Infektionsepidemiologischer Jahresbericht Saschsen 2009

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LANDESUNTERSUCHUNGSANSTALT FÜR DAS GESUNDHEITSUND VETERINÄRWESEN
Infektionsepidemiologischer
Jahresbericht 2009
über erfasste übertragbare Krankheiten im Freistaat Sachsen
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungen
4
1
Einleitung
5
2
Zu ausgewählten Infektionskrankheiten
6
2.1
Enteritis infectiosa
6
2.1.1
Clostridium difficile-Infektion
8
2.1.2
Norovirus-Infektion
9
2.1.3
Salmonellose
10
2.2
Shigellose
13
2.3
Typhus und Paratyphus
13
2.4
Meningitis / Enzephalitis
15
2.4.1
Bakteriell bedingte Meningitis / Enzephalitis
16
2.4.1.1
Meningokokkenmeningitis
16
2.4.1.2
Pneumokokkenmeningitis
17
2.4.1.3
Syphilitische Meningitis / Neurosyphilis
17
2.4.2
Virusbedingte Meningitis
18
2.4.2.1
Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME)
18
2.5
Impfpräventable Krankheiten (Auswahl)
19
2.5.1
Haemophilus influenzae, invasive Erkrankung
21
2.5.2
Masern
22
2.5.3
Meningokokken, invasive Erkrankung
23
2.5.4
Mumps
25
2.5.5
Pertussis
26
2.5.6
Pneumokokken, invasive Erkrankung
29
2.5.7
Windpocken
31
2.6
Reiseassoziierte Krankheiten (Auswahl)
31
2.6.1
Denguefieber
31
2.6.2
Malaria
32
2.6.3
Virales hämorrhagisches Fieber
34
2.6.3.1
Chikungunya-Fieber
34
2.7
Sexuell übertragbare Krankheiten (Auswahl)
35
2.7.1
Gonorrhoe (Tripper)
36
2.7.2
Lues (Syphilis)
36
2
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
2.7.2.1
Konnatale Lues
37
2.7.3
Infektion durch Chlamydia trachomatis und Mycoplasma hominis
38
2.7.4
Infektion durch Streptokokken der Gruppe B (S. agalactiae)
39
2.8
Weitere ausgewählte Erkrankungen
40
2.8.1
Borreliose
40
2.8.2
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit
41
2.8.3
Echinokokkose
42
2.8.4
Gasbrand
43
2.8.5
Influenza
43
2.8.6.1
Neue Influenza A/H1N1
43
2.8.6
Legionellose
45
2.8.7
Leptospirose
46
2.8.8
Listeriose
47
2.8.8.1
Konnatale Listeriose
48
2.8.9
MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) invasive Erkrankung
49
2.8.10
Ornithose
50
2.8.11
Trichinellose
51
2.8.12
Tuberkulose
51
2.8.13
Virushepatitis
54
2.8.13.1
Virushepatitis A
54
2.8.13.2
Virushepatitis B
55
2.8.13.3
Virushepatitis C
56
2.8.13.4
Virushepatitis D
57
2.8.13.5
Virushepatitis E
58
3
Übersicht über erfasste meldepflichtige Infektionskrankheiten im
4
Freistaat Sachsen
59
Literaturhinweise, Quellenverzeichnisse
61
3
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
Abkürzungen
•
A
Ausscheider
•
CJK
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit
•
DB
Direktionsbezirk
•
EHEC
Enterohämorrhagische Escherichia coli
•
E
Erkrankung(en)
•
EW
Einwohner
•
FSME
Frühsommer-Meningoenzephalitis
•
GBS
Gruppe B-Streptokokken
•
HIV
Humanes Immundefizienz-Virus
•
HUS
Hämolytisch-urämisches Syndrom
•
HSE
Humane Spongiforme Enzephalopathien
•
IfSG
Infektionsschutzgesetz
•
IgG
Immunglobulin G
•
IgM
Immunglobulin M
•
KBE
Koloniebildende Einheit
•
KBR
Komplementbindungsreaktion
•
LK
Landkreis
•
LT
Lysotyp
•
MMR-Impfung
Mumps-Masern-Röteln-Impfung
•
NRZ
Nationales Referenzzentrum
•
ÖGD
Öffentlicher Gesundheitsdienst
•
PCR
Polymerase change reaction
•
RKI
Robert-Koch-Institut
•
SIKO
Sächsische Impfkommission
•
SK
Stadtkreis
•
spp.
Spezies (pl.)
•
STIKO
Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut
•
SurvStat@RKI
Software zur Auswertung von Meldedaten, die das RKI der Fachöffentlichkeit online im Internet zur Verfügung stellt
•
T
Tod(esfall)
•
TSS
Toxisches Schocksyndrom
•
WHO
World Health Organization (Weltgesundheitsorganisation)
4
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
1
Einleitung
Der vorliegende Bericht soll einen umfassenden Überblick über das Infektionsgeschehen im
Freistaat Sachsen im Jahr 2009 vermitteln.
Hiermit erfolgt eine abschließende Bewertung der im Berichtsjahr 2009 von den Gesundheitsämtern an das Fachgebiet Infektionsepidemiologie übermittelten Daten.
Einen Schwerpunkt bilden die Auswertung und der Vergleich der Daten des Freistaates Sachsen mit den für Deutschland erfassten Zahlen. Dies geschieht sowohl in tabellarischer, grafischer wie auch in textlicher Form.
Als Grundlage für die Angaben der Bundesdaten diente das Infektionsepidemiologische Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2009 des Robert Koch-Instituts Berlin.
Diese umfassende Auswertung zeigt die Notwendigkeit der Arbeit des Öffentlichen Gesundheitsdienstes in der Prävention sowie bei der Bekämpfung von einzelnen Infektionskrankheiten
und Ausbrüchen.
Sie bildet die Grundlage für die Erstellung von Merkblättern, Impfempfehlungen, wissenschaftlichen Studien und Veröffentlichungen u. ä. Weiterhin dient sie als Arbeitsgrundlage für verschiedene Arbeitsgremien und -gruppen, die sich mit dem Thema Infektionsschutz befassen.
Nicht zuletzt soll sie Ärzte, medizinisches Personal, Mitarbeiter im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) sowie sonstige Interessierte über das derzeitige Vorkommen und die Entwicklung
der wichtigsten übertragbaren Krankheiten aufklären.
An dieser Stelle danken wir allen Ärztinnen und Ärzten, Laboratorien und Krankenhäusern, die
durch die Erfüllung Ihrer Meldepflicht aktiv zur Überwachung des Infektionsgeschehens beigetragen haben. Ebenso danken wir allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den sächsischen
Gesundheitsämtern, die uns auch im vergangenen Berichtsjahr mit Fachkompetenz und oftmals
aufwändiger Recherche unterstützt haben und freuen uns auf eine weitere gute Zusammenarbeit.
5
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
2
Zu ausgewählten Infektionskrankheiten
2.1
Enteritis infectiosa
Unter diesem Sammelbegriff werden alle infektiösen Darmerkrankungen zusammengefasst.
Enteritis infectiosa wird meist durch Nahrungsmittel tierischen Ursprungs (bakterielle Erreger,
Parasiten), oder Kontaktinfektionen (Viren) übertragen. Die deutliche Häufung von Erkrankungen in der warmen Jahreszeit betrifft alle bakteriellen Erreger, hingegen ist für virale Infektionen
ein Herbst/Wintergipfel typisch. Infektiöse Gastroenteritiden sind seit langem die mit Abstand am
häufigsten vorkommenden Infektionskrankheiten und nehmen ständig zu.
Jahr 2009
Erkrankungen
Inzidenz
Norovirus
21.173
501,7
Rotavirus
8.016
Campylobacter
Jahr 2008
Erkrankungen
Inzidenz
46,3
21.512
506,2
41,4
189,9
17,5
11.296
265,8
21,7
4.905
116,2
10,7
5.666
133,3
10,9
C. difficile
3.499
82,9
7,7
3.422
80,5
6,6
Adenovirus
2.658
63,0
5,8
3.592
84,5
6,9
Salmonella spp.
2.146
50,9
4,7
3.174
74,7
6,1
Astrovirus
1.108
26,3
2,4
961
22,6
1,9
E. coli
859
20,4
1,9
883
20,8
1,7
Yersinia
541
12,8
1,2
630
14,8
1,2
Giardia lamblia
257
6,1
<1
346
8,1
<1
Cryptosporidium
149
3,5
<1
169
4,0
<1
EHEC
73
1,7
<1
110
2,6
<1
E. histolytica
32
0,8
<1
68
1,6
<1
266
6,3
<1
115
2,7
<1
Bacillus cereus
165
3,9
<1
35
0,8
<1
C. perfringens
14
0,3
<1
1
0,0
<1
Aeromonas
7
0,2
<1
22
0,5
<1
S. aureus
5
0,1
<1
8
0,2
<1
6
0,1
<1
51.944
1.222,3
100
Erreger
übrige Erreger
%
Anteil
sonstige
Insgesamt
Tabelle 1:
45.682
100
1.082,5
%
Anteil
Gemeldete infektiöse Durchfallerkrankungen nach Erregern sowie ihr Anteil am Gesamtvorkommen im Freistaat Sachsen. Jahresvergleich 2009 und 2008
Zur Übermittlung kamen insgesamt 45.682 Erkrankungsfälle mit 375 Ausscheidern und 4 Todesfällen (3-mal Clostridium difficile, 1-mal Noroviren). Die Inzidenz lag bei 1.081 Erkrankungen pro
100.000 Einwohner und damit um 12 % unter der des Vorjahres mit 1.221 Erkrankungen pro
100.000 Einwohner. Dieser Rückgang beruht auf einem Absinken der Erkrankungszahlen bei
fast allen Erregern. Lediglich bei den Infektionen durch Clostridium difficile sowie durch Astroviren waren Anstiege zu verzeichnen.
6
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
75 % aller infektiösen Gastroenteritiden im Jahr 2009 waren viralen Ursprunges; gegenüber
dem Vorjahr bedeutet dies einen Anstieg um 3 %.
Im Berichtsjahr wurde ein leichter Rückgang der Norovirusinfektionen von rund 2 % gegenüber
2008 verzeichnet. Dennoch hatten diese noch immer einen Anteil von 46 % am Gesamtvorkommen der Enteritis infectiosa und nahmen somit deutlich den ersten Platz ein (siehe Kapitel
2.1.2).
Auf dem zweiten Rang lagen, wie auch schon in den letzen Jahren, die Rotavirusinfektionen
mit einer Inzidenz von 190 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner. Absolut kamen 8.016 Erkrankungen und 14 Ausscheider zur Meldung. Dies bedeutete einen Rückgang um 29 % gegenüber
dem Vorjahr. Über Todesfälle wurde nicht berichtet.
Die Sächsische Impfkommission (SIKO) hat ab Januar 2008 ihre öffentlichen Impfempfehlungen
um die Rotavirus-Schluckimpfung für alle Säuglinge im ersten Lebenshalbjahr erweitert. Durch
eine rechtzeitige Impfung können schwere Rotavirus-Gastroenteritiden bei Säuglingen und
Kleinkindern vermieden werden. Geimpft werden kann ab der vollendeten 6. und je nach Impfstoff bis zur vollendeten 26. Lebenswoche.
Ob die erwähnte neu eingeführte Impfung bereits Auswirkungen auf das Vorkommen der Rotavirosen bei Säuglingen und Kleinkindern hatte, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Die Entwicklung der Erkrankungszahlen der nächsten Jahre wird zeigen, ob hier ein konstant rückläufiger Trend einsetzt.
Während 2009 die Campylobacterinfektionen deutschlandweit um 3 % leicht rückläufig waren
(76,6 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner), sank die Inzidenz in Sachsen deutlich um rund
13 % gegenüber dem Vorjahr auf 116 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner (4.905 Erkrankungen sowie 29 Ausscheider). Sie lag damit an 3. Stelle der Erreger der Enteritis infectiosa, nahm
jedoch den ersten Rang unter den bakteriellen Erreger ein. Laut WHO gilt der Campylobacter
als weltweit häufigster bakterieller Enteritis-Erreger. Schon eine relativ geringe Infektionsdosis
kann zur Erkrankung führen. Neben der Infektion (erfolgt fäkal-oral) über Trink- und Badewasser, Rohmilch und Geflügel ist auch eine Übertragung von Mensch zu Mensch möglich.
Auf die Infektionen durch Clostridium difficile, dem zweithäufigsten bakteriellen Erreger der
Enteritis infectiosa wird unter Punkt 2.1.1 näher eingegangen. Eine deutliche Zunahme (+15 %)
der Erkrankungszahlen gegenüber dem Vorjahr konnte bei den Astrovirusinfektionen beobachtet werden.
Die im Berichtsjahr erfasste Inzidenz der Salmonella spp. lag bei 50,9 Erkrankungen pro
100.000 Einwohner (absolut 2.146 Erkrankungen und 159 Ausscheider). Es wurden keine Todesfälle gemeldet. (siehe unter 2.1.3 Salmonellen-Infektionen).
Infektionen durch Escherichia coli wurden in 1,9 % als Erreger infektiöser Durchfälle gemeldet.
Das entsprach einer absoluten Erkrankungszahl von 859 (20,4 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner) und somit einer nur leichten Abnahme gegenüber dem Vorjahr um rund 3 %.
Besonders deutlich war der Rückgang bei den Infektionen durch EHEC (enterohämorrhagische
E. coli. Es wurden mit 73 Erkrankungen rund 34 % weniger erfasst als im Jahr 2008 (110 E).
Weiterhin kamen 25 Ausscheider zur Meldung. EHEC sind E. coli Stämme, die so genannte
Shigatoxine bilden und schwere blutige Durchfälle auslösen können. Die höchste Neuerkrankungsrate wurde bei den Kindern im Alter zwischen 1 und 5 Jahren registriert. Hier erkrankten
39,2 Patienten pro 100.000 der Altersgruppe. Dies entsprach einer Absolutzahl von 51 Erkrankungen. An zweiter Stelle rangierten die Säuglinge unter einem Jahr mit einer Inzidenz von
11,8 Erkrankungen pro 100.000 der Altersgruppe (absolut 4 Erkrankungen). Insgesamt wurden
4 Erkrankungshäufungen erfasst.
Auf eine soll an dieser Stelle näher eingegangen werden:
7
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
¾ Im Krippenbereich einer Kindertagesstätte erkrankte ein einjähriger Junge mit Fieber und
leichtem Durchfall. Die Stuhluntersuchung erbrachte den Nachweis von EHEC (bisher
kein Coli-Typ) sowie Shigatoxin I und II. Durch eingeleitete Umgebungsuntersuchungen
in der Einrichtung wurde eine weitere Erkrankung, ebenfalls bei einem Einjährigen, ermittelt (O 26, Stx I und II). Dessen Bruder (6 Jahre) sowie sein Vater wurden als Ausscheider (Coli ohne Typ, Stx II) erfasst. Die Untersuchungen des Betreuungspersonals verliefen mit negativen Ergebnissen.
Als lebensbedrohliche Komplikation einer EHEC-Infektion kann das hämolytisch-urämische
Syndrom (HUS) auftreten. Im aktuellen Berichtsjahr wurden 3 Fälle übermittelt. Betroffen waren
Kinder im Alter zwischen 1 und 5 Jahren mit teils schweren Krankheitsverläufen.
Die Yersinia-Infektionen gingen 2009 wieder leicht zurück (- 14 %). Mit 541 Erkrankungen (12,8
Erkrankungen pro 100.000 Einwohner) waren sie für lediglich 1,2 % der infektiösen Durchfallerkrankungen verantwortlich.
2.1.1
Clostridium difficile-Infektion
Clostridium difficile ist ein anaerob wachsendes, sporenbildendes Stäbchenbakterium, welches überall in der Umwelt vorkommt. Bei Menschen und Tieren ist der Erreger häufig im Magen-Darm-Trakt zu finden. Kommt es nun zu einer Störung des
mikrobiologischen Gleichgewichts (z. B. durch Antibiotikatherapie oder einen darmchirurgischen Eingriff) kann hieraus eine
starke Vermehrung von C. difficile resultieren. Die durch den
Keim produzierten Toxine können zu schweren Darmentzündungen führen. Die Symptomatik reicht von leicht verlaufenden
Abb. 1: Clostridium difficile
Durchfallerkrankungen bis hin zu schwersten Verläufen (toxisches Megakolon, pseudomembranöse Kolitis). In den letzten Jahren wurde weltweit nicht nur
über einen Inzidenzanstieg der C. difficile-Infektionen sondern auch über eine Zunahme der
Schwere der Erkrankungen berichtet.
Anstelle einer Falldefinition werden bundesweit die Meldekriterien für die Einordnung des Falls
als Grundlage zur Einordnung herangezogen. Erfasst werden am RKI nur die schweren Verläufe
einer Clostridium difficile-Infektion nach § 6 Abs. 1, Nr. 5a IfSG (Arztmeldung).
Für Deutschland kamen somit 406 Fälle (0,5 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner), die mindestens eines der Meldekriterien erfüllten zur Meldung, was einer geringen Abnahme gegenüber
2008 (n = 427) entsprach. Über die Hälfte der im Berichtszeitraum registrierten Patienten (220)
verstarben an den Folgen der Infektion. Der hohe Anteil an Todesfällen lässt darauf schließen,
dass eine beträchtliche Zahl von schwer verlaufenden Fällen ohne Todesfolge nicht zur Meldung gekommen ist.
Im Freistaat Sachsen wird gemäß Landesverordnung jeder Erkrankungsfall von Clostridium difficile an die zuständige Landesbehörde übermittelt. Ein direkter Vergleich mit den auf Bundesebene erfassten Infektionen ist demnach leider nicht möglich.
Die Zahl der im Jahr 2009 in Sachsen registrierten Erkrankungen durch Clostridium difficile stieg
gegenüber 2008 leicht an. Es kamen 3.499 Infektionen zur Meldung, was einer Inzidenz von 83
Erkrankungen pro 100.000 Einwohner entsprach. Der größte Anteil (71 %) konnte den über 65Jährigen zugeordnet werden. 3 Patienten starben an den Folgen ihrer Infektionen:
8
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
¾
Ein 46-Jähriger wurde mit wässrigem Durchfall hospitalisiert und verstarb drei Tage später an einer Enterokolitis. Der Patient war aufgrund einer Herzinsuffizienz und Diabetes
stark vorgeschädigt. In einer Stuhlprobe gelang der Nachweis von Clostridium difficileToxin A/B.
¾
Ein 85-Jähriger erkrankte mit Bauchkrämpfen und musste daraufhin stationär aufgenommen werden. Der Patient verstarb drei Tage später. Aus Stuhl konnte Clostridium
difficile-Toxin nachgewiesen werden. Über eine bereits bestehende Vorerkrankung des
Mannes wurde nichts bekannt.
¾
Bei einem 78-jährigen Mann, welcher an einer Gastroenteritis erkrankt war, wurde aus
Stuhl C. difficile nachgewiesen. Nach der eingeleiteten Antibiotikatherapie kam es kurze
Zeit später zur Ausprägung einer Sepsis. Der Patient verstarb unter dem klinischen Bild
eines septischen Schocks.
2.1.2
Norovirus-Infektion
Noroviren werden der Gruppe der Caliciviren zugeordnet. Sie kommen
weltweit vor und sind die Ursache für einen Großteil der virusbedingten
Magen-Darm-Erkrankungen bei Kindern und Erwachsenen. Die Übertragung erfolgt meist fäkal-oral oder durch die orale Aufnahme virushaltiger
Tröpfchen. Es kommt dann in den meisten Fällen zu schwallartigem Erbrechen, teils auch mit Durchfall einhergehend. Ein gehäuftes Auftreten ist vor
allem in den Wintermonaten zu beobachten.
