04.04.2016 PAIN COMPACT 2016 – Diagnostisches und therapeutisches Fallseminar Systematik – Erfahrungen – Empfehlungen Herzlich Willkommen! PAIN EDUCATION 2016 Steigerung von Aufmerksamkeit und Nachhaltigkeit Blended (integriertes) Lernen Verbindung von Präsenzveranstaltung und e-learning Chart–Download Pain Compendium Editor Pain Compendium Reinhard Sittl Lehrfilme Patientenatlas 2 1 04.04.2016 Akuter Oberkörperschmerz nach Trauma © Sylvie Bouchard – Fotolia.com Gefährliche Interaktion bei Kombination von Antidepressiva und NSAR: Blutungsgefahr Auswertung von mehr als 4 Millionen Patienten3 Der gemeinsame Gebrauch von Antidepressiva und NSAR war mit einem erhöhten Risiko von intrakraniellen Blutungen assoziiert. Risikoerhöhung einer gastrointestinalen Blutung bei gleichzeitiger Gabe von tNSAR (> 2-10fach) 1 Paroxetin, Sertralin, Fluoxetin1, Escitalopram, Citalopram haben die höchste Affinität zum Serotoninrezeptor und damit das höchste Risiko 2 1 nach Dalton et al. CNS Drugs 2006 (20:143-151) et al. (2012): Antidepressant use and the risk of upper gastrointestinal bleeding in psychiatric patients: a nationwide cohort study in Taiwan. J Clin Psychopharmacol. 32:518-24 3 Shin JY, Park MJ, Lee SH, Choi SH, Kim MH, Choi NK, Lee J, Park BJ. BMJ. 2015 Jul 14; Risk of intracranial haemorrhage in antidepressant users with concurrent use of non-steroidal anti-inflammatory drugs: nationwide propensity score matched study. 4 2 Lee 2 04.04.2016 Serotoninsyndrom - Symptome (autonom vegetative, zentralnervös, neuro-muskulär) Schweißausbrüche EKG-Veränderungen Fieber Übelkeit, Durchfall Muskelzuckungen ,Tremor, Myoklonie Schüttelfrost ,Zittern Blutdruckanstieg Verwirrung, Unruhe, Nierenschädigung, Leber-toxizität etc. Halluzinationen 5 Pharmakologische Mechanismen als mögliche Ursachen eines Serotoninsyndroms Mechanismus Steigerung der Serotoninsynthese Steigerung der Serotoninfreisetzung Hemmung der Wiederaufnahme von Serotonin aus dem synaptischen Spalt Hemmung des Serotoninabbaus Stimulierung von Serotoninrezeptoren Verstärkung der Serotonineffekte Hemmung des Abbaus oben genannter Arzneistoffe Medikamente Tryptophan, 5-Hydroxytryptophan Amphetamine, Kokain Antidepressiva (v.a. SSRI, Johanniskraut), Tramadol, MAO-A-Hemmer Triptane (z. B. Sumatriptan) Lithium CYP2D6-Inhibitoren (z. B. Ritonavir), CYP3A4-Inhibitoren (Erythromycin, Grapefruitsaft) Patienten mit Serotoninsyndrom : 27.5 % nahmen SSRI ein, 0.35% waren tödlich Boyer et al. The serotonin syndrome. N. Engl. J. Med. 352; 11, 2005 6 3 04.04.2016 Pharmakologische Mechanismen als mögliche Ursachen eines Serotoninsyndroms Therapie: 1. Absetzen der verursachenden Medikamenten 2. Benzodiazepine, Betablocker 3. Serotoninantagonisten und Chlorpromazin heben die Wirkung von Serotonin am Rezeptor auf Boyer et al. The serotonin syndrome. N. Engl. J. Med. 352; 11, 2005 7 Blitzlicht Metamizol Pharmakologie 2013: laut GKV für 215 Mill Euro verschrieben Metamizol ist ein Prodrug: Wirkstoff ist ein Metabolit (MAA): 4-Methylaminophenazon (4-Methylamino-1,5-dimethyl-2-phenyl-1,2dihydro-3H-pyrazol-3-on). Daher auch der Name. Bioverfügbarkeit 90%, Verstoffwechselung hepatisch, Elimination renal Plasmahalbwertzeit: 2.5 h, bei gleichzeitige Nahrungsaufnahme: Verzögerung der Resorption Metamizol bewirkt eine Abnahme des Ciclosporin- Spiegels; Cimetidin kann die Plasmakonzentration um 70 % erhöhen (CYP-2B6 und CYP3A4 Induktor) Keine Zulassung: England, USA, Kanada, Skandinavien, Indien, Japan, Australien, etc. 8 4 04.04.2016 Blitzlicht Metamizol Indikation laut Fachinfo: Akute starke Schmerzen nach: Verletzungen oder Operationen, bei Koliken und Tumorschmerzen Sonstige akute oder chronische starke Schmerzen, soweit andere therapeutische Maßnahmen nicht indiziert sind Hohes Fieber, das auf andere Maßnahmen nicht anspricht. Die parenterale Anwendung ist nur indiziert, sofern eine enterale Applikation nicht in Frage kommt. Tagesmaximaldosis: 5g bzw. 70mg/kg/KG Bei Niereninsuffizienz Reduktion der Dosis Cave: Metaboliten werden in der Muttermilch ausgeschieden 9 Blitzlicht Metamizol Nebenwirkungen und Therapie der Agranulozytose Anaphylaktische Reaktionen (0,01-0.1%) Anaphylaktoide Reaktionen /Arzneimittelexanthem (0,01-0.1%) Hypotensive Reaktionen gelegentlich (0.1-1.0%) Leukopenie selten, immunologisch bedingte Agranulozytosen (idiosynkratische UAW ) extrem selten Sie können auch auftreten, wenn Metamizol bei früheren Gelegenheiten ohne Komplikationen gegeben wurde Pathogenese: irreversible Bindung des Metaboliten mit der NeutrophilenMembran. Folge: Bildung von Autoantikörpern oder T-Zellen die gegen die so entstandene Membranstruktur der Neutrophilen gerichtet sind Typische Zeichen: entzündliche Schleimhautveränderungen, starke Halsschmerzen, Fieber. Bei Patienten, die Antibiotika erhalten, können diese Zeichen allerdings minimal sein. Blutsenkungsgeschwindigkeit stark erhöht 10 5 04.04.2016 Blitzlicht Metamizol Nebenwirkungen und Therapie der Agranulozytose Therapie: • Medikamente absetzen, die Agranulozytose auslösen können. • Infektionsprophylaxe • Gabe von Granulozyten-Wachstumsfaktoren G-CSF und GM-CSF. 11 Therapie akuter Schmerzen nach traumatischer Rippenprellung – Zusammenfassung: Diagnostik : Ausschluss von Frakturen, Pneumothorax, Blutungen, Entzündungen etc. Physikalisch Wärme-/ Kälte-Anwendung Thorax-Kompressionsverband Medikamentös Analgetika ausreichend (Opioide und Nichtopioide) Zusatz: z.B. Antitussiva bei Hustenreiz Interventionell Lokale/regionale Infiltrationen bzw. Nervenblockaden 6 04.04.2016 Chronifizierung von Schmerzen – Wege aus der Sackgasse Begrifflichkeit, Pathophysiologische Diagnostik, Mechanismen-orientierte Therapie Chronifizierung: Schicksal oder Herausforderung Neuanfang Ende © K.C. - Fotolia.com 14 7 04.04.2016 Vorstellung der Patienten Schmerz Kein Schmerz Realität: Anti-Chronifizierung ist mühsam Begrifflichkeit kann Hoffnung geben Chronischer Schmerzpatient oder… Pete Moore Menschen mit persistierenden oder hartnäckigen Schmerzen 16 8 04.04.2016 Gefühlter Zustand eines „chronischen Schmerzpatienten“ © Achim Baqué - Fotolia.com 17 Umkehr der Chronifizierung möglich? Ja, aber wir müssen alle Reifen aufpumpen Positive Emotionen Medikamente, Stimulative Therapien usw. Bewegungstherapie, Physiotherapie Psychologische Schmerztherapie Edukation: Prioritäten setzen, Portionieren, Nein -Sagen © Achim Baqué - Fotolia.com www.paintoolkit.org 18 9 04.04.2016 Was wird chronisch? Gelenkschmerz Rückenschmerz Nervenschmerz Fibromyalgie (CWP) Chronischer Rückenschmerz Clin. J. of Pain 2013 Eine exakte „patho-anatomische“ Diagnose ist nur in 15% möglich Airaksinen: Eur Spine J 2003;12 Lautenbacher S: Eur J Pain. 2002 Eine zentrale Sensibilisierung bzw. Beeinträchtigung der körpereigenen Schmerzhemmung ist damit wahrscheinlich Nijs J.: ManTher. 