. Jedem Menschen fällt es schwer, Entscheidungen zu treffen, die
sich auf das Lebensende eines anderen Menschen beziehen. Ärzte haben sehr häufig mit
solchen Entscheidungen zu tun.
Die ethische Problematik wurde im Wesentlichen an Hand von Falldarstellungen
aufgezeigt. Die Darstellungen wurden stellenweise unterbrochen, um theoretische Inhalte mit
Hilfe von Folien und Handouts zu verdeutlichen. Dies betraf in erster Linie das Vorgehen zur
Todesfeststellung unter Erläuterung der „Richtlinien zur Feststellung des Hirntodes“ der
Bundesärztekammer. Weitere Inhalte waren der Umgang mit Patientenverfügung,
Einwilligung
und
Betreuung
sowie
die
unterschiedlichen
Konstellationen
der
Sterbebegleitung, Sterbehilfe (aktive, passive, indirekte, direkte, freiwillige und unfreiwillige)
und Beihilfe zur Selbsttötung. Beim letzten Bereich stellte sich zudem die Frage des
Rechtsanspruchs des Patienten und der Strafwürdigkeit bestimmter Handlungen des Arztes.
17
Weitere Probleme dieses Fragenkomplexes ergaben sich aus den Anforderungen der
Sterbebegleitung (Grundsätze der Bundesärztekammer) und bei der Frage nach dem
mutmaßlichen Willen des Patienten.
Fallvorstellung 1 14 : Ein dreißigjähriger Patient wurde mit einem nichtseminomatösen,
bereits stark metastasierten (Pankreas, Leber, Lunge, Skelett) Hodenkarzinom auf eine
Onkologie-Station
eingewiesen.
Nach
der
Orchiektomie
werden
mehrere
Zyklen
Chemotherapie (unter starken Nebenwirkungen) durchgeführt. Die Metastasen in Lunge und
Pankreas waren nur gering rückläufig und nahmen nach Abbruch der Behandlung an Größe
zu. Die behandelnden Ärzte entschlossen sich zu einer Hochdosis-Chemotherapie und zur
Durchführung einer Stammzellapherese.
Das schlechte Ansprechen auf die Chemotherapie deutete auf eine infauste Prognose
hin. Die Therapie hatte deshalb in erster Linie palliativen Charakter. Es wurden die
Unterschiede zwischen kurativer und palliativer Medizin erläutert. Manchmal keimt während
einer palliativen Behandlung bei Patienten wie Ärzten Hoffnung auf, die Therapie wird dann
gegebenenfalls ausgeweitet. Würde man dann schon von kurativen Maßnahmen reden? Meist
wollen die Patienten „unbedingt“ überleben und Ärzte können sich – schon von ihrem
Selbstverständnis her – diesem Wunsch nicht entziehen.
Wie ist mit dem Patienten zu reden, um ihn über seine schlechte Prognose und damit
über seinen bevorstehenden Tod aufzuklären? Sind mehrere Gespräche nötig? Wie langsam
bereitet man den Patienten vor? Welche Probleme bringen eine zu schnelle und totale
Aufklärung mit sich? In welcher Hinsicht ist bei der Aufklärung die Familie des Patienten
einzubeziehen? Gibt es eine Pflicht der Angehörigen, dem Patienten beizustehen? Kann der
Arzt diese Pflicht einfordern? Und, wenn ja, wie? Auf welche Weise ist zunächst einmal der
Familienhintergrund und die Sozialstruktur der Familie zu eruieren und in der Aufklärung
besonders zu berücksichtigen?
Schon vor jeder Chemotherapie sollte im Grunde über die Frage nach dem Tod und
nach dem Behandlungswillen des Patienten gesprochen werden. Bei Komplikationen oder der
Verschlechterung des Gesamtzustands (Ausweitung der Krankheit, Infektionen etc.) kann ein
derartiges Gespräch erschwert oder sogar unmöglich sein. Nur wenige Ärzte kommen aber
früh auf dieses Thema zu sprechen. Dafür gibt es verschiedene, nahe liegende Gründe, die
nicht nur die „medizinische Kunst“ selbst zu vertreten hat.
Da im vorliegenden Fall weitere Komplikationen zu erwarten sind, ist ein Gespräch
über die zu ergreifenden Maßnahmen offenbar dringend angezeigt, auch für eine
18
Patientenverfügung, für die Eruierung des Patientenwillens und für die Frage, ob
gegebenenfalls ein Betreuer im Sinne eines Verfügungsbeauftragten eingesetzt werden soll –
und wenn ja, wer diese Aufgabe (aus der Familie?) übernehmen soll. Angesichts des
schlechten Zustands des Patienten und angesichts des Drucks, unter dem er und seine Familie
zwangsläufig stehen, sind in dieser Phase die investigativen Möglichkeiten bereits
außerordentlich beschränkt.
Bei der Wiederaufnahme wirkte der Patient desorientiert, aggressiv, abwehrend; er
sprach verwaschen. Nach Beugekrämpfen und einem Opisthotonus wurde der Patient
intubiert und analgesiert. Es bestand der Verdacht auf Meningitis. Verschiedene
Diagnoseverfahren (CCT, MRT, Liquorpunktion) ergaben aber noch nach längerer Zeit
keinen eindeutigen Befund. Da weitere Hinweise auf Meningitis (KM-Enhancement)
bestanden, aber keine Hinweise auf Blutungen, Apoplexie, RF oder maligne Zellen und nur
wenige Entzündungszellen im Liquor gefunden wurden, wurde antibiotisch therapiert.
Kann man davon sprechen, dass der Zustand des Patienten durch die ärztlichtherapeutischen Maßnahmen, also iatrogen, verschlechtert wurde? Wie geht der Arzt damit
um? Wie steht es im vorliegenden Fall um den Willen des Patienten? Die Familie leistet
offenbar nicht mehr nur Beistand, sondern muss zunehmend die Entscheidungen des
Behandlungsteams mittragen. Selbst Patientenverfügungen, wenn sie denn vorliegen, sind
nicht immer eindeutig zu interpretieren. Was versteht man dabei unter einer „gemeinsamen
Entscheidung“? Wie werden Therapieziele festgelegt? Wie ist mit Patientenverfügungen
umzugehen? Binden sie den Arzt in jedem Fall?
Im Seminar wurden so genannte Entscheidungsdiagramme besprochen, die helfen
sollen, situationsadäquat (über Ja-Nein-Fragen zum Konsens in Akutsituationen, bei NichtEinwilligungsfähigkeit, bei lebensverlängernden Maßnahmen, bezüglich eines mutmaßlichen
Willens usf.) Behandlungsziele in der Auseinandersetzung mit Patienten, Familie und
Betreuer festzulegen. Ein wichtiger Aspekt all dieser Verfahren ist die Dokumentation der
Entscheidungsfindung. Von hier ausgehend wurden die Fragen nach der Autonomie des
Patienten, nach Patientenverfügungen, nach aktiver und passiver Sterbehilfe, nach den
rechtlichen Bedingungen einer „Betreuungssache“ (wann ist das Vormundschaftsgericht
einzuschalten? usf.) und nach den Grenzen der ärztlichen Behandlungspflicht erörtert.
Im vorliegenden Fall verstarb der Patient. Der Tod wurde als „Hirntod“ diagnostiziert.
Es wurde erläutert, was „Hirntod“ bedeutet und wie ihn der Arzt feststellt. Da sich im
geschilderten Fall die Ärzte über die Ursachen der massiven Verschlechterung in den letzten
14
Der Fall wurde entwickelt von den Dr. Thomas Müller und Dr. Julia Langgartner
19
Monaten informieren wollten, wurde eine Obduktion erwogen. Diese wurde gerichtlich
untersagt. Verträgt sich das Forschungsinteresse überhaupt mit der Würde des Toten? Ist
angesichts der Interessen anderer Patienten, denen die Forschungsergebnisse der Obduktion
helfen würden, nicht angezeigt?
Fallvorstellung 2 15 : Ein 53jähriger Patient litt an fortgeschrittener Herzinsuffizienz
infolge
einer
Herzmuskelerkrankung.
Um
das
Überleben
bis
zur
vorgesehenen
Herztransplantation (seltene Blutgruppe, Übergewicht) zu ermöglichen, musste ihm eine
künstliche Herzpumpe zur Unterstützung der linken Herzkammer eingesetzt werden. Später
wurde der Patient wegen einer Sepsis, welche infolge einer Infektion der Herzpumpe
entstand, auf die Intensivstation aufgenommen. Zwar konnte die Sepsis kontrolliert werden,
mehrere Hirninfarkte verkomplizierten allerdings den Krankheitsverlauf. Nach einer schweren
Hirnschädigung infolge einer ausgedehnten Hirnblutung musste der Patient wegen der
infausten Prognose von der High-urgency-Liste für die Organtransplantation genommen
werden. Die blutgerinnungshemmenden Medikamente mussten abgesetzt werden, um die
fortschreitende Hirnblutung einzudämmen. Nachdem keine sinnvolle Therapiemöglichkeit
mehr bestand und die Prognose infaust war, wird in Absprache mit den Angehörigen die
künstliche Herzpumpe abgeschaltet, woraufhin der Patient am nächsten Tag verstarb.
In diesem Fall stellen sich ethische Fragen bezüglich Organtransplantationen. Die
künstliche Herzpumpe fungierte allein als Überbrückungsmaßnahme bis zur Transplantation.
Nachdem eine Transplantation wegen des schlechten Zustands und der weiteren
Erkrankungen des Patienten nicht mehr möglich ist, ergab sich zwingend, keine
Therapieeskalation mehr zu unternehmen. Im Grunde müsste dann konsequenterweise auch
die Herzpumpe abgeschaltet werden. Ist das aber so ohne weiteres zu verantworten? Wer
schaltet die Pumpe ab? Wo liegen die Unterschiede zwischen einer Therapiebegrenzung und
einer Therapieeskalation? Auch hier schließen sich Fragen der Sterbehilfe, der
Sterbebegleitung und dem Ergreifen von palliativen Maßnahmen an.
Fallvorstellung 3: 16 Eine 84jährige Patientin befand sich wegen Krampfadern und
Ulcera cruris (Unterschenkelgeschwüre) in stationärer Behandlung. Plötzlich übergab sie sich
beim Mittagessen und wurde bewusstlos. Der herbeigerufene Arzt ertastete keinen Puls mehr
und rief das Reanimationsteam, das 20 Minuten lang ohne Erfolg reanimierte. Unter
Reanimationsbedingungen wurde die Frau auf die Intensivstation gebracht; nach Anlage eines
externen Schrittmachers bei AV-Block III (bei einer atrioventrikulären Überleitungsstörung
15
Aus: Ethik in der Medizin 14,2002, 215ff.: „Fall und Kommentare. Therapieabbruch auf der Intensivstation.
Ein Fallbericht zur Abschaltung einer künstlichen Herzpumpe“.
