u n t err i c h t s i dee Flügel sind nicht nur zum Fliegen da Kinder erkunden die Flugleistungen der Honigbiene Honigbienen fliegen schnell oder langsam, manchmal sogar rückwärts, sie steigen und sinken. Aber warum tun sie das und wozu gebrauchen sie ihre vier Flügel noch? Zu welchen komplizierten Flugmanövern Honigbienen fähig sind und welche erstaunlichen Eigenschaften sie darüber hinaus ent­wickelt haben, lernen Kinder in dieser Unterrichtsidee. Ziele des Unterrichts und Arbeitsweisen Im Sachunterricht wird die Honig­ biene in der Regel eher im Zusammenhang mit ihren Lebensräumen sowie ihrem Nutzen für die Menschen (Honigproduktion) und die Natur (Blütenbestäubung) thematisiert. Diese Unterrichtsidee befasst sich vor allem mit den Flügeln, den daraus resultierenden Flugleistungen und anderen besonderen Fähigkeiten der Honigbienen. Die Kinder Y lernen das Aussehen und den Körperbau von Honigbienen, auch im Vergleich zu anderen Hautflüglern (Wespen und Hummeln) kennen, Y untersuchen den Aufbau der flugrelevanten Körperteile (insbesondere die Flügel), Y beobachten verschiedene Flugmanöver in freier Natur und Y lernen die Funktion der Flügel und der Flugmuskeln als Heizung bzw. Klimaanlage im Bienenstock kennen. (s. Wissen kompakt, vgl. auch „Grundschule Sachunterricht“, H. 44/2009: Insekten). Dann können die Kinder Auf methodisch unterschiedliche Art und Weise wie die selbstständige Recherche im Internet, die Arbeit mit Präparaten, eine Exkursion in die Natur und Beobachtungen vor Ort wie auch an kurzen Filmsequenzen können die Kinder zu neuen Erkenntnissen über Honigbienen gelangen. zunächst im Internet oder in Kinderbüchern1 zu ihren Fragen recherchieren und ihre Ergebnisse festhalten Unterrichtsbausteine Den Körperbau von Honigbienen kennenlernen In einer vorangegangenen Unterrichtseinheit zum Thema „Fliegen“ haben die Kinder erfahren, dass der Menschheitstraum vom Fliegen vor allem in genauen Beobachtungen des Flugverhaltens der Vögel und der Untersuchung des Aufbaus ihrer Flügel begründet liegt. Auch Insekten wie Honigbienen sind mit Flügeln ausgestattet. Zu Beginn der Unterrichtsidee kann in einem Gespräch festgestellt werden, was die Kinder über die Honigbiene schon wissen und was sie noch interessiert. Es können Fragen aufgeworfen werden zum Körperbau der Biene, zum Leben der Bienen in einem Bienenvolk, dazu, welche verschiedenen Bienen in einem Volk leben (Arbeiterbiene, Königin, Drohne), aber auch dazu, welche äußerlichen Merkmale bei Honig­bienen anders sind als bei Wespen und Hummeln Jürgen Tautz Abb. 1: Von Frühjahr bis Herbst kann man Honigbienen zuverlässig auf Blüten entdecken Foto: Helga R. Heilmann Nicht nur von Vögeln, auch von Insekten konnten und können wir viel lernen. So ist die Entwicklung des Heli­kopters von Libellen inspiriert, z. B. abrupte Richtungswechsel, plötzliches Verharren im Flug, Rückwärtsfliegen. Auch Honigbienen beherrschen einige komplizierte Flugmanöver. Sie halten zwar keine Rekorde der Flugleistung, haben aber erstaunliche Fähigkeiten entwickelt, ohne die ihre überragende Bedeutung in der Natur nicht denkbar wäre. Auf einen Blick Klassenstufe 3–4 Unterrichtsbausteine: Y Zum Aussehen und zum Lebensraum der Honigbiene recherchieren Y Den Aufbau