Zertifikat Fahrzeugmechatronik Unterlagen zum Praktikumsversuch Vorbereitung Piezoelektrische Biegeschwinger (aktiv und passiv) WS 2003/04 Prof. Dr.-Ing. Alexander Horoschenkoff, FB 03 ----- Alle Rechte beim Autor ---- Prof. Dr.-Ing. A. Horoschenkoff 1. Piezoelektrische Grundlagen 1.1 Piezoelektrische Kristalle Keramiken, die den Piezoeffekt zeigen, gehören zur Gruppe der Ferroelektrika. Heute werden fast ausnahmslos Systeme auf Bleizirkonat-Titannat-Basis (PZT) verwendet (Abbildung 1). Abbildung 1: Kristallografische Grundstruktur [1] Oberhalb der s.g. Curie-Temperatur, besteht PZT aus einem einfachen kubischen Gitter (linkes Bild in Abbildung 1), Man erkennt, dass die Schwerpunkte der positiven und negativen Ladungen hier zusammenfallen. Beim Unterschreiten der Curie-Temperatur geht das Gitter aus energetischen Gründen vom kubischen in den tetragonalen Zustand über (rechtes Bild in Abbildung 1). Dabei fallen die Ladungsschwerpunkte nicht mehr zusammen und in jeder Elementarzelle entsteht ein elektrischer Dipol. Piezoelektrische Keramiken verlieren spätestens bei dieser Temperatur ihren während der Produktion aufgeprägten Polarisationszustand. Aus diesem Grund sollte die Betriebstemperatur maximal die Hälfte der Curietemperatur betragen. Durch Anlegen eines starken elektrischen Feldes etwas unterhalb der Curie-Temperatur können die Dipole in Polarisationsrichtung ausgerichtet werden. Abbildung 2: Ausrichtung der dipolaren Kristalle a) vor der Polarisierung b) während der Polarisierung c) nach der Polarisierung Prof. Dr.-Ing. A. Horoschenkoff 1.2 Piezoelektrische Effekte Man unterscheidet zwei Effekte: 1. Direkter piezoelektrischer Effekt: Bei mechanischer Beanspruchung wird elektrische Ladung auf den Außenflächen erzeugt. 2. Umgekehrter piezoelektrischer Effekt: Durch Anlegen eines elektrischen Feldes auf der Außenfläche eines Elements kann eine Formänderung hervorgerufen werden. Generell kann gesagt werden, dass bei piezoelektrischen Effekten • • • • • die erzeugten elektrischen Spannungen sehr hoch sind (bis zu 2000 V, die erzeugten elektrischen Leistungen sehr gering sind (mW) hochfrequente Anwendungen im Vordergrund stehen (10 bis 20 000 Hz) größere Formänderungen nur mit mechanischen Übersetzungen möglich sind (z.B. Biegung, Torsion) die Effekte am besten genutzt werden, wenn Polarisationsrichtung und Richtung der Auslenkung gleichgerichtet sind Prof. Dr.-Ing. A. Horoschenkoff 1.3 Bauweisen von Piezoaktuatoren bzw. Sensoren Stapelbauweise Piezofasermodul Piezoelektrische Fasern Elektroden Prof. Dr.-Ing. A. Horoschenkoff 1.4 Elektromechanische Eigenschaften: Kopplungsfaktor Maß für die Effizienz der Energieumwandlung elektrisch zu mechanisch. Für Bauteile mit elektrischer Vorspannung gilt: gespeicherte mechanische Energie k 2 = --------------------------------------gesamte gespeicherte Energie bzw. für Bauteile mit mechanischer Vorspannung gespeicherte elektrische Energie k 2 = --------------------------------------gesamte gespeicherte Energie Piezoelektrische Spannungskonstante g Verhältnis von erzeugter elektrischer Feldstärke zu beaufschlagter mechanischer Spannung, ausgedrückt in Voltmeter/Newton (direkter Piezoeffekt) oder: Verhältnis von erzeugter Dehnung zu beaufschlagter Ladungsdichte, ausgedrückt in Quadratmeter/Coulomb (inverser Piezoeffkt) g31 angelegte mechanische Spannung oder erzeugte Dehnung hat 3 Richtung erzeugte Feldstärke oder angelegte elektrische Verschiebung hat Richtung 1 Piezoelektrische Ladungskonstante d Verhältnis von entstehender Ladung zu beaufschlagter Kraft, ausgedrückt in Coulomb/Newton (direkter Piezoeffekt) oder: Verhältnis von erzeugter Dehnung zu angelegter elektrischer Spannung, ausgedrückt in Meter/Volt (inverser Piezoeffekt) Der erste Index an der piezoelektrischen Ladungskonstante (Verhältnis zwischen elektrischer Verschiebung und mechanischer Spannung oder zwischen Dehnung und Feldstärke) bezieht sich auf die erzeugte elektrische Verschiebung, der zweite auf die angelegte mechanische Spannung bzw. die erzeugte Dehnung d33 angelegte mechanische Spannung oder erzeugte Dehnung hat Richtung 3 erzeugte elektrische Verschiebung oder angelegtes Feld hat Richtung 3 Prof. Dr.