Inhaltsverzeichnis - Universität Zürich

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Physik für Studierende der Biologie und Chemie
Universität Zürich, HS 2009, U. Straumann
Version 21. Februar 2010
Inhaltsverzeichnis
5.3
5.3
5.3.1
Stationäre elektrische Ströme . . . . . . . . . . . . .
5.3.1 Bewegte Ladungen – Ströme . . . . . . . . . . . .
5.3.2 Stromstärke und Stromdichte . . . . . . . . . . . .
5.3.3 Leitfähigkeit, Widerstand, Joule’sche Wärme . . .
5.3.4 Spannungsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3.5 Die Kirchhoff’schen Regeln . . . . . . . . . . . . .
5.3.6 Leitungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3.6.1 Metallische Leiter . . . . . . . . . . . . .
5.3.6.2 Halbleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3.6.3 Gase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3.6.4 Ionenleitung in Flüssigkeiten: Elektrolyte
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5.1
5.1
5.2
5.3
5.4
5.6
5.9
5.9
5.9
5.10
5.10
Stationäre elektrische Ströme
Bewegte Ladungen – Ströme
In elektrischen Feldern wirken auf freie Ladungen Kräfte, die zu einer Bewegung dieser Ladungen
führen. Bewegte Ladungen nennt man elektrische Ströme. Findet der Ladungstransport in einem
Körper drin statt, spricht man von Leitung.
Es gibt verschiedene Arten von Leitungsmechanismen, ein Teil davon wird in der Vorlesung
demonstriert. Zwei Beispiele:
• metallische Leitung: In Metallen ist ein Teil der Elektronen relativ frei beweglich. Ihre
thermischen Geschwindigkeiten bei Raumtemperatur betragen in der Grössenordnung 105
m/s. Da diese Bewegung in alle Richtungen ungeordnet ist, stellt diese Bewegung kein makroskopischer Strom dar. Legt man jedoch ein elektrisches Feld an, so bekommt man eine
mittlere Driftbewegung in die Richtung des Feldes. Dies entspricht einem Strom. Typische
Driftgeschwindigkeiten liegen allerdings nur im Bereich 10−3 m/s. Die Driftgeschwindigkeit wird begrenzt durch Energieübertragung der Elektronen auf die Gitteratome durch
regelmässige Stösse.
• Ionenleitung in Flüssigkeiten: Falls in einer Flüssigkeit oder in einem Gas Ionen vorhanden sind, wie zum Beispiel in einer Salzlösung, leitet die Flüssigkeit, indem positive und
negative Ionen sich je in umgekehrter Richtung bewegen. (Ionen entstehen z.B. auch in
einer Flamme, oder durch Stösse mit schnellen, geladenen Teilchen).
5.1
5.3.2
Stromstärke und Stromdichte
Um ein quantitatives Verständnis für Ströme
zu gewinnen, betrachten wir ein Leiterstück,
an das zwischen den Punkten 1 und 2 eine
Spannung V angelegt ist. Durch die Spannung erzeugen wir im Innern ein elektrisches
~ für das gilt
Feld E,
E
Fc+
1
q
+
2
_
Fc _
Fläche A
Z 2
+
_
V
~ · d~r = V .
E
1
~ Daher setzen sich diejenigen
Auf die Ladungen q± wirkt die Coulomb-Kraft F~C± = ±q± E.
Ladungsträger, welche im Leiterinnern beweglich sind, in Bewegung. Es fliesst ein Strom. Die
Stromstärke I wird definiert als die Anzahl Ladungen, welche pro Zeiteinheit durch den Leiterquerschnitt A fliesst:
dQ
I=
.
dt
Die Einheit des elektrischen Stroms, Ampère (A), ist eine Basiseinheit unseres Masssystems.
Tabelle 5.1 listet einige typische Grössenordnungen für Ströme.
