Adjuvante Therapie des Kolonkarzinoms – Prime time für molekulare Signaturen oder Entscheidung nach Pathologie? Prof. Dr. med. Anke Reinacher-Schick Ruhr-Universität Bochum, St. Josef-Hospital, Abteilung für Hämatologie und Onkologie Neue Aspekte zur Pathogenese des Kolorektalen Karzinoms Kolonkarzinome entstehen bekanntermaßen durch genetische und epigenetische Veränderungen entlang bestimmter Pathways. Die beiden Hauptpathways entwickeln sich durch eine chromosomale Instabilität (CIN) als klassische Adenom-KarzinomSequenz oder durch Mikrosatelliteninstabilität (MSI) auf dem Boden eines defekten Mismatchreparatursystems (serratierter Pathway). Durch weitere molekulare Kriterien wie dem CpG-Island Methylierungsstatus sowie Alterationen in Schlüsselgenen wie KRAS, MGMT und BRAF werden kolorektale Karzinome zunehmend in weitere Subgruppen unterteilt. Zwei aktuelle Publikationen des letzten Jahres untersuchten den prognostischen Wert dieser Subgruppen unter adjuvanter Therapie von Kolonkarzinomen im Stadium III. 2720 Patienten aus der NO147 Studie wurden anhand ihres BRAF und KRAS Mutationsstatus und bezüglich MSI gruppiert. Patienten mit mikrosatelliten-stabilen Tumoren und einer Mutation in entweder KRAS oder BRAF wiesen eine signifikant schlechtere Prognose auf als MSS Patienten ohne Mutation. In fast der Hälfte der Patienten lag ein Mikrosatellitenstabiles Karzinom ohne KRAS oder BRAF Mutation vor. Die Prognose dieser Patienten entsprach annähernd der günstigen Prognose von Patienten mit instabilem Tumor (1). Eine ähnliche prognostische Bedeutung dieser Alterationen wurde auch in einem US Amerikanischen Register gefunden (2). Auf dem aktuellen ASCO wurden mehrere Arbeiten vorgestellt, die Subgruppen des kolorektalen Karzinoms weiter charakterisieren. Schwerpunkt lag auf Mutationsfreqenzen und daraus resultierender Immunantwort durch Neoantigene. So wurden in einer Arbeit über 600 Paraffin-Proben von Patienten mit kolorektalem Karzinom (KRK) mittels whole exome Sequenzierung und HLA Antigen Typisierung untersucht, um einen genomischen Prädiktor für eine Immunantwort auf den Tumor zu charakterisieren (3). Hypermutierte Tumoren weisen signifikant mehr Neoantigene auf. Die Neoantigenlast korreliert mit der Lymphozyteninfiltration, vor allem mit 1 spezifischen Tumor infiltrierenden Lymphozyten sowie der Memory T-Zell-Infiltration und ist signifikant mit einer günstigen Prognose assoziiert. In einer weiteren NGS Analyse fanden die Autoren ebenfalls eine signifikant erhöhte Mutationsfrequenz in MSI Tumoren mit 49.5 versus 6 in MSS Tumoren. Interessanterweise wurden in dieser Arbeit Patienten mit einer PolE (Polymerase E)-Mutation identifiziert, die die höchste Mutationsfrequenz aller Patienten aufwiesen. Bei diesen Patienten liegt keine Mikrosatelliteninstabilität vor (4). Adjuvante Therapie im Stadium II Im Stadium II kann eine adjuvante Fluoropyrimidintherapie mit dem Patienten diskutiert werden, basierend u.a. auf den mittlerweile fast 10 Jahre alten Daten der Quasar Studie. Ältere Metaanalysen hatten für das Stadium II keine signifikante OS Verbesserung finden können (z.B. Gill et al., 2004; Figueredo, 2008). Die Gruppe der Stadium II Patienten ist heterogen mit einer ÜL-Rate um 85%, wobei einzelne Untergruppen eine deutlich schlechtere Prognose aufweisen. Noch immer gibt es keine prädiktiven klinischen, histopathologischen oder molekularen Parameter, die diejenigen 3-5% der Patienten identifizieren, die von einer solchen Therapie profitieren. Neben den bekannten Risikofaktoren wie T4 Kategorie oder Operation im Ileus, ist seit einigen Jahren der Oncotype Dx Prognose-Score verfügbar. Dieser Score beruht auf einer Gensignatur und soll stadienunabhängig das Rezidivrisiko von Patienten nach Resektion eines Kolonkarzinoms anzeigen. Allerdings