20
III. Grades ist der Schrittmacher dringend indiziert) stabilisierte sich ihr Kreislauf. Noch nach
drei Tagen aber wachte sie nicht adäquat auf und auch die kraniale CT lieferte keinen
eindeutigen Befund. Die Patientin war akut schrittmacherabhängig und es stand zu erwarten,
dass sie es wohl dauerhaft bleiben würde. Da sie nicht ansprechbar war, bestellte das
Amtsgericht ihren Sohn als Betreuer. Weiterhin zeigte die Patientin keine eindeutigen
Reaktionen. Bei längerer Liegezeit des Schrittmachers und bei Fieber der Patientin waren die
Entfernung des externen Schrittmachers und die Anlage eines dauerhaften Schrittmachers
indiziert. In diesem Augenblick tauchte auf der Station die Tochter der Patientin mit einem
Patiententestament auf, das jede lebensverlängernde Maßnahme im Falle einer unheilbaren
Erkrankung bzw. dauernder Bewusstlosigkeit untersagte. Auch der Sohn sprach sich als
Betreuer dagegen aus, dass ein permanenter Schrittmacher eingesetzt würde. Er gab an, er
wolle seiner Mutter jedes weitere Leid ersparen, nachdem anscheinend keine Aussicht auf
ihre Genesung mehr bestehe. Erneut wurde das Vormundschaftsgericht angerufen, da Ärzteund Pflegeteam eine Weitertherapie für sinnvoll hielten. Das Gericht ordnete darauf hin die
Therapie (SM-Implantation) an. Zwei Wochen später konnte die Patientin die Intensivstation
bei mäßigem Allgemeinzustand, aber mit zufrieden stellendem neurologischem Befund
verlassen.
Eine Reanimation ist immer mit erheblichen Risiken für den Patienten verbunden.
Neben den drohenden neurologischen Ausfällen (Hypoxie bis hin zum appallischen Syndrom
– je nach dem Zeitpunkt des Reanimationsbeginns) ist der Sinn einer Reanimationsmaßnahme
abhängig von der Grunderkrankung. Die ist aber für das Rettungsteam häufig gar nicht
erkennbar. Wie lange soll also reanimiert werden, wenn die Maßnahmen keinen schnellen
Erfolg zeigen? Im vorliegenden Fall ergibt sich noch nach Tagen kein befriedigender Befund,
der eine eindeutig positive Prognose zulässt. Dann taucht auch noch ein Patiententestament
auf. (Das möglicherweise ja schon eine Verfügung zur Unterlassung einer Wiederbelebung
enthält!) Welchen (rechtlichen) Stellenwert hat dieses Testament? Inwiefern sind darin
enthaltene Bestimmungen auf den konkreten Fall anzuwenden? Weiterhin liegen mündliche
Äußerungen eines vom Amtsgericht bestellten Betreuers und eines weiteren nahen
Angehörigen der Patientin vor. Muss sich der Arzt an den darin geäußerten Willen halten?
Welche Rechtfertigung gibt es, dennoch das Vormundschaftsgericht anzurufen, um eine
Weitertherapierung juristisch abzusichern. Inwiefern wird dadurch die Arzt-Patienten- (bzw.
die Arzt-Betreuer-) Beziehung belastet? Auch muss bedacht werden, dass sich die
Lebensqualität der Patientin nach dem Zwischenfall (womöglich erheblich) verschlechtert hat.
16
Der Fall wurde entwickelt von Dr. Julia Langgartner.
21
Wie steht es überhaupt mir der Einbeziehung von Fragen zur Lebensqualität der Patienten
nach Reanimationen oder intensivmedizinischen Maßnahmen?
Die geschilderten Fälle bildeten jeweils auch den Ausgangspunkt der Erörterung und
Diskussion um die Feststellung des Hirntodes (beim Testistumor), um die Grundsätze der
Sterbebegleitung und Sterbehilfe (im Anschluss an der Fall mit der künstlichen Herzpumpe)
und um die Patientenverfügung (im Fall der reanimierten Dame).
Thema 4: Umgang mit Kindern, vor allem bei psychischen oder onkologischen
Erkrankungen
Die zentrale Frage der Blockveranstaltung zur Medizinischen Ethik an der Universität
Regensburg lag im Problem der Einwilligung durch den Patienten. Es lag nahe, in dieser
Hinsicht auch in Bezug auf Kinder und Jugendliche nachzufragen. Man merkt dabei sehr
deutlich, dass das Einwilligungsproblem mehrgliedrig ist. Bei einem kleinen Kind
entscheiden über sein Wohl im Normalfall die Eltern. Was aber ist bei Entscheidungen durch
die Eltern, wenn sie anscheinend nicht dem Wohl des Kindes entsprechen? Es geht hier
offenbar gar nicht um den stellvertretenden Willen des Kindes, welcher durch die Eltern
vertreten wird, sondern nur um dessen Wohl, wie immer das näher zu bestimmen ist. Bei
älteren Kindern oder Jugendlichen, bei denen man annimmt, dass sie bestimmte
Entscheidungen schon selbst treffen können, wird es teilweise wesentlich komplexer. Welche
Entscheidungen sind das, die der Jugendliche selbst beurteilen kann? Wer beurteilt, ob der
Jugendliche tatsächlich in der Lage ist, seine Entscheidung zu treffen? Die beiden folgenden
Fälle sollten die unterschiedlichen Aspekte verdeutlichen:
Fallvorstellungen 1 17 : Während eines Geburtsvorgangs kam es zu Komplikationen,
welche infolge einer Hypoxämie zu einem schweren Hirnschaden führten. Die Untersuchung
nach der Geburt ergab, dass der Säugling zudem mehrfach erheblich behindert war
(Speiseröhrenatresie, Aortenisthmusstenose, Darmatresie). Das Kind wurde künstlich ernährt.
Wegen der Hirnschäden wird es niemals selbst Nahrung zu sich nehmen oder sinnvoll
kommunizieren können. Die Eltern wurden gebeten, in eine operative Öffnung des
Oesophagus einzuwilligen, damit das Baby auf natürliche Weise ernährt werden konnte.
Ihnen wurde zudem mitgeteilt, dass eine Darmoperation nötig werden könnte und dass in ein
paar Jahren mit Sicherheit eine Herzoperation durchgeführt werden müsste. Die Eltern
verweigerten die Zustimmung zur Operation. Sie wollten nicht, dass ihr Kind leiden müsse.
Welche Pflichten hat der Arzt? Handelten die Eltern mit ihrer Weigerung, die Operation
22
durchführen zu lassen, verantwortlich? Wie sind dem gegenüber die Risiken der Operationen
zu bewerten?
Es stellen sich hier zunächst noch eine Reihe medizinischer Fragen: Wie hoch ist die
Lebenserwartung mit bzw. ohne OP? Empfindet das Kind Schmerzen? Wie ist das „Wohl des
Kindes“ im vorliegenden Fall zu bestimmen? Wie sind die Lebensumstände des Kindes zu
bewerten? Müssen die Krankheiten des Kindes getrennt voneinander oder in ihrer
vorliegenden Kombination betrachtet werden? Welchen Begriff des Lebens (biologisch,
medizinisch, „geistig“) legt man in den Antworten zu diesen Fragen zugrunde? Ist das Leben
ein absoluter Wert, den es in jedem Fall zu erhalten gilt? Gibt es ein Recht auf Leben in
jedem Fall? Oder gibt es ein Recht auf ein „schönes bzw. angenehmes, komplikationsloses,
schmerzfreies usf.“ Leben? Wie ist das Leben im Alter bzw. in Krankheit zu betrachten?
Ändert sich dann der Begriff? Wie steht man zu Lebensverlängerungen durch die ärztliche
Kunst? Wie ist bei all diesen Fragen mit dem Begriff des salus aegroti umzugehen?
Die Nicht-Einwilligung der Eltern wurde von den Studierenden einhellig kritisiert. Es
wurden verschiedene Möglichkeiten diskutiert, wie die als notwendig erachtete Operation
durchgesetzt werden könnte. Wenn der Arzt die Eltern nicht zu überreden vermag, sollte er
ihnen für diese Entscheidung das Sorgerecht entziehen lassen. Welche Probleme bringt ein
solches Vorgehen von Ärzten mit sich? In welchen Fällen ist es aber dennoch geboten?
Ein weiterer wichtiger Problembereich, der sich angesichts des Falls eröffnen lässt, ist
der Umstand, dass die Hypoxie aufgrund von Komplikationen während des Geburtsvorgangs
aufgetreten ist. Es stellt sich die Frage, ob die Krankheit damit iatrogen ist. Wie sind also die
Umstände beschaffen, unter denen die Komplikationen aufgetreten sind? Haben Ärzte hier
möglicherweise bestimmte notwendige Maßnahmen versäumt? Wer hat Schuld an solchen
Vorkommnissen – etwa der junge und unerfahrene, völlig überlastete, nach einem 24- oder
sogar 30 - Stunden-Dienst noch zur Geburt gerufene Assistenzarzt? Wie ist mit ärztlichen
Kunstfehlern überhaupt umzugehen? Gibt es eine Verantwortung der Klinik in solchen
Fällen? Wie geht man mit dem Wissen darüber um, dass man selbst oder aber ein Kollege
einen Fehler gemacht hat, der zu massiven Problemen geführt hat?
Fallvorstellung 2 18 : Örkan, ein 6jähriger türkischer Junge aus einem kleinen
anatolischen Dorf, war an einer akuten lymphatischen Leukämie erkrankt. Seine Mutter war
in Deutschland aufgewachsen und hatte in die Türkei geheiratet. Die Familie war nur auf
Besuch in Deutschland. Örkan war das älteste von drei Kindern der Familie. Der Vater, der
17
18
Aus Kaminsky 1990, 32ff.
Der Fall wurde entwickelt von Prof. Dr. Bernd Salzberger.
23
kein Wort Deutsch sprach, hatte große Schwierigkeiten zu verstehen, dass eine Behandlung
mit „giftigen“ Medikamenten notwendig sein sollte. Er wollte das erst mit seinem Imam
besprechen.
Nachdem in der medizinischen Analyse geklärt wurde, welche Art Krankheit ALL ist,
wie häufig sie auftritt, welche Therapien möglich sind, welche Heilungschancen bestehen und
welcher Verlauf bei Therapieverzicht zu erwarten ist, stellt sich die Frage, wer an der
Entscheidung zur Therapie für den Jungen beteiligt ist. Wie steht Örkan zu der indizierten
Chemotherapie? Wie muss man ihm erklären, was mit ihm passiert? Wie muss er während der
Therapie betreut werden? Wie erklärt man ihm, dass er sterben wird, wenn er nicht therapiert
wird; wie, dass er an der Therapie sterben kann? „Versteht“ er seine Krankheit oder das, was
mit ihm passiert und passieren wird? Wie steht er zum Leben und zum Tod? Wie sind die
Eltern aufzuklären? Wie erläutert ein Arzt gegenüber Laien medizinische Details? Wie geht
man mit den Sprachbarrieren um? Was bedeutet es, wenn der Vater erst seinen Imam fragen
will? Wie vermittelt man Informationen überhaupt angesichts eines anderen kulturellen
Hintergrunds? Wie geht man dabei mit dem Zeitdruck um, da die Therapie möglichst
frühzeitig beginnen muss?
