Nummer 1 ~ 2009 Andreas Kroh Mödling an der Korallensee Am Fuße des Anninger gelegen, umgeben von Weingärten und Industriege- bieten, ist es schwer vorstellbar, dass Mödling einmal an einem tropischen Meer lag. Dennoch gibt es zahlreiche Zeugen aus der geologischen Vergangenheit, die dies belegen. Tauchen wir ein in 16 Miflionen Jahre Erdgeschichte! Mödling liegt am westlichen Rand des südlichen Wiener Beckens, einer Tiefebene, die ihren Ursprung vor rund 16 Millionen Jahren hat. Zu dieser Zeit waren Alpen und Karpaten noch Tei l eines gemeinsamen, ungeteilten Gebirgsgürtels. Von Afrika nach Norden gedrängt hob sich das junge Gebirgsmassiv aus dem Meer, das zu jener Zeit weite Teile Europas bedeckte. Während die Nordwärts-Bewegung der Alpen durch ein Hindernis - die Böhm ische Masse, Wurzel eines uralten Gebirgsstockes - gestoppt wurde, konnten sich die Karpaten weitgehend ungehindert nach Norden bewegen. Massive Spannungen, verursacht durch die Zerrbewegung zwischen Alpen und Karpaten , waren verantwortlich für das Aufreißen und Absi nken eines großen Gebiets im Grenzbereich der beiden Gebirge - die Geburt des Wiener Beckens. Fortschreitendes Absinken führte zum Eindringen des benachbarten Meeres, der Paratethys. Die Paratethys war ein tropisches Flachmeer mit Korallenriffen , fischen , Delphinen HaiWalen , und Seekühen. Sie erstreckte sich zur Österreich und seine Nachbarländer zur Zeit des Badener Meeres. vor rund 15 Millionen Jahren. Grafik von Kriemhild Repp, basierend auf paläogeographischen Karten von Fred Rög!. © NHM Wien Zeit ihrer größten Ausdehnung vom Rhöne Becken in Frankre ich bis in die Transkaspische Region und war in ihrer Größe vergleichbar mit dem heutigen Mittelmeer. Mit letzterem war die Paratethys nur zeitweise verbunden. Die kontinuierliche Hebung der alpidischen Gebirge (Alpen, Karpaten , Dinariden) trennte die be iden Meeresbereiche im Laufe der Erd- Seite 24 Nummer 1 - 2009 geschichte mehrfach. Die Verbindungen lagen im wesentlichen in drei Regionen: Eine schmale Meerestraße verlief über das Rhöne Becken, die Schweizer und Bayrische Molasse bis nach Österreich. Eine weitere Meeresenge befand sich im Bereich des heutigen Kroatien und Slowenien. Die größte und am längsten aktive Verbi ndung existierte weit im Osten, im Grenzgebiet zwischen der Türkei und Armenien . Durch die im Westen stärkere Hebung verlandete der Meeresbogen nördlich der Alpen rasch und war zur Typi sche fossile Wei chtiere aus den Sanden des Badener Meeres. Photograp hie von Alice Schuma- Zeit des Wiener Beckens, vor rund eher. © NHM Wien 15 Millionen Jahren, bereits Land. Das Wiener Becken zählt zu den am besten untersuchten geologischen Regionen der Welt . So konnten hier rund 800 verschiedene Muschel- und Schneckenarten nach Mödling gewiesen Ihre werden . nächsten Ver- wandten leben heute meist im Roten Meer oder Indischen Ozean. Der tropische Charakter dieses Flachmeeres ist durch die Funde jener Wärme liebenden Schalentiere, aber "",b_L~'..l_--,~,l~=:':k:m~ auch durch die Skeletr::;::"3.l Alpi~e O::::id Gestein e D Ablagerungen des Baden ium D D ~;sze ; tI ;che Überlageru ng rTl StÖl"Ungen LLJ rallen, Ablagerungen f1III"'l Ablagerungen des Sarmatium ~ des Pa nno~ ium Vereinfachte geologische Karte Mödlings und des Eichkogels _ Ver~nder! nach Harzh auser & Bi ~d e r te von tropischen Ko- (2004). © NHM Wien Seeigeln und Fischen gut dokumentiert. Die Ursache für das, im Vergleich zu heute, wärme re Klima lag einerseits an der weltweit höheren Temperatur und S e ile 2 5 Nummer 1 • 2009 andererseits an der südlicheren Position Europas zu jener Zeit. Messungen des früheren Magnetfeldes der Erde , dokumentiert durch mikroskopisch kleine, in den Meeresablagerungen eingebettete, magnetische Mineralien ergaben, dass sich Österreich damals fast auf der Höh e des heutigen Tun is befand, Zeugen des tropischen Paratethys-Meeres sind im Mödlinger Stadtgebiet heute kaum mehr zu finden , nur mit viel Glück gelingt der Zufallsfu nd einer Auster oder Pilgermuschel in den Weingärten an den Hängen am Westrand der Stadt. Doch auch die Gesteine selbst geben Zeugn is über die Vergangenheit. Gut gerundete Schotter in denselben Wei ngärten sind Reste ehemaliger Flachwasserbereiche. Sie bestehen vorwiegend aus Hauptdolomit und stammen von den umliegenden Hügeln, wo sie von den Wellen des Paratethys-Meeres abgetragen wurden . Der Hauptdolomit ist ein graues, uno scheinbares Gestein aus stark verfestigtem, ehemaligem Meeresschlamm