2009 Zentrale Faszilitierungsprozesse wurden indentifiziert Woolf CF: Neuronal plasticity: Science 2000 fMRI: Deutliche Unterschiede in der neuronalen Aktivität zu gesunden Kontrollpersonen und Strukturveränderungen im Gehirn Apkarian AV: J Neurscience 2006 20 10 04.04.2016 Chronischer Schmerz: Weitere Hinweise auf zentrale Mechanismen Zentrale Prozesse bei chronischen Rückenschmerzen: Evidenz für eine reduzierte Schmerzhemmung Druck Schmerz. 2006 Sep;20(5):411-4, 416-7. Central pain processing in chronic low back pain. Evidence for reduced pain inhibition. Giesecke T1, Gracely RH, Clauw DJ, Nachemson A, Dück MH, Sabatowski R, Gerbershagen HJ, Williams DA, Petzke F. Zentrale Sensibilisierung und Veränderungen in der Schmerzhemmung Exp Brain Res. 2015 Aug;233(8):2391-9. Central sensitization and changes in conditioned pain modulation in people with chronic nonspecific low back pain: a case-control study. Corrêa JB1, Costa LO, de Oliveira NT, Sluka KA, Liebano RE Hitze 21 Pathophysiologie: Chronischer Schmerz Schmerzmatrix Thalamus Aufsteigende Bahn Nozizeptorsensibilisierung Nervenleitung Nervenschädigung, Ektopische Sensibilisierung von Hinterhornneurone Reizbildung, Allodynie, Hyperalg. 22 Morlion B. Curr Med Res Opin. 2011;27:11–33. 11 04.04.2016 Ein Basisschema für Ärzte zur medikamentösen Therapie chronischer Schmerzen Schmerzcharakter / Symptome Mechanismen Mechanismen-orientierte Therapie © Achim Baqué - Fotolia.com 24 23 24 12 04.04.2016 Schmerzursachen 1: Nozizeptiv-entzündlicher Schmerz Direkte Aktivierung und Periphere Sensibilisierung C-Faser C-Faser C-Faser Mastzelle Mastzelle Substanz P Histamin Dauerhafte Sensibilisierung und Schwellenveränderung Kapillare Substanz P + CGRP + NK A Prostaglandin, Bradykinin, Histamin, H-Ionen NSAR, Coxibe Schwierige Therapie wegen vieler beteiligter Rezeptoren und Kanäle 25 painDETECT-Fragebogen z.B.: 22 26 Somatosensory nociceptive characteristics differentiate subgroups in people with chronic low back pain: a cluster analysis Rabey, Martin*; Slater, Helen; et.al .Pain 10/2015 13 04.04.2016 Schmerzursachen 2: Neuropathische Schmerzen Pathophysiologische Mechanismen Hochregulierung von Ca - Kanälen TRPV1? Bei Nervenverletzungen kommt es zur Bildung und Freisetzung verschiedener Mediatoren und Rezeptoren. Diese werden über den axonalen Transport sowohl nach zentral als auch nach peripher geleitet. Folge: Ektope Reizbildung, Veränderung der Myelinisierung, zentrale Sensibilisierung 27 Schmerzursachen 3: Was passiert am Rückenmark genau und was kann ich tun? Noradrenalin (NA) Ca2+ α2-Rezeptor Ca2+ NMDA Glu Mg2+ ATP Ca2+-Speicher cAMP K+ SP Ca-Kanal ATP ATP cAMP cAMP CGRP Reduktion der körpereigenen Hemmung bei chronischen Schmerzen (A.Dickenson EFIC Conference 2015, Refresher Course) 28 14 04.04.2016 Folgen der zentralen Sensibilisierung Zentrale Sensibilisierung führt zu • verstärkter Freisetzung von Neurotransmittern • Erhöhtes Output zum Gehirn Störung des limbischen Systems • Furcht, Angst • Schlafstörung • Depression • • • • Rapide verstärkter und anhaltender Schmerz Größerer Schmerzbereich Hyperalgesie Allodynie 29 Schmerzursachen 4: Beeinflussung der absteigenden Hemmung durch psychosoziale Belastungen Gewalterleben (in der Kindheit) Soziale Ablehnung Frühe Verantwortung in der Familie Chron. Erkrankung in der Kindheit Schwere Krankheit Mobbing am Arbeitsplatz Enttäuschungen Familienkonflikte Pflege von Angehörigen - Nicht Nein sagen können Chronische Nervenschmerzen Finanzielle Probleme Früher Tod von Familienangehörigen …………….. Egle, Nickel: Chronischer Schmerz als somatoforme Schmerzstörung: Orthopäde 2008 30 15 04.04.2016 WHO-5-Fragebogen zum Wohlbefinden z.B.: In den letzten zwei Wochen ... Die ganze Meistens Zeit Über die Hälfte der Zeit Weniger als die Hälfte der Zeit Ab und zu Zu keinem Zeitpunkt 5 4 3 2 1 0 ... war ich froh und guter Laune 5 4 3 2 1 0 ... habe ich mich ruhig und entspannt gefühlt 5 4 3 2 1 0 ... habe ich mich energetisch und aktiv gefühlt 5 4 3 2 1 0 ... habe ich mich beim Aufwachen frisch und ausgeruht gefühlt 5 4 3 2 1 0 ... war mein Alltag voller Dinge, die mich interessieren 5 4 3 2 1 0 http://www.who-5.org 31 Pain Disability Index (PDI) -Fragebogen z.B.: Psychometrie PDI Bitte geben Sie im folgenden an, wie stark Sie durch Ihre Schm erzen in den verschiedenen Bereichen Ihres Lebens beeinträchtigt sind. Das heißt: Wie sehr hindern die Schmerzen Sie daran, ein normales Leben zu führen? Kreuzen Sie bitte für jeden der sieben Lebensbereiche die Zahl an, die die für Sie typische Stärke der Behinderung durch Ihre Schmerzen beschreibt. Ein Wert von 0 bedeutet dabei überhaupt keine Behinderung, und ein Wert von 10 gibt an, daß Sie in diesem Bereich durch die Schmerzen völlig beeinträchtigt sind. 1. Familiäre und häusliche Verpflichtungen (dieser Bereich bezieht sich auf Tätigkeiten, die das Zuhause oder die Familie betreffen. Er umfaßt Hausarbeit und Tätigkeiten rund um das Haus bzw. die Wohnung, auch Gartenarbeiten). [0] [1] [2] [3] [4] keine Beeinträchtigung 2. [1] [2] [3] [4] keine Beeinträchtigung 3. [5] X [5] [6] [7] [1] [2] [3] [4] keine Beeinträchtigung [7] [9] [ 10 ] [ 10 ] X [5] [6] [7] [8] [9] [ 10 ] völlige Beeinträchtigung [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] X [8] [9] [ 10 ] völlige Beeinträchtigung GesamtMW: 6.4 (PR 70) Sexualleben (dieser Bereich bezieht sich auf die Häufigkeit und die Qualität des Sexuallebens) [0] [1] [2] [3] [4] keine Beeinträchtigung X [5] [6] [7] [8] [9] [ 10 ] völlige Beeinträchtigung Selbstversorgung (dieser Bereich umfaßt Aktivitäten, die Selbständigkeit und Unabhängigkeit im Alltag ermöglichen, wie z.B. sich waschen und anziehen, Autofahren, ohne dabei auf fremde Hilfe angewiesen zu sein) [0] [1] [2] [3] [4] [5] keine Beeinträchtigung 7. [9] Beruf (dieser Bereich bezieht sich auf Aktivitäten, die ein Teil des Berufs sind oder unmittelbar mit dem Beruf zu tun haben; gemeint ist auch Hausfrauen(männer)tätigkeit) [0] 6. [8] völlige Beeinträchtigung keine Beeinträchtigung 5. [8] völlige Beeinträchtigung [6] Soziale Aktivitäten (dieser Bereich bezieht sich auf das Zusammensein mit Freunden und Bekann ten, wie z.B. Feste, Theater - und Konzertbesuche, Essen gehen und andere soziale Aktivitäten) [0] 4. X Erholung (dieser Bereich umfaßt Hobbies, Sport und Freizeitaktivitäten) [0] X [6] [7] [8] [9] [ 10 ] völlige Beeinträchtigung Lebensnotwendige Tätigkeiten (dieser Bereich bezieht sich auf absolut lebensnotwendige Tätigkeiten wie Essen, Schlafen und Atmen) [0] [1] keine Beeinträchtigung [2] [3] [4] X [5] [6] [7] [8] [9] [ 10 ] völlige Beeinträchtigung Bitte prüfen Sie nochmals, ob Sie alle 7 Feststellungen beantwortet haben. PDI Dillmann, Nilges, Saile, Gerbershagen 32 16 04.04.2016 Fragebogen zur Schmerzverarbeitung (FESV) z.B.: 20 30 40 T-Werte 50 60 70 80 Handlungsplanungskompetenz Kognitive Umstrukturierung Kompetenzerleben Mentale Ablenkung Gegensteuernde Aktivitäten Ruhe- und Entspannungstechniken Schmerzbedingte Hilflosigkeit / Depression Schmerzbedingte Angst Schmerzbedingter Ärger 33 Anti-Chronifizierungs-Strategien Basismaßnahmen Medizinische Trainingstherapie Psychologische Schmerztherapie Vertrauensvolle Beziehung aufbauen Basistherapie optimieren EdukationEdukation- Entspannungsverfahren Edukation... 