der Flügel untersuchen Y Flugmanöver der Biene in der freien Natur beobachten Y Die außergewöhnlichen Funktionen der Bienenflügel kennenlernen Material: Y Arbeitsblätter S. 34 und S. 35 Y Lupe, evtl. Pinzette grundschule sachunterricht GSSU_53_12_Heft_12-40.indd 31 53/2012 31 20.01.12 12:42 Foto: Helga R. Heilmann Abb. 2: Honigbienen beherrschen komplizierte Flugmanöver, die sich mit der Schulklasse auf einer Wiese gut beobachten lassen (s. Arbeitsblatt S. 34). Danach kann die genauere Betrachtung und evtl. Untersuchung flugrelevanter Körperteile einer Honigbiene folgen. An verstorbenen Bienen, die bei einem Imker zu bekommen sind (pro Volk sterben in den Sommermonaten am Tag etwa 500 Bienen den Alterstod), können die Flügel mit einer Lupe genau betrachtet und abgezeichnet werden. Die Kinder sollten dabei vor allem erkennen, dass Y Bienen vier Flügel besitzen, von denen jeweils Vorder- und Hinterflügel miteinander „verhakt sind“ wie bei einem Klettverschluss und so eine stabile, zusammenhängen­ de Fläche bieten; Y das Adermuster im Vergleich zu anderen Honigbienen immer gleich ist (was für ein erfolgreiches Baumodell spricht) und Y die Vorderflügel größer und kräftiger geadert sind als die Hinterflügel. Im Gespräch lässt sich ergänzen, welche Funktion die Adern haben: Sie versteifen die Flügel. Anders als beim Flugzeug sind die Flügel der Bienen dennoch beweglich. Flugmanöver „vor Ort“ beobachten Bevor die Honigbiene auf einer Exkursion in der freien Natur beobachtet werden kann, sollte die Lehrkraft klären, ob es bei Kindern der Klasse schon einmal zu allergischen Reak­ tionen auf Bienenstiche gekommen ist (Brief an die Eltern). Betroffene Kin- 32 grundschule sachunterricht GSSU_53_12_Heft_12-40.indd 32 der sollten an den Beobachtungen nicht teilnehmen. Auch sollte mit den Kindern vorab das Verhalten gegenüber Lebewesen besprochen werden. Durch ruhiges und aufmerksames Beobachten werden sie die besten Ergebnisse erlangen können und die Tiere nicht stören. Bienen stechen nur, wenn sie festgehalten oder eingeklemmt werden. Als Beobachtungsort eignen sich Blumenwiesen (vorher Besitzer anfragen, ob die Wiesen betreten werden dürfen und wann die Mahdtermine sind!), Gärten und Parks mit Blumenrabatten oder blühenden Bäumen und Sträuchern. Von Frühjahr bis Herbst kann man hier Honigbienen zuverlässig auf den Blüten entdecken. Als Aufgabe können die Kinder unterschiedliche Flugmanöver beobachten, beschreiben und dokumentieren sowie Zeichnungen ihrer Beobachtungen anfertigen (s. Arbeitsblatt S. 35). Zu den verschiedenen Flugmanövern gehören: Y langsamer Vorwärtsflug: bei Annäherung an ein Ziel (z. B. Blüte); Y langsamer Rückwärtsflug: meist beim Umfliegen von Blüten; Y rascher Anflug und rascher Abflug: an Blüten, an die man keine weiteren Bienen aus dem eigenen Bienenvolk locken möchte, weil sie nicht sehr ergiebig sind; Y langsamer Anflug: an Blüten, an die man mittels Brauseflug weitere Bienen locken möchte, da sie sehr ergiebig sind; Y Brauseflug: ein sichtbar und hörbar auffallendes Flugmanöver, das die Bienen im Luftraum um ein auf diese Weise angezeigtes Ziel aufführen; Y Steig- und Sinkflug: Damit zielen die Bienen den beabsichtigten Landeplatz an und schätzen so die Entfernung bis zur