Kurzreferat von Miriam Ganzfried, lic.rer.pol., zum Thema "Erhöhung

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20 Jahre Kantonale Fachkommission für Gleichstellungsfragen 1990 - 2010.
Jubiläumsanlass 5. November 2010.
Kurzreferat von Miriam Ganzfried, lic.rer.pol., zum Thema "Erhöhung Frauenanteil in
der Politik, wie weiter?"
Einführung
Als erstes werde ich eine Standortbestimmung über die Resultate der letzten Berner
Grossratswahlen machen. Ich werde insbesondere auf die unterschiedlichen Frauenanteile
in den Parteien und den Wahlkreisen sowie deren Entwicklung in den letzten Jahren
eingehen. Nachher werde ich Thesen und Erklärungen abgeben zu den Gründen für den
Rückgang des Frauenanteils und zum Schluss werde ich etwas zu möglichen Massnahmen
wie zur Erhöhung des Frauenanteils, sagen.
Standortbestimmung
Grosse Siegerin der Berner Grossratswahlen 2010 waren die beiden neuen Parteien BDP
und Grünliberale. Die BDP konnte nicht nur die 17 von der SVP geerbten Mandate behalten,
sondern gewann sogar noch 8 Mandate dazu. Die Grünliberalen holten 4 Mandate mehr.
Grosse Verliererinnen waren die SP mit einem Verlust von 7 Sitzen und die FDP, die ein
Drittel ihrer Sitze verlor.
Fazit, Rotgrün steht um 10 Mandate schwächer da und die Bürgerlichen wurden um 13
Mandate stärker. Der Grosse Rat wird somit weiterhin von einer bürgerlichen Mehrheit
dominiert.
Betrachten wir die Geschlechtsverhältnisse im Grossen Rat von 1974 – 2010, sehen
wird, dass der Frauenanteil im Grossen Rat bei den Wahlen 2010 erstmals seit 1974
gesunken ist. Einzig 2002 blieb der Frauenanteil konstant.
Auch im nationalen Parlament ist der Frauenanteil bis zu den letzten Wahlen 2007
kontinuierlich gestiegen. Ausgenommen einzelne Einbrüche im Ständerat in den Jahren
1975, 1991 und 2007. Bei den Wahlen im nächsten Jahr wird sich zeigen, ob sich der
Aufwärtstrend halten wird oder ob der Frauenanteil wie im Kanton Bern zurückgehen wird.
Außer dem Kanton Bern mussten auch die Kantone Aargau (36.4% auf 26.4%), Genf (31%
auf 28%), der Kanton Thurgau (30.8% auf 27.7%) bei den letzten Wahlen Verluste beim
Frauenanteil hinnehmen. Leichte Gewinne verzeichneten hingegen die Kantone Basel Stadt,
Basel Land, Zürich, Zug und Obwalden. Alle diese Kantone befinden sich mit ihrem
Parlamentarierinnenanteil nun über der 30% Marke. Im interkantonalen Vergleich ist Bern
von Platz 4 nun auf Platz 11 gerutscht.
Das parteipolitische Verteilungsmuster der gewählten Frauen ist seit vielen Jahren
dadurch geprägt, dass die linken Parteien den Frauenanteil am stärksten steigern konnten,
gefolgt von den Mitteparteien CVP und FDP. Die SVP und kleinere Rechtsparteien weisen
hingegen seit langem nur einen kleinen Frauenanteil auf.
Dieses Muster kann auch im bernischen Grossen Rat beobachtet werden. Hier weisen die
Grünen mit 68% den höchsten Frauenanteil auf, gefolgt von den Grünliberalen mit 50%. Die
SP hat einen Anteil von 34,2%. Bei den bürgerlichen Parteien haben die BDP und die EVP
einen Frauenanteil von 20%, die FDP kommen auf 17,6%, die SVP zählt 13,6% Frauen.
EDU und CVP haben keine Frauen im Großen Rat. Der Anteil an gewählten Frauen ist 2010
in fast allen Parteien gesunken. Besonders erwähnenswert ist die Tatsache, dass die Anzahl
gewählter Frauen im Vergleich mit jener der Männer in den Parteien, die insgesamt in den
Wahlen 2010 am meisten Sitze verloren haben, überproportional gesunken ist.
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Wahlquote Frauen/Männer 2010 Großer Rat
Der gesamte Kandidatinnenanteil hat sich von 2006 bis 2010 nur leicht verringert (von 33.6%
auf 32%). In der gleichen Zeitspanne ist jedoch der Anteil an gewählten Frauen von fast 32%
auf 26.2% gesunken.