Abb. 2: Norovirus
Im September 2009 wurden die bestehenden Übermittlungskriterien für Norovirus-Infektionen
geändert. Alle labordiagnostisch bestätigten Erkrankungen waren wie bisher als Einzelfälle zu
übermitteln. Die klinisch-epidemiologischen Fälle im Rahmen von Häufungen wurden in Form
einer aggregierten Meldung zusammengefasst. Dies sollte in Zeiten einer hohen Norovirusaktivität zu einer Entlastung der Mitarbeiter der Gesundheitsämter führen, da nun nicht mehr jeder
Fall einzeln in das elektronische Meldesystem einzupflegen war. Diese vom RKI initiierte Vorgehensweise wurde von den meisten Gesundheitsämtern Sachsens gut angenommen.
Später zeigte sich jedoch, dass mit diesen Daten eine altersspezifische Auswertung (seitens des
RKI) nun nicht mehr möglich war. Diese aggregierten Zahlen gingen deshalb nicht in die bundesweite Jahresstatistik ein; es wurden nur die labordiagnostisch-bestätigten Erkrankungen berücksichtigt. Auch im Statistischen Jahrbuch des RKI findet sich kein Hinweis auf die Zahl der im
Rahmen der aggregierten Meldungen im Berichtsjahr 2009 erfassten Infektionen.
Es kamen nach diesen Kriterien deutschlandweit 110.846 labordiagnostisch bestätigte Norovirus-Erkrankungen zur Meldung (135 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner). Die wahre Fallzahl
der 2009 aufgetretenen Norovirusinfektionen wird somit deutlich unterschätzt. Es wurde jedoch
von einer hohen Norovirusaktivität ausgegangen. Insgesamt kamen in ganz Deutschland 30
Todesfälle bedingt durch eine Norovirusinfektion zur Meldung.
Im Freistaat Sachsen wurde im Berichtsjahr 2009 ein leichter Rückgang der Norovirusinfektionen um rund 2 % gegenüber 2008 verzeichnet. Es kamen insgesamt 21.173 Erkrankungen und
60 Ausscheider zur Meldung. Dies bedeutete eine Inzidenz von 502 Erkrankungen pro 100.000
Einwohner.
Im Rahmen der aggregierten Meldung wurden im Freistaat Sachsen 7.490 klinischepidemiologische Fälle erfasst. Diese sind in der Gesamtzahl (21.173) enthalten.
9
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
Im Zusammenhang mit 409 Geschehen kamen im Freistaat Sachsen 9.271 Erkrankungen zur
Meldung. Es wurde ein norovirusbedingter Todesfall registriert.
Im Zusammenhang mit einem größeren Ausbruch in einem Seniorenheim im Landkreis
Sächsische Schweiz-Osterzgebirge verstarb eine 94-jährigen Heimbewohnerin an den
Folgen der Infektion.
¾
Erkrankungen
1600
1400
1200
1000
800
600
400
200
0
1
14
27
2005
40
1
14
27
2006
40
1
14 27 40 1
Kalenderwoche
2007
14
27
2008
40
1
14
27
40
2009
Abb. 3:
Noroviruserkrankungen in Sachsen 2005 bis 2009 (2009 mit aggregierten Daten)
2.1.1
Salmonellen-Infektion
Salmonellen sind stäbchenförmige Bakterien. Weltweit sind
derzeit etwa 2.200 Serovare bekannt. Die durch eine Salmonellen-Infektion verursachten Symptome sind vielfältig; meist
Bauchschmerzen, Durchfall, Fieber und Erbrechen. Diese
können leicht, unter Umständen aber auch sehr heftig ausgeprägt sein. Für Säuglinge und Kleinkinder, Schwangere,
alte oder kranke Menschen sowie für immunsupprimierte
Personen kann eine Salmonelleninfektion unter Umständen
gefährlich sein. In einigen Fällen zeigen sich keine Krankheitssymptome, obwohl Salmonellen im Darm vorhanden
sind und mit dem Stuhl ausgeschieden werden (symptomlose Ausscheider).
Abb. 4: Salmonelle
Deutschlandweit wurden im Jahr 2009 31.397 Salmonellen-Meldungen (38,3 Erkrankungen pro
100.000 Einwohner) registriert, die der Referenzdefinition des RKI entsprachen. Dies bedeutete,
wie auch schon in den vergangenen Jahren, einen deutlichen Rückgang zum Vorjahr. Dieser fiel
mit - 27 % sogar noch etwas höher aus als im Jahr 2008 (- 23 %). Es wurden 20 Todesfälle im
Zusammenhang mit einer Salmonellen-Infektion registriert.
Laut dem Jahresbericht des RKI nahm im Vergleich zum Vorjahr die Inzidenz in allen Bundesländern ab. In den ostdeutschen Flächenbundesländern, in Nordrhein-Westfalen und in Rheinland-Pfalz lag sie jedoch über dem bundesdeutschen Durchschnitt für 2009.
In 95 % der Meldungen wurde mindestens ein Infektionsland angegeben. Bei 94 % der Nennungen wurde Deutschland aufgeführt. Die anderen Nennungen entfielen laut RKI auf die typischen
Urlaubsländer wie die Türkei (1 %), Spanien (0,6 %) und Ägypten (0,4 %).
10
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
Erkrankungen pro 100.000 Einwohner
100
90
80
70
60
50
40
30
20
Deutschland
Sachsen
10
0
2005
Abb. 5:
2006
2007
2008
2009
Salmonellenerkrankungen 2005 bis 2009 in Sachsen und Deutschland
Mit absolut 2.146 Erkrankungen und 159 Ausscheidern setzte sich, auch im Berichtsjahr 2009,
der rückläufige Trend im Freistaat Sachsen fort. Die hieraus resultierende Neuerkrankungshäufigkeit von 51 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner lag somit um 32 % niedriger als die von
2008 (75 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner). Es kamen keine Todesfälle zur Meldung.
2009 konnte bei der Verteilung der im Jahresverlauf aufgetretenen Salmonella-Serovare eine
Verschiebung registriert werden. Es dominierte nun der Serovar S. Typhimurium mit einem Anteil von rund 42 %. An zweiter Stelle lagen die Infektionen durch S. Enteritidis mit etwa 32 %. In
den vergangenen Jahren war der Anteil S. Typhimurium stetig angestiegen, während S. Enteritidis kontinuierlich rückläufig war. An dritter Stelle mit rund 90 Infektionen lag (wie auch schon in
den Vorjahren) der Serotyp S. Infantis. Die Anteile aller weiteren Salmonella-Serovare lagen
unter 1 %. Insgesamt wurden 54 unterschiedliche Serotypen erfasst. In weiteren rund 200 Fällen
wurde bis zur Serogruppe B typisiert und bei etwa 70 Infektionen bis zur Serogruppe C.
Erkrankungen pro 100.000 Einwohner
100
90
80
70
60
50
40
30
20
S. Enteritis
10
S. Typhimurium
sonstige Erreger
0
2005
Abb. 6:
2006
2007
2008
2009
Verteilung der häufigsten Salmonellen-Serovare in Sachsen 2005 bis 2009
11
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
Es wurden 16 zumeist kleinere salmonellenbedingte Erkrankungshäufungen erfasst. Mit 116
Erkrankungen sowie 36 Ausscheidern in diesem Zusammenhang wurden deutlich weniger Fälle
registriert als im Vorjahr (2008 = 300 Erkrankungen und 3 Ausscheider), was einem Anteil von
rund 7 % am Gesamtvorkommen der Salmonelleninfektionen entsprach (2008 = 9 %).
Die 16 Geschehen waren verursacht durch 8-mal S. Enteritidis, 7-mal durch S. Typhimurium und
einmal durch S. Kentucky. Drei der Geschehen konnten ursächlich aufgeklärt werden: Es gelang
zweimal der Nachweis in angeschuldigten Lebensmitteln (jeweils einmal S. Enteritidis bzw. S.
Typhimurium). Bei dem dritten Geschehen wurde bei 7 Angestellten einer Viehwirtschaft S.
Typhimurium nachgewiesen, nachdem der positive Sektionsbefund einer Kuh aus deren Bestand vorlag.
Auf den größten salmonellenbedingten Ausbruch im Jahr 2009 soll hier näher eingegangen
werden:
¾ Anfang Mai kam es im Landkreis Görlitz zum gehäuften Auftreten von Erkrankungen an
Salmonella Typhimurium in der Bevölkerung (darunter eine Jugendweihefeier). Die
Ermittlungen ergaben, dass alle Personen verschiedene Fleisch- und Wurstwaren aus
einer Fleischerei (viele Verkaufsstellen im Landkreis) bezogen und verzehrt hatten.
Mittels Tupferproben wurde im Kutter- und Zerlegeraum des Lebensmittelbetriebes auch
S. Typhimurium nachgewiesen. Lebensmitteluntersuchungen (Hackepeter, Pizzabratwurst, Wiener und Wurstaufschnitt) erbrachten ebenfalls den positiven Nachweis von S.
Typhimurium, ebenso Stuhluntersuchungen bei Angestellten der Fleischerei und Filialen;
15 wurden als Ausscheider ermittelt. Bei Patienten und in Wurstwaren wurde der gleiche
Lysotyp (DT 120) als Verursacher der Erkrankungen eindeutig identifiziert. Insgesamt
konnten diesem Ausbruch 41 Erkrankungen und 18 Ausscheider zugeschrieben werden.
Als Besonderheit soll an dieser Stelle auch eine heimtierassoziierte Salmonelleninfektion beschrieben werden:
¾ Im Landkreis Leipzig erkrankte ein vier Monate alter weiblicher Säugling zunächst mit leichtem Durchfall. Später verschlechterte sich der Allgemeinzustand des Mädchens (hohes Fieber, Erbrechen sowie erhöhte Schläfrigkeit), so dass
eine Hospitalisierung mit Verdacht auf Meningitis erforderlich
wurde. Die Laboruntersuchungen ergaben aus Liquor, Blut
und Stuhl den Nachweis von Salmonella Eastbourne. Umgebungsuntersuchungen bei Familienangehörigen verliefen negativ. Parallel veranlasste Kotuntersuchungen bei den im
Haushalt lebenden Tieren (zwei Bartagamen, ein Hund, eine
Katze und ein Hase) ergaben ebenfalls den Nachweis von S. Abb. 7: Bartagame
(Pogona vittceps)
Eastbourne bei der Katze und bei beiden Bartagamen. Es
ließ sich nicht eruieren, welches der Tiere der Indexfall war.
Als Übertragungsvehikel wurde eine Katzenstreu-Schaufel, die ebenfalls zur Reinigung
des Terrariums genutzt wurde, in Erwägung gezogen.
Auf die durch S. Typhi und S. Paratyphi verursachten Erkrankungsbilder wird unter 2.3 Typhus
und Paratyphus separat eingegangen.
12
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
2.2
Shigellose
Die Shigellenruhr, oder auch Bakterienruhr genannt, ist eine durch
gramnegative Bakterien verursachte Infektionskrankheit, die
hauptsächlich den Dickdarm betrifft. Sie äußert sich in plötzlichem
Fieber, Erbrechen (teilweise blutigen) Durchfällen, schmerzhaftem
Stuhlgang und Gliederschmerzen. Die Shigellenruhr wird durch
verunreinigte Lebensmittel oder Wasser übertragen. Da die Infektionsdosis sehr niedrig ist (bereits weniger als 200 Bakterien können eine Erkrankung auslösen), können Shigellen leicht von
Mensch zu Mensch übertragen werden.
Abb. 8: Shigella
2009 kamen in Deutschland 617 Erkrankungen zur Meldung, was einem leichten Anstieg um
7 % im Vergleich zum Vorjahr (575 Erkrankungen) entsprach; die Neuerkrankungsrate lag somit
bei 0,8 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner. Es kam ein Shigellose-Fall als krankheitsbedingt
verstorben zur Meldung.
Auf Sachsen entfielen 51 Ruhrerkrankungen. Die Inzidenz betrug 1,2 Erkrankungen pro 100.000
Einwohner und wies somit einen leichten Anstieg (+ 12 %) gegenüber 2008 auf. 44 Erkrankungen waren bedingt durch S. sonnei, fünf Erkrankungen durch S. flexneri und jeweils eine durch
S. boydii bzw. S. dysenteriae. Als Infektionsquelle konnte in den meisten Fällen ein Auslandsaufenthalt angenommen werden.
Jahr
Sachsen
E abs.
E pro
100.000 EW
Deutschland
E abs.
E pro
100.000 EW
2004
121
2,8
1.151
1,4
2005
124
2,9
1.168
1,4
2006
85
2,0
814
1,0
2007
81
1,9
869
1,1
2008
41
1,0
575
0,7
2009
51
1,2
617
0,8
Tabelle 2:
Shigellenruhr 2004 bis 2009 in Sachsen und Deutschland
Die am häufigsten genannten Infektionsländer waren Ägypten (22 Erkrankungen), Indien und
Marokko (jeweils 3 Erkrankungen). Es wurde über eine kleinere Häufung berichtet:
¾ Nach ihrer Rückkehr von einer Ägyptenurlaubsreise erkrankte eine vierköpfige Familie
mit Durchfall, Erbrechen und Fieber. Stuhluntersuchungen erbrachten bei den Eltern den
Nachweis von Shigella sonnei.
2.3
Typhus und Paratyphus
Typhus ist eine Infektionskrankheit, die durch Salmonella Typhi ausgelöst wird. Nach einer Inkubationszeit von ca. zehn Tagen beginnt die Erkrankung mit Kopfschmerzen, Mattigkeit, konstant hohem Fieber (über Wochen möglich), grau-gelb belegter Zunge, stark beeinträchtigtem
Allgemeinbefinden, langsamem Puls und Exanthem. Die Diagnose wird über den Erregernach-
13
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
weis gesichert. Zwei bis fünf Prozent der Patienten scheiden den Erreger auf Dauer aus (Keimreservoir ist oft die Gallenblase). Der Erreger schadet dem Wirt nicht, benutzt ihn aber als Plattform für seine Vermehrung. Eine genaue Kontrolle und Behandlung der Typhuspatienten bis zur
endgültigen Ausheilung sind sehr wichtig. Heute wird ein erheblicher Teil der gemeldeten Erkrankungen nur noch durch Reisen ins Ausland erworben bzw. betrifft nach Deutschland eingereiste Ausländer.
Sachsen
Jahr
Deutschland
Typhus
Paratyphus
Typhus
Paratyphus
E abs. E/100.000 E abs. E/100.000 E abs. E/100.000 E abs. E/100.000
EW
EW
EW
EW
2004
7
0,16
1
0,02
82
0,10
107
0,13
2005
2
0,05
1
0,02
80
0,10
56
<0,10
2006
3
0,07
5
0,12
76
<0,10
73
<0,10
2007
4
0,09
1
0,02
59
<0,10
72
<0,10
2008
-
-
1
0,02
69
<0,10
86
<0,10
2009
2
0,05
-
-
65
<0,10
76
<0,10
Tabelle 3:
Typhus und Paratyphus 2004 bis 2009 in Sachsen und Deutschland
Es wurden bundesweit 65 Erkrankungen (< 0,1 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner) erfasst.
Etwa 86 % dieser Infektionen wurden vermutlich importiert. Wie auch schon in den letzten Jahren war hierbei Indien der am häufigsten genannte Infektionsort (23-mal). Über Todesfälle wurde
nicht berichtet.
Auf den Freistaat Sachsen entfielen in diesem Jahr 2 Erkrankungen.
¾ Es handelte sich um einen 32-jährigen Pakistani, welcher sich besuchsweise (Bergsteigerurlaub) in Deutschland aufhielt sowie um einen 24-jährigen Deutschen, der kurz nach
seiner Rückkehr aus Indien erkrankte.
Paratyphus wird durch Salmonella Paratyphi verursacht. Das klinische Bild ist dem des Typhus
sehr ähnlich, verläuft meist jedoch etwas milder.
In Deutschland kamen 76 Erkrankungen (< 0,01 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner) zur
Meldung. 88 % der Fälle wurden als importiert angesehen. Als häufigste Infektionsländer wurden 47-mal Türkei, sowie 10-mal Indien genannt. In 9 Fällen wurde Deutschland als Infektionsland angegeben. Todesfälle wurden nicht erfasst.
Auf den Freistaat Sachsen entfielen in diesem Jahr keine Erkrankungen; es kamen lediglich 2
Ausscheider zur Meldung.
¾ Bei einem 5-jährigen türkischen Jungen, welcher während eines dreiwöchigen Heimaturlaubs (Gaziantep und Mersin - Osttürkei) an Durchfällen erkrankt war, wurde aus Stuhl
S. Typhimurium nachgewiesen. Da seine Familie im Vogtlandkreis eine Systemgastronomie betreibt, wurden bei ihnen Umgebungsuntersuchungen eingeleitet. So konnte der
28-jährige Vater, der ihn auf der Reise begleitet hatte, als Ausscheider von S. Para-
14
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
typhi B ermittelt werden. Eine nachfolgende Stuhluntersuchung bei dem Jungen erbrachte dann ebenfalls den Nachweis von S. Paratyphi B.
Nach Berichten des RKI traten in den Sommermonaten in den genannten Regionen (wie
auch schon 2008) gehäuft Paratyphus B-Infektionen auf. Die Ansteckung erfolgt meist
durch den Genuss verunreinigter Nahrungsmittel sowie über Trinkwasser oder durch eine Schmierinfektion.
2.4
Meningitis / Enzephalitis
Die Meningitis ist eine Entzündung der Hirnhäute (Meningen). Bakterien oder Viren sind die häufigsten Verursacher der Meningitis. In vielen Fällen kommt es auch zu einer Entzündung des
Gehirns (Enzephalitis). Man spricht dann von einer Meningoenzephalitis. Kinder oder Patienten
mit geschwächtem Immunsystem haben ein besonders hohes Risiko, an einer Meningitis zu
erkranken. Das Hauptsymptom der Meningitis ist die Nackensteifigkeit (Meningismus). Weitere
Symptome sind ein allgemeines Krankheitsgefühl, Kopfschmerzen, hohes Fieber, Erbrechen
und Lichtempfindlichkeit. Seltener tritt Benommenheit bis hin zum Koma auf.
Ein Vergleich auf bundesdeutscher Ebene ist hier leider nicht möglich, da laut IfSG keine Meldepflicht für das klinische Bild einer Meningitis/Enzephalitis besteht.
Mit der Erweiterung des Infektionsschutzgesetzes durch die Sächsische Meldeverordnung
wurde die Meldepflicht auf bestimmte Krankheiten ausgedehnt. Darunter fällt auch das klinische Bild einer Meningitis/Enzephalitis mit Erregernachweis im Liquor.
