4 Grundzüge der Wirtschaftspolitik

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Prof. Dr. Werner Smolny
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ITÄT
Wintersemester 2004/2005
U
M
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C
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· SCIENDO
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CENDO
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Helmholtzstr. 20, Raum E 05
Tel. 0731 50 24261
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Abteilung Wirtschaftspolitik
IV
Fakultät für Mathematik und
Wirtschaftswissenschaften
Universität Ulm
[email protected]
Allgemeine Volkswirtschaftslehre I für WiMa und Andere
4 Grundzüge der Wirtschaftspolitik
4.1 Marktversagen und Wirtschaftspolitik
Übung: Externe Effekte - Ursachen und Internalisierung
4.2 Staatsversagen
Übung: Das Medianwählermodell
4.3 Wirtschaftssystem und Wohlstand
Die Einkommen in der Welt
4.4 Ursachen der Arbeitslosigkeit
Mikro, Makro und Wirtschaftspolitik
Literatur:
Ahrns, H.-J. und H.-D. Feser (1997, 2000), Wirtschaftspolitik
– Problemorientierte Einführung, Oldenbourg Verlag, Kapitel 1.
Mankiw, N.G., Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, Kapitel 10
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4.1 Marktversagen und Wirtschaftspolitik
Wohlfahrtsökonomik als wirtschaftspolitisches Leitbild
Die Vorstellung einer funktionierenden Marktwirtschaft
Die Interpretation des Marktergebnisses als Maximierung
der Summe aus Konsumentenrente und Produzentenrente,
vollständige Konkurrenz auf den Märkten und die
Erfüllung der Marginalbedingungen:
→ Grenzkosten = Preis = Grenznutzen
Die Aufgabe der Wirtschaftspolitik
• Schaffung der Rahmenbedingungen
• Internalisierung externen Effekte
• Bereitstellung öffentlicher Güter
• Aufrechterhaltung des Wettbewerbs
• Erzielung eines sozial akzeptierten Verteilungsziels
• Stabilitäts- und Wachstumspolitik
→
Wirtschaftspolitik abgeleitet
aus der Theorie des Marktversagens
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Marktversagen
Allokation
– Der marktwirtschaftliche Koordinationsmechanismus
versagt im Falle öffentlicher Güter
– Das marktwirtschaftliche Preissystem liefert “falsche”
Informationen, sofern externe Effekte auftreten
– Der für die Funktionsfähigkeit von Marktsystemen notwendige
Wettbewerb ist keine sich selbst erhaltende Institution
Distribution
– Es wird keine sozial befriedigende Absicherung gegen
die vielfältigen individuellen Lebensrisiken erreicht
– Die Ungleichheit der Verteilung erzeugt Konflikte,
die die Stabilität des Systems in Frage stellen
Konjunktur und Wachstum
– Das Marktsysteme kann gesamtwirtschaftliche Instabilitäten
(Unterbeschäftigung) nicht aus eigener Kraft beseitigen
– Es ist nicht gesichert, daß marktwirtschaftliche Systeme
stets eine ausreichende ökonomische Dynamik entfalten
In Anlehnung an Ahrns, H.-J. und H.-D. Feser (1997)
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Externe Effekte und öffentliche Güter
A Das Problem
Externe Effekte sind dadurch gekennzeichnet,
– dass ein Akteur nicht sämtliche von ihm verursachte Kosten selbst trägt
– oder nicht sämtliche von ihm erzeugten Nutzen entgolten bekommt.
Definition:
Differenz zwischen
– sozialen (gesamtgesellschaftlich entstehenden)
– und privaten (beim Verursacher anfallenden)
Kosten und Nutzen
Unterscheidung:
– Entstehung/Betroffenheit bei der Produktion/beim Konsum
– positive und negative externe Effekte
Im Regelfall: Einzelne oder wenige Verursacher, viele Betroffene
Klassifikation
a) technologische Externalitäten
Beispiele: Ein Industrieunternehmen reduziert durch seine Abwässer die Gewässerqualität,
ein Unternehmen entwickelt ein neues Produkt, das die Kosten der anderen senkt
Wichtige Bereiche: Umwelt, Forschung und Entwicklung, Innovation, Bildung
b) pekuniäre externe Effekte
Beispiel: Das Angebot eines Billiganbieters senkt den Gewinn der anderen Unternehmen
Pekuniäre externe Effekte steuern die Allokation in einem
marktwirtschaftlichen System, sie sind erwünscht und notwendig
c) psychologische externe Effekte
Wichtig für die Verteilungspolitik:
– Präferenz für Gleichverteilung als Begründung für Verteilungspolitik
– Neid (Abfindungen für Manager)
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Folge bei technologischen externen Effekten:
– Die Marktpreise spiegeln die Kosten nicht vollständig wider
– Möglichkeit eines die Wohlfahrt steigernden wirtschaftspolitischen Einflusses
Folgen für die Wirtschaftspolitik:
Positive externe Effekte:
Trittbrettfahrerproblem, öffentliches Gut, der Verursacher hat ein Interesse
an Entschädigung und hat Einfluss auf Produktion,
wird erst bei fehlender Ausschließbarkeit zum Problem
Negative externe Effekte:
Der Geschädigte kann sich nicht wehren,
es stellt sich die Frage nach der Haftung und nach den Eigentumsrechten
Optimale Schädigung
– Grenzschaden und Grenzkosten der Vermeidung
– Grenznutzen und Grenzkosten der Entstehung
Ergebnis: keine vollständige Vermeidung der externen Effekte
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B Instrumente der Internalisierung
Beurteilung unter den Gesichtspunkten
– Statische Effizienz
Kosten – Nutzen – Transaktionskosten
– Dynamische Effizienz
langfristige Analyse der Wirkungen, Anreizeffekte zur Vermeidung
– Treffsicherheit
optimales Schädigungsniveau
– Umgehungsmöglichkeiten
Steuervermeidung, Missachtung von Ge- und Verboten
– Auswirkungen auf die Verteilung
Wer trägt die Kosten?