Die erste Behandlung war erfolgreich, Örkan kam in eine vollständige Remission,
musste sich aber regelmäßig in der Klinik vorstellen. Die Familie entschloss sich, in
Deutschland zu bleiben. Im Alter von 12 Jahren entwickelte Örkan ein Rezidiv, das auf eine
erneute Behandlung ansprach. Während der Behandlung traten aber mehrere Komplikationen
auf, unter anderem eine Sepsis und eine intrazerebrale Blutung, die zu einer spastischen
Hemiparese der linken Körperhälfte führte. Die Eltern trennten sich während der Behandlung,
Örkan und seine Schwester lebten bei der Mutter, sein jüngster Bruder, der 9 Jahre alt war,
lebte beim Vater. Auf Grund der hohen Rückfallgefahr sollte eine intensivierte
Chemotherapie mit allogener Stammzelltransplantation erfolgen. Eine Suche nach einem
Spender wurde eingeleitet.
Die oben genannten Fragen stellen sich unter zwei veränderten Bedingungen erneut.
Erstens bestand durch die Behandlung ein höheres Lebensrisiko für den Jungen. Zweitens war
Örkan älter geworden. Aufgrund der Erfahrungen mit seiner Krankheit, die er schon gemacht
hatte, konnte er schon besser einschätzen, ob er die Behandlung fortsetzen wollte. Der Wille
des Jungen war also verstärkt zu berücksichtigen. Es lässt sich an dieser Stelle auch
diskutieren, wie man verfährt, wenn die Entscheidung des Jungen für oder gegen die Therapie
anders ausfällt, als die seiner Mutter. Infolge der Komplikationen im Verlauf der neueren
Chemotherapie stellte sich auch die Frage nach der kurz- und mittelfristigen Lebensqualität
24
Örkans. Wenn ein Jugendlicher diese selbst beurteilen will, stellt sich unter Umständen das
Problem, ob man gegen den Patientenwillen einen Kooperationszwang verlangen könne.
Angesichts der Ausweglosigkeit der Situation bei Therapieverzicht muss man überlegen, ob
man einen minderjährigen Patienten nicht zu einer Therapie zwingen muss. Wann ist ein
Jugendlicher überhaupt bereit und fähig, einer Therapie zuzustimmen bzw. diese abzulehnen?
Es stellte sich heraus, dass der jüngere Bruder ein geeigneter Knochenmarkspender war. Der
Vater zweifelte am Sinn der Behandlung und hatte Sorge, dass auch der jüngere Bruder durch
die Behandlung Schaden nehmen könnte. Er wollte in die Türkei zurückkehren und den
jüngeren Sohn mitnehmen.
Nach Klärung der medizinischen Details einer Knochenmarktransplantation –
insbesondere unter der Voraussetzung der Zumutbarkeit und des Risikos für den jüngeren
Bruder – wird festgestellt, dass sich der Personenkreis, welcher von der Krankheit Örkans
betroffen und welcher inzwischen sogar unmittelbar zustimmungsberechtigt ist, sich
inzwischen auf das zweite Kind und wiederum den Vater erweitert hat. Wieder ergaben sich
Sprachprobleme. Da der Vater die Organspende seines jüngeren Sohnes in der ersten
Reaktion ablehnte, wurde diskutiert, ob es so etwas geben könnte, wie einen
Organspendenzwang.
Thema 5: Selbstverständnis von Ärzten und Studierenden der Medizin
Die Studierenden wurden zuerst gefragt, warum sie überhaupt Medizin studieren
wollten. Wenn auch einer der Studierenden angab, er wolle seine potentielle und zukünftige
Schwiegermutter beeindrucken, lagen die übrigen Antworten durchweg im Bereich des
Erwartbaren. Die eine Gruppe von Antworten betraf das Studium selbst und seine Nähe zu
naturwissenschaftlichen Methoden, eine zweite hatte innerfamiliäre Krankheiten zum Thema
oder gab an, aufgrund von Vorbildern Arzt werden zu wollen und eine dritte Gruppe von
Antworten verlegte sich auf den sicheren Beruf und sein gesellschaftliches Ansehen. Die
unterschiedlichen Antworten wurden analysiert und hinterfragt.
In einem zweiten Schritt wurde das ärztliche Rollenverständnis im „Eid des
Hippokrates“ mit der Präambel der Berufsordnungen der Bundesärztekammer und der
Landesärztekammern verglichen. Mit der Annahme der Approbation verpflichtet sich
immerhin jeder deutsche Arzt mit seiner Unterschrift auf die darin festgelegten Grundsätze.
Wie steht es um die Formulierungen „Dienst an der Menschlichkeit“, „Würde“, „Ehre und
edle Überlieferung des ärztlichen Berufes“ usf.? Es wurde diskutiert, ob solche
Formulierungen veraltet sind und durch neue ersetzt werden sollten. Angesichts der allgemein
25
angenommenen Tatsache, dass sich ohnehin kein Arzt an diesen Idealen orientierte (es müsste
freilich erst einmal hinterfragt werden, ob das so stimmt), wurde die Frage gestellt, ob
solcherlei Gelöbnisse nicht obsolet oder aber ob sie gerade nötig wären und insofern ein
Regulativ bildeten. Die Grundsätze des Berufs wurden sodann mit den Antworten aus der
Befragung der Studierenden verglichen.
Ein
anderer
Themenbereich
befasste
sich
hier
mit
Rollenkonflikten
des
praktizierenden Arztes angesichts verschiedener, in einzelnen Situationen konkurrierender
Prinzipien und Anforderungen, auf die er verpflichtet ist (Schweigepflicht, Doppelrolle:
Vertreter eines Berufsstandes oder sogar einer Behörde und Verpflichtung auf das Wohl des
einzelnen Patienten).
Falldarstellung 1 19 : Eine 17jährige Patientin erzählte dem Hausarzt beiläufig von der
Alkoholabhängigkeit ihrer Mutter („Sie säuft wie ein Loch!“). Der Arzt dürfte der Mutter aber
nicht erzählen, dass er das von ihr wüßte, da sie sonst erhebliche Probleme mit ihrer Mutter
bekäme. Nachdem die Tochter die Praxis verlassen hatte, fiel dem Arzt ein, dass er in der
darauf folgenden Woche wegen eines bevorstehenden operativen Eingriffs ein Gespräch mit
der Mutter führen wollte. Wegen der Narkose könnte es unter bestimmten Umständen bei der
Operation zu erheblichen und lebensbedrohlichen Komplikationen kommen, wenn den
behandelnden Ärzten die Alkoholabhängigkeit nicht bewusst wäre.
Welchen Prinzipien unterliegt der Arzt innerhalb seiner praktischen Tätigkeiten? Auf
der einen Seite ist er der Tochter gegenüber an das Schweigegebot gebunden, auf der anderen
Seite ist er ebenso dem Wohl der Mutter verpflichtet. Wenn er sich von seiner Kenntnis nichts
anmerken lässt, gefährdet er seine Patientin in Bezug auf den bevorstehenden Eingriff.
Besteht die Möglichkeit, bei der Tochter anzurufen, um sie zu bitten, sie möge mit der Mutter
reden? Dann verletzt er die Schweigepflicht, welche er gegenüber der Krankheit der Mutter
hat.
Wie glaubwürdig sind die Beteiligten? Wie soll sich der Hausarzt im Gespräch mit der
Mutter verhalten? Kann er sie direkt auf ihre Alkoholabhängigkeit ansprechen? Soll er sie
besser beiläufig fragen, ob sie hin und wieder etwas trinke? Er kann sich dabei
möglicherweise denken, dass das entschiedene Abstreiten des Umstandes durch die Frau in
direkter Proportionalität zur Schwere ihrer Suchtabhängigkeit steht. Darf er vorschützen, es
seien im Hinblick auf die Operation noch diagnostische Tests (z. B. eine Blutentnahme) nötig,
um dadurch den Alkoholkonsum (Restalkohol, erhöhte Leberwerte) nachzuweisen? Muss er
sie letztlich zum Geständnis drängen, die Operation verschieben oder sogar absagen? Die
26
Tochter leidet offenbar schon mehrere Jahre unter der Alkoholabhängigkeit ihrer Mutter,
sonst würde sie sich kaum einer solchen Wortwahl bedienen. Oder kann es sein, dass die
Tochter übertreibt? Wie geht ein Arzt generell mit Informationen über seine Patienten um, die
er nicht aus dem ärztlichen Gespräch erhält, sei es durch private Kontakte oder über Dritte?
Fallvorstellung 2 20 : Eine, in ihrer Kindheit von ihren Eltern arg vernachlässigte
Patientin geriet mit 12 Jahren das erste Mal in Kontakt mit Marihuana und stand mit 14
wegen Drogenmissbrauchs vor Gericht. Sie konsumierte in den folgenden Jahren auch
Beruhigungsmittel und LSD. Nach ihrem Schulabschluss nahm sie eine Ausbildung auf.
Durch ihren Freund kam sie mit 18 Jahren in Kontakt mit Heroin. Um den Drogenkonsum zu
finanzieren, unternahm sie zuerst Drogenkurierdienste nach Holland, später prostituierte sie
sich. Nach drei Selbstmordversuchen, 13 erfolglosen Entziehungskuren und vier langzeitigen
Rehabilitierungs-Behandlungen bewarb sie sich – sie war dann 25 Jahre alt – um die
Aufnahme in ein neu eingerichtetes Methadon-Programm. Sollte sie zugelassen werden?
Die psycho-soziale Struktur der Patientin ist Teil ihrer Krankheitsgeschichte. Sie hatte
offenbar infolge ihrer Mentalität und Sozialisation wenig Selbstvertrauen. Der Drogenkonsum
wirkte psychisch weiter instabilisierend. Diese Persönlichkeitsstruktur und die damit
verbundenen Verhaltensweisen bewerten wir (und die Umwelt der Patientin) nicht nur
medizinisch, sondern auch ethisch. Bemerkenswert ist in dieser doppelten Hinsicht, dass die
Patientin immer wieder erhebliche Anstrengungen unternahm (mehrere „kalte“ Entzüge und
Langzeitmaßnahmen), um von den Drogen weg zu kommen. Mehrere Suizidversuche sind
psychisch ebenfalls als Ausbruchsversuche zu deuten, auch wenn diese freilich anders zu
bewerten sind. Sollte die Aufnahme in das Programm erfolgreich sein, ist die Patientin
begleitend psychotherapeutisch zu versorgen! Hierbei muss allerdings auch die Frage gestellt
werden, warum frühere Therapien gescheitert waren. Des Weiteren ist für ein soziales Umfeld
zu sorgen, das auf die Patientin stabilisierend wirkt. Das ist freilich keine genuin ärztliche
Aufgabe. Zur psychischen Stabilisierung – und damit zur „Heilung“ oder zur Verbesserung
der allgemeinen Situation der Patientin ist ein solches Umfeld aber unabdingbar.