Landung. Es ist nicht wichtig, dass die Kinder jedes Flugmanöver benennen können. Sie sollten aber zwischen verschiedenen Manövern unterscheiden und die besonderen Flugfähigkeiten der Bienen erkennen. Zur Nestklimatisierung recherchieren Weitere interessante Verhaltensbeobachtungen können an kleinen Filmsequenzen aus dem Internet gemacht werden.2 Honigbienen benutzen ihre Flügel eben nicht nur zum Fliegen, sondern u. a. auch zur Nestkühlung im Sommer und die Flugmuskeln zur Erwärmung im Winter. Im Bienen­stock wird der „Flug im Stand“ als Klimaanlage eingesetzt (s. Wissen kompakt). Das Internet ermöglicht Beobachtungen am lebenden Bienenvolk, die ohne den High-tech-Einsatz nicht möglich wären. Alle Beobachtungen können während des Unterrichts, aber auch zu Hause durchgeführt werden (wenn das erwartete Verhalten der Bienen nicht zuverlässig genau während der Schulstunden auftritt). Auf der Internetseite von HOBOS3 kann man „Ventilatorbienen“ und „Heizerbienen“ beobachten: „Ventilatorbienen“ sind im Sommer mit dem Kopf zum Stockeingang hin ausgerichtet und erzeugen mit ihren Flügeln einen Luftstrom, der die warme Luft aus dem Stock herauszieht. „Heizerbienen“ bewegen im Stockinneren die Hinterleibsspitze vor und zurück. Das sind ihre sichtbaren heftigen Atembewegungen zur Sauerstoffversorgung der Flugmuskeln, die auf Hochtouren laufen. Honigbienen verbringen den größten Teil ihres Lebens in einer Umgebung, die sie sich selbst erschaffen und aufrecht erhalten. Der Klimatisierung des Nestes kommt dabei eine überragende Bedeutung zu, nicht nur für den Ablauf des Lebens der erwachsenen Bienen, sondern auch als Entwicklungsumgebung für ihren ■ Nachwuchs. Anmerkungen 1 „Meine große Tierbibliothek: Die Honigbiene“, ein Kindersachbuch vom Kallmeyer Verlag, „Summs und die Honigbienen“, ein Kinderbuch von Vera Trachmann, u. a. 2 Weitere Beobachtungen kann man auf folgenden Internetseiten anstellen: www.youtube.com/watch?v=5ITqn-J8NBk (Biene im Blütenanflug) www.youtube.com/watch?v=p6O7JXzsfaU (Ventilatorbienen) www.youtube.com/watch?v=IEYFH_5wRd0 (Bienen im Winter) 3 HOBOS – HOneyBee Online Studies – ist ein interaktives Schulkonzept, das Schulklassen ermöglicht, in einen mit Kameras ausgestatteten Bienenstock hineinzuschauen. Man kann so im Unterricht gemeinsam mit den Kindern das Verhalten der Bienen vor dem und im Bienenstock beobachten. Mehr unter: www.hobos.de/de/ lehrer-schueler/hobos-daten/bienenstock.html Literatur Kleinhenz, Marco/Bujok, Brigitte/Tautz, Jürgen (2003): Leben im Bienenstock. In: Unterricht Biologie, H. 283, S. 27–30 Nowottnick, Klaus (2004): Die Honigbiene. Hohenwarsleben: Westarp Wissenschaften Tautz, Jürgen (2007): Phänomen Honigbiene. Heidelberg und München: Spektrum Akademischer Verlag 53/2012 20.01.12 12:42 u n t err i c h t s i dee * * * w i s s e n k o m p a k t * * * Zum Körperbau und zur Flugleistung Honigbienen weisen die für Insekten typische Dreiteilung des Körpers in Kopf (Caput), Brust (Thorax) und Hinterleib (Abdomen) auf. Sie besitzen sechs gegliederte Beine, zwei Paar Flügel und sind wie die Hummeln stark behaart (Abb. 1). Wespen dagegen sind glatt. Die vier Flügel der Honigbiene sind klar durchsichtig (Hautflügler). Jeweils die beiden Flügel einer Körperseite