7. Klasse Juli 2007 (Nr. 10) Liebe Schülerinnen und Schüler! Nachdem wir in der letzten Ausgabe der uns intensiv mit Leonhard Euler befasst haben, wollen wir uns heute einem Problemlöseverfahren zuwenden, das mit dem deutschen Mathematiker Dirichlet eng verbunden ist. Sucht euch wieder Aufgaben heraus, die ihr bearbeiten wollt. Bitte versucht eure Lösungen so zu beschreiben, dass wir eure Lösungsideen nachvollziehen können. Denkt auch bitte daran, euren Namen auf alle Lösungsblätter zu schreiben. Und jetzt: Viel Spaß beim Knobeln!!! Problemlösen mit Schubfächern In dieser Ausgabe der wollen wir euch ein einfaches Prinzip erklären, das beim Lösen von manchen Aufgaben nützlich sein kann. Es ist das sogenannte Schubfachprinzip: Wenn man n+1 Perlen auf n Schubfächer verteilt, dann gibt es mindestens ein Schubfach, in dem sich mehr als eine Perle befindet. Das ist tatsächlich schon alles! Klingt sehr einfach – ist es auch. Die Schwierigkeit besteht oft darin, bei einer Aufgabenstellung zu erkennen, was die Perlen und was die Schubfächer sind. Das Schubfachprinzip geht auf den deutschen Mathematiker Dirichlet zurück. Deshalb heißt es auch oft Dirichletsches Schubfachprinzip. Johann Peter Gustav Lejeune Dirichlet wurde am 13.2.1805 in Düren bei Aachen geboren und starb am 5.5.1859 in Göttingen. Dirichlet war ein ausgezeichneter Lehrer, der in seinen Vorlesungen den Studenten aktuelle Probleme der mathematischen Forschung gut erklären konnte. Das Schubfachprinzip soll er entdeckt haben, als er in seinem Berliner Arbeitszimmer nach einem überzeugenden Argument in einem schwierigen Beweis suchte. Da er keine gute Idee hatte, lehnte er sich in seinem Stuhl zurück. Dabei fiel sein Blick auf einen kleinen Schrank mit vielen kleinen Schubfächern. Plötzlich hatte er eine Idee, wie er seinen Beweis beenden konnte. Die vielen kleinen Schubfächer hatten den entscheidenden Gedanken geliefert. Dirichlet selbst hatte keinen besonderen Namen für dieses Prinzip. Der Name Schubfachprinzip wurde von einem Schüler von Dirichlet, Richard Dedekind, geprägt, der 1863 die Vorlesungen über Zahlentheorie von Dirichlet veröffentlichte. Nun wollen wir euch einige Beispiele zeigen, bei denen das Schubfachprinzip angewendet werden kann. Anschließend gibt es für euch einige Aufgaben, an denen ihr euch ausprobieren könnt. Beispiel 1: Unter drei Personen gibt es immer zwei mit gleichem Geschlecht. Nun, so werdet ihr sagen, das ist doch klar. Und ihr habt recht damit. Trotzdem eignet sich dieses Beispiel, um die Anwendung des Schubfachprinzips zu erklären. Die drei Personen sind die ‘Perlen’. Nun brauchen wir noch zwei Schubfächer, das können zum Beispiel zwei Rechtecke sein, die auf den Fußboden gezeichnet sind. Das eine Rechteck wird mit ‘männlich’, das Juli 2007 andere mit ‘weiblich’ beschriftet. Nun stellen wir jede der drei Personen in das zugehörige Rechteck. Da wir drei Personen (Perlen), aber nur zwei Rechtecke (Schubkästen) haben, stehen in einem der beiden Rechtecke mindestens zwei Personen. So kann das Schubfachprinzip für die oben stehende Behauptung angewendet werden. Beispiel 2: Unter 13 Personen sind mindestens zwei, die im selben Monat Geburtstag haben. Sicher werdet ihr schon jetzt wissen, wie wir diese Behauptung begründen können. Die 13 Personen sind wieder die ‘Perlen’ und dann brauchen wir noch 12 Schubfächer, zum Beispiel kleine Zettel, jeder mit einem Monatsnamen – natürlich soll dabei kein Monat mehrfach verwendet werden. Die 12 Zettel werden nun auf dem Fußboden nebeneinander gelegt und jede der 13 Personen stellt sich hinter den Zettel, auf dem der Monat steht, in dem er Geburtstag hat. Na klar – hinter einem Zettel stehen wieder mindestens zwei Personen. Und die Behauptung ist bewiesen. Beispiel 3: Unter neun beliebigen natürlichen Zahlen gibt es mindestens zwei, deren Differenz durch 8 (ohne Rest) teilbar ist. Das ist schon etwas schwieriger. Probiert es selber aus: Schreibt euch neun natürliche Zahlen auf und ihr werdet zwei finden, deren Differenz durch 8 geteilt werden kann. Warum ist das aber so? Nun ja, auch hier wirkt das Schubfachprinzip. Die ‘Perlen’ sind hier die neun Zahlen. Aber wie viele Schubfächer benötigen wir und was schreiben wir drauf? Wir denken daran, dass die Division einer beliebigen natürlichen Zahl durch 8 nicht immer eine natürliche Zahl als Ergebnis hat. So ist zum Beispiel 39 : 8 = 4 Rest 7, oder 82 : 8 = 10 Rest 2, oder 5 : 