Für
den
Arzt
stehen
auf
der
Gegenseite
der
häufige
Missbrauch
der
Methadonversorgung als „Zusatzversorgung“, die schlechte Prognose, die hohen Kosten,
möglicherweise ein anderer Patient mit weitaus besserer Prognose, ein unter Umständen
schlechter Einfluss auf andere Programm-Teilnehmer oder vielleicht auch die Ansicht des
Arztes, dass ein Drogenersatz-Programm generell nicht sehr erfolgreich sein kann. Der Arzt
19
20
Der Fall stammt aus den Arbeitsunterlagen der Arbeitskreises Ethik in der Medizin der Universität Ulm.
Aus Kaminsky 1990, 45ff.
27
muss sich aber darüber im Klaren sein, dass er die Patientin bei Verweigerung der Aufnahme
in das Programm aufgeben würde. Nachdem die junge Frau schon so viel unternommen hatte,
dürfte sie aber wohl eine weitere Chance verdient haben. Ein weiterer moralischer Aspekt ist
hierbei sicher auch das Mitgefühl.
Über den Fall hinaus wurden Situationen besprochen, bei denen mangelnde
Kooperation der Patienten den Therapieerfolg bedroht – so z. B., wenn ein stationär betreuter
Drogenabhängiger die Klinik einfach verlässt, um seinen Entzug „zu unterbrechen“. Sollte
dieser weiter behandelt werden? Wie macht der Arzt seinem Patienten am besten klar, dass
der Erfolg der Therapie maßgeblich von seiner Kooperation abhängt (generelles Stichwort:
Therapietreue)? Unter welchen Voraussetzungen gibt man eine neue Chance und wann ist es
die letzte?
Ärztliches
Handeln
steht
weit
häufiger
noch
in
solchen
geschilderten
Spannungsbezügen, z. B. auch bei der Mitarbeit bei polizeilichen Maßnahmen wie der
Anordnung zur Blutentnahme infolge auffälligen Verhaltens im Straßenverkehr. Wenn die
Person sich weigert, müssen offenbar Zwangsmaßnahmen durchgeführt werden. Für den Arzt
bleibt dieser Umstand ein ethisches Problem, auch wenn eine einfache Blutentnahme zu
Zwecken der polizeilichen Beweissicherung rein rechtlich nicht als Körperverletzung gilt.
Klausur und Evaluation
Am Ende der Blockwoche stand als Grundlage zu einem Leistungsnachweis eine Klausur an.
Neben einigen wenigen Fragen zu Themen aus der philosophischen und aus geschichtlichen
Vorlesung (20% des Klausurumfangs) sollten Fragen zu zwei Fallsequenzen aus den
Themenbereichen 1 und 3 (je 40% des Klausurumfangs) beantwortet werden. Bewertet wurde
die ethische Analyse an Hand des Maßstabs der dargestellten Vielschichtigkeit. Es kam in den
Seminarveranstaltungen wie in der Klausur nicht auf die Antworten und Lösungen der
dargestellten Probleme als vielmehr auf das Erkennen und Namhaftmachen der
unterschiedlichen Problemebenen ethischen Argumentierens im Hinblick auf medizinethische
Fragestellungen an. Freilich mussten auch Teilbereiche gelernt werden, wie z. B. die
Richtlinien einer gelungenen und rechtmäßigen Patienten-Aufklärung, die Grundlagen zur
Feststellung
der
Entscheidungsfähigkeit
des
Patienten
und
der
Gültigkeit
von
Patientenverfügungen oder die Unterschiede in den Arten der Sterbebegleitung und der
Sterbehilfe.
Die am Ende der Blockwoche durchgeführte Evaluation fiel im Urteil der
Studierenden außerordentlich positiv aus. In der Kritik stand (neben der Raumsituation und
28
den zu großen Seminargruppen) in erster Linie der Vorlesungsblock „Geschichte der
Medizin“ und „Theorie der Medizin“, in zweiter Linie Vorlesungen zu den Themen
überhaupt. Es spiegelt sich dabei in besonderer Weise die bisherige einseitige Orientierung
des Medizinstudiums wieder. Medizinstudierende sind dadurch auf der einen Seite überlastet,
was die Vermittlung medizinischen Wissens angeht, auf der anderen Seite sind sie es offenbar
nicht gewohnt, präsentierten geschlossenen Gedankengängen zu folgen, wie sie in
Vorlesungen (z. B. über Ethik, Geschichte und Theorien der Medizin) dargeboten werden.
Vor diesem Hintergrund fiel das Urteil der Studierenden über die Ethik-Vorlesung noch
ausgesprochen positiv aus. Dies liegt freilich auch an den Themen der Ethik, die weit
geeigneter sind, zu provozieren oder das Nachdenken anzuregen, weil sie sehr viel weniger
faktenorientiert sind. Auch hier wurde allerdings besonders die Möglichkeit hervorgehoben,
Fragen zu stellen und die Fähigkeit der Dozenten, auf diese auch einzugehen.
Die Auswahl der Themen für die Seminare wurde positiv hervorgehoben. Verhaltenes
Interesse ergab sich für eine Erweiterung der Themen „Medizin und Genetik“ und
„Transplantationsmedizin“. Die Studierenden schätzen vor allem auch die Fallorientierung,
welche eine hohe Praxisrelevanz garantiere. Hierzu waren noch mehr Angebote erwünscht.
Die Blockwoche hatte sich zum Ziel gesetzt, das Nachdenken der Medizinstudierenden
anzuregen, eigene Positionen zu hinterfragen und ethische Problembereiche erkennen zu
können. Dies wurde zweifellos in hervorragender Weise erreicht. Dennoch schien es nach
Abschluss der Blockwoche und der Klausur, als fühlten sich die Studierenden mit ihren
Gedanken alleine gelassen. Wie vor allem aus ihrer medizinisch-fachlichen Ausbildung
gewohnt, wollten sie Lösungen für die aufgeworfenen Probleme. Dieser Umstand erfordert
offensichtlich zwei Maßnahmen: Zum einen muss innerhalb der Lehrveranstaltungen noch
verstärkter darauf hingewiesen werden, dass die Ethik versucht, eine Orientierung zu geben,
dass sie aber nicht in der Lage ist, Lösungen für jeden Fall vorzugeben. Selbst in der akuten
Konfliktsituation ist der Handelnde des Nachdenkens nicht überhoben. Doch fällt dieses
leichter, wenn es in der konkreten Situation nicht erst beginnt. Zweitens fordert der Umstand
im Laufe des medizinischen Studiums weitere Angebote ethischen Unterrichts in Form von
philosophischen und medizinethischen Grundlagenseminaren, wohl auch in Form der so
ungeliebten Unterweisung mittels Vorlesungen oder Vortragsreihen.
Über eine erhebliche Ausweitung des Angebots an ethischer Ausbildung während des
klinischen Studiums hinaus erscheint es uns auch notwendig, ein Angebot an juristischer und
psychologischer Schulung, insbesondere Gesprächsführung, zu schaffen. Das steht freilich
auch im Zusammenhang mit der ethischen Ausbildung. Es musste ja während der
29
Seminarveranstaltung – besonders zu den Themen 1 und 3 (bezüglich Aufklärung,
Einwilligung, Patientenverfügung, Sterbehilfe usf.) – immer wieder auch auf rechtliche
Dimensionen
hingewiesen
werden.
Und
dass
die
Medizin
einer
zunehmenden
Juridifizierung 21 gegenübersteht, ist kaum zu bestreiten. Ein Kurs über die juristischen
Rahmenbedingungen und Konsequenzen des ärztlichen Handelns wäre eine sinnvolle
Ergänzung des klinischen Curriculums. So etwas ist freilich nur von dafür ausgebildeten
Juristen zu leisten. 22 Des Weiteren wäre auch eine fundierte Ausbildung in Gesprächsführung
wünschenswert – vor allem Thema 2 legt das nahe. Hier böte sich – zumindest im
Wesentlichen – das Modell der nicht-direktiven, klient-zentrierten Gesprächstherapie nach
Carl R. Rogers als Paradigma an. Auch dieses Themengebiet sollte von Fachleuten gelehrt
werden. Wir würden von einer Auseinandersetzung mit diesen Themenbereichen im Umfang
von etwa je einer Semesterwochenstunde eine weitere Steigerung der Qualität des
Medizinstudiums erwarten.
Der ganz besondere Dank gilt an dieser Stelle den beteiligten Ärztinnen und Ärzten,
welche die Seminarkurse vorbereiteten und durchführten: Herrn Dr. Joachim Hahn, Frau
Tanja Kaiser, Frau Daniela Kemptner, Frau Dr. Julia Langgartner, Herrn Matthias Lubnow,
Frau Anne Mackensen, Frau Dr. Falitsa Mandraka, Herrn Dr. Thomas Müller, Herrn Dr.
Florian Obermeier und Herrn Prof. Dr. Bernd Salzberger. Für die vielfältige Unterstützung sei
ausdrücklich auch Frau Edith Faltermeier gedankt.
Schulung der Tutoren
Es ist im gegebenen Zusammenhang noch zu erläutern, auf welche Weise die Tutoren
geschult wurden, um für die Durchführung der Kurse vorbereitet zu sein. Diese Einweisung
verfolgte – ihrer Idee nach – drei Ziele: Erstens sollten die Themen für die Seminarblöcke
vorbesprochen und erläutert werden, damit der Unterricht für die Studierenden nach einem
gemeinsamen und einheitlichen Plan abläuft. Zwar ergaben sich dabei Doppelungen (und
auch Überschneidungen mit den Vorlesungen – z. B. wurde der Hippokratische Eid insgesamt
viermal, jeweils aber aus verschiedener Perspektive erläutert), vor allem aber das
Zentralthema der Patienteneinwilligung stellte sich vor jedem Hintergrund je anders dar und
21
Vgl. Wolfgang Wieland, Strukturwandel der Medizin und ärztliche Ethik. Philosophische Überlegungen zu
Grundfragen einer praktischen Wissenschaft, Heidelberg 1986 (Abhandlungen der Heidelberger Akademie der
Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse, 1985,4).
22
Für eine erste Orientierung hervorragend bewährt hat sich uns Reinhard Dettmeyer, Medizin und Recht für
Ärzte, Grundlagen – Fallbeispiele, medizinrechtliche Fragen, Berlin u. a. 2001. Das exzellent gegliederte und
sehr verständlich geschriebene Buch bietet einen schnellen Über- und Einblick zu einzelnen Fragen des Rechts
für Mediziner.