aus einer viel früheren Epoche der Erdgeschichte, dem älteren Erdmittel alter, mit einem Alter von rund 215 Millionen Jahren. In den großen Stein brüchen zwischen Goldener Stiege und Prießnitztal wurde eben dieses Gestein im ausgehenden 19ten und am Beginn des 20ten Jahrhunderts abgebaut. In diese Zeit fallen auch die mei sten paläontologischen Funde aus ÖSterreich und seine NaChbarländer zur Zeit des Pannon-See. vor rund 10 Millionen Jahren. Grafik von Kliemhild Repp, basierend auf Paläogeographischen Karten von Fred Rögt. CI NHM Wien dem Mödlinger Stadtgebiet - ein Effekt der regen Bautätigkeit jener Zeit. Große Teile Möd lings sind allerdings mit jüngeren Ablagerungen bed eckt. Sie zeugen von der fortschreitenden Isolation des Paratethys-Meeres. Ablagerun- Seile 26 Nummer 1 - 2009 gen des Sarmatiums, mit einem Alter von rund 12 Millionen Jahren , enthalten eine artenarme, aber individuenreiche Fauna . Es sind vor allem Weichtiere, allen voran Schnecken , die es verstanden , den neuen Lebensraum zu erschließen und sich an die veränderten Umweltbedingungen anzupassen. Viele andere, in Bezug auf den Wasserchemismus empfindlichere Meerestiere , darunter Haifische, Seeigel, Korallen und eine große Zahl an KleinstIebewesen hatten dies nicht geschafft und starben in der Paratethys aus. Im Mödlinger Stadtgebietsind Sande des Sarmatiums vorallem in einem schmalen Band zwischen Dr. -Ludwig-Höfler-Gasse und Neusiedlerstraße/Grutschgasse sowie am Sattel zwischen Eichkogel und Anninger aufgeschlossen. Östlich dieser linie folgt ein Streifen aus Sanden des Pannonium mit einem Alter von rund 10 Millionen Jahren. Sie werden im Osten durch Schotterablagerungen der letzten Eiszeit abgelöst, die Grenze verläuft etwa auf Höhe Natürliche Ausgusse von fossilen Posthornschnecken aus dem SOßwasser1c.alk des Eichkogel. C NHM Wien der Franz-Schubert-Gasse, Viechtlgasse und Dr.-Karl-Giannoni-Gasse. Zu jener Zeit war die Paratethys nun vollständig von den Weltmeeren getrennt, und weite Teile trockneten aus. Bedingt durch den Eintrag von Süßwasser durch Regen und Flüsse wurde aus dem ehemaligen Meer im Lauf der Zeit ein riesiger See. Hunderte, nur hier lebende Tierarten entwickelten sich. Seite 27 Nummer 1 - 2009 Der Schlamm am Grund des flachen Pannon-Sees ist im Wiener Becken in Form von blau-grauem Ton überliefert. In zahlreichen Tongruben entlang der Triester Strasse zwischen Vösendorf und Guntramsdorf wurde dieser Ton zur Herstellung von Ziegeln abgebaut. Der Großteil der Gebäude des Großraums Wien bestehen somit aus fossilem Seeboden. Mit etwas Glück kann beim sommerlichen Badevergnügen die eine oder andere Muschel des Pannonsee in der Uferböschu ng eines der Ziegelteiche gefunden werden. Der Bereich des Eichkogels im Süden von Mödling ist fast vollständig von Ablagerungen des Pannonium bedeckt. Bei Ausgrabungen des Naturhistorischen Museums und der Universität Wien am Richardhof und Eichkogel konnten hier za hIreiche ve rste inerte Sä ugetiere dokumentiertwe rde n. Da ru ntervi eie Formen , die heute nur mehr inAsien anzutreffen sind , wie beispielsweise Flughörnchen. Der Gipfelbereich des Eichkogel wird von einer Kappe aus jungen Süßwasserkalksteinen gebildet. schnecken. An den Diese sind reich an versteinerten Südhängen , Richtung Thallern , können Landin den Weingärten Lesesteinmauern bestehend aus diesen creme-weißen Schnekkensteinen beobachtet werden. Diese Ablagerungen sind, abgesehen von den eiszeitlichen Schottern, die jüngsten Sedimente im Raum von Mödling. Quellen : HARZHAUSER, M. & BINDER, H. 2004. Pannonian Molluscs fram the sections Richardhof and Eichkogel in the Vienna Basin (Austria, Late Miocene). Archiv für Mofluskenkunde , 133: 109-165. R OGl, F. & STEININGER, F. F. 1983. Vom Zerfall der Tethys zu Mediterran und Parate- thys. Annalen des Naturhistorischen Museums in Wien, Serie A, 85: 135-163. Schnabel, W. 1997. Geologische Karle der Republik Österreich 1:50.000, Blatt 58 Baden. Geologische Bundesanstalt, Wien. Weiterführende Literatur: PLOCHINGER, B. & KARANITSCH, P. 2002. Faszination Erdgeschichte mit Brennpunkt Mödling am Alpenostrand. Heimat Verlag , Mödling. SCHULTZ, Q. 1998. Terliärfossilien Öterreichs. Goldschneck Verlag, Korb. STEININGER, H. & STEINER, E. 2005. Meeresstrand am Alpenrand. Molassemeer und Wiener Becken. Publication PW1, Bibliothek der Provinz, St. Pölten. WESSELY, G. 2006. Geologie der Osferreichischen Bundesländer. NiedefÖsterreich. Geologische Bundesanstalt. Wien. Seite 28