Semesterarbeit HRM_Manuela Bartel

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Theoretische Analyse der Wirkung einer
Beförderung auf Überkonfidenz
Semesterarbeit
am
Institut für Strategie- und Unternehmensökonomik
Universität Zürich
Lehrstuhl für Human Resource Management
Prof. Dr. Bruno Staffelbach
Betreuerin:
Eva-Maria Aulich
Fachgebiet:
Betriebswirtschaftslehre
Fach:
Human Resource Management
Verfasserin:
Manuela Bartel
...
...
E-Mail:
[email protected]
Matrikelnummer:
...
Studienrichtung:
...
Anzahl studierter Semester:
...
Abgabedatum:
20.10.2008
Abstract
Überkonfidenz bezeichnet die Selbstüberschätzung von Individuen, die durch Wahrnehmungsverzerrungen hervorgerufen wird und fatale Folgen nach sich ziehen kann. Die vorliegende Arbeit soll dazu dienen, einen möglichen Einfluss einer Beförderung auf das Auftreten
von Überkonfidenz zu analysieren. Dazu wird anhand einzelner Theorien der untersuchte
Wirkungszusammenhang hergeleitet, wobei auf verschiedene wissenschaftliche Disziplinen,
wie die Psychologie und die Soziologie, zurückgegriffen wird. Auf Basis der theoretischen
Analyse werden anschliessend Hypothesen generiert, die vermuten lassen, dass eine Beförderung das Ausmass an Überkonfidenz verstärken kann. Nachdem der hypothetisch bestehende
Wirkungszusammenhang verdeutlicht wurde, werden mögliche Auswirkungen einer gesteigerten Überkonfidenz betrachtet. Abschliessend werden Handlungsmöglichkeiten dargelegt,
welche der Eindämmung von Überkonfidenz, und damit auch deren negativen Folgen, dienen
können.
Overconfidence describes an exaggerated opinion of oneself caused by biases of perception,
which entails fatal consequences. The aim of this paper is to demonstrate whether a promotion
can trigger overconfidence and how this could happen. This connection is investigated using
several theories from both psychological and sociological backgrounds. Based on a theoretical
analyses, hypotheses are established, which indicate that a promotion potentially increases
overconfidence. Having illlustrated the hypothetically existing effects, possible consequences
of increased overconfidence are considered. Finally a number of measures are presented, by
which one could reduce overconfidence and its negative consequences.
II
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis..................................................................................................................... III
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis....................................................................................... V
Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................................. V
1. Einleitung ............................................................................................................................... 1
2. Beförderung und Überkonfidenz............................................................................................ 2
2.1
Beförderung................................................................................................................ 3
2.1.1
Zum Begriff der Beförderung................................................................................. 3
2.1.2
Systematische Einordnung und sachgerechte Abgrenzung.................................... 4
2.2
Überkonfidenz ............................................................................................................ 4
2.2.1
Begriffsdefinition ................................................................................................... 4
2.2.2
Ursachen von Überkonfidenz................................................................................. 6
2.2.3
Empirisch belegte Zusammenhänge....................................................................... 8
2.2.4
Abgrenzung zu verwandten Begriffen ................................................................. 11
2.3
Zusammenhang zwischen Beförderung und Überkonfidenz ................................... 12
3. Theoretische Analyse der Wirkung einer Beförderung auf Überkonfidenz......................... 13
3.1
Analyse der theoretischen und empirischen Grundlagen ......................................... 14
3.1.1
Prospect Theory.................................................................................................... 14
3.1.2
Psychologische Theorien...................................................................................... 16
3.1.2.1 Attributionstheorie ............................................................................................ 16
3.1.2.2 Theorie der sozialen Identität............................................................................ 18
3.1.2.3 Vertrauenstheorie .............................................................................................. 20
3.1.3
Soziologische Theorie: Erwartungserwartung ..................................................... 22
3.1.4
Analyse empirischer Studien................................................................................ 23
3.1.4.1 Macht ................................................................................................................ 24
3.1.4.2 Wirkung von Überkonfidenz auf andere Personen ........................................... 25
3.1.4.3 Der Drang nach Selbstdarstellung .................................................................... 25
III
3.1.4.4 Wirkungsrichtung zwischen Selbstwertgefühl und Karriereerfolg................... 25
3.2
Hypothesengenerierung............................................................................................ 26
4. Konsequenzen für das Human Resource Management........................................................ 33
4.1
Auswirkungen einer gesteigerten Überkonfidenz .................................................... 33
4.1.1
Unterschied zwischen Entscheiden und Handeln................................................. 34
4.1.2
Mögliche positive Folgen von Überkonfidenz..................................................... 34
4.1.3
Mögliche negative Folgen von Überkonfidenz .................................................... 36
4.2
Handlungsempfehlungen zur Eindämmung von Überkonfidenz ............................. 38
5. Schlussbetrachtung............................................................................................................... 41
Literaturverzeichnis.................................................................................................................. VI
Anhang ...................................................................................................................................... X
IV
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abb. 1: Ursachen für die Entstehung von Überkonfidenz……………………………………..6
Abb. 2: Einflussgrössen auf Überkonfidenz…………………………………………………...9
Abb. 3: Kategorisierung: attributierte Ursachen für Erfolg und Misserfolg……………….…16
Abb. 4: Darstellung möglicher Hypothesen……………………………………………….….27
Abb. 5: Wirkungsweise von Überkonfidenz auf das Ergebnis……………………………….33
Abb. 6: Kreislauf positiver Selbstbewertung………………………………………….……...35
Tab. 1: Übersicht der Wirkung einer Beförderung auf Überkonfidenz………………………32
Abkürzungsverzeichnis
Abb.
Abbildung
bspw.
beispielsweise
d.h.
das heisst
et al.
et alii
HRM
Human Resource Management
i.d.R.
in der Regel
i.S.v.
im Sinne von
Kap.
Kapitel
V
1. Einleitung
Jeden Tag müssen Menschen Entscheidungen treffen, die von unbekannten Faktoren beeinflusst werden und deren Konsequenzen nicht vollkommen überschaubar sind. Auch wenn
diese Entscheidungen unter Unsicherheit getroffen werden, wird dennoch jede einzelne von
einem gewissen Mass an Überzeugung begleitet. Dabei kann Überkonfidenz auftreten, oder
anders ausgedrückt die Selbstüberschätzung eines Individuums, welche im privaten wie im
beruflichen Leben weit reichende Konsequenzen nach sich ziehen kann. „[…] one of the most
prevalent and most catastrophic impediment to judgement and decision making is
overconfidence.“1 Daher ist es wichtig, sich über die Entstehung und Auswirkungen von Überkonfidenz im Klaren zu sein, um gezielt mit diesem Phänomen umzugehen, seine Vorteile
zu nutzen und Nachteile zu vermeiden. Etliche Studien, bspw. Goel/Thakor (2006) und Russo/Schoemaker (1992), haben sich bereits mit diesem Thema beschäftigt und deutlich gemacht, dass es gerade in der Ökonomie immer wieder zu schwerwiegenden Problemen durch
überkonfidente Entscheidungen kommt. Ein bewusster Umgang mit Überkonfidenz scheint
daher notwendig.
Diese Arbeit widmet sich dem Bereich des Human Resource Management2 und untersucht
den Einfluss einer Beförderung auf das Auftreten von Überkonfidenz. Es soll die zentrale
Frage beantwortet werden, ob eine Beförderung Überkonfidenz verstärken oder verringern
kann, oder ob sie überhaupt einen Einfluss auf diese Ausprägungen hat. Dazu wird auf ausgewählte Theorien zurückgegriffen, die letztendlich eine Aufstellung von Hypothesen zum
erwähnten Wirkungszusammenhang ermöglichen sollen.
Die Untersuchung basiert auf einer theoretischen Analyse anhand von Literaturrecherchen.
Inhaltlich gliedert sich die Arbeit in vier Abschnitte: zuerst wird auf die Begriffe Beförderung
und Überkonfidenz, sowie deren bisher empirisch geprüften Zusammenhang eingegangen.
Danach folgt eine theoretische Betrachtung aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven, die sowohl für die Bedeutung der Beförderung als auch für das Auftreten von Überkonfidenz relevante Aspekte enthalten. Dabei musste aufgrund der begrenzten Bearbeitungszeit
eine Auswahl an Theorien getroffen werden. Grundlegende Informationen liefert zunächst die
Prospect Theory. Zudem werden aus der psychologischen Disziplin die Theorie der sozialen
Identität, die Attributionstheorie und die Vertrauenstheorie betrachtet, um die Vorgänge die
sich im agierenden Individuum abspielen, genauer zu verstehen. Im Bereich der soziologi-
1
2
Sivanathan/Galinsky, 2007, S.4
Im Folgenden wird für Human Resource Management die Abkürzung HRM verwendet.
1
schen Disziplin, in dem es darum geht, die Interaktion zwischen dem einzelnen Individuum
und dessen
Umwelt zu betrachten, bezieht sich die Untersuchung auf die Erwartungserwartung. Anschliessend werden bestehende empirische Untersuchungen hinzugezogen, die Hinweise auf
den zu untersuchenden Zusammenhang liefern können. Aus diesen Betrachtungen werden
schliesslich Hypothesen abgeleitet, die die Wirkung einer Beförderung auf Überkonfidenz
beschreiben können. Auf der Basis dieser Hypothesen, die einen Zusammenhang zwischen
einer erfolgten Beförderung und einer gesteigerten Überkonfidenz vermuten lassen, sollen im
anschliessenden Kapitel mögliche Konsequenzen von Überkonfidenz betrachtet werden, welche aus verschiedenen Literaturquellen abgeleitet werden. Hier geht es darum, die wesentlichen Auswirkungen von Überkonfidenz auf die Leistung der überkonfidenten Akteure3 und
den Einfluss von überkonfidenten Akteuren auf andere Teammitglieder zu verdeutlichen, sowie daraus resultierende Massnahmen abzuleiten, um negative Effekte von Überkonfidenz
einzudämmen. Das letzte Kapitel fasst die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit zusammen,
betrachtet die Untersuchung kritisch und gibt einen Ausblick für den weiteren Umgang mit
der erforschten Beziehung zwischen Beförderung und Überkonfidenz.
Es wurden bereits einige Studien zur Untersuchung des Wirkungszusammenhangs zwischen
Aufstieg und Überkonfidenz durchgeführt.4 Diese konzentrieren sich auf die Beförderungswahrscheinlichkeit in Abhängigkeit von Überkonfidenz. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt
allerdings, wie auch der Titel verdeutlicht, ganz klar auf der entgegengesetzten Richtung,
denn hier geht es speziell um die Untersuchung der Wirkung einer Beförderung auf das Ausmass von Überkonfidenz. Ausserdem bedient sich diese Untersuchung lediglich theoretischer
Annahmen, um Hypothesen zur Beeinflussung von Überkonfidenz durch eine Beförderung zu
generieren. Die Prüfung der Hypothesen bedarf jedoch einer empirischen Untersuchung.
2. Beförderung und Überkonfidenz
Die beiden Grundbegriffe Beförderung und Überkonfidenz sind Mittelpunkt der vorliegenden
Arbeit. Daher bildet ein einheitliches Verständnis beider Begriffe sowie deren Zusammenhang die Basis für das weitere Vorgehen. Folglich wird in den nächsten drei Unterkapiteln
erläutert, wie die Bezeichnung Beförderung innerhalb dieser Untersuchung verwendet wird,
3
Im Folgenden wird für geschlechtsspezifische Ausdrücke immer die männliche Form verwendet, wobei beide
Geschlechter angesprochen werden.
4
vgl. hierzu Studien von Goel/Thakor (2006), Han et al. (2005)
2
was konkret unter dem Begriff Überkonfidenz zu verstehen ist und wie diese beiden Faktoren
zusammenhängen oder zusammenhängen könnten.
2.1
Beförderung
In den Kapiteln 2.1.1 und 2.1.2 soll genauer auf den Begriff der Beförderung sowie dessen
konkrete Abgrenzung eingegangen werden, um ein gemeinsames Verständnis dieses Begriffs
für die vorliegende Arbeit zu sichern.
2.1.1 Zum Begriff der Beförderung
Obwohl es keine einheitliche und allgemein anerkannte Definition für die Bezeichnung Beförderung gibt, soll an dieser Stelle eine konkrete Umschreibung dieses Begriffs vorgenommen werden, um ein gemeinsames Verständnis für die weiteren Ausführungen zu sichern.
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass sich Unternehmen intensiv mit der betrieblichen Anreizgestaltung beschäftigen, um primär die Arbeitsleistung ihrer Mitarbeiter abzugelten sowie
Motivation hinsichtlich der Aufgabenerfüllung aufzubauen. Diese Anreizgestaltung umfasst
sowohl monetäre als auch nicht-monetäre Leistungen, wobei Beförderungen den nichtmonetären Anreizen zuzuordnen sind. Sie können das Engagement des jeweiligen Arbeitnehmers für die Unternehmung beeinflussen und wirken somit lenkend und verhaltenssteuernd. 5
Sadowski fasst allgemeine Funktionen einer Beförderung zusammen und nennt dabei drei
wesentliche Aspekte:
•
die Anreizgestaltung,
•
die Selektion der Fähigsten und
•
die Allokation der Fähigsten.6
Gemäss Sadowski resultieren Beförderungen aus der Überschreitung eines bestimmten Mindeststandards der Arbeit. Dieser Standard bemisst sich sowohl durch angeborene und erworbene Fähigkeiten als auch durch das Anstrengungsniveau eines Mitarbeiters. Somit können
Beförderungen einerseits die höhere Fähigkeit eines Arbeitnehmers, andererseits auch dessen
erhöhte Leistungsbereitschaft signalisieren.7 Diese Signalwirkung einer Beförderung kann
einen Anreiz für den Arbeitnehmer darstellen, kann seine Motivation und damit auch sein
Engagement erhöhen.
5
vgl. Klimecki/Gmür, 2001, S.271
vgl. Sadowski, 2002, S.144
7
vgl. Sadowski, 2002, S.147
6
3
2.1.2 Systematische Einordnung und sachgerechte Abgrenzung
Für das Verständnis der Beförderung in dieser Arbeit soll der Fokus auf das organisatorische
Gebilde der Hierarchie gelegt werden, d.h. im Zentrum steht der Aufstieg innerhalb einer Unternehmung. Der externe Arbeitsmarkt und seine Einflüsse auf das Verhalten des Arbeitnehmers werden in den Ausführungen vernachlässigt.