30
wurde durch die Wiederholungen vertieft. In der Vorbereitung wurden die Fallgeschichten
ausgewählt und gemäß der Lehrvorgaben der Akademie für Ethik in der Medizin (Göttingen)
strukturiert. Für die Gestaltung und Gewichtung waren freilich die Lehrenden jeweils selbst
verantwortlich. Dennoch wurde die Strukturierung an Hand eines gemeinsamen Planes als
außerordentlich hilfreich empfunden. Alle Tutoren schafften es dann auch, die Lerninhalte
und -anforderungen mit einem sinnvollen und abwechslungsreichen Stundenaufbau und einer
diskussionsfreudigen Atmosphäre – die Evaluation bestätigte das – zu verbinden.
Zweitens sollten in der Schulung die Tutoren mit der Verwendungsweise des
Bochumer Arbeitsbogens für medizinethische Praxis vertraut gemacht werden, um diesen als
Hilfsmittel für die sequenzierten Fallanalysen zu verwenden. Das Wechseln zwischen dem
konkreten Fall und der formalen Struktur des Arbeitsbogens erwies sich allerdings als
wesentlich komplexer und schwieriger durchzuführen, als zunächst erwartet. Man verließ sich
eher auf die eigene moralische Intention und die Lehrzielvorgaben, die dadurch auch zu
Haltepunkten innerhalb der Themenblöcke wurden. Dennoch erachten wir den Arbeitsbogen
für außerordentlich hilfreich. Offenbar ist aber ein außerordentliches Maß an Übung
notwendig, um ihn in Studierenden-Kursen fruchtbar verwenden zu können. Vor allem
Lernende, die das erste Mal mit ihm arbeiten, werden mit einer zu großen Fülle an
Orientierungen und ethischen, von der Fragerichtung her relativ unbekannten Sachfragen
konfrontiert.
Zum dritten sollte den Tutoren ein fundierter Einblick in ethisches Argumentieren und
Begründen gewährt werden. Eine der wichtigsten ethischen Einsichten besteht darin, dass
andere Menschen die in Frage stehenden Situationen von einer anderen Blickrichtung und von
einer anderen Wertorientierung als der eigenen wahrnehmen und beurteilen können. Diese
Einsicht wirkt sich innerhalb einer Medizinethik vor allem auch dahingehend aus, als der
Patient in seiner Wertorientierung besser wahrgenommen und verstanden werden kann. Im
Unterricht mit Studierenden ist diese Einsicht unabdingbar. Es geht nämlich in ethischen
Diskussionen mit einer erheblichen Demotivierung der Beteiligten einher, wenn sich einzelne
der Teilnehmer in ihrer Werthaltung nicht ernst genommen fühlen. Um den anderen ernst zu
nehmen gehört es aber, den Begründungstyp erkennen zu können. Solche ethischen
Begründungstypen gibt es zwar viele, man unterscheidet im Wesentlichen aber drei
Grundtypen, nämlich den aristotelischen, den kantischen und den utilitaristischen
Begründungstyp.
Die Notwendigkeit einer solchen Letztbegründung moralischer Normen wird in der
Medizinethik fast durchweg bestritten. Es wird argumentiert, dass man sich hier nicht einig
31
werden könne – im Gegensatz zur Anerkennung so genannter „mittlerer Prinzipien“
(Beauchamp und Childress). Orientiert man sich allerdings an einer gut begründeten
persönlichen Verantwortung des Arztes für sein Handeln – wofür es gewiss einige Gründe
gibt – steht nicht unbedingt die Einigung mit allen anderen Ärzten im Vordergrund, sondern
eben die individuelle und subjektive Wertorientierung des Arztes. Angesichts der heutigen
pluralen Vorstellungen über ethische Wertorientierung scheinen eine Pluralisierung der
ärztlichen Ethosformen und damit eine Orientierung des einzelnen Arztes an „seiner“
Ethosform durchweg angebracht. Was sich vor diesem Hintergrund allerdings ausschließt, ist
eine
intolerante
Haltung
anderen
Ethosformen
gegenüber.
Vor
allem
werden
Konfliktsituationen damit nicht einfach verdrängt, sondern bewusst gestellt und
möglicherweise ausgetragen. So sehen wir es als notwendig an, die Frage nach einer
Letztbegründung moralischer Normen unter ausdrücklicher Betonung ihrer Vielfalt innerhalb
der medizinischen Ethik wieder ganz neu zu stellen.
Die drei ethischen Hauptbegründungstypen wurden in den Vorbereitungskursen an
Hand der philosophischen Originalliteratur vorgestellt. Erstaunlich dabei war, dass die
Relevanz für das ärztliche Handeln bei allen drei Begründungstypen schon durch die
Hauptanliegen der Philosophen: Nachdenken über die Ziele des eigenen Lebens und Handelns
(Aristoteles), Ausrichten des Handelns an Prinzipien (Kant), Beförderung der allgemeinen
Wohlfahrt durch die nutzenorientierte Folgenanalyse (Mill) von den Beteiligten als
unmittelbar einsichtig beurteilt wurde. 23
Nun hat sich allerdings die Übertragung dieser Begründungsformen auf die
sequenzierten Fallstudien und ihre Handhabung in der Auseinandersetzung mit den
Studierenden als wesentlich schwieriger erwiesen, als das erwartet worden war. Es gehört
wohl doch eine längere Übung dazu, die Begründungstypen in den Aussagen der
Studierenden nicht nur zu erkennen, sondern sie auch noch auf ihre Konsequenz hin zu
analysieren und zu überprüfen. Viele der Meinungsverschiedenheiten zwischen den
Studierenden
ergaben
sich
dann
auch
aufgrund
unterschiedlicher
ethischer
Wertorientierungen der Studierenden, ohne dass diese erstens in ihren Grundlagen erkannt
und hinterfragt werden konnten und zweitens die Studierenden selbst über die Struktur ihrer
Wertorientierungen auch nicht ohne weiteres belehrt werden konnten. Es ist freilich ein
bekanntes Problem, dass solche Werthaltungen ohne tiefere Einsichten in die Struktur
generellen ethischen Argumentierens nicht problematisiert werden können, da man dann nicht
23
Im Anhang 4 findet sich eine Übersicht der drei genannten ethischen Begründungsstrategien, welche auf
klinik-ethische Problembereiche bezogen wird.
32
in der Lage ist, von jenen Abstand zu nehmen oder zu ihnen auf Distanz zu gehen. Auch vor
diesem Hintergrund ist die ethische Begründungsfrage in der medizinischen Ethik offenbar
gerade nicht als obsolet zu qualifizieren.
Wenn sich dieser Punkt dennoch als problematisch herausstellte, so zeigte sich parallel
zur Auseinandersetzung mit den ethischen Grundlagentheorien eine Einstimmung der Tutoren
auf ethische Fragestellungen schlechthin, was zu einem intensiven Austausch gerade auch
über akute ethische Problemlagen auf den verschiedenen Stationen führte.
Zum Bedenken
Das zentrale Problem medizinethischer Diskurse an Hand von Fallstudien ist das der
Einwilligung zu den Therapiemaßnahmen durch den Patienten. Die Themenbereiche, welche
gerade besprochen wurden, sind auf dieses „Zentralthema“ hin vernetzt. Medizinethik ist dem
gegenüber aber wesentlich mehr.
Es gehört hierzu nämlich neben sozialmedizinischen Themen und neben der Frage
nach
der
theoretischen
Fundierung
ärztlichen
Wissens
und
Handelns
auch
die
Auseinandersetzung mit ethischen Begründungsmodellen, mit dem personalen ArztPatienten-Verhältnis (dem gegenüber die Einwilligung nur eine Detailfrage ist), mit dem
Heilauftrag, dem damit verbundenen Fürsorgeaspekt, mit dem Aspekt des Dienens des Arztes
und vor allem mit dem Menschenbild, das der einzelne Arzt hat oder das in bestimmten
Haltungen von Ärzten verankert ist. Medizin ist, wie es z. B. Günther Pöltner formuliert, eine
praktische
Wissenschaft
und
keine
bloße
Verlängerung
physiologisch-
naturwissensschaftlichen Wissens, das auf den Menschen übertragen und an ihm angewandt
wird. Als praktische Wissenschaft, also als methodisch gewonnenes Wissen des Handelns in
bestimmten Situationen (solchen nämlich, in denen es um Krankheiten im weitesten Sinne
geht), muss sie einerseits auf all ihren Ebenen die Grundlagen des Handelns und andererseits
die Grundlagen des damit verbundenen Menschenbildes methodisch reflektieren.
Beides sind durchweg philosophische Unternehmungen und, da es in der Medizin in
erster Linie um das Handeln geht, durchweg auch ethische. Der Adressat des ärztlichen
Handelns aber ist der Mensch. Deswegen kann man mit gewisser Berechtigung davon
sprechen, dass sich die Frage nach dem Menschen (vor allem als Kranker, weil von der
Krankheit her das ärztliche Handeln seinen Ausgangspunkt nimmt und seine Berechtigung
hat) eine Frage ist, welche in gewisser Weise von jeder Ethik gestellt werden muss.
Diese zentrale Frage – die nach dem Menschen – ist nun aber eine, die von der
Diskussion um Situationen und Fälle des ärztlichen Alltags allenfalls ihren Ausgang nehmen
33
kann. Sie stellt sich explizit nämlich auf einer ganz anderen Ebene der Reflexion; obwohl sie,
wenn sie thematisiert wurde, nachdrücklich Auswirkungen auf das Handeln des einzelnen
Arztes hat. Die Thematisierung der Frage scheint aber gegenüber den Alltagssituationen als
abstrakt. Nur wenn man ausdrücklich darauf zu achten gewillt ist, bemerkt man, dass sie allen
ärztlichen Beurteilungen (ja sogar bei der Beurteilung von genuin medizinischen Fakten
durch den Arzt) immer schon zugrunde liegt und in jede einzelne Handlung dieses Arztes mit
einfließt. Für Aristoteles noch war gerade das etwas ganz und gar Selbstverständliches.
Wenn sich die Fragestellung nicht als natürliche aus den Analysen von ethisch
problematischen Fällen und Situationen des ärztlichen Alltags ergibt, muss man fragen, wie
sie überhaupt gestellt werden kann, wie sie also für den, dem sie sich nicht schon von vorne
herein stellt, motivierend sein kann. Empfindet man die Frage nämlich als abstrakt und als
weit entfernt vom ärztlichen Handeln, so wird man sich nicht mit ihr beschäftigen wollen.
Wenn sie aber gestellt werden muss, so fragt sich, wie mit ihr vor dem Hintergrund der
Forderung, Erkennen und Lösen medizin-ethischer Probleme seien am besten an Hand von
Fallstudien zu lernen – wie sie z. B. die neue ÄAppO (§ 2) erhebt – umzugehen ist. Die
konkrete Konflikt-Situation erhellt im besten Falle die eigene ethische Haltung und die
Prinzipien, nach denen man selbst als Arzt handelt. Möglicherweise ergeben sich auch
Lücken oder Widersprüche in Teilbereichen, über die man noch nicht nachgedacht hat, die –
nun entdeckt – aufgefüllt werden können. Die „eigene Ethik“ und das generelle Verhalten
angesichts ethischer Probleme werden sich dann aber nicht ändern. Dennoch muss das
Arbeiten mit Fallbeispielen auch für die Ethik in der klinischen Ausbildung den
Ausgangspunkt ethischer Veranstaltungen bilden; insbesondere auch, weil den Studierenden
der Medizin der Umgang mit diesen Fällen vertraut ist. Unseres Erachtens muss das LehrAngebot in Medizinethik für die klinischen Semester aber wesentlich erweitert werden.