Erreger
Jahr 2009
Erkrankungen
Bakterielle Erreger gesamt
60
Borrelien
14
Escherichia coli
2
Jahr 2008
Todesfälle
Inzidenz
Erkrankungen
3
1,35
38
0,28
3
0,07
1
0,02
1
Todesfälle
5
Inzidenz
0,89
0,05
Haemophilus influenzae
Listerien
2
0,05
3
Meningokokken
9
0,21
8
Pneumokokken
29
0,66
18
Salmonellen
1
0,02
Gruppe-B-Streptokokken
1
0,02
2
0,05
sonstige Streptokokken
1
0,02
1
0,02
2
0,05
2
Staphylococcus aureus
1
0,07
0,19
4
0,42
Treponema pallidum
1
0,02
Virale Erreger gesamt
56
1,33
55
1,29
Enteroviren
41
0,97
42
0,99
FSME-Virus
1
0,02
1
0,02
Herpes-Viren
10
0,24
4
0,09
1
0,02
4
0,09
7
0,16
2,68
93
Parvovirus B19
Varizella-Zoster-Virus
Insgesamt
Tabelle 4:
116
3
5
2,19
Erkrankungen mit dem klinischen Bild Meningitis/Enzephalitis in Sachsen 2009 und 2008
15
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
2.4.1
Bakteriell bedingte Meningitis / Enzephalitis
Im Freistaat Sachsen wurden 2009 insgesamt
60 bakteriell bedingte Meningitiden erfasst. Die
Pneumokokkeninfektionen hatten mit 47 % (absolut 29 Erkrankungsfälle, davon 2 Todesfälle)
den größten Anteil an den bakteriell bedingten
Meningitiden. Nachfolgend trugen die Borrelien
mit 20 % und die durch Meningokokken verursachten Meningitiden mit 15 % zum Gesamtvorkommen bei. Auf die durch Pneumo- bzw.
Meningokokken bedingten Erkrankungen wird
in den folgenden Kapiteln näher eingegangen.
Weiterhin wurde im Berichtsjahr eine syphilitische Meningitis erfasst. Auch diese wird näher
beschrieben. Die Neuroborreliose inklusive
durch Borrelien verursachte meningitische Syndrome wurden unter 2.8.1 Borreliose aufgeführt.
7
9
29
Pneumokokken
14
Borrelien
Meningokokken
sonstige Erreger
Abb. 9: Anteile der Erreger bakterieller Meningitiden 2009
Es kamen 3 Fälle einer bakteriellen Meningitis als krankheitsbedingt verstorben zur Meldung.
Darunter war einer durch Escherichia coli bedingt:
¾ Eine 82-jährige Frau aus dem Landkreis Mittelsachsen erkrankte mit Bewusstseinstrübung und Meningismus. Aus dem Liquor gelang der Nachweis von Escherichia coli, jedoch ohne weitere Typisierung. Die Patientin verstarb fünf Tage nach Erkrankungsbeginn. Angaben zu Vorerkrankungen lagen nicht vor.
2.4.1.1
Meningokokkenmeningitis
Unter den durch Bakterien verursachten Gehirnhautentzündungen ist die Meningokokken-Meningitis (Meningitis epidemica) die einzige Form, die epidemisch auftreten kann (überwiegend Typ A und C). Neisseria meningitidis (Meningokokken)
können aufgrund der Antigenstruktur der Polysaccharidkapsel
in 12 Serotypen (in Deutschland vorwiegend Serotyp B) eingeteilt werden. Sie rufen nach kurzer Inkubationszeit (wenige Tage) eine Allgemeininfektion hervor, die sich als Meningitis mit
Bakteriämie manifestiert (meist akuter Beginn mit hohem Fieber, Erbrechen, starken Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit, z.
Abb. 10: N. meningitidis
T. Bewusstseinseintrübungen). Als Komplikation kann neben
septischen Zustandsbildern mit petechialen Hautblutungen ein mit hämorrhagischen Nekrosen
einhergehendes Waterhouse-Friderichsen-Syndrom (Versagen der Nebennieren durch Nekrosen der Nebennierenrinde) auftreten.
Laut dem Infektionsepidemiologischen Jahrbuch des RKI 2009 zeigte sich bei 294 Patienten das
klinische Bild einer Meningitis. Die Inzidenz lag somit bei 0,4 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner.
In Sachsen kamen 9 Meningokokkenmeningitiden zur Meldung. Das entsprach einer Inzidenz
von 0,2 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner. Im Vergleich zum Vorjahr ergab sich somit keine
16
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
größere Veränderung (2008 = 8 Erkrankungen). Die meisten Erkrankungen (n = 3) traten in der
Altersgruppe der 15 bis unter 25-Jährigen auf. In den Altersgruppen 1 bis unter 5 sowie 5 bis
unter 15 Jahren wurden jeweils 2 Erkrankungen registriert. Weiterhin erkrankten ein 8 Monate
alter Säugling und eine 54-Jährige. Bei 7 Patienten ergab die Subtypisierung des Erregers die
Serogruppe B und in jeweils einem Fall die Serogruppen C bzw. Y. Die beiden Patienten, die
sich mit den impfpräventablen Serogruppen C bzw. Y infiziert hatte, waren ungeimpft.
Im Zusammenhang mit allen Infektionen wurde bei etwa 330 Kontaktpersonen eine medikamentöse Prophylaxe durchgeführt. Todesfälle kamen im Berichtsjahr 2009 nicht zur Meldung.
2.4.1.2
Pneumokokkenmeningitis
Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae) sind grampositive Kugelbakterien. Es gibt mehr als 80 verschiedene Typen. In der Regel
besiedeln sie den Nasen-Rachenraum, ohne dass sie Symptome
auslösen. Eine Übertragung erfolgt in Form von Tröpfcheninfektion.
Ob und wie schwer ein Mensch erkrankt, hängt oftmals von seinem
Alter und seinem Immunsystem ab. Eine Pneumokokkenmeningitis
beginnt meist akut mit hohem Fieber, Kopf-, Nacken- und Rückenschmerzen und rasch zunehmenden Bewusstseinsstörungen. Die
durchschnittliche Letalität beträgt 10 bis 20 %, bei Säuglingen und
alten Menschen sogar bis zu 70 Prozent.
Abb. 11: S. pneumoniae
In Sachsen wurde im Jahr 2009 rund die Hälfte aller bakteriellen Meningitiden durch Pneumokokken verursacht (absolut 29 Fälle).
Die meisten Fälle traten in diesem Jahr in den Altersgruppen der 25 bis unter 45-Jährigen (9
Erkrankungen) und der 45 bis unter 65-Jährigen auf (8 Erkrankungen). Weiterhin erkrankten 7
Senioren, welche alle über 65 Jahre alt waren. Kinder im Alter zwischen 3 und 9 Jahren waren
in drei Fällen betroffen. Es kamen 2 Todesfälle zur Meldung:
¾ Die beiden an einer Pneumokokkenmeningitis verstorbenen Patienten waren 69 bzw. 73
Jahre alt. Im Liquor bzw. Hirnabstrich konnte Streptococcus pneumoniae nachgewiesen
werden. Der 73-Jährige hatte im Jahr 2005 eine Pneumokokkenimpfung erhalten.
Die hohen Neuerkrankungsraten bei den über 60-jährigen Patienten unterstreichen einmal mehr
die Notwendigkeit der für dieses Alter empfohlenen Pneumokokkenimpfung. Bis auf einen Patienten waren alle anderen erfassten Personen ungeimpft.
2.4.1.3
Syphilitische Meningitis / Neurosyphilis
Bei der Neurosyphilis handelt es sich um eine Verlaufsform der Syphilis (Treponema pallidum)
mit Übergriff auf das Zentrale Nervensystem. Die klassische Neurosyphilis tritt vor allem in den
späten Stadien einer allgemeinen Syphiliserkrankung auf. Es können Reizerscheinungen der
Hirnhäute auftreten (meist Kopfschmerz, Hirnhäuteparesen, polyradikuläre Syndrome der Rückenmarks-Hinterwurzeln). Eine vollständig ausgeprägte syphilitische Meningitis ist selten.
Eine solche syphilitische Meningitis wurde aus dem Landkreis Meißen übermittelt und wird im
Folgenden beschrieben:
¾ Ein 38-jähriger Mann erkrankte bereits Anfang November 2008 mit einer schweren Psychose. Kurz darauf musste der Patient mit meningitischer Symptomatik stationär behandelt werden. Untersuchte Liquor- und Serumproben bestätigten eine Treponema palli-
17
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
dum-Infektion. Weitere Angaben über Vorerkrankungen, einen möglichen Infektionszeitpunkt oder eine gleichzeitig vorliegende HIV-Infektion wurden nicht bekannt.
2.4.2
Virusbedingte Meningitis
Für das Berichtjahr wurden im Freistaat Sachsen 56 virale Meningitiden gemeldet. Davon waren
41 durch Enteroviren bedingt. Gegenüber dem Jahr 2008 konnten keine wesentlichen Veränderungen verzeichnet werden.
Bei den übrigen virusbedingten Meningitiden wurden viermal Varizella-Zoster-Viren, zehnmal
Herpes-simplex-Viren sowie einmal FSME-Viren nachgewiesen. Am häufigsten erkrankten Kinder der Altersgruppe 5 bis unter 15 Jahren (n = 21). An zweiter Stelle standen Kleinkinder bis 5
Jahre (n = 12). 8 Personen waren zwischen 25 und 44 Jahren alt. Häufungen sowie Todesfälle
kamen im Berichtsjahr 2009 nicht zur Meldung.
2.4.2.1
Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME)
Die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) ist eine entzündliche
Erkrankung des Gehirns oder der Hirnhäute, die durch das FSMEVirus ausgelöst wird. Das Virus wird durch Zeckenstiche übertragen.
Nach Ausbruch der Krankheit ist eine Therapie sehr schwierig. Bei
etwa zehn Prozent der infizierten Personen befällt das Virus auch das
Zentralnervensystem. Ein Teil dieser Patienten wiederum leidet an
Spätfolgen wie Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen und Psychosen.
Abb. 12: FSME-Virus
Eine Impfung gegen FSME wird Personen, die sich in FSME-Risikogebieten aufhalten oder Personen, die durch FSME beruflich gefährdet sind (z. B. Forstarbeiter, Exponierte in der Landwirtschaft, exponiertes Laborpersonal) empfohlen. Die Risikogebiete werden durch Landkarten ausgewiesen, die jährlich vom Robert Koch-Institut aktualisiert werden. Innerhalb Deutschlands
werden die Kosten in der Regel von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.
Jahr
Sachsen
E abs.
E pro
100.000 EW
Deutschland
E abs.
E pro
100.000 EW
2004
5
0,12
275
0,3
2005
5
0,12
432
0,5
2006
4
0,09
546
0,7
2007
2
0,03
238
0,3
2008
1
0,02
288
0,3
2009
4
0,09
313
0,4
Tabelle 5:
FSME 2004 bis 2009 in Sachsen und Deutschland
Deutschlandweit kamen im Berichtsjahr 313 Erkrankungsfälle (0,38 Erkrankungen pro 100.000
Einwohner) zur Meldung. Dies entsprach einem leichten Anstieg von 8 % im Vergleich zum Jahr
2008. Die höchsten Neuerkrankungsraten wiesen wie auch schon in den Vorjahren das Bundesland Baden-Württemberg (146 Erkrankungen) und der Freistaat Bayern (130 Erkrankungen) auf.
Diesen beiden Bundesländern sind 120 der insgesamt 136 als Risikogebiete eingestuften Kreise
18
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
zugeordnet. In insgesamt 300 Fällen wurde als Infektionsland Deutschland angegeben; 4-mal
wurden Österreich, 2-mal Italien und jeweils einmal Kirgistan, Estland, Polen und Schweiz genannt. Ein Patient verstarb an einer FSME.
Im Freistaat Sachsen kamen 4 Erkrankungen ungeimpfter Patienten (jedoch nur eine mit meningitischer Symptomatik) zur Meldung:
¾ Betroffen war ein 52-jähriger ungeimpfter Mann aus dem Landkreis Sächsische SchweizOsterzgebirge, welcher mit einer Armlähmung und grippeähnlicher Symptomatik erkrankte. Der Patient hielt sich im fraglichen Infektionszeitraum dienstlich im Raum Erlangen, welcher als FSME-Risikogebiet deklariert ist, auf. Die Infektion wurde serologisch
bestätigt (IgM und IgG positiv). Ein Zeckenstich war nicht erinnerlich.
¾ Bei zwei weiteren Fällen wurde ein Zeckenstich der Patienten in der Dippoldiswalder
Heide (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) als möglicher Infektionsort angegeben. Betroffen war eine 55-Jährige, welche mit grippaler Symptomatik und Fieber
erkrankte. Die Diagnose wurde mittels eines erhöhten Antikörper-Liquor/Serum-Indexes
gestellt. Ein 64-Jähriger, welcher ebenfalls mit grippaler Symptomatik und Fieber erkrankte, konnte sich an einen Zeckenstich im oben genannten Gebiet erinnern; er hatte
dort oft die Wochenenden verbracht. Die Infektion wurde serologisch bestätigt (IgM- und
IgG-Antikörper positiv – einmalig deutlich erhöhter Wert).
¾ Der vierte Fall betraf einen 66-jährigen Mann mit meningitischem Krankheitsbild. Er gab
an, sich im Infektionszeitraum im Odenwald (FSME-Risikogebiet) aufgehalten zu haben
und konnte sich an einen Zeckenstich erinnern.
Im Moment gilt keine Region in Sachsen als Endemiegebiet.
2.5
Impfpräventable Krankheiten (Auswahl)
Bei der Bekämpfung von Infektionskrankheiten nehmen die Schutzimpfungen neben der Verbesserung der sozialen und hygienischen Lebensbedingungen einen hohen Stellenwert ein. Sie
zählen zu den effektivsten und kostengünstigsten Präventivmaßnahmen der modernen Medizin.
Infektionskrankheiten stellten in der Vergangenheit die häufigste Todesursache dar. Die Influenza-Pandemie von 1918/19 forderte weltweit 20 Millionen Todesopfer. Um 1900 verstarben
in Deutschland allein an Keuchhusten, Diphtherie und Scharlach jährlich noch etwa 65.000 Kinder.
Groß angelegte Impfprogramme führten weltweit zum Rückgang zahlreicher bedrohlicher übertragbarer Krankheiten. Die Ausrottung der Pocken 1980 und die weitgehende Eliminierung der
Poliomyelitis (Kinderlähmung) sind dabei die besten Beispiele für die Effektivität von Impfungen.
Die Grundlage der Impfprogramme bildet u.a. die ständige Erhebung zuverlässiger Daten über
die Entwicklung der Infektionskrankheiten (z.B. Neuerkrankungsraten, Seroprävalenz, Durchimmunisierungsraten). Der Rückgang der Erkrankungshäufigkeiten im Zusammenhang mit der
Einführung von Impfungen und mit dem Anstieg von Durchimpfungsraten belegt die Wirksamkeit
sowie die Effektivität von Impfprogrammen.
Durch das seit dem 01.01.2001 geltende Infektionsschutzgesetz (IfSG) konnten bestehende
Datenlücken in der Erhebung der Vorkommen impfpräventabler Erkrankungen und der Umsetzung von Impfprogrammen geschlossen werden. Sachsen hat, wie einige andere Bundesländer
auch, von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, mit Länderverordnungen die Meldepflicht um bestimmte (impfpräventable) Krankheiten zu erweitern (z. B. Mumps, Pertussis, Röteln). Wie aus
der Abbildung 13 ersichtlich ist, hat der Freistaat Sachsen auch auf dem Gebiet der empfohlenen Impfungen eine Vorreiterrolle eingenommen.
19
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
Impfstoff
Hepatitis B3, 6
und Hepatitis A 6
(HBV/HAV)
7.
6.
Ge3.
4.
5.
13.
24.
Wo1
1
1 Mon
burt
Mon. Mon.
Mon.1 Mon.1
1 Mon.
1
che
.
6.
Lbj.1
HBV 3/43 oder
HAV / HBV6
HBV 1 / HBV 2 3
Diphtherie,
Tetanus,
Pertussis2, 3, 4
1.
2.
3.
DTPa DTPa DTPa
Haemophilus
influenzae
Typ b 2, 3
1. Hib
3
2. Hib
3. Hib
Polio (IPV)2, 3
(trivalent)
1. IPV
3
2. IPV
3. IPV
4. DTPa
11.
13. 18.
Lbj.1 Lbj.1 Lbj.1
HAV / HBV6
5.
DTPa
Tdpa
od.
4
Tdpa
Tdpa
4.
IPV
Masern,
Mumps,
Röteln
(MMR)
1. MMR
2.
MMR
Varizellen
(VZV)5
1. VZV
2.
VZV
Meningokokken C7
Meningokokken (Gruppe C)
IPV
jährlich
Influenza
Pneumokokken
Rotaviren 9
alle
über Über
10
50
60
Jahre Jahre Jahre
alle 6
Jahre
Pneumokokken 8
Rotaviren
Humane
Papillomaviren (HPV)
HPV
1
Zeitangabendefinition: Es bedeuten z. B.: 3. Monat = ab 3. Mon. = vollendeter 2. Monat; 7. Woche = ab 7. Woche =
vollendete 6. Woche; 6. Lbj. = ab 5. Geburtstag
2
Abstände zwischen den Impfungen 1-3 bzw. 1 und 2 mindestens 4 Wochen, zwischen der 3. und 4. bzw. 2. und 3.
Impfung zur Vervollständigung der Grundimmunisierung mindestens 6 Monate
3
bei Antigenkombinationen, die eine Pertussiskomponente enthalten, sind 3 Injektionen im Säuglingsalter erforderlich
4
ab 6. Lbj. Fachinformation zu den Impfstoffen wegen Altersbegrenzung hinsichtlich reduzierten Di-Toxoid-Gehalts
beachten
5
alle ungeimpften Kinder/Jugendlichen mit negativer Varizellenanamnese und alle empfänglichen Erwachsenen als
Nachholeimpfung
6
ab 2. Lbj. Kombinationsimpfung HAV/HBV empfohlen, falls Grundimmunisierung gegen HBV nicht im Säuglingsalter
begonnen wurde; wenn ja, dann Hepatitis A monovalent impfen.
7
Im 1. Lbj. 2 Injektionen (Herstellerangaben beachten), ab 2. Lbj. 1 Injektion. Bei Impfung im Säuglingsalter wird eine
Boosterung ab 2. Lebensjahr empfohlen.
8
Die Standardimpfung wird bis zum 24. Lebensmonat entsprechend dem jeweiligen Immunisierungsschema mit Konjugatimpfstoff empfohlen, bei Kindern nach dem 24. Lebensmonat sind nur Indikationsimpfungen empfohlen.
9
orale Impfung mit 2 oder 3 Dosen (Herstellerangaben beachten), Simultanimpfung siehe E 1, Seite 7 und 12 (Fußnote ******)
Abb. 13:
Synopsis-Impfkalender für Kinder, Jugendliche und Erwachsene im Freistaat Sachsen
(Stand: 01.01.2008)
20
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
2.5.1
Haemophilus influenzae, invasive Erkrankung
Bei Haemophilus influenzae handelt es sich um ein Bakterium,
das insbesondere invasive Erkrankungen auslösen kann. Die
Übertragung des Erregers geschieht durch Tröpfcheninfektion
(Husten, Niesen). Eine besonders gefürchtete Komplikation ist
die Meningitis, welche unbehandelt zum Tod führen kann. Haemophilus influenzae kann als bekapseltes (Kapseltyp a bis f)
und unbekapseltes Bakterium auftreten. Der Subtyp b (Hib) ist
am weitesten verbreitet und ruft besonders im Kleinkindalter
schwerste Erkrankungen hervor. Gegen diesen Subtyp wird in
Deutschland seit 1990 eine Schutzimpfung im Kleinkindalter Abb. 14: H. influenzae
empfohlen.
Jahr
Sachsen
E abs.
E pro
100.000 EW
Deutschland
E abs.
E pro
100.000 EW
2004
4
0,09
68
0,08
2005
3
0,07
70
0,08
2006
9
0,2
121
0,2
2007
7
0,2
93
0,1
2008
4
0,09
152
0,2
2009
8
0,2
185
0,2
Tabelle 6:
Haemophilus influenzae, invasive Erkrankungen 2004 bis 2009 in Sachsen und Deutschland
2009 wurden bundesweit 185 invasive Erkrankungen durch Haemophilus influenzae gemeldet.
Das entsprach einer Zunahme um 22 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum und bedeutete die
höchste Inzidenz seit der Einführung der Meldepflicht. Am häufigsten waren Säuglinge, Kleinkinder und ältere Erwachsene betroffen. Bei etwa 61 % der Patienten lag das Alter bei 60 Jahre
bzw. darüber.
In 62 Fällen wurden Aussagen zu einer durchgeführten Erregertypisierung gemacht, wobei in
nur 55 Angaben zum Kapseltyp getroffen wurden. 17-mal handelte es sich um den impfpräventablen Typ b, 30-mal wurde keine Kapsel gefunden (a bis f negativ) und je 8-mal wurden der Typ
f und einmal der Typ a angegeben. Insgesamt kamen 11 Todesfälle zur Meldung.
Im Freistaat Sachsen kamen im Berichtsjahr 8 Erkrankungen (0,2 Erkrankungen pro 100.000
Einwohner) darunter ein Todesfall sowie ein Erregernachweis ohne Angaben zum klinischen
Bild zur Meldung.
Betroffen waren Patienten aller Altersgruppen. Alle Erkrankten waren un- bzw. nicht vollständig
geimpft. In nur einem Fall wurde eine Kapseltypbestimmung angegeben:
¾ Bei einer ungeimpften 37-Jährigen, welche mit einer Pneumonie erkrankte, wurde
Haemophilus influenzae Kapseltyp b in der Blutkultur nachgewiesen.
Aus dem Landkreis Meißen erreichte uns die Meldung einer Kontaktinfektion:
21
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
¾ Bei einem männlichen Frühgeborenen (Geburt in 29. Schwangerschaftswoche)
zeigte sich bereits am Tag der Geburt ein septisches Krankheitsbild. Die Blutuntersuchung sowie ein Innenohrabstrich erbrachten den Nachweis von H. influenzae. Der 1¾-jährige Bruder (Hauskind, unvollständig geimpft) erkrankte wenige
Tage später ebenfalls mit einer Sepsis. Aus Nasenabstrich wurde ebenfalls H. influenzae isoliert. Die Untersuchungsmaterialien beider Kinder wurden zur Bestimmung des Kapseltyps an das Konsiliarlabor Würzburg gesandt. Eine Typisierung war jedoch in beiden Fällen nicht möglich. Die Mutter der Kinder wurde leider nicht untersucht.
Es kam ein Todesfall zur Meldung:
¾ Eine 94-jährige ungeimpfte Frau aus dem Landkreis Görlitz erkrankte mit einer
Pneumonie. Sie verstarb bereits einen Tag später. Aus der Blutkultur wurde H. influenzae nachgewiesen. Eine Kapseltypbestimmung gelang nicht.
2.5.2
Masern
Die Masern-Erkrankung ist eine der ansteckendsten Krankheiten,
die nur beim Menschen vorkommt. Sie geht einher mit einem typischen Ausschlag, Entzündung der oberen Atemwege und häufig
schweren Komplikationen (Mittelohr-, Lungen- und Gehirnentzündung). Der Erreger der Masern ist das Morbilli-Virus aus der Gruppe
der Paramyxoviren. Das Virus wird durch Tröpfcheninfektion beim
Niesen, Husten und Sprechen oder beim direkten Kontakt mit Erkrankten übertragen. Die Masern sind weltweit in Gebieten mit unzureichenden Impfraten verbreitet. Die Eliminierung der endemischen Abb. 15: Masernvirus
Masern bis 2010 ist Ziel der europäischen Region der WHO. Dafür müssten 95 % aller Kinder
zweimal geimpft sein.
Jahr
Sachsen
E abs.
E pro
100.000 EW
Deutschland
E abs.
E pro
100.000 EW
2004
3
0,07
122
0,15
2005
16
0,37
780
0,95
2006
1
0,02
2.307
2,8
2007
1
0,02
566
0,7
2008
3*
0,07
916
1,1
2009
2
0,03
574
0,7
* darunter 1 Impfmasern
Tabelle 7:
Masernerkrankungen 2004 bis 2009 in Sachsen und Deutschland
Im Jahr 2009 wurden deutschlandweit insgesamt 574 Masernerkrankungen gemeldet, das entsprach einem Rückgang von rund 37 % gegenüber den im Vorjahr übermittelten Fällen. Die
bundesweite Inzidenz lag bei 0,7 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner und entsprach somit in
etwa der von 2007. Der Erkrankungsgipfel wurde im Frühjahr 2009 erreicht. Teilweise kam es
hier zur Übermittlung von bis zu 50 Erkrankungen pro Woche. Grund dafür waren verschiedene
saisonale Ausbrüche z. B. in Hamburg und angrenzenden Kreisen Niedersachsens (n = 284).
22
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
Im Jahr 2009 kamen im Freistaat Sachsen 2 serologisch bestätigte Erkrankungen zur Meldung:
¾ Ein 20 Monate altes ungeimpftes Mädchen aus der Stadt Leipzig erkrankte am 01.04. mit
Husten und Schnupfen. Am 04.04. zeigte sich am Hals beginnend ein Exanthem, das
sich am folgenden Tag über Gesicht, Rücken und Brustkorb ausgebreitet hatte. Hinzu
kamen eine Konjunktivitis, Hals- und Ohrenschmerzen sowie eine ausgeprägte Lichtempfindlichkeit. Ein Masernvirus-Nachweis gelang mittels PCR aus Urin und Zellen des
Rachenraumes. Die Anamnese ergab, dass das Kind vom 13.03. bis 19.03. wegen einer
Pneumonie, Harnwegsinfektion und hohem Fieber in einer Leipziger Klinik hospitalisiert
war. Im selben Zimmer lag ein etwa einjähriger vietnamesischer Junge, der mit Schnupfen, Husten und einem Exanthem (Diagnose „Drei-Tage-Fieber“) erkrankt war. Leider
weigerte sich der behandelnde Arzt, die Kontaktdaten der vietnamesischen Familie für
Ermittlungen an das Gesundheitsamt herauszugeben, da seiner Meinung nach keine
Masern vorgelegen hätten und die Inkubationszeit überschritten gewesen wäre (in diesem Fall: mehr als 13 Tage bis zum Beginn des katarrhalischen Stadiums).
¾ Eine 32-jährige vorgeschädigte Frau erkrankte mit grippeähnlicher Symptomatik und
zwei Tage später mit Exanthem. Die Infektion wurde serologisch bestätigt. Die Frau arbeitet in einer Behindertenwerkstatt der Stadt Leipzig und wohnt in der Woche im angeschlossenen Wohnheim; dort traten keine weiteren Erkrankungen auf. Auf Grund ihrer
Behinderung hatte sie bisher keine Masernimpfung erhalten. Es gab keinerlei Hinweise
auf eine mögliche Infektionsquelle.
2.5.3
Meningokokken, invasive Erkrankung
Verursacht werden diese Erkrankungen durch Neisseria meningitidis (gramnegative Bakterien).
Zurzeit sind 13 verschiedene Serogruppen bekannt, wobei in Deutschland seit Jahren überwiegend die Serogruppen B und C vorkommen. Meningokokken werden durch Tröpfcheninfektion
von Mensch zu Mensch übertragen. Untersuchungen zur Besiedlung der Schleimhäute im Nasen-Rachen-Raum zeigten, dass je nach Altersgruppe bis zu 30 % der Bevölkerung Meningokokken auf der Schleimhautoberfläche tragen. Die Erkrankungen verlaufen in etwa der Hälfte
der Fälle als eitrige Meningitis. Bei etwa einem Viertel aller Erkrankungsfälle ist der Verlauf
durch eine Sepsis gekennzeichnet, die bei 10 bis 15 % der Patienten als eine besonders schwere Form des septischen Schocks, als Waterhouse-Friderichsen-Syndrom, auftreten kann, welches durch eine sehr hohe Letalität gekennzeichnet ist.
Bundesweit wurden im Jahr 2009 493 Fälle (Inzidenz 0,6 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner)
an das RKI gemeldet, welche die Referenzdefinition erfüllten. Dies waren 9 % mehr als im Vorjahr. Bei fast 84 % der übermittelten Fälle lagen Angaben zur Serogruppe vor. Demnach sind
Erreger der Serogruppe B, für die bisher keine Impfung verfügbar ist, für 69 % - also für die
Mehrzahl - der Erkrankungen verantwortlich. Dieser Anteil ist gegenüber dem Vorjahr (71 %)
etwas niedriger. Der Anteil der Serogruppe C ist mit 21 % ebenfalls leicht gesunken (Vorjahr
22 %). Als krankheitsbedingt verstorben kamen bundesweit im Berichtsjahr 2009 36 Fälle zur
Übermittlung.
23
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
Jahr
Sachsen
E abs.
E pro
100.000 EW
Todesfälle
2004
26
0,60
-
600
0,73
47
2005
30
0,7
3
626
0,8
44
2006
34
0,8
2
555
0,7
53
2007
27
0,6
1
439
0,5
37
2008
20
0,5
4
452
0,5
44
2009
19
0,5
2
493
0,6
36
Tabelle 9:
Deutschland
E pro
E abs.
100.000 EW
Todesfälle
Invasive Meningokokkenerkrankungen 2004 bis 2009 in Sachsen und Deutschland
Seit Juli 2003 wird die Meningokokken-Impfung von der Sächsischen Impfkommission für alle
Kinder bis einschließlich dem 18. Lebensjahr empfohlen (in der Bundesrepublik seit Juli 2006).
Diese ist für Kinder ab dem vollendeten 2. Lebensmonat möglich (STIKO empfiehlt Impfung erst
ab 13. Lebensmonat). Die derzeitig erhältliche Impfung schützt jedoch nur gegen Meningokokken der Serogruppe C. Gegen die in Deutschland häufiger vorkommende Serogruppe B ist eine
Immunisierung bis jetzt nicht möglich.
Im Freistaat Sachsen wurden 19 Meningokokkenerkrankungen, darunter 2 Todesfälle erfasst.
Dies entsprach einer Inzidenz von 0,5 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner, die somit unter
dem bundesdeutschen Durchschnitt von 0,6 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner lag.
Die meisten Fälle traten in der Altersgruppe der 15 bis unter 25-Jährigen sowie bei den über 65Jährigen (jeweils 6 Erkrankungen) auf. Insgesamt erfolgte in 17 Fällen eine Subtypisierung (12mal Serogruppe B, 3-mal Serogruppe C und 2-mal Serogruppe Y). Keiner der Patienten, der
sich mit den impfpräventablen Serogruppen C bzw. Y infiziert hatte, war geimpft.
Im Zusammenhang mit allen Infektionen wurde nach vorliegenden Informationen bei rund
500 Kontaktpersonen eine medikamentöse Prophylaxe durchgeführt.
Laut Angaben zur klinischen Ausprägung der Infektion lag in 9 Fällen eine Meningitis und in
10 Fällen eine Sepsis vor.
¾ Ein fast einjähriges Mädchen erkrankte mit hohem Fieber (41° C), Bewusstseinsstörungen sowie septischem Krankheitsbild und wurde sofort stationär aufgenommen. Es verstarb noch am gleichen Tag. Aus Liquor wurden Meningokokken der Serogruppe B
nachgewiesen. Im Zusammenhang mit der Erkrankung erhielten 15 Kontaktpersonen eine Chemoprophylaxe.
¾ Eine 68-jährige Frau erkrankte akut mit Fieber, Bewusstseinstrübung, Petechien und
septischem Krankheitsbild. Die Infektion konnte trotz intensivmedizinischer Behandlung
nicht beherrscht werden. Die Patientin verstarb am darauf folgenden Tag unter der Diagnose fulminante Meningokokkensepsis. Aus Blut wurde mittels PCR der Nachweis von
Neisseria meningitidis Serogruppe B erbracht. Eine Medikamentenprophylaxe erhielten
insgesamt etwa 20 Personen.
24
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
2.5.4
Mumps
Mumps ist eine durch Tröpfcheninfektion übertragene Viruserkrankung.
Sie kommt hauptsächlich bei Kindern vor, kann aber auch Erwachsene
betreffen. Bei Mumps kommt es in erster Linie zu einer schmerzhaften
Entzündung der Ohrspeicheldrüsen, welche dann stark anschwellen. Im
Kindesalter verläuft die Erkrankung in der Regel harmlos und Komplikationen sind selten. Bei ungefähr 4 bis 6 Prozent der Betroffenen entwickelt
sich eine Meningitis. Wenn das Mumps-Virus die Hoden infiziert, kann es
eine Zeugungsunfähigkeit verursachen. Zur Vorbeugung steht eine Impfung zur Verfügung. Sie bietet den einzigen sicheren Schutz gegen
Mumps. Empfohlen wird diese als Kombinationsimpfung zusammen mit
Masern und Röteln (MMR).
Abb. 16: Mumpsvirus
Mumps ist laut Infektionsschutzgesetz nicht meldepflichtig, insofern kann leider keine Einschätzung über die epidemiologische Lage in ganz Deutschland erfolgen.
Jahr
Erkrankungen abs.
Erkrankungen / 100.000 EW
2004
42
1,0
2005
21
0,5
2006
17
0,4
2007
24
0,6
2008
19
0,5
2009
42
1,0
Tabelle 10:
Mumpserkrankungen 2004 bis 2009 in Sachsen
Während sich in den vergangenen Jahren die Erkrankungszahlen auf etwa dem gleichen Niveau
bewegten (5-Jahres-Mittelwert lag bei 22 Fällen), wurden 2009 fast doppelt so viele Fälle übermittelt (n = 42).
Hauptverantwortlich zeigten sich 3 Ausbrüche in Dresden und Leipzig:
¾ Von Mitte September bis Mitte Oktober 2009 erkrankten an einer alternativen Schule der
Stadt Dresden 22 ungeimpfte Kinder aus insgesamt 4 Land- bzw. Stadtkreisen im Alter
zwischen 7 und 10 Jahren.
¾ Vermutlich infolge familiärer Kontakte zu o. g. Ausbruch kam es ab Anfang November 2009 zu Erkrankungen im Umfeld einer Kindertagesstätte der Stadt Leipzig. Aufgrund zahlreicher sozialer Kontakte des betroffenen Personenkreises dauerte das Geschehen über einen längeren Zeitraum an (bis Ende Januar 2010). Betroffen waren insgesamt 12 Kinder und 2 Erwachsene.
¾ Weiterhin meldete die Stadt Dresden im November 2009 4 Fälle unter Schülern eines
christlichen Gymnasiums. Inwieweit Kontakte zu den o. g. Einrichtungen bestanden, ließ
sich nicht mehr eruieren.
25
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
Die Ermittlungen aller involvierten Gesundheitsämter ergaben, dass bei fast allen Betroffenen
die Infektion mit den typischen Entzündungen der Speicheldrüsen und leichtem bis mittlerem
Fieber verlief. Ein 8-jähriger Junge aus der Stadt Leipzig musste wegen einer Meningitis stationär behandelt werden (Mumpsvirus-RNA-Nachweis im Liquor mittels PCR).
Da es sich bei allen o. g. Institutionen um Einrichtungen mit alternativem pädagogischem Konzept handelt, ist hier der Anteil ungeimpfter Kinder und Betreuer erfahrungsgemäß sehr hoch.
Bis auf einen Patienten, der im Alter von 2 Jahren eine einmalige MMR-Impfung erhalten hatte,
verfügte keiner der Erkrankten über eine Mumpsimmunisierung. Die Durchsetzung antiepidemischer Maßnahmen (Besuchsverbot in Gemeinschaftseinrichtungen, Impfaufforderungen, serologische Testung) stieß besonders in Leipzig auf Grund der schon seit längerem bekannten und
überwiegend milden Krankheitsverläufe zum Teil auf Unverständnis. Um eine weitere Verbreitung der Mumps-Infektionen zu verhindern, informierte und belehrte das zuständige Gesundheitsamt alle Kontaktpersonen (u. a. durch Elternbriefe).
2.5.5
Pertussis
Weltweit geht man von ca. 51 Millionen Pertussis-Fällen jährlich
aus – es wird geschätzt, dass etwa 600.000 Menschen an den
Folgen der Krankheit versterben. Besonders betroffen sind vor
allem die Entwicklungsländer. Aber auch in den Industriestaaten
nimmt die Erkrankungshäufigkeit wieder zu, da zu selten
Gebrauch von der vorhandenen Schutzimpfung gemacht wird.
Pertussis (Keuchhusten) ist eine akute bakterielle (Bordetella pertussis) Infektionskrankheit der Atemwege. Die Betroffenen erkranken mit den typischen Hustenanfällen (bis hin zum Erbrechen); bei Abb. 17: Bordetella pertussis
Säuglingen können unter Umständen auch lebensbedrohliche
Atemstillstände auftreten. Die häufigsten Infektionsquellen sind Infizierte, die noch keine Symptomatik aufweisen, den extrem infektiösen Erreger jedoch in sich tragen und über Tröpfcheninfektionen weitergeben.
Jahr
Erkrankungen abs.
Erkrankungen / 100.000 EW
2004
419
9,6
2005
457
10,6
2006
512
11,9
2007
1.221
28,6
2008
909
21,4
2009
1.554
36,8
Tabelle 11:
Pertussis 2004 bis 2009 in Sachsen
Pertussis ist laut Infektionsschutzgesetz nicht meldepflichtig, insofern kann leider keine Einschätzung über die epidemiologische Lage in ganz Deutschland erfolgen. Pertussis, eigentlich
eine Kinderkrankheit, entwickelte sich im letzten Jahrzehnt mehr und mehr zu einer Erwachsenenerkrankung. Neben einer hohen Inzidenz vor allem bei Personen, welche 1964, als in der
DDR die Pflichtimpfung eingeführt wurde, nicht mehr im Impfalter waren, erhöhte sich jedoch
auch die Erkrankungshäufigkeit bei vollständig geimpften Kindern. Seit im Freistaat Sachsen
(Mai 1998) eine 5. Impfung ab dem 6. Lebensjahr sowie eine 6. Immunisierung (Boosterung) ab
26
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
dem 11. Lebensjahr empfohlen sind, wurde ein leichter Rückgang der Erkrankungszahlen registriert.
Um der hohen Erkrankungsrate bei Erwachsenen, die zwar in der Kindheit geimpft wurden, jedoch nach vielen Jahren nicht mehr über einen Impfschutz verfügen, entgegenzuwirken, ist in
Sachsen seit dem 01.01.2007 eine Pertussisimpfung der Erwachsenen, bei denen die letzte
Pertussisimpfung mehr als 10 Jahre zurückliegt, empfohlen. Bundesweit wurde durch die STIKO
ab Juli 2009 ebenfalls diese Empfehlung ausgesprochen.
Im Freistaat Sachsen wurden im Berichtsjahr 1.554 Pertussiserkrankungen (36,8 Erkrankungen
pro 100.000 Einwohner) erfasst. Dies bedeutete einen deutlichen Anstieg (+ 17 %) gegenüber
dem Jahr 2008. Eine vergleichbar hohe Inzidenz wurde im Freistaat Sachsen noch nie registriert. Auf den Direktionsbezirk Leipzig entfielen absolut 260 Erkrankungen (24,3 Erkrankungen
pro 100.000 Einwohner) und auf den Chemnitzer Direktionsbezirk 116 Erkrankungen, was einer
Inzidenz von lediglich 7,7 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner entsprach. Die höchste Inzidenzrate wies, wie auch schon in den vergangenen Jahren, der Direktionsbezirk Dresden mit
71,5 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner auf. Hier wurden im Vergleich zum Vorjahr mehr als
das Doppelte an Neuerkrankungen erfasst, ohne dass eine direkte Ursache dafür eruiert werden
konnte.
Erkrankungen
120
100
80
60
40
20
2008
2009
Abb. 18:
52. KW
49. KW
46. KW
43. KW
40. KW
37. KW
34. KW
31. KW
28. KW
25. KW
22. KW
19. KW
16. KW
13. KW
10. KW
7. KW
4. KW
1. KW
0
Pertussiserkrankungen in Sachsen – Vergleich 2008/2009 nach Wochen
Es kam etwa ab der 7. Berichtswoche zu einem sprunghaften Anstieg der Erkrankungszahlen;
im Monat April betrug dieser im Vergleich zum Vorjahr 2008 etwa das 10-fache. Betroffen waren
hauptsächlich die Landkreise Bautzen und Görlitz. Es handelte sich in den meisten Fällen um
Einzelerkrankungen – eine Zunahme von Erkrankungshäufungen wurde nicht beobachtet. Ab
Ende Mai sank die Zahl der Meldungen und bereits im Monat Juni lag die Inzidenz wieder auf
„normalem“ Niveau. Warum es in diesem Jahr zu einem solchen überdimensionalen Anstieg der
Pertussiserkrankungen kam, blieb ungeklärt. Aus der Abbildung 18 ist der Verlauf der Erkrankungszahlen 2009 im Vergleich zum Vorjahr ersichtlich.
27
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
LK Nordsachsen
SK Leipzig
LK Bautzen
LK Leipzig
LK Meißen
LK Görlitz
SK Dresden
LK Mittelsachsen
SK Chemnitz
LK Zwickau
LK Sächsische Schweiz-Osterzgebirge
LK Erzgebirgskreis
LK Vogtlandkreis
Abb. 19:
Pertussis-Inzidenzen 2009 nach Land- und Stadtkreisen
Ein hoher Prozentsatz der im Jahr 2009 aufgetretenen Infektionen konnte den insgesamt 19
gemeldeten Häufungen zugeordnet werden.
Auf 3 Geschehen soll hier näher eingegangen werden:
¾ An einer Alternativschule der Stadt Leipzig sowie in deren Umfeld erkrankten seit Anfang
des Jahres bis etwa Monat Mai 19 Schüler, vier Erwachsene und acht kleine Kinder (Geschwister). Zwei weitere Erwachsene wurden im Rahmen der Umgebungsuntersuchungen als gesunde Keimträger ermittelt. Ein Schüler war unvollständig geimpft; alle anderen hatte noch nie eine Pertussisimpfung erhalten.
¾ In einem Leipziger Kindergarten erkrankten 15 Kinder (darunter sechs altersentsprechend vollständig geimpft) und dreimal Personal (ungeimpft). Ermittlungen im familiären
Umfeld ergaben weitere 12 klinisch-labordiagnostisch bestätigte Fälle, darunter zwei
vollständig geimpfte Kinder sowie einen symptomlosen Keimträger.
¾ Bei einem ungeimpften Mann, der bereits seit Mai an ständigem Husten litt, wurde im Juli
eine Pertussiserkrankung labordiagnostisch bestätigt. Der Betroffene war Patient auf einer hämatologisch/onkologischen Station mit angeschlossener Ambulanz eines Krankenhauses. Durch die eingeleiteten Umgebungsuntersuchungen konnten zwei Erkrankte
und vier Keimträger unter dem Personal, ein Lebensgefährte einer Angestellten als
Ausscheider sowie ein weiterer erkrankter Patient und ein Ausscheider ermittelt werden.
Bis auf zwei Angestellte konnte das Klinikpersonal keinen vollständigen Impfschutz
nachweisen.
Gerade im Hinblick auf das letztgenannte Geschehen ergibt sich einmal mehr die Notwendigkeit
der Impfung von Personal in Gesundheitseinrichtungen um mögliche Infektionen der Patienten
zu verhindern. Ähnlich verhält es sich auch beim Betreuungspersonal von Kindereinrichtungen.
Auch hier ist der Anteil an Geimpften sehr niedrig.
84 % aller erkrankten Patienten hatten keinen Impfschutz.
28
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
250 Personen erkrankten trotz vollständiger Immunisierung. Es konnte beobachtet werden, dass
dies am häufigsten in der Altersgruppe der 25 bis unter 65-Jährigen vorkam (absolut 76 Fälle).
Hier sollte eigentlich eine einzige Pertussisimpfung ausreichen, um den Impfschutz aufzubauen.
geimpft
250 Erkr.
(16 %)
ungeimpft
bzw .
unv.geimpft
1304 Erkr.
(84 %)
Abb. 20:
Pertussiserkrankungen in Sachsen. Prozentualer Anteil der geimpften und ungeimpften
Fälle.
2.5.6
Pneumokokken, invasive Erkrankung
Infektionen durch Streptococcus pneumoniae gehören mit zu den schwersten Erkrankungen des
Menschens und führen weltweit pro Jahr zu etwa zwei Millionen Todesfällen. Von Infektionen
durch dieses Bakterium sind insbesondere Kinder in den ersten fünf Lebensjahren sowie ältere
Menschen betroffen. Bei jungen, gesunden Menschen verlaufen die Erkrankungen in der Regel
ohne Komplikationen. Für ältere Menschen, sowie für Erwachsene und Kinder mit Vorerkrankungen oder Abwehrschwäche können sie schlimmstenfalls eine tödliche Bedrohung darstellen.
Jahr
Erkrankungen abs.
Todesfälle
E pro 100.000 EW
2004
47
5
1,1
2005
58
6
1,3
2006
60
5
1,4
2007
63
6
1,5
2008
72
11
1,7
2009
112
8
2,7
Tabelle 12:
Invasive Pneumokokkeninfektionen 2004 bis 2009 in Sachsen
Neben der bereits bundesweit bestehenden Standard-Impfempfehlung für über 60-Jährige
wird die Pneumokokkenimpfung seit Juli 2006 (in Sachsen bereits seit Januar 2006) generell für alle Säuglinge und Kleinkinder bis 2 Jahre empfohlen.
Mit der Impfung sollen sich ca. 90 % aller Pneumokokkeninfektionen bei Kindern unter
zwei Jahren verhindern lassen. Für besonders gefährdete (immunsupprimierte) und ungeimpfte Kinder im Alter von 2 bis 5 Jahren) ist die Impfung ebenfalls empfohlen.
29
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
Zum 1. Januar 2009 wurde die Falldefinition für Streptococcus pneumoniae geändert.
Neue Falldefinition für Streptococcus pneumoniae: Das klinische Bild ist erfüllt, wenn mindestens eines der 14 folgenden Kriterien vorhanden ist:
- Fieber
- septisches Krankheitsbild
- Osteomyelitis
- Mastoiditis
- Sinusitis
- meningeale Zeichen
- septische Arthritis
- bakterielle Peritonitis
- Karditis
- HUS
- Hirndruckzeichen
- Empyem
- Lungenentzündung
- akute Otitis media
Prinzipiell muss – zusätzlich zum klinischen Bild – immer ein labordiagnostischer Nachweis
(direkter Erregernachweis aus einem normalerweise sterilen Material) vorliegen, um eine
Übermittlung auszulösen.
Laut IfSG besteht bundesweit für die Pneumokokken keine Meldpflicht, so dass ein deutschlandweiter Vergleich leider nicht möglich ist.
Wie aus Tabelle 12 ersichtlich, sind die Infektionen in Sachsen während der vergangenen 6 Jahre stetig angestiegen.
2009 wurden insgesamt 112 invasive Erkrankungen (darunter 8 Todesfälle) mit Pneumokokken
erfasst. Das entsprach einer Neuerkrankungsrate von 2,7 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner
und damit einem Anstieg der Erkrankungszahlen um 55 %. Dieser begründet sich hauptsächlich
in der bereits erwähnten Änderung der Falldefinition. In 29 Fällen war das klinische Bild einer
Meningitis vorherrschend (siehe 2.4.1.2 Pneumokokkenmeningitis). 32-mal bestimmte eine Sepsis das Erkrankungsbild und 63-mal eine Pneumonie (Mehrfachnennung möglich). Zusätzlich
wurden fünf Erregernachweise gemeldet, die nicht der klinischen Falldefinition entsprachen.
Fünf Patienten gaben eine vollständige Pneumokokkenimpfung an. Mit 8 erfassten Todesfällen
lag die Mortalität bei 7 %.
¾ Bei den Todesfällen handelte es sich um Patienten im Alter zwischen 35 und 87 Jahren. Vier Erkrankungen verliefen unter dem klinischen Bild einer Sepsis. In jeweils
zwei Fällen wurde eine Meningitis bzw. eine Pneumonie diagnostiziert. Bei einem Patienten war eine bereits bestehende Vorerkrankung bekannt.
Der Großteil der Infektionen (n = 99) wurde in den Altersgruppen ab 25 Jahre verzeichnet. Die
Altersgruppe der Säuglinge zählte einen Fall (3 Erkrankungen pro 100.000 der Altersgruppe),
die Kinder zwischen 1 und 5 Jahren 6 Fälle (4,6 Erkrankungen pro 100.000 der Altersgruppe).
Bei den 5 bis unter 15-Jährigen wurden 4 Infektionen registriert (1,4 Erkrankungen pro 100.000
der Altersgruppe). In der Altersgruppe der unter 15- bis unter 25-Jährigen traten 2 Erkrankungen
auf.
30
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
2.5.7
Windpocken
Windpocken – verursacht durch das Varizella-zoster-Virus, sind
eine meist mild verlaufende exanthematische Erkrankung, die
bisher hauptsächlich im Kindesalter auftrat. Dabei können Komplikationen auch bei sonst gesunden Kindern vorkommen. Bei den
bisher seltenen Erkrankungen im Jugendlichen- und Erwachsenenalter sind insbesondere immungeschwächte Personen und
Schwangere durch schwere und teilweise lebensbedrohliche Verläufe gefährdet. Mit zunehmender Auswirkung der Impfung im
Kindesalter könnten zukünftig Erkrankungen jenseits des Kindes- Abb. 21: V. zoster-Virus
alters häufiger in Erscheinung treten. In Sachsen ist eine Impfung
für alle ungeimpften Kinder und Jugendlichen mit negativer Varizellenanamnese und alle empfänglichen Erwachsenen als Nachholeimpfung empfohlen. Für Anfang 2010 ist geplant, eine
Herpes zoster-Impfung für Personen ab 50 Jahre in den sächsischen Impfkalender aufzunehmen, um die Spätform der Windpocken - die Gürtelrose, zu verhindern.
Laut IfSG besteht bundesweit für die Windpocken keine Meldpflicht, so dass ein deutschlandweiter Vergleich nicht möglich ist.
Jahr
Erkrankungen / T.
Erkrankungen / 100.000 EW
2004
3.099
71,3
2005
2.779
64,3
2006
1.702
39,6
2007
1.208
28,3
2008
1.514 / 1
35,6
2009
1.004
23,8
Tabelle 13:
Windpocken-Erkrankungen 2004 bis 2009 im Freistaat Sachsen
Im Freistaat kamen 1.004 Erkrankungen zur Meldung. Mit einer Inzidenz von 23,8 Erkrankungen
pro 100.000 Einwohner wurde der bisher niedrigste Wert der letzten zehn Jahre erreicht (2000 –
23,1 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner).
2.6
Reiseassoziierte Krankheiten (Auswahl)
2.6.1
Denguefieber
Das Dengue-Fieber ist eine in den Tropen und Subtropen weit verbreitete Virusinfektion mit jährlich mehreren Millionen Erkrankungsfällen. Der Erreger ist das Dengue-Virus (vier Serotypen), dessen natürliches Reservoir der Mensch ist. Das Virus wird durch den Stich verschiedener Arten der Aedes-Moskitos von Mensch zu Mensch übertragen. Es verursacht eine akut fieberhafte Erkrankung mit Kopf- und
Gliederschmerzen, selten Hautausschlag. Denguefieber tritt in drei
verschiedenen Formen (Dengue-Fieber, hämorrhagisches DengueFieber, Dengue-Schock-Syndrom) auf, die sich durch die unterschiedliche Schwere des Krankheitsverlaufes voneinander unterscheiden.
31
Abb. 22: Denguevirus
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
Jahr
Sachsen
E abs.
E pro
100.000 EW
Deutschland
E abs.
E pro
100.000 EW
2004
6
0,1
121
0,2
2005
6
0,1
144
1,2
2006
8
0,2
174
0,2
2007
4
0,09
263
0,3
2008
6
0,1
273
0,3
2009
9
0,2
298
0,4
Tabelle 20:
Denguefieber 2004 bis 2009 in Sachsen und Deutschland
2009 kamen in Deutschland 298 Erkrankungen (0,4 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner) zur
Meldung. Wie auch schon im Vorjahr wurden 3 Fälle übermittelt, die das Kriterium für das Dengue-Schock-Syndrom bzw. die hämhorragische Verlaufsform erfüllten. Seit 2001 wurde erstmals
ein Todesfall im Zusammenhang mit einer Denguefieber-Infektion registriert (weiblich, 21 Jahre,
nach Ekuador-Aufenthalt).
Im Freistaat Sachsen wurden im Berichtsjahr 9 Fälle (0,2 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner)
erfasst. Als Infektionsländer wurden genannt: Bali (3-mal), Philippinen (2-mal), Indien (2malmal), Thailand und Bolivien (jeweils einmal). In allen Fällen handelte es sich um die klassische Form eines Denguefiebers. Die Erkrankten waren zwischen 23 und 70 Jahren alt.
2.6.2
Malaria
Die Malaria ist eine tropentypische Krankheit (Erreger Plasmodien) und weltweit eine der bedeutendsten Infektionskrankheiten.
Sie tritt in tropischen und subtropischen Regionen aller Kontinente
(außer Australien) endemisch auf (Malariagürtel – siehe Abb. 24).
Die vier verschiedenen Plasmodien-Arten werden durch Mücken
übertragen. Die Erkrankung beginnt mit uncharakteristischen Beschwerden wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen sowie allgemeinem Krankheitsgefühl. Die Intensität der Manifestation einer
Abb. 23: P. falciparum
Plasmodien-Infektion hängt vom Grad der Immunität des Infizierten ab. Nichtimmune sind somit am stärksten gefährdet, unter ihnen besonders Kleinkinder und
ältere Menschen. Weltweit sterben jährlich etwa 1,5 bis 2,7 Millionen Menschen. an den Folgen
der Malaria. Mehr als 80 % der Todesfälle betreffen Säuglinge und Kleinkinder bis zum 5. Lebensjahr in Afrika südlich der Sahara. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation
(WHO) stirbt etwa alle 30 Sekunden ein Kind an Malaria. Bisher gibt es keinen offiziell zugelassenen Malaria-Impfstoff, es wird jedoch daran gearbeitet. So zeigten bisherige Testreihen in
Mosambik und Tansania, dass der in Erprobung befindliche Impfstoff sicher und effektiv bei
wenigen Wochen alten Babys wirkt. Jetzt wird im Großversuch getestet: 16.000 Kinder aus sieben afrikanischen Ländern sind daran beteiligt. Man hofft auf eine Zulassung in 3 bis 5 Jahren.
32
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
Abb. 24:
Die Verbreitung der Malaria weltweit („Malariagürtel“)
Laut Infektionsepidemiologischem Jahrbuch des RKI kamen im Jahr 2009 deutschlandweit 523
Erkrankungen (0,6 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner), darunter 3 Todesfälle, zur Meldung.
Diese Zahl lag etwas unter der des Vorjahres 2008 (547 Erkrankungen). In 510 Fällen lagen
Angaben zur Erregerspezies vor: 80 % aller Infektionen waren durch Plasmodium falciparum,
8 % durch P. vivax und jeweils 3 % P. ovale und P. malariae. Mischinfektionen hatten einen Anteil von 4 %. Der überwiegende Teil der Erkrankungen wurde, wie auch schon in den vergangenen Jahren, in Afrika erworben.
2004
Sachsen
E abs.
8
E pro
100.000 EW
0,18
Deutschland
E abs.
707
E pro
100.000 EW
0,9
2005
13
0,3
630
0,8
2006
19
0,4
566
0,7
2007
8
0,2
540
0,7
2008
14
0,3
547
0,7
2009
8
0,2
523
0,6
Jahr
Tabelle 14:
Malariaerkrankungen 2004 bis 2009 in Sachsen und Deutschland
In Sachsen wurden insgesamt 8 Erkrankungen erfasst (0,2 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner), welche in 5 Fällen durch Plasmodium falciparum (Malaria tropica) und in jeweils einem Fall
durch P. ovale (Malaria tertiana) bzw. P. malariae (Malaria quartana) verursacht wurden. Eine
Doppelinfektion mit P. falciparum und P. ovale wurde bei einem 55-jährigen Deutschen nach
einem Aufenthalt in Ghana registriert. Weitere Infektionsgebiete waren Gambia, Kamerun, Malaysia, Mosambique, Niger und Pakistan. Todesfälle kamen nicht zur Meldung. 6 der Erkrankten
waren Deutsche, welche sich aus den verschiedensten Gründen (Urlaub, berufliche Verpflich-
33
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
tungen) im Ausland aufhielten. Keiner der Patienten hatte die empfohlene Chemoprophylaxe
durchgeführt. Es erkrankten ausschließlich Erwachsene.
Pakistan
1
Gambia
2
Ghana
2 Kamerun
1
Malaysia
1
Mosambik
1
Abb. 25:
Malariaerkrankungen nach möglichen Infektionsgebieten (n = 8) in Sachsen 2009
2.6.3
Virales hämorrhagisches Fieber
Unter dem Begriff Hämorrhagische Fieber werden Infektionen zusammengefasst, die zu einer
verstärkten Blutungsneigung führen. Die meisten hämorrhagischen Fieber werden durch Viren
verursacht, weshalb sie auch unter dem Begriff virale hämorrhagische Fieber (VHF) aufgeführt
werden. Viele der betreffenden Viren werden durch Arthropoden übertragen und deshalb als
Arboviren (arthropode borne viruses) zusammengefasst. Sie kommen weltweit in den tropischen
und teilweise auch subtropischen Klimazonen vor, wobei die einzelnen Virenarten regional begrenzt auftreten. Eine Impfung ist bislang nur gegen Gelbfieber möglich. Gegen die übrigen hämorrhagischen Fieber kann nur durch eine Expositionsprophylaxe vorgebeugt werden, die von
der Übertragungsart abhängig ist.
Für diese Erkrankungen besteht eine Labormeldepflicht (§ 7 IfSG) sowie eine namentliche Meldepflicht bei bestehendem klinischem Syndrom (§ 6 Abs. 1 IfSG).
2.6.3.1
Chikungunyafieber
Das Chikungunyavirus gehört in die Familie der Togaviren und kommt in zahlreichen afrikanischen Ländern sowie im Süden und Südosten Asiens vor. Es
kann große, zum Teil über Jahre anhaltende Epidemien verursachen. Die
Übertragung erfolgt durch Stechmücken (der Gattung Aedes bzw. Stegomyia
und Mansonia). Die Erkrankung hat einen benignen Verlauf. Nach einer Inkubationszeit von zwei bis drei Tagen kommt es zu einem plötzlichen Fieberanstieg sowie Kopf- Muskel- und Gelenkschmerzen. Letztere können nach Entfieberung bis zu Monaten anhalten. Hämorrhagische Manifestationen in Form Abb. 26: Chikunvon Petechien oder Nasenbluten werden nur bei etwa einem Viertel der Patien- gunyavirus
ten beobachtet.
34
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
Im Berichtsjahr 2009 wurden laut RKI deutschlandweit 54 importierte ChikungunyaErkrankungsfälle erfasst. Betroffen waren 32 Frauen, 22 Männer und 2 Kinder im Alter von 6
und 15 Jahren. Erkrankungen wurden 22 auf den Malediven, 11 in Indien, 10 in Thailand, 4 in
Malaysia sowie 2 in Sri Lanka erworben. Bei jeweils einer Infektion wurden Indonesien, Singapur, China und die Philippinen als Infektionsländer angegeben. Hämorrhagische Verläufe gemäß WHO-Definition und Falldefinition sowie Todesfälle traten nicht auf.
Aus dem Freistaat Sachsen wurden 2 Erkrankungen an Chikungunyafieber gemeldet:
¾ Der erste Fall betraf einen 42-jährigen Mann aus Leipzig, der nach einem Urlaub auf
den Maldiven mit Fieb er, Exanthem und einer Thrombozytopenie erkrankte.
¾ Beim zweiten Fall handelte es sich um 38-Jährige aus Dresden, welche mit Kopfund Gelenkschmerzen erkrankte. Auch sie hatte sich zuvor auf den Malediven aufgehalten. Beide Infektionen wurden serologisch bestätigt.
2.7
Sexuell übertragbare Krankheiten (Auswahl)
Die WHO zählt über 30 verschiedene Erreger zu den Verursachern sexuell übertragbarer
Krankheiten (STD: Abkürzung aus dem Englischen: sexually transmitted diseases). Hierzu gehören neben Bakterien und Viren auch Parasiten. Einige dieser Erreger (u. a. HIV, Syphilis)
können während der Schwangerschaft und bei der Geburt von der Mutter auf das Kind übertragen werden. Die STD spielen eine zunehmend wichtige Rolle bei der Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten. Sie stellen mittlerweile (wieder) ein nicht zu unterschätzendes
Gesundheitsproblem dar. Seit den 90-er Jahren steigen die Infektionen stetig an. Viele der Erkrankungen verlaufen mit leichter Symptomatik bzw. wird die Infektion in einigen Fällen oft nicht
einmal bemerkt. Der sicherste Schutz vor diesen Infektionen ist der Gebrauch von Kondomen.
Bis zur Einführung des Infektionsschutzgesetzes waren nach dem Gesetz zur Bekämpfung der
Geschlechtskrankheiten Gonorrhoe, Syphilis, weicher Schanker und venerische Lymphknotenentzündung meldepflichtig.
Seit dem 01.01.2001 unterliegen bundesweit nur noch der Nachweis von Treponema pallidum
(Syphiliserreger) und der Nachweis des HIV-Virus der nichtnamentlichen Meldepflicht gemäß
§ 7 Abs. 3 IfSG (Labormeldepflicht).
In Sachsen besteht...
- für Mycoplasma species gemäß § 2 Abs. 1 IfSGMeldeVO eine namentliche Labormeldepflicht
- für Neisseria gonorrhoeae und Chlamydia trachomatis gemäß § 2 Abs. 2 IfSGMeldeVO eine
nichtnamentliche Labormeldepflicht sowie
- für Treponema pallidum gemäß § 3 Abs. 3 IfSGMeldeVO eine nichtnamentliche Labormeldepflicht
... an die zuständigen Gesundheitsämter.
35
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
2.7.1
Gonorrhoe (Tripper)
Die durch Bakterien der Art Neisseria gonorrhoeae verursachte Infektion ist
eine der häufigsten Geschlechtskrankheiten in Deutschland. Die Übertragung erfolgt in erster Linie über den Geschlechtsverkehr, bei dem bakterienhaltiges Sekret direkt mit der Schleimhaut in Kontakt kommt. Symptome
einer Lokalinfektion (Urethritis: u.a. Schmerzen beim Wasserlassen, Ausfluss) entwickeln ca. 90 % der Männer und 60 bis 70 % der Frauen. Infizierte Schwangere können ihr Kind während der Geburt anstecken, was zu
einer Konjunktivitis des Neugeborenen führen kann. Dies war früher eine
der häufigsten Ursachen für die Erblindung von Kindern in der westlichen
Welt. Um dies zu verhindern, wurde den Neugeborenen sofort nach der
Geburt Silbernitrat in die Augen getropft. In der heutigen Zeit können solche
Fälle durch Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft weitestgehend verhindert werden.
Abb. 27: Neisseria
gonorrhoeae
Für das Bundesgebiet kann über die aufgetretenen Infektionen im Jahr leider keine Auskunft
gegeben werden, da hier wie bereits erwähnt, keine Meldepflicht existiert.
Jahr
Infektionen abs.
Infektionen / 100.000 EW
2004
359
8,3
2005
437
10,1
2006
459
10,7
2007
463
10,8
2008
428
10,1
2009
531
12,6
Tabelle 15:
Gonorrhoe-Infektionen 2004 bis 2009 in Sachsen
Der Freistaat Sachsen hat von der Möglichkeit der Erweiterung der Meldepflicht mittels Sächsischer Meldeverordnung Gebrauch gemacht. Allerdings werden nur die Erregernachweise erfasst.
Im Jahr 2009 kamen auf diesem Weg insgesamt 531 Infektionen (12,6 Fälle pro 100.000 Einwohner) zur Meldung. Somit stieg die Infektionsrate gegenüber dem Jahr 2008 deutlich an
(+ 24 %).
2.7.2
Lues (Syphilis)
Der Erreger der Syphilis ist das Bakterium Treponema pallidum,
welches bei direkten sexuellen Kontakten über kleinste Verletzungen der Schleimhaut oder Haut in den Organismus eindringt. Von
Bedeutung ist besonders die diaplazentare Übertragung der werdenden Mutter auf ihr ungeborenes Kind (Fehlgeburt, Missbildungen). Nur etwa die Hälfte der sich infizierenden Patienten erkrankt
symptomatisch. Unbehandelt bilden sich häufig chronische Verläufe
heraus. Die Syphilis kann mittels Antibiotika gut beherrscht werden.
Abb. 28: T. pallidum
36
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
Jahr
Sachsen
E abs.
Infektionen pro
100.000 EW
Deutschland
E abs.
Infektionen pro
100.000 EW
2004
89
2,1
3.352
4,1
2005
185
4,3
3.210
3,9
2006
120
2,8
3.147
3,8
2007
88
2,1
3.258
4,0
2008
168
4,0
3.172
3,9
2009
136
3,2
2.556
3,1
Tabelle 16:
Syphilis-Infektionen 2004 bis 2009 in Sachsen und Deutschland
Die Infektion unterliegt nach dem Infektionsschutzgesetz einer nichtnamentlichen Meldepflicht in
Form einer Direktmeldung an das RKI. Auf diesem Weg kamen so deutschlandweit 2.556 Infektionen (3,1 Fälle pro 100.000 Einwohner) zur Meldung. Das waren 19 % weniger als noch 2008.
In 80 % der Meldungen lagen Informationen zum Infektionsland vor, bei 93 % davon wurde
Deutschland angegeben. Der Anteil der Frauen sank auf 6 %. 2001 lag der Frauenanteil dieser
Infektion noch bei 16 %. Entsprechend lag die Syphilis-Inzidenz bei Männern mit 6 Fällen pro
100.000 Einwohner 16-mal höher als bei den Frauen mit etwa 0,4 Neuinfektionen pro 100.000
Einwohner.
In Sachsen sank die Zahl der erfassten Neuerkrankungen analog der bundesweit erfassten Infektionen gegenüber dem Vorjahr um etwa 20 %. Absolut wurden im Berichtsjahr 136 Infektionen (3,2 Fälle pro 100.000 Einwohner) erfasst. Diese betrafen hauptsächlich Patienten im Alter
zwischen 25 und 44 (8 Infektionen pro 100.000 der Altersgruppe). Von den 136 erfassten Patienten dieser Altersgruppe handelte es sich in 114 Fällen um Männer.
Es kam eine Erkrankung einer Neurosyphilis mit Meningitis zur Meldung. Auf diese wurde bereits unter Punkt 2.4.1.3 näher eingegangen.
2.7.2.1
Konnatale Lues
Während der Schwangerschaft und bei der Geburt kann eine erkrankte Mutter die Infektion auf
ihr Kind übertragen. Die diaplazentare Übertragung ist ab dem vierten Schwangerschaftsmonat
bis einschließlich der Geburt möglich und kann zu Abort, Totgeburt oder einer Schädigung des
Kindes führen. In Deutschland werden durch die im Rahmen der Mutterschaftsrichtlinien vorgeschriebenen Untersuchungen nahezu alle unbehandelten Syphilisfälle bei Schwangeren entdeckt und die Übertragung verhindert.
Im Jahr 2009 wurden in ganz Deutschland 3 konnatale Syphilis-Fälle gemeldet. Diese geringe
Zahl ist als Erfolg des Syphilis-Screenings in der Schwangerschaft zu werten.
Im Berichtsjahr 2009 wurde im Freistaat Sachsen eine konnatale Infektion übermittelt:
¾ Betroffen war ein zum Zeitpunkt der Geburt klinisch unauffälliges, weibliches Neugeborenes mit dem Nachweis einer serologischen Lues-Infektion. Bei der 26-jährigen
Mutter des Kindes konnte die Infektion ebenfalls bestätigt werden. Unklar blieb, ob
die serologischen Untersuchungen der Kindesmutter während der Schwangerschaft
oder erst im Rahmen der Entbindung erfolgten.
37
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
2.7.3
Infektionen durch Chlamydia trachomatis und Mycoplasma hominis
Chlamydia trachomatis gehört weltweit zu den bedeutendsten Erregern sexuell übertragbarer
Erkrankungen in den Industriestaaten. Es handelt sich um ein Bakterium, welches die häufigste
Ursache von Urogenitalinfektionen ist. Für Deutschland gibt es über die Zahl der Neuinfektionen
keine genauen Angaben. Laut Aussage des RKI wird jährlich mit etwa 300.000 genitalen Chlamydien-Neuinfektionen gerechnet.
Mycoplasma hominis (gramnegatives Bakterium) führt zu Entzündungen des Urogenitaltraktes.
Eine Übertragung des Erregers von der Mutter auf ihr Kind ist unter der Geburt möglich. Beim
Neugeborenen kann dies zu schweren respiratorische Erkrankungen bis hin zur Ausbildung einer Sepsis führen.
Abb. 29: C. trachomatis
Abb. 30: M. hominis
Wie in Tabelle 17 dargestellt, stieg die Zahl der erfassten Infektionen in den letzten fünf Jahren
kontinuierlich an. In Sachsen kamen im Berichtsjahr 4.787 Infektionen durch Chlamydia trachomatis und Mycoplasma hominis zur Meldung. Das bedeutete einen Anstieg um rund 13 % zum
Vorjahr. Betroffen waren hauptsächlich weibliche Patienten (4.216 Fälle).
Jahr
übrige Erreger sexuell
Mycoplasma hominis
übertragbarer Infektio- Chlamydia trachomatis
nen gesamt
Infektionen
Infektionen
Infektionen
Fälle /
Fälle /
Fälle /
abs.
abs.
abs.
100.000 EW
100.000 EW
100.000 EW
2004
1.980
45,8
1.773
41,0
207
4,8
2005
2.457
56,9
2.168
50,2
289
6,7
2006
2.725
63,4
2.183
50,8
542
12,6
2007
3.121
73,0
2.558
59,9
563
13,2
2008
4.240
99,8
3.750
88,2
490
11,5
2009
4.787
113,4
4.252
100,8
535
12,7
Tabelle 17:
Chlamydia trachomatis- und Mycoplasma hominis-Infektionen 2004 bis 2009 in Sachsen
38
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
2.7.4. Infektion durch Streptokokken der Gruppe B – Streptococcus agalactiae
Streptococcus agalactiae gehört zur Gruppe B der Streptokokken und ist der Hauptverursacher
einer bakteriellen Sepsis, Pneumonie und Meningitis bei Neugeborenen und des Kindbettfiebers. In zunehmendem Maße werden auch Infektionen von immunsuprimierten Personen bekannt. Diese Bakterien gelten zwar nicht als "typische" Erreger einer Geschlechtskrankheit, sie
können aber beim Sexualkontakt weitergegeben werden. Die Trägerrate liegt zwischen 10 und
30 %. Die Infektionssymptomatik bei Neugeborenen kann in den ersten 5 Lebenstagen („earlyonset“) oder erst nach einer Latenzzeit von sieben Tagen oder länger („late-onset“) auftreten.
Wegen der Bedeutung als Verursacher schwerer Neugeboreneninfektionen wird bei Schwangeren eine Vorsorgeuntersuchung auf Streptococcus agalactiae gegen Ende der Schwangerschaft
(35. bis 37. SSW) empfohlen. Wurde bei der Schwangeren S. agalactiae nachgewiesen, führt
die Geburtsklinik bei der Geburt eine prophylaktische Antibiotikabehandlung der Mutter durch.
In Sachsen ist laut der Sächsischen Meldeverordnung der Nachweis von S. agalactiae meldepflichtig. Es wird unterschieden zwischen der Infektion von Schwangeren und der von Neugeborenen. Im Berichtsjahr 2009 kamen insgesamt 1.711 Erregernachweise (1.687 Schwangere,
24 Neugeborene) zur Meldung. Erstmals seit 2005 war die Zahl der erfassten Infektionen leicht
rückläufig. Es kann angenommen werden, dass die Dunkelziffer sicher weit höher liegt. Da es
sich beim sogenannten „Schwangeren-Screening auf GBS“ um eine individuelle Gesundheitsleistung handelt, das heißt, der Test wird unter Umständen nicht durch die gesetzliche Krankenkasse bezahlt, nehmen viele Schwangere diese Vorsorgemaßnahme nicht in Anspruch.
Jahr
Infektionen abs.
Infektionen / 100.000 EW
2004
845
19,4
2005
1.163
27,1
2006
1.270
29,6
2007
1.824
42,7
2008
1.752
41,2
2009
1.711
40,5
Tabelle 18:
Streptokokken der Gruppe B-Infektionen 2004 bis 2009 in Sachsen
¾ Noch am Tag seiner Geburt (termingerecht) erkrankte ein weiblicher Säugling mit
septischem Krankheitsbild. Die eingeleitete Blutuntersuchung erbrachte den Nachweis von Streptococcus agalactiae. Über eine mögliche Infektion der Mutter wurde
nichts bekannt.
39
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
2.8
Weitere ausgewählte Erkrankungen
2.8.1
Borreliose
Die Erreger der Lyme-Borreliose sind Bakterien: die Borrelien.
Übertragen wird die Erkrankung durch den Stich infizierter
Zecken. Als typisches Zeichen der Erkrankung tritt kurze Zeit
nach der Infektion um die Stichstelle eine scharf abgegrenzte
ringförmige Rötung auf: das Erythema chronicum migrans
(ECM). Im weiteren Verlauf kann es in schwereren Fällen zu
Erkrankungen mit ZNS-Beteiligung kommen (frühe Neuroborreliose). Ein Spätstadium der Borreliose ist die Lyme-Arthritis.
Sie kann unter Umständen erst Monate bis Jahre nach einer
Infektion auftreten. Ein rechtzeitiges Erkennen und Behandeln
einer Borreliose ist deshalb sehr wichtig.
Abb. 31: B. burgdorferi
Eine Auswertung des Borreliose-Vorkommens auf gesamtdeutscher Ebene ist leider nicht möglich, da es keine einheitliche Meldepflicht gibt. Jedoch haben die Bundesländer Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen mit Inkrafttreten des
Infektionsschutzgesetzes Gebrauch von der Möglichkeit der Ausweitung der Meldepflicht gemacht, so dass dort die Borreliose weiterhin erfasst wird.
Legt man die erhobenen Daten aus diesen Bundesländern zu Grunde, kann ein jährliches leichtes Absinken der Neuerkrankungsraten seit 2007 registriert werden. Dieser Trend ist auch in
Sachsen eingetreten.
Jahr
Erkrankungen abs.
Erkrankungen / 100.000 EW
2004
1.562
35,9
2005
1.636
37,9
2006
2.219
51,7
2007
1.967
46,0
2008
1.941
45,7
2009
1.790
42,4
Tabelle 18:
Borreliose 2004 bis 2009 in Sachsen
Wie aus der Tabelle ersichtlich, lag die Inzidenz der Borreliose 2009 mit 42,4 Erkrankungen pro
100.000 Einwohner deutlich niedriger als im Vorjahr. Es kamen absolut 1.790 Erkrankungen zur
Meldung. Seit 2007 ist in Sachsen die Inzidenz bei den Borreliosen rückläufig. Die meisten Patienten (1.712) gaben als Symptom ein ECM an. In 57 Fällen wurde die Erkrankung als frühe
Neuroborreliose, darunter 14-mal mit dem klinischen Bild einer Meningitis, erfasst.
Hauptsächlich betroffen waren Patienten im Alter zwischen 45 und 64 Jahren. Beim Auftreten
der Borreliose-Erkrankungen ist ein saisonaler Verlauf zu beobachten. Mit dem Ansteigen der
Außentemperaturen, was die Entwicklung in der Zeckenpopulation begünstigt, wird auch eine
Zunahme der Infektionen registriert. Der Höhepunkt lag im Jahr 2009 in den Monaten Juli und
August.
40
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
Zum 1. Januar 2009 wurde die Falldefinition für Borrelia burgdorferi sensu lato geändert und die
akute Lyme-Arthritis in die Meldepflicht aufgenommen.
Übermittlungspflichtig ist eine akute Lyme-Arthritis, wenn es sich um eine klinischlabordiagnostisch bestätigte Erkrankung mit folgenden Kriterien handelt:
Das klinische Bild einer akuten Lyme-Arthritis ist erfüllt, wenn die folgenden beiden Kriterien vorliegen:
- erstmalig (ggf. intermittierend) auftretende Mon- oder Oligoarthritis
UND
- der Ausschluss von Arthritiden anderer Genese (z. B. reaktive Arthritiden und Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises)
Der labordiagnostische Nachweis ist erfüllt, wenn mindestens eine der drei folgenden Methoden einen positiven Befund erbringt:
Indirekter (serologischer) Erregernachweis: IgG-Antikörpernachweis (z. B. ELISA), bestätigt z. B. mit Western Blot oder Line-Assay
Direkter Erregernachweis nur aus Gelenkpunktat: Erregerisolierung (kulturell)
Direkter Erregernachweis nur aus Gelenkpunktat: Nukleinsäure-Nachweis
(z. B. PCR).
Im Berichtszeitraum 2009 kamen in Sachsen 21 Fälle einer akuten Lyme-Arthritis zur Meldung.
2.8.2
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK)
Die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit gehört zur Gruppe der humanen spongiformen Enzephalopathien. Bemerkbar macht sie sich durch einen fortschreitenden Verlust der geistigen Fähigkeiten. Später kommen Koordinationsschwierigkeiten hinzu. Grund dafür sind Veränderungen im
Gehirn; die auslösenden Faktoren sind wahrscheinlich Prionen (Proteine). Betroffen sind hauptsächlich Personen über 60 Jahre. Die Übertragung der Infektion ist bisher noch weitgehend unerforscht. Bekannt wurde jedoch das gehäufte Auftreten nach Hirnhaut- und Hornhauttransplantationen, sowie nach Injektion von menschlichem Wachstumshormon. Die Erkrankung verläuft
immer tödlich - eine endgültige Diagnose kann erst durch eine postmortale Untersuchung des
Gehirns gestellt werden.
Jahr
Sachsen
E abs.
E pro
100.000 EW
Deutschland
E abs.
E pro
100.000 EW
2004
1
0,02
81
0,10
2005
4
0,09
91
0,1
2006
7
0,2
98
0,1
2007
7
0,2
96
0,1
2008
6
0,1
123
0,1
2009
7
0,2
86
0,1
Tabelle 19:
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit 2004 bis 2009 in Sachsen und Deutschland
Laut SurvStat des RKI, der Möglichkeit der Abfrage der Meldedaten nach Infektionsschutzgesetz über das Web, kamen im Jahr 2009 bundesweit 86 Creutzfeldt-Jakob-Fälle zur Meldung.
41
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
Auf den Freistaat Sachsen entfielen im Berichtszeitraum sieben Erkrankungsfälle, von denen 4
verstarben. Bei den Patienten handelte es sich um 3 Männer und 4 Frauen im Alter zwischen 46
und 83 Jahren. Die Neuerkrankungsrate lag bei 0,17 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner und
lag 2009 über der bundesdeutschen Inzidenz. Bei 6 erfassten Erkrankungen an CreutzfeldtJakob-Krankheit handelte es sich um klinische Verdachtsfälle. Bei 3 verstorbenen Patienten
wurde eine Sektion eingeleitet. In nur einem Fall erfolgte die Rückmeldung durch das NRZ an
die zuständige Landesbehörde, welche die bereits gestellte Diagnose bestätigte.
2.8.3
Echinokokkose
Die Echinokokkose ist eine seltene, aber in Europa die gefährlichste
Parasitenerkrankung des Menschen. Die Infektion wird durch Vertreter der Gattung Echinococcus (E.) verursacht – die zystische
Echinokokkose durch den Kleinen Hundebandwurm (E. granulosus)
und die alveoläre Echinokokkose durch den Kleinen Fuchsbandwurm (E. multilocularis). E. vogeli kommt nur in Zentral- und Südamerika vor, Infektionen beim Menschen sind sehr selten. Als Übertragungswege des Parasiten über die mit dem Kot des Hauptwirtes
ausgeschiedenen Eier kommen für den Menschen direkte Kontakte
(Fell des Hauptwirtes), Schmierinfektionen, der Umgang mit konta- Abb. 32: E. multilocularis
minierter Erde oder die Aufnahme kontaminierter Nahrungsmittel in
Betracht. Im Darm schlüpfen die Larven und erreichen über die Pfortader die Leber und von dort
auch andere Organe wie z. B. die Lunge. Die Echinokokkose hat eine sehr lange Inkubationszeit
(bis zu 15 Jahre).
Laut SurvStat des RKI, der Möglichkeit der Abfrage der Meldedaten nach Infektionsschutzgesetz über das Web, kamen im Jahr 2009 bundesweit 106 Echinokokkosen zur Meldung. In 66
Fällen handelte es sich um eine zystische und 24-mal um die alveoläre Form. Alle anderen gemeldeten Infektionen (n = 16) wurden nicht differenziert.
Bei dem Erreger der Echinokokkose (Echinococcus sp.) handelt es sich nach dem Infektionsschutzgesetz um eine nicht namentliche Direktmeldung an das RKI. Leider wird in diesem Fall
oft die Sächsische Meldeverordnung außer Acht gelassen, die besagt, dass in Sachsen diese
Erkrankung namentlich auch an das zuständige Gesundheitsamt zu übermitteln ist. Somit kann
hier von einer Untererfassung der Infektionen durch Echinococcus sp. ausgegangen werden.
Um dieser entgegenzuwirken, wurde seitens der sächsischen Landesstelle eine Rückmeldung
der am RKI eingegangenen Erhebungsbögen angeregt.
Erstmals seit 2003 wurde im Freistaat Sachsen wieder eine Erkrankung erfasst:
¾ Eine 49-jährige deutsche Frau aus dem Kreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge erkrankte bereits 2005 mit starken Oberbauchschmerzen. Durch die damals eingeleitete Sonografie konnte die Infektion diagnostiziert werden. Die Patientin unterzieht sich
seit dieser Zeit einer jährlichen serologischen Kontrolle bei ihrer Hausärztin. Die letzte Blutuntersuchung erbrachte einen IgG-Wert von 1:1.024. Es handelte sich um die
zystische Form der Echinokokkose. Als Infektionsquelle kann der häufige Genuss
von infizierten Waldfrüchten angenommen werden. Dieser Fall aus dem Jahr 2005
wurde somit erst jetzt statistisch erfasst.
42
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
2.8.4
Gasbrand
Gasbrand wird zu 90 % durch das Bakterium Clostridium
perfringens hervorgerufen und kann schwere Infektionen mit
Gewebezersetzung auslösen. Der Erreger kann überall vorhanden sein: z. B. auf der Haut, im Darm sowie im Erdreich oder
Staub. Gasbrand heißt diese Erkrankung, weil die Bakterien ein
Gas produzieren, welches im umgebenden Gewebe eine Zellmembranzerstörung und Ödembildung bewirkt. Die Gasbranderreger sind Anaerobier; das heißt, sie gedeihen im sauerstoffarmen Gewebe besonders gut und sterben im sauerstoffangereicherten Gewebe ab.
Abb. 33: C. perfringens
Im Jahr 2009 wurden im Freistaat 5 Erkrankungen, darunter 2 mit Todesfolge erfasst. Das entsprach einer Morbidität von 0,1 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner. Vergleichbare Zahlen für
Deutschland stehen leider nicht zur Verfügung, da diese Infektion nach dem Infektionsschutzgesetz nicht meldepflichtig ist.
¾ Einem bereits vorgeschädigten 70-Jährigen (dialysepflichtig, beidseitig unterschenkelamputiert) aus dem Landkreis Meißen wurde wegen eines bestehenden arteriellen
Verschlusses ein Oberschenkel amputiert. Noch am gleichen Tag zeigten sich Entzündungszeichen im Wundbereich. Die Infektion konnte nicht beherrscht werden; der
Patient verstarb sechs Tage später. Aus Wundabstrich wurde C. perfringens nachgewiesen.
¾ Ein 43-jähriger Mann aus dem Leipziger Landkreis erlitt nach einem Fenstersturz
schwere arterielle Verletzungen im Bereich des Gesäßes. Wenige Tage später kam
es im genannten Bereich zur Gasbildung. Aus der Blutkultur und einem Wundabstrich gelang der Nachweis von C. perfringens. Trotz intensivmedizinischer Therapie
verstarb der Patient am 14. Tag nach dem Sturz.
2.8.5
Influenza
Die Influenza ist eine Infektion der Atemwege durch Orthomyxoviren
vom Typ A, B oder C. Für den Menschen relevant sind Influenza A- und
Influenza B-Viren. Sie schädigen die Schleimhaut der Atemwege und
ermöglichen den Eintritt viraler Toxine oder bestimmter Bakterien in den
Körper. Eine Influenza tritt auf der Nordhalbkugel in der Regel gehäuft
von Dezember bis April auf und ist sehr ansteckend. Nach Angaben des
Robert Koch-Instituts stecken sich bei den jährlichen Influenza-Wellen,
die sich von Jahr zu Jahr deutlich voneinander unterscheiden, in
Deutschland schätzungsweise 10 bis 20 Prozent der Bevölkerung an.
2.8.5.1
Abb. 34: Influenzavirus
Influenza A Neue Influenza H1N1
Seit April 2009 machte das „Schweinegrippe-Virus“ A/H1N1 Furore. Anders als das VogelgrippeVirus hat dieses Virus einen entscheidenden Schritt in Richtung Pandemie geschafft. Auf Grund
dessen, dass es sich bei dem Virus um eine vierfache Reassortante mit den Anteilen: SchweineVirus aus Nordamerika, Schweine-Virus aus Europa und Asien, humanes Virus und aviäres Virus handelte, sprach man bzw. die Medien schnell von der „Schweinegrippe“, obwohl alle Fälle
keinen bekannten Kontakt zu Schweinen hatten. Das Robert Koch-Institut informierte die zu-
43
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
ständigen Ansprechpartner der Ministerien und Landesstellen über das Auftreten eines neuartigen Influenza A/H1N1-Virus. Nachdem bereits ab Ende des Jahres 2008 vereinzelte Erkrankungsfälle in Nordamerika (Kalifornien und Texas) registriert worden waren, gingen aus verschiedenen Provinzen Mexikos Meldungen über größere Erkrankungsausbrüche mit schweren
Atemwegsinfektionen ein. Die Situation wurde als besorgniserregend eingestuft, zumal zunächst
Letalitätsraten von 7 % und mehr angegeben wurden, die sich glücklicherweise später als falsch
herausstellen sollten.
2009 wurden dem Robert Koch-Institut 222.886 Fälle von pandemischer Influenza (H1N1)2009
übermittelt. Die wahre Zahl der Infizierten dürfte jedoch um ein Vielfaches höher gelegen haben.
In Deutschland wurden im Jahr 2009 180 Todesfälle im zeitlichen Zusammenhang mit einer
pandemischen Influenza erfasst.
Eine Impfung gegen die Neue Influenza A/H1N1 wurde ab Oktober angeboten; zuerst für das
Schlüsselpersonal, dann für die gesamte Bevölkerung. Leider bestand durch die zum Teil irreführende und falsche Berichterstattung seitens der Medien eine ausgeprägte Verunsicherung
der Bevölkerung und der Ärzte den Impfstoff betreffend.
Nachdem ein Reiserückkehrer aus Mexiko als erster Influenza A/H1N1v-Erkrankungsfall in
Deutschland (Bayern) am 28.04.09 gemeldet worden war, erreichte die Neue Influenza in Gestalt eines US-Staatsbürgers schließlich am 30.05.09 auch den Freistaat Sachsen. Die ersten in
Sachsen wie auch bundesweit registrierten Erkrankungsfälle betrafen ausschließlich Personen,
die sich zuvor in den entsprechenden Risikoländern (zunächst Mexiko und die USA, später auch
Spanien, Großbritannien usw.) aufgehalten hatten bzw. deren enge Kontaktpersonen.
Um die Arbeitsbelastung der Gesundheitsämter zu senken, wurde bundesweit ab Mitte November ein geändertes Übermittlungsverfahren eingeführt. Hierbei mussten nur noch die ersten 10
Fälle pro Woche und Kreis als sogenannte Einzelfälle über die Landesstellen an das RKI weitergemeldet werden, die übrigen Erkrankungen wurden als „aggregierte Fälle“ aufgeteilt in drei
Altersgruppen erfasst (summiert). Im Jahr 2009 kamen so in Sachsen 10.700 Fälle an Neuer
Influenza zur Meldung. Somit errechnete sich eine Neuerkrankungsrate von 254 Erkrankungen
pro 100.000 Einwohner.
Erkrankungen pro 100.000 Einwohner
350
300
250
200
150
100
<15
15 - < 60
50
60 u. älter
0
22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52
Meldew ochen
Abb. 35:
Neue Influenza 2009 im Freistaat Sachsen Verlauf nach Altersgruppen (mit aggregierten
Daten)
Der Höhepunkt der pandemischen Welle wurde in Sachsen wie auch bundesweit zwischen der
46. und 48. KW erreicht. Am meisten betroffen war die Altersgruppe der 10- bis 14-Jährigen mit
44
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
23 %, gefolgt von der der 5- bis 9-jährigen Kinder. 66 % aller Erkrankten waren jünger als 20
Jahre, 33 % zwischen 20 und 64 und nur 1 % älter als 65 Jahre.
Insgesamt 58 Erkrankungshäufungen an Neuer Influenza wurden erfasst, 32 dieser Ausbrüche
(55 %) ereigneten sich in Schulen, 11 (19 %) in Familien, 7 (12 %) in Kindertagesstätten. Im
Freistaat Sachsen verstarben im Jahr 2009 insgesamt 6 ungeimpfte Patienten nachweislich an
Neuer Influenza.
¾ Betroffen waren fünf Männer und eine Frau im Alter zwischen 44 und 63 Jahren.
In zwei Fällen lagen keine Grunderkrankungen bzw. Risikofaktoren vor, bei einem
der Verstorbenen wurden Adipositas und eine nicht behandlungsbedürftige chronische Colitis angegeben, ein weiterer Patient wies neben dem Risikofaktor Adipositas auch die Vorerkrankungen Diabetes sowie chronische Herz-Kreislaufund Lungenerkrankungen auf. Schließlich verstarben auch zwei LeukämiePatienten, die jeweils während eines stationären Aufenthaltes zur Durchführung
einer Chemotherapie erkrankt waren. Diese letztgenannten beiden Todesfälle unterstreichen die Wichtigkeit der Impfung einerseits für Risikogruppen, andererseits auch für deren Kontaktpersonen und vor allem für medizinisches Personal.
2.8.6
Legionellose
Die Erreger der Legionellose sind Bakterien (Legionella pneumophila), welche als sogenannte Umweltkeime in natürlichen, aber auch
künstlichen wasserführenden Systemen vorkommen. Ihr primäres
Reservoir ist das Süßwasser. Hier sind sie in geringer Zahl natürlicher Bestandteil von Oberflächengewässern und Grundwasser. Eine
erhöhte Vermehrung der Legionellen begünstigen Wassertemperaturen zwischen 25 und 45° C und die Wasser-Verweildauer im Leitungssystem. Eine Verbreitung wird durch das Entstehen von Aerosolen begünstigt. Zur Erkrankung kann es kommen, wenn die ErreAbb. 36: L. pneumophila
ger in die tieferen Atemwege gelangen. Die Symptomatik reicht von
asymptomatischen Infektionen bis hin zu schwerwiegenden Pneumonien mit tödlichem Verlauf. Besonders gefährdet sind immunsupprimierte Patienten. Unterschieden werden zwei Arten der Legionellen-Infektion: Das sogenannte Pontiac-Fieber (Fieber,
Husten, Muskelschmerzen) und die Legionärskrankheit, die zusätzlich mit einer Pneumonie einhergeht. Nach neuesten Schätzungen geht man davon aus, dass in Deutschland etwa 4 % aller
auftretenden Pneumonien durch Legionellen verursacht werden. Als Risikogruppen gelten Abwehrgeschwächte, chronisch Kranke und ältere Menschen sowie Raucher.
Bundesweit wurden 503 Erkrankungen registriert, was einer Neuerkrankungsrate von 0,6 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner entsprach. Der seit 2007 rückläufige Trend scheint sich
fortzusetzen. Der krankheitsbedingte Tod durch die Legionärskrankheit wurde in 35 Fällen gemeldet.
In Sachsen wurden 16 Erkrankungen sowie 2 Erregernachweis ohne klinisches Bild erfasst.
Dies entsprach einer Erkrankungshäufigkeit von 0,4 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner und
einem leichten Ansteigen der Fälle gegenüber dem Vorjahr. Bei allen übermittelten Infektionen
handelte es sich um Einzelfälle. Es wurde kein Patient als krankheitsbedingt verstorben erfasst.
Durch die Anpassung der Falldefinitionen ab 01.01.2007 an europäische Kriterien (Fälle ohne
Pneumonie werden nicht mehr erfasst) verringerte sich die Anzahl der Erkrankungsfälle merklich.
45
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
Jahr
Sachsen
E abs.
E pro
100.000 EW
Deutschland
E abs.
E pro
100.000 EW
2004
27
0,6
475
0,6
2005
30
0,7
554
0,7
2006
39
0,9
571
0,7
2007
21
0,5
529
0,6
2008
12
0,3
525
0,6
2009
16
0,4
503
0,6
Tabelle 20:
Legionellose 2004 bis 2009 in Sachsen und Deutschland
Die demographische Verteilung zeigt, dass mit steigendem Lebensalter und bestehenden Risikofaktoren (2009 besonders Immunsuppression und Alkoholabusus) die Inzidenz anstieg. So
war nur eine Patientin jünger als 44 Jahre; 11 Patienten gehörten zur Altersgruppe der über 65Jährigen (die zwei ältesten Patienten waren jeweils 80 Jahre alt). Geschlechtsspezifisch betrachtet, waren Männer fast doppelt so häufig betroffen als Frauen.
Als mögliche Infektionsquellen wurden ermittelt: 7-mal Angabe von Aufenthalten in Hotels oder
Pensionen, 3-mal häuslicher Bereich sowie 2-mal Aufenthalt in Krankenhäusern. In einem Fall
bestätigten positive Wasseruntersuchungen die Erkrankung des Patienten. Bei 3 Erkrankungsfällen lag eine labordiagnostische Bestätigung der vermuteten Exposition vor. So gelang es, aus
Wasserproben in Privathaushalten sowie einem Krankenhaus niedrige Legionellenkonzentrationen (< 100 KBE/100 ml) nachzuweisen.
2.8.7
Leptospirose
Die Leptospirose ist eine weltweit auftretende, akut verlaufende
Infektionskrankheit, die durch gramnegative Bakterien (Leptospira interrogans) hervorgerufen wird. Die natürlichen Wirte der
Leptospiren sind vorrangig Ratten und Mäuse, aber auch zahlreiche andere Haus- und Nutz- und Wildtiere. Diese scheiden
die Bakterien über den Urin aus. Der Mensch infiziert sich durch
direkten oder indirekten Kontakt, meist mit kontaminiertem Erdreich oder Wasser. Die Infektion verläuft häufig mit grippaler
Symptomatik, es können jedoch auch lebensbedrohliche Formen mit Blutungsneigung, Leber- oder Nierenversagen (Morbus
Weil) auftreten.
Abb. 37: L. interrogans
Laut dem Infektionsepidemiologischen Jahrbuch des RKI kamen 2009 deutschlandweit 92 Leptospirosen gemäß Referenzdefinition zur Meldung. Damit lag die Inzidenz mit 0,11 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner deutlich (+ 38 %) über der des Vorjahres 2008. Es wurden im gesamten Bundesgebiet keine Todesfälle durch Leptospirose registriert.
46
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
Jahr
Sachsen
E abs.
E pro
100.000 EW
Deutschland
E abs.
E pro
100.000 EW
2004
5
0,12
58
0,07
2005
5
0,1
58
0,07
2006
1
0,02
46
0,05
2007
8
0,2
166
0,2
2008
2
0,05
66
0,08
2009
2
0,05
92
0,1
Tabelle 21:
Leptospirose 2004 bis 2009 in Sachsen und Deutschland
In Sachsen wurden im Jahr 2009 lediglich 2 Leptospirose-Erkrankungen erfasst. Todesfälle kamen nicht zur Meldung.
¾ Ein 13-Jähriger aus dem Landkreis Zwickau erkrankte mit grippeähnlicher Symptomatik. Als mögliche Infektionsquelle wurde ein Aufenthalt in Kuba angenommen.
Fall zwei betraf einen 24-Jährigen aus dem Landkreis Bautzen, welcher mit Fieber,
Nackensteife und Schüttelfrost erkrankte. Als Infektionsquelle wurde der berufliche
Kontakt zu Abwässern angegeben. Beide Infektionen wurden serologisch bestätigt.
2.8.8
Listeriose
Die Erreger der Listeriose sind stäbchenförmige Bakterien, welche
in der Umwelt nahezu weltweit verbreitet sind. Ein bis zehn Prozent der Menschen (sowie viele Säugetiere) tragen Listerien im
Darm und scheiden sie im Stuhl aus. Die Inkubationszeit wird mit
3 bis 45 Tagen angegeben. Genauere Angaben fehlen, da die
Listeriose meist unbemerkt lokal beginnt (Besiedlung im MagenDarm-Trakt) und bei guter Immunabwehr oft symptomlos verläuft.
Überwiegend tritt ein leichtes Krankheitsgefühl mit Fieber auf. Die
Abb. 38: L. monocytogenes
Erregeraufnahme erfolgt hauptsächlich durch den Verzehr kontaminierter Lebensmittel (u. a. Rohmilchprodukte, Rohwürste u. ä.). Gefährlich ist die Infektion für
Schwangere (sie geben die Infektion an das noch ungeborene Kind weiter) und immunsupprimierte Personen (mögliche Komplikationen: Meningitiden, Enzephalitiden, sowie Herzerkrankungen).
Bundesweit wurden im Berichtszeitraum 394 Listeriosen (0,5 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner) erfasst. Die Erkrankungszahlen stiegen wieder an und somit lag die Inzidenz 2009
28 % über der des letzten Jahres.
Es kamen 35 Todesfälle (9 % der Erkrankten) zur Meldung, bei denen 34 der Patienten über 60Jahre alt waren. Die Listeriose gehört neben der Meningokokken-Meningitis zu den meldepflichtigen bakteriellen Erkrankungen mit der höchsten Letalität.
In Sachsen wurden 23 Listeriosen (0,5 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner) sowie 2 Erregernachweise ohne Angaben zum klinischen Bild erfasst.
8 Erkrankungen verliefen mit einer Sepsis, in 2 Fällen wurde das Krankheitsbild einer Meningitis
beschrieben. Pneumonie und Fieber wurde bei den meisten Patienten als Hauptsymptome angegeben. Im Hinblick auf die Altersverteilung bei den Listeriosen wurde festgestellt, dass fast
47
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
alle Patienten in die Altersgruppe der älteren Erwachsenen (über 60 Jahre) eingeordnet wurden
(n = 14). Bei vielen Patienten bestand zudem noch eine Grunderkrankung. Ausbrüche kamen
nicht zur Meldung.
Es wurden 5 Todesfälle registriert. Betroffen waren vier Frauen und ein Mann im Alter zwischen
63 und 90 Jahren. Bei vier Patienten war eine bereits bestehende Grunderkrankung bekannt.
Jahr
Sachsen
abs.
E pro
100.000 EW
Deutschland
abs.
E pro
100.000 EW
2004
16
0,4
296
0,4
2005
30
0,7
510
0,6
2006
29
0,7
508
0,6
2007
32
0,8
356
0,4
2008
25
0,6
307
0,4
2009
23
0,5
394
0,5
Tabelle 22:
Listeriose 2004 bis 2009 in Sachsen und Deutschland
2.8.8.1
Konnatale Listeriose
Schwangere haben ein deutlich höheres Risiko, an einer Listeriose zu erkranken. Meist äußert
sich die Erkrankung als grippeähnlicher kurzer Fieberschub, welcher oft nicht ernst genommen
wird. Es kann sich jedoch eine Entzündung des Mutterkuchens einstellen und die Infektion geht
auf das ungeborene Kind über (konnatale Infektion durch diaplazentare Übertragung). Bei Infektionen im ersten Trimenon der Schwangerschaft kann der Fötus absterben und es kommt zum
Abort. Spätere Infektionen, führen zu einer intrauterinen Listeriose, welche zum Tod und damit
zum Spätabort des ungeborenen Kindes führen oder eine Frühgeburt verursachen kann.
Laut dem Statistischen Jahrbuch des RKI 2009 kamen bundesweit 21 konnatale Infektionen zur
Meldung. Über Todesfälle wurde nicht berichtet.
Im Freistaat Sachsen wurden im Jahr 2009 zwei konnatale Listeriosen erfasst.
¾ Ein Leipziger Ehepaar verzehrte in einem Restaurant den spanischen Edelschimmelkäse „Cabrales* Die 36-jährige schwangere Frau hatte nur geringe Mengen gekostet,
der 58-jährige Mann, ein Liebhaber dieser Käsesorte, eine größere Portion gegessen. Zwei Tage später klagte der Mann über gastroenteritische Beschwerden
(Bauchschmerzen und Durchfall). Weitere zwei Tage später wurde die Frau mit hohem Fieber, vorzeitiger Wehentätigkeit in der 36. SSW bei fehlenden Kindsbewegungen hospitalisiert. Am darauffolgenden Tag kam es zur Spontangeburt. Da das Neugeborene ebenfalls fieberte, erfolgte eine Antibiotikatherapie bei Mutter und Kind. Die
zuvor entnommene Blutprobe beim Kind ergab den Nachweis von L. monozytogenes
Serovar 1/2a. Da beim Vater nie ein Erregernachweis angestrebt wurde und bei der
Mutter kein Nachweis gelang, wurden beide Erkrankungen als klinischepidemiologische bestätigte Listeriosen erfasst.
*Queso Cabrales reift nur in den Höhlen der Region Cabrales (Provinz Asturien, Spanien).Dieser wird aus nicht pasteurisierter Milch von Kühen, Ziegen und Schafen hergestellt.
48
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
¾ Aus dem Landkreis Meißen wurde eine konnatale Listeriose gemeldet. Bei einem
Neugeborenen (normale, termingerechte Geburt), welches gleich nach der Geburt
ein septisches Krankheitsbild zeigte, wurde aus der Blutkultur Listeria monocytogenes nachgewiesen. Die 25-jährige Mutter des Säuglings war nicht erkrankt.
2.8.9
MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) - invasive Erkrankung
Staphylokokken sind unbewegliche, nicht sporenbildende gramnegative
Kokken und als Besiedler der Haut sowie der Schleimhäute des MundRachenraums bei Menschen und Tier weit verbreitet. Als Infektionserreger sind sie fakultativ pathogen. Die stärkste Pathopotenz besitzt
Staphylococcus aureus. Als vielfach antibiotikaresistenter Keim spielt
dieser bei immunsuprimierten Patienten in bestimmten Einrichtungen
(Seniorenheime, Krankenhäuser o. ä.) eine besondere Rolle. So kommt
es bei dieser Personengruppe häufig zu Wundheilungsstörungen oder
auch septischen Krankheitsverläufen, welche unter Umständen zum Tode
führen können.
Abb. 39: S. aureus
Gemäß der Verordnung zur Anpassung der Meldepflicht nach §7 IfSG an die epidemiologische Lage ist der Nachweis von MRSA aus Blut oder Liquor seit dem 01.07.2009 meldepflichtig (Bundesgesetzblatt, Jahrgang 2009 Teil I Nr. 27, ausgegeben zu Bonn am 28. Mai
2009).
Laut dem Statistischen Jahrbuch des RKI wurden für das Jahr 2009 seit der Einführung der
Meldepflicht bundesweit 1.715 MRSA-Nachweise gemeldet. Es ergab sich somit eine Inzidenz
von 9,6 Fällen pro 100.000 Einwohner. Eine ausführliche Auswertung ist auf Grund des kurzen
Meldezeitraums bisher noch nicht möglich.
Im Freistaat Sachsen wurden 88 invasive MRSA erfasst (7,5 Fälle pro 100.000 Einwohner). Betroffen waren Patienten im Alter zwischen 40 und der 99 Jahren. Die höchste altersspezifische
Inzidenz wurde bei den über 65-Jährigen registriert (5,4 Fälle pro 100.000 der Altersgruppe).
Auffällig war ein geschlechtsspezifischer Unterschied: bei 75 % aller Betroffenen handelte es
sich um Männer. Bei den erfassten Infektionen wurde der MRSA-Nachweis aus Blut geführt.
Die Ermittlungen von Angaben zum klinischen Bild gestalteten sich oftmals schwierig, da einige
behandelnde Ärzte sich auf die Labormeldepflicht beriefen und somit ihrer Auskunftspflicht nicht
nachkommen wollten.
Die Auskunftspflicht gegenüber dem Gesundheitsamt ist im Infektionsschutzgesetz
4. Abschnitt „Verhütung übertragbarer Krankheiten“ § 16 „Allgemeine Maßnahmen der zuständigen Behörde“ geregelt.
Somit lagen nur für etwa die Hälfte aller Fälle Informationen zum klinischen Bild vor. In
19 Fällen wurde Fieber, in 14 Fällen eine Sepsis und in 7 Fällen eine Pneumonie als Hauptsymptom angegeben. Sowohl an einer Sepsis als auch an einer Pneumonie erkrankten 4 Patienten; ein Patient an einer Sepsis mit Endokarditis.
Insgesamt 7 Personen verstarben an den Folgen der Infektion. Dies entsprach einer Letalität
von 8 %. Betroffen waren 4 Frauen und 3 Männer im Alter von über 70 Jahren.
49
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
2.8.10
Ornithose
Bakterien der Art Chlamydophila psittaci verursachen zumeist
eine atypische Pneumonie. Darüber hinaus können fast alle Organe durch eine Infektion betroffen werden, was zu vielfältigen
Krankheitsbildern (Kopf-, Muskel-, Gelenkschmerzen, Lebervergrößerung, Entzündung des Herzens, des Gehirns, der Bindehäute) führt. Der natürliche Wirt dieser weltweit verbreiteten Chlamydienart sind Vögel, weshalb die Erkrankung neben Psittakose
auch Ornithose oder Papageienkrankheit genannt wird. Übertragen werden diese Chlamydien durch das Einatmen von erregerhaltigem Staub (z. B. eingetrockneter Vogelkot).
Abb. 40: C. psittaci
Im Jahr 2009 wurden 26 Ornithosen gemäß der Referenzdefinition an das RKI übermittelt. Die
Zahl der Erkrankungen hat sich im Vergleich zum Vorjahr (22 E) nur unwesentlich erhöht. Bei
allen Fällen wurde Deutschland als Infektionsland angegeben.
Jahr
Sachsen
abs.
E pro
100.000 EW
Deutschland
abs.
E pro
100.000 EW
2004
3
0,07
15
0,02
2005
4
0,09
33
0,04
2006
4
0,09
26
0,03
2007
1
0,02
12
0,01
2008
3
0,07
22
0,03
2009
2
0,04
26
0,03
Tabelle 23:
Ornithose 2004 bis 2009 in Sachsen und Deutschland
Im Freistaat Sachsen wurden 2 Erkrankungen erfasst:
¾ Im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge erkrankte eine 27-Jährige mit unklarer Pneumonie. Serologische Untersuchungen ergaben mittels KBR einen deutlich
erhöhten Chlamydiales-Antikörpernachweis. Vermutlich hatte sich die Patientin bei
ihren eigenen Papageien (Rosenköpfchen) infiziert. Die Vögel waren zunächst erkrankt gewesen und wenig später verstorben.
¾ Ein 82-Jähriger mit eigener Hühnerhaltung erkrankte mit einer Pneumonie. Mittels
PCR gelang der Nachweis von C. psittaci beim Patienten. Die Schlachtung der Hühner wurde veranlasst. Untersuchungsergebnisse gelangten nicht zur Kenntnis.
50
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
2.8.11
Trichinellose
Die Trichinellose oder Trichinose wird durch Fadenwürmer (Nematoden)
der Spezies Trichinella hervorgerufen. Der Mensch infiziert sich durch
den Verzehr von nicht ausreichend gegartem Fleisch, insbesondere von
Wildschwein oder Schwein. Die mit der Nahrung aufgenommenen Larven
werden im Darm freigesetzt und wandern bevorzugt in Muskelzellen, wo
sie sich verkapseln. Die Infektion geht häufig zunächst mit Bauchbeschwerden, später mit Muskelschmerzen und Schwellungen im Augenbereich einher. Durch die regelmäßig durchgeführte Fleischbeschau ist diese Erkrankung in Deutschland mittlerweile sehr selten.
Abb. 41: Trichinella
Bundesweit wurde dem RKI im Jahr 2009 lediglich eine Erkrankung sowie 2-mal der Nachweis
von Trichinella spiralis (ohne klinische Symptomatik gemäß Falldefinition) gemeldet.
Diese bundesweit einzige erfasste Erkrankung betraf den Freistaat Sachsen:
¾ Ein 65-jähriger Mann erkrankte mit einem Exanthem am ganzen Körper sowie Muskelschmerzen. Zur Abklärung dieser Symptomatik wurde er in einer Hautklinik stationär aufgenommen. Die eingeleitete Blutuntersuchung erbrachte einen deutlich erhöhten IgMAK-Titer gegen Trichinella spiralis. Es konnten leider keine Aussagen zur möglichen Infektionsquelle gemacht werden.
2.8.12
Tuberkulose
Die Erkrankung wird durch Erreger des Mycobacterium tuberculosisKomplexes hervorgerufen. Die Übertragung erfolgt in der Regel von
Mensch zu Mensch als Tröpfcheninfektion. Bei einem hohen Prozentsatz der Infizierten bleibt die Infektion symptomlos. Die Krankheit bricht
oft dann aus, wenn das Immunsystem der Betroffenen aufgrund von
Mangelernährung, schlechten Wohnverhältnisse oder in der Folge anderer Erkrankungen geschwächt ist. Sie äußert sich mit unspezifischen
Symptomen wie Müdigkeit, Schwäche, Appetitlosigkeit, leichtem Fieber
und Gewichtsabnahme. In Abhängigkeit von den betroffenen Organen
Abb. 42: M. tuberculosis
ist eine vielfältige Symptomatik möglich. Unbehandelt geht die Tuberkulose mit einem langen und schweren Verlauf einher. Die frühzeitige Erkennung infektiöser Personen sowie eine schnell eingeleitete und konsequent durchgeführte Therapie (über mindestens
sechs Monate) sind deshalb besonders wichtig, um bestehende Infektionsketten zu unterbrechen.
2009 kamen in Deutschland 4.432 Erkrankungen zur Meldung (5,4 Erkrankungen pro 100.000
Einwohner). Gegenüber dem Vorjahr (5,5 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner) ist eine leichte
Abnahme der Inzidenz um 2 % zu verzeichnen. Damit setzte sich der rückläufige Trend der vergangenen Jahre weiter fort.
Mit einem Anteil von 80 %, zu denen entsprechende Angaben vorlagen, trat die Tuberkulose in
erster Linie als Lungentuberkulose auf, während sich rund 20 % ausschließlich extrapulmonal
manifestierten. Hierbei waren bei rund 10 % die Lymphknoten betroffen. Unter den Lungentuberkulosen betrug der Anteil der offenen Form 77 %. Es wurden insgesamt 139 Fälle erfasst, bei
denen die Krankheit tödlich verlief.
51
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
Jahr
Sachsen
E abs.
E pro
100.000 EW
Deutschland
E abs.
E pro
100.000 EW
2004
264
6,1
6.549
7,9
2005
220
5,1
6.057
7,3
2006
202
4,7
5.404
6,6
2007
177
4,1
5.027
6,1
2008
181
4,3
4.526
5,5
2009
196
4,6
4.432
5,4
Tabelle 24:
Tuberkulose 2004 bis 2009 in Sachsen und Deutschland
Im Freistaat Sachsen ist die Zahl der Tuberkulose-Infektionen entgegen dem bundesdeutschen
Trend wieder leicht angestiegen. Diese Entwicklung konnte auch schon im Vorjahr beobachtet
werden. Zur Meldung kamen 196 Erkrankungen (sowie 4 Erregernachweise ohne Angaben zum
klinischen Bild), was einer Neuerkrankungsrate von 4,3 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner
entsprach. Diese Anzahl bedeutete eine Zunahme von 10 % gegenüber den beiden Vorjahren,
liegt aber unter dem 5-Jahres-Mittelwert (210 Fälle). Bei der Betrachtung der hauptsächlich betroffenen Organe dominierte die Lunge mit einem Anteil von 82 %, gefolgt von den Lymphknoten
mit fast 7 %.
Absolut 41 Infektionen (21 %) betrafen ausländische Bürger bzw. Aussiedler; bei den meisten
erfolgte die Diagnosestellung anlässlich ihrer Einreise nach Deutschland.
Erkrankungen pro 100.000 Einwohner
12
10
8
6
4
2
Deutschland
Sachsen
0
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009
Abb. 43:
Entwicklung der Tuberkulose von 2000 bis 2009 in Sachsen und Deutschland
Insgesamt kamen 6 tuberkulosebedingte Todesfälle zur Meldung. 4-mal wurde eine Beteiligung
der Atmungsorgane angegeben; bei 2 Patienten handelte es sich um eine disseminierten1 Tuberkulose.
¾ Ein 38-jähriger Alkoholiker verstarb an einer toxischen Lungentuberkulose. Die
anderen Todesfälle betrafen drei Frauen (57, 66 und 77 Jahre) sowie zwei Männer (78 und 89 Jahre). Bei allen handelte es sich um deutsche Patienten.
1
Bei einer disseminierten Tuberkulose sind drei oder mehr Organsysteme betroffen.
52
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
Die territoriale Verteilung zeigt deutlich, dass die Inzidenz in allen Stadtkreisen (5,3 bis 8,8 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner) über dem sachsenweiten Durchschnitt lag. Auffällig war
hier der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, der die zweithöchste Inzidenz (8,2 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner) nach der Stadt Leipzig aufwies.
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
weiblich
Abb. 44:
>= 65
60 - < 65
55 - < 60
50 - < 55
45 - < 50
40 - < 45
35 - < 40
30 - < 35
25 - < 30
20 - < 25
15 - < 20
unter 15
0
männlich
Tuberkulose nach Altersgruppen und Geschlecht in Sachsen 2009
Bemerkenswert war erstmals der hohe Anteil der unter 15-Jährigen (n = 13), darunter 9 Infektionen bei Kleinkindern (unter 5-Jährige). Zwei der Kinder besaßen eine ausländische Staatsbürgerschaft (Indien, Vietnam), alle anderen waren Deutsche ohne Migrationshintergrund. Die Ermittlungen bei den deutschen Kindern ergaben in 7 Fällen eine Infektion durch familiäre Kontakte.
Die höchste Inzidenz zeigte sich, wie auch schon in den Vorjahren, in der Altersgruppe der über
65-Jährigen. Hier wurde eine altersspezifische Inzidenz von 9,1 Erkrankungen pro 100.000 der
Altersgruppe erreicht. Das Erkrankungsrisiko nimmt ab dem 60. Lebensjahr stark zu. Begründet
werden kann dies auch mit den im Alter verringerten Abwehrkräften.
Verbunden mit der Wahrscheinlichkeit, an einer oder auch an mehreren anderen Erkrankungen
zu leiden, begünstigt das den Ausbruch oder die Reaktivierung der Tuberkulose. Männer erkrankten deutlich häufiger als Frauen: rund zwei Drittel der betroffenen Patienten waren männlich.
Im Rahmen von Umgebungsuntersuchungen konnten bei 20 % aller Fälle epidemiologische Zusammenhänge zu Ausbrüchen bzw. Infektketten hergestellt werden.
So gelang es, 23 Personen als familiäre oder berufliche Kontaktinfektionen, 2 Patienten im
Rahmen von Umgebungsuntersuchungen zu seit längerem andauernden Ausbrüchen sowie 4
Folgefälle (2 Stammtischfreunde und 2 dazugehörige Familienangehörige) zum Indexfall aus
dem Jahr 2004 (ein an Tuberkulose verstorbener Gastwirt) einer antibiotischen TuberkuloseTherapie zuzuführen.
Ein bereits seit längerem bekanntes Infektionsrisiko, das gemeinschaftliche Rauchen von Wasserpfeife bzw. Bong, spiegelte sich auch im Jahr 2009 in den sächsischen Tuberkulosedaten
wider. So war 2009 das Wasserpfeifen-