Eine weitere Abgrenzung stellt die Fokussierung auf den echten Aufstieg dar. Nach Speich
steht ein echter Aufstieg normalerweise mit einer für die Person spürbaren Erweiterung des
Kompetenz- und Verantwortungsbereiches sowie des Einflusses in der Organisation in Verbindung.8 Oft geht diese Erweiterung mit einer Erhöhung personeller und/oder finanzieller
Ressourcen einher, welche einem Zuwachs an Macht entspricht. Macht kann in diesem Zusammenhang verstanden werden als die Befugnis, andere durch die Kontrolle wertvoller Ressourcen sowie den möglichen Einsatz von Belohnung und Bestrafung zu beeinflussen. 9 Davon
zu trennen sind Schein- oder Pseudoaufstiege, die sich bspw. in einer exklusiven Büroausstattung oder einem Dienstwagen zeigen.10 Zusätzlich sollen Arbeitserweiterungs- und Arbeitsbereicherungsmassnahmen (job enlargement, job enrichment) ohne spürbaren Machtzuwachs
ausgeklammert werden.
Für die weiteren Ausführungen ist die folgende Annahme zentral: Beförderungen seien so
offensichtlich und aussagekräftig, dass sie auch von anderen Personen als Aufstieg wahrgenommen werden (vgl. hierzu Kap. 3.1.2.2) und sie seien zudem mit einem deutlichen Zuwachs an Macht verbunden.
2.2
Überkonfidenz
Im folgenden Kapitel soll zunächst der Begriff Überkonfidenz definiert und dessen Erscheinungsformen dargelegt werden. Danach werden im Kap. 2.2.2 die Ursachen vorgestellt und
schliesslich in Kap. 2.2.3 ausgewählte empirische Belege zum Zusammenhang zwischen verschiedenen Faktoren und dem Auftreten von Überkonfidenz behandelt.
2.2.1 Begriffsdefinition
Der Begriff Überkonfidenz hat seine Ursprünge in der kognitiven psychologischen Literatur
und wird in der Psychologie schon seit längerem thematisiert.11 Sivanathan/Galinsky definie8
vgl. Speich, 2001, S.4
vgl. Sivanathan/Galinsky, 2007, S.3
10
vgl. Speich, 2001, S.44
11
vgl. Englmaier, 2004, S.1
9
4
ren ihn als „an individual´s tendency to have too much confidence in the accuracy of his or
her own judgements“12, d.h. Individuen überschätzen ihre eigenen Fähigkeiten und ihr Wissen
und sind somit zu überzeugt von der Genauigkeit ihrer Überlegungen sowie der Richtigkeit
ihrer Entscheidungen und Handlungen.13 Aus einer Studie von Doukas/Petmezas geht ausserdem hervor, dass überkonfidente Personen dazu neigen, die Wahrscheinlichkeit möglicher
Gewinne zu überschätzen und das mögliche Risiko einer Entscheidung zu unterschätzen. 14
Überkonfidenz zeigt sich in einer Ansammlung verschiedener Phänomene. Englmaier fasst
die vier wichtigsten Erscheinungsformen zusammen. Darunter fallen Misskalibrierung,
selbstdienende Tendenzen, Kontroll-Illusion und Überoptimismus.15
Misskalibrierung (miscalibration)16
Gemeint ist, dass Individuen zu enge Vertrauensintervalle für ihre eigenen Urteile angeben,
also selbst einschätzen, dass sie mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit richtig urteilen. Diese oft
falsche Einschätzung birgt die Gefahr von Fehlentscheiden.
Selbstdienende Tendenzen (self serving bias)
Individuen neigen dazu, erreichte Erfolge eher den eigenen Fähigkeiten und Misserfolge eher
aüsseren Umständen oder dem Zufall zuzuschreiben (vgl. Kap. 3.1.2.1). Diese interne Erfolgsattribution führt dazu, dass Individuen auch ihre zukünftigen Erfolge überschätzen.17
Kontroll-Illusion (illusion of control)
Die Kontroll-Illusion zeigt sich in der Überzeugung, Zufälle zu beherrschen, d.h. Kontrolle
über die jeweilige Situation zu besitzen. Die erwartete persönliche Erfolgswahrscheinlichkeit
übertrifft dabei die tatsächliche Erfolgswahrscheinlichkeit.18 Dadurch wird die Wahrscheinlichkeit möglicher Misserfolge unterschätzt.19
Überoptimismus (overoptimism)
Die Tendenz, erwünschte Ereignisse als wahrscheinlicher und unerwünschte Ereignisse als
unwahrscheinlicher zu betrachten als sie tatsächlich sind, stellt einen unrealistische Ausprägung von Optimismus dar. Zusätzlich führt eine hohe Überzeugung von den eigenen Fähig12
Sivanathan/Galinsky, 2007, S.4
vgl. Sivanathan/Galinsky, 2007, S.5
14
vgl. Doukas/Petmezas, 2007, S.532
15
Die Ausführungen zu den einzelnen Erscheinungsformen beziehen sich weitestgehend auf Englmaier, 2004,
S.1-2. Abweichende Quellen sind mittels Fussnote angegeben.
16
In Anlehnung an die mehrheitlich englischsprachige Literatur werden zusätzlich jeweils die Originalbegriffe
erwähnt.
17
vgl. Doukas/Petmezas, 2007, S.537
18
vgl. Sivanathan/Galinsky, 2007, S.6
19
vgl. Doukas/Petmezas, 2007, S.537
13
5
keiten und Persönlichkeitsmerkmalen bei den Individuen zu der Vorstellung, besser zu sein
als andere. Diese Tendenz wird auch als Besser als der Durchschnitt-Effekt (better than average-effect) bezeichnet.20
2.2.2 Ursachen von Überkonfidenz
Russo/Schoemaker haben sich im Rahmen einer empirischen Untersuchung mit Managern
unterschiedlicher Branchen und recherchierten Beispielen aus der Wirtschaftspraxis mit der
Entstehung von Überkonfidenz beschäftigt und dabei verschiedene Ursachen herausgearbeitet.21 Sie unterscheiden drei Arten: kognitive, physiologische und motivationale Ursachen
(siehe Abb. 1).
Ursachen der Entstehung von
Überkonfidenz
kognitive
Ursachen
physiologische
Ursachen
motivationale
Ursachen
Vorhandensein/
Nutzbarkeit
Euphorie
Glaube an
die eigenen
Fähigkeiten
Verankerung
Bestätigung
nachträgliche
Einsicht
Abb. 1: Ursachen für die Entstehung von Überkonfidenz22
Kognitive Ursachen23
Die kognitiven, also auf Erkenntnis beruhenden Ursachen lassen sich in vier Unterpunkte aufspalten: availability bias, anchoring bias, confirmation bias und hindsight.
Vorhandensein/Nutzbarkeit (availability bias)24
„What`s out of sight is often out of mind“25, so lässt sich die erste der vier kognitiven Ursachen am besten beschreiben. Gemeint ist damit, dass die Komplexität und Vielzahl möglicher
Ereignisse in der Zukunft nicht überschaubar und daher nicht vorhersehbar ist. Deshalb werden bewusst nur wenige Möglichkeiten berücksichtigt. Über diese entsteht jedoch eine über-
20
vgl. Glaser/Weber, 2003, S.6
vgl. Russo/Schoemaker, 1992, S.9-11
22
eigene Darstellung in Anlehnung an die Ausführungen von Russo/Schoemaker, 1992, S.11-16
23
Die Ausführungen zu den kognitiven Ursachen beziehen sich weitestgehend auf Russo/Schoemaker, 1992,
S.11-12. Abweichende Quellen sind mittels Fussnote angegeben.
24
In Anlehnung an die englischsprachige Literatur werden zusätzlich jeweils die Originalbegriffe erwähnt.
25
Russo/Schoemaker, 1992, S.11
21
6
mässige Sicherheit bezüglich verschiedener Annahmen, wie bspw. die Überschätzung ihrer
Eintrittswahrscheinlichkeiten.
Ein Beispiel veranschaulicht diese Verzerrung: Ein erfahrener Kartenspieler wird besser kalibriert sein, da er aufgrund seiner Kenntnisse auch unwahrscheinliche Ereignisse in seinen
Entscheidungsprozess einbezieht. Ein unerfahrener Kartenspieler hingegen blendet unwahrscheinliche Ereignisse, wie bspw. vier Asse in einer Hand, aus und überschätzt dafür andere
Möglichkeiten, die seine Erwartungen verzerren.
Verankerung (anchoring bias)
Dieses Kriterium wird folgendermassen definiert: „a tendency to anchor on one value or idea
and not adjust away from it sufficiently“26. Es wird also ein Ankerpunkt, i.d.R. eine gute
Vermutung gesetzt, um den herum nur ungenügende Anpassungen vorgenommen werden.
Auch hierzu ein Beispiel: Manager schätzen die Umsatzzahlen einzelner Geschäftseinheiten
für das folgende Quartal zunächst ab, bevor sie ein Vertrauensintervall rings um diesen Ankerpunkt angeben, welches oft zu knapp gewählt ist.
Bestätigung (confirmation bias)
Die Bestätigungstendenz bezieht sich auf den mentalen Suchprozess von Individuen. Normalerweise betrachten Individuen sowohl das Pro als auch das Contra ihrer Ansichten. Hier
kommt es jedoch zu einer einseitigen Suche nach Unterstützung für die eigene Ansicht anstatt
nach gegensätzlichen Hinweisen. Wie viel Gewicht dabei auf die einzelnen Hinweise gelegt
wird ist abhängig von deren Stärke (Unterstützungskraft) sowie der Glaubwürdigkeit der
Quelle von Hinweisen. Ist die Stärke hoch und die Glaubwürdigkeit gering, so kann dies zu
Überkonfidenz führen.
In einem Bewerbungsgespräch kann sich bspw. der positive Eindruck von dem Kandidaten,
welcher durch die Bewerbungsunterlagen entstanden ist, durch dessen kompetente Aussagen
bestätigen. Die Stärke des Hinweises ist in diesem Fall hoch, d.h. der Kandidat wirkt in seiner
Erscheinung und seinen Aussagen positiv. Die Glaubwürdigkeit jedoch ist gering, da es sich
lediglich um einen einmaligen und kurzen Einblick in die Person handelt. Trotzdem ist sich
der Entscheidungsträger in diesem Fall sicher, weil sich sein erster Eindruck bestätigt hat.
Nachträgliche Einsicht (hindsight)
„Hindsight makes us believe, that the world is more predictable than it really is.“27 Die Wahrscheinlichkeit eines eingetretenen Ereignisses wird im Nachhinein überschätzt, weil es kaum
26
27
Russo/Schoemaker, 1992, S.11
Russo/Schoemaker, 1992, S.12
7
möglich ist, sämtliche Unsicherheiten, die zur damaligen Zeit vorhanden waren, vollständig
zu erfassen. Dadurch entsteht eine Illusion der Allwissenheit, die zu überkonfidentem Verhalten führen kann.
Diese nachträgliche Einsicht lässt sich im Wahlkampf beobachten. Es gibt Kandidaten, denen
vor der Wahl kaum eine Gewinnchance eingeräumt wird und die letztlich doch als Sieger der
Wahl hervorgehen. Im Nachhinein besteht dann grosse Einigkeit darüber, dass es nicht anders
hätte kommen können, weil dann damalige Unsicherheiten ausgeblendet werden.
Physiologische Ursachen
Ein bedeutender biochemischer Grund für das Auftreten von Überkonfidenz findet sich in der
Euphorie: persönlicher oder beruflicher Erfolg zieht oftmals ein Gefühl von ermutigendem
Wohlbefinden nach sich, welches zu einer gesteigerten Selbstüberzeugung führen kann. Dieser Effekt kann möglicherweise auch durch Drogen wie Alkohol oder Kokain ausgelöst werden.28
Motivationale Ursachen29
Der Glaube an die eigenen Fähigkeiten und der damit einhergehende Optimismus wird von
Russo/Schoemaker als eine Ursache für Überkonfidenz betrachtet, die weit reichende positive
Wirkungen nach sich ziehen kann. Durch die Motivationswirkung des Glaubens kann der
Handelnde über sich hinaus wachsen und so unerwartet gute Ergebnisse erzielen. Allerdings
beinhaltet eine unrealistische Überzeugung vom eigenen Erfolg auch die Gefahr der Verzerrung der Realität und kann zu Fehlentscheidungen führen.
Am Rande dieser Arbeit wird auch die Wirkung einer Beförderung auf diese Ursachen einbezogen.
2.2.3 Empirisch belegte Zusammenhänge
Auswirkungen verschiedener Einflussgrössen auf das Auftreten von Überkonfidenz wurden
bereits in zahlreichen empirischen Studien untersucht. Einige, für den hier untersuchten Zusammenhang zwischen Beförderung und Überkonfidenz wichtige Determinanten sollen an
dieser Stelle kurz erläutert werden. Abb. 2 stellt bedeutende Einflussgrössen dar.
28
29
vgl. Russo/Schoemaker, 1992, S.15
vgl. Russo/Schoemaker, 1992, S.16
8
Erfahrung
Situative
Komplexität
Selbstdarstellung
ÜBERKONFIDENZ
Informationsmenge
Persönliche
Eigenschaften
Abb. 2: Einflussgrössen auf Überkonfidenz
Erfahrung
Langer/Roth haben in einem Experiment, in dem Münzen geworfen wurden, den Zusammenhang zwischen den Ergebnissen und deren Ursachenzuschreibung durch die Akteure getestet.
