Leitlinien zur Therapie des Ösophaguskarzinoms 1. Präoperative Diagnostik Inzidenz: K LINIK FÜR A LLGEMEINCHIRURGIE UND K OLOPROKTOLOGIE K OMPETENZZENTRUM FÜR C OLOPROKTOLOGIE K OMPETENZZENTRUM FÜR C HIR . ENDOSKOPIE Chefarzt: Prof. Dr. h.c. (Tash PMI) Dr. med. Mathias Löhnert e-mail: [email protected] An der Rosenhöhe 27 33647 Bielefeld Telefon: 05 21.9 43 - 81 01 Telefax: 05 21.9 43 - 81 99 e-mail: [email protected] 1% aller Karzinome in Europa, 3/100.000 pro Jahr, Männer:Frauen = 5:1 Prädisponierende Faktoren: 75% der Fälle mit Konsum von hochprozentigem Alkohol und / oder starkem Rauchen assoziiert Barret-Ösophagus Sekretariat: Achalasie Frau Schimmel: 0521 / 943-8101 Verätzung mit narbiger Ausheilung Plummer-Vinson-Syndrom 1.1 Notwendige Diagnostik Anamnese: Kriterien (welche, wie lange): Gewichtsverlust Dysphagie, Stenosesymptomatik, Konsistenz der schluckbaren Nahrung Erbrechen Allgemeinbefinden Fremdkörpergefühl, besonders retrosternal Bolusverschluß des Ösophagus Klinische Untersuchung: Kriterien: Ernährungszustand Weitere pathologische Auffälligkeiten (z.B. LK am Hals, Mohrenheimsche Grube, palpable abdominelle Tumoren) Lebervergrößerung weitere Erkrankungen Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) mit PE: Kriterien: Lokalisation des Tumors (Abstand zur Zahnreihe und zur Cardia) Histologiegewinnung zur Diagnosesicherung Differenzierung (Adeno-Ca / Plattenepithel-Ca, Grading) Zweittumoren, Polypen, Entzündungen Endosonographie: Kriterien: Höhenlokalisation: Tumoren, die unterhalb der V. azygos liegen (infrabifurkale) können intrathorakal anastomosiert werden. Tumoren, die in Höhe der V. azygos oder oral davon liegen (suprabifurkale) sollten durch eine subtotale Ösophagektomie mit collarer Anastomose reseziert werden. Lokale Tumorausdehung (uT- Stadium) Periösophagealer Lymphknotenbefall (uN-Stadium) Sonographie des Abdomens: Kriterien: Leberfiliae Nierenaufstau Aszites Klinikum Bielefeld gem. GmbH Akademisches Lehrkrankenhaus der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Amtsgericht Bielefeld HRB 35642 - Geschäftsführer: Michael Ackermann - Aufsichtsratsvorsitzender: Detlef Werner www.klinikumbielefeld.de 2 Röntgenthorax in 2 Ebenen: Kriterien: Lungenfiliae cardiopulmonale Grunderkrankungen Tumormarker CEA und CA 19-9 1.2 Ergänzende präoperative Untersuchungen: Coloskopie: Falls die Kontinuitätswiederherstellung mittels Magenschlauch durch Voroperation unmöglich oder unwahrscheinlich erscheint Zweittumoren, Polypen, Entzündungen CT- Abdomen (oder CT- Oberbauch bei V.a. Leberfiliae) mit i.v.- Kontrastmittelgabe CT- Thorax bei V.a. Lungenfiliae Knochenszintigraphie bei V.a. ossäre Filiae Blutgasanalyse und Lungenfunktionsprüfung bei vorbestehender Lungenerkrankung zur Bestimmung der respiratorischen Reservekapazität: Vitalkapazität FEV1 Explorative Laparoskopie bei klinischem und radiologischem V.a. Peritonealkarzinose 2. Präoperative (neoadjuvante) Therapie Bei Patienten mit uT3 oder uT4-klassifizierten Tumoren und allen Patienten mit uN1Lymphknotenbefall 3. Spezielle präoperative Vorbereitung Kreuzblut abnehmen und 6 Erythrozytenkonzentrate bestellen Aufklärung mit Peri-Med-Aufklärungsbögen, neben den üblichen chirurgischen Komplikationen und den Ausführungen auf dem Peri-Med-Bogen muß zusätzlich über folgende spezifische Komplikationen aufgeklärt und die Aufklärung gesondert dokumentiert werden: Verletzung angrenzender Organe (Lunge, Perikard, N. recurrens, N. phrenicus, D. thoracicus.) Anastomoseninsuffizienz / Anastomosenstenose, ev. mit Notwendigkeit der endoskopischen Therapie (Stentimplantation, multiple Bougierungsbehandlungen, Dilatation) mit konsekutiven Schluckstörungen Chylothorax, Pleuraerguss, Pleuraempyem Risiko der akzidentellen Splenektomie Wiederauftreten der Grunderkrankung ggf. synchrone Resektion von Fernmetastasen ggf. synchrone en-bloc-Resektion angrenzender Organe Orthograde Darmspülung mit Fleet ® oder Klean-Prep ®, Cave bei Stenosen (Aspirationsgefahr)! 