Allerdings besteht die Frage, ob überhaupt gewollt sein kann, dass sich die „eigene
Ethik“ und das eigenen Verhältnis zu ethischen Fragestellungen ändern solle – das ist
jedenfalls nahe liegender Weise das Ziel von Ethik-Kursen. Ethik kann wohl nicht die
Aufgabe haben, neue Menschen hervorzubringen. Und doch stellt sich die Frage nach einem
neuen Menschen, wenn wir behaupten, ein Blick auf die anthropologischen Grundlagen der
Medizin verändere das, was gemeinhin unter Medizin verstanden wird, nämlich: die
technische Umsetzung des besten verfügbaren medizinischen Wissens und die Ergänzung
dieses Verfahrens mit möglichst viel Empathie und Zuwendung zum Patienten – schließlich
handle es sich um eine beweisbare Tatsache, dass Patienten, welche gut umsorgt würden,
schneller gesundeten.
34
Die theoretische Forderung, die sich aus dieser Einsicht ergibt, besteht dann darin,
dass man die Behandlung durch die Technik der Zuwendung ergänzt! Ist hier aber nicht schon
die Intention, um die es bei der helfenden Zuwendung geht, verstellt und damit verloren? Die
Fragen hängen schon in der Weise zusammen, als sich die Zuwendung als Zuwendung zu
einem Menschen versteht. Auch hierbei wird das Bild des Menschen, welches derjenige hat,
der sich zuwendet, die Grundlage der Art und Weise der Zuwendung bestimmen. Wenn sich
ein Arzt von seinem Menschenbild aber keine Rechenschaft ablegt – d. h. nur, dass er sich
selbst in ein begründetes Verhältnis zu dem gesetzt hat, was er unter dem Menschen versteht
–, wird er den Vorurteilen, welchen er in dieser Frage gerade anhängt, hoffnungslos
ausgeliefert sein.
Es bleibt als Ergebnis festzuhalten, dass es zur Medizinethik dazugehört, die Frage
nach einem ethischen Menschenbild zu stellen. Diese Frage liegt bereits jeder Beurteilung
einer konkreten Situation immer schon zugrunde. Sie ergibt sich nicht erst aus Fallstudien,
sondern aus einer philosophischen Reflexion auf die Grundlagen des Menschen und des
Menschseins; die Suche einer Antwort kann ihren Ausgang dabei durchaus auch in den
Grundlagen des ärztlichen Handelns und seinen Bedingungen nehmen.
35
Anhang 1:
Stundenplan Gruppe A
Zeit
08.15 – 09.45 Uhr
Montag
Einführung
Verantwortung des
10.15 – 11.45 Uhr
Arztes, Medizinethische Probleme
11.45 – 12.30 Uhr
Mittag
Dienstag
Mittwoch
Thema 4:
Geschichte und
Kinder- und JugendTheorien der Medizin medizin, psychische
und onkologische Erkrankungen im
Geschichte und
Kindesalter,
Theorien der Medizin Probleme der Therapieverantwortung
Mittag
Thema 3:
12.30 – 14.00 Uhr
Ethische Positionen
Sterbebegleitung und
Sterbehilfe
14.30 – 16.00 Uhr
16.15 – 17.45 Uhr
Thema 5:
Verantw. und Selbstverständnis von Ärzten u. Studierenden
Thema 3:
Sterbebegleitung und
Sterbehilfe
Mittag
Thema 1:
Patientenautonomie.
Aufklärung und
Einwilligung
Thema 1:
Patientenautonomie.
Aufklärung und
Einwilligung
Donnerstag
Freitag
Geschichte und
Theorien der Medizin
Klausur
Geschichte und
Theorien der Medizin
Evaluation
Mittag
Thema 2:
Beziehungen zw. Patienten, Ärzten, Pflegenden u. Angehörig.
Thema 2:
Beziehungen zw. Patienten, Ärzten, Pflegenden u. Angehörig.
Anhang 2:
Tugendkataloge für Arzt und medizinische Laien
[aus: Heft 92: Sass, Hans-Martin: Hippokratisches Ethos und Nachhippokratische Ethik. Juni 1994.]
Regeln für den medizinischen Laien
1. Suche Dir einen Arzt Deines Vertrauens.
2. Sei verantwortlich und mündig im Umgang mit Deiner Gesundheit und in der Bestimmung der Kriterien Deiner Lebensqualität.
3. Vermeide Gesundheitsrisiken und nutze die Möglichkeiten der
prädiktiven und präventiven Medizin.
4. Erwarte von der Medizin Heilung oder Milderung, aber sei Dir der
Grenzen und Risiken medizinischer Intervention bewußt.
5. Verlange Information und Rat von Ärzten und Mitarbeitern und
sei Ihnen ein verantwortlicher und zuverlässiger Partner.
6. Erkenne die in den verschiedenen Lebensaltern, auch in Krankheit
und Behinderung liegenden Möglichkeiten und Herausforderungen
individueller Lebensqualität.
7. Benenne einen Betreuer und lege nach Rücksprache mit Deinem
Arzt diejenigen Werte und Prinzipien fest, an denen sie sich orientieren sollen, wenn Du einmal nicht mehr selbst entscheiden kannst.
8. Trage Deinen Teil bei zum verantwortlichen und solidarischen
Umgang mit den Leistungen und Kosten des Gesundheitswesens.
Regeln für den Arzt
1. Behandle Deinen Patienten als Mitmenschen, nicht nur ihre oder
seine Symptome.
2. Hilf Deinem Patienten zu Gesundheitsverantwortung und Gesundheitsmündigkeit.
3. Integriere die Befunde von 'Blutbild' und 'Wertbild' des Patienten in
Diagnose, Intervention und Interventionsüberprüfung.
4. Sei Dir der Leistungen und Grenzen des technisch Machbaren bewußt und diskutiere sie mit Deinem Patienten.
5. Sei Deinem Patienten in Beratung und Behandlung ein guter Experte, respektiere Werte, Wünsche und Schwächen.
6. Nutze die Möglichkeiten biomedizinischer und bioethischer Ausbildung und Fortbildung zur Erhaltung und Verbesserung Deines Dienstes für den Patienten und die Gesundheitspflege.
7. Hilf Deinem Patienten beim Aufstellen von Betreuungsverfügungen
und nutze sie in Absprache mit einem Betreuer adjuvantiv oder regulativ bei Therapieentscheidungen und in der Sterbebegleitung.
8. Trage Deinen Teil bei zum verantwortlichen und solidarischen Umgang mit den Leistungen und Kosten des Gesundheitswesens.
Anhang: 3
Bochumer Arbeitsbogen zur medizinethischen Praxis
[Heft 2 der Medizinethischen Materialien: Bochumer Arbeitsbogen zur medizinethischen Praxis. September 1987]
Wissenschaftliche und ethische Analyse zur Behandlung eines medizinischen Falles
Feststellung der medizinisch-wissenschaftlichen Befunde:
Feststellung der medizinethischen Befunde
Die Grundlage für die Befunderhebung erfolgt nach den anerkannten und bewährten
Prinzipien wissenschaftlicher Diagnostik:
Die Grundlage für die Befunderhebung ist eine Bewertung nach den folgenden drei
Prinzipien:
Allgemeine Überlegungen:
Gesundheit und Wohlbefinden des Patienten:
Wie lautet die Diagnose des Patienten und wie ist seine Prognose?
Welche Behandlung kann aus medizinischer Sicht angesichts dieser Diagnostik und
Prognostik vorgeschlagen werden?
Welche Therapiealternativen können angeboten werden?
Welches sind die allgemeinen Erfolgsaussichten der vorgeschlagenen Therapiemöglichkeiten?
Welche Prognose besteht ohne die vorgeschlagenen Behandlungen?
Welche Schäden können bei den einzelnen alternativen Therapieweisen auftreten?
(Verschlechterung des Wohlbefindens, Schmerzen, Lebensverkürzung? Körperliche oder geistige Beeinträchtigung des Patienten? Angst?)
Spezielle Überlegungen:
Wird die ins Auge gefaßte Behandlung dem Patienten medizinisch nutzen?
Wird sie die allgemeine Prognose im speziellen Fall günstig beeinflussen?
Zu welchem Grade?
Könnte sie dem Patienten in Bezug auf seine Heilung oder sein Wohlbefinden schaden?
In welchem Ausmaß?
Wie wägen sich Nutzen und Schäden gegeneinander ab?
Ärztliches Handeln:
Liegen adäquate Behandlungsvoraussetzungen vor: Personelle? Team? technischapparative? Berücksichtigung des Standes der medizinischen Forschung und
ärztlichen Erfahrung?
Welche wichtigen Fakten sind unbekannt?
Sind die benutzten medizinischen Schlüsselbegriffe hinreichend klar?
Zusammenfassung:
Welche Behandlung wäre optimal angesichts des medizinisch-wissenschaftlichen
Befundes?
Selbstbestimmung des Patienten:
Was ist über das Wertsystem des Patienten bekannt? Welche Einstellung hat der Patient intensivmedizinischen, palliativen oder reanimierenden Behandlungsformen
gegenüber?
Ist der Patient über Diagnose, Prognose und Therapie hinreichend informiert?
Wie weit kann der Patient in die Bewertung einbezogen werden oder inwieweit kann
sie ihm ganz überlassen werden? Wer kann sonst stellvertretende Entscheidungen
für den Patienten fällen?
Stimmt der Patient der Therapie zu?
Ärztliche Verantwortung:
Gibt es Konflikte zwischen der ethischen Beurteilung des Arztes, des Patienten, des
Pflegeteams oder der Familie? Kann ein solcher Konflikt durch eine bestimmte
Behandlungsoption gemildert oder beseitigt werden? Wie wird sichergestellt, daß
insbesondere auch die folgenden Prinzipien nicht verletzt werden: das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt, das Prinzip der Wahrhaftigkeit und
Glaubwürdigkeit und die ärztliche Schweigepflicht? Welche wichtigen Fakten
sind unbekannt?
Sind die benutzten ethischen Schlüsselbegriffe und ihr Verhältnis zueinander hinreichend klar?
Zusammenfassung:
Welche Behandlung wäre optimal angesichts des medizinethischen Befundes?
Zusätzliche Fragen zur ethischen Bewertung
Behandlung des Falles
Welche Optionen (alternative Lösungsmöglichkeiten) bieten sich angesichts eines
möglichen Konfliktes zwischen medizinisch-wissenschaftlichen und medizinethischen Befunden an? Welche der vorgenannten wissenschaftlichen und ethischen
Kriterien sind von diesen alternativen Optionen betroffen?
