Pflanzen- und Intelligente Materialien Agrarbiotechnologie Verknüpfte Themen Grundlagen Intelligente (smarte) Materialien besitzen die Fähigkeit, auf Stimulationen oder Veränderungen in der Umgebung zu reagieren und ihre Funktion daran anzupassen. Piezoelektrische Materialien, Formgedächtniswerkstoffe, magneto- und elektrostriktive Materia­ lien und funktionale Fluide werden zur Beeinflussung der mechanischen Eigenschaften eines Systems eingesetzt. Man unterscheidet je nach physikalischem Effekt zwischen Sensoren (Wandlung mechanischer Energie in elektrisch messbare Größen) und Aktoren (Wandlung anderer Energieformen in mechanische Energie). Die Materialien an sich sind noch nicht „smart“ oder „intelligent“, da sie entweder nur sensorisch oder nur aktorisch wirksam sind bzw. immer nur einer der Effekte genutzt werden kann. Um „smart“ zu werden, Verbundwerkstoffe Keramiken Nanomaterialien Sensorik Bionik Mikrosystemtechnik Flugzeuge Intelligente Materialien und ihre aktuatorische und sensorische Wirkung: Ein elektrisches Feld wird z. B. von Piezokeramiken in eine mechanische Deformation übertragen (aktorische Wirkung). Umgekehrt kann eine Piezokeramik eine mechanische Deformation in elektrische Spannung umwandeln (sensorische Wirkung). Quelle: Fraunhofer-LBF müssen die sensorischen und aktorischen Materialien zusammen mit einer elektronischen Regelungseinheit zu einem Materialverbund vereint werden. Die Bezeichnung „smart / intelligent“ hat sich dennoch auch für die Basismaterialien und ihre Wandlereigenschaf­ ten etabliert. Piezoelektrische Materialien. Diese Materialien sind derzeit die am weitesten verbreiteten intelligenten Materialien. Beim direkten Piezoeffekt generiert das Aufbringen einer Kraft eine messbare elektrische Ladung auf der Oberfläche. Piezokeramiken werden daher als Sensoren für mechanische Größen (Kräfte, Deh­ nungen, Beschleunigungen) eingesetzt. Beim indirek­ ten piezoelektrischen Effekt verursacht ein äußeres angelegtes elektrisches Feld eine Dehnung des Mate­ rials bzw. eine Kraft. Somit können Piezokeramiken auch als Aktoren eingesetzt werden. Piezokeramiken zeichnen sich durch eine extrem kurze Ansprechzeit bei hohen Kräften aus, weshalb sie bis in den hörbaren Bereich für Anwendungen in der Schwingungsbekämp­ fung hinein geeignet sind. Nachteilig ist die nur gerin­ge Dehnung von 0,1–0,2 % (das entspricht in der Regel einem Hub im Bereich nur weniger Mikrometer), die benötigten hohen elektrischen Spannungen (je nach Ausführungsart einige 100 V) sowie die re­lativ nie­dri­ge Energiedichte. Der wesentliche Vorteil ist, dass Piezo­ werkstoffe als polykristalline Materialien her­ge­stellt werden und dafür massentaugliche Fertigungsverfahren verfügbar sind. Dies führt zu einer mittlerweile großen Anzahl von Fertigungs- und Auslegungsvarian­ ten, von denen Stapelaktoren und Biegewandler die wichtigsten Vertreter sind. Die Integration von piezokeramischen Fasern oder Folienmodulen in passive Strukturen ist am weitesten fortgeschritten. Formgedächtniswerkstoffe. Unter Formgedächt­ nislegierungen (FGL) versteht man Metalllegierun­ gen, die in der Lage sind, ihre Gestalt durch Gefüge­ umwandlung in Abhängigkeit von der Temperatur oder magnetischen Feldern zu ändern. Derzeit werden fast ausschließlich die thermisch aktivierten Formgedächtnislegierungen genutzt. Grundlage des