Der Vergleich des Anteils der gewählten mit dem Anteil der kandidierenden Frauen zeigt,
dass die Chancen der kandidierenden Frauen, gewählt zu werden, fast durchgängig geringer
sind als diejenigen der Männer. Eine Ausnahme bilden hier die Grüne Partei und die Partei
der Grünliberalen bei denen die Wahlchancen der Frauen deutlich höher waren als
diejenige der Männer. Der Vergleich mit dem Wahljahr 2006 zeigt, dass die Wahlchancen
der Frauen in den meisten Parteien gesunken sind ausser der EVP. Die Wahlchancen der
kandidierenden Frauen im Kanton Bern im Vergleich zu 2006 haben sich offensichtlich
verschlechtert. Die Beispiele SP, EVP und CVP, die proportional viele Kandidatinnen
aufgestellt hatten, zeigen, dass ein hoher Anteil an Kandidatinnen nicht reicht um einen
hohen Anteil an gewählten Frauen zu garantieren.
Vergleichen wir Kandidierende und Gewählte nach Parteien, zeigt sich, dass die neuen
Parteien BDP und glp sowie die SVP und die FDP ein Nominierungsproblem haben. In all
diesen Parteien wurden weniger als 30% Frauen aufgestellt. Mit Ausnahme der glp hat sich
der Anteil Kandidatinnen auch bei den gewählten niedergeschlagen. Bei der SP hingegen
liegt das Problem bei den Wahlen. Obwohl fast 40% der Kandidierenden Frauen waren,
wurden nur 34.2% der Sitze an Frauen vergeben.
Unterschiede im Frauenanteil gibt es nicht nur zwischen den Parteien, sondern auch
zwischen den Wahlkreisen. Die Wahlkreise Mittelland Nord (45.45%) und Bern (45%)
verzeichnen den höchsten Anteil an gewählten Frauen gefolgt von Biel-Seeland (34.62%)
und dem Oberaargau mit 33.33%. Den kleinsten Anteil verzeichnen die Wahlkreise Thun mit
6.25 %, dicht gefolgt vom Berner Jura (8.33 %) und Mittelland Süd (10 %).
Außer in den Wahlkreisen Berner Oberland, hier ist der Anteil gleich geblieben und BielSeeland, hier ist er gestiegen, ist der Anteil an gewählten Frauen verglichen mit dem
Wahljahr 2006 in allen Wahlkreisen zurückgegangen. Diese Unterschiede können zu einem
großen Teil mit den unterschiedlichen Parteienstärken zwischen Stadt und Land erklärt
werden. Auffallend stark ist der Rückgang in den Wahlkreisen Thun und Berner Jura. Im
Gegensatz zum Wahlkreis Thun, der durch die Wahlkreisreform 2010 8 Gemeinde mehr
beinhaltet, gab es im Wahlkreis Berner Jura in dieser Hinsicht keine Änderungen. Um die
Gründe für diesen bedeutenden Rückgang zu verstehen, müssten die Wahllisten und die
Wahlstrategien der Parteien genauer angeschaut werden. Dies ist im Rahmen dieses
Vortrags leider nicht möglich.
In den Wahlkreisen mit dem höchsten Anteil an gewählten Frauen war auch der Anteil an
Kandidatinnen am höchsten. So wiesen die Walkreise Bern und Mittelland Nord auf über der
Hälfte aller Listen mehr als 30% Frauen aus. In Bern waren mehr als 40% der Listen mit
mehr als der Hälfte von Frauen besetzt. Thun hat auf 40% der Listen einen Frauenanteil von
über 30% und der Berner Jura hat 45% der Listen mit mehr als 50% Frauen.
Neu Kandidierende habe es im Allgemeinen immer noch schwerer, gewählt zu werden als
wieder Kandidierende. Wieder kandidierende Männer haben eine größere Chance wieder
gewählt zu werden als wieder kandidierende Frauen. Bei den Neukandidierenden sieht es
ähnlich aus, nur dass hier die Chancen einer neu kandidierenden Frau wesentlich kleiner
sind als die eines neu kandidierenden Mannes. Dieser Unterschied kann darauf
zurückgeführt werden, dass das Geschlecht ein offensichtliches, leicht zugängliches
Merkmal einer Kandidatin oder eines Kandidaten ist, und dadurch spielt es bei einer ersten
Beurteilung durch die Wählerschaft eine zentrale Rolle.