– Politische Durchsetzbarkeit
Bedeutung von Verteilungsaspekten
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1 Moralische Appelle
Stichwort: Das macht “man” nicht!
Grundsätzlich nur teilweise erfolgversprechend,
wenn “ökonomisches” Handeln unterstellt wird
Problem: Der Markt (der Wettbewerb) belohnt soziales Verhalten nicht unbedingt
Aber:
– Ohne soziale Normen würde unsere Gesellschaft nicht funktionieren
– Indirekte Sanktionen gegen unsoziales Verhalten machen es
langfristig unattraktiv, gegen soziale Normen zu verstoßen
– Soziales Verhalten als Marketingstrategie
Moralische Appelle sind weniger ein Mittel der Wirtschaftspolitik,
als ein Mittel der Öffentlichkeit/der Medien
Moralische Appelle sind fragwürdig unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten
2 Staatliche Bereitstellung
“Öffentliches Gut”, wichtig bei positiven externen Effekten
Beachte:
– Umweltverschmutzung als negativer externer Effekt
– Umweltschutz als positiver externer Effekt, öffentliches Gut
Probleme:
– Statische Effizienz: Verzicht auf den Koordinationsmechanismus Markt
und die damit einher gehenden Effizienz- und Anreizwirkungen (Bürokratie)
– Treffsicherheit (optimale Schädigung):
Die Bestimmung der optimalen Menge und die Frage der Preisbildung
Eigene Produktion vs. Auftragsproduktion: Die Rolle für den Markt
– Dynamische Effizienz (Anreizwirkungen):
Keine Suche nach marktwirtschaftlichen Lösungen,
um das Problem zu vermeiden
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3 Fusion, kollektive Bereitstellung
Zusammenschluss von Schädiger und Geschädigten,
bzw. von Produzent und Konsument (Nutzer)
Beispiel: F&E Kooperation
Die “kleine”staatliche Lösung:
– Nicht immer möglich (Unternehmen und Haushalte)
– Auswirkungen auf Marktmacht
– Transaktionskosten bei fehlender gesetzlicher Durchsetzung
– Trittbrettfahrer
4 Ge- und Verbote, Auflagen
Auf den ersten Blick einfach: geringe direkte Kosten
– Problem der Dosierung, Treffsicherheit,
– keine Berücksichtigung der Kosten der Vermeidung,
– geringe Anreize für Vermeidung (dynamische Effizienz)
5 Steuern bzw. Subventionen
– Klassische ökonomische Methode: Pigou-Steuer und Subvention
Hohe statische und dynamische Effizienz
aber Informationsproblem bezüglich des Ausmaßes des externen Effekts
Anderer Ansatzpunkt: Subventionierung der Vermeidung
Problem: geringere dynamische Anreize, Bürokratie
Beispiel: Steuern auf Benzin versus Subventionierung des ÖPNV
6 Verhandlungen
Allokationsoptimum auch ohne staatlichen Eingriff erzielbar!
Geschädigte belohnen Schädiger für weniger Schaden
bzw. Schädiger zahlen an Geschädigte
– Frage der Haftung und der Eigentumsrechte
– dezentrale Lösung (gut), der Staat legt hier nur RECHTE fest
– hohe Transaktionskosten
Theoretisch reizvoll aber praktisch kaum anzutreffen
(fehlende Eigentumsrechte, hohe Kosten)
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7 Zertifikate
Es darf nur der verschmutzen, der Zertifikate besitzt,
der Staat legt Menge fest
Vergleich
– Steuer (Preis der Verschmutzung)
– Zertifikate (Menge der Verschmutzung)
Zertifikate definieren Eigentumsrechte an der Umwelt
Beispiel: CO2 Zertifikate
hat sich aber praktisch (noch) nicht durchgesetzt (warum?)