ist im Gegensatz zum Oncotype Test beim Mammakarzinom dieser Score nur prognostisch und nicht prädiktiv, sodaß er keine Standarddiagnostik für die Therapieentscheidung im Stadium II darstellt. Auf dem diesjährigen ASCO wurde von Meyers et al eine aktualisierte CochraneMetaanalyse vorgestellt. Studien zwischen 1987 und 2014 wurden eingeschlossen, wobei 25 Studien die Einschlusskriterien erfüllten. Es wurden ältere und neuere Studien eingeschlossen, sowie Studien zu regionalen Therapien. In den jüngeren Studien mit über 4000 Patienten konnte in dieser Metaanalyse erstmals ein Überlebensvorteil für adjuvantes 5-FU bei Patienten im Stadium II gezeigt werden (HR 0.84, CI 0.74-0.95). Die analysierten Studien differenzierten jedoch nicht nach bestimmten Subgruppen oder Risikogruppen, sodass aus der Analyse nicht abgeleitet werden kann, welche Stadium II Patienten besonders von der adjuvanten 2 Therapie profitieren. Aufgrund ihrer exzellenten Prognose bleibt die Empfehlung, dass Patienten im Stadium II, die einen mikrosatelliten-instabilen Tumoren aufweisen, keine adjuvante Therapie erhalten sollten. Bei Stadium II Patienten mit stabilen Tumoren sollte die Therapie diskutiert werden. Adjuvante Therapie im Stadium III Im Stadium III ist nach wie vor die adjuvante Therapie mit einem Oxaliplatin haltigen Regime über 6 Monate der therapeutische Standard. Auf dem aktuellen ASCO wurden zum einen Daten zu molekularen Subgruppen aus zwei großen randomisierten Studien vorgestellt. Zum anderen wurden erste Ergebnisse aus der großen IDEA Intergoup Studie gezeigt, die die Verkürzung der adjuvanten Therapie von 6 auf 3 Monate in insgesamt 6 Einzelstudien prüft. Darüberhinaus untersuchte eine Japanische Arbeitsgruppe die adjuvante Therapie mit Capecitabin versus S-1. Bislang wusste man u.a. aus der MOSAIC Studie und der ACCENT Datenbank, dass Patienten mit mikrosatellitenintabilen Tumoren im Stadium III zum einen eine bessere Prognose aufweisen als Patienten mit MSS Tumoren, zum anderen diese Patienten gleichermassen von einer adjuvanten Therapie mit einem Oxaliplatin haltigen Regime profitieren. Aktuell wurden zwei Abstrakts vorgestellt, die als gepoolte Analyse der PETACC-8 Studie und der NCCTG NO147-Studie weitere molekulare Subgruppen im Stadium III beschreiben. Beide Studien prüften die Kombination aus Folfox +/- Cetuximab in der adjuvanten Therapie des Kolonkarzinoms und waren insgesamt negativ. Die beiden Therapiearme wurden daher gemeinsam analysiert. Zanaan et al. verglichen die Gesamtgruppe der MSI Tumoren mit den MSS Tumoren sowie sporadische versus hereditäre MSI Tumoren (6). Insgesamt wurden fast 5000 Patienten untersucht, von denen 265 MSI Tumoren sporadisch und 140 Tumoren hereditär waren. MSI war im Gesamtkollektiv nicht prognostisch, das DFS und das Gesamtüberleben war gleich. Allerdings zeigten Folfox (nicht Folfox-Cetuximab)-behandelte Patienten mit MSI ein deutlich besseres Überleben als die MSS-Gruppe. Vergleicht man sporadische und hereditäre MSI Tumoren, so schienen hereditäre Tumoren unter einer adjuvanten Therapie ein besseres Überleben aufzuweisen als sporadische Tumoren. In der zweiten Analyse der beiden Studien wurde der prognostische Wert einer 3 BRAF oder KRAS Exon 2 Mutation bei Patienten mit stabilen Tumoren untersucht (7). Fast 4000 MSS Tumoren wurden analysiert. Die 3 Jahres rezidivfreie Überlebensrate war am besten bei All-Wildtype Patienten (80%). Bei Patienten mit einer KRAS Exon 2 Mutation lag das DFS bei 70%, bei Patienten mit BRAF Mutation bei 69%. Auch bezüglich Gesamtüberleben waren die All-Wildtype Patienten prognostisch am günstigsten (OS 91%). Patienten mit einer BRAF Mutation hatten das schlechteste 3-Jahres Überleben (74%). Es gab keine Interaktion mit Cetuximab. Die Autoren schlossen daraus, dass sich zwar