Photozelle
Transistor
Spürbar
Tödlich
Fernseher, Handbohrmaschine
Lokomotive
Aluminium-Elektrolyse
10−6
10−3
10−2
> 10−1
1
103
105
A
A
A
A
A
A
A
1 µA
1 mA
10 mA
100 mA
Tabelle 5.1: Typische Grössenordnungen für elektrische Ströme.
1 kA
100 kA
Der Strom, der durch die Fläche A fliesst, hängt ab von der Anzahl der pro Volumenelement
vorhandenen freien Ladungsträger n [m−3 ] und deren Ladung q [As], d. h. von der Ladungsdichte
ρ (= nq) [As m−3 ].
dr+
v+
dA
Damit eine Ladung (q+ positiv für den Moment), die sich unter dem
q+ Einfluss der Coulomb-Kraft mit der Geschwindigkeit v+ bewegt, im
Zeitintervall dt durch die Fläche dA hindurchtreten kann, darf ihr
Abstand von der Fläche dA nicht grösser sein als dr+ = v+ dt.
E
Ist sie weiter weg, so erreicht sie die Fläche dA im Zeitintervall dt nicht mehr, oder anders
ausgedrückt, alle Ladungen q+ im Volumen dV+vol (= dA dr+ ) treten in dt durch dA hindurch:
dQ+ = ρ+ dV+vol = ρ+ v+ dtdA
⇒
5.2
I+ =
dQ+
= ρ+ v+ dA .
dt
Die Grösse ρ+ v+ bezeichnet man auch als Stromdichte j+ [A/m2 ]. Berücksichtigen wir noch die
negativen Ladungsträger, so gilt
dQ
dQ+ dQ−
=
+
= (ρ+ v+ + ρ− v− )dA = (j+ + j− )dA
dt
dt
dt
Da sich für die negativen Ladungsträger sowohl das Vorzeichen der Ladungsdichte als auch das
Vorzeichen der Geschwindigkeit im Vergleich zu den positiven Ladungsträgern ändert, ergeben
beide Ladungsträger einen gleichgerichteten Beitrag zum Strom und zur Stromdichte:
ρ− = −n− Z− e ,
ρ+ = n+ Z+ e , ~v+ k −~v−
Zusammengefasst gilt also für alle Ladungsträger:
j =n·Z ·e·v
wenn wir sowohl in e also auch in v das entsprechende Vorzeichen richtig einsetzen.
Wir haben hier nur eine eindimensionale Stromverteilung betrachtet. Die Geschwindigkeiten,
die Vektorgrössen sind, konnten daher durch ihre Beträge ersetzt werden. Wenn man diese
Einschränkung fallen lässt, kann man die gefundenen Formeln beibehalten, wenn man die zur
Oberfläche senkrechte Komponente der Geschwindigkeit verwendet:
dQ
~ = ~j · dA
~,
= ρvn dA = jn dA = ρ~v · dA
dt
~ ≡ n̂dA , n̂ ⊥ dA , |~n| = 1 .
dA
Den gesamten Strom erhalten wir dann durch die Integration über die gesamte Querschnittsfläche A:
Z
Z
Z
Z
~=
~
jn dA = ρ vn dA = ρ ~v · dA
I = ~j · dA
A
5.3.3
A
A
A
Leitfähigkeit, Widerstand, Joule’sche Wärme
~
Es wäre zu erwarten, dass bewegliche Ladungen im E-Feld
eine beschleunigte Bewegung ausführen,
~ Tatsächlich zeigt aber das
da nach dem zweiten Newton’schen Prinzip gilt: m~a = F~ = ZeE.