Sie fanden heraus, dass konsistente Ergebnisse über einen längeren Zeitraum hinweg darauf
hinweisen, dass die Situationen jeweils durch die Fähigkeiten der Handelnden geprägt sind
und auch durch die Handelnden so wahrgenommen werden. Wenn also entsprechende Fähigkeiten vorhanden sind und der Akteur motiviert ist erfolgreich zu handeln, dann steigt die
Wahrscheinlichkeit, konsistent gute Ergebnisse zu erzielen. Als Voraussetzung gilt hierbei,
dass die jeweilige Situation kontrollierbar ist. Zufalls-Ereignisse hingegen, die nicht auf eigene Fähigkeiten zurückgeführt werden, variieren zwischen Erfolg und Misserfolg.30
Kommt es langfristig zur Erzielung von Erfolgen, so wird dies den eigenen Fähigkeiten zugeschrieben und der Zufall ausgeblendet. Daraus resultiert eine Sicherheitsüberzeugung, die
durch die Illusion ausgelöst wird, Kontrolle über die Situation zu besitzen. Die Kontrolle über
die Situation ist beim Münzenwerfen nicht gegeben, wird jedoch von den Akteuren, die über
einen längeren Zeitraum Erfolge erzielen, so wahrgenommen. Die Rückführung des Erfolgs
auf die eigenen Fähigkeiten sowie die Überzeugung, Kontrolle über die jeweilige Situation zu
besitzen, stellen Überkonfidenz dar.31
Ben-David et al. fanden heraus, dass das Ausmass an Überkonfidenz sinkt, je mehr Berufserfahrung vorhanden ist.32 Auch die Studie von Oskamp weist in diese Richtung. Er ermittelte,
dass sowohl Psychologen als auch Richter mit zunehmender Erfahrung eine geringere Ten-
30
vgl. Langer/Roth, 1975, S.951-952
vgl. Langer/Roth, 1975, S.954-955
32
vgl. Ben-David et al., 2006, S.15
31
9
denz zur festen Überzeugung an sich und daher auch zu Überkonfidenz aufweisen und in ihren Urteilen den Unerfahrenen gegenüber überlegen sind.33
Persönliche Eigenschaften
Ben-David et al. haben sich mit dem Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsmerkmalen
und Überkonfidenz beschäftigt. Ihre Untersuchungen haben ergeben, dass die Wahrscheinlichkeit für Überkonfidenz steigt, je höher das Ausmass der eigenen Fähigkeiten und der Ausbildung ist.34
Auch Schaefer et al. widmeten sich diesem Zusammenhang, indem sie den Einfluss der Big
Five35 auf das Auftreten von Überkonfidenz untersuchten. Sie konnten einen signifikanten
positiven Bezug von Extraversion und überkonfidentem Verhalten feststellen. Zudem konnten
sie einen positiven Bezug von Verträglichkeit und Pflichtbewusstsein auf das Selbstvertrauen
herausfiltern, welcher auf eine Verbindung dieser Eigenschaften mit Überkonfidenz hindeutet.36
Informationsmenge
Oskamp fand bereits im Jahre 1965 heraus, dass die Qualität einer Entscheidung mit zunehmender Informationsmenge steigt und ab einem bestimmten Informationssättigungspunkt
objektiv betrachtet wieder sinkt. Die subjektive Überzeugung der Entscheidungsträger steigt
jedoch auch nach diesem Sättigungspunkt weiter an. Je mehr Informationen vorhanden sind,
desto sicherer fühlen sich die Akteure hinsichtlich ihrem Verständnis und der Richtigkeit ihrer
Entscheidungen. Diese übermässige Überzeugung stellt Überkonfidenz dar.37
Selbstdarstellung
Russo/Schoemaker haben neben den in Kap. 2.2.2 genannten Ursachen von Überkonfidenz
auch entdeckt, dass viele Menschen den Drang besitzen sich als kompetente Personen mit
guter Einschätzungsgabe auszuzeichnen. Dieser Selbstdarstellungsdrang kann zu Überkonfidenz führen. Der Grund für diese Verhaltensweise kann im folgenden Zitat gesehen werden:
„people often equate confidence with competence“38. Danach wird die überzeugte Darstellung
33
vgl. Oskamp, 1965, S.261
vgl. Ben-David et al., 2006, S.15-16
35
Unter Big Five werden folgende relativ stabile Persönlichkeitsmerkmale subsummiert: Extraversion, emotionale Stabilität, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit und Offenheit für neue Erfahrungen (vgl. Rosenstiel et al.,
2005, S.321-322).
36
vgl. Schaefer et al., 2003, S.477
37
vgl. Oskamp, 1965, S.261-265
38
Russo/Schoemaker, 1992, S.16
34
10
der eigenen Meinung von anderen als glaubhafter wahrgenommen, als eine unsichere Meinungsäusserung.39
Situative Komplexität
Ronis/Yates haben darauf hingewiesen, dass praktische Entscheidungssituationen sich fast
immer auf zukünftige und damit ungewisse Ereignisse beziehen. Zur Zeit der Entscheidung
sind die tatsächlichen Konsequenzen nicht definitiv vorhersehbar, da die Möglichkeiten zu
vielfältig sind. Um die Komplexität der jeweiligen Situation zu reduzieren, werden Unsicherheiten ausgeblendet, was zu Überkonfidenz führen kann. Es besteht eine klare Verbindung zu
den beiden Ursachen Vorhandensein/Nutzbarkeit und Bestätigung. 40
Alle der hier aufgezeigten Determinanten beinhalten das Potenzial, überkonfidentes Entscheiden und Handeln zu verstärken und können somit wichtige Hinweise auf die zu untersuchende Wirkung einer Beförderung auf Überkonfidenz bieten.
2.2.4 Abgrenzung zu verwandten Begriffen
Um Unklarheiten oder Missverständnisse der verschiedenen Begrifflichkeiten in den weiteren
Ausführungen zu vermeiden, wird an dieser Stelle eine Abgrenzung des Begriffs Überkonfidenz (Selbstüberschätzung, übermässiges Selbstvertrauen) zu den verwandten Begriffen
Selbstwertgefühl und Selbstwirksamkeit vorgenommen und deren Zusammenhang zu Überkonfidenz aufgezeigt.
Selbstwertgefühl:
„Das Selbstwertgefühl ist die subjektive Bewertung der eigenen Persönlichkeit, die Zufriedenheit mit sich selbst.“41 Es kann zwischen zwei Ausprägungen unterschieden werden: Dem
allgemeinen Selbstwertgefühl, welches aufgrund der Beeinflussung durch die aktuelle Stimmungslage weniger zeitlich stabil ist und dem bereichsspezifischen Selbstwertaspekt (z.B.
soziale, emotionale oder physische Faktoren).42
„Personen mit hohem Selbstwertgefühl setzen sich häufig anspruchsvollere Ziele als Personen
mit niedrigem Selbstwertgefühl.“43 Anscheinend trauen sich diese Menschen mehr zu als solche, die einen niedrigeren Selbstwert haben. In der sozialpsychologischen Literatur wird zudem wiederholt das Motiv nach Selbstwerterhöhung thematisiert, also das Streben nach einem
39
vgl. Russo/Shoemaker, 1992, S.16
vgl. Ronis/Yates, 1987, S. 194 und 214
41
Asendorpf, 2007, S.265
42
vgl. Asendorpf, 2007, S.267
43
Schütz, 2003, S.4
40
11
positiven Selbstwertgefühl. Dieses hat zur Folge, dass tendenziell selbstbezogene Informationen selbstwertdienlich verzerrt werden.44 „Personen mit einem hohem Selbstwertgefühl führten ihren Erfolg eher auf internale als auf externale und ihren Misserfolg stärker auf externale
als auf internale Faktoren zurück“45. Dies entspricht einem der Merkmale von Überkonfidenz.
Die Begriffe Selbstüberschätzung und positiver Selbstwert dürfen jedoch nicht gleichgesetzt
werden. Ein positiver Selbstwert impliziert nicht automatisch überkonfidente Verhaltensausprägungen. Eine Person kann ein hohes Selbstwertgefühl haben und zugleich gut kalibriert
sein. Jedoch ist anzunehmen, dass eine Person mit einer hohen Selbstwerteinschätzung eher
zu Überkonfidenz neigt als eine mit niedriger Selbstwerteinschätzung.
Selbstwirksamkeit
„Die wahrgenommene Selbstwirksamkeit bezieht sich auf den Glauben an eigene Fähigkeiten
und Potentiale zur Organisation und Ausführung von Handlungen, die zur Erreichung bestimmter Ziele dienen. Es geht um die subjektive Überzeugung, aus eigener Kraft und eigenem Vermögen bestimmte Ergebnisse bewirken zu können.“46 Es wird also das eigene Handeln thematisiert, genauer die Kontrollierbarkeit der Situation und damit die Erreichbarkeit
der gesetzten Ziele durch die eigene Person.47
Oft geht eine hohe Erwartung der Selbstwirksamkeit mit einer hohen Situations-ErgebnisErwartung einher. Somit besteht eine Verwandtschaft zum Begriff der Kontrollüberzeugung,
wobei sich die Selbstwirksamkeitserwartung von vornherein auf den Erfolg bezieht.48 Wie bei
dem Selbstwertgefühl finden sich auch bei hoher Selbstwirksamkeitserwartung selbstwertdienliche Tendenzen.49
Eine als hoch eingestufte Selbstwirksamkeit könnte zu einer Steigerung von Überkonfidenz
führen, da Erfolge durch die persönlichen Fähigkeiten erklärt werden. Dennoch ist auch eine
hohe Selbstwirksamkeit nicht zwangsläufig ein Auslöser für Überkonfidenz.
2.3
Zusammenhang zwischen Beförderung und Überkonfidenz
Dass ein Zusammenhang zwischen Beförderung und Überkonfidenz besteht, wurde bereits
empirisch belegt. Goel/Thakor fanden bspw. heraus, dass im unternehmensinternen Wettbewerb um die Position des CEO diejenigen Anwärter bessere Chancen haben, die sich eher
44
vgl. Asendorpf, 2007, S.270
Dauenheimer et al., 2002, S.175
46
Schachinger, 2002, S.167
47
Wentura et al., 2002, S.109
48
vgl. Asendorpf, 2007, S.236
49
vgl. Asendorpf, 2007, S.237
45
12
durch Überkonfidenz auszeichnen statt durch Rationalität. Dabei ist jedoch das angemessene
Ausmass an Überkonfidenz von wesentlichem Interesse. Während ein bescheidenes Ausmass
an Überkonfidenz positiv auf den Unternehmenserfolg wirkt, indem Unterinvestitionen vermieden und der Unternehmenswert gesteigert werden kann, haben vergleichsweise hohe Ausprägungen an Überkonfidenz eher umgekehrte Wirkungen. Das Ausmass an Überkonfidenz
einzelner Kandidaten spiegelt sich in deren Beförderungschancen wider.50 Auch die Arbeit
von Han et al. zeigt die genannten Resultate sehr deutlich.51 Allerdings belegen diese Studien
nur die einseitige Wirkungsrichtung, und zwar den Einfluss von Überkonfidenz auf die Chancen einer Beförderung.
In dieser Arbeit soll jedoch der entgegengesetzte Wirkungszusammenhang analysiert werden.
Ziel ist es, anhand theoretischer Hintergründe herauszufinden, inwiefern ein Aufstieg das
Auftreten von Überkonfidenz bzw. dessen Ausmass beeinflussen kann. Grundsätzlich wären
zwei Alternativen denkbar:
1) Eine Beförderung hat keinen Einfluss das Auftreten von Überkonfidenz.
2) Eine Beförderung kann einen Einfluss auf das Auftreten von Überkonfidenz haben.
Im Folgenden soll die Betrachtung des zu untersuchenden Wirkungszusammenhangs umfassender und vertiefter mit Hilfe verschiedener theoretischer Ansätze analysiert werden.
3. Theoretische Analyse der Wirkung einer Beförderung auf
Überkonfidenz
Kam es in den Ausführungen des vorangegangenen Kapitels dazu, die prägenden Begriffe
dieser Arbeit näher zu erläutern, so geht es nun insbesondere darum, einen vertieften Einblick
in die möglichen Hintergründe des zugrunde gelegten Zusammenhangs zu ermöglichen. Ziel
ist es, mittels einer theoretischen Analyse verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen und
der Betrachtung einiger empirischer Befunde, Hypothesen zur Wirkung einer Beförderung auf
das Auftreten von Überkonfidenz zu generieren.
Zunächst werden die theoretischen Grundlagen in Kap. 3.1 allgemein auf ihren Zusammenhang zu Überkonfidenz untersucht, um anschliessend in Kap. 3.2 den konkreten Einfluss einer
Beförderung auf das Auftreten bzw. das Ausmass an Überkonfidenz zu betrachten und Hypothesen zu erarbeiten.
50
51
vgl. Goel/Thakor, 2006, S.2-3
vgl. Han et al., 2005, S.34
13
3.1
Analyse der theoretischen und empirischen Grundlagen
Aufgrund der limitierten Zeit zur Bearbeitung der Forschungsfrage konnte lediglich eine
Auswahl an Theorien getroffen und untersucht werden. Um dennoch einen möglichst umfassen Einblick in das behandelte Thema zu bieten, wurden verschiedene wissenschaftliche Disziplinen in die Analyse einbezogen.
Zunächst werden drei theoretische Bereiche näher betrachtet: Die Prospect Theory zeigt
grundlegende Annahmen des Entscheidungsverhaltens auf, wozu Entscheidungsanomalien
durch Wahrnehmungsverzerrungen zählen. Sie bildet die Basis für das Verständnis von Entscheidungen, die nicht unter vollkommener Rationalität getroffen werden, und ist somit für
das Phänomen Überkonfidenz von fundamentaler Bedeutung. Anschliessend werden drei psychologische Theorien dargestellt, um die individuelle Perspektive von Überkonfidenz zu verdeutlichen: Die Attributionstheorie, die Theorie der sozialen Identität sowie die Vertrauenstheorie. Den Abschluss der theoretischen Grundlagen bildet die soziologische, also die gesellschaftliche Perspektive mit der Erwartungserwartung. Nach den genannten Betrachtungen
werden empirische Befunde hinzugezogen, die auf den Einfluss einer Beförderung auf Überkonfidenz hinweisen, um schliesslich konkrete Hypothesen zum untersuchten Wirkungszusammenhang aufzustellen.
3.1.1 Prospect Theory
Die Prospect Theory wurde 1979 durch Kahneman/Tversky vorgestellt und beschreibt bestimmte Verhaltensmuster in Entscheidungsprozessen unter Unsicherheit, die den Annahmen
der Erwartungsnutzentheorie vom rational handelnden Menschen, der ein Maximum an Zielerreichung verfolgt, widersprechen. Jede Erwartung bestimmt sich bei der Prospect Theory
aus einem Ergebnis (x) und einer dazugehörigen Eintrittswahrscheinlichkeit (p).52
Die wesentlichen Grundpfeiler der Prospect Theory bilden drei Entscheidungsanomalien:
•
der Sicherheitseffekt,
•
der Reflection-Effekt und
•
der Isolationseffekt.
Der Sicherheitseffekt ist folgendermassen zu verstehen: „Ergebnisse, die mit Sicherheit eintreten, werden im Vergleich zu solchen, die lediglich wahrscheinlich sind, überbewertet.“53
Dabei wird auch ein niedrigerer Erwartungswert der jeweils sichereren Alternative akzeptiert.
Nur, wenn sich die Wahrscheinlichkeiten der Alternativen nicht deutlich unterscheiden, wird
52
vgl. Kahneman/Tversky, 1979, S.263
14
diejenige Alternative mit dem höchstmöglichen Gewinn gewählt. Der Reflection-Effekt zeigt
sich in einer Präferenzumkehr von Individuen. Sie verhalten sich in positiven Entscheidungssituationen risikovermeidend und in negativen Entscheidungssituationen risikosuchend. Entscheidungsträger tendieren also dazu, die sichere Alternative in Anbetracht einer voraussichtlichen Gewinnerzielung zu bevorzugen, neigen jedoch zur risikoreichen Alternative in Hinblick auf drohende Verluste. Beim Isolationseffekt zieht der Entscheidungsträger bewusst nur
Aspekte in Betracht, die die einzelnen Varianten voneinander unterscheiden und lässt Gemeinsamkeiten ausser Acht, um die Entscheidung zu vereinfachen.54
Nach der Prospect Theory verlaufen Entscheidungsprozesse in zwei Phasen, der editingphase und der evaluation-phase. In der ersten Phase werden entscheidungsrelevante Informationen aufbereitet und sämtliche Alternativen durch Umformulierung vereinfacht dargestellt.
In dieser Phase kommt es zu Entscheidungsanomalien ausgelöst durch Wahrnehmungsverzerrungen. Die darauf folgende evaluation-phase beinhaltet die Bewertung der vereinfachten
Alternativen und letztlich die Entscheidung für diejenige, die den höchsten Wert erzielen
wird.55 Dabei kann die Entscheidung bei identischen Alternativen unterschiedlich ausfallen.
