SSV-Kurier 3-2011 wortlich sind. Somit kann angenommen werden, dass beim Berner Sennenhund auch Genvarianten vorhanden sind, die ernsthafte Erkrankungen verhindern und dem Hund ein längeres Leben ermöglichen. Die bisherigen Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass die genomischen Zuchtwerte für Lebensalter ein aussichtsreiches Verfahren für die Zucht der Berner Sennenhunde darstellen und eine Fortsetzung der Arbeiten lohnenswert ist. Die bisherigen Resultate sollten über eine weitere Genotypisierung von 16 Berner Sennenhunden mit sicherem Nachweis von maligner Histiozytose sowie 16 in ihren Leben weitgehend gesunden und langlebigen Berner Sennenhunden abgesichert werden. Über den Vergleich mit Großen Schweizer, Entle- Zucht, Gesundheit, Ernährung bucher und Appenzeller Sennenhunden kann eine weitere Absicherung und Eingrenzung der Ursachen für die kürzere Lebensdauer der Berner Sennenhunde erfolgen. Nach Abschluss dieser Arbeiten kann das Verfahren in der Zuchtpraxis eingesetzt werden. Literatur: Hartmann P, Stock KF, Distl O (2011): Lebensdauer und Todesursachen bei Berner Sennenhunden. Prakt Tierarzt 92, 472-478. Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. Ottmar Distl Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover Bünteweg 17p, 30559 Hannover Fortschritte der Erforschung des erblichen Hintergrunds von Krebs bei Berner Sennenhunden Dr. Gerard. R. Rutteman, Spezialist für Onkologie der Tiermedizin, Universitätsklinik für Gesellschaftstiere Utrecht (UKG) und VSC De Wagenrenk, Wageningen, Niederlande Seit fast schon 20 Jahren wird die Form und Ursache von bösartigen histiozytären Tumoren untersucht (histiozytäres Sarkom/ maligne Histiozytose; HS/MH), welche für ihr relativ häufiges Vorkommen beim Berner Sennenhund und Flat-Coated Retriever bekannt sind. Beim Rottweiler tritt dieser Tumor etwas weniger häufig auf als bei den eben genannten Rassen. Je länger geforscht wird, desto größer wird der Verdacht, dass auch in anderen Rassen Familien vorkommen, die Träger von Genen sind, die HS/MH auslösen können. In Utrecht wurden auch ungefähr 10 Dobermänner mit dieser ErMerkmale bei einer Tumorerkrankung, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass es einen erblichen, übertragbaren Hintergrund gibt: (1) jüngeres Alter beim Auftreten des Tumors als im Durchschnitt, (2) relativ hohe Aggressivität des Tumors, (3) mehrere Mitglieder in einer Familie entwickeln den gleichen Tumor und (4) mehrere Tumoren von dem gleichen oder einen verwandten Typus kommen bei einem Patient vor. krankung gesehen. Für jede Rasse gilt, dass wir besonders wachsam sein müssen, ob sich so eine Erkrankung in die Population einschleicht. Ein Verdacht ist gegeben, wenn folgenden Merkmale erkennbar werden: Es sollte immer nach der Perspektive geschaut werden: In der westlichen Welt kommen Mammatumoren bei mehr als 1:10 Frauen vor. Bei Hunden ist der Anteil größer als 1:5. Diese Berechnung gilt nur für Hündinnen, die nicht, oder erst nach dem 2.5 Lebensjahr kastriert wurden (Entfernung der Eierstöcke). Bei einer Basisinzidenz von 20% wird ein gehäuftes Vorkommen nur dann auffallen, wenn es massiv ist. Ein Beispiel dafür ist der Englisch Springer Spaniel, bei dem das Risiko einen Mammatumor zu entwickeln > 40 % ist. Auch zu diesem Thema laufen Untersuchungen ( Insofern ich es überschauen kann, liegt die Häufigkeit von Mammatumoren beim Berner Sennenhund und Flat-Coated Retriever nicht über dem gemittelten Wert, wahrscheinlich eher niedriger. Bei den meisten Rassen erkranken schätzungsweise 1:5000 Tiere an HS/MH. Die Wahrscheinlichkeit das HS/MH entwickelt wird, liegt für 21 22 Zucht, Gesundheit, Ernährung den Berner Sennenhund und