Experiment, dass in Leitern, jedoch nicht im Vakuum, die Stromdichte ~j = ρ~v , d. h. die Ge~ ist. Es gilt
schwindigkeit ~v proportional zu E
~
~j = σL E
Ohm0 sches Gesetz in differentieller Form
Die materialabhängige Grösse σL heisst elektrische Leitfähigkeit. Der Grund für diese Proportionalität liegt darin, dass die Ladungen zwar im Feld beschleunigt werden, aber durch Zusammenstösse mit den Gitteratomen immer wieder Energie und Impuls verlieren. Die Geschwindigkeit der einzelnen Ladungen ist stark veränderlich. Nur über die Zeit und über alle Ladungen
gemittelt hat die sogenannte Driftgeschwindigkeit einen konstanten Wert. Aus diesem Ohm’schen
Gesetz und der Driftgeschwindigkeit im vorhergehenden Kapitel ~j = ρ~v ergibt sich:
~v =
~
σE
ρ
5.3
Dies bedeutet, dass im Mittel die Ladungsträger im Feld keine Energie gewinnen. Die Arbeit,
die das Feld leistet, geht wegen der Stösse in ungeordnete kinetische Energie des Leiters, d. h.
in Wärme über, die sogenannte Joule’sche Wärme.
Fliesst eine Ladung dQ von 1 nach 2, so ist die vom Feld, bzw. der Spannungsquelle geleistete
Arbeit gegeben durch
Z 2
~ · d~r = dQ V .
E
dW1→2 = dQ
1
Für die Leistung (Joule’sche Wärme pro Zeiteinheit) ergibt sich dann
P =
dW
dQ
=
V = IV .
dt
dt
Um einen Stroms I aufrecht zu erhalten ist somit eine Spannung V erforderlich und die Spannungsquelle muss Energie liefern.
Wir denken uns nun wieder einen rechteckigen Leiter der Länge l und Querschnitt A, an dem
eine Potentialdifferenz V anliegt. Mit dem Ohm’schen Gesetz wird der Gesamtstrom durch den
Leiter
V
I = jA = σL EA = σL A
l
Wir definieren daher als Widerstand R eines Leiters
R :=
V
l
=
I
σL A
[R] = Ohm = Ω =
V
.
A
Der Widerstand eines Leiters hängt von der Geometrie und vom Material des Leiters ab, meistens
aber auch vom Strom I. Die im Widerstand R pro Zeiteinheit erzeugte Joule’sche Wärme kann
auch geschrieben werden als
V2
P = IV = I 2 R =
.
R
Für Metalle bei konstanter Temperatur gilt R =konst., d. h. der Widerstand ist unabhängig von
der Stromstärke. Für diesen Spezialfall gilt dann dann das Ohm’sche Gesetz
V = RI
5.3.4
mit
R = konst.
Spannungsquellen
In diesem Abschnitt werden zunächst einige gängige Methoden behandelt, Spannungsquellen
zu konstruieren, die einen Strom in einem Stromkreis aufrechterhalten können. Unter einem
Stromkreis versteht man eine Anzahl miteinander verbundener elektrischer Elemente, in denen
bei bestimmter Spannung ein definierter Strom fliesst. Eine Liste solcher Elemente zusammenzustellen und ein paar allgemein gültige Regeln für die quantitative Untersuchung von Stromkreisen
aufzustellen ist ein weiteres Ziel dieses Abschnittes.
Spannungsquellen: Wenn man einen Kondensator auflädt, und ihn dann über einen Widerstand R kurzschliesst, fliesst ein Strom, und zwar solange, bis der Kondensator entladen ist. Ein
5.4
geladener Kondensator ist daher keine geeignete Spannungsquelle, weil ihm ein Mechanismus
fehlt, der ihn wieder auflädt.
Grundsätzlich besteht eine brauchbare Spannungsquelle aus einem System, das es erlaubt, durch
Zuführen von Energie eine Ladungstrennung vorzunehmen.