-Ing. A. Horoschenkoff 1.5 Kennwerte für Plattenmaterial Sonox P53 Curietemperatur 215oC Dichte 7,83 10*3 kg/m3 Kopplungsfaktor k31 = 0.38 k33 = 0.74 k15 = 0.75 Ladungskonstante d33 = 680 *10-12 C/N d31 = -275 * 10-12 C/N d15 = 770 * 10-12 C/N Spannungskonstante g33 = 19* 10-3 Vm/N Mechanische Eigenschaften: Elastische Nachgiebigkeit Prof. Dr.-Ing. A. Horoschenkoff S11 = 15.8 10*-12 m2/N S33 = 22.9 10*-12 m2/N 2. Mechanische Grundlagen 2.1 Freie, ungedämpfte Schwingung (harmonische Schwingung) Für kleine Dämpfung (Dämpfungsgrad ϑ << 1 gilt: Die Amplitude nimmt mit der e-Funktion ab. Die Eigenfrequenz des gedämpften Systems ist von der Amplitude unabhängig, Die Schwingung klingt um so schneller ab, je größer die Dämpfung ist und je kleiner die Masse ist. Aus dem Abklingverhalten der Amplituden kann das logarithmische Dekrement Λ bestimmt werden: Λ = ln Prof. Dr.-Ing. A. Horoschenkoff A1 = 2π ϑ A2 2.2 Der Einmassenschwinger Federsteifigkeit C Masse m Für die Eigenkreisfrequenz ω o gilt: ωo = C m C = Federsteifigkeit [N/mm] m = Masse des Schwingers Es gilt folgender Zusammenhang zwischen Eigenkreisfrequenz und Eigenfrequenz: ω o = 2π f Prof. Dr.-Ing. A. Horoschenkoff Der Kragbalken l F x Länge l Breite b = b (x) Höhe h Mb Momentenverlauf: M b = F (l − x) Dehnungsverteilung im Biegebalken: σ= Mb y IX σ max = Flächenträgheitsmoment: b h3 IX = 12 Randfaserdehnung: ε= σ E Prof. Dr.-Ing. A. Horoschenkoff Mb h IX 2 Bedingung für konstante Randfaserdehnung: ε = konst. = 6 F (l − x) Eb( x ) h(2x ) Für h = konst.: b( x ) = bo (l − m x) 2.3 Die erzwungene Schwingung Phasenwinkel δ Zusammenhang zwischen Phasenwinkel und log. Dekrement: tan δ = Prof. Dr.-Ing. A. Horoschenkoff Λ π 1. Aufgabe: Ein piezoelektrischer Zylinder von 20 mm Länge und einem Querschnitt von 1 cm2 wird druckbelastet, wobei sich mechanische in elektrische Energie umwandelt. Die Elektroden sind offen. Kraftrichtung und Polarisationsrichtung sind gleichgerichtet. Es gilt: E = gσ E = Elektrische Feldstärke [V/m] G = Spannungskonstante [Vm/N] = Spannung [N/m2] weiter gilt U =El und σ = F A U = −g l F A U = elektrische Spannung [V] l = Länge des Zylinders [m] Es kann gezeigt werden, dass die erzeugte Ladung unabhängig von den Abmessungen des Zylinders sind. 2. Aufgabe: Für die Umwandlung von elektrischer in mechanische Energie gilt: ε =d E=d mit ε = ∆l / l U l ∆l = d U Die Längenänderung ist unabhängig von den Abmessungen des Zylinders. Zur Erzeugung größerer Abmessungen müssen piezoelektrische Scheiben gestapelt werden oder Biegeelemente verwendet werden. Prof. Dr.-Ing. A. Horoschenkoff 3. Aufgabe: 3.1 Umwandlung von mechanischer Verformung in elektrische Ladung a) Messen Sie die elektrische Spannung als Funktion der Dehnung: b) Wie sind Verformungssrichtung und Polarisationsrichtung zueinander ausgerichtet? c) Bestimmen Sie die piezoelektrischen Kenngrößen 3.2 Dämpfung des Einmassenschwingers Bestimmen Sie die Kapazität der Piezos a) Bestimmen Sie die Eigenfrequenz des Schwingers ohne Piezos b) Bestimmen Sie die Eigenfrequenz des Schwingers mit Piezos c) Bestimmen Sie die Dämpfung des Schwingers ohne Piezos • Bestimmen Sie die Amplitudenhöhe nach der ersten und der fünften Schwingung. • Bestimmen Sie die Abklingkonstante, das logarithmische Dekrement und den Dämpfungsgrad c) Messen Sie die Dämpfung des Schwingers mit Piezos ! Mit offenen Kontakten (Open Circuit) ! Kurzgeschlossen (Short Circuit) ! mit optimalem Widerstand (max. Dissipation wenn die mechanische Kreisfrequenz gleich der Erregerkreisfrequenz der Piezos ist) Ropt . = C 1− k 2 C o 2π f R d) wie ändert sich die Steifigkeit des Biegebalkens für R = 0 und R = unendlich? Prof. Dr.-Ing. A. Horoschenkoff e) Elektromagnetischer Schwingkreis (semiaktive Dämpfung) R C L Ein Dämpfungseffekt tritt auf, wenn die Eigenkriesfrequenz des Schwingkreises mit der Erregerkreisfrequenz, sprich der Eigenfrequenz des mechansichen Systems, übereinstimmt. So kann der Kraftanregung entgegengewirkt werden. Mechanisch ωo = C m Elektromagnetisch ωo = 1 CL 3.3 Aktives Verhalten a) Bestimmen Sie die Spannung des Frequenzgenerators b) Bei welcher Erregerfrequenz ist die Anregeung maximal? c) Was versteht man unter aktiver Dämpfung? Literaturverzeichnis: 1. K. Ruschmeyer, Piezokeramik, Expert verlag, 1994 2. Piezoelektrische Bauteile, CeramTec AG in Lauf, 2002 3. Stephen W. Tsai, Composite Design, Think Composite Dayton, USA, 1988 Prof. Dr.-Ing. A. Horoschenkoff