8 = 0 Rest 5. Geht die Division auf, so können wir sagen, dass der Rest 0 ist: 32 : 8 = 4 Rest 0. Als Reste können nur die Zahlen 0, 1, ... ,7 vorkommen. Also nehmen wir acht Schubfächer. Auf das erste Schubfach schreiben wir die Zahl 0, auf das zweite die Zahl 1 ... und auf das achte die Zahl 7. Nun werden die neun Zahlen auf die Schubfächer verteilt. Eine Zahl kommt in das Schubfach, auf dem der Rest steht, der bei der Division dieser Zahl durch 8 entsteht. Dann liegen in einem Schubfach wieder zwei Zahlen. Jetzt denken wir daran, dass aus 39 : 8 = 4 Rest 7 auch 39 = 4 · 8 + 7 folgt (Probe!). Ist z eine Zahl, die bei Division durch 8 den Rest r hat, so kann man allgemein z : 8 = k Rest r schreiben, was aber auch z = k · 8 + r zur Folge hat. Nun betrachten wir wieder unsere beiden Zahlen z1 und z2 , die gemeinsam in einem Schubfach liegen, also bei Division durch 8 den selben Rest r haben. Für diese beiden Zahlen gilt dann: z1 = k1 · 8 + r und z2 = k2 · 8 + r. Wir können sogar voraussetzen, dass k1 ≥ k2 ist. Wäre dies nicht so, so könnten wir die beiden Zahlen einfach vertauschen, und schon klappt es. Als nächstes bilden wir die Differenz dieser beiden Zahlen. Wir erhalten: z1 − z2 = (k1 · 8 + r) − (k2 · 8 + r) = k1 · 8 − k2 · 8 = 8 · (k1 − k2 ). Weil (k1 − k2 ) ≥ 0 ist, ist z1 − z2 eine natürliche Zahl, die durch 8 ohne Rest geteilt werden kann. Damit ist aber die Behauptung bewiesen Nun zu euren Aufgaben: Aufgabe 1: In einem Raum befinden sich n Personen, die sich mit einem Händedruck gegenseitig begrüßen. Begründe, dass es zu jedem Zeitpunkt mindestens zwei Personen gibt, die gleich viele Leute begrüßt haben! Versuche es dir an Hand eines Beispiels von 23 Menschen im Raum zu verdeutlichen. –2– Juli 2007 Aufgabe 2: Aus der Menge {1, 2, 3, ..., 32}, werden 17 Zahlen beliebig herausgenommen. Zeige, dass es unter diesen 17 Zahlen immer zwei Zahlen gibt, deren Summe 33 beträgt. Aufgabe 3: Aus der Menge {1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12} werden sieben Zahlen beliebig herausgenommen. Zeige, dass es unter diesen sieben Zahlen mindestens zwei Zahlen gibt, die zueinander teilerfremd sind. Hinweis: Bedenke, dass zwei aufeinanderfolgende Zahlen zueinander teilerfremd sind. Aufgabe 4: Überlege dir, wie viele Schüler an einer Schule sein müssten, damit es mindestens drei Schüler gibt, die am gleichen Tag Geburtstag haben. Natürlich müssen diese Schüler nicht das gleiche Geburtsjahr haben. Zur Lösung dieser Aufgabe kannst du das verallgemeinerte Schubfachprinzip anwenden: Wenn man n · k + 1 Perlen auf n Schubfächer verteilt, dann gibt es mindestens ein Schubfach, in dem sich mehr als k Perlen befinden. Aufgabe 5: In der Stadt New York wohnen viele Menschen. Die meisten von Ihnen haben Haare auf dem Kopf. Informiere dich, wie viele Menschen etwa in New York leben und welches die durchschnittliche Anzahl von Haaren auf dem Kopf eines Menschen ist. Mit diesen Fakten kannst du nun folgende Aufgabe lösen: Bestimme die Mindestanzahl der Personen in New York, die gleich viele Haare auf dem Kopf haben! Aufgabe 6: In einem Koordinatensystem sind fünf voneinander verschiedene Punkte gegeben, die jeweils ganzzahlige Koordinaten haben. Zeige, dass es unter diesen fünf Punkten einen gibt, der auf der Verbindungsstrecke von zwei anderen dieser fünf Punkte liegt. –3– Juli 2007 Spielempfehlung logeo Ein Logikspiel, das auch Erwachsene süchtig machen kann. Mit Logeo wird eine Tafel mit neun Feldern, neun Spielsteinen in drei Formen und drei Farben und 60 Aufgabenstellungen von leicht bis sehr schwer geliefert. Die Quadrate, Dreiecke und Kreise müssen so auf die Tafel platziert werden, dass am Ende alle neun Felder der Ablagetafel mit je einem Stein belegt sind. Dazu geben die einzelnen Aufgabenstellungen Anweisungen zur Platzierung der neun Steine. Bei den einfachen Aufgabenstellungen werden den Spielsteinen konkrete Felder zugeordnet. Aber es wird immer kniffliger. Mal wird nur gezeigt, auf welchen Feldern ein Stein nicht liegen darf, mal werden mehrere Möglichkeiten zum Setzen angeboten. Huch! & friends, 2004 Und nicht vergessen: Die Lösungen der Aufgaben bei eurer Mathematiklehrerin oder eurem Mathematiklehrer abgeben. Der Termin wird von euch von euren Lehrern mitgeteilt. Viel Erfolg beim Knobeln und beim Lösen der Aufgaben, sowie erholsame Sommerferien wünschen euch das Team der . Die sind per E-Mail unter [email protected] zu erreichen. –4–