34 17 04.04.2016 Antichronifizierung: Positive Emotionen 12.4.2013 Lanfranco RC, Canales-Johnson A, Huepe D.:. Hypnoanalgesia and the study of pain experience: from Cajal to modern neuroscience. Front Psychol. 2014 Sep 30;5:1126 1 Ong AD, Zautra AJ, Reid MC.: Am Psychol. 2015 Apr;70(3):283-4. Chronic pain and the adaptive significance of positive emotions. 2 Petersen GL, Finnerup NB, Grosen K, Pilegaard HK, Tracey I, Benedetti F, Price DD, Jensen TS, Vase L.: Expectations and positive emotional feelings accompany reductions in ongoing and evoked neuropathic pain following placebo intervention.Pain. 2014 Dec;155(12):2687-98. 35 Berufsziel: Schmerz(selbst)manager Vom „JA - ABER“ zur „Ich kann“-Person Erhältlich: Change Pain und Schmerzzentrum Erlangen 36 36 18 04.04.2016 Zusammenfassung Mechanismen-orientierte Therapie und Wege aus der Chronifizierung Chronische Schmerzen haben periphere und zentrale Ursachen Eine exakte Schmerzanamnese, eine körperliche Untersuchung und sorgfältige Diagnostik ist Voraussetzung einer mechanismen-orientierten Therapie Eine Therapie, die alle Schmerzaspekte erfasst, den Patienten motiviert und die psychosozialen Faktoren mit behandelt, kann einer Chronifizierung entgegen wirken! Egle, Nickel: Chronischer Schmerz als somatoforme Schmerzstörung: Orthopäde 2008 37 Wide-spread Pain Syndrom 19 04.04.2016 „Der schwierige Patient“: Arzt-Patienten-Beziehung Patientenängste Ich werde fabrikmäßig abgefertigt! Man schiebt mich auf die Psycho-Schiene! Wieder mal wird keine Ursache der Schmerzen gefunden! Man nimmt mich nicht ernst und hält mich für einen Simulanten! Keiner kann mir helfen und mir sagen, wie es weiter gehen soll! Ich bekomme sicher wieder nur stärkste, müde-machende Schmerzmittel Aussagen von Patienten der Erlanger Tagesklinik 39 Multilokuläre Schmerzen Schmerzzeichnung 40 20 04.04.2016 WHO-5-Fragebogen zum Wohlbefinden In den letzten zwei Wochen ... Die ganze Meistens Zeit Über die Hälfte der Zeit Weniger als die Hälfte der Zeit Ab und zu Zu keinem Zeitpunkt 5 4 3 2 1 0 ... war ich froh und guter Laune 5 4 3 2 1 0 ... habe ich mich ruhig und entspannt gefühlt 5 4 3 2 1 0 ... habe ich mich energetisch und aktiv gefühlt 5 4 3 2 1 0 ... habe ich mich beim Aufwachen frisch und ausgeruht gefühlt 5 4 3 2 1 0 ... war mein Alltag voller Dinge, die mich interessieren 5 4 3 2 1 0 Sensitivität: 0.86 / Spezifität: 0.81 http://www.who-5.org Topp et al.; Psychother Psychosom 2015;84:167-176 41 Diagnostik-Score: Chronischer Schmerz (WPI – Index)1,2 Teil 1: Schmerzorte Kreuzen Sie bitte an, wo Sie in der letzten Woche Schmerzen hatten, und tragen Sie die Anzahl in das Kästchen „Summen-Wert 1“ ein Schultergürtel links Schultergürtel rechts Oberarm links/Ellenbogen Kiefer Oberarm rechts/Ellenbogen Unterarm rechts/Hand BrustUnterarm links/Hand bereich Hüfte-Gesäß links Hüfte-Gesäß rechts Oberschenkel/Knie rechts Oberschenkel/Knie links Unterschenkel/Fuß rechts Unterschenkel/Fuß links Kiefer rechts Bauch Kiefer links Brustkorb Bauchbereich Nacken Oberer Rücken Unterer Rücken Nacken SchulterGürtel Oberarm Oberer Rücken Unterarm / Hand Unterer Rücken Oberschenkel/ Knie Hüfte Gesäß Unterschenkel / Fuß Summen-Wert 1 1 ) WPI= widespread pain index 2) R.Sittl, P.Mattenklodt modifiziert nach Wolfe 2010 21 04.04.2016 Diagnostik-Score: Chronischer Schmerz (WPI – Index) Symptom Score Teil 2a: „Symptomschwere“ Häufigkeiten von Erschöpfung, Schlaf- und Gedächtnisproblemen Bitte kreuzen Sie an, ob Sie in der letzten Woche an folgenden Symptomen litten. Erschöpfungszustand, verminderte Leistungsfähigkeit Nichterholsamer Schlaf Konzentrations- oder Gedächtnisprobleme nie 0 0 0 selten 1 1 1 häufig 2 2 2 fast immer 3 3 3 SummenWert 2a Symptom Score Teil 2b: „Begleitsymptome – zusätzlich zu den Hauptschmerzen Kreuzen Sie bitte die Symptome an, die Sie in der letzten Woche hatten. Muskelschmerz Darmbeschwerden Erschöpfung / Müdigkeit Denk- und Gedächtnisprobleme Muskelschwäche Kopfschmerz Bauchschmerz/-krämpfe Taubheit/Kribbeln Schwindel Schlaflosigkeit Niedergeschlagenheit Verstopfung Schmerz im Oberbauch Übelkeit Nervosität Brustschmerz Sehstörungen Fieber Durchfall Trockener Mund Juckreiz Keuchender Atem Kalte Hände/Füße Hautausschlag Ohrgeräusche Erbrechen Sodbrennen Offene Stellen im Mund Geschmacksveränderung Krampfanfälle Trockene Augen Kurzatmigkeit Appetitverlust Hautrötungen Sonnenallergie Hörprobleme Blaue Flecken Haarausfall Häufiges Wasserlassen Schmerzen beim Wasserlassen Blasenkrämpfe Symptomanzahl Score 0 0 1-10 1 11-24 2 >24 3 SummenWert 2b Summen-Wert 2a+2b Diagnostik–Score: Chronischer Schmerz (WPI – Score)1,2 Kriterien für Fibromyalgiesyndrom sind erfüllt, wenn: • ≥ 7 Punkte im Teil 1 (Schmerzorte) und ≥ 5 Punkte in Teil 2 (Summen-Wert 2a+2b) erreicht oder: 3 - 6 Punkte im Teil 1 (Schmerzareale) und ≥ 9 Punkte in Teil 2 (Symptom-Score 2a+2b) erreicht • die Symptome so oder ähnlich seit mindestens drei Monaten bestehen • keine andere Krankheit oder Störung vorliegt, welche die Schmerzen erklärt 1 ) WPI= widespread pain index 2) R.Sittl, P.Mattenklodt modifiziert nach Wolfe 2010 44 22 04.04.2016 S3 Leitlinienempfehlungen zum Vorgehen bei chronischen Ganzkörperschmerzen? (CWP chronic wide spread pain) Anamnese und Befunderhebung Vollständige medizinische Anamnese inkl. Medikamentenanamnese Ausfüllen einer Schmerzskizze oder der regionalen Schmerzskala durch den Patienten Gezielte Exploration weiterer Kernsymptome (Müdigkeit, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen) Erfragung weiterer Begleitsymptome (Schwindel, Schwitzen, kalte Hände/Füße, …) Vollständige körperliche Untersuchung (inkl. Haut, neurologischer und orthopädischer Befund) Ausschluss einer rheumatologischen Erkrankung (Anamnese, Untersuchung, Labordiagnostik) Screening auf Notwendigkeit einer fachpsychotherapeutischen Untersuchung (psychische Komorbiditäten, somatoforme Schmerzstörung) Nach: Interdisziplinäre S3-Leitlinie „ Fibromyalgie“ (2012) 45 Fibromyalgiesyndrom (CWP) ICD 10 M 79.0 Chronisch generalisierte Schmerzen im Bereich von Muskeln, Bändern, Knochen in allen 4 Körperquadranten und WS Keine objektivierbaren Befunde („Illness without disease“) (Diskussion um small fibre disease noch nicht abgeschlossen) Keine Hinweise auf entzündlich-rheumatisches Geschehen (Druckschmerz an 11 von 18 festgelegten Druckpunkten, sog. Tenderpoints nicht notwendig) fakultativ Zusatzbefunde wie Müdigkeit, Schlafstörungen, Parästhesien, andere psychovegetative Symptome 46 23 04.04.2016 Differentialdiagnostik: Kriterien somatoformer Störungen Symptome, Leiden, innere Beteiligung des Patienten nicht durch med. Befunde erklärbar (Diskrepanz Befund-Befinden) Repetitive Darbietung körperlicher Symptome mit hartnäckiger Forderung nach med. Untersuchung trotz negativer Klärung Ablehnung psych. Thematisierung, trotz offensichtlichem Bezugs zu Lebensereignissen oder Problemen (somat. Fixierung) Das zu erreichende Verständnis für körperl. – psych. Kontexte häufig für Patienten und Arzt