Grundsätzlich ebenso gut (optimal) wie Pigou-Steuer und
Verhandlungslösung, im Prinzip geringere Transaktionskosten
Die Bedeutung der Haftung
– Haftungsrecht legt fest, was als externer Effekt auftritt
– Vollständige Haftung:
Es gibt keine technologischen externen Effekte mehr
Zusammenfassende Bewertung unter Effizienzgesichtpunkten
Rahmenbedingungen, Anreize setzen ist besser als direkt zu steuern
(Staatsversagen, dynamische Effizienz)
praktisch relevant
– Steuern und Subventionen (+)
– Staatliche Bereitstellung (+ –)
– Auflagen, Ge- und Verbote (– +)
– Haftung als Voraussetzung privater Lösungen (+)
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4.2 Staatsversagen
• Die Wähler entscheiden über Politiker, Parteien und Sachfragen nach dem Kalkül
ihres eigenen Vorteils, nicht nach der gesamtwirtschaftlichen Vorteilhaftigkeit
Eine konsistente Ableitung der wirtschaftspolitischen Ziele aus einer
gesellschaftlichen Wohlfahrtsfunktion ist nicht möglich
• Auch Politiker handeln eigennützig
Politiker, die nicht nach dem Kriterium der Wiederwahl handeln,
werden in der Zukunft keine Regierungsverantwortung mehr tragen
• Die Politiker orientieren ihre Programme an den Präferenzen des Medianwählers
Eine Übereinstimmung der Wünsche des Medianwählers mit den
Empfehlungen der Theorie des Marktversagens wäre rein zufällig
• Von Politikern und Wählern nicht kontrollierte Bürokraten können ihr Budget
über das gesamtwirtschaftlich optimale Maß hinaus ausdehnen
Das Angebot öffentlicher Güter ist gesamtwirtschaftlich gesehen zu groß
• Interessengruppen können Politiker und Bürokraten dazu bewegen,
Gesetze und Regulierungen durchzusetzen, die für die jeweilige
Interessengruppe von Vorteil sind
Die Theorie des Marktversagens zeigt, wie es sein sollte
die ökonomische Theorie der Politik beschreibt und erklärt
die tatsächliche Wirtschaftspolitik (wie es ist)
Beide ergänzen sich.
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Wirtschaftspolitik als Prozess
Wähler
↔
Produzenten, Konsumenten
↓
↓
Demokratie
Organisierbarkeit
↓
↓
Regierung ←
← Interessengruppen
Verhandlung
↓
Anweisung
↓
Bürokratie ←
ւ
Verhandlung
↓
Durchführung der Wirtschaftspolitik
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4.3 Wirtschaftssystem und Wohlstand
Wirtschaftspolitik in der sozialen Marktwirtschaft
Der grundlegende Gedanke der sozialen Marktwirtschaft:
“. . . das Prinzip der Freiheit auf dem Markte
mit dem des sozialen Ausgleichs zu verbinden . . . ”
Müller-Armack, 1956
Marktwirtschaftlicher Ordnungsrahmen
Konstituierende Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft
offene Märkte, Vertragsfreiheit, Privateigentum an Produktionsmitteln,
Haftung des Eigentümers, Stabilität der Währung, Konstanz der
Wirtschaftspolitik
nach Eucken, 1952
Politik des sozialen Ausgleichs
Soziale Sicherungssysteme, Verteilungspolitik, Marktkonformität
Leitbild der Wirtschaftspolitik
Wirtschaftspolitik als Korrektiv des Marktes bei Marktversagen
Internalisierung externer Effekte, Bereitstellung öffentlicher Güter,
Wettbewerbspolitik, Verteilungsgerechtigkeit, Stabilität und Wachstum
Liberale Position: Bedeutung des Staatsversagens
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Wirtschaftsordnung
Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft
Konstituierende
Prinzipien
Aufgabe
Wettbewerb,
mikroökonomische Steuerung,
funktionsfähiges Preissystem Effizienz
offene Märkte,
Gewinne und Verluste,
Privateigentum, Haftung,
Einkommensverteilung
Vertragsfreiheit
monetäre Stabilität,
makroökonomische
stetige Wirtschaftspolitik
Steuerung
Regulierende
Prinzipien
Sicherung des Wettbewerbs
Internalisierung
externer Effekte
Umverteilung,
soziale Sicherung
+
+
+
=
Erfordernis
Kartellamt
Sicherheitsvorschriften,
Abgaben und Förderung
progressive Einkommensteuer,
Kranken-, Renten-, ArbeitslosenVersicherung, Sozialhilfe
Individuelle Freiheit
Privateigentum
Wettbewerb
soziale Sicherung
Soziale Marktwirtschaft
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Fallbeispiel: Die Einkommen in der Welt
4.4 Ursachen der Arbeitslosigkeit
Abschlussdiskussion !
– Mikroökonomische Analyse
– Makroökonomische Analyse
– die Bedeutung der Wirtschaftspolitik
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