aktuell die Therapie-Empfehlungen im Stadium III durch diese Analyse nicht ändern, die molekularen Marker KRAS und BRAF bei künftigen Studien als Stratifikationsfaktoren jedoch mit aufgenommen werden sollten. Bei Oxaliplatin-haltigen Protokollen ist die führende Toxizität bekanntermaßen die Neuropathie. Beim diesjährigen ASCO wurden erste Toxizitäts- und LebensqualitätsDaten der SCOT Studie vorgestellt, einem Teil der multinationalen IDEA Studieninitiative. Die IDEA Studie prüft bei weltweit über 10 000 Patienten die Möglichkeit einer Verkürzung der adjuvanten Therapie mit FOLFOX von 6 auf 3 Monate. Die meisten der Einzelstudien haben die Rekrutierung beendet, die endgültigen Ergebnisse zur Effektivität sind Anfang 2017 zu erwarten. In die SCOT Studie wurden über 6000 Patienten mit Kolon- aber auch Rektumkarzinom im Stadium III und Hochrisiko Stadium II eingeschlossen (8). Man fand signifikant mehr Neurotoxizität bei den Patienten im 6 Monats-Arm, bereits schon zu einem frühen Zeitpunkt. Die Lebensqualität war vor allem im Zeitraum 3-6 Monate unterschiedlich. Patienten ohne Therapie gaben eine signifikant bessere Lebensqualität an als Patienten unter Therapie. Interessanterweise war die Lebensqualität in beiden Armen nach einem Jahr gleich, obwohl die periphere sensorische Neuropathie im 6Monats-Arm höher war. Die Autoren schlussfolgern, dass möglicherweise die aktuellen LQ Bögen die Auswirkungen der Neuropathie nicht ausreichend erfassen. Ungünstig erscheint der Einschluss von Patienten mit Kolonkarzinom im Hochrisiko Stadium II und von Rektumkarzinompatienten, da bei diesen Patientengruppen der Stellenwert von Oxaliplatin nicht ausreichend gesichert ist. 4 Abschließend verglich eine Japanische Arbeitsgruppe die adjuvante Therapie mit S-1 gegenüber Capecitabin als Nicht-Unterlegenheitsstudie (9). Die Aussagen sind vor allem für den Asiatischen Raum relevant. Die Studie wurde frühzeitig veröffentlich aufgrund der schlechteren Wirksamkeit von S-1. S-1 war statistisch nicht gleichwertig zu Capecitabin, sodaß diese Substanz nicht für die adjuvante Therapie bei Kolonkarzinom im Stadium III empfohlen werden kann. Therapieentscheidung nach molekularen oder klinisch-pathologischen Kriterien? Molekulare Parameter wie eine KRAS oder BRAF Mutation erlauben eine immer bessere Differenzierung von Patienten mit kurativ reseziertem Kolonkarzinom in verschiedene Prognosegruppen. Auch die bekannten Signaturen wie Oncotype DX oder Coloprint lassen die Prognose von Patienten besser bestimmen. Keiner dieser Parameter ist jedoch prädiktiv. Die Mikrosatelliteninstabilität im Stadium II ist ein so starker, günstiger prognostischer Parameter, dass MSI Patienten im Stadium II nicht adjuvant behandelt werden sollten. Neuere Gensignaturen beschäftigen sich mit tumorimmunologischen Parametern wie Neoantigen-Zahl und Mutationsfrequenzen und gelten ebenfalls als prognostisch. Eine Hilfe bei der Therapieentscheidung bieten diese Signaturen bislang nicht. Die molekularen Marker KRAS, MSI und BRAF sollten bei zukünftigen Studien mit einbezogen werden. Somit bleibt es im Stadium III bei der Empfehlung zu 6 Monaten einer Oxaliplatin-Kombination und im Stadium II weiterhin bei der Empfehlung für eine Fluoropyrimidin Therapie abhängig von klinischen Risikofaktoren und dem MSI Status, wobei nun erstmals in einer Metaanalyse ein signifikanter, wenn auch geringer Vorteil einer adjuvanten Therapie gefunden wurde. Wegen des klinisch geringen Benefits sollten Patienten im Stadium II intensiv in die Therapieentscheidung einbezogen werden. 