den Flat-coated Retriever bei 1:8 bis 1:12 Aufgrund dessen ist die Erkrankung von großem Belang, und seit Jahren „Thema“ von internationalen Studien. Diese werden durch verschiedene Zuchtverbände unterstützt, so auch von niederländischen Zuchtverbänden. Fortschritte in der Forschung Von einer großen Anzahl Berner Sennenhunde mit Verdacht auf einen bösartigen Tumor wie HS/MH sind die Daten und meistens auch Materialien (Blut für DNS-Untersuchungen und manchmal auch Gewebeproben) gesammelt worden. Dies erfolgt nun schon seit mehr als 10 Jahren. Nachdem eine Kooperation zwischen der Universität Utrecht, anderen niederländischen pathologischen Laboratorien (Valuepath, Vetipath) und den jeweiligen Zuchtverbänden zustande gekommen ist, ist die Menge an zentral gespeicherten Daten stark angewachsen. Die Daten der Tierärzte (Symptome, Blutuntersuchung, Röntgen- und/oder Ultraschalluntersuchung) werden mit den Daten der Zell- und Gewebeuntersuchungen kombiniert. Bei ungefähr der Hälfte der Tumoren ist die Zelluntersuchung (Zytologie) ausreichend, um eine definitive Diagnose zu stellen. Bei der anderen Hälfte muss eine Gewebeuntersuchung und oft auch eine immunologische Färbung durchgeführt werden. Neben den Beiträgen aus den Niederlanden und Belgien, stammt ein nennenswerter Anteil an Daten, Blut und Gewebeproben aus Österreich - durch Mithilfe der dort ansässigen Züchter und der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Zusätzlich hat ein Aufruf des SSV in Deutschland (Schweizer Sennenhund-Verein für Deutschland e.V.) dazu geführt, dass die Daten und Blut von Berner Sennenhunden (krank/gesund) auch aus diesem Land an uns gesendet wurden. Bei ungefähr 60 % der Einsendungen kann die Diagnose HS/MH sicher gestellt werden. Diese Einsendungen werden dann für zwei Analysen benötigt. (1) Die DNS aus dem Blut von Tieren mit HS/ MH wird mittels Genomanalysen untersucht und mit der DNS von gesunden alten Hunden verglichen. SSV-Kurier 3-2011 Hierbei arbeitet die Universität Utrecht mit dem National Institute of Health (NIH) in Washington zusammen. Im Jahr 2010 wurde ein großer Fortschritt erzielt, durch die Entdeckung von Genen, die für die Entstehung von HS/MH beim Berner Sennenhund verantwortlich sind. Es gibt eine neue Version des Testes, bei dem die Struktur der DNS bestimmt wird: Bis vor kurzem wurden ungefähr 40.000 Messpunkte untersucht. Jetzt wird die Struktur der Gene bei beinahe 200.000 Messpunkten bestimmt. Durch den neuen Test ist ein Gebiet aufgefallen, das nur einige Gene umfasst. Die Forscher arbeiten besessen daran, um zu erforschen, wie ein abweichendes Gen in diesem Gebiet zu einer Tumorentwickelung (in diesem Fall HS/MH) führen kann. Es gibt berechtigte Hoffnung, dass innerhalb nicht allzu langer Zeit die Forschung zur Entstehung eines Bluttestes führen kann. Nicht bei allen erkrankten Tieren konnte diese Abweichung gefunden werden. Daher wird noch nach weiteren Genen gesucht, die an der Tumorentstehung beteiligt sind. In Kürze soll wieder ein Transport von DNS Proben, die im Laufe des letzten Jahres gesammelt wurden, stattfinden. Damit wird die Anzahl der Tiere, die in dieser Studie zur Erforschung der Ursache von HS/MH beim Berner Sennenhund erfasst werden, verdoppelt. Die Anzahl zählt! Bei den alten bisher gesunden Tieren ist es wichtig, Veränderungen im Gesundheitszustand, die zu einem Tumorverdacht führen, wie Blutarmut, zu melden. Das kann ein Grund sein, um ein solches älteres Tier aus der Kontrollgruppe zu nehmen. Verbleibt ein solches Tier mit einer verborgenen Form der HS/MH in der Gruppe, dann kann die DNS des Tieres die Gruppenanalyse verfälschen. (2) Seit ungefähr 2 Jahren ist Dr. Suzanne Erich zugange, um die