Thesen/Erklärungen
In der Politikwissenschaft wird zur Erklärung der Unterrepräsentation der Frauen
hauptsächlich zwischen drei Ebenen unterschieden. Oder anders gesagt, um ins Parlament
zu gelangen, müssen Frauen drei Etappen bewältigen: Als erstes müssen sie sich für eine
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Kandidatur entscheiden. Als zweites müssen sie von einer Partei als Kandidatin nominiert
werden und als drittes müssen sie von den Wählerinnen und Wähler gewählt werden. Die
erste Etappe, die der persönlichen Entscheidung, hängt in erster Linie von zwei Faktoren ab.
Erstens von der persönlichen Ambition und zweitens von der eigenen Einschätzung auch
gewählt zu werden. Für eine Frau kann es schwierig sein ihr Streben nach einem
Parlamentssitz öffentlich zu vertreten. Bei der Selbsteinschätzung der Wahlchancen spielt
die Einschätzung der Reaktion ihrer politischen Entourage sowie die Ressourcen über die
sie für eine allfällige Kampagne verfügt eine Rolle. Um die Anzahl Frauen zu erhöhen die
sich für eine Kandidatur entscheiden, ist die Präsenz von Frauenorganisationen, Vereinen
oder einer Frauenbewegung welche Frauen unterstützen und ihnen die Möglichkeit bieten in
der Öffentlichkeit zu stehen wichtig.
Die zweite Etappe ist die der Nominierung durch eine Partei. In jedem Fall wird die
Kandidatin oder der Kandidat von der Partei aufgestellt der oder die am meisten Chancen
hat gewählt zu werden, dass heisst in ihrem Wahlkreis am bekanntesten ist. Dieses
Auswahlkriterium trifft die Frauen besonders, da die Machtpositionen in den meisten Parteien
in der Hand von Männern sind. Ob die Verantwortlichen für die Listengestaltung die Präsenz
von Frauen auf der Wahlliste als hilfreich für den Stimmengewinn betrachten, hängt von
verschiedenen Gegebenheiten ab wie das Wahlsystem, der politischen Kultur des Landes im
Allgemeinen. Die Existenz von formellen parteiinternen Regeln spielt in dieser Etappe eine
wichtige Rolle. Formelle Regeln gelten als frauenfreundlicher als informelle Regeln da sie
angefochten werden können und nicht von internen Machtkämpfen abhängen. Aber auch die
Einführung von Quoten welche den Frauen eine bestimmte Anzahl Plätze auf den Listen
sichern, kann in diesem Moment zur Erhöhung des Frauenanteils beitragen.
Die letzte Hürde um ins Parlament zu gelangen, ist die Wahl selber. Wie Studien zeigen,
wählen Wählerinnen und Wähler in einem Proporzwahlsystem eher für eine Partei als für
individuelle Kandidaten. Es ist schwer vorstellbar, dass eine grosse Anzahl von Wählerinnen
und Wähler gegen die Präsenz von Frauen auf den Wahllisten ist. Dass spricht wiederum
dafür, dass Parteien Frauen auf ihre Wahllisten stellen.
Zusammenfassend kann gesagt werden: Sollen mehr Frauen gewählt werden, müssen nicht
nur Frauen überzeugt werden zu kandidieren, die politische Elite muss dazu gebracht
werden, genügend Frauen aufzustellen und diese auf gute Listenplätze zu setzen. Zudem
müssen die Wählerinnen und Wähler davon überzeugt werden, Frauen zu wählen.
Zusätzlich zu den institutionellen und systemischen Gründen für die Unterrepräsentation von
Frauen (Wahlsystem, parteiinterne Regeln zur Auswahl der Kandidaten und die
Listengestaltung) die ich bereits erwähnt habe, können drei weitere gesellschaftlich bedingte
Gründe der Unterrepräsentation der Frauen genannt werden:
1.
2.
3.
Das Bild des idealen Politikers ist traditionell männlich geprägt und typisch
weibliche Eigenschaften gelten in der Ausübung politischer Macht als weniger wichtig
als typisch männliche. So ist Autorität, eine in der Politik wichtige Eigenschaft männlich
konnotiert. Hinzu kommt, dass Macht generell mit der Ausübung von männlicher Kraft
assoziiert wird. Diese Verbindung kann gut am Beispiel der früheren Koppelung des
Stimmrechts an die Wehrpflichtigkeit aufgezeigt werden.