Welche Optionen würden im Wertprofil des Patienten am angemessensten sein?
Wer könnte oder sollte als Berater hinzugezogen werden?
Ist eine Überweisung des Falles aus medizinischen oder ethischen Gründen an andere angezeigt?
Was sind die konkreten Verpflichtungen des Arztes bei der gewählten Behandlung?
Was sind die Verpflichtungen des Patienten, des Pflegepersonals, der Familie, des
Gesundheitswesens?
Gibt es Argumente gegen die Entscheidung?
Wie ist diesen Argumenten zu begegnen? Ist die Entscheidung ethisch konsensfähig? Für wen? Warum?
Wurde sie mit dem Patienten diskutiert und seine Zustimmung erreicht?
Revision der Entscheidung?
1. Bei Fällen von langdauernder Behandlung:
Werden die eingeschlagene medizinische Behandlung und ihre ethische Bewertung
routinemäßig überprüft?
Ist die Behandlung flexibel genug, um sich ändernden medizinisch-wissenschaftlichen und medizinethischen Befunden anzupassen?
Was ist bei unvorhergesehenem Auftreten medizinisch-wissenschaftlicher oder medizinethischer völlig neuer Befunde am Behandlungsgesamt zu ändern?
Wie steht der Patient zur Änderung der Behandlungsstrategie?
Erfolgt bei infauster Prognose eine Abwägung zwischen intensivmedizinischen und
palliativen Therapiemaßnahmen?
Ist sichergestellt, daß hierbei der explizite oder mutmaßliche Wille des Patienten berücksichtigt wird?
2. Bei Fällen von erheblicher sozialer Relevanz:
Welche familiären, emotionalen, lebensstilrelevanten, beruflichen oder ökonomischen Folgelasten entstehen?
Können diese Folgelasten vom Patienten, seinen Angehörigen oder der Solidargemeinschaft getragen werden?
Wird die soziale Integration des Patienten, seine Lebensfreude und Persönlichkeitsentfaltung gefördert?
Welche Bedeutung hat die Beantwortung dieser Fragen für die medizinwissenschaftliche und die medizinethische Güterabwägung?
Zusammenfassung:
Welche Entscheidung wurde angesichts des Verbundes zwischen den medizinischwissenschaftlichen und den medizinethischen Befunden und der vorgenommene
Güterabwägung getroffen?
Wie lassen sich die medizinethischen Entscheidungen und die vorgenommenen Güterabwägungen klar und kurz zusammenfassen?
3. Bei Fällen therapeutischer oder nichttherapeutischer Forschung:
Ist die Versuchsanordnung angesichts der medizinethischen Aspekte optimal?
Ist die Forschung notwendig? Hat der Proband/Patient nach Aufklärung seine Zustimmung gegeben?
Welche Gründe könnte es dafür geben, daß die Aufklärung nicht vollständig war
oder nicht voll verstanden wurde?
Welche Gründe könnte es dafür geben, daß der Proband/Patient nicht völlig freiwillig seine Zustimmung erteilt hat?
Ist sichergestellt, daß bei der Auswahl der Patienten diese nicht gegenüber anderen
Patienten bevorzugt oder benachteiligt werden?
Hat der Proband/Patient das Recht, jederzeit die Teilnahme am Versuch zu beenden,
und ist ihm dies hinreichend und in verständlicher Form mitgeteilt worden?
39
Anhang 4:
Medizinethische (klinikethische) Begründungsstrategien
Orientiert am: Verhältnis Arzt-Patient, Bezug zum Handeln, institutionelle Einbindung, Gerechtigkeit, Bezug zu Fachlichkeit und dem medizinischen Wissen, Bezug zu Recht und Gesetz
Tugendethik
Bezugsgröße
Prinzipienethik
Ärztliches Ethos
Handlungsfolgen
Rechtsorientierung
Rechtsverhältnisse bilden den Hintergrund des Handelns, insbesondere des
institutionellen Handelns.
Rechtsbestimmungen orientieren sich
am Ethos und dem medizinisch Geforderten.
die Gesellschaft/ den anderen / den Patienten
ärztliche Erfahrung und technisches
Können, umfassende Folgenabschätzung, Güterabwägung,
Kalkulation und Behandlungsalternativen, Ausgleich der unterschiedlichen
Ansprüche von Gesellschaft und Individuum, Teamorientierung, Arbeitsteilung, Abstimmung mit anderen,
mittlere Prinzipien, Verzicht auf Letztbegründung
Gerechtigkeitsüberlegungen auf der
Grundlage von Verteilungsaspekten
Das Recht/ Gesetz regelt den Umgang
und die allgemeinen, gesellschaftlich
geforderten Standards.
Als Recht gilt das, auf was man sich vor
dem Hintergrund der gesellschaftlichen
Bedingungen geeinigt hat.
Hauptvertreter
Aristoteles
Verantwortung
gründet sich auf
Wertorientierung
Absolut-ethische
(bzw.
religiöse)
Prinzipien
den Arzt
die festen Regelstrukturen des Arzt-Patienten-Verhältnisses
Respekt,
Patientenautonomie: Die Würde des
Toleranz,
Patienten und seine Selbstbestimmung
Fürsorglichkeit,
bilden das oberste Prinzip. Hierbei kann
Empathie, Mitgefühl,
die voluntas aegroti gegen die salus
intellektuelle Redlichkeit,
aegroti stehen.
ethische Kompetenz des Arztes,
Patientenaufklärung,
Gerechtigkeit als Ausgleich von Zutei- Rechte und Pflichten des Arztes, Heillungsverschiebungen
auftrag,
Gerechtigkeit gemäß Zuteilungsansprüchen
Utilitaristische Ethik
Das Recht/ Gesetz bedarf einer Einbindung in ethische Grundlagen und Entscheidungen. Es bildet aber eine eigene,
den medizinischen Bereich gegenüberliegende Größe, welche staatliche und
gesellschaftliche Forderungen an die
Medizin stellt.
Immanuel Kant
John Stuart Mill
Zentrum für Medizinische Ethik
Medizinethische Materialien
Die unterstrichenen Hefte sind derzeit leider vergriffen, können im Sonderfall aber als Kopie
oder e-file geliefert werden.
Heft 98: Stotz, Gabriele: Theoretische und ethische Probleme der psychiatrischen Diagnose.
März 1995.
Heft 99: Vollmann, Jochen: Fürsorgen und Anteilnehmen: Ethics of Care. April 1995.
Heft 100: Hinrichsen, Klaus V.; Sass, Hans-Martin: 10 Jahre Zentrum für Medizinische Ethik.
Juni 1996.
Heft 101: Schreiber, Hans-Ludwig: Die Todesgrenze als juristisches Problem - Wann darf ein
Organ entnommen werden? Juli 1995.
Heft 102: Hartmann, Fritz: Lebens- und Hilfeleistungen im Sterben. 2. Aufl. Februar 1995.
Heft 103: Kielstein, Rita (Hg.): Ethische Aspekte in der Nephrologie. 2. Aufl. Februar 1995.
Heft 104: Bernat, Erwin: Antizipierte Erklärungen und das Recht auf einen selbstbestimmten
Tod. Januar 1996.
Heft 105: Richter, Gerd; Schmid, Roland M.: Ethische Perspektiven der Gentherapie 1995.
Januar 1996.
Heft 106: Bauer, Axel: Braucht die Medizin Werte? Gedanken über die methodologischen
Probleme einer „Bioethik“. März 1996.
Heft 107: Tausch, Reinhard: Empirische Untersuchungen zu Sinn-Erfahrungen und
Wertauffassungen. Juli 1996.
Heft 108: Sass, Hans-Martin: Ethik-Unterricht im Medizinstudium; Methoden, Modelle und
Ziele der Integration von Medizinethik in die medizinische Aus- und Fortbildung.
August 1996.
Heft 109: Meyer, Frank P.: Salus aegroti suprema lex; Probleme klinischer Studien aus der
Sicht eines Mitgliedes einer Ethikkommission - Schwerpunkt Onkologie. August
1996.
Heft 110: Sass, Hans-Martin: Reform von Gesundheitswesen und Krankenhäusern in
verantwortungsethischer Perspektive. August 1996.
Heft 111: Sass, Hans-Martin, Kielstein, Rita: Die medizinische Betreuungsverfügung in der
Praxis. Vorbereitungsmaterial, Modell einer Betreuungsverfügung, Hinweise für
Ärzte, Bevollmächtigte, Geistliche und Anwälte. 7. Auflage Dezember 2000.
Heft 112: Spittler, Johann F.: Sterbeprozess und Todeszeitpunkt - Die biologischen
Phänomene und ihre Beurteilung aus medizinischer Sicht. August 1996.
Heft 113: May, Arnd; Gawrich, Stefan; Stiegel, Katja: Empirische Erfahrungen mit
wertanamnestischen Betreuungsverfügungen. 2. Auflage Juli 1997.
Heft 114: Biller, Nikola: Der Personbegriff in der Reproduktionsmedizin. September 1997.
Heft 115: Kaminsky, Carmen: Gesagt, gemeint, verstanden? Zur Problematik der Validität
vorsorglicher Patientenverfügungen. Oktober 1997.
Heft 116: Baumann, Eva: Gesellschaftliche Konsensfindung und Humangenetik. Oktober
1997.
Heft 117: May, Arnd: Betreuungsrecht und Selbstbestimmung am Lebensende. September
1998.
Heft 118: Zülicke, Freddy: Chancen und Risiken von Gentechnik und Reproduktionsmedizin.
September 1998.
Heft 119: Meyer, Frank P.; Sass, Hans-Martin: Klinische Forschung 2000. Oktober 1998.
Heft 120: Grossmann, Wilfried; Maio, Giovanni, Weiberg, Anja: Ethik im
Krankenhausalltag - Theorie und Praxis. Oktober 1998.
Heft 121: Das Ulmer Modell medizinethischer Lehre: Sponholz, Gerlinde; Allert, Gebhard;
Keller, Frieder; Meier-Allmendinger, Diana; Baitsch, Helmut: Sequenzierte
Falldiskussion für die praxisnahe Vermittlung von medizinethischer Kompetenz
(Ethikfähigkeit); Uhl, Andreas; Lensing; Claudia: Perspektiven und Gedanken zur
medizinethischen Ausbildung. August 1999.
Heft 122: Schmitz, Dagmar; Bauer, Axel W.: Evolutionäre Ethik und ihre Rolle bei der
Begründung einer zukünftigen Medizin- und Bioethik. März 2000.
Heft 123: Hartmann, Fritz: Chronisch Kranksein als Grenzlage für Kranke und ihre Ärzte.
März 2000.
Heft 124: Baberg, Henning T.; Kielstein, Rita; Sass, Hans-Martin (Hg.): Der
Behandlungsverzicht im Blick des Bochumer Inventars zur medizinischen Ethik
(BIME). April 2000.