5 (1) F. a Sinicrope, Q. Shi, T. C. Smyrk, S. N. Thibodeau, R. Dienstmann, J. Guinney, B. M. Bot, S. Tejpar, M. Delorenzi, R. M. Goldberg, M. Mahoney, D. J. Sargent, and S. R. Alberts, “Molecular Markers Identify Subtypes of Stage III Colon Cancer Associated With Patient Outcomes.,” Gastroenterology, vol. 148, no. 1, pp. 88–99, Oct. 2014. (2) A. I. Phipps, P. J. Limburg, J. a Baron, A. N. Burnett-Hartman, D. J. Weisenberger, P. W. Laird, F. a Sinicrope, C. Rosty, D. D. Buchanan, J. D. Potter and P. a Newcomb, “Association between molecular subtypes of colorectal cancer and patient survival.,” Gastroenterology, vol. 148, no. 1, pp. 77–87.e2, Jan. 2015. (3) Marios Giannakis, Sachet Shukla, Jasmine Xinmeng Mu, Reiko Nishihara, Mai Yamauchi, Yasutaka Sukawa, Zhi Rong Qian, Katsuhiko Nosho, Kentaro Inamura, Samira Bahl, Kimmie Ng, Andrew T. Chan, Jeffrey A. Meyerhardt, Stacey B. Gabriel, Eric Lander, Catherine Wu, Gad Getz, Charles S. Fuchs, Shuji Ogino, Levi A. Garraway. Comprehensive molecular characterization of colorectal cancer reveals genomic predictors of immune cell infiltrates. J Clin Oncol 33, 2015 (suppl;abstr 3505) (4) Francesca Battaglin, Zsofia Kinga Stadler, Andrea Cercek, Rona D. Yaeger, Neil Howard Segal, Anna M. Varghese, Nancy E. Kemeny, Martin R. Weiser, Julio Garcia-Aguilar, Jinru Shia, Michael F. Berger, Jaclyn Frances Hechtman, Maria E. Arcila, David B. Solit, Leonard Saltz. Using mutational load in next generation sequencing (NGS) to identify mismatch repair (MMR) deficiency in colorectal cancer (CRC). J Clin Oncol 33, 2015 (suppl; abstr 3565) (5) Brandon Matthew Meyers, Humaid Obaid Al-Shamsi, Alvaro Tell Figueredo. Cochrane systematic review and meta-analysis of adjuvant therapy for stage II colon cancer. J Clin Oncol 33, 2015 (suppl; abstr 3513) (6) Aziz Zaanan, Qian Shi, Julien Taieb, Steven R. Alberts, Thomas C. Smyrk, Catherine Julie, Ayman Zawadi, Josep Tabernero, Enrico Mini, Richard M. Goldberg, Gunnar Folprecht, Jean L. Van Laethem, Karine Le Malicot, Daniel J. Sargent, Pierre Laurent-Puig, Frank A. Sinicrope. Analysis of DNA mismatch repair (MMR) and clinical outcome in stage III colon cancers from patients (pts) treated with adjuvant FOLFOX +/- cetuximab in the PETACC8 and NCCTG N0147 adjuvant trials. J Clin Oncol 33, 2015 (suppl; abstr 3506) (7) Julien Taieb, Karine Le Malicot, Frederique Madeleine Penault-Llorca, Olivier 6 Bouche, Qian Shi, Stephen N. Thibodeau, Josep Tabernero, Enrico Mini, Richard M. Goldberg, Gunnar Folprecht, Jean-Luc Van Laethem, Daniel J. Sargent, Steven R. Alberts, Pierre Laurent-Puig, Frank A. Sinicrope Prognostic value of BRAF V600E and KRAS exon 2 mutations in microsatellite stable (MSS), stage III colon cancers (CC) from patients (pts) treated with adjuvant FOLFOX+/- cetuximab: A pooled analysis of 3934 pts from the PETACC8 and N0147 trials. J Clin Oncol 33, 2015 (suppl; abstr 3507) (8) Timothy Iveson, Rachel Kerr, Mark P. Saunders, Ashita Marie Waterston, Niels Henrik Hollander, Louise C. Medley, Josep Tabernero, Charles Wilson, Richard Ellis, Sharadah Essapen, Andrew Mark Haydon, Amandeep Singh Dhadda, Robert Hughes, Stephen Falk, Sherif Abdel-Raouf, Bengt Glimelius, Karen Allan, Winnie Barlow, Andrew Briggs, James Paul. Toxicity and quality of life data from SCOT: An international phase III randomized (1:1) noninferiority trial comparing 3 vs 6 months of oxaliplatin-based adjuvant chemotherapy. J Clin Oncol 33, 2015 (suppl; abstr 3514) (9) Tetsuya Hamaguchi, Yasuhiro Shimada, Junki Mizusawa, Yusuke Kinugasa, Yukihide Kanemitsu, Masayuki Ohue, Shoichi Fujii, Nobuhiro Takiguchi, Toshimasa Yatsuoka, Yasumasa Takii, Hitoshi Ojima, Hiroyuki Masuko, Yoshiro Kubo, Hideyuki Mishima, Takashi Yamaguchi, HIroyuki Bandou, Toshihiko Sato, Takeshi Kato, Kenichi Nakamura, Haruhiko Fukuda. Randomized phase III study of adjuvant chemotherapy with S-1 versus capecitabine (cape) in patients with stage III colon cancer (CC): Results of Japan Clinical Oncology Group study (JCOG0910). J Clin Oncol 33, 2015 (suppl; abstr 3512) 7