Formgedächtniseffekts ist eine thermoelastische, martensitische Gefügeumwandlung der Legierung. Die martensitische Niedertemperaturphase mit kubisch flächenzentriertem Gitter entsteht aus der austenitischen Hochtemperaturphase durch Faltun­gen, 37 Direkter und indirekter Piezoeffekt: Beide Effekte erklären sich durch Vorgänge auf atomistischer Ebene anhand der Besonderheiten der Kristallstruktur von Piezoelektrika. Links: Beim direkten Piezoeffekt wird der Kristall im Vergleich zum Ausgangszustand (linkes Bild) durch die aufgebrachte Kraft F (rechtes Bild) gedehnt. Diese mechanische Deformation bewirkt die Veränderung der gegenseitigen Lage der Ionen im Kristallgitter. Aufgrund ihrer elektrischen Ladung bewirkt dies eine elektrische Verschiebung D, die an den Oberflächen des Kristalls eine messbare elektrische Ladung generiert (Sensoreffekt). Rechts: Beim indirekten Piezoeffekt wird durch das von außen angelegte elektrische Feld E eine Kraft auf die Ionen ausgeübt, auf die der Kristall mit einer Deformation der Gitterstruktur reagiert. Dies ist makroskopisch durch eine geringe Verformung im Bereich von 0,1–0,2 % der Abmessungen des Bauteils nachweisbar (Aktor-Effekt). abkühlen Thermischer Formgedächtniseffekt. Links: In der martensitischen Tieftemperaturphase (unten links) ist der Werkstoff leicht verformbar und kann stark gedehnt werden (bis 8 %) (unten rechts). Durch Temperatureinwirkung „erinnert“ sich das Material an die ursprüngliche Gestalt, indem es durch Aufheizen in eine Austenit-Phase (oben) und beim Abkühlen wieder in die ursprüngliche martensitische Phase übergeht. Rechts: Eine aufgebogene Büroklammer aus FGL : Der lange Draht nimmt nach Erhitzen und Abkühlen wieder seine ursprüngliche Gestalt der Büroklammer an. Quelle: Fraunhofer-LBF /Siemens AG erwärmen Austenit verformen Martensit Dehnung Martensit die als Zwillingsbildung bezeichnet werden. Der so entstandene Martensit ist leicht verformbar, da die Faltungen des Kristalls hochbeweglich sind. Wird der Werkstoff mechanisch gedehnt, so „entfaltet“ sich die Struktur. Auf diese Weise kann ein maximaler, reversibler Verformungsgrad von etwa 8 % erreicht werden. Diese Verformung wird Pseudoplastizität genannt und ist bleibend, solange das Material bei tiefer Temperatur verbleibt. Wird der verformte Martensit jedoch erwärmt, stellt sich bei Überschreiten der Umwandlungstemperatur die austenitische Kristallorientierung und damit die ursprüngliche Gestalt wieder ein. Die dabei generierten Dehnungen sind technisch als aktorischer Effekt verwertbar. FGL verfügen neben der hohen Dehnungsgenerierung über ein hohes auf das ein- gesetzte Materialvolumen bezogenes Arbeitsvermögen bei hoher Krafterzeugung. Ihr wesentlicher Nachteil ist die „träge“ Reaktion auf die thermische Stimulanz, was Anwendungen in der Schwingungsreduktion erschwert. Zudem ist es schwierig, den Aufheizmechanismus zu realisieren und das Gesamtsystem in eine Struktur zu integrieren. Da es keinen „inversen“ Effekt wie bei den Piezokeramiken gibt, können FGL nur als Aktoren eingesetzt werden. Elektro- und magnetostriktive Materialien. Elektrostriktion ist ein dem inversen Piezoeffekt ähnlicher Effekt, der in allen Substanzen auftritt. Auch hier führt ein äußeres elektrisches Feld zu einer mechanischen Deformation. Physikalisches Prinzip ist die Verschiebung eines Teils der Elektronenhülle ge-