Ausschlaggebend dafür sind Framing-Effekte, die im Rahmen der editing-phase auftauchen
und dafür sorgen, dass derselbe Sachverhalt aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet
wird.56 Diese verschiedenen Darstellungsweisen desselben Problems, welche durch Normen,
Gewohnheiten und Erwartungen des Individuums beeinflusst werden, können zu Präferenzverschiebungen führen und somit zu unterschiedlichen Entscheidungen.57
Die Prospect Theory betrachtet also Anomalien im Entscheidungsprozess, ausgelöst durch
Wahrnehmungsverzerrungen. Überkonfidenz mit ihren verschiedenen Ausprägungen stellt
eine der am häufigsten auftretenden Wahrnehmungsverzerrungen dar.58 Daher bildet die
Prospect Theory als grundlegende Erklärung für überkonfidentes Verhalten den Ausgangspunkt für die Untersuchung.
53
Schmook, 2004, S.21
vgl. Schmook, 2004, S.21-23
55
vgl. Kahneman/Tversky, 1979, S.274-275
56
vgl. Schmook, 2004, S.30
57
vgl. Soufis, 2008, S.16
58
vgl. Rittmayer, 2005, S.3
54
15
3.1.2 Psychologische Theorien
Wenn das Phänomen Überkonfidenz betrachtet wird, dann wird in erster Linie der Mensch als
Individuum betrachtet. Selbstüberschätzung spielt sich in Einzelpersonen ab und wird beeinflusst durch verschiedene psychologische Aspekte, die im Folgenden erläutert werden sollen.
Konkret wird auf die Ursachenzuschreibung von Ereignissen, auf die soziale Identität und auf
die Bedeutung des Vertrauens eingegangen.
3.1.2.1
Attributionstheorie
Die Attributionstheorie beschäftigt sich mit der Zuschreibung von Ursachen, um menschliches Verhalten zu erklären. Heider unterscheidet in seinem Ansatz zwei grundlegende Verursachungsquellen von Ereignissen und Handlungen: personenbezogene Quellen und Umgebungsbedingungen. Werden Handlungen oder Ereignisse auf die inneren Bedingungen der
handelnden Person zurückgeführt, wird von Personattribution gesprochen. Werden sie jedoch
durch äussere Aspekte der Umwelt erklärt, handelt es sich um Situationsattribution. Je nach
Ursachenzuschreibung kann die Reaktion auf Ereignisse unterschiedlich ausfallen. Weiner
greift auf die Annahmen von Heider zurück und wendet sie auf die Selbstattribution von Leistungsergebnissen an. Zusätzlich zum Ort der Verursachungsquelle führt er die zeitliche Stabilität der Ursachen als weitere Dimension ein (siehe Abb. 3).59
Ort der wahrgenommenen Verursachungsquelle
Zeitliche Stabilität
der Ursachen
stabil
variabel
internal (Person)
external (Situation)
Begabung/Fähigkeiten
Aufgabenschwierigkeit
Anstrengung
Zufall: Glück, Pech
Abb. 3: Kategorisierung: attributierte Ursachen für Erfolg und Misserfolg60
Die Attribution von Leistungsergebnissen beeinflusst die Erfolgs- und Leistungserwartungen
in ähnlichen zukünftigen Situationen. Bei internaler Attribution von Erfolg tritt i.d.R. ein Gefühl von Stolz auf, wogegen sich die emotionale Reaktion bei internaler Attribution von
Misserfolg in Scham zeigt. Das Leistungsverhalten sowie die Leistungsbereitschaft können
durch die Kausalattribution stark beeinflusst werden. Bei stabiler interner Erfolgszuschreibung gepaart mit dem Gefühl von Stolz wird auch zukünftig eine erfolgreiche Aufgabenbe-
59
60
vgl. Rosenstiel et al., 2005, S.183-184
eigene Darstellung in Anlehnung an Rosenstiel et al., 2005, S.184
16
wältigung erwartet. Diese Erfolgserwartung und die vorweggenommene Zufriedenheit mit
dem künftigen Erfolg kann die Leistungsbemühungen des Handelnden erhöhen.61
Im Wesentlichen können zwei entscheidende Tendenzen für das Auftreten von Überkonfidenz verantwortlich sein:
•
Gute Erfahrungen werden eher intern attributiert.
•
Schlechte Erfahrungen werden eher extern attributiert.
Der Zweck dieser Interpretation von Ereignissen liegt im Schutz eines gesunden Selbstvertrauens.62 Besonders anfällig für Überkonfidenz würden in diesem Zusammenhang Personen
sein, die Erfolge übermässig oft ihrer eigenen Person, Misserfolge hingegen übermässig oft
der Situation zuschreiben.
Daniel et al. greifen in ihrer Untersuchung zu diesem Thema die übermässige Tendenz der
internen Erfolgsattribution auf und betonen zusätzlich die Bedeutung der externen Bestätigung. Danach steigt das Selbstvertrauen weiter an, wenn Handlungen im Nachhinein durch
öffentliche Signale bekräftigt werden, sinkt jedoch kaum, wenn diese Bestätigung ausbleibt.63
Als öffentliches Signal der Bestätigung wäre in diesem Kontext eine Beförderung denkbar.
In der Studie von Doukas/Petmezas konnte eruiert werden, dass Manager besonders dazu neigen, ihren Erfolg primär ihren eigenen Fähigkeiten zuzuschreiben.64 Sie weisen explizit darauf hin, dass diese Form der Selbstattribution individuelle Selbstüberzeugung verstärken
kann. Die hervorgerufenen Verzerrungen entsprechen konkret dem Besser als der Durchschnitt-Effekt und der Misskalibrierung, beides Ausprägungen von Überkonfidenz.65
Das folgende Zitat stammt von Langer/Roth: „If people want to see themselves as responsible
for their successes, then there would be at least some element of an illusion of control“66.
Auch durch ihre Untersuchungen konnte ein Zusammenhang zwischen der internen Erfolgsattribution und dem Auftreten von Überkonfidenz nachgewiesen werden. Ein wichtiger
Grund deutet auf die bereits erwähnten Ausführungen von Daniel et al. hin: Erhält der Handelnde keine Informationen, die ihm signalisieren, dass seine Strategie falsch war, so wird die
Richtigkeit seiner Entscheidung bestätigt.67 Als Folge kann übersteigerte Selbstsicherheit auftreten.
61
vgl. Rosenstiel et al., 2005, S.184-185
vgl. Schütz, 2005, S.24
63
vgl. Daniel et al., 1998, S.3-4
64
vgl. Doukas/Petmezas, 2007, S.531
65
vgl. Doukas/Petmezas, 2007, S.537 und 574
66
Langer/Roth, 1975, S.955
67
vgl. Langer/Roth, 1975, S.955
62
17
Zur Attributionstheorie soll an dieser Stelle zusammenfassend festgehalten werden, dass die
interne Erfolgsattribution zur Steigerung des Selbstvertrauens führen kann. Dieser Zusammenhang wurde durch verschiedene Studien empirisch geprüft und konnte belegt werden.
Kommt es zusätzlich zur Bestätigung der Entscheidung durch externe Signale, wird diese
Wirkung weiter verstärkt.
3.1.2.2
Theorie der sozialen Identität
Hinter der Theorie der sozialen Identität verbirgt sich ein sozial-psychologischer Ansatz, wonach Menschen die soziale Umwelt segmentieren, also in unterschiedliche Kategorien einteilen. Diese Kategorisierung vereinfacht die komplexe soziale Welt und ermöglicht dem Individuum nach den Ausführungen von Ashforth/Mael im wesentlichen:
•
die systematische Einordnung anderer in verschiedene Kategorien,
•
die eigene Einordnung des Individuums in die soziale Umwelt (soziale Identifikation).
Die soziale Identifikation stellt somit die eigene Wahrnehmung innerhalb einer Gesamtheit
bzw. die eigene Zugehörigkeit zu einer Gesamtheit dar. Die eigene Person wird zusätzlich im
Vergleich zu Individuen anderer Kategorien definiert.
Die Organisationsidentifikation gilt als spezifische Form der sozialen Identifikation. Dabei
kann die Organisation als soziale Kategorie betrachtet werden, welche gewisse Merkmale
verkörpert, die auch auf ihre Mitglieder übertragbar sind. In sehr komplexen Organisationen
können dabei einzelne Individuen mehrere Identitäten übernehmen.68
Die soziale Identität kann durch verschieden Faktoren gestärkt werden:
•
Besonderheit/Unverwechselbarkeit der Werte einer Gruppe (welche die Abgrenzung
zu anderen Gruppen erleichtert),
•
Salienz der out-group69 (verdeutlicht die Grenzen zwischen den Gruppen und erhöht
die Homogenität innerhalb der eigenen Gruppe),
•
Gruppenzusammensetzung (Ähnlichkeiten, Sympathie, gemeinsame Ziele etc.),
•
Prestige der Gruppe.70
Von besonderem Interesse für die vorliegende Arbeit ist der letzte Faktor, Prestige. Die Herausbildung einer sozialen Identität und der Vergleich mit anderen sozialen Kategorien beeinflussen die Selbstachtung. Da das Individuum indirekt am Status und Erfolg der zugeordneten
68
vgl. Ashforth/Mael, 1989, S.20-22
Als out-group wird die Gruppe bezeichnet, der sich das Individuum selbst nicht zurechnet. Dagegen bezeichnet der Begriff in-group diejenige Gruppe, zu welcher sich das Individuum als Mitglied zählt.
70
vgl. Ashforth/Mael, 1989, S.24-25
69
18
Gruppe teilhaben kann, steigt dessen Selbstachtung.71 Es empfindet Stolz, dazuzugehören.
„Individuals often cognitively […] identify themselves with a winner.“72 Der Prestigewert
einer sozialen Position, der die Selbstachtung fördert, wird auch als Status bezeichnet. Dieser
ist gekoppelt an bestimmte Rollenansprüche der Gesellschaft, d.h. die soziale Rolle bestimmt
sich durch die Wahrnehmung von anderen.73 Genauer wird darauf im Kap. 3.1.3 eingegangen.
Sozialer Aufstieg
Das Streben nach Selbstachtung führt nach der Theorie der sozialen Identität zur Diskriminierung von out-groups und zur Überbewertung der in-group. Allerdings wurden auch gegensätzliche Tendenzen empirisch belegt, z.B. konnte durch Mullen et al. herausgefunden werden,
dass eine out-group aufgrund ihres höheren Status möglicherweise gegenüber der in-group
favorisiert wird.74 „the social frame provided by intergroup beliefs influences whether people
seek social mobility between groups“75, demnach haben soziale Vergleiche einen wesentlichen Einfluss auf die soziale Mobilität der Individuen. Luhmann bezeichnet diese Tendenz als
individuelle Strategie, „durch Aufstieg zu höheren Positionen einen Status zu erreichen, in
dem man nach allgemeiner Ansicht persönlich sichtbar und frei entscheiden kann“76. Er koppelt die Motivation für den sozialen Aufstieg an eine gewisse Handlungsfreiheit und Unabhängigkeit des Individuums, genauer an eine „unkontrollierbare Handlungspotenz […], für
die man persönlich die Verantwortung trägt“77. Diese Freiheit stellt zugleich eine Quelle des
Vertrauens dar, da der Handlungswille persönlich zugeschrieben werden kann und nicht aufgrund von Anweisungen oder Befehlen anderer erfolgt.78 Die Bedeutung des Vertrauens wird
im folgenden Kapitel genauer betrachtet.
Als eine der organisationsrelevanten Konsequenzen aus der Theorie der sozialen Identität
nennen Ashforth/Mael die Verinnerlichung der Werte, Normen und Verhaltensweisen der
Mitglieder der eigenen Gruppe.79 Das Auftreten anderer Gruppenmitglieder beeinflusst demnach das Verhalten des einzelnen Individuums massgebend.
Zusammenfassend soll zu diesem Kapitel festgehalten werden, dass die soziale Identität und
der Vergleich mit anderen das Selbstbild eines Individuums wesentlich beeinflussen. Im Zu71
vgl. Ashforth/Mael, 1989, S.22
Ashforth/Mael, 1989, S.25
73
vgl. Henecka, 1997, S.85-86
74
vgl. Vivian/Brown, 1992., S.68-70
75
Hogg/Ridgeway, 2003, S.97
76
Luhmann, 1989, S.44
77
Luhmann, 1989, S.43
78
vgl. Luhmann, 1989, S.43
79
vgl. Ashforth/Mael, 1989, S.26
72
19
sammenhang damit kann die soziale Mobilität betrachtet werden. Hier geht es insbesondere
um den sozialen Aufstieg verbunden mit einem höheren Status sowie erhöhter Handlungsfreiheit, was wiederum das Selbstbild sowie die Selbstachtung prägt.
3.1.2.3
Vertrauenstheorie
„Vertrauen ist […] ein überindividuelles Gemeinschaftsprodukt […] und gerade das macht
Vertrauen soziologisch so interessant. Gleichzeitig ist die individuelle Vertrauensdisposition
[…] eine nicht weniger wichtige Einflussgröße, was die Einbeziehung des psychologischen
Blickwinkels zur Pflicht macht.“80 Nach Mencke kann Vertrauen also nicht allein stehend
betrachtet werden, daher werden auch an dieser Stelle psychologische und soziologische Aspekte veranschaulicht, wobei der Schwerpunkt auf das Individuum gelegt wird.
Etliche Wissenschaftler haben sich der Untersuchung dieses komplexen Phänomens gewidmet
und dabei verschiedene Ansätze genutzt und unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt. Es gibt
daher eine Vielzahl möglicher Definitionen für Vertrauen.81 Eine dieser Definitionen stammt
von Schlenker et al. und fasst die grundlegenden Merkmale zusammen:
•
Aspekt der Ungewissheit,
•
Vorhandensein eines Risikos,
•
mangelnde Beeinflussung des Schicksals (durch Kontrollentzug),
•
Zeitperspektive (auf Zukunft ausgerichtet).82
Allgemein kann festgehalten werden, dass dem Gegenüber trotz Unsicherheit ein erwartungskonformes Handeln unterstellt wird. In diese Erwartungen wird vertraut und das eigene Handeln wird den Erwartungen entsprechend ausgerichtet.83
Auch Rotter verfolgt diesen Ansatz. Er beschreibt die Persönlichkeit als Bündel relativ stabiler Verhaltensweisen. Bezüglich der Möglichkeit einer positiven Verstärkung dieser Verhaltensweisen existieren generalisierte Erwartungen. Diese dienen der Vorhersage des Verhaltens, beziehen sich auf die Zuverlässigkeit und Glaubhaftigkeit einer Person und werden als
interpersonales Vertrauen bezeichnet.84
Petermann hat das Vertrauenskonstrukt hinsichtlich der eigenen Wirksamkeit untersucht.
„Selbstwirksamkeit wird über erfolgreich bewältigte Aufgaben erfahren“85 und bildet wieder80
Mencke, 2005, S.149
Petermann (1996, S.15) erarbeitete eine Übersicht verschiedener Definitionen.