enttäuschend (dysfunktionelles Beziehungsverhalten) Aufmerksamkeitssuchendes (histrionisches) Verhalten AWMF LL, Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie des Fibromyalgiesyndroms Stand: 04/2012, www.awmf.org Somatoforme Schmerzstörung: Was ist das? Definition der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (F 45.40) nach ICD-10: Andauernder, schwerer und quälender Schmerz Keine vollständige Erklärung durch physiologischen Prozess oder körperliche Störung Auftreten in Verbindung mit emotionalen Konflikten oder psychosozialen Belastungen Beträchtlich gesteigerte persönliche oder medizinische Unterstützung 24 04.04.2016 Definition: Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren ICD 10 F 45.41 Seit mindestens 6 Monaten bestehende Schmerzen in einer oder mehreren anatomischen Regionen, die ihren Ausgangspunkt in einem physiologischen Prozess oder einer körperlichen Störung haben. Psychischen Faktoren werden eine wichtige Rolle für Schweregrad, Exazerbation oder Aufrechterhaltung der Schmerzen beigemessen, jedoch nicht die ursächliche Rolle für deren Beginn. Folge: klinisch bedeutsames Leiden sowie soziale und berufliche Beeinträchtigung Keine Absicht oder Vortäuschung Mögliche protektive Faktoren („green flags“) aktive Bewältigungsstrategien gesunde Lebensführung sichere Bindungen soziale Unterstützung gute Arbeitsbedingungen gelingende Behandler-Patient-Beziehung biopsychosozialer, entkatastrophisierender Behandlungsansatz frei zugängliches, aber auf Selbstverantwortung und Prävention setzendes Gesundheitssystem Je mehr green flags, um so geringer der Bedarf an psychologischer Unterstützung S 3 Leitlinie „Umgang mit Patienten mit nicht-spezifischen, funktionellen und somatoformen Körperbeschwerden“ (2012) AWMF-Reg.-Nr. 051-001 25 04.04.2016 Wie motiviere ich den FMS-Patienten zur Psychotherapie? Den Schmerz des Patienten als real existent annehmen und nie in Abrede stellen Den Patienten in seiner gesamten Person ernst nehmen. Die Diagnostik sorgfältig betreiben aber klar begrenzen. Dem Patienten nie Angst machen! Diagnostische Befunde nie übertreiben. Auf die somatischen Aspekte eingehen und ggf. auch hierfür Therapie anbieten Dem Patienten die Störung der Schmerzregulation als (auch somatische) Diagnose kommunizieren. Den Patienten offen nach der Selbstwahrnehmung von Schmerz und Emotionaler Situation befragen. Den Pat. offen fragen, ob er sich psychotherapeutische Hilfe vorstellen Text Reinhard Sittl kann. Blitzlicht Pharmakologie Etoricoxib Pharmakologie: COX-2 Hemmer Arachidonsäure COX II Aktives Zentrum COX-IIInhibitor „Seitentasche“ 52 26 04.04.2016 Blitzlicht Pharmakologie Etoricoxib Wirkmechanismen: COX1/COX2-Hemmer Arachidonsäure COX-1 COX-2 COX-2 (konstitutiv) (konstitutiv) (induzierbar) Konventionelle NSAR Magenprobleme z.B. NierendurchMagenschutz blutung Nierendurchblutung ThrombozytenThrombozytenaggregation aggregation Selektiver COX-2-Inhibitor z.B. Nierendurchblutung Nierendurchblutung Wundheilung Entzündung Schmerz Schmerz 53 Blitzlicht Pharmakologie Etoricoxib Indikationen Symptome bei Reizzuständen degenerativer und entzündlicher Gelenkerkrankungen Arthrose und rheumatoide Arthritis Schmerzen und Entzündungszeichen bei akuter Gichtarthritis. nach Zahnoperationen und Rückenschmerz bei Spondylarthritis Empfohlene Dosierungen (30,60,90,120mg) Arthrose: Arthritis Gicht akut: Spondylarthritis: Zahnextraktion: 30-60 mg 90 mg 120 mg 60-90 mg 90 mg 54 27 04.04.2016 Blitzlicht Pharmakologie Etoricoxib Wichtige Warnhinweise und Kontraindikation Aktives peptisches Ulkus oder aktive gastrointestinale Blutung „Aspirin Asthma“ (pseudoallergische Reaktionen auf ASS und NSAIDS) Kreatinin-Clearance < 30 ml/min Entzündliche Darmerkrankungen Herzinsuffizienz (NYHA II – IV) Patienten mit Hypertonie, deren Blutdruck nicht ausreichend kontrolliert ist Klinisch gesicherte koronare Herzkrankheit Zerebrovaskuläre Erkrankungen Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren, Schwangerschaft und Stillzeit 55 1Lin et al.: International Journal of Rheumatic Diseases DOI: 10.111/j.1756-185X.2010.01468.x Blitzlicht Pharmakologie Etoricoxib Wichtige Warnhinweise und Kontraindikation Wichtige Vorteile: • Sehr gute Wirksamkeit • Einmalgabe täglich ausreichend • Keine Beeinflussung der Thrombozytenfunktion • Gute gastrointestinale Verträglichkeit • Bessere Lebensqualität im Vergleich zu anderen NSAR in „open label study“1 56 1Lin et al.: International Journal of Rheumatic Diseases DOI: 10.111/j.1756-185X.2010.01468.x 28 04.04.2016 Schmerz und Schlaf Schlaf und Schmerz: Review Finan PH, Goodin BR, Smith MT. J Pain. 2013 Dec;14(12):1539-52. The association of sleep and pain: an update and a path forward. Experimentelle Studien zeigen, dass Schlafstörungen Schlüsselprozesse beeinflussen, die zur Entwicklung und Aufrechterhaltung von chronischen Schmerzen beitragen. Insbesondere die Reduzierung der körpereigenen Schmerzhemmung. 29 04.04.2016 Hypnotika Klassifikation 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 59 Benzodiazepine, Benzodiazepinrezeptoragonisten Barbiturate und Chloralhydrat Antihistaminika Antidepressiva Antipsychotika Melatonin Phytotherapeutika Nissen et al.: Nervenarzt 2014; 67-76. 59 Umgang mit Schlafproblemen „Schlafhygiene“ 30 04.04.2016 Schlafhygiene 1 Halten Sie jeden Tag (auch am Wochenende) regelmäßige Aufstehzeiten ein. 2 Halten Sie regelmäßige Ins-Bett-GehZeiten ein bzw. gehen Sie erst dann ins Bett, wenn sie sich müde fühlen. 3 Schränken Sie Ihre Bettliegezeit auf die Anzahl der Stunden ein, die Sie im Mittel pro Nacht in der letzten Woche geschlafen haben. 61 Schlafhygiene 4 Machen Sie kein Nickerchen tagsüber (Ausnahme: 10 Minuten Schlaf durch einen Wecker kontrolliert). 5 Schaffen Sie zwischen Ihrem Alltag und dem Zubettgehen eine Pufferzone. Lassen Sie den Tag ruhig ausklingen. 6 Legen Sie sich ein regelmäßiges Zubettgeh-Ritual zu. 62 31 04.04.2016 Schlafhygiene 7 Gestalten Sie Ihre Schlafumgebung angenehm und schlaffördernd (Temperatur, Licht, Geräusche). Nutzen Sie Ihr Bett zu nichts anderem als zum Schlafen (Ausnahme Sex). 8 Setzen Sie sich nachts keinem zu hellen Licht aus, wenn Sie wach werden und aufstehen müssen. 9 Setzen Sie sich jedoch morgens nach dem Aufstehen nach Möglichkeit eine halbe Stunde lang dem Tageslicht oder zumindest hellem Kunstlicht aus. 63 Schlafhygiene 10 Vermeiden Sie körperliche ÜberAnstrengung nach 18.00 Uhr. Gehen Sie aber grundsätzlich (sportlichen) Aktivitäten am Tage nach. 11 Drei Stunden vor dem Zubettgehen sollten Sie keine größeren Mengen an Essen oder Trinken zu sich nehmen. 12 Wenn Sie nachts aufwachen, sollten Sie nichts essen. 64 32 04.04.2016 Berufsziel: Schmerz(selbst)manager Vom „JA - ABER“ zur „Ich kann“-Person 65 65 Werkzeug 1 – Schmerzakzeptanz Akzeptieren Sie, dass Sie Schmerzen haben. Dann sehen Sie sich die weiteren Werkzeuge an. Werkzeug 2 – Eigeninitiative Schaffen Sie sich ein Team von Menschen, das Sie unterstützt. Werkzeug 3 – Richtiges Tempo Werkzeug 4 – Prioritäten Werkzeug 5 – Ziele und Aktionspläne Werkzeug 6 – Geduld Gehen Sie schrittweise vor. Lernen Sie Prioritäten zu setzen und Ihre Tage zu planen. Überlegen Sie sich Ziele und wie Sie diese erreichen wollen. Seien Sie geduldig mit sich selbst. 