4. Operative Therapie Lagerung: Bei geplanter zervikaler Anastomose: Beginn über posterolaterale Thorakotomie rechts (= Linksseitenlage), danach Umlagerung auf den Rücken zur Laparotomie und Operation des abdominellen Teils (s.u.) und zur Fertigstellung der zervikalen Anastomose 3 Bei geplanter intrathorakaler Anastomose: Beginn in Rückenlage, Operation des abdominellen Teils, dann Umlagerung in Linksseitenlage zur intrathorakalen Anastomosierung Intubation in der Regel mit Doppellumentubus (DLT), postoperativ intensivmedizinische Nachbetreuung Cave: Keine ZVK-Anlage an der linken Halsseite oder Thoraxapertur! 4.1 Suprabifurkale Ösophaguskarzinome Bei T1/2- Tumoren ist die subtotale Ösophagusresektion mit abdomineller und mediastinaler Lymphaden-ektomie (2-Feld-Dissektion) obligat Die systematische Dissektion zervikaler Lymphknoten (3-Feld-Dissektion) wird zur Zeit noch kontrovers diskutiert Fortgeschrittene T3/4- Karzinome sind aufgrund des Bezuges zum Tracheobronchialsystems lokoregional meist inoperabel, sollten deshalb unter Studienbedingungen einer neoadjuvanten Radiochemotherapie zugeführt werden. Ziel: down-staging. 4.2 Infrabifurkale Ösophaguskarzinome Bei T1/2- Tumoren ist die subtotale Ösophagusresektion mit abdomineller und mediastinaler Lymphaden-ektomie (2-Feld-Dissektion) obligat. Auch bei fortgeschritteneren Tumoren kann dies Vorgehen erfolgen, allerdings ist bei T4- Tumoren mit einem erhöhten Operationsrisiko und ungünstiger Langzeitprognose zu rechnen, weshalb bei T3/4- Tumoren eine neoadjuvante Radiochemotherapie erwogen werden sollte. Generell en-bloc-Resektion des tumorbefallenen Ösophagus mit ausreichendem oralem / aboralem Sicherheitsabstand unter Mitnahme des umgebenden Fett- und Bindegewebes einschließlich des D. thoracicus, ggf. der V. azygos und adhärenter Strukturen (Perikard, Lungengewebe) Schnittränder auf Tumorfreiheit mit Schnellschnittuntersuchung überprüfen Die mediastinale und abdominelle systematische Lymphadenektomie ist obligat: Abdominell: Proximaler Bereich der kleinen Kurvatur, zöliakale und suprapankreatische Lymphknoten (=Kompartiment 2 beim Magenkarzinom) 5. Adjuvante Therapie Bisher haben keine adjuvanten Therapieschemata eine Verlängerung der Überlebenszeit oder Verbesserung der Lebensqualität in Studien nachweisen können. 6. Palliative Therapie Der Sinn der palliativen Therapie besteht darin, eine enterale Ernährung des Patienten so lange wie möglich durch Verhinderung /Umgehung einer Stenose zu ermöglichen. Dazu stehen unterschiedliche Verfahren zur Verfügung: Radio(chemo)therapie, perkutan oder endoluminal als Afterloading Interventionelle Endoskopie: Stent- oder Tubenimplantation Laserchirurgie Stenosenbougierung PEG-Anlage 7. Nachsorge Die Nachsorge hat folgende Ziele: 4 Erfassung und frühzeitge Therapie von Lokalrezidiven und Fernmetastasen Erkennung und Behandlung operations- oder strahlenbedingter Komplikationen Qualitätskontrolle Bei Lokalrezidiven ist eine kurative Therapie meist nicht mehr möglich, weshalb die Wertigkeit einer Nachsorge kontrovers diskutiert wird. 5 8. Anhang 8.1 TNM-Klassifikation (AJCC 1997) T x 0 is 1 2 3 4 N x 0 1 x 0 1 M 1a 1b Primärtumor kann nicht beurteilt werden Kein Anhalt für Primärtumor Carcinoma in situ Tumor infiltriert die Lamina propria oder Submucosa Tumor infiltriert die M. propria Tumor infiltriert die Adventitia Tumor infiltriert direkt in andere Organe oder Strukturen (Tracheobronchialbaum, Gefäße, Nerven) Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden Keine regionären Lymphknotenmetastasen Nachgewiesener Lymphknotenbefall Fernmetastasen können nicht beurteilt werden Keine Fernmetastasen Fernmetastasen vorhanden Oberer Ösophagus LK- Metastasen zervikal Befall anderer, nicht-regionaler LK, viszerale Metastasen 1a 1b Nicht anwendbar Befall anderer, nicht-regionaler LK, viszerale Metastasen Mittlerer Ösophagus Unterer Ösophagus 1a 1b Befall zöliakaler LK Befall anderer, nicht-regionaler LK, viszerale Metastasen 8.2 Stadieneinteilung Stadium 0 Stadium IIA Stadium IIB Stadium III Stadium IVA Stadium IVB T1 T2, T3 T1, T2 T3 T4 Jedes T Jedes T N0 N0 N1 N1 Jedes N Jedes N Jedes N M0 M0 M0 M0 M0 M1a M1b