Neue Aspekte der Interaktion

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HÄMATOLOGIE & ONKOLOGIE
KONGRESS
Leukämie- & Knochenzellen
Neue Aspekte der Interaktion
Die endostale Zone des trabekulären Knochens spielt eine wichtige Rolle für das Langzeitüberleben von hämatopoetischen, aber auch von Leukämie(stamm)zellen.1, 2 Während solide Tumoren (bzw. deren Metastasen) eine zerstörerische Wirkung auf Knochen
ausüben, könnte eine stabile osteoblastäre Nische von Vorteil für die Persistenz von
Leukämiestammzellen sein.
Modellsystem: Kokultur
Störung dieser Kommunikation
ist beim Menschen auch für die
Entstehung von Myelofibrosen
verantwortlich.
In den vergangenen Jahren hat
sich für die Untersuchung der Interaktion von neoplastischen Zellen mit Knochenzellen ein KoRuhende Leukämiezellen und
kultursystem bewährt, bei dem
proliferierende Osteoblasten
menschliche Krebszellen mit mesenchymalen Zellen der Maus
Kokultivierte HL-60-Zellen stikombiniert werden.3 Wir kultimulierten die Proliferation der
vierten menschliche Promyelozy- Judith Celik, MSc; Univ.-Prof. Dr. Heidrun Karlic; PD Dr. Franz Varga; Silvia beiden Zelllinien unterschiedlichen Differenzierungsgrades (in
tenleukämiezellen (HL-60) ent- Spitzer, BMA
MC3T3-E1 bei etwa 10% und
weder über einer mesenchymalen
Stammzelllinie (C3H10T1/2) oder ei- Mit diesem experimentellen System in den C3H10T1/2 mehr als das Dopner mesenchymalen Präosteoblasten- konnte ein Literaturhinweis bezüglich pelte; Abb. 2), während die Zellzahl
zelllinie (MC3T3-E1), beide aus Mäu- einer signifikanten Verminderung (um in den kokultivierten HL-60-Zellen
sen etabliert.
–46% bei den C3H10T1/2 und –23% abnahm (mit MC3T3-E1 um –18%,
Der Vorteil dieses Modellsystems ist, bei den MC3T3-E1-Zellen) des für die mit C3H10T1/2 um –24%). Da es
dass man die Wirkungsweisen von Kommunikation zwischen Osteoblas- in den HL-60-Zellen keine Hinweise
microRNAs, deren Sequenzen bei ten und Blutzellen verantwortlichen auf Apoptose (weder morphologisch
Mensch und Maus identisch sind, ver- Mediators CXCL12 (= „stromal deri- noch durch Expression entsprechengleichen kann, während die unter- ved factor SDF1“) bei Leukämien be- der Marker), aber eine signifikante
schiedlichen „klassischen“ mRNA-Se- stätigt werden (Abb. 1), dessen Ex- Stimulierung des Zellzyklusinhibitors
quenzen zwischen den Mensch- und pression nach neueren Befunden durch CDKN2B auf mehr als das Doppelte
Mausgenen mit „gene chips“ und Exosomen (bzw. die darin enthaltenen gab, ist anzunehmen, dass durch die
quantitativer PCR differenzierbar sind. microRNAs) reguliert wird.3, 4 Eine Präsenz der Osteoblasten eine Ruhephase in den Leukämiezellen induziert
worden ist und/oder dass die LeukKeyPoints
ämiezellen die Vermehrung von osteoblastären Zellen fördern. Die mehr
• Osteoblasten können die Proliferation von Leukämiezellen hemmen und sie in eials 4-fache Stimulierung des Quiesne Ruhephase (Quieszenz) versetzen.
zenz-induzierenden Gens Jagged-1
(Jag1), welche in den präosteoblastä• Leukämiezellen können die osteoblastäre Nische unterstützen, indem sie die Exren MC-3T3-E1 beobachtet werden
pression von Genen hemmen, welche für die Produktion von Entzündungsmediakonnte, unterstützt diese Annahme
toren verantwortlich sind.
(Abb. 3). Man könnte also durchaus auch postulieren, dass die Leukä• MicroRNAs spielen wahrscheinlich eine entscheidende Rolle bei der Kommunikamiezellen (ebenso wie normale hämation zwischen Leukämiezellen und der osteoblastären Nische (vielleicht überhaupt
topoetische Zellen) im Knochen „bevon mesenchymalen Zellen).
schützt“ werden.