Die tatsächliche Rollenverteilung der Geschlechter (Die Doppelbelastung von denen
viele Frauen betroffen sind, lässt nur wenig oder keine Zeit für eine dritte Aktivität wie
die Politik. (Grund warum es schwierig ist Kandidatinnen zu rekrutieren)).
Der traditionell männliche Charakter und Kultur der Politik. Bis 1971 haben Männer
unter sich Politik gemacht. Die Regeln, die Praxis, die Kultur, die Sprache wurden von
und für Männer aufgebaut und institutionalisiert. Ein Beispiel aus der Sprache macht
dies deutlich, Ausdrücke wie „Wahlkampf“ oder „Fernsehduelle“ gehören zum typischen
politischen Vokabular.
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Wo lag das Problem bei den Grossratwahlen?
Thesen
1.
Der Rückgang des Frauenanteils kann sicher teilweise mit dem Faktum erklärt werden,
dass bei den rotgrünen Parteien mehr Frauen gewählt werden als bei den bürgerlichen
und rechten Parteien – und dass bei diesen Wahlen Rotgrün verloren und die
Bürgerlichen stark gewonnen haben (Seitz 2010:2).
2.
Stärkere Einbindung in und Ansprüche der Arbeitswelt mit zusätzlicher Familientätigkeit
(was vor allem Frauen trifft).
3.
Stärkung des Bildes des idealen Politikers als männlich durch die Wirtschaftskrise, aber
auch durch die Medien vermittelt.
4.
Parteien bemühen sich nicht mehr aktiv um die Rekrutierung und Wahl von Frauen.
Nachdem der Frauenanteil nach den letzten Wahlen über 30% lag, ruhten sich die
Parteien aus und sahen keine Notwendigkeit mehr Frauen zu fördern.
Die Gründe für den Rückgang des Frauenanteils ist ein Zusammenspiel von verschiedenen
Faktoren. Um diese genauer zu bestimmen sind weitere qualitative Untersuchungen nötig,
die sich intensiver mit den Nominierungsstrategien der Parteien auseinandersetzen und die
verschiedenen Wahlkreise genauer unter die Lupe nehmen.
Maßnahmen
Schauen wir die Frauenvertretung in den verschiedenen Parteien des Grossen Rates an,
wird schnell klar, dass die Linken Parteien, mit Ausnahme der SP, die seit 2002 eine
Rückgang zu verzeichnen hat, die Parität fast oder ganz erreicht haben und dass aber im
bürgerlichen Lager der Frauenanteil weit tiefer liegt. Somit ist klar, dass Fortschritte im
Frauenanteil in der Politik in erster Linie von den bürgerlichen und den rechten Parteien
abhängt.
Um den Frauenanteil anzuheben, müssen die Parteien Frauen rekrutieren und sie auf gute
Listenplätze setzen. Dies muss in erster Linie von den bürgerlichen Parteien wie BDP, SVP
und FDP getan werden. Die SP, aber auch die bürgerlichen und rechten Parteien müssen
sich bei den Wählenden darum bemühen, ihre Frauen zu wählen. Beides kann durch eine
geschickte Listengestaltung und/oder durch die Einführung einer Frauenquote auf den Listen
gefördert werden. Im Wahlkampf müssen Frauen von ihrer Partei aktiv unterstützt werden
zum Beispiel durch Wahltrainings. Die Parteien müssen klare Regeln zur Auswahl von
Kandidatinnen und Kandidaten aufstellen und anwenden. Dies gibt Frauen die Möglichkeit
Strategien zur Erhöhung ihrer Präsenz im Parlament zu entwickeln.
Begleitende Maßnahmen wie Informationskampagnen, konkrete Aktionen vor den Wahlen
können die Wählerschaft auf die Unterrepräsentation der Frauen in der Politik sensibilisieren.
Damit der Frauenanteil weiter steigt, müssen aber nicht nur die Rollenteilung zwischen den
Geschlechtern gerechter verteilt werden, die Vorstellungen über Geschlechterrollen in der
Gesellschaft müssen sich ebenfalls ändern. Dies kann aber nur geschehen, wenn die Politik
nicht mehr nur von Männern dominiert wird, sondern auch von Frauen regiert wird. Vielleicht
setzt ja die neue Frauenmehrheit im Bundesrat ein Zeichen und trägt dazu bei, dass die
Politik nicht mehr nur als Männerdomäne wahrgenommen wird
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