In einer Batterie wird chemische Energie in elektrische Energie umgewandelt. Wenn an diese
Batterie ein Leiter angeschlossen wird, muss diese dafür sorgen, dass am einen Ende des Leiters
(1) ebensoviel Ladung hinein wie beim anderen Ende (2) herausfliesst. Spannungsquelle und
Leiter bilden zusammen einen Stromkreis. In der Batterie wandern Ladungen von der an (2)
angeschlossenen Klemme zur an (1) angeschlossenen zurück. Es wird dabei gerade die elektrische
Leistung
dQ
dQ
(V1 − V2 ) ≡
V = IV
dt
dt
aufgebracht, welche im Leiter in Joule’sche Wärme umgewandelt wird.
Die zwischen den Klemmen der Batterie mit einem elektrostatischen Voltmeter (Widerstand extrem gross) gemessene Spannung V hängt davon
ab, ob ein Leiter (Verbraucher) angeschlossen ist
oder nicht. Die gemessene Spannung nimmt (bei
einem metallischem Leiter mit konstantem Widerstand) mit zunehmendem Strom linear ab.
Bei einem maximalen Strom Imax bricht die Spannung vollständig zusammen: V = 0. Man nennt Imax den Kurzschlussstrom. Es ergibt sich also
I
V
Ra
V
V≠V0
V=V0
V (I)
Ohne Last
V0
Kurzschluss
v = V0 − Iα ,
wobei der Koeffizient α die Dimension eines Widerstands
hat. Man bezeichnet ihn daher auch als inneren Widerstand
Ri der Spannungsquelle:
V = V0 − IRi , mit Imax =
V0
Ri
I=0
V=0
I
Ri
Um das Verhalten einer Spannungsquelle zu charakterisieren
brauchen wir also zwei Grössen, die Klemmenspannung ohne
äussere Last V0 , und den inneren Widerstand Ri .
+
_
V0
Em
Im Innern einer Spannungsquelle muss Ladung gegen die Spannung V0 transportiert (getrennt)
werden. Die dazu erforderliche Energie kann aus der Umgebung aufgenommen werden (z. B. Photozellen) oder in der Spannungsquelle gespeichert sein (z. B. Akkumulatoren, galvanische Elemente). In Photozellen wird die Energie der elektromagnetischen Strahlung (z. B. im sichtbaren
Bereich von der Sonnen, siehe Abschnitt 3.2.2.2) in elektrische Energie umgewandelt. In Akkumulatoren wird chemische Energie in elektrische Energie umgewandelt. Auch bei galvanischen
Elementen beruht die Ladungstrennung auf einem elektrochemischen Effekt. Sie besteht darin,
5.5
dass aus einem Metallstück in einer Flüssigkeit positive Metallionen in Lösung gehen (Elektrolyt). Da die entstehende Spannung, das sogenannte elektrolytische Potential, für verschiedene
Metalle verschieden gross ist, erhält man zwischen zwei verschiedenen, in eine Flüssigkeit eingetauchten Metallelektroden eine Spannungsdifferenz.
Thermospannungen treten auf, wenn man zwei verschiedene Metalle miteinander in Berührung
bringt. An der Kontaktfläche tritt ein elektrischer Potentialsprung, die sogenannte Kontaktspannung VK , auf.
Schliessen wir die beiden Leiter zu einem Kreis, so fliesst
kein Strom, da die Kontaktspannungen an den beiden
Berührungsstellen entgegengesetzt gleich sind:
VTH
Kupfer
Cu
Konstantan
Cu+Ni
VK1 + VK2 = 0 .
Da die Kontaktspannung jedoch temperaturabhängig ist
(VK = VK (T )), messen wir im geschlossenen Kreis dann
eine Nettospannung (Thermospannung, Seebeck-Effekt)
VT H = VK1 (T1 ) + VK2 (T2 ) ,
T1
T2
wenn die Kontaktstellen auf verschiedenen Temperaturen
T1 und T2 gehalten werden.
Es fliesst ein Strom I = VT H /R. Die Spannung VT H ist proportional zu T1 − T2 ,
VT H = α(T1 − T2 ) .