66 33 04.04.2016 Werkzeug 7 – Entspannung Lernen Sie Entspannungstechniken. Werkzeug 8 – Bewegung Machen Sie Dehnungsübungen und bewegen Sie sich. Werkzeug 9 – Tagebuch Führen Sie ein Tagebuch und verfolgen Sie ihre Fortschritte. Werkzeug 10 – Plan B Entwerfen Sie einen Plan für Rückschläge oder Schmerzepisoden. Werkzeug 11 – Teamarbeit Arbeiten Sie mit Ihrem Arzt zusammen. Werkzeug 12 – Konsequenz Setzen Sie die Werkzeuge 1-11 im Alltag beständig um. 67 Rückenschmerz-Patientin Weiterhin Schmerzen trotz Operation, ganzheitliche Betrachtung und multimodale Therapiekonzepte © manu - Fotolia.com 34 04.04.2016 Fragebögen und Skalen zur Erfassung neuropathischer Schmerzen LANS- Schmerzskala (M.Bennett, PAIN 2001) – Fragebogen plus Untersuchung Pain – Detect (Freyenhagen 2006) – Fragebogen in Deutschland sehr beliebt ID- Pain (R.Portenoy, Curr Med Res Opin 2006) – Fragebogen mit 6 Fragen Neuropathic Pain Questionnaire—Short Form (M. Backonja, SJ. Krause Clinical Journal of Pain 2003) – Fragebogen Fragebogen neuropathischer Schmerz DN4 (Bouhassira D, Attal N, 2005) – Fragebogen +/- Untersuchung 69 „Schnellster und einfachster Score“ Neuropathischer Kurzfragebogen Neuropathic Pain Questionnaire—Short Form (M. Backonja, SJ. Krause Clinical Journal of Pain 2003) Reduktion auf 3 Punkte: Taubheit Nein (0) – am schlimmsten vorstellbar (100) Kribbeln (Nein – Ja) Schmerzverstärkung durch leichte Berührung (Nein – Ja) Bei Vorliegen von drei Qualitäten: Sensitivität 64,5% Spezifität 78,6 % Vorhersagegenauigkeit 73,0% 70 35 04.04.2016 Screening-Fragebogen zur Identifikation neuropathischer Komponenten bei Patienten mit Rückenschmerzen Screening-Fragebogen zur Identifikation neuropathischer Komponenten bei Patienten mit Rückenschmerzen Leiden Sie in den eingezeichneten Bereichen unter einem Brenngefühl (z.B. Brennnesseln)? Haben Sie im Bereich Ihrer Schmerzen ein Kribbel- oder Prickelgefühl (wie Ameisenlaufen, Stromkribbeln)? Ist leichte Berührung (Kleidung, Bettdecke) in diesem Bereich schmerzhaft? Löst ein leichter Druck, z.B. mit dem Finger, in diesem Bereich Schmerzen aus? Haben Sie im Bereich Ihrer Schmerzen blitzartig, elektrisierende Schmerzattacken? Ist Kälte oder Wärme (Badewannenwasser) in diesem Bereich gelegentlich schmerzhaft? Leiden Sie in den von Ihnen eingezeichneten Bereichen unter Taubheitsgefühl? Freynhagen et al. Current Medical Research and Opinion 2006; 22 Nr 10: 1911-1922 36 04.04.2016 Differenzierung von Rückenschmerzen nach den häufigsten Ätiologien Nichtspezifisch Schmerzursache und Mechanismus ungeklärt oder unklar Aufgrund verwaschener Multikausalitäten (Funktionsstörung, Fehlbelastung, Verspannung, Abnutzung) Ursache nicht näher identifiziert oder identifizierbar, keiner Struktur eindeutig zuzuordnen Spezifisch Metabolisch (Osteoporose) Trauma (Fraktur) Wurzelreiz – und Kompressionssyndrome (z.B. Bandscheibenvorfall) Entzündlich (Rheumatisch, Infektionen) radikulär, ca. 5% Nach Diener HC, Maier C (Hrsg), Die Schmerztherapie, 3. Auflage 2009, Urban und Fischer Versorgungsleitlinie Rückenschmerz 2010 Maligne (Primärtumoren, Metastasen) < 1% 73 Radikuläre Rückenschmerzen Kardinalsymptom: Schmerzen im Bein stärker als im Rücken Nozizeptive und neuropathische Komponenten Stechender, oft ziehender Schmerz, oft „elektrischer Schlag“, Sensibilitätsstörungen Ätiologie: Irritation, z.B. Kompression der Spinalnervenwurzel 1) 2) Zenz, Taschenbuch der Schmerztherapie, 3. aufl. 2007 Speed et al. BMJ 2004; 328:1119 74 37 04.04.2016 Pseudoradikulärer Schmerz Definition1: pseudoradikuläre Schmerzen sind Schmerzen, die ganz allgemein Schmerzen einer Wurzelreizung imitieren Ursachen2 : schmerzhafte Ansätze der autochthonen Rückenstrecker an der Spina iliaca posterior superior (44,9%), ein druckschmerzhafter M. glutaeus medius (16,3%) Druckdolenz über dem Trochanter major (8,2%), ISG-Blockaden (6,3%), paravertebrale Myogelosen (6,3%) bzw. eine Kombination der genannten Symptome (18,4%) 1 Brügger, A.: Pseudoradikuläre Syndrome. Acta rheumatologica 19 (1962) 2 Sabine Seidl .Pseudoradikuläre Schmerzen nach lumbaler Bandscheibenoperation (Diss. NC-Klinik München, 2005). 75 Pathomechanismus entzündlich-neuropathischer Rückenschmerz Degenerierte und entzündete Bandscheibe Entzündung der Nervenwurzel Nervenschädigung und Ischialgie Baron R, Binder A, Wie neuropathisch ist die Lumboischialgie? - Das Mixed-pain-Konzept, Orthopäde 2004; 33:568-575; 76 38 04.04.2016 Entzündliche Rückenschmerzen Diagnosekriterien Erstes Auftreten meist bei unter 40-jährigen Langsam auftretender Schmerz Schmerzsymptome werden bei Bewegung meist besser Schmerz wird in Ruhigstellung meist nicht besser Nächtliche Schmerzen, die in der 2. Nachthälfte oft zum Aufwachen führen 4/5 Kriterien müssen erfüllt sein ! Steifigkeit am Morgen > 30min Häufige Ursachen: Ankylosierende Spondylitis (Morbus Bechterew), nicht-röntgenologische Spondylarthritis Psoriasisarthritis, reaktive Arthritis (Reitersyndrom), Infektionen der Harnwege und des Darmtraktes als Auslöser Infektionen der Wirbelsäule Sieper et al. Ann Rheum Dis 2009; 68:784-788 Red flags Frakturen (Trauma, systemische Steroidtherapie, Osteoporose) Tumoren (höheres Alter, Tumorleiden in Vorgeschichte etc.) Infektionen (kürzlich aufgetretenes Fieber oder Schüttelfrost, durchgemachte bakterielle Infektion, Immunsuppression, i.v. Drogenabusus etc.) Radikulopathien / Neuropathien (dermatombezogen in ein oder beide Beine ausstrahlende Schmerzen, damit verbundene Gefühlsstörungen, Kaudasyndrom, neurologisches Defizit wie Lähmung etc.) Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz 8/2011 78 39 04.04.2016 Yellow flags http://www.tpds.de Risikofaktoren für die Chronifizierung von Schmerzen Depressivität, negativer Stress (vor allem Berufs-/arbeitsbezogen) Ungünstige Einstellungen zum Schmerz (Katastrophisieren, Hilf-/Hoffnungslosigkeit, Angst-VermeidungsVerhalten: „Schmerz = Schädigung“ ) Vermeidender oder überaktiver Umgang mit Schmerzen Unzufriedenheit mit Arbeit, geringe berufliche Qualifikation (auch Arbeitsplatzverlust, Kränkungserlebnisse am Arbeitsplatz) Überwiegende körperliche Schwerarbeit, überwiegend monotone Körperhaltung Iatrogene Faktoren (Überdiagnostik, Überbewertung somatischer Befunde, lange AU, mangelhafte Respektierung der multikausalen Genese) 79 Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz 8/2011 EXKURS: Chronische Schmerzen – die Teufelskreiskrankheit (ursprüngliche) Schmerzauslöser & Risikofaktoren Schmerzen körperliche psychische Veränderungen soziale 80 40 04.04.2016 Chronische Schmerzen – die Teufelskreiskrankheit körperlich Schwäche re. Bein kaum noch Sport Leistungsfähigkeit ↓ Muskelabbau Beweglichkeit ↓ Schlaf ↓ Zentrale Sensitivierung Medikamenten-NW (ursprüngliche) Schmerzauslöser & Risikofaktoren psychisch Ängste vor Schädigung durch