82
vgl. Petermann, 1996, S.14
83
vgl. Mencke, 2005, S.129
84
vgl. Eberl, 2003, S.121-129
85
Petermann, 1996, S.114
81
20
um eine Voraussetzung für erfolgreiches Verhalten. Wenn also eine Person glaubt, selbst etwas bewirken zu können (aufgrund der Zuschreibung des Erfolgs auf eigene Fähigkeiten),
wird sie sich nach und nach mehr zutrauen (Steigerung der Aufgabenschwierigkeit) und somit
ihr Selbstvertrauen steigern. Nach Petermann wirken beim gezielten Aufbau von Vertrauen
zwei wesentliche Prozesse: 1. Durch anspruchsvolle Aufgaben wird dem Partner Kompetenz
übertragen, wodurch dieser realisiert, dass man ihm etwas zutraut. 2. Wachsende Erfolge bei
der Bewältigung von Anforderungen fördern das Selbstvertrauen (i.S.v. Selbstwirksamkeit).
Dies bildet wiederum die Voraussetzung für Vertrauen in andere Personen.86
Eine weitere Sichtweise bringt Luhmann ein. Ausgangspunkt seiner Betrachtungen bildet die
Komplexität der Welt, die durch die Freiheit des Handelns (welche durch soziale Positionen
beeinflusst werden kann, siehe Kap. 3.1.2.2) entsteht und Unsicherheiten mit sich bringt. Diese Unsicherheiten können reduziert und in eine innere Sicherheit umgewandelt werden, wenn
Individuen auf ein bestimmtes zukünftiges Verhalten anderer vertrauen können. Durch dieses
Vertrauen entstehen Handlungsmöglichkeiten, z.B. kooperatives Handeln oder koordiniert
ablaufendes Einzelhandeln, die ohne Vertrauen unwahrscheinlich wären, denn hier müssen
keine Absicherungen durch die Parteien i.S.v. Selektion bestimmter Handlungen vorgenommen werden.87 Vom Gegenüber werden gewisse Verhaltensweisen erwartet, obwohl bei diesem Möglichkeiten und Interessen bestehen können, die Erwartungen nicht zu erfüllen. Das
entgegengebrachte Vertrauen stützt sich dabei auf Vorleistungen, d.h. Menschen sind dann
vertrauenswürdig, wenn sie über einen längeren Zeitraum entsprechend ihrer Persönlichkeit
handeln und sich das Bewährte in der Zukunft fortsetzen wird.88 Luhmann betont einen
Punkt, welcher für die untersuchte Fragestellung von Bedeutung sein kann: Die Erwartungen
an das Verhalten einer Person werden im Fall einer Enttäuschung nicht fortgesetzt, „vielmehr
beruht die Sicherheit des Vertrauens […] darauf, dass ein Bruch des Vertrauens dessen Entzug und damit eine radikale Änderung der Beziehung zur Folge haben muss.“89. Dadurch entstehen bei den Personen, denen Vertrauen entgegengebracht wird, Verhaltensschwellen, die
nicht überschritten werden dürfen, da sonst der Vertrauensentzug droht.90 Entgegengebrachtes
Vertrauen legt dem Individuum also in gewissem Masse eine Verpflichtung auf, das Vertrauen nicht zu enttäuschen und somit die Beziehung nicht zu gefährden.
86
vgl. Petermann, 1996, S.117
vgl. Luhmann, 1989, S.25-28 und S.149
88
vgl. Luhmann, 1989, S. 40-46
89
Luhmann, 1989, S.87
90
vgl. Luhmann, 1989, S.31
87
21
Zusammenfassend wird Vertrauen nur aufgrund bestimmter, erwartungskonformer Verhaltensweisen entgegengebracht und bezieht sich auf weitere zukünftige Erwartungen. Entgegengebrachtes Vertrauen kann das Selbstvertrauen zwar verstärken, ist jedoch gleichzeitig ein
sehr zerbrechliches Konstrukt, das dem einzelnen Individuum Verhaltensschwellen auferlegt,
um die Vertrauensbeziehung nicht in Gefahr zu bringen.
3.1.3 Soziologische Theorie: Erwartungserwartung
Nachdem der Mensch als Individuum von den psychologischen Theorien erfasst wurde, soll
nun der Mensch als ein Teil der Gesellschaft, der sich in ständiger Interaktion mit anderen
Mitgliedern der Gesellschaft befindet, betrachtet werden. Diese Perspektive ist deshalb so
relevant, weil Personen kaum losgelöst von ihrer Umwelt betrachtet werden können. Gerade
im Zusammenhang mit Beförderungen können bestehende soziale Bindungen zwischen den
Mitgliedern einer Organisation angenommen werden, was eine gesellschaftliche Betrachtung
des Phänomens Überkonfidenz unerlässlich macht.
Nach den Annahmen der Soziologie werden an Individuen bestimmte Verhaltenserwartungen
von Seiten des sozialen Umfeldes gestellt. Handeln die Individuen entsprechend diesen Erwartungen, so werden sie akzeptiert, d.h. sie erlangen Legitimität. Um diese Legitimität zu
erreichen ist es für das handelnde Individuum jedoch notwendig, von vornherein Vorstellungen über bestimmte Erwatungen zu entwickeln und sich entsprechend diesen Erwartungen zu
verhalten. Diese Vorstellungen werden als Erwartungserwartungen bezeichnet und sind umso
nützlicher für Personen in Bezug auf ihr Verhalten, je besser sie die tatsächlichen Erwartungen des Umfeldes abbilden.91
Nach Henecka sind bestimmte soziale Erwartungen mit sozialen Positionen verbunden, insbesondere das rollengemässe Handeln der Akteure. Die sozialen Rollen sind definiert über objektive Betrachtungen anderer, über unausgesprochene Erwartungen sowie Ansprüche und
Forderungen. „Der Großteil […] unserer Begegnungen mit anderen folgt […] weitgehend
vorgespurten Linien fester gegenseitiger Erwartungen.“92 Durch Erfüllung dieser Erwartungen
resultiert nach Henecka schließlich eine Verhaltenssicherheit im Umgang mit anderen. 93
Diese Verhaltensannahmen können nach Weber als soziales Handeln bezeichnet werden, also
als ein Handeln, das sich an fremdem Verhalten orientiert. Das fremde Verhalten entspricht
dem vergangenen, gegenwärtigen oder zukünftig erwarteten Verhalten anderer. Es beeinflusst
91
vgl. http://www.uni-bielefeld.de/
Henecka, 1997, S.13
93
vgl. Henecka, 1997, S.84-86
92
22
das eigene Verhalten aber auch das Verhalten des Gegenübers, der seinerseits gewisse Verhaltensweisen und Einstellungen erwartet.94
Auch Dahrendorf greift den Gedanken der sozialen Rolle auf. Er unterstreicht die Schnittstelle, an der sich der Einzelne und die Gesellschaft begegnen und nennt den Menschen, der sich
den Erwartungen der Gesellschaft stellen muss „homo sociologicus“. „Zu jeder Stellung, die
ein Mensch einnimmt, gehören gewisse Verhaltensweisen, die man von dem Träger dieser
Position erwartet; […] zu jeder sozialen Position gehört eine soziale Rolle.“95 Die soziale Rolle steht für die Ansprüche der Gesellschaft in Hinblick auf das Verhalten sowie den Charakter
der Träger von Positionen. Sie bezeichnet demnach ein ganzes Bündel an Erwartungen. 96
Ein Wunsch nach Zukunftssicherheit der beteiligten Akteure und somit einer Stabilität der
sozialen Beziehung wird durch Erwartungserwartungen berücksichtigt, indem davon ausgegangen wird, dass gegenseitige Erwartungen erfüllt werden.97 Folglich ist ein Vorgesetzter
dann im Vorteil, wenn er ein möglichst genaues Bild der Erwartungen seines Mitarbeiters,
d.h. möglichst genaue Erwartungserwartungen hat. Er hat somit die Möglichkeit, sich entsprechend zu verhalten und seinerseits Verhaltensweisen beim Mitarbeiter auszulösen, die dem
jeweils verfolgten Ziel dienen können. Nimmt bspw. ein Vorgesetzter an, dass seine Mitarbeiter von ihm kompetente Entscheidungen und klare Zielsetzungen erwarten und die Mitarbeiter
dies tatsächlich tun, so würde in dieser Hinsicht eine bestmögliche Zusammenarbeit entstehen, sobald sich der Vorgesetzte entsprechend seinen korrekten Erwartungserwatungen verhält.
3.1.4 Analyse empirischer Studien
Der Einfluss verschiedener Faktoren auf das Auftreten von Überkonfidenz wurde bereits im
Kap. 2.2.3 angesprochen. Im folgenden Kapitel sollen einige empirische Studien näher betrachtet werden, da sie sich in eine ähnliche Richtung wie die vorliegende Untersuchung bewegen und somit hilfreiche Hinweise auf die Wirkung einer Beförderung auf überkonfidentes
Verhalten liefern können. Genauer wird auf die Bedeutung der Macht, die Wirkung von Überkonfidenz auf andere, den Drang nach Selbstdarstellung sowie der erforschten Wirkungsrichtung zwischen Selbstwertgefühl und Karriereerfolg eingegangen.
94
vgl. Weber, 1981, S.41
Dahrendorf, 2006, S.37
96
vgl. Dahrendorf, 2006, S.31 und 37
97
vgl. Lasarczyk/Kron, 2003, S.81
95
23
3.1.4.1
Macht
„Von Macht ist […] dann zu sprechen, wenn es darum geht, dass jemand in der Lage sei, einen anderen zu veranlassen, etwas zu tun, was er sonst nicht tun würde.“98 Macht muss nach
Heckhausen jedoch nicht zwangsläufig mit sozialen Konflikten einhergehen. Sie kann auch
verstanden werden als ein auf die Umwelt ausgeübter Effekt, der durch Vermögen, Fähigkeit
und Kompetenz des machtausübenden Individuums geprägt ist. Dabei ist zwischen verschiedenen Machtquellen zu unterscheiden: Belohnungs- und Bestrafungsmacht, legitimierte
Macht, d.h. der Machtausübende ist befugt, gewisse Verhaltensnormen zu überwachen, Vorbildmacht, Expertenmacht, wobei dem Machtausübenden bestimmte Kenntnisse, Einsichten
und Fertigkeiten zugeschrieben werden, und der Informationsmacht. Das so genannte Machthandeln hat für den Machtausübenden zwei wesentliche Folgen: zum einen das Gefühl, mächtig gewesen zu sein, d.h. andere beeinflusst zu haben und zum anderen den Eindruck zu hinterlassen, einen Zuwachs an Selbstachtung gewonnen zu haben.99
Sivanathan/Galinsky setzten ihren Untersuchungsschwerpunkt auf die Belohnungs- und Bestrafungsmacht. Nach ihren Erkenntnissen beeinflusst die Übertragung einer solchen Macht
das Verhalten in der Weise, dass das Streben nach Belohnung aktiviert wird, wobei mögliche
Gefahren bei falscher Entscheidung ausgeblendet werden. Somit kommt es zu einer einseitigen Sichtweise des Individuums, d.h. sie sind weniger aufmerksam gegenüber anderen Hinweisen oder Alternativen, die evtl. gegen die Entscheidung sprechen. Zudem führt der verbesserte Zugang zu materiellen (z.B. finanziellen oder physischen) und sozialen (z.B. höheres
Ansehen, Lob oder positive Beachtung) Ressourcen zu einer erhöhten Wahrnehmung der
Kontrolle, sowohl über die Entscheidung als auch über die Einflüsse der Umwelt.100
Das Machtgefühl hat Auswirkungen auf die Überkonfidenz bei Entscheidungen.
Mit ihren durchgeführten Studien untersuchten Sivanathan/Galinsky gezielt den Einfluss von
Macht auf die Formen von Überkonfidenz: Misskalibrierung, Besser als der DurchschnittEffekt und Kontroll-Illusion. Dabei konnte bestätigt werden, dass höhere Macht zu engeren
Vertrauensintervallen führt. Die Versuchspersonen überschätzten also ihre Beurteilungen bezüglich der Genauigkeit. Der Besser als der Durchschnitt-Effekt konnte bei beiden Probandengruppen, sowohl bei derjenigen mit viel als auch bei derjenigen mit wenig Macht beobachtet werden. Trotzdem war das Gefühl, dem Gegenüber überlegen zu sein, bei den Probanden mit mehr Macht höher. In ihrer Einstellung zur Kontrolle schwankten diejenigen Personen mit erhöhter Macht, insgesamt trat allerdings eine stärkere Kontroll-Illusion auf als bei
98
Heckhausen, 2003, S.361
vgl. Heckhausen, 2003, S.361-365
100
vgl. Sivanathan/Galinsky, 2007, S.3-6
99
24
der Gruppe mit weniger Macht.101 Durch diese Untersuchungen konnte festgestellt werden,
dass Machtgefühl und überkonfidente Entscheidungen miteinander verbunden sind.
3.1.4.2
Wirkung von Überkonfidenz auf andere Personen
Fox/Walters fokussierten sich in ihren Untersuchungen auf Zeugenberichte. Ihrer Aussage
nach sind Zeugen vor Gericht oft überzeugt davon, mit hoher Sicherheit einen bestimmten
Aspekt beobachtet oder korrekt erfasst zu haben. Diese Überzeugung kann einen wesentlichen
Einfluss auf den Richter haben, da dieser die konfidenten Zeugen als glaubhafter und sachkundiger einstuft als die weniger konfidenten. Es konnte jedoch kein Zusammenhang zwischen der Konfidenz der Zeugen und der Richtigkeit des Tatbestandes nachgewiesen werden.
Tatsächlich tendiert die Korrelation zwischen Konfidenz und Genauigkeit gegen Null und ist
teilweise sogar negativ.102
Je mehr Konfidenz eine Person ausstrahlt, desto sachkundiger wird sie von anderen eingeschätzt.
3.1.4.3
Der Drang nach Selbstdarstellung
„Even experts, who by definition know a lot about a specialized topic, are often unable to
express precisely how much they do not know.“103 Nach den Ausführungen von Russo/Schoemaker wollen besonders Manager oft nicht zugeben, dass sie weniger wissen könnten
als sie glauben zu wissen. Ihre Reputation als Experte wäre dadurch in Gefahr. Zudem muss
in vielen geschäftlichen Bereichen eine gewisse Überzeugung ausgestrahlt werden, auch wenn
diese nicht gerechtfertigt ist. Diese Überzeugung wird von Beobachtern mit Kompetenz
gleichgesetzt und somit werden die dargelegten Ansichten als glaubhaft eingestuft und ernst
genommen.104
Der Drang vieler Menschen, sich als kompetente Person mit guter Einschätzungsgabe auszuzeichnen, führt zu Überkonfidenz.