Bei dem im biologischen Bereich häufig verwendeten Metallpaar Kupfer–Konstantan (60% Cu,
40% Ni) findet man α = 50µV/K. Ist T2 bekannt, so dient die Messung von VT H zur Bestimmung von T1 (Thermoelement). Die Ladungstrennung geschieht hier an den Kontaktflächen. Die
Energie, welche zum Aufrechterhalten des Stroms nötig ist, wird von der Wärmequelle geliefert,
welche die Temperaturdifferenz erzeugt. Sie kann z. B. von der Sonne stammen, wenn auf eine
der Kontaktstellen Sonnenlicht einfällt. Ist keine solche Wärmequelle vorhanden, so kann der
Strom nicht unbegrenzte Zeit fliessen (Energieerhaltung !), d. h. die Thermospannung, bzw. die
Temperaturdifferenz muss verschwinden. Dies bedeutet, dass sich, infolge des fliessenden Stroms,
die wärmere Kontaktstelle (T1 ) abkühlt, die kältere (T2 ) erwärmt. Sorgen wir mit einer äusseren
Spannungsquelle Ema dafür, dass der Strom weiter fliesst, so geht dieser Vorgang weiter, T1
nimmt ab, T2 zu, bis im stationären Zustand (I = 0)
Ema = α(T2 − T1 ) .
Die Kontaktstelle T1 wird so gekühlt (Peltier-Element).
5.3.5
Die Kirchhoff ’schen Regeln
Spannungsquellen und Widerstände können zu einfachen Stromkreisen oder Netzwerken zusammengeschaltet werden. Die Ströme und Spannungen für die einzelnen Widerstände, lassen sich
mit Hilfe der Kirchhoff ’schen Regeln berechnen.
5.6
Die sogenannte Knotenregel, die auf der Ladunsgerhaltung beruht,
besagt, dass an einer Verzweigungsstelle eines Netzwerks, wo n Leiter zusammentreffen, die Summe der zufliessenden Ströme gleich
der Summe der wegfliessenden ist:
n
X
I1
I2
I3
Ik = 0 .
I4
k=1
Die zufliessenden Ströme sind positiv, die wegfliessenden negativ zu zählen.
V1
Ri,1
Em,1
Ra,n-1 Ra,n
_
_
+
Ra,j+2
Em,l
+
Ri,e
Ra,1
Em,2 V2
+
_
+
I
Ri,i
Abbildung 5.1: Eine einfache Masche zur Illustration
der Maschenregel.
Ri,2
Ra,j+1
Em,i
_
Ra,j
Ra,4 Ra,3 Ra,2
Va,j
Va,3
Für einen einfachen Stromkreis (Masche) ist die Summe aller Spannungsquellen Em , versehen
mit dem richtigen Vorzeichen, gleich der Summe aller Spannungsabfälle über die angeschlossenen
Verbraucher. Angewendet auf die in Abbildung 5.1 gezeichnete Masche mit ` Spannungsquellen
und n Belastungswiderständen ergibt dies
`
X
Vj =
j=1
`
X
(Em,j − IRi,j ) =
j=1
n
X
Va,k = I
k=1
n
X
Ra,k .
k=1
Dabei ist Vj die Klemmen-Spannung der j−ten Quelle, Va,k der Spannungssabfall am k−ten
äusseren Widerstand. Man kann die Unterscheidung zwischen äusseren und inneren Widerständen
auch fallen lassen und für die Maschenregel schreiben
`
X
j=1

Em,j = I 
`
X
j=1
Ri,j +
n
X
k=1

Ra,k  = I
`+n
X
Rm
m=1
Wenn die Widerstände gegeben und konstant sind, liefern die Kirchhoffschen Regeln für ein
Netzwerk soviele lineare Gleichungen, wie Unbekannte zu bestimmen sind. Ein Beispiel ist in
Abbildung 5.2 gegeben.