körperliche Aktivität (FAB) Schmerzen Angst, Arbeit nicht zu schaffen Hilflosigkeit und Ärger gegenüber Schmerz Einengung des Denkens auf Schmerz Veränderungen Depressiv, gereizt, genervt Fühlt sich abgeschrieben sozial Häufige AU-Zeiten interne Umsetzung Wenig Unterstützung von Kollegen Sozialer Rückzug Chor und Tanzen aufgegeben Aufgeben des Ehrenamts Spannungen in Ehe 81 Chronische Schmerzen – die Teufelskreiskrankheit (ursprüngliche) Schmerzauslöser & Risikofaktoren Schmerzen Veränderungen 82 41 04.04.2016 Ziele psychologischer Schmerztherapie (ursprüngliche) Schmerzauslöser & Risikofaktoren Veränderung ungünstiger Verhaltens- und Erlebensstile im Umgang mit dem Schmerz Schmerzen Einüben schmerzhemmender Verhaltensweisen körperliche psychische soziale Veränderungen Verbesserte Nutzung der eigenen Ressourcen im Umgang mit dem Schmerz 83 Behandlung der Schmerzfolgen körperlich Steigerung der körperlichen Aktivität Kraft aufbauen Ausdauer steigern Beweglichkeit steigern psychisch sozial Eigene Bedürfnisse wahrnehmen Wiederaufnahme sozialer Kontakte Angemessener Umgang mit Wünschen anderer (Schwiegermutter!) Sozialberatung Innerlich zur Ruhe kommen Gespräch mit Patientin und Ehemann adäquates Ehrenamt Schlaf verbessern Arnold et al. Schmerz 2009 · 23:112–120 84 42 04.04.2016 Den Teufelskreis chronischer Schmerzen erklären 85 Ein Erklärungsmodell mit dem Patienten erarbeiten Behandlung der Schmerzfolgen = Behandlung der Schmerzen 86 43 04.04.2016 MOR-NRI Tapentadol ein Molekül mit mehreren Wirkorten 87 Auf der Suche nach einem Analgetikum mit reduzierten Nebenwirkungen- Tapentadol 44 04.04.2016 Einstellung/Umstellung auf Tapentadol (retardiert) # Tagesdosen von 400 mg sollten nur bei besonderen medizinischen Umständen überschritten werden. ## Bei Umstellung von einem Schmerzpflaster kann die Therapie mit PALEXIA® retard mit einem zeitlichen Abstand gemäß der jeweiligen Fachinformation nach dem Entfernen des Pflasters begonnen werden, z.B. 12 Stunden bei Durogesic® Smat. ### Kombination von verschiedenen Pflasterstärken. Diese Empfehlungen können nur als Orientierungshilfe für den Start einer individuellen Palexia retard Therapie dienen. Die tatsächlich notwendige Dosis kann nur unter Berücksichtigung der individuellen Patientenbedürfnisse (Dosisbedarf, Dosisentwicklung unter der Vortherapie, Schmerzart, Verträglichkeit, usw.) ermittelt werden. Aus klinischen Studien1 wurden folgende äquianalgetische Dosierungen für Tapentadol ermittelt: Morphin : Tapentadol ca. 1 : 2,5 und Oxycodon : Tapentadol 1 : 5. Die weiteren Umrechnungswerte basieren auf den üblichen Umrechnungsfaktoren zu Morphin bzw. auf den jeweiligen Fachinformationen2. 1 Buynak R et al. Expert Opin. Pharmacother. (2010): 11 (11): 1787-1804; 2 Modifiziert nach E. Freye: Opioide in der Medizin, 8. Auflage, S. 144-145, 2009 Überlegene Schmerzreduktion bei chronischen Rückenschmerzen Mittlere Schmerzintensität (11-Punkte NRS-3-Skala) 10 8 7,6 Mittlere Veränderung der Schmerzintensität (11-Punkt NRS-3 Skala) im Studienverlauf Tapentadol retard (N=117) Oxycodon / Naloxon (N=112) 7,6 0 -1 6 4,8 3,9 4 -2 -3 2 0 Baseline Woche 12 Mittlere Tagesdosis: Tapentadol retard ~379 mg/ Tag Oxycodon/Naloxon retard ~75 mg/Tag -4 -2,7 -3,7 * p<0.001 für Änderung versus Baseline p<0.001 für Nichtunterlegenheit: Tap vs. O/N *p=0.003 für Überlegenheit: Tap vs. O/N Baron R et al. Pain Practice 2015 PPS/LOCF/ANCOVA 45 04.04.2016 painDETECT painDETECT Mittelwert painDETECT Änderung versus Baseline 30 0 25 22,5 positiv 22,3 20 15 -5 unklar 14,6 11,9 10 -7,9 -10 negativ * 5 0 -10,8 *§ -15 Baseline Woche 12 Tapentadol retard (N=130) Oxycodon/Naloxon (N=125) FAS/LOCF/ANCOVA BL: Baseline/Ausgangswert * p<0.001 für Änderung vs. Baseline § p=0.002 für Überlegenheit Tap vs. O/N Baron R et al. Pain Practice 2015 Ausgewählte TEAEs (gesamte Behandlungsphase) 60 Gastrointestinal 51,6 Patienten (%) 50 ZNS 44,6 40 30 27,3 25,8 * 20 15,4 29,2 22,3 18 17,2 18,5 16,4 ** 7,7 10 7,7 5,5 6,9 3,9 0 Total Obstipation Übelkeit Erbrechen Oxycodone/Naloxone PR (N=128) Tapentadol PR (N=130) trockener Mund Total Schwindel Kopfschmerz *P=0.045 (Überlegenheit: Tap vs. O/N) **P=0.036 (Überlegenheit: Tap vs. O/N) TEAE – Treatment Emergent Adverse Event Sicherheitspopulation modifiziert nach Baron R et al Pain Practice 2015 und Binder A, et al. 2014; PAINWeek, Las Vegas 46 04.04.2016 Aktualisierung der S3-Leitlinie (LONTS): Langzeitanwendung von Opioiden bei nicht tumorbedingten Schmerzen Deutsche Schmerzgesellschaft. Empfehlungen der S3 - Leitlinie „Langzeitanwendung von Opioiden bei nicht tumorbedingten Schmerzen - „LONTS““, Langfassung, AWMF Registernummer 145/003. http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/145-003l_S3_LONTS_2014-10_01.pdf 93 Praxis-Workshop „Vorsicht Burnout“ Schutzmechanismen für den Arzt 47 04.04.2016 Burnout als Risiko-Prozess Stressoren Gesellschaftliche Einflüsse Betrieblicher Effizienz- und Leistungsdruck Persönliche Stressverstärker BurnoutSpirale Keine Diagnose, sondern eine Fehlentwicklung, die mit dem Risiko verschiedener psychischer und somatischer Folgekrankheiten einhergeht Folgekrankheiten (somatisch/psychiatris ch) Brühlmann T, Schmerz 2013(27):521-33. 95 DGPPN-Positionspapier 2012, http://www.dgppn.de. Burnout-Phasen 1. Übermäßiger Ehrgeiz 2. Verstärkter Einsatz, Hyperaktivität, Selbstüberschätzung Hohe Anforderungen (Stressoren) 3. Vernachlässigung eigener Bedürfnisse 4. Leugnen von Problemen Persönliche Stressverstärker Sei perfekt! Kümmere dich um alles! Sei beliebt! Sei der Beste! Hab‘ alles unter Kontrolle! Schaff‘ alles allein! Kränkung („Jetzt erst recht!“) 5. Desorientierung, Werteänderung 6. Verleugnung der gesamten Situation Überforderung (Sollen entfernt sich zu weit vom Können) 7. Rückzug und Verflachung 8. Innere Leere, Angstattacken, psychische Störungen 9. Depression 10. Völlige Erschöpfung, Burnout Freudenberger H, North G (1992).96 48 04.04.2016 Burnout im ICD-10 Kapitel Z73: „Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“ Z73.0: Ausgebranntsein [Burn-out] Mangel an Entspannung oder Freizeit Stress, anderenorts nicht klassifiziert Zustand der totalen Erschöpfung Burnout eine Rahmen- oder Zusatzdiagnose (keine Behandlungsdiagnose) Messung: Maslach Burnout Inventory (MBI) (http://www.aerzteblatt.de/callback/image.asp?id=45821) 97 Wie belastet sind Ärzte? Lebensqualität reduziert verglichen mit Psychotherapeuten und Zahnmedizinern Verglichen mit amerikanischen Ärzten Arbeitszufriedenheit beeinträchtigt Erhöhtes Risiko psychischer Erkrankungen 20% der deutschen Ärzte von Burnout betroffen Depressionen, Suchterkrankungen v.a. in ersten Berufsjahren Erhöhte Suizidraten bei Medizinern 6-fach erhöhtes Risiko für Medikationsfehler bei Depression Jurkat (2010) in Schwarz & Angerer: Arbeitsbedigungen und Befinden von Ärztinnen und Ärzten. Deutscher Ärzteverlag Fahrerkopf et al.; BMJ. 2008 Mar 1;336(7642):488-91. Schernhammer et al. Am J Psychiatry 2004;161:2295-302. Mundle & Gottschaldt. Psychoneuro 2007;33(1+2):13-18. 