3.1.4.4
Wirkungsrichtung zwischen Selbstwertgefühl und Karriereerfolg
Kammeyer-Müller et al. widmeten sich der Untersuchung, ob Selbstachtung die Ursache oder
die Folge von Karriereerfolg ist. Der Zusammenhang ist eng verbunden mit Theorie der sozialen Identität, in welcher die Arbeitsrolle als zentrale Quelle der Identität betrachtet werden
101
vgl. Sivanathan/Galinsky, 2007, S.3-13
vgl. Fox/Walters, 1986, S.216 und 225
103
Russo/Schoemaker, 1992, S.9
104
vgl. Russo/Schoemaker, 1992, S.9 und 16
102
25
kann. Mitglieder einer hoch angesehenen Gruppe sehen sich demnach selbst als überlegen
gegenüber niedriger angesehenen Gruppen, da Prestige die Selbstachtung fördert.105
Im Rahmen der Studie stellte sich allgemein heraus, dass eine gesteigerte Selbstachtung sowohl Ursache als auch Folge von Karriereerfolg per se sein kann. Bei spezieller Betrachtung
konkreter Faktoren von Karriereerfolg konnte allerdings festgestellt werden, dass Selbstachtung zwar Auswirkungen auf berufliches Ansehen und Einkommen hat, die umgekehrte Wirkungsrichtung konnte jedoch nicht gestützt werden. Dennoch gehen Kammeyer-Müller et al.
davon aus, dass Individuen mit einer höheren zentralen Arbeitsrolle möglicherweise vom Karriereerfolg beeinflusst werden. Die Begründung dafür liegt in der laut der Theorie der sozialen
Identität notwendigen Salienz der Arbeitsrolle. Ausserdem wäre denkbar, dass andere öffentliche Bewertungen der persönlichen Leistung, wie bspw. Anerkennung oder Beförderung,
stärkere Auswirkungen auf die Selbstachtung haben können als die untersuchten Faktoren
Einkommen und allgemeiner Status.106
Bestimmte Formen des Karriereerfolgs könnten in Anbetracht der Salienz der Arbeitsrolle
das Selbstwertgefühl steigern.
3.2
Hypothesengenerierung
Während im vorangegangenen Kapitel die ausgewählten theoretischen Grundlagen sowie empirische Befunde aufgezeigt wurden, soll nun auf deren Basis eine Hypothesengenerierung
zum möglichen Einfluss einer Beförderung auf Überkonfidenz vorgenommen werden. Nach
einer Darstellung der möglichen Hypothesen wird zunächst eine kurze Herleitung der möglichen Wirkung einer Beförderung anhand der einzelnen theoretischen Grundlagen sowie empirischen Untersuchungen resümiert, um abschliessend eine zusammenfassende Übersicht aufzuzeigen.
Generell fallen zu dem untersuchten Wirkungszusammenhang zwei Möglichkeiten der Hypothesenbildung in Betracht: Die Nullhypothese H0 besagt, dass eine Beförderung keinen Einfluss auf Überkonfidenz ausübt. Die Alternativhypothese H1 hingegen deutet darauf hin,
dass Überkonfidenz durch eine Beförderung beeinflusst wird, was in zwei Richtungen geschehen kann (siehe Abb. 4).
105
106
vgl. Kammeyer-Müller et al., 2008, S.205
vgl. Kammeyer-Müller et al., 2008, S.216-218
26
Hypothesen
H0
H1
Erfolgt eine Beförderung, so hat diese
Erfolgt eine Beförderung, so hat diese
keinen Einfluss auf das Auftreten von
einen Einfluss auf das Auftreten von
Überkonfidenz bei der beförderten
Person.
Überkonfidenz bei der beförderten
Person.
H 1a
H 1b
Erfolgt eine Beförderung, so führt dies
Erfolgt eine Beförderung, so führt dies
dazu, dass das Ausmass an
dazu, dass das Ausmass an
Überkonfidenz bei der beförderten
Überkonfidenz bei der beförderten
Person zunimmt.
Person abnimmt.
Abb. 4: Darstellung möglicher Hypothesen
Welche dieser Hypothesen letztlich für die Wirkung einer Beförderung zutrifft, soll nachfolgend anhand der erarbeiteten Grundlagen erläutert werden. Dazu wird an dieser Stelle ein
klarer Zusammenhang zwischen den vorher allgemein gehaltenen Grundlagen und der Beförderung herausgearbeitet und veranschaulicht.
Prospect Theory
Die Prospect Theory betrachtet Entscheidungsanomalien ausgelöst durch Wahrnehmungsverzerrungen. Beim Isolationseffekt werden bspw. bewusst nur Aspekte in Betracht gezogen, die
die einzelnen Alternativen voneinander unterscheiden. Gemeinsamkeiten werden ausser Acht
gelassen. Dieser Effekt kann mit der Nutzbarkeit (availability bias) als eine der Ursachen für
Überkonfidenz (siehe Kap. 2.2.2) in Verbindung gebracht werden. Beide Verhaltensweisen
dienen dazu, durch eine Reduzierung der Komplexität die Entscheidung zu vereinfachen. Mit
einer Beförderung steigt i.d.R. der Entscheidungs- und Handlungsspielraum und somit auch
die Vielfalt der Alternativen. In solchen Situationen kann eine Reduzierung der Komplexität
für den Entscheidungsträger vorteilhaft erscheinen (siehe dazu auch Kap. 2.2.3) und folglich
kann es vermehrt zu Wahrnehmungsverzerrungen kommen. Durch bspw. bewusstes Ausblenden von Alternativen kann es zu einer übersteigerten Zuversicht in die eigenen Urteile kommen, was sich in überkonfidentem Verhalten widerspiegelt. Deshalb ist an dieser Stelle anzumerken, dass Wahrnehmungsverzerrungen Überkonfidenz erhöhen können.
27
Attributionstheorie
Nach den Annahmen der Attributionstheorie besteht bei Individuen eine Tendenz, Positives
eher den eigenen Fähigkeiten zuzuschreiben und Negatives eher den äusseren Umständen. Es
gibt misserfolgsorientierte Menschen, die Misserfolge intern zuschreiben. Bei diesen Personen wäre es denkbar, dass sie von Selbstüberschätzung seltener betroffen sind. Es kann jedoch
auch dazu kommen, dass Individuen Erfolge übermässig oft der eigenen Person zuschreiben
und Misserfolge hauptsächlich extern attributieren. Dieses Verhalten führt zu übermässigem
Selbstvertrauen und zur Selbstüberschätzung, also zu Überkonfidenz. Beruflicher Erfolg
zeigt sich besonders deutlich in einer Beförderung als offizielle Form der Anerkennung von
vorgesetzten Stellen. Für erfolgsmotivierte Personen stehen hauptsächlich personenbezogene
Gründe für die erfolgte Anerkennung im Zentrum der Überlegungen. Werden ihre Entscheidungen oder Handlungen extern bestätigt, so kommt es zu einem verstärkten Anstieg des
Selbstvertrauens. Die Bestätigung, als tendenzielle Suche nach Informationen, die die eigene
Ansicht stützen, konnte durch Russo/Schoemaker als eine mögliche Ursache für Überkonfidenz eruiert werden (siehe Kap. 2.2.2). Eine Beförderung kann hier sowohl als Erfolg an sich,
welcher intern attributiert wird, als auch als Bestätigung für eine erfolgreiche Handlung angesehen werden. Beide Sichtweisen würden zum gleichen Ergebnis führen: die Selbstsicherheit
steigt an und Überkonfidenz nimmt zu. Diese Wirkung wurde, wie im Kap. 3.1.2.1 erwähnt,
bereits empirisch geprüft und bestätigt. Zudem deutet das Vorhandensein selbstdienender
Tendenzen als eines der Merkmale von Überkonfidenz bereits auf dessen Vorhandensein hin.
Theorie der sozialen Identität
Nach den Ansätzen dieser Theorie steigt die Selbstachtung eines Individuums, wenn es sich
zu einer angesehenen sozialen Gruppe zählen kann. Je höher das Prestige der eigenen sozialen
Kategorie ist, desto mehr Selbstachtung empfinden die Individuen; sie sehen sich als Gewinner. Soziale Vergleiche können also dazu führen, dass Individuen nach der Mitgliedschaft in
`höheren` sozialen Gruppen streben. Die Mitglieder dieser sozial angesehenen Gruppen fühlen sich den `niedrigeren` Gruppen gegenüber überlegen, da sie im Gegensatz zu der entsprechenden out-group frei entscheiden können. Diese Denkweise, gepaart mit der Übernahme
von Verhaltensweisen der eigenen Gruppenmitglieder, welche bspw. den Besser als der
Durchschnitt-Effekt aufweisen, lässt vermuten, dass ein sozialer Aufstieg, ausgelöst durch
eine Beförderung, zu einem erhöhten Selbstbewusstsein und zu Überkonfidenz führen kann.
28
Vertrauenstheorie
Nach Petermann´s Annahmen der Vertrauenstheorie kann entgegengebrachtes Vertrauen
durch Übertragung von Kompetenzen, in diesem Zusammenhang in Form einer Beförderung,
einen Einfluss auf das Selbstbild haben. Demnach kann Vertrauen in Verbindung mit interner
Erfolgsattribution die Selbstsicherheit verstärken und zu Überkonfidenz führen. Der Vorgesetzte würde die Beförderung nicht aussprechen, wenn er nicht in die Fähigkeiten des Beförderten vertrauen würde. Also kann auch der Beförderte sich mehr zutrauen.
Vertrauen kann jedoch auch die umgekehrte Wirkung auf Überkonfidenz haben. Entgegengebrachtes Vertrauen darf nicht enttäuscht werden, da sonst die Beziehung gefährdet ist. Vertrauenswürdig bleibt das Individuum, das weiterhin so handelt, wie es in der Vergangenheit
war. Übermässige Risiken einzugehen könnte eine Gefährdung der Vertrauensbeziehung bedeuten. Daher ist es denkbar, dass entsprechend vorsichtig gehandelt wird und daher die Möglichkeit für das Auftreten für Überkonfidenz sinkt.
Erwartungserwartung
Der hier verfolgte Ansatz ist eng mit dem Drang nach Selbstdarstellung (siehe Kap. 2.2.3)
verbunden und beinhaltet wichtige Aspekte der sozialen Identität (siehe Kap. 3.1.2.2). Der
Beförderte hat gewisse Erwartungserwartungen bezüglich seiner Mitarbeiter, Vorgesetzten
und der Gesellschaft im Allgemeinen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese von ihm ein hohes Mass an Kompetenz und Sicherheit verlangen. Diesen Erwartungen will der Beförderte
entsprechen, da er nur dann als glaubhaft eingestuft wird. Also wird er bestrebt sein, sich als
sachkundig und selbstbewusst darzustellen, um die Ansprüche, Forderungen und Erwartungen, welche von der Gesellschaft an seine soziale Position gestellt werden, zu erfüllen. Um
die zu erreichenden Ziele zu verfolgen, dürfen die Erwartungen nicht enttäuscht werden, was
den Beförderten zu verstärktem überkonfidenten Verhalten neigen lässt.
Macht
Durch die Ausübung von Macht erwächst dem Individuum der Eindruck, anderen überlegen
zu sein, da diese durch die Machtausübung beeinflusst werden. Machtausübende besitzen also
eine Art `Steuerungsgewalt` über andere. Bei einer Beförderung wird ganz konkret Macht
übertragen, und zwar durch die Übertragung von Ressourcen. Der verbesserte Ressourcenzugang kann zu einer erhöhten Kontrollwahrnehmung führen. Zudem kann die Richtigkeit von
Entscheidungen überschätzt werden. All diese Aspekte sprechen eindeutig für eine Steigerung von Überkonfidenz bei Individuen, die durch Beförderung zu vermehrter Macht gelangen. Eine vergleichsweise höheres Ausmass an Überkonfidenz derjenigen Personen, die ge29
genüber anderen Vergleichspersonen mehr Macht besitzen, konnte durch die Studie von Sivanathan/Galinsky empirisch belegt werden.107
Weitere empirische Belege
Mit einer Beförderung steigt i.d.R. auch die Verantwortung. In verantwortungsvollen Positionen müssen Menschen `wissen was sie tun`, es werden von allen Seiten hohe Ansprüche an
deren Kompetenz gestellt. Es müssen Entscheidungen von hoher Tragweite getroffen werden
und die Entscheidungsträger müssen nach aussen überzeugt wirken. Je überzeugter eine Person wirkt, desto kompetenter wird sie von anderen eingestuft und desto ernster werden ihre
Ansichten genommen. Zweifel und Unsicherheiten wollen und können sich diese Personen oft
nicht anmerken lassen, sie treten daher selbstbewusst und konfident auf. Dieser Selbstdarstellungsdrang zusammen mit der bekannten Wirkung von Selbstvertrauen auf andere führt zu
einer Steigerung von Überkonfidenz.
Ergänzende Überlegungen
Werden die empirischen Belege zum Selbstdarstellungsdrang vernachlässigt, so kommt eine
weitere Möglichkeit in Betracht. Mit der Zunahme der Verantwortung für den Entscheidungsträger ist es denkbar, dass dieser mit erhöhter Vorsicht das jeweilige Problem betrachtet. Aus
der Absicht, keinen Fehler machen zu wollen, werden sämtliche Alternativen genau analysiert, vermehrt Informationen verarbeitet und Risiken genau abgewägt. Dieses Verhalten widerspricht den Erscheinungsformen von Überkonfidenz. Daher kann angenommen werden,
dass eine Beförderung auch zu einer Senkung von Überkonfidenz führen kann.
Eine weitere Überlegung betrifft die Möglichkeit der Überforderung des Beförderten. Mit der
Zunahme des Verantwortungs- und Handlungsspielraums steigen auch die Anforderungen an
die betreffende Person. Zusätzlich zu den gestiegenen Anforderungen befindet sich der Beförderte evtl. unter Erwartungsdruck, sowohl von aussen als auch von seiner Person selbst
ausgehend. Es besteht somit die Gefahr, dass sich der Beförderte den übertragenen Aufgaben
nicht `gewachsen` fühlt und unsicher wird, was sogar zur Unterkonfidenz führen könnte, zumindest aber zur Senkung von Überkonfidenz führt.
107
vgl. Sivanathan/Galinsky, 2007, S.8-14
30
Die folgende Tabelle stellt die Wirkung einer Beförderung zusammenfassend dar.
Grundlage
Wirkung einer Beförderung auf das Ausmass an Überkonfidenz
Prospect Theory
Wenn eine Beförderung zu einer Steigerung der situativen Komplexität
führt, kommt es vermehrt zu Wahrnehmungsverzerrungen, um die Entscheidung zu vereinfachen und somit zur erhöhten Überkonfidenz.
Attributionstheorie
Wenn Personen ihre erreichten Erfolge sehr oft intern attributieren,
dann kann eine Beförderung zur Steigerung von Überkonfidenz führen.
Wenn Entscheidungen und/oder Handlungen intern erfolgsattributierender Personen durch eine Beförderung extern bestätigt werden,
dann kann dies zu einer gesteigerten Überkonfidenz führen.