Im folgenden werden wir neben Widerständen noch andere Schaltelemente kennen lernen, z.
B. Kondensatoren und Spulen. Für Stromkreise, die solche enthalten, gelten die Kirchhoffschen
5.7
Ri
V0
Abbildung 5.2: Ein einfaches Netzwerk als Beispiel für
die Anwendung der Kirchhoff’schen Regeln. Der innere Widerstand der Spannungsquelle wird als vernachlässigt. Es ergibt sich:
R1
1
Masche 1 : V0 = I1 R1 + I2 R2
I1
+
_
Em,o
I2
Masche 2 : 0 = I3 R3 − I2 R2
I3
Knoten : I1 − I2 − I3 = 0
R2
2
R3
R3 R2
R1 +
R2 + R3
⇒ I1 = V0
⇒ I2 =
R3
I1 ,
R2 + R3
I3 =
−1
R2
I1
R2 + R3
Regeln ebenfalls. Dabei wird zu beachten sein, dass an Kondensatoren C Spannungsabfälle VC
auftreten, an Spulen jedoch induzierte elektromotorische Kräfte Em,L . Zwei häufige Anwendungen der Kirchhoff’schen Regeln betreffen die Serie- und die Parallelschaltung von Widerständen,
die in Abbildung 5.3 illustriert sind.
R1
V
I
R
I
I
R2
Spannungsquelle
Kreis A
Kreis B
R1
R2
I1
I2
Kreis C
V = IR , I = V
R
V ⇒ R =R +R
Kreis B :
V = IR1 + IR2 = IRS , I = R
1
2
S
S
V
1
1
1
Kreis C : V = I1 R1 = I2 R2 , I = I1 + I2 , I = R = V R + R
⇒ R = R1 + R1
1
2
1
2
k
k
Kreis A :
Abbildung 5.3: Parallel (Kreis C) und in Serie (Kreis B) geschaltete Widerstände können durch
einen effektiven Gesamtwiderstand ersetzt werden (Kreis A).
n parallel geschaltete Widerstände Rk können durch einen effektiven Einzelwiderstand Rk ersetzt
werden, für den gilt
n
X
n
X
V
n
X
1
V
I=
Ik =
=V
=
⇒ Rk =
R
R
R
k
k=1
k=1 k
k=1 k
n
X
1
k=1
Rk
!−1
.
Der Kehrwert des effektiven Widerstands Rk ist gleich der Summe der Kehrwerte der Einzelwiderstände Rk .
5.8
n in Serie geschaltete Widerstände Rk können durch einen effektiven Einzelwiderstand RS ersetzt
werden, für den gilt
V = IRS = I
n
X
Rk ⇒ RS =
k=1
n
X
Rk .
k=1
In Serie geschaltete Widerstände können addiert werden.
5.3.6
5.3.6.1
Leitungsmechanismen
Metallische Leiter
In metallischen Leitern sind die Ladungsträger Elektronen, welche sich im Gitter der Metallionen
~
entgegengesetzt zur Richtung des E-Feldes
bewegen. Die Anzahl der bewegten, freien Elektronen
pro Atom und ihre Beweglichkeit hängen vom Material ab und bestimmen dessen Leitfähigkeit
σL . Der Leiter ist ist insgesamt ungeladen, d. h. er enthält ebensoviele positive Ionenladungen
wie Leitungselektronen. Diese sind jedoch an die Gitterionen gebunden und tragen nicht zum
Strom bei.
Der Widerstand, welcher durch die Wechselwirkung der Elektronen mit den Gitterionen zustande
kommt, hängt von der Temperatur ab, und zwar ist er über grosse Bereiche proportional zur
absoluten Temperatur, R ∝ T (positiver Temperaturkoeffizient, PTC). Wie im Hörsaal gezeigt,
nimmt demnach der Strom bei Abkühlung zu, und bei Erwärmung ab. Bei Raumtemperatur
liegt die Leitfähigkeit in der Grössenordnung 108 (Ωm)−1 .