49 04.04.2016 Ansatzpunkt 1: Stress vorbeugen Fortbildung Stressoren Kollegialer Austausch und Coaching/Supervision Zeitmanagement Persönliche Stressverstärker Stressreaktion modifiziert nach Kaluza (2014): Gelassen und sicher im Stress. Berlin: Springer. weniger wichtig wichtig Eisenhower-Matrix dringend weniger dringend A B Machen Planen C D Delegieren Streichen (oder schnell abarbeiten) 50 04.04.2016 Ansatzpunkt 2: entlastende innere Haltung finden Stressoren Selbsterweiterung (Ich-Selbst, Körper-Selbst, Wir-Selbst, Spiritualität) Persönliche Stressverstärker Lebenserweiterung (vita activa et contemplativa) Stressreaktion modifiziert nach Kaluza (2014): Gelassen und sicher im Stress. Berlin: Springer. Sinnfindung durch multidimensionale Lebensform Lebensform Strategischinstrumentelle Lebensform Soziale Lebensform Ästhetische Lebensform Philosophisch e Lebensform Leitender Wert Der Nutzen Das Gute Das Schöne Das Wahre Leitendes Ziel Erfolg, Macht Gerechtigkeit, Solidarität Genuss, Spontanität Wahrhaftigkeit Authentizität Lebenstyp Vita activa Vita contemplativa Mason, M. E. (1961): Active life and contemplative life – A study of the concepts from Platon to the present. Milwaukee (Marquette University Press). Brühlmann T, Schmerz 2013(27):521-33. 51 04.04.2016 Ansatzpunkt 3: Entspannung und Regeneration Stressoren Persönliche Stressverstärker Stressreaktion Sport, Bewegung im (Berufs-) Alltag (z. B. Schrittzähler) Vielfältige „Anreizlandschaft“ Freizeit und soziale Kontakte nicht ständig dem Beruf unterordnen Trennung von Arbeit und Freizeit Erlernen (und Anwenden) von Techniken (PMR, AT, Achtsamkeit) Veränderung des eigenen Lebensstils als Selbsterfahrung und positives Rollenmodell modifiziert nach Kaluza (2014): Gelassen und sicher im Stress. Berlin: Springer. Polyneuropathie-Patient mit Diabetes mellitus Schmerztherapie bei Komorbidität und Multimedikation © pressmaster - Fotolia.com 104 52 04.04.2016 RLS-Diagonse-Index (RLS-DI) Auszug aus dem RLS-DI Essenzielle Kriterien Verspüren Sie einen Bewegungsdrang der Beine (Arme)? Verspüren Sie, wenn Sie den Bewegungsdrang haben, Mißempfindungen der Beine (Arme) wie Kribbeln, Stechen, Ziehen, Schmerzen? Beginnen oder verschlechtern sich Bewegungsdrang/ Mißempfindungen, wenn Sie sich in Ruhe befinden (Liegen, Sitzen) oder sich nicht bewegen? Werden Bewegungsdrang/Mißempfindungen teilweise oder vollständig durch Bewegung (z.B. Herumlaufen oder Stretching) gelindert? Nehmen Bewegungsdrang/Mißempfindungen am Abend oder nachts im Vergleich zu tagsüber zu? Benes et al., Sleep Med 2009, 515 – 523 105 Positivsymptome (evozierter Schmerz) Klinische Zeichen der Neuropathie Definition Symptome/ Befund (ein normalerweise nicht schmerzhafter…) Mechanischdynamische Allodynie … Reiz löst Schmerz aus Bestreichen der Brennender, Haut mit Pinsel oder stechender Schmerz Watteträger Mechanisch-statische Allodynie … Druck löst Schmerz aus Leichter Druck auf die Haut mit Watteträger Dumpfer Schmerz Mechanische PinPrick Allodynie (Hyperalgesie) … stechender Reiz löst Schmerz aus Berühren der Haut mit spitzen Gegenstand Stechender Schmerz Kälte-Allodynie (Hyperalgesie) … Kältereiz löst Schmerz aus Berühren der Haut mit kalten Gegenstand (10°C) Schmerzhaftebrennende Temperaturmißempfindung Hitze-Allodynie (Hyperalgesie) … Wärmereiz löst Schmerz aus Berühren der Haut mit warmen Gegenstand (45°C) Schmerzhaftebrennende Temperaturmißempfindung Untersuchung Erwartete Antwort Leitlinie für Diagnostik und Therapie in der Neurologie ,„Diagnostik neuropathischer Schmerzen “, 2012, www.dgn.org 106 53 04.04.2016 Klinische Zeichen der Neuropathie Negativsymptome Symptome/ Befund Definition Erwartete Antwort Untersuchung Hypästhesie Reduzierte Empfindung nicht schmerzhafter Reize Bestreichen der Reduzierte Haut mit Pinsel oder Empfindung, Watteträger Taubheit Pallhypästhesie Reduzierte Empfindung eines Vibrationsreizes Applikation der Stimmgabel über Knochen/Gelenk Reduzierte Empfindung Hypalgesie Reduzierte Empfindung schmerzhafter Reize Berühren der Haut mit spitzen Gegenstand Reduzierte Schmerzwahrnehmung Thermhypästhsie Reduzierte Empfindung eines Warm- oder Kaltreizes Berühren der Haut mit warmen (45°C) und kalten (10°C) Gegenstand Reduzierte Temperaturwahrneh mung, evtl. paradoxe Hitzeempfindung Leitlinie für Diagnostik und Therapie in der Neurologie ,„Diagnostik neuropathischer Schmerzen “, 2012, www.dgn.org 107 Klinische Zeichen der Neuropathie Positivsymptome (spontane Empfindung) Symptome/ Befund Definition Erwartete Antwort Untersuchung Parästhesie nicht schmerzhafte, anhaltende kribbelnde Empfindung Frage n. Intensität (z.B. NRS) - Dysästhesie unangenehme Missempfindung Frage n. Intensität (z.B. NRS) - Einschießende Schmerzattacke Elektrisierende Schocks von Sekunden-Dauer Frage n. Anzahl pro Zeit und Intensität, Auslösefaktoren - Oberflächlicher Schmerz Schmerzhaft anhaltende Empfindung, oft brennend Frage n. Intensität (z.B. NRS) - Leitlinie für Diagnostik und Therapie in der Neurologie ,„Diagnostik neuropathischer Schmerzen “, 2012, www.dgn.org 108 54 04.04.2016 DGN-Leitlinie - Kernaussagen Antidepressiva Antikonvulsiva mit Wirkung auf neuronale Kalziumkanäle (Gabapentin, Pregabalin) Pharmakologische Basistherapie Antikonvulsiva mit Wirkung auf neuronale Natriumkanäle (Carbamazepin) MOR-NRI (Tapentadol) Lang wirksame Opioide Topische Therapien Wirkung des Medikaments sollte erst nach 2-4 Wochen unter ausreichender Dosierung beurteilt werden. Die Kombination aus 2 oder 3 Wirkstoffen kann sinnvoll sein. Leitlinie für Diagnostik und Therapie in der Neurologie ,„Pharmakologisch nicht interventionelle Therapie chronisch neuropathischer Schmerzen “, 07.01.2014, www.dgn.org 109 Diabetische Polyneuropathien Die diabetischen Polyneuropathien (PNP) sind häufig, aber unverstanden. Es gibt zahlreiche und sehr variable Erkrankungsverläufe. Prognosen sind schwierig, meist sind die Verläufe gutartig. Die Pathogenese der PNP bei Typ 1-Diabetes unterscheidet sich vom Typ 2Diabetes. Metabolite des Glukosestoffwechsels (Methylglyoxal, Triosephosphat) scheinen den Erkrankungsverlauf zu bestimmen1. Typ 1-Diabetiker scheinen von einer guten Blutzuckereinstellung zu profitieren, nicht aber Typ 2-Diabetiker2 1 Fleming et al.: „Is diabetes an acquired disorder of reactive glucose metabolites and their intermediates?“, Diabetologica 2012, 1151 – 55 110 2 Callaghan et al.: „Diabetic Neuropathy: One disease or two?“, Curr Opin Neurol. 