Theorie der
Wenn eine Beförderung zu einem sozialen Aufstieg führt, dann
sozialen Identität
fühlen sich die Beförderten als überlegene Gewinner und das Ausmass
an Überkonfidenz steigt.
Wenn andere Gruppenmitglieder zu Überkonfidenz neigen, führt die
Übernahme derer Verhaltensweisen zur Steigerung der `eigenen`
Überkonfidenz.
Vertrauenstheorie
Wenn einer Person von vorgesetzter Stelle Vertrauen in sein Handeln
entgegengebracht wird (in Form einer Beförderung), dann steigert dies
sein Selbstvertrauen und somit das Ausmass an Überkonfidenz.
Wenn einer Person von vorgesetzter Stelle Vertrauen in sein Handeln
entgegengebracht wird (in Form einer Beförderung), dann sinkt das
Ausmass an Überkonfidenz aufgrund gesteigerter Vorsicht, um die
Vertrauensbeziehung nicht zu gefährden.
Erwartungs-
Wenn eine Beförderung dazu führt, dass die Erwartungserwartungen
erwartung
des Beförderten bezüglich seiner Kompetenz steigen, dann steigt das
Ausmass an Überkonfidenz, da sich der Beförderte als überzeugte und
sachkundige Person darstellen wird.
Macht
Wenn eine Beförderung mit einer Zunahme an Macht für den Beförderten verbunden ist, dann steigt das Ausmass an Überkonfidenz.
31
Weitere empirische
Wenn durch eine Beförderung der Selbstdarstellungsdrang erhöht wird,
Belege
führt dies zu einer Steigerung der Überkonfidenz.
Ergänzende
Wenn durch eine Beförderung die Verantwortung steigt, erhöht sich die
Überlegungen
Vor- und Umsicht und das Ausmass an Überkonfidenz sinkt.
Wenn durch eine Beförderung die Verantwortung steigt, erhöht sich
die Wahrscheinlichkeit der Überforderung und somit sinkt die Überkonfidenz.
Tab.: Übersicht der Wirkung einer Beförderung auf Überkonfidenz
Die vorangegangenen Ausführungen zur möglichen Beeinflussung des Ausmasses an Überkonfidenz durch eine erfolgte Beförderung zeigen, dass es sowohl zu einer Steigerung (H1a)
der Selbstüberschätzung bei den Beförderten als auch zu einer Senkung (H1b) kommen kann.
Eine fehlende Beeinflussung des Selbstvertrauens durch eine Beförderung ist aufgrund der
durchgeführten theoretischen Analyse auf den ersten Blick nicht ersichtlich. Dennoch hängt
der hier betrachtete Einfluss einer Beförderung massgeblich von der beförderten Person ab.
Wie bereits angemerkt wurde, werden überkonfidente Personen eher befördert als rationale
(siehe Kap. 2.3).108 Wird nun angenommen, dass die beförderte Person bereits vor ihrem Aufstieg überkonfidente Ausprägungen zeigte, so ist eine Beeinflussung des Ausmasses nach der
Beförderung aufgrund der genannten Überlegungen durchaus denkbar. Ob sich der hypothetisch bestehende Zusammenhang gleichermassen auf Personen ausweiten lässt, die vor der
Beförderung nicht überkonfident waren, lässt sich nicht sagen. Hier bedarf es genauere wissenschaftliche Untersuchungen.
In dieser Arbeit handelt es sich jedoch lediglich um eine rein theoretische Analyse mit hypothetisch formulierten Ergebnissen. Es ist durchaus denkbar, dass die Ergebnisse von weiteren
Aspekten, wie persönlichen Faktoren, z.B. den Charaktereigenschaften oder der Erfahrung,
oder Umgebungsbedingungen, z.B. der situativen Komplexität oder der Informationsmenge,
abhängig ist. Des weiteren sollte, wie bereits angemerkt, auch der Einfluss des Ausmasses der
Überkonfidenz vor der Beförderung auf das Ausmass der Überkonfidenz nach der Beförderung betrachtet werden. Viele Menschen haben einen Drang zur Selbstüberschätzung, aber
sind diejenigen mit dem höheren Drang vor dem Aufstieg auch mehr von einer Steigerung der
Überkonfidenz betroffen als solche, die vor der Beförderung geringe überkonfidente Ausprägungen zeigen?
108
vgl. Goel/Thakor, 2006, S.2-3
32
Es besteht in dieser Hinsicht einerseits, als auch hinsichtlich einer empirischen Prüfung der
aufgestellten Hypothesen andererseits weiterer Forschungsbedarf.
4. Konsequenzen für das Human Resource Management
Das vorangegangene Kapitel zur Wirkung einer Beförderung auf Überkonfidenz hat deutlich
aufgezeigt, dass Beförderungen als eine Ursache sowohl für die Steigerung als auch für die
Senkung von Überkonfidenz betrachtet werden können. Welche Auswirkungen eine gesteigerte Überkonfidenz bspw. auf die Leistung der betroffenen Akteure haben kann, soll im folgenden Abschnitt betrachtet werden. Anschliessend sollen Handlungsmöglichkeiten eruiert
werden, um die negativen Folgen von Überkonfidenz einzudämmen.
4.1
Auswirkungen einer gesteigerten Überkonfidenz
Die Folgen von Überkonfidenz können sehr verschieden ausfallen. Sie lassen sich in positive
und negative Auswirkungen unterteilen und sind für Entscheidungen anders zu bewerten als
für Handlungen. In diesem Kapitel wird der Unterschied zwischen Entscheiden und Handeln
betrachtet. Danach werden die positiven Folgen von Überkonfidenz und anschliessend die
möglichen negativen Folgen herausgearbeitet. Zunächst soll jedoch an dieser Stelle kurz auf
die Wirkungsweise von Überkonfidenz auf das Ergebnis eingegangen werden.
Rittmayer hat in ihren Untersuchungen ein Modell erarbeitet, welches die Wirkungsweise von
Überkonfidenz auf das Ergebnis veranschaulicht (Abb. 5).
Überkonfidenz
Psychologische
Mediatoren
Verhaltensmediatoren
Gewinn-/ Verlusterwartungen,
Ängstlichkeit/
Besorgnis
Risikoübernahme,
Informationssuche/
-abwägung
Ergebnis
Abb. 5: Wirkungsweise von Überkonfidenz auf das Ergebnis109
Nach diesem Mediatormodell wirkt Überkonfidenz nicht direkt, sondern über Mediatoren auf
das Leistungsergebnis ein. Überkonfidenz wirkt dauerhaft auf verschiedene Variablen (psychologische und Verhaltensmediatoren), welche situationsabhängig das Ergebnis positiv oder
109
eigene Darstellung in Anlehnung an die Ausführungen von Rittmayer, 2005, S.6-9
33
negativ beeinflussen.110 Je höher das Ausmass an Überkonfidenz, desto weniger Risiko wird
angenommen, durch Überschätzung der Gewinne und Unterschätzung der Verluste, und desto
geringer ist die Sorge über den Eintritt unerwünschter Ereignisse. Weiterhin steigt bei erhöhter Überkonfidenz auch die Übernahme von Risiken, wohingegen die Informationssuche und
–verarbeitung eingeschränkt wird, da überkonfidente Personen ihr eigenes Wissen überschätzen. Aber auch die psychologischen Mediatoren wirken auf das Verhalten, z.B. führen unterschätzte Verluste zu einer erhöhten Risikoübernahme.111 Je nach Situation kann das Ergebnis
sowohl positiv als auch negativ beeinflusst werden. Unter anderem ist dies abhängig davon,
zu welchem Zeitpunkt Überkonfidenz auftritt, entweder bei der Entscheidungsfindung oder
bei der Durchsetzung der Entscheidung. Die Auswirkungen können sehr verschieden sein und
werden in den folgenden Abschnitten näher betrachtet.
4.1.1 Unterschied zwischen Entscheiden und Handeln
Es muss ganz klar unterschieden werden, in welchen Situationen Überkonfidenz auftritt. Entscheide erfordern realistische Ansichten über den Stand des Wissens. Überkonfidenz kann
hier mit fatalen Folgen verbunden sein und sollte daher so gering wie möglich gehalten werden. Handlungen, also das Umsetzen der Entscheidungen, können hingegen von den positiven
motivationalen Wirkungen von Überkonfidenz profitieren. Eine präzise Trennung ist in der
betrieblichen Praxis oft schwierig, da Manager entscheiden und handeln. Daher müssen sie
sich darüber bewusst sein, wann sie als Entscheidungsträger fungieren und wann sie Handelnde sind.112
4.1.2 Mögliche positive Folgen von Überkonfidenz
Auf dem Wertpapiermarkt investieren überkonfidente Manager in risikoreichere Projekte als
rationale Manager, da sie das Risiko unterschätzen. Sie nutzen private Informationen effektiver, da sie diese überschätzen, gehen jedoch auf öffentliche Informationen kaum ein. Ausserdem treibt Überkonfidenz den Betroffenen zum aggressiven Handeln, wodurch Konkurrenten
eingeschüchtert werden und somit die Rendite für überkonfidente Händler steigt.113 Es konnte zusätzlich ein positiver Zusammenhang zwischen dem Besser als der Durchschnitt-Effekt
110
vgl. Rittmayer, 2005, S.5
vgl. Rittmayer, 2005, S.7-10
112
vgl. Russo/Schoemaker, 1992, S.16
113
vgl. Daniel et al., 1998, S.28-29
111
34
und einem erhöhten Handelsvolumen eruiert werden.114 Überkonfidente Manager handeln
mehr, was zu verbesserter Liquidität führt.
Englmaier betont in seinen Ausführungen zusätzlich zur Gewinnerzielung durch risikoreichere Projekte auch Leistungssteigerungen durch Überkonfidenz. Seine Aussagen fussen auf
den Vorteilen von Optimismus. Danach werden Erfolge, die auf die eigene Person zurückgeführt werden, nur dann erreicht, wenn die Anstrengungen entsprechend erhöht werden. 115 Überkonfidenz erhöht demnach das Engagement und den Ehrgeiz in Projekten.
In eine ähnliche Richtung deutet auch Schütz. Nach ihren Ausführungen kann vermehrte Anstrengung auf den Selbstdarstellungsdrang zurückgeführt werden. Im Zentrum steht der protektive Stil der Selbstdarstellung, d.h. die Erzielung von Erfolgen.116 Wie bereits aufgezeigt
wurde, kann dieser Selbstdarstellungsdrang Überkonfidenz verstärken. In ihren Ausführungen
weist Schütz auf einen Teufelskreis negativer Selbstbewertung und Leistungsproblemen hin
(siehe Anhang).
Würde dieser Kreislauf auf die positive Selbstbewertung, die zu erhöhtem Selbstvertrauen
führt, übertragen werden, so würden positive Folgen für die Leistung, konkret erhöhte Anstrengungen und erhöhter Erfolg resultieren (siehe Abb. 6).
hoher
Selbstwert
positive
Erwartungen
hohe
Anstrengung,
hoher Mut
Erfolg
Selbstvertrauen
Abb. 6: Kreislauf positiver Selbstbewertung117
Ein gesteigertes Selbstvertrauen als Resultat des Erfolgs führt wiederum zu einer hohen
Selbstbewertung. Diese wirkt sich über dazwischen liegende Mechanismen positiv auf die
Leistung aus (z.B. durch schnellere Inangriffnahme schwieriger Aufgaben).118 Inwieweit übermässiges Selbstvertrauen i.S.v. Überkonfidenz diesen Prozess verändern könnte ist bis
anhin unklar. Selbstvertrauen per se jedoch kann nach dem aufgezeigten Kreislauf mit positiven Auswirkungen verbunden werden.
Des weiteren steigt das Engagement im Gruppenprozess und die Beeinflussung anderer
Gruppenmitglieder durch Überkonfidenz. „Those who are expected to be more competent at
the group´s task participate more and exert more influence over group decisions than those
who are expected to be less competent; when disagreements arise, they are resolved largely in
114
vgl. Glaser/Weber, 2007, S.30
vgl. Englmaier, 2004, S.3-4
116
vgl. Schütz, 2005, S.74
117
eigene Darstellung in Anlehnung an Schütz, 2005, S.91
115
35
the direction of the higher-status members´ views.“119 Hoch statuierte Mitglieder haben einen
höheren Einfluss und sind überzeugender als niedrig statuierte Mitglieder. Ausserdem reduziert der Status Unsicherheiten, weil eine Erwartung von Kompetenz bei anderen Gruppenmitgliedern generiert wird.120 „An overconfident agent may overestimate his marginal productivity and work harder, thereby causing others to work harder as well.“121 Auch die Ausführungen aus Kap. 3.1.2.2 weisen auf die Übernahme bestimmter Verhaltensweisen durch andere Gruppenmitglieder hin. Durch die Übernahme des Engagements der Selbstüberschätzer
durch andere Mitglieder des Teams kann dadurch die Teamperformance gesteigert werden.
4.1.3 Mögliche negative Folgen von Überkonfidenz
Durch Überkonfidenz geprägte Individuen neigen dazu, sich selbst anderen gegenüber als
überlegen zu fühlen. Sie betrachten sich als besser als der Durchschnitt.122 „das Gefühl der
Überlegenheit kann zu überheblichem und aggressivem Sozialverhalten führen“123, was besonders die Arbeit im Team erschweren kann. Probleme bei der Teamarbeit durch fehlende
Anerkennung zeigen sich am deutlichsten in Motivationsverlusten. Zudem werden durch dieses Gefühl der Überlegenheit diverse Umweltaspekte ausser Acht gelassen, wodurch es zu
einer Kontroll-Illusion kommt. Beide Aspekte führen dazu, dass Risiken unterschätzt werden
und die erhöhte Gefahr besteht, übermässig riskante und suboptimale Entscheidungen zu
treffen. Weiterhin überschätzen überkonfidente Individuen ihre Urteilsgenauigkeit: Die tatsächlichen Ergebnisse liegen daher oft ausserhalb des (zu) engen Konfidenzintervalls. Die
Folge: überkonfidente Personen neigen langfristig zu Underperformance.124 Schütz weist
zudem darauf hin, dass durch Überkonfidenz die langfristigen Konsequenzen einer Entscheidung übersehen und Alternativen mangelhaft geprüft werden, was wiederum langfristig zu
schlechten Leistungsergebnissen führt.125
Auch Rittmayer weist auf negative Auswirkungen von Überkonfidenz hin: durch die Erwartungen erhöhter Gewinne und weniger Verluste sinkt die Besorgnis und die Übernahme von
Risiken steigt. Zusätzlich kommt es zu einer verringerten Informationssuche und –abwägung,
somit zu einer verschlechterten Entscheidungsqualität und schlechteren Leistungsergeb-
118
vgl. Schütz, 2005, S.93
Oldmeadow et al., 2003, S.139
120
vgl. Oldmeadow et al., 2003, S.147-148
121
Subrahmanyam, 2007, S.22
122
vgl. Sivanathan/Galinsky, 2007, S.11-12
123
Schütz, 2005, S.17
124
vgl. Sivanathan/Galinsky, 2007, S.10
125
vgl. Schütz, 2005, S.94
119
36
nissen.126 Allerdings hat Rittmayer ihre Ergebnisse anhand von Black Jack-Spielen in einem
Casino gewonnen, wodurch die Übertragbarkeit auf das Wirtschaftsleben an dieser Stelle
fraglich erscheint. Weitere Untersuchungsergebnisse, die sich auf einen anderen Kontext beziehen (wie die vorher erwähnten), weisen jedoch in dieselbe Richtung, wodurch eine Übertragbarkeit gestützt werden kann.