werden gemeinsam bewegt und bilden durch eine Art Klettverschluss eine einheitliche Fläche. Angetrieben werden die Flügel durch die starken Flugmuskeln, die den Brustabschnitt der Bienen fast vollständig ausfüllen. Die Bewegung der Flügel kommt dabei durch eine Verformung der Brustkapsel zustande, an der die Flügel befestigt sind (Topf-Deckel-Modell). Die Bienen bewegen ihre Flügel im Flug etwa 250–270 Mal pro Sekunde auf und ab. Die dabei entstehende Luftbewegung ist für den Menschen als Brummen zu hören. Honigbienen entfernen sich im Flug im Extremfall bis zu 10 km vom Stock weg. Diese Grenze wird durch den Energievorrat bestimmt, den eine Biene beim Start zur Verfügung hat. Die maximale Fluggeschwindigkeit einer Honigbiene beträgt etwa 30 km/h. 1 Foto: Helga R. Heilmann Kopf BRUST Flügel HINTERLEIB „Sammelbürste“ mit Pollen FÜHLER FACETTENAUGE BEINE 2 Foto: Helga R. Heilmann Die Honigbiene und andere Hautflügler Honigbienen gehören zur taxonomischen Ordnung der Hautflügler (Hymenoptera). Sie leben in Kolonien (50 000 Bienen und mehr); es sind also Staaten bildende Insekten. In Deutschland gibt es nur eine einzige Honigbienenart. Honigbienenvölker legen im Sommer einen Nahrungs- und Brennstoffvorrat an und überwintern gemeinsam. Wildbienen leben nicht in Kolonien, sondern als Einzelwesen, als sogenannte Solitärbienen oder solitär lebende Bienen. Hierzulande leben mehr als 300 Wildbienenarten, die sich in Aussehen und Größe z. T. sehr unterscheiden. Wildbienen leben nur kurze Zeit, nur die Larven der nächsten Generation überwintern. Wespen und Hummeln gehören ebenfalls zu den Staaten bildenden Insekten. Diese sterben im Herbst ab; bei diesen Hautflüglern überleben aber die begatteten Königinnen den Winter. Zu einem Honigbienenstaat gehören die Königin, Arbeiterbienen und Drohnen (männliche Tiere). Die Königin hat eine Lebensdauer von bis zu fünf Jahren. Sie ist die Einzige im Staat, die Eier produziert und Nachkommen hervorbringt. Arbeiterbienen, die im Sommer geboren werden, meistern im Laufe ihres vier- bis sechswöchigen Lebens verschiedene Aufgaben: Ammendienst, Wabenbau, Wachdienst, Honigherstellung und Tätigkeit als Sammelbiene (Nektar und Pollen). Eine Winterbiene überlebt bis zu neun Monate. Das Leben der Drohnen dauert etwa 30–40 Tage. Entweder befruchten sie eine Königin und sterben danach oder sie werden nach der Vermehrungszeit von Arbeiterbienen vom Futter abgedrängt, aus dem Stock „geschmissen“ und verhungern. Honigbienen nutzen ihre Flügelkraft nicht nur zum Fliegen, sondern auch zur Klimatisierung oder Erwärmung des Brutnestes Eine für den Superorganismus Bienenkolonie wichtige weitere Funktion des „Flugmotors“ ist die Klimatisierung des Bienenstocks. Vor dem Stockeingang oder im Stock stehende Bienen schwirren mit den Flügeln und erzeugen im Sommer als kleine Ventilatoren einen kühlenden Luftstrom (Abb. 2). Im Winter dagegen geben die auf voller Kraft laufenden starken Flugmuskeln Wärme ab und heizen so die eng zusammengerückten Bienen in der Wintertraube und im Sommer das Brutnest. Literatur Nitschmann, Joachim/Hüsing, Johannes Otto (2002): Lexikon der Bienenkunde. Wien: Tosa Verlag grundschule sachunterricht GSSU_53_12_Heft_12-40.indd 33 53/2012 33 20.01.12 12:42