Daten von allen Einsendungen mit Verdacht auf HS/MH oder auf eine andere Tumorerkrankung die mit HS/MH einige Gemeinsamkeiten hat, zu überprüfen. Die Diagnosen werden mit den früheren Diagnosen der Experten der tiermedizinischen Fakultät in Utrecht verglichen. Die Objektträger der Zelluntersuchung oder der Gewebeuntersuchung, oder beide, werden erneut kritisch begutachtet und wenn möglich werden die Untersuchungen SSV-Kurier 3-2011 noch mit Immunfärbungen ausgedehnt (Figur 1). Einige Tumoren, bei denen es sehr schwierig war, eine definitive Diagnose zu stellen, wurden nach Kalifornien gesendet. Dr. Peter Moore bringt so seine Expertise bei der Beurteilung ein (www.histiocytosis.ucdavis.edu). Bei einer Bestätigung der Diagnose HS/MH werden die Stammbäume der betroffenen Hunde systematisch zusammengefasst, um die vorliegende familiäre Verwandtschaft mit den Kontrolltieren vergleichen zu können. Diese Methodik ist eine Erweiterung der Untersuchung, welche unter (1) aufgeführt ist. Natürlich bleiben alle Daten anonym. Durch den Datenaustausch zwischen den Niederlanden und anderen Ländern, ist es möglich, viele Tiere in die Analyse aufzunehmen. Das Ziel ist, dass demnächst ungefähr 600 (!) Berner Sennenhunde mit HS/MH in die gekoppelte Datei eingeschrieben sind. Weitere Aspekte dieser Analyse sind: Wird die Form und Lokalisation (lokal, meist gelenksnah: HS; verstreut: MH) oder eventuell das Alter, in dem die Erkrankung auftritt, von dem familiären Hintergrund beeinflusst. (3) Von vielen Tieren wurde auch Material vom Tumorgewebe während Operation oder postmortal gesammelt und eingefroren. Da das Gewebe innerhalb von 20 Minuten eingefroren wird, kann eine Aktivitätsanalyse der Gene erfol- Zucht, Gesundheit, Ernährung gen. Die Aktivität wird anhand der Menge RNS gemessen. Durch die RNS wird die Botschaft verschiedener Gene (ungefähr 23.000) in eine Menge verschiedener Proteine übersetzt. Diese sind entscheidend für die Form und Funktion der Zellen und Organe. Hoffentlich kann demnächst mit einer RNS Analyse begonnen werden, welche Expressionsprofil genannt wird. Daten von dieser Untersuchung können dann mit den Daten aus anderen Analysen (welche unter Punkt (1) genannt werden) gekoppelt werden. Beachte: Auch wenn das Gewebe nicht sofort, aber innerhalb von 12 Stunden, gesammelt werden kann, sollte es trotzdem zur Sicherung der Diagnose eingesandt werden. Weitere Tumoren Erwartungsgemäß werden bei den Einsendungen auch andere Tumoren diagnostiziert. Dies sind zum Beispiel Lymphdrüsenkrebs (malignes Lymphom), oder ein Tumor der Blutgefäße (Hämangiosarkom). Wenn das Forschungsprojekt nach der Ursache von HS/MH gut voranschreitet, dann kann die DNS der Hunde mit anderen Tumoren auf eventuelle gemeinschaftliche Abweichungen verglichen werden. Mit dem Einsatz von Besitzern, Züchtern, Zuchtverbänden, Tierärzten und Forschern gibt es gute Aussichten, dass Erkrankungen wie die HS/MH in Zukunft beim Flat-Coated Retriever und dem Berner Sennenhund stark zurückgedrängt werden. Wenn Leser – neben der Unterstützung die wir von den Zuchtverbänden bekommen – dieses Projekt mittragen wollen, dann kann das durch eine Überweisung zur Bank Konto von der Stichting DOG* in Utrecht, Niederlände, unter Angabe von FHT, geschehen. (ING-bank, Leeuwarden, NL, Stichting Diergeneeskundig Onderzoek Gezelschapsdieren, BIC: INGBNL2A; IBAN: NL30INGB0000512125) (*Diergeneeskundig Onderzoek Gezelschapsdieren, FHT = Forschung des Hintergrunds Tumoren) Figur 1: Mit der Immunfärbung von CD 18 (braune Farbe) wird sichtbar, dass die bösartigen Zellen in dem Gewebe in Wirklichkeit einen histiozytären Ursprung haben. Auf diesem Foto handelt es sich um eine HS/MH. © Rutteman/8-01-2011 23