2012, 536 – 41 55 04.04.2016 Therapie von Knochen- und chemotherapie induzierten Nervenschmerzen © ASK-Fotografie - Fotolia.com Tumorschmerztherapie - interdisziplinär Hausarzt Palliativmediziner Schmerztherapeut Onkologe Strahlentherapeut Psychologe / Seelsorger Orthopäde Chirurg Pflegekraft / Physiotherapeut 112 56 04.04.2016 Tumorschmerztherapie - multimodal Medikamentöse Schmerztherapie Radiotherapie Koordination, Betreuung Chemotherapie Osteosynthese Psychoonkologische Betreuung Operation Physiotherapie 113 Klassifizierung Einteilung der Tumorschmerzen nach der Ätiologie Tumorbedingt: 60 - 90% Tumorassoziiert: 10 - 25% Therapiebedingt: 5 - 20% Tumorunabhängig: 3 - 10% 0% 20% 40% 60% 80% 100% 114 57 04.04.2016 Einteilung der Tumorschmerzen nach Pathophysiologie Schmerzcharakter / Symptome Diagnosen Tumorbereich Muskel- und Skelettsystem betroffen / belastungsabhängig / lokal / druckschmerzhaft / keine Entzündungszeichen Infiltratives Tumorwachstum nozizeptiv Nozizeptoraktivierung / reduzierte endogene Schmerzhemmung Muskel- und Skelettsystem betroffen / belastungsabhängig / Entzündungszeichen / lokal / drückend-stechend-bohrend Knochenmetastasen nozizeptiv / entzündlich Nozizeptoraktivierung u. -sensibilisierung / zentrale Sensibilisierung nervale Struktur betreffend / brennend / einschießend / neurologische Begleitsymptome PostZosterNeuralgie / Chemotherapie -induzierte Neuropathie / Nerveninfiltration neuropathisch Somatoforme Schmerzstörung dysfunktional multilokulär / keine pathologischen Labor- / radiologischen Befunde / schmerzüberempfindlich / vegetative und/oder psychische Symptome Mechanismen Bildung neuer Kanäle und Rezeptoren / ektopische Reizbildung (Spontanaktivität) Medikamentöse Schmerztherapie Nicht-Opioide (Paracetamol, NSAR) Muskelrelaxantien MOR-NRI, Opioide NSAR / Glukokortikoide / MOR-NRI, Opioide Antikonvulsiva (Na- und Ca-Kanalblocker) / Antidepressiva (hier v.a. TZA) zentrale Sensibilisierung reduzierte endogene Schmerzhemmung noradrenerge u. serotonerge Wiederaufnahmehemmung (Antidepressiva) / MOR-NRI, Opioide reduzierte endogene Schmerzhemmung und veränderte Schmerzverarbeitung noradrenerge u. serotonerge Wiederaufnahmehemmung (Antidepressiva) 115 Medikamentöse Schmerztherapie Auswahl nach pathophysiologischer Schmerzursache und -stärke: Nozizeptiv z.B. Tumorinfiltration Nozizeptiv / entzündlich z.B. Knochenmetastasen Neuropathisch z.B. Chemotherapie-induzierte Neuropathie, Post-Zoster-Neuralgie Dysfunktional z.B. Somatoforme Schmerzstörung Nicht-Opioide (Paracetamol, NSAR, usw.), Myotonolytika, MOR-NRI, Opioide NSAR, Coxibe, Glukokortikoide, MOR-NRI, Opioide Na+- und Ca+-Kanalblocker (TCA, Antikonvulsiva, topisches Lidocain), Serotonin-NoradrenalinWiederaufnahmehemmer (Antidepressiva), MOR-NRI, Opioide Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (Antidepressiva) Bei Beteiligung verschiedener Mechanismen spricht man von „Mixed Pain.“ 116 Nach Sittl PAINROUTER TM 2010, TCA = Tricyklische Antidepressiva 58 04.04.2016 Nervale Versorgung im Normalfall A B Kortikalis Sensible Nervenfaser Periost C Kortikalis Sensible Nervenfaser Bloom et al. J Pain 2011 117 Nervale Versorgung bei Metastasierung D E F Stromazelle Krebszelle Nervenfaser Neurom-ähnliche Struktur Bloom et al. J Pain 2011 118 59 04.04.2016 Umrechnung zentral wirksamer Substanzen (oral, transdermal) Buprenorphin TTS Tapentadol 2,5:1 Oxycodon 1:2 Tramadol 100:1 1:5 Morphin 100:1 5 (7,5):1 3:1 Fentanyl TTS Morphin i.v. Hydromorphon 5:1 „Sittl-Grießinger-Kreuz“ TTS = transdermales therapeutisches System Hydromorphon i.v. Dosisreduktion (30-50%) bei Umstellung wegen Nebenwirkungen Hohe Ausgangsdosierung erfordert individuelle Titration Sittl R, Likar R, Poulsen Nautrup B: Equipotent doses of transdermal fentanyl and buprenorphine in patients with cancer and noncancer pain: results of a retrospective cohort study. Clin Therapeutics 2005, 27(2)225 237, 119 Therapieoptionen bei Durchbruchschmerz 1998 2006/2008 2009 2008 Oral transmucosal fentanyl citrate OTFC FENTORA®(US) EFFENTORA™(EU) Breakyl® USA auf dem Markt Seit 2012 in Deutschland Rapinyl™/ Abstral® (EU) SLF Actiq® (Transmukosal) Effervescent Bukkal Tablette Fentanyl Bukkal Mukoadhäsives Plättchen Sublingual Fentanyl 2009 Instanyl™ (EU) INFS Intranasal Fentanyl Spray 2011 2014 NasalFent® Fentanyl(EU) FPNS HEXAL sublingual Fentanyl Pectin Nasal Spray 120 60 04.04.2016 Hanf (Cannabis sativa) Update: Cannabinoide in der Schmerzmedizin Kurzzeiteffekte nach der Inhalation Herzfrequenz steigt, Bronchialsystem erweitert sich Gefäßerweiterung in den Augen Ev. angenehme Gefühle und Sensationen Farben und Sounds werden intensiver Zeit scheint langsamer zu vergehen Ein Hungergefühl kann sich einstellen 61 04.04.2016 „Medizinische“ Cannabinoide Definitionen und Medikamente THC (Delta-9-Tetrahydrocannabinol)– ist wenn nicht anders kenntlich gemacht – das in der Hanfpflanze (Cannabis sativa) vorkommende natürliche (-)-trans-Isomer des Delta-9-Tetrahydrocannabinol gemeint * Dronabinol = Delta-9-tetrahydrocannabinol (THC): Internationaler Freiname (INN) für THC. Wirkstoff hergestellt aus Nutzhanf von Binorica Ethics und THC-Pharm. In Apotheken in Form von Kapseln oder Lösung zubereitet (kein Fertigarzneimittel) Marinol® ist Dronabinol als Kapsel (Fertigarznei) in USA im Handel (importierbar) (2.5mg) *Insgesamt in Cannabis sativa über 60 Cannabinoide „Medizinische“ Cannabinoide Definitionen und Medikamente Nabilone® (UK and Europe): Synthetisches Derivat von Dronabinol = Als Cesamet® von der FDA zur chemotherapie-induzierten Übelkeit zugelassen CBD oder Cannabidiol ist das wichtigste nicht psychotrope Cannabinoid der Hanfpflanze Sativex®, Nabiximols® (Dronabinol (THC)+ Cannabidiol (CBD): Sublingual - Spray (zugelassen in Kanada 2005, UK, Spanien 2010; Deutschland, Dänemark usw. 2011) Indikation: MS, Spastizität 1 Die Rolle des nicht psychoaktiven Cannabidiol im Bereich der Schmerztherapie ist nicht ausreichend untersucht 62 04.04.2016 Cannabis: Zusammenfassung Teil I Cannabis hat einen festen Platz in der Medizingeschichte Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) ist das wichtigste Cannabinoid THC wirkt an zentralen und peripheren CB-Rezeptoren Cannabidiol wirkt hat wenig psychotrope Wirkungen und kann unerwünschte psychologische Effekte von THC vermindern Endocannabinoide und Cannabinoide haben eine Filterfunktion an nozizeptiven und inhibitorischen Neuronen und können Akutschmerzen verstärken Die Pharmakokinetik von oralen, sublingualen und inhalatativen Formulierungen ist unterschiedlich und muss berücksichtigt werden Cannabis: Zusammenfassung I und persönliche Empfehlungen Persönliche Vorurteile (in jeder Richtung) ablegen Bedeutende Risikofaktoren (Schizophrenie, Psychosen, instabile ischämische Herzerkrankungen) in der Familienanamnese beachten Sorgfältiges Screening der Risikofaktoren für Substanzmissbrauch Genaue Erklärung der Medikamentenklasse (Substanz, Applikationsformen, Wirkweise, Nebenwirkungen) Mitbehandler und Familienmitglieder aktiv einbeziehen „Non Smoking“ Applikationsformen auswählen 63 04.04.2016 Cannabis: Zusammenfassung II und persönliche Empfehlungen Alle Standardtherapien vor dem Einsatz von Cannabis evaluieren Einsatz bei Spastikschmerzen bei MS (und therapieresistenten Nervenschmerzen) Verwendung von qualitäts-kontrollierten Produkten Genauen Therapieplan (schriftlich) und Follow-up Strategien erstellen Bei fehlendem Therapieerfolg Beendigung der Therapie Cannabis Missbrauch mit extremer Dosissteigerung werden gehäuft gesehen – diese Patienten bedürfen einer Vorstellung beim Suchtspezialisten 64