Gestützt auf den Kreislauf der positiven Selbstbewertung verweist Schütz auch auf die Gefahren der zu hohen Selbstüberschätzung. Danach werden schwierige Aufgaben unterschätzt, die
eigenen Ziele zu hoch angesetzt und deshalb nicht erreicht. Zudem werden Probleme meist
unterschätzt und die Kontrollierbarkeit überschätzt, was zu einer ungenügenden Vorbereitung bei unbekannten Aufgaben führt. Bei Fehlschlägen werden durch eine feste Erfolgsüberzeugung gesteigerte Bemühungen ausgelöst. Die Tendenz, nicht aufgeben zu wollen (Hartnäckigkeit) führt zur Energieverschwendung und kann bis hin zur destruktiver Beharrlichkeit führen.127
Ein letzter Punkt, der im Zusammenhang mit negativen Folgen der Selbstüberschätzung genannt werden soll, betrifft die Verankerung (anchoring bias), also das Referenzpunktdenken
(siehe Kap. 2.2.2). Überkonfidente Personen sind auf einen bestimmten Referenzpunkt fokussiert, von dem sie nicht abweichen. Sie sehen daher keine Alternativen und probieren keine
neuen Handlungsweisen aus, was dazu führt, dass sowohl das Lernen als auch nötige Anpassungen ausbleiben.128
Abschliessend zu diesem Kapitel sollte betont werden, dass unabhängig vom Einfluss der
Beförderung unterschieden werden muss zwischen einem gesunden und angemessenen Mass
an Selbstüberschätzung, welches i.d.R. positiv auf Ergebnisse wirkt, und einer übermässigen
Selbstüberschätzung, welche i.d.R. negative Folgen nach sich zieht.129 Eine Beförderung steigert zwar das Ausmass an Überkonfidenz, das letztliche Mass ist jedoch abhängig von weiteren Aspekten, z.B. der Stärke der Steigerung oder dem anfänglichen Mass an Überkonfidenz
vor der Beförderung.
126
vgl. Rittmayer, 2005, S.38
vgl. Schütz, 2005, S.93 und 118-119
128
vgl. Miller, 1999, S.98
129
vgl. Goel/Thakor, 2006, S.3
127
37
4.2
Handlungsempfehlungen zur Eindämmung von Überkonfidenz
Nachdem die Ursachen für einen Anstieg der Überkonfidenz durch eine Beförderung analysiert und die möglichen Folgen einer gesteigerten Überkonfidenz betrachtet wurden, sollen
nun Möglichkeiten erarbeitet werden, wie Selbstüberschätzung eingedämmt und somit die
negativen Folgen reduziert werden können.
An dieser Stelle soll nochmals die besondere Bedeutung der Eindämmung von Überkonfidenz
im Rahmen der Entscheidungsfindung betont werden, da vor allem in diesem Bereich die negativen Folgen auftreten.
Nach Ausführungen von Doukas/Petmezas ist Überkonfidenz dort stärker ausgeprägt, wo Informationen (z.B. über Ziele) begrenzt sind und Menschen sich auf ihre Vorstellungen und
eigenen Fähigkeiten verlassen müssen. Daher sollte zunächst darauf geachtet werden, dass
umfangreiche Informationen bereitgestellt werden, um die Selbstüberschätzung abzuschwächen.130 Oft ist es aufgrund beschränkter Zeit und Informationsverarbeitungskapazität unmöglich, sämtliche Informationen in den Entscheidungsprozess einzubeziehen. Zusätzlich wurde
durch die Studie von Oskamp belegt, dass bei steigender Informationsmenge ein Informationssättigungspunkt erreicht wird, ab dem die Entscheidungsqualität objektiv betrachtet wieder
abnimmt.131 Daher müssen weitere Massnahmen zur Reduzierung von Überkonfidenz getroffen werden.
Entscheidungen, Handlungen und deren Ergebnisse werden oft durch selbstbezogene Informationen beeinflusst. Diese Informationen können auf verschiedene Arten erlangt werden:
Selbstbeobachtung132, sozialer Vergleich133 und Rückmeldung.134 Da sowohl die Selbstbeobachtung als auch der soziale Vergleich bei Überkonfidenz durch Verzerrungen getrübt werden, ist der Fokus auf die Rückmeldung, oder anders ausgedrückt das Feedback zu setzen.
Feedback erscheint in der wissenschaftlichen Diskussion als das Hauptmittel gegen Überkonfidenz. So fanden Bornstein/Zickafoose heraus, dass Überkonfidenz reduziert wird, sobald die
Teilnehmer einer Studie über das Vorhandensein von Selbstüberschätzung aufgeklärt wer-
130
vgl. Doukas/Petmezas, 2007, S.533
vgl. Oskamp, 1965, S.261 und 263
132
Unter Selbstbeobachtung wird die Beobachtung des eigenen Verhaltens und Erlebens sowie der Erinnerung
an früheres Verhalten und Erleben verstanden. Sie ist weniger von externen Faktoren abhängig (vgl. Schütz,
2005, S.9-12).
133
Der soziale Vergleich resultiert aus der Selbstbeobachtung und der Beobachtung anderer, deren Verhalten mit
dem eigenen verglichen wird. Dabei beeinflusst die Bezugsgruppe das Ergebnis wesentlich (vgl. Schütz,
2005, S.9-12).
134
vgl. Schütz, 2005, S.9-12
131
38
den.135 Die Bedeutung von Feedback betonen auch Russo/Schoemaker. Sie kamen zu der Erkenntnis, dass das Ausmass an Überkonfidenz geringer ist, je höher der Bezug zum Job ist.
Manager wissen am meisten über ihr Spezialgebiet und können sich dort meist auf ihre Urteile verlassen. Dennoch passen sie ihr Konfidenzintervall nur ungenügend an, wenn es um übergreifende Bereiche geht, die weniger eng an ihr Berufsfeld geknüpft sind. Aber auch bei
hohem Bezug zum Job und trotz gesammelter Erfahrung besteht ein gewisses Mass an Überkonfidenz, weil aus Erfahrungen oft nicht gelernt wird. Die Hauptursache sehen die Autoren
im fehlenden Feedback, welches Aussagen über die Korrektheit der Beurteilung ermöglichen
könnte.136
Ist die Existenz von Selbstüberschätzung bei Managern bekannt, dann sind zwei Elemente
essenziell:
•
Feedback und
•
Verantwortung/Zurechenbarkeit.
Ein Feedback ist dann nützlich, wenn es akkurat, zeitnah und präzise vorgenommen wird. Es
sollte die Frage beantwortet werden, wie weit getroffenen Einschätzungen, z.B. prognostizierte Umsatzzahlen, am Markt vorbei gegangen sind. Die genaue Verantwortung bzw. die Zurechenbarkeit der Ergebnisse auf Entscheidungsträger zwingt die Betroffenen dazu, sich mit
dem erteilten Feedback auseinanderzusetzen, Wahrnehmungen sowie Einstellungen zu überdenken und die eigenen Meinungen zu zügeln.137 Neben einem unverzüglichen Feedback,
welches der Reduzierung von Überkonfidenz dient, kommen weitere Massnahmen in Betracht:138
Gegenargumentation
Zur ursprünglichen Vermutung sollten Gegenargumente gesucht werden, d.h. Gründe, die
gegen das geplante Vorgehen sprechen, müssen identifiziert werden. Eine entgegengesetzte
Denkweise kann Überkonfidenz senken, indem die zu hohe Überzeugung von der ursprünglichen Beurteilung der Situation reduziert wird und Alternativen eröffnet werden. Allerdings
muss dieser Prozess genau dokumentiert werden sowie ernsthafte Konsequenzen nach sich
ziehen, sonst besteht die Gefahr, dass die Gegenargumentation von den Betroffenen nicht
ernst genommen wird.
135
vgl. Bornstein/Zickafoose, 1999, S.84
vgl. Russo/Schoemaker, 1992, S.9-10
137
vgl. Russo/Schoemaker, 1992, S.10
138
Die Ausführungen zu den Massnahmen zur Reduzierung von Überkonfidenz beziehen sich auf
Russo/Schoemaker, 1992, S.12-15.
136
39
Paths to Trouble
Mögliche Schwierigkeiten und Probleme, die mit der geplanten Vorgehensweise verbunden
sind, sollten identifiziert (z.B. anhand von Fehlerbäumen139) und deren Ursachen herausgefunden werden. Dieses Vorgehen kann den Überoptimismus wesentlich reduzieren.
Paths to the Future
Unter diesem Begriff ist eine Szenario-Analyse der Zukunft zu verstehen, welche die Folgen
von möglicherweise auftretenden Problemen ermitteln soll. Verschiedene zukünftige Zustände werden dabei miteinander verglichen, wodurch es Managern ermöglicht wird, Unsicherheiten besser abzuschätzen und neue Ideen zu entwickeln.
Bewusstsein
Die Kenntnis des Vorhandenseins der eigenen Selbstüberschätzung bringt Manager dazu, eigene Strategien im bewussten Umgang mit diesem Phänomen zu entwickeln und realistischer
zu agieren. Die Devise, der sich die Manager bewusst werden müssen, lautet hier „Don`t fool
yourself“140.
Gruppenentscheidungen
Gruppenentscheidungen können zur Reduzierung von Überkonfidenz beitragen, weil die Aufgeschlossenheit gefördert wird und somit verschiedene Sichtweisen in den Entscheidungsprozess einfliessen. Es wurde in einem einfachen Experiment herausgefunden, dass die Überkonfidenz bei Entscheidungen von Managern vor einem Gruppenentscheid hoch und nach einem
Gruppenentscheid niedriger ist. Die niedrigste Ausprägung konnte jedoch beim Gruppenentscheid selbst beobachtet werden.
Andererseits können in solchen Situationen Gruppeneffekte auftreten, so dass eine Mehrheitsmeinung herausgebildet und unter allen Umständen durchgesetzt wird. Dahinter verborgene Mechanismen wurden bereits in Kap. 3.1.2.2, 3.1.4 und 4.1.3 dargelegt.
Werden die genannten Massnahmen konsequent verfolgt, so kann Überkonfidenz in Entscheidungsprozessen eingedämmt werden. Besonders in Hinblick auf eine Beförderung sollten sich
vorgesetzte Stellen und die Personalabteilung, die über die Beförderung entscheiden, über das
Vorhandensein von Überkonfidenz beim jeweiligen Kandidaten bewusst sein und dafür Sorge
tragen, dass besonders bei der Entscheidungsfindung die nötigen Massnahmen getroffen werden. So können negative Folgen, ausgelöst durch suboptimale Entscheidungen aufgrund von
139
Unter einem Fehlerbaum wird ein hierarchisch angeordnetes Diagramm verstanden, welches der
Identifizierung möglicher Fehler und Problemen dient (vgl. Russo/Schoemaker, 1992, S.13).
140
Russo/Schoemaker, 1992, S.16
40
Selbstüberschätzung, auf ein Minimum reduziert werden, wohingegen die tatsächliche Durchführung des letztlich `besseren` Entscheids von den positiven motivationalen Folgen der Überkonfidenz profitieren kann.
5. Schlussbetrachtung
Aufgrund der durchgeführten theoretischen Analyse kann zusammenfassend festgehalten
werden, dass Hinweise existieren, welche andeuten, dass es nach einer Beförderung zu einer
Verstärkung von Überkonfidenz kommen kann. Diese Hypothese lässt sich aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln ableiten, sei es aufgrund von Machtübertragung, interner Erfolgsattribution, dem Drang nach Selbstdarstellung oder anderen Faktoren. Da eine gesteigerte
Überkonfidenz besonders bei der Entscheidungsfindung negative Folgen, insbesondere verschlechterte Leistungsergebnisse und das Ausbleiben von Lernprozessen, nach sich ziehen
kann, ist gerade in solchen Situationen ein besonderes Augenmerk auf die Reduzierung von
Selbstüberschätzung zu legen. Diese kann durch verschiedene Massnahmen, wie einem zeitnahen Feedback oder einer Gegenargumentation, eingeleitet werden und sollte ernsthaft und
konsequent erfolgen.
Trotz der überlegenen Argumente für die Hypothese H1a , also dem Anstieg der Überkonfidenz nach einer Beförderung, konnten auch Gegenargumente eruiert werden, die dafür sprechen, dass die Selbstüberschätzung nach einer Beförderung eher sinkt. Als ausschlaggebende
Faktoren sind die Erhaltung der Vertrauensbeziehung sowie die mögliche Überforderung des
Beförderten zu nennen.
Die genannten Untersuchungsergebnisse sollten jedoch mit Vorsicht genossen werden. Die
vorab getroffenen Einschränkungen, dazu zählt die Verwendung des Begriffs Beförderung,
die den sozialen Aufstieg beinhaltet, verweisen darauf, dass die Ergebnisse keinesfalls allgemeingültig übertragen werden können. Weiterhin ist es durchaus denkbar, dass Argumente
aufgrund von theoretischen Betrachtungen anderer wissenschaftlicher Disziplinen gegen eine
Steigerung der Überkonfidenz sprechen könnten. Ferner sollten auch individuelle Unterschiede im Ausmass der Überkonfidenz vor und nach der Beförderung verglichen werden, um die
Stärke der Steigerung und damit auch das Auftreten negativer Folgen sowie die Forderung
nach Massnahmen zur Reduzierung von Überkonfidenz deutlicher herauszuarbeiten. Diese
Arbeit legt im Wesentlichen die Grundsteine dafür. Weiterführende Betrachtungen sollten an
anschliessende Untersuchungen übertragen werden.
41
Letztlich ist nochmals anzumerken, dass es sich bei dieser Analyse um eine rein theoretische
Betrachtung handelt. Die Ergebnisse sind hypothetisch formuliert und müssen empirisch überprüft werden, um ihre Gültigkeit zu bestimmen. Auch hier soll ein Appell an weitere wissenschaftliche Untersuchungen erfolgen, um das Phänomen Überkonfidenz genauer zu untersuchen und verständlicher zu machen.
42
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http://wwwhomes.uni-bielefeld.de/kruecken/lfp/arbeitsgruppen/ag3.htm#2.3. Über Erwartungen, Institutionen und Mythen
(Stand: 10.08.2008)
IX
Anhang
Niedriger
Selbstwert
Negative
Erwartungen
Geringe
Anstrengung,
Hohe Angst
Misserfolg
Selbstzweifel
Kreislauf negativer Selbstbewertung141
141
Schütz, 2005, S.91
X
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