JATROS I Seite 122
Hämatologie & Onkologie 2/16
HÄMATOLOGIE & ONKOLOGIE
3.060
2.210
1.500
0
C3H10T1/2
6.800
5.000
1.710
3.000
0
MC3T3-E1
n Normal
n Kokultur
C3H10T1/2
362
205
150
0
MC3T3-E1
514
450
300
© UNIVERSIMED ®
10.000
600
Fluoreszenz-Einheiten
4.500
14.000
12.500
Zellzahl
Fluoreszenz-Einheiten
5.670
3.000
15.000
© UNIVERSIMED ®
6.000
© UNIVERSIMED ®
KONGRESS
nN
ormal
nK
okultur
51
C3H10T1/2
MC3T3-E1
n Normal
n Kokultur
Abb. 1: Kokultur mit HL-60 vermindert die Expression
von CXCL12 in mesenchymalen Zellen
Abb. 2: Kokultur mit HL-60 stimuliert die Proliferation
von mesenchymalen Zellen
Abb. 3: Kokultur mit HL-60 stimuliert die Expression
von Jagged 1 in mesenchymalen Zellen
Gegenteilige Wirkung von Zellen
solider Tumoren und Leukämie
tion zwischen verschiedenen Zellsystemen, Organen und wahrscheinlich
auch Spezies vergleichbar ist. Eine Stimulierung der Produktion von Exosomen bzw. der darin enthaltenen microRNAs (miRNA) wurde beschrieben
und kann auch mit unseren Daten bestätigt werden: Eine Zunahme in den
HL-60 bei gleichzeitiger Abnahme in
den MC3T3-E1-Zellen beobachteten
wir für die miRNA-23a, welche die Invasion von Osteosarkomzellen reguliert, für die miRNA-21, welche dafür
bekannt ist, dass sie die Leukämogenese fördert, indem sie die Stammbzw. Vorläuferzellpopulation stimuliert, und für die miRNA-27a, die als
Tumorsuppressor bei akuten Leukämien bekannt ist.4, 8–10 Außerdem fördert die miRNA-27 die Differenzierung
von Osteoblasten.11 Hingegen wird die
miRNA-199b sowohl bei den HL-60als auch bei den MC3T3-E1-Zellen angereichert, was möglicherweise damit
zusammenhängt, dass diese microRNA
bei Leukämiezellen als Tumorsuppressor wirkt, während sie die Invasion und
Migration von Osteosarkomzellen fördern kann.12, 13
n
4
Literatur:
Wang CQ et al: Runx family genes, niche, and stem
cell quiescence. Blood Cells Mol Dis 2010; 44(4): 27586
2 Lymperi S et al: The HSC niche concept has turned 31.
Has our knowledge matured? Ann N Y Acad Sci 2010;
1192: 12-8
3 Schepers K et al: Myeloproliferative neoplasia remodels the endosteal bone marrow niche into a self-reinforcing leukemic niche. Cell Stem Cell 2013; 13(3):
285-99
1Ludwig
Der zerstörerische Effekt von Brustkrebs auf Knochen wurde bereits in der
Pharaonenzeit erkannt, und es gibt Hinweise darauf, dass dieses Phänomen seit
Millionen von Jahren existiert.5 In einer
Publikation, die als Vorbild für unsere
Studie diente, wurden Brustkrebszellen (MDA-MB-231) ebenfalls mit den
präosteoblastären MC3T3-E1 kokultiviert und anhand von „GeneChip®transcriptomics“ (Affymetrix) analysiert.6 Während es in dieser Studie zu
einer Stimulierung der knochenabbauenden
Matrix-Metalloproteinase-13
(Mmp13) sowie des „Akute-Phase-Proteins“ Saa3 kam, konnten wir in unseren Kokulturen mit den HL-60-Leukämiezellen (ebenfalls mit „GeneChip®transcriptomics“) das genaue Gegenteil herausfinden. Weiters zeigten unsere
Experimente, dass durch die HL-60-Kokultur ein genau gegenteiliges Expressionsmuster in den MC3T3-E1 induziert
wurde als durch das proinflammatorische Stoffwechselprodukt Homocystein, wobei das Saa3-Gen eine zentrale
Rolle spielt.7
Kommunikation zwischen
Leukämiezellen und Stroma
Wie bereits erwähnt, eignet sich das
Kokultursystem aus unserer Studie
hervorragend zur Erforschung der Bedeutung von sogenannten Exosomen,
deren Funktion auch mit jener von
„Brieftauben“ für die Kommunika2/16 Hämatologie & Onkologie
1
uan J et al: Coordinate regulation of residual bone
H
marrow function by paracrine trafficking of AML exosomes. Leukemia 2015; 29(12): 2285-95
5
Tauxe W: A tumour through time. Nature 2015;
527(7578): S102-3
6
Morrison C et al: Microarray and proteomic analysis of breast cancer cell and osteoblast co-cultures:
role of osteoblast matrix metalloproteinase (MMP)13 in bone metastasis. J Biol Chem 2011; 286(39):
34271-85
7
Thaler R et al: Homocysteine induces serum amyloid
A3 in osteoblasts via unlocking RGD-motifs in collagen. FASEB J. 2013; 27(2): 446-63
8
Tian K et al: MicroRNA-23a enhances migration and
invasion through PTEN in osteosarcoma. Cancer Gene
Ther 2015; 22(7): 351-9
9
Pan Y et al: Oncogenic microRNAs in the genesis of
leukemia and lymphoma. Current pharmaceutical design. Curr Pharm Des 2014; 20(33): 5260-7
10 Scheibner KA et al: MiR-27a functions as a tumor
suppressor in acute leukemia by regulating 14-3-3Θ.
PLoS One 2012; 7(12): e50895
11 Wang T, Xu Z: miR-27 promotes osteoblast differentiation by modulating Wnt signaling. Biochem Biophys
Res Commun 2010; 402(2): 186-9
12 Favreau AJ et al: miR-199b, a novel tumor suppressor
miRNA in acute myeloid leukemia with prognostic
implications. Exp Hematol Oncol 2016; 5: 4
13 Zeng H et al: Increased expression of micro­
RNA199b-5p associates with poor prognosis through promoting cell proliferation, invasion and migration abilities of human osteosarcoma. Pathol Oncol Res 2016;
22(2): 253-60
Autoren:
Univ.-Prof. Dr. Heidrun Karlic1
Silvia Spitzer BMA2
Judith Celik, MSc3
PD Dr. Franz Varga2
Boltzmann Cluster Oncology,
Hanusch-Krankenhaus, Wien
E-Mail: [email protected]
2Ludwig Boltzmann Institut für Osteologie im
Hanusch-Krankenhaus, Wien, und AUVA-Rehabilitationszentrum, Meidling, sowie 1. Medizinische Abteilung, Hanusch-Krankenhaus, Wien
3 Zentrum für Medizinische Genetik, HanuschKrankenhaus, Wien
n1508
Seite 123 I JATROS
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