Viele Metalle zeigen für T ≤ Tk Supraleitung. Der spezifische Widerstand ist im supraleitenden
Zustand exakt Null. Die sogenannte Sprungtemperatur Tk beträgt 7.2 K für Blei, 3.7 K für
weisses Zinn, 9.2 K für Niob. Eine häufig verwendete Legierung für supraleitende Kabel ist
Nb3 Sn mit Tk ≈ 18 K. Bis 1987 war dies die höchste Sprungtemperatur. 1987 entdeckten dann
die beiden, dafür mit dem Nobel-Preis ausgezeichneten Zürcher Physiker Karl Alexander Müller
und Klaus Bednorz eine Klasse von Substanzen (Perovskite, Cuprate), wie z. B. YBa2 Cu3 O7 ,
mit höheren Sprungtemperaturen von bis zu 100 K, d. h. oberhalb der Verflüssigungstemperatur
von Stickstoff, einem viel und preisgünstig verwendeten Kühlmittel bei tiefen Temperaturen.
5.3.6.2
Halbleiter
Germanium und Silizium haben typisch spezifische Widerstände (=1/Leitfähigkeit)in der Grössenordnung 10−4 bis 107 Ωm. Diese Werte liegen zwischen denjenigen für typische Metalle
(≈ 10−8 Ωm) und Isolatoren (1012 − 1020 Ωm). In einem Halbleiter sind nur wenige, aber gut
bewegliche Ladungsträger vorhanden. Ihre Zahl steigt mit zunehmender Temperatur stark an.
Der spezifische Widerstand sinkt mit steigender Temperatur. Im Grenzfall T → 0 werden die
Halbleiter zu Isolatoren. Sie haben einen negativen Temperaturkoeffizienten (NTC = negative
temperature coefficient). Man verwendet NTC-Widerstände auch direkt zur Temperaturmessung.
5.9
5.3.6.3
Gase
Gase sind normalerweise sehr gute Isolatoren. Werden aber Ladungsträger produziert, was durch
Photoionisation oder durch radioaktive Strahlung erreicht werden kann, so wird Strom geleitet.
Bei genügend hohen Feldstärken kommt es zur Ionisation durch Stösse und damit zur Ladungsvervielfachung. Der Strom wird “gezündet”. (z.B. Glimmlampe).
Hochenergetische Teilchen aus radioaktiven Zerfällen, aus Röntgenröhren wie auch aus Teilchenbeschleunigern, haben eine stark ionisierende Wirkung und führen zur Produktion von freien
Ladungsträgern in neutraler Materie. Diese können in einem elektrischen Feld beschleunigt werden, was zu einem Strompuls führt, der elektronisch nachgewiesen werden kann. Als Detektormaterialien werden Gase (Geiger-Müller-Zähler, Ionisationskammer) und feste Körper (Szintillationskristalle, Halbleiterdetektoren) benützt. Abbildung 5.4 zeigt schematisch den Aufbau eines
Geiger-Müller-Zählers.
Verstärker
Elektronik
Metallrohr
E
_
_ +
+
+
_
~1000V
5.3.6.4
Metalldraht
Abbildung 5.4: Aufbau eines GeigerMüller-Zählers.
Isolator
Zählergas
eintretende (Argon,Methan,...)
Strahlung
Ionenleitung in Flüssigkeiten: Elektrolyte
Unter Elektrolyten versteht man wässerige Lösungen von Salzen. Die Ladungsträger sind positive
und/oder negative Ionen. Das Verständnis ihres Verhaltens ist wichtig für biologische Systeme.
Betrachten wir zunächst ein einzelnes Ion in einem Elektrolyt unter dem Einfluss des elektrischen
~ und die viskose ReibungsFeldes. Auf das Ion der Ladung Ze wirkt die Coulombkraft F~C = ZeE,
~
kraft R = −β~v = −6πηr~v . η ist die für die Flüssigkeit charakteristische Viskositätskonstante.
Wir haben hier die gleiche Situation, wie wir sie beim Anfahren eines Schiffes oder beim sinken
einer Kugel in einem viskosen Medium angetroffen haben, eine konstante Antriebskraft (hier die
Coulomb-Kraft, für das Schiff geliefert durch die Schraube, für die Kugel durch die Schwerkraft)
und eine zur Geschwindigkeit proportionale Reibungskraft. Für den Geschwindigkeitsverlauf erhielten wir in unseren früheren Beispielen und auch jetzt nach einem exponentiellen Anstieg eine
konstante Grenzgeschwindigkeit v∞ = F/β. Angewendet auf unseren Fall ergibt dies
v∞ =
ZeE
6πηr
Die Leitfähigkeit eines Elektrolyten lässt sich, wenn die Geschwindigkeit bekannt ist, berechnen:
E
n+
n−
(Z+ e)2
+ (Z− e)2
6πη
r+
r−
Stromdichte : j = σL E = q+ n+ v+ + q− n− v− =
Hier stehen n± für die Ionenkonzentration, Z± für die Ionenladung, und r± für den Ionenradius.
Die Gesamtladung ist Null (0 = Z+ e+ n+ − Z− e− n− ), z. B. Kochsalz (NaCl, Z− = Z+ =
5.10
1, n− = n+ ) und CaCl2 (Z+ = 2, Z− = 1, n− = 2n+ ). Für einwertige Salze, Säuren und Basen
mit Z± = 1 und n± = C (Konzentration), gilt dann
1
1
e2
+
σL = C
6πη r+ r−
Konzentration
Die Leitfähigkeit eines Elektrolyten hängt also ab vom Ionenradius, von der Ionenladung und
der Viskosität. Wenn die Temperatur konstant ist, ist auch die Viskosität konstant, d. h. auch
die Leitfähigkeit. Die Temperaturabhängigkeit lässt sich aus der sogenannten Einstein-Stokes
Beziehung ermitteln: β = kT /D, wobei k die Boltzmann-Konstante und D die Diffusionskonstante sind. Die Diffusionskonstante (siehe auch nächster Abschnitt) charakterisiert die Diffusionsgeschwindigkeit der Salzionen in der Lösung ohne äusseres Feld. Mit β = 6πηr folgt
η = (kT )/(6πrD). Da die Diffusion mit T 3/2 bei konstantem Druck zunimmt, nimmt η mit
T −1/2 ab. Honig wird bei Erwärmen flüssiger, das weiss jede/r Hausfrau/mann. Daher gilt
σL ∝ 1/η ∝ T 1/2 . Die Leitfähigkeit nimmt also mit steigender Temperatur zu, die Ionen werden
beweglicher.
Serum
Albumin
β Globuline
Fibrinogen
α Globuline
γ Globuline
Abbildung 5.5: Verteilung der
Moleküle von menschlichem
Blutplasma in einer Elektrophorese-Zelle. Immunoglobuline
bieten z. B. Schutz gegen viruelle
und bakterielle Infektionen.
Immunoglobuline
Distanz entlang der Elektrophorese-Zelle
Die Tatsache, dass die Driftgeschwindigkeit in wässerigen Lösungen vom Ionenradius und der Ionenladung abhängt, wird in der biomedizinischen Technik für die Elektrophorese genützt, wobei
unter Ionen auch andere kleine, in Wasser suspendierte Teilchen, wie Zellbakterien, Viren oder
Proteinmoleküle verstehen kann. Als Beispiel zeigt Abbildung 5.5 die Konzentrationsverteilung
in einer Elektrophoresezelle für Plasmaproteine im Blutplasma. Die unterschiedliche Wanderungsgeschwindigkeit wird zur Trennung der Anteile benutzt.
5.11
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