Heft 125: Spittler, Johann F.: Locked-in-Syndrom und Bewusstsein – in dubio pro vita. August 2000.
Heft 126: Ilkiliç, Ilhan: Das muslimische Glaubensverständnis von Tod, Gericht, Gottesgnaden und deren Bedeutung für die Medizinethik. September 2000.
Heft 127: Maio, Giovanni: Ethik und die Theorie des "minimalen Risikos" in der medizinischen Forschung. September 2000.
Heft 128: Zenz, Michael; Illhardt, Franz Josef: Ethik in der Schmerztherapie. November
2000.
Heft 129: Godel-Ehrhardt, Petra; May, Arnd T.: Kommunikation und Qualitätssicherung im
Betreuungsrecht
–
Ergebnisse
einer
Befragung
zur
Mailingliste
[email protected]. März 2001.
Heft 130: Dabrock, Peter; Klinnert, Lars: Würde für verwaiste Embryonen? Ein Beitrag zur
ethischen Debatte um embryonale Stammzellen. Juli 2001.
Heft 131: Meyer, Frank P.: Ethik der Verantwortung. Verkommt »Evidence Based Medicine«
zu »Money Based Medicine«? März 2002.
Heft 132: Sass, Hans-Martin: Menschliche Ethik im Streit der Kulturen. 2. Auflage Januar
2003.
Heft 133: Knoepffler, Nikolaus: Menschenwürde als Konsensprinzip für bioethische
Konfliktfälle in einer pluralistischen Gesellschaft. März 2002.
Heft 134: Quante, Michael: Präimplantationsdiagnostik, Stammzellforschung und
Menschenwürde. März 2002.
Heft 135: Köchy, Kristian: Philosophische Grundlagenreflexion in der Bioethik. März 2002.
Heft 136: Hengelbrock, Jürgen: Ideengeschichtliche Anmerkungen zu einer Ethik des
Sterbens. Juli 2002.
Heft 137: Schröder, Peter: Vom Sprechzimmer ins Internetcafé: Medizinische Informationen
und ärztliche Beratung im 21. Jahrhundert. Juli 2002.
Heft 138: Zühlsdorf, Michael T.; Kuhlmann, Jochen: Klinische und ethische Aspekte der
Pharmakogenetik. August 2002.
Heft 139: Frey, Christofer; Dabrock, Peter: Tun und Unterlassen beim klinischen
Entscheidungskonfliktfall. Perspektiven einer (nicht nur) theologischen
Identitätsethik. August 2002.
Heft 140: Meyer, Frank P.: Placeboanwendungen – Die ethischen Perspektiven. März 2003
Heft 141:Putz, Wolfgang; Geißendörfer, Sylke; May, Arnd: Therapieentscheidung am
Lebensende- Ein "Fall" für das Vormundschaftsgericht? 2. Auflage August 2003.
Heft 142: Neumann, Herbert A.; Hellwig, Andreas: Ethische und praktische Überlegungen
zur Einführung der Diagnosis Related Groups für die Finanzierung der
Krankenhäuser. Januar 2003.
Heft 143: Hartmann, Fritz: Der Beitrag erfahrungsgesicherter Therapie (EBM) zu einer
ärztlichen Indikationen-Lehre. August 2003.
Heft 144: Strätling, Meinolfus; Sedemund-Adib, Beate; Bax, Sönke; Scharf, Volker Edwin;
Fieber, Ulrich; Schmucker, Peter: Entscheidungen am Lebensende in Deutschland.
Zivilrechtliche Rahmenbedingungen, disziplinübergreifende Operationalisierung
und transparente Umsetzung. August 2003.
Heft 145: Hartmann, Fritz: Kranke als Gehilfen ihrer Ärzte. 2. Auflage Dezember 2003.
Heft 146: Sass, Hans-Martin: Angewandte Ethik in der Pharmaforschung. Januar 2004.
Heft 147: Joung, Phillan: Ethische Probleme der selektiven Abtreibung: Die Diskussion in
Südkorea. Januar 2004.
Heft 148: May, Arnd T; Brandenburg, Birgitta: Einstellungen medizinischer Laien zu
Behandlungsverfügungen. Januar 2004.
Heft 149: Hartmann, Fritz: Sterbens-Kunde als ärztliche Menschen-Kunde. Was heißt: In
Würde sterben und Sterben-Lassen? Januar 2004.
Heft 150: Reiter-Theil, Stella: Ethische Probleme der Beihilfe zum Suizid. Die Situation in
der Schweiz im Lichte internationaler Perspektiven. Februar 2004.
Heft 151: Sass, Hans-Martin: Ambiguities in Biopolitics of Stem Cell Resarch for Therapy.
März 2004.
Heft 152: Ilkilic, Ilhan: Gesundheitsverständnis und Gesundheitsmündigkeit in islamischen
Traditionen. 3. Auflage März 2005.
Heft 153: Omonzejele, Peter F.: African Concepts of Health, Disease and Treatment [A
Future for Traditional Medicines and Spiritual Healings? A Postscript on Peter F
Omonzeleje by Hans-Martin Sass]. April 2004.
Heft 154: Lohmann, Ulrich: Die neuere standesethische und medizinrechtliche Entwicklung
in Deutschland – Wandel des Menschenbildes? Mai 2004.
Heft 155: Friebel, Henning; Krause, Dieter; Lohmann, Georg und Meyer, Frank P.:
Verantwortungsethik. Interessenkonflikte um das Medikament - Wo steht das
Medikament? Juni 2004.
Heft 156: Kreß, Hartmut: Sterbehilfe - Geltung und Reichweite des Selbstbestimmungsrechts
in ethischer und rechtspolitischer Sicht.1. Auflage September 2004, 3. Auflage
März 2005.
Heft 157: Fröhlich, Günter und Rogler, Gerhard: Das Regensburger Modell zur Ausbildung in
klinischer Ethik. Dezember 2004.
Heft 158: Ilkilic, Ilhan; Ince, Irfan und Pourgholam-Ernst, Azra: E-Health in muslimischen
Kulturen. Dezember 2004.
Heft 159: Lenk, Christian; Jakovljevic, Anna-Karina: Ethik und optimierende Eingriffe am
Menschen. 2.Auflage Februar 2005.
Heft 160: Ilkilic, Ilhan: Begegnung und Umgang mit muslimischen Patienten. Eine
Handreichung für die Gesundheitsberufe. 1. Auflage Juli 2003 (Tübingen), 5.
Auflage April 2005.
Heft 161: Hartmann, Fritz: Vom Diktat der Menschenverachtung 1946 zur "Medizin ohne
Menschlichkeit" 1960; Zur frühen Wirkungsgeschichte des Nürnberger
Ärzteprozesses. 1. Auflage Februar 2005, 2. Auflage März 2005.
Heft 162: Strätling, Meinolfus u.a.: Die gesetzliche Regelung der Patientenverfügung in
Deutschland. Juni 2005.
Heft 163: Sass, Hans- Martin: Abwägungsprinzipien zum Cloning menschlicher Zellen.
Januar 2006.
Heft 164: Vollmann, Jochen: Klinische Ethikkomitees und klinische Ethikberatung im
Krankenhaus. Ein Praxisleitfaden über Strukturen, Aufgaben, Modellen und
Implementierungsschritte. Januar 2006.
Heft 165: Sass, Hans- Martin: Medizinische Ethik bei Notstand, Krieg und Terror.
Verantwortungskulturen bei Triage, Endemien und Terror. Februar 2006.
Heft 166: Sass, Hans-Martin: Gesundheitskulturen im Internet. E-Health-Möglichkeiten,
Leistungen und Risiken. 1. Auflage Februar 2006, 2. Auflage März 2006.
Heft 167: May, Arnd T.; Kohnen, Tanja: Körpermodifikation durch Piercing: Normalität,
Subkultur oder Modetrend? Mai 2006
Heft 168: Anderweit, Sabine; Ilkilic, Ilhan; Meier-Allmendinger, Diana; Sass, Hans-Martin;
Cheng-tek Tai, Michael: Checklisten in der klinisch-ethischen Konsultation. Mai
2006
Heft 169: Kielstein, Rita; Kutzer, Klaus; May, Arnd; Sass, Hans-Martin: Die Patientenverfügung in der ärztlichen Praxis. April 2006
Heft 170: Brenscheidt, Juliane; May, Arnd T.; May, Burkard; Kohnen, Tanja; Roovers, Anna;
Sass, Hans-Martin: Zentrum für Medizinische Ethik Bochum 1986 – 2006.
Heft 171: Dabrock, Peter; Schröder, Peter: Public Health Gen-Ethik. 1. Auflage August 2006.
Heft 172: Berg, Michael: Lebensbeendende Behandlungsbegrenzung bei Wachkomapatienten
– „passiver Suizid“ im Spannungsfeld von pflegerischem Berufsethos und
Selbstbestimmungsrecht des Patienten am Beispiel des „Kiefersfeldener-Falles“
1. Auflage Oktober 2006
Bestellschein
An das
Zentrum für Medizinische Ethik
Ruhr-Universität Bochum
Gebäude GA 3/53
44780 Bochum
Tel: (0234) 32 22749/50
FAX: (0234) 3214 598
Email: [email protected]
Homepage: http://www.medizinethik-bochum.de
Bankverbindung: Konto Nr. 133 189 035, BLZ 430 500 01 Sparkasse Bochum
Name oder Institut:
Adresse:
( ) Hiermit abonniere(n) wir/ich die Reihe MEDIZINETHISCHE MATERIALIEN zum
Sonderpreis von € 4,00 pro Stück ab Heft Nr.____. Dieser Preis schließt die Portokosten
mit ein.
(
) Hiermit bestelle(n) wir/ich die folgenden Einzelhefte der Reihe
MEDIZINETHISCHE MATERIALIEN zum Preis von € 6,00 (bei Abnahme von 10 und
mehr Exemplaren € 4,00 pro Stück).
Hefte Nummer: _____________________________________________
ZUSAMMENFASSUNG
Fröhlich und Rogler stellen das Modell eines Blockseminars in Medizinischer Ethik für die
medizinische Ausbildung nach den Regeln der neuen Approbationsordnung vor. Konzeption
und Inhalt dieses Modells sind fallorientiert und klinknah.
Schlüsselwoerter:
Palliativmedizin,
Patientenautonomie;
Patientenverfügung;
Arzt-Patient-Beziehung;
Pädiatrie;
ärztliche
Ethik;
Tod
und
Sterben;
Gesundheitsbegriff;
Krankheitsbegriff
ABSTRACT
Froehlich and Rogler discuss a model of an intensive course in medical ethics, as required by
the new German examination and licensing regulation ÄAppO. Concept and content of the
course are case-based and clinically oriented.
Key Words: patient autonomy; physician-patient interaction; death and dying; palliative
medicine; advance directive; paediatrics; physician's ethics; definition of health, disease,
disorder.
ISBN: 3-931993-39-6
Herunterladen