2. Abschnitt: Phil. Ethiktheorien und ihre Begründung

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Grundlagen einer
Ethik Sozialer Arbeit
2. Abschnitt
Philosophische Ethiktheorien und ihre
Begründung als Referenzrahmen für eine
Professionsethik Sozialer Berufe
Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl
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2. Philosophische Ethiktheorien und ihre Begründung als
Referenzrahmen für eine Professionsethik Sozialer Berufe
(1) Einleitung: Steuerschuld und Bettlerfürsorge
- zwei Fallbeispiele
(2) Elementare Unterscheidungen einer ethischen Theoriebildung
(3) Alltagsweltliche Erläuterungen versus argumentative Begründungen
(4) Zwischenbetrachtung:
Zur Entwicklung des moralischen Bewusstseins
(5) Fünf Typen formal-universalistischer Ethiken
Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl
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2.1. Einleitung: Steuerschuld und Bettlerfürsorge
- zwei Fallbeispiele
→ diverse moralische Ansprüche der Alltagswelt
• Pflicht der gewissenhaften Begleichung von Steuerschuld
• Gebot der barmherzigen Fürsorge für einen frierenden Bettler
• usw. usw.
→ unterschiedliche Begründungsstrategien
•
•
•
•
Verweis auf Pflicht und Gehorsam
Verweis moralische Intuitionen und (Mitleids-)Gefühle
Verweis auf Angst vor Sanktionen
Verweis auf Verantwortung für das humane Zusammenleben in
Gemeinschaft und Gesellschaft
• Verweis auf Vorbildfunktionen
• usw. usw.
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2.2. Elementare Unterscheidungen einer
ethischen Theoriebildung
→ Moral
• griech.: Ethos
= (a) Ort des Wohnens; (b) für den Ort des Wohnens typische
Handlungsgewohnheiten, Gebräuche, Sitten (lat.: mores)
• typische Art und Weise, das Handeln und Verhalten auszurichten
• spezifische Sitten, Normen, Werte, Optionen, woran sich die
Lebensführung eines Menschen orientiert
→ Ethik
• Reflexion der Sitten, Theorie der Moral
• Entwicklung von Grundüberzeugungen und Prinzipien, Argumentationen
und Begründungen; Letztbegründung des Warum moralischen Sollens
→ Metaethik
• Reflexion der Ethik
• Systematisierung unterschiedlicher Ethiken
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2.2. Elementare Unterscheidungen einer
ethischen Theoriebildung
→ nonkognitive Ethik
• non-kognitiv = ‚nicht-wissbar‘
• wahrheitsfähige, allseits akzeptierbare Aussagen im Bereich von
Moralität sind unmöglich
• moralisches ‚Wissen‘ (z.B. richtige oder falsche Normen) ist
ausschließlich subjektiv
→ kognitive Ethik
• kognitiv = ‚wissbar‘
• moralische Fragen sind durch stichhaltige Begründungen entscheidbar,
die auch für andere plausibel sind
• moralisches ‚Wissen‘ ist intersubjektiv wahrheitsfähig und argumentativ
als solches ausweisbar
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2.2. Elementare Unterscheidungen einer
ethischen Theoriebildung
→ analytisch-deskriptive Ethik
• analysiert und beschreibt vorfindliche moralische Wertungen, ethische
Argumentationsmuster usw.
• verzichtet auf (die Begründung) von Sollensforderungen
(‚Präskriptionen‘)
→ normativ-präskriptive Ethik
• Ausweis solcher Normen, Prinzipien, Imperative, Tugenden usw., deren
Sollenscharakter verbindlich (‚normativ‘) zur Beachtung aufgegeben
(‚vorgeschrieben‘ = ‚präskriptiv‘) sind
• konzentriert sich auf (die Begründung) von Sollensforderungen
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2.2. Elementare Unterscheidungen einer
ethischen Theoriebildung
→ partikulare Ethik
•
•
•
•
•
beansprucht Gültigkeit nur für bestimmte (Teil-) Bereiche der Lebenswelt
kultureller Partikularismus
bereichsspezifischer Partikularismus
geschichtlicher Partikularismus
pluralistischer Partikularismus
→ universale Ethik
• beansprucht universale Gültigkeit/Allgemeingültigkeit z.B. für:
• für konkrete Normen bzw. Imperative (‚Du sollst nicht morden‘)
• für oberstes Moralprinzip, das zur Beurteilung konkreter Normen und
Handlungsweisen bildet (‚Nur solches Handeln ist legitim, dessen
Wirkungen verträglich sind mit den legitimen Bedürfnissen anderer‘)
• für sittlichen Anspruch, dem als moralisch richtig Erkannten auch in
seinem Handeln unbedingt zu folgen (‚Tue das Gute, meide das Böse‘)
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2.2. Elementare Unterscheidungen einer
ethischen Theoriebildung
→ Ethik des Guten
• Menschliche Lebensführung ist aus der Binnensicht einer handelnden
Person ausgerichtet auf ein ‚gutes Gelingen‘
• In vormoderner Zeit schien ‚gutes Gelingen‘ eindeutig und für alle
verbindlich bestimmbar (z.B. ‚Ruhe der Seele‘, ‚Glückseligkeit‘)
• ‚Gutes Gelingen‘ bemisst sich an der Verwirklichung des authentischen
Selbst
→ Maßstab für authentische Lebensführung:
„Es gibt eine bestimmte Art, Person zu sein, die meine Art ist. Ich bin
aufgerufen, mein Leben in dieser Art zu leben und nicht das Leben eines
anderen nachzuahmen.(…) Bin ich mir selbst nicht treu, so verfehle ich die
Aufgabe meines Lebens; ich verfehle das, was Humanität für mich
bedeutet.“ (Charles Taylor)
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2.2. Elementare Unterscheidungen einer
ethischen Theoriebildung
→ Universale und partikulare Ethiken im Widerstreit
• Universalismus angesichts Pluralität verschiedener Ethosformen usw.
überhaupt möglich?
• Pluralität verschiedener Ethosformen ohne universalistischen Kern
überhaupt lebbar?
→ der (versteckte) Universalitätsanspruch des Partikularismus
• Aussage, dass alle Moral und Ethik immer nur partikular sein können,
erhebt selbst Anspruch auf universale Geltung; ansonsten
selbstwidersprüchlich (Argument des performativen Selbstwiderspruchs)
• Anspruch auf Respekt vor der Vielzahl partikularer Moralen und Ethiken
ist Ausfluss des sittlichen Selbstbestimmungsrecht eines Jeden und
damit aller
= Kern eines ethischen Universalismus
• covering law versus reiterativer Universalismus (M.Walzer)
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2.2. Elementare Unterscheidungen einer
ethischen Theoriebildung
→ Goldene Regel“ in den Weltreligionen als Beispiel für einen
reiterativen Universalismus
•
•
•
•
•
•
Buddhismus
„Ein Zustand, der nicht angenehm oder erfreulich für mich ist, soll es auch nicht
für ihn sein; und ein Zustand, der nicht angenehm oder erfreulich für mich ist, wie
kann ich ihn einem anderen zumuten?“
Konfuzianismus
„Was du selbst nicht wünschst, das tue auch nicht anderen Menschen an.“
Hinduismus
„Man sollte sich gegenüber anderen nicht in einer Weise benehmen, die für einen
selbst unangenehm ist; das ist das Wesen der Moral.“
Islam
„Keiner von euch ist ein Gläubiger, solange er nicht seinem Bruder wünscht, was
er sich selber wünscht.“
Jainismus
„Gleichgültig gegenüber weltlichen Dingen sollte der Mensch wandeln und alle
Geschöpfe in der Welt handeln, wie er selbst behandelt sein möchte.“
Judentum
„Tue nicht anderen, was du nicht willst, dass sie dir tun.“
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2.2. Elementare Unterscheidungen einer
ethischen Theoriebildung
→ Ethik des Gerechten
• Sicherung des Anspruchs aller auf selbstbestimmte Lebensführung bzw.
authentische Führung ihres guten Lebens aus Gründen der gleichen
Würde aller
• Angesichts der legitimen Pluralität authentischer Lebensentwürfe ist die
Alteritätsverträglichkeit jener Bestandteile authentischer Lebensführung
zu prüfen, die Auswirkungen auf die Lebensführung anderer haben.
• Konzentration auf den Ausschluss jener Handlungen, die die
Lebensführung anderer einseitig einschränken und beschädigen
• Imperativ der Gerechtigkeit:
„Führe Dein Leben so, dass andere in ihrer eigenen selbstbestimmten
Lebensführung nicht ungebührlich eingeschränkt bzw. beschädigt
werden.“
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2.2. Elementare Unterscheidungen einer
ethischen Theoriebildung
→ materiale Ethik
• Aufweis konkreter Inhalte des guten Lebens oder des gerechten
Handelns
• Angabe von Werthierarchien, geschichtlich gewachsenen Normen usw.
→ formale Ethik
• Verzicht auf konkrete Handlungsvorschläge
• Angabe von formalen Prinzipien (‚Imperativen‘), mit deren Hilfe konkrete
Handlungsvorschläge, normen usw. auf ihre moralische Legitimität
geprüft werden können
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2.3. Alltagsweltliche Erläuterungen versus
argumentative Begründungen
→ Unterscheidung:
• alltagsweltliche Erläuterungen moralischer Handlungen
= Verweis auf zentrale Motive bzw. Intentionen meines Handelns
• argumentative Begründungen moralischer Sollensansprüche
= Plausibilisierung der Geltung von Sollensansprüche auf Nachfrage (im
Falle des Zweifels bzw. der Bestreitung) durch die Angabe von Gründen
→ Gratifikations-/Sanktionsmotiv
• Hoffnung auf Belohnung
• Angst vor Bestrafung
→ Normenkonformitätsmotiv
• (äußere) Übereinstimmung mit vorfindlichem Moralkodex (der Gruppe)
• Gewinn äußerer und inner Stabilität und Sicherheit
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2.3. Alltagsweltliche Erläuterungen versus
argumentative Begründungen
→ Motiv der Rollenerwartung
• Befriedigung der Erwartungshaltungen des Sozialverbandes
• Stabilisierung vertrauensvoller, verlässlicher Beziehungen
→ Üblichkeitsgründe
• Rückgriff auf eingeübte, gewohnte, ‚liebgewordene‘ Traditionen
• Vermittlung von Geborgenheit und Verlässlichkeit
→ Autoritätsgründe
• Verweis auf Personen, Schriften usw., die die Sollgeltung verbürgen
• Sicherheit, Geborgenheit
→ Vernunftgründe
• Verweis auf Prinzipien, die Plausibilität beanspruchen
• Gewissenhaftigkeit
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2.4. Zwischenbetrachtung: Zur Entwicklung des
moralischen Bewusstseins
→ Ansatzpunkt entwicklungspsychologischer Studien:
Das Heinz-Dilemma:
In einer fernen Stadt liegt eine Frau, die an einer besonderen Krebsart erkrankt
ist, im Steren. Es gibt eine Medizin, von der die Ärzte glauben, sie könne die
Frau retten. Es handelt sich um eine besondere Form von Radium, die ein
Apotheker in der gleichen Stadt erst kürzlich entdeckt hat. Die Herstellung war
teuer, doch der Arzt verlangt zehnmal mehr dafür, als ihn die Produktion gekostet
hat. Er hat 2000 Mark für das Radium bezahlt und verlangt 20000 Mark für eine
kleine Dosis des Medikamentes.
Heinz, der Ehemann der kranken Frau, sucht alle seine Bekannten auf, um sich
das Geld auszuleihen, und er bemüht sich auch um eine Unterstützung durch die
Behörden. Doch er bekommt nur 10000 Mark zusammen. Er erzählt dem
Apotheker, dass seine Frau im Sterben liegt, und bittet, ihm die Medizin billiger
zu verkaufen bzw. den Rest später zu bezahlen zu lassen. Doch der Apotheker
verwehrt ihm diese Möglichkeit, da er mit seiner Entdeckung viel Geld verdienen
will. Heinz hat nun alle legalen Möglichkeiten erschöpft; er ist verzweifelt und
überlegt, ob er in die Apotheke einbrechen und das Medikament für seine Frau
stehlen soll.
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2.4. Zwischenbetrachtung: Zur Entwicklung des
moralischen Bewusstseins
→ Interview-Fragen zur Ermittlung des moralischen Urteilsniveaus
1. Soll Heinz das Medikament stehlen?
1a: Warum oder warum nicht?
2. Wenn Heinz seine Frau nicht liebt, sollte er dann das Medikament für sie
stehlen?
2a: Bedeutet es einen Unterschied, ob Heinz seine Frau liebt oder nicht?
2b: Warum oder warum nicht?
3. Angenommen, die sterbende Person ist nicht seine Frau, sondern ein
Fremder; sollte Heinz das Medikament für einen Fremden stehlen?
3a: Warum oder warum nicht?
4. Angenommen, es handelt sich um ein Haustier, das Heinz liebt, sollte er
das Medikament für das Haustier stehlen, um es zu retten?
4a: Warum oder warum nicht?
5. Ist es wichtig, dass Menschen alles versuchen, um das Leben eines
anderen zu retten?
6. Es ist illegal, wenn Heinz einbricht. Wäre seine Handlung deshalb auch
moralisch verwerflich?
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2.4. Zwischenbetrachtung: Zur Entwicklung des
moralischen Bewusstseins
→ Basisannahmen der rekonstruktiven Theorie der Entwicklung des
moralischen Bewusstseins im Ansatz von L.Kohlberg:
• lerntheoretische Prämisse
Lernprozess als Äquilibrium von
Assimilation neuer Erfahrungen in vorfindliches Deutungsmuster und
Nutzung des kognitiven Überschusses zur Akkommodation (Anpassung)
des Deutungsmusters durch dessen Ausdifferenzierung und Korrektur
• entwicklungspsychologische Prämisse:
unumkehrbare und unüberspringbare Stufenfolge der
Bewusstseinsentwicklung
• moralphilosophische Prämisse:
an universalgültige formale Prinzipien orientierte Urteilsbildung als
Idealfall moralischen Bewusstseins
• epistemologische Prämisse:
Untersuchung des Bewusstseins, nicht der konkreten Handlung
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2.4. Zwischenbetrachtung: Zur Entwicklung des
moralischen Bewusstseins
Präkonventionelle
Ebene
1.Stufe urteilt nach Gesichtspunkten von Lohn und Strafe
und unter dem Aspekt physischer Konsequenzen
2.Stufe urteilt nach dem Schema ‚Jedem das Seine‘,
‚Wie du mir, so ich dir‘; elementare
Rollensymmetrie
Konventionelle
Ebene
3.Stufe urteilt nach dem Prinzip der Goldenen Regel;
Rücksicht auf die Gruppenmehrheit
4.Stufe urteilt nach für alle in gleicher Weise gültigen
gesellschaftlichen/gesetzlich festgelegten
Rechten und Pflichten
Postkonventionelle
Ebene
5.Stufe urteilt mit Blick auf einen vorpositiven
Sozialvertrag des sozialen Nutzens und der
individuellen Rechte
6.Stufe urteilt mit Blick auf universelle ethische Prinzipien
ohne Ansehen gesellschaftlich verordneter
Perspektiven; ‚moralischer Standpunkt‘
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2.4.3. Stufen des moralischen Bewusstseins
(L. Kohlberg)
Präkonventioneller
Ebene
Was gut oder böse ist,
bestimmt sich von den
Folgen her, die eine
Handlung für das
Individuum hat
Stufe 1: Orientierung an Bestrafung und
Gehorsam.
Als richtig erscheint ein Verhalten, das
der Vermeidung von Strafe dient
Unterordnung unter Macht gilt als Wert
an sich.
Stufe 2: Instrumentell-relativistische
Orientierung
Richtig ist eine Handlung, wenn sie
Bedürfnisse befriedigt. Dabei werden
auch zwischenmenschliche
Beziehungen im Sinne von
Gegenseitigkeit, Fairness, gleicher
Teilhabe in Rechnung gestellt.
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2.4.3. Stufen des moralischen Bewusstseins
(L. Kohlberg)
Konventionelle
Ebene
Auf dieser Ebene gilt als
selbstverständlich, dass
die Erwartungen und
Normen der
gesellschaftlichen Gruppe,
der man zugehört, erfüllt
werden müssen
Stufe 3: Orientierung am
‚Guter Junge/Gutes Mädchen‘-Modell
Richtig ist, was Zustimmung findet, wobei
die Vorstellungen vom erwarteten
Verhalten noch recht stereotyp sind
Stufe 4: Orientierung an Gesetz und Ordnung
Soziale Ordnung , Wohlfahrt der
Gesellschaft und Gesetze bilden
Orientierungsrahmen. Richtiges Verhalten
heißt, seine Pflicht zu tun und für die
gegebene soziale Ordnung um ihrer selbst
willen einzutreten.
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2.4.3. Stufen des moralischen Bewusstseins
(L. Kohlberg)
Postkonventionelle
Ebene
Anspruch, moralische
Werte und Prinzipien
unabhängig von
bestehenden Autoritäten
und Konventionen zu
definieren
Stufe 5: Orientierung an sozialen Vereinbarungen
Es besteht ein Bewusstsein, dass
persönliche Werthaltungen relativ sind und
dass es deshalb darauf ankommt,
Konsens und Übereinkunft zu finden.
Gesetze sind zu respektieren, können
oder müssen aber im Lichte moralischer
Erwägungen ggf. revidiert werden.
Stufe 6: Orientierungen an allgemeingültigen
ethischen Prinzipien
Richtiges Verhalten basiert auf der
bewussten, selbst verantworteten
Gewissensentscheidung für grundlegende
Prinzipien (Gerechtigkeit,
Menschenwürde, Solidarität usw.)
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2.5. Typen formal-universalistischer Ethiken
(1) Ethik der Erfahrung: die hermeneutische Regel
(2) Ethik der Wechselseitigkeit: die ‚regula aurea‘ (‚Goldene Regel‘)
(3) Ethik der Nützlichkeit: der Utilitarismus
(4) Ethik der Verallgemeinerung: der Kategorische Imperativ Kants
(5) Ethik der kritisch-dialogischen Prüfung: die Diskursethik
(6) Ethik der Fürsorge: die Care-Ethik
Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl
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2.5. Typen formal-universalistischer Ethik
2.5.1. Ethik der Erfahrung
→ Grundannahmen
• Lebensdienliche Normen, Modelle gelingenden Lebens usw. finden sich als
Sedimente im Gesamt geschichtlicher Erfahrungen, die in mündlichen wie
schriftlichen Traditionen geronnen sind und weiter erzählt werden.
• Geschichtliche Erfahrungen sind je neu freizulegen, zu erinnern,
hermeneutisch dingfest und so für die Orientierung heutigen
Handelnsfruchtbar zu machen
→ Moralprinzip
• hermeneutische Methode und narrative Erzählungen als Instrumente der
Verfügbarkeit geschichtlich geronnen normativen Erfahrungswissens
→ Imperativ
• „Handle nur nach jene Orientierungen, deren Lebensdienlichkeit und
Alltagstauglichkeit sich vor dem Hintergrund der normativen Erfahrungen
der Menschheitsgeschichte erwiesen haben.“
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2.5. Typen formal-universalistischer Ethik
2.5.1. Ethik der Erfahrung
→ Vorteile
• unproblematischer Zugriff auf konkret bewährte Handlungsmuster
• geschichtlich vermitteltes Erfahrungswissen kann in seiner
Anschaulichkeit durch Narrationen gewahrt werden
• sind je schon kontextualisiert und darin auf die Kontexte der Gegenwart
unproblematisch applizierbar
→ Nachteile
• geschichtliche Traditionen überliefern neben Sinnhaftem auch viel
Unsinniges
• hermeneutisch freigelegte Erfahrungen bedürfen erst noch des
Ausweises ihrer Lebensdienlichkeit im Lichte allgemeiner ethischen
Prinzipien und Prozeduren
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2.5. Typen formal-universalistischer Ethiken
2.5.2. Ethik der Wechselseitigkeit
→ Grundannahmen:
• Mein Handeln ist dann moralisch sinnvoll bzw. gerechtfertigt, wenn ich
das gleiche Handeln von anderen auf mich hin akzeptieren kann.
• gleiche Rechte, gleiche Pflichten (Wechselseitigkeit/‘Reziprozität‘)
→ zentrales Paradigma/Moralprinzip
• Wechselseitigkeit/Reziprozität
→ Imperativ/Sollensaufforderung
• „Was du nicht willst, das man dir tut, das füge auch keinen anderen zu!“
• „Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen!“ (Mt 7, 12)
Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl
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2.5. Typen formal-universalistischer Ethiken
2.5.2. Ethik der Wechselseitigkeit
→ „Goldene Regel“ in den Weltreligionen als Beispiel für einen
reiterativen Universalismus
•
•
•
•
•
•
Buddhismus
„Ein Zustand, der nicht angenehm oder erfreulich für mich ist, soll es auch nicht für ihn
sein; und ein Zustand, der nicht angenehm oder erfreulich für mich ist, wie kann ich ihn
einem anderen zumuten?“
Konfuzianismus
„Was du selbst nicht wünschst, das tue auch nicht anderen Menschen an.“
Hinduismus
„Man sollte sich gegenüber anderen nicht in einer Weise benehmen, die für einen
selbst unangenehm ist; das ist das Wesen der Moral.“
Islam
„Keiner von euch ist ein Gläubiger, solange er nicht seinem Bruder wünscht, was er
sich selber wünscht.“
Jainismus
„Gleichgültig gegenüber weltlichen Dingen sollte der Mensch wandeln und alle
Geschöpfe in der Welt handeln, wie er selbst behandelt sein möchte.“
Judentum
„Tue nicht anderen, was du nicht willst, dass sie dir tun.“
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2.5. Typen formal-universalistischer Ethiken
2.5.2. Ethik der Wechselseitigkeit
→ Vorteile
• Selbstbezug des Prüfens
• gute alltagsweltlich Anwendung
→ Nachteile
• faktische Verabsolutierung der eigenen Vorstellungen und Wünsche
• fehlender Fremdbezug; keine Korrekturmöglichkeit des Selbstbezugs
• epistemologisch strikt egozentrisch; angesichts der Pluralität und damit
Verschiedenheit der Lebensentwürfe und ihrer wertbezogenen
Gewichtungen kaum Gewähr für Gerechtigkeit/Gleichheit der Ansprüche
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2.5. Typen formal-universalistischer Ethiken
2.5.3. Ethik der Nützlichkeit
→ Grundannahmen
• Mensch strebt ‚von Natur aus‘ nach Steigerung der Lust und nach
Minimierung des Leids
(„anthropologisches Grundfaktum hedonistischer Strebung“)
• Steigerung des menschlichen Wohlbefindens als intrinsisches Gut
• Handeln muss die Gesamtsumme des Wohlergehens aller Betroffenen
steigern (Prinzip der Aggregation)
• Handlungsfolgen sind für die Steigerung des Wohlergehens
ausschlaggebend (konsequentialistisches Kriterium, „hedonistisches
Kalkül“)
→ zentrales Paradigma/Moralprinzip
• Nützlichkeit für allgemeine Luststeigerung bzw. allgemeine
Lustminimierung
Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl
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2.5. Typen formal-universalistischer Ethiken
2.5.3. Ethik der Nützlichkeit
→ Imperative
• „Handle so, dass die Folgen deines Handelns die Gesamtsumme des
Glücks steigert bzw. die Gesamtsumme des Leids verringert!“
(‚Handlungsutilitarismus‘)
• „Handle nach derjenigen Regel, deren allgemeine Befolgung die
Gesamtsumme des Glücks steigert bzw. die Gesamtsumme des Leids
verringert!“ (‚Regelutilitarismus‘)
• „Handle so, dass die angemeldete Wertpräferenzen der von deinem
Handeln Betroffenen gesteigert oder wenigstens nicht verringert
werden!“ (‚Präferenzutilitarismus‘)
Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl
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2.5. Typen formal-universalistischer Ethiken
2.5.3. Ethik der Nützlichkeit
→ Vorteile:
• Grundintuition eines verbesserten Lebens
• Gemeinwohlverpflichtung: Steigerung des allgemeinen Wohlergehens;
Ausschluss egoistischen Hedonismus
• Unparteilichkeit der Prüfung durch Versuch einer objektiven Messung
von Lust, Wohlergehen, Glück bzw. Leid
→ Nachteile:
• Definition von Glück, Leid, Wohlergehen usw.
• absoluter Primat des Gemeinwohls bzw. der Gesamtsumme positiv
erwünschter Effekte bei Missachtung des Individualwohl im Konfliktfalle
• Abhängigkeit von aktuellen Fähigkeit betroffener Menschen,
Präferenzen zu besitzen und zu artikulieren (Unterscheidung
gattungsangehöriger Mensch und bewusstseinsfähige Person)
Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl
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2.5. Typen formal-universalistischer Ethiken
2.5.3. Ethik der Nützlichkeit
Fallbeispiel für eine präferenzutilitaristische Argumentation:
„Unabhängig von den Eltern sollte jedoch im Falle von Down-Syndrom auch berücksichtigt
werden, ob es andere Paare gibt, die das Kind adoptieren wollen. Wenn dies so ist, sollte
es weder erlaubt sein, den Säugling sterben zu lassen, noch ihn aktiv zu töten. (…) Ein
normales Kind würde man nicht töten, weil die Eltern es behalten wollen. Und wenn nicht,
gibt es sehr viele Ehepaare, die keine Kinder haben und es adoptieren wollen. Es gibt
keinen Grund, diese gesunden Kinder zu töten. In einer anderen Gesellschaft kann es
dagegen einen Grund geben. Zum Beispiel bei den Ikung in der Kalahari: Weil sie immer
wandern, können sie immer nur ein Kind mitnehmen. Für diese Gesellschaft ist das Töten
von Kindern deshalb etwas, was man gut verstehen kann. (…)
Man kann ein Kind mit Behinderung haben, die nicht so schwer ist, so dass das Kind mehr
Glück als Leiden haben könnte. Aber es gibt Paare, die denken, dass man dieses Leben
nicht weiterführen, sondern ein anderes gesundes haben sollte. Das findet man
schockierend, wenn man über Kinder spricht. Aber ich denke, dass viele Eltern so über
pränatale Diagnose und Schwangerschaftsabbruch denken. Sie treiben dann den Fötus ab.
Das kann ich gut verstehen.“
(Peter Singer, 1994)
Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl
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2.5. Typen formal-universalistischer Ethiken
2.5.4. Ethik der Verallgemeinerung
→ Grundannahmen
• Schutz der Selbstzwecklichkeit jedes Menschen als eines
Vernunftwesens
• Moralität einer Handlung ist ausschließlich Frage der Vernunft und muss
deshalb für alle Vernunftwesen gleich bestimmbar sein
• maßgeblicher Grund für die Moralität einer Handlung darf nichts
Empirisches (Natur, Gefühle, Traditionen usw.) sein, da Erfahrung
immer subjektiv gefärbt ist und damit nicht aus sich heraus für alle
verbindlich sein kann
• Moralität einer Handlung bemisst sich apriori (vor aller Erfahrung
liegend)
→ Moralprinzip
• Kategorischer Imperativ (unbedingt gültiges Sollensprinzip)
Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl
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2.5. Typen formal-universalistischer Ethiken
2.5.4. Ethik der Verallgemeinerung
→ (Kategorische) Imperative:
• „Handle nur nach der Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass
sie ein allgemeines Gesetz werde!“
(Gesetzesformel)
• „Handle so, dass du die Menschheit, sowohl in deiner Person, als in der
Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß
als Mittel brauchest!“
(Menschheits-Zweck-Formel)
• „Handle so, als ob du durch deine Maximen ein gesetzgebendes Glied im
allgemeinen Reich der Zwecke wärest!“
(Autonomie-Formel)
(alle Formulierungen: Immanuel Kant, GMS)
→ Variante (Marcus G. Singer)
• „Wenn jeder x tun würde, wären die Folgen verheerend (oder nicht
wünschenswert); deshalb sollte niemand x tun.“
Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl
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2.5. Typen formal-universalistischer Ethiken
2.5.4. Ethik der Verallgemeinerung
→ Vorteile
• Verallgemeinerung filtert alle subjektiv zufälligen bzw. partikulären
Optionen aus
• Verallgemeinerung anwendbar auf alle Handlungsmaximen
• Primat der Selbstzwecklichkeit jeder einzelnen Person bei gleichzeitiger
Verknüpfung mit dem Wohl der ganzen Menschheit
→ Nachteile
•
•
•
•
Formalismus
Unmöglichkeit monologischer Anwendung (‚solipsistische Falle‘)
Ohnmacht des bloßen Sollens aus Pflicht
Terror der reinen Gesinnung (z.B. kategorisches Lügenverbot)
Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl
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2.5. Typen formal-universalistischer Ethiken
2.5.4. Ethik der Verallgemeinerung
→ Fallbeispiel ‚lügenhaftes Versprechen‘
→ Argument der inneren logischen Konsistenz (Kant)
• lügenhaftes Versprechen ist deshalb nicht ‚gesetzestauglich‘, weil es der
Bedeutung eines Versprechens als persönlich auferlegte
Selbstverpflichtung zur Wahrhaftigkeit innerlich widerspricht.
• Ein Versprechen, das in der Absicht gegeben wird, sich genau nicht
daran zu halten, verwickelt sich in einen Selbstwiderspruch
→ empirisch-pragmatisches Argument (Singer)
• Wenn jeder nach Belieben lügenhafte Versprechen abgeben würde,
würden elementare Vertrauensverhältnisse für das soziale Miteinander
zerstört werden
• Diese Folgen wären verheerend (oder wenigstens nicht wünschenswert;
deshalb sollten lügenhafte Versprechen grundsätzlich unterbleiben.
Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl
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2.5. Fünf Typen formal-universalistischer Ethiken
2.5.4. Ethik der Verallgemeinerung
→ Fallbeispiel Notlüge zur Rettung einer unrechtmäßig Verfolgten
→ Argument der inneren logischen Konsistenz (Kant)
•
moralisch verwerflich, weil logisch inkonsistent: Verleugnung nur Aussicht auf
Erfolg, wenn Notlüge von den Verfolgern als Gegenteil dessen angesehen wird,
was sie tatsächlich ist: nicht als Lüge, sondern als wahrhaftige Aussage
→ Argument der Selbstzwecklichkeit (Kant)
•
•
•
Notlüge missachtet den Anspruch der Gegner auf Wahrhaftigkeit
Unterlassen der Notlüge missachtet den Anspruch der Verfolgten auf Schutz vor
unrechtmäßiger Verfolgung
Güterabwägung im Sinne der Wahl des kleineren Übels, wenn andere
Alternativen nicht möglich
→ empirisch pragmatisches Argument (Singer)
•
Wenn alle um des höheren Gutes („Schutz vor unrechtmäßiger Verfolgung“)
willen eine Notlüge aussprechen, wären Folgen nicht verheerend.
Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl
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2.5. Typen formal-universalistischer Ethiken
2.5.5. Ethik kritisch-dialogischer Prüfung
→ Grundannahme:
• Prüfung der Verallgemeinerungsfähigkeit sowie der Verträglichkeit mit
der Selbstzwecklichkeit jeder betroffenen Person kann niemals
monologisch erfolgen, sondern bedarf der (realen) Beteiligung und
Zustimmung aller Betroffenen
• Das moralisch Richtige und Vernünftige findet sich in der Vielzahl
unterschiedlicher Gesichtspunkte und Perspektiven verstreut, die in
einem ‚Dialog der Perspektiven‘ thematisiert, gewichtet und miteinander
verknüpft werden können und müssen
→ Moralprinzip
• Geltungsprüfung einer Handlung, Handlungsmaxime, Norm usw. durch
argumentativen Diskurs aller potentiell Betroffenen
(‚praktischer Diskurs‘)
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2.5. Fünf Typen formal-universalistischer Ethiken
2.5.5. Ethik kritisch-dialogischer Prüfung
→ (Kategorische) Imperative
• „Statt allen anderen eine Maxime, von der ich will, dass sie ein
universales Gesetz sei, als gültig vorzuschreiben, muss ich meine
Maxime zum Zwecke einer diskursiven Prüfung ihres
Universalisierungsanspruchs allen anderen vorlegen.“
(Thomas McCarthy)
• „So muss jede gültige Norm der Bedingung genügen, dass die Folgen
und Nebenwirkungen, die sich jeweils aus ihrer allgemeinen Befolgung
für die Befriedigung der Interessen eines jeden Einzelnen
(voraussichtlich) ergeben, von allen Betroffenen (…) akzeptiert werden
können.“
(Jürgen Habermas)
Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl
38
2.5. Typen formal-universalistischer Ethiken
2.5.5. Ethik kritisch-dialogischer Prüfung
→ Vorteile
• Unterscheidung zwischen Fragen des Guten (‚Legitimität eines
authentischen Lebensentwurfes‘) und Fragen des Gerechten
(‚Vereinbarkeit individueller Lebensentwürfe unter dem Aspekt des
gleichen Anspruch authentischer Lebensführung‘)
• Geltungsprüfung durch Nüchternheit von Argumenten im diskursiven
Wechsel von Pro und Contra
• Akzeptanz auf der Basis der „zwanglosen Zwangs der besseren
Arguments“ (Habermas)
• authentische Selbstrepräsentation durch die Betroffenen als prinzipiell
gleichberechtigt Beteiligte am praktischen Diskurs
• Unparteilichkeit des Urteils durch die ‚Nötigung‘ zum universellen
Rollentausch (Hineinversetzen in die Perspektive der Anderen als
Andere)
Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl
39
2.5. Typen formal-universalistischer Ethiken
2.5.5. Ethik kritisch-dialogischer Prüfung
→ Nachteile
• Ausklammern von Fragen des guten Lebens geht von ausgereiften
autonomen moralischen Persönlichkeiten bzw. von intakter, gelingender
Lebensführung aus; wird damit nicht den unmittelbaren
Orientierungsbedürfnisses der Mehrheit der Betroffenen gerecht
• Unterstellung gleichberechtigter Kommunikationsbedingungen in
praktischen Diskursen naiv utopisch und deshalb gefährlich:
Zementierung faktischer Machtverhältnisse in sozialen Beziehungen
• Konsensorientierung des Diskurses durch den „zwanglosen Zwang des
besseren Argumentes“ fördert elitäre Tendenzen: Was geschieht mit den
legitimen Ansprüchen jener, die (noch) nicht den kulturell dominanten
Argumentations- bzw. Rationalitätsstandards Genüge leisten?
Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl
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2.5. Typen formal-universalistischer Ethiken
2.5.6. Ethik der Beziehung
→ Grundannahmen
•
•
•
Menschlichkeit menschlichen Lebens ist ein Leben in Beziehung
Moralität einer Handlung bemisst sich daher nicht an abstrakten Prinzipien, die
sich an der Selbstbehauptung eines einsamen autonomen Menschen gegen
andere orientieren
Ursprüngliche wie alltägliche Verfasstheit des Menschen ist die Situation von
Bedürftigkeit und Zerbrechlichkeit, nicht die der Stärke und Selbstgenügsamkeit
→ Moralprinzip
•
Negation des beschädigten und Schutz des versehrbaren Lebens durch
Kultivierung fürsorgender Beziehungen
→ Imperativ
•
Achte den je konkreten Anderen in seiner Zerbrechlichkeit und Bedürftigkeit und
erweise ihm durch dein Handeln aufbauende Aufmerksamkeit und Achtsamkeit.
Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl
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2.5. Typen formal-universalistischer Ethiken
2.5.6. Ethik der Beziehung
→ Vorteile
• realistische Einschätzung der menschlichen Grundverfassung als eines
zerbrechlichen Wesens in Beziehung
• Sicherung der Lebensdienlichkeit moralischen Handelns durch seine
Ausrichtung auf den Aufbau befreiender und beglückender Beziehungen
zwischen konkreten Menschen
→ Nachteile
• Gefahr der Intimisierung moralischen Handelns unter Wegfall
struktureller Einbettungen sozialen Handelns (in Gesellschaft,
Institutionen usw.)
• Gefahr der Ununterscheidbarkeit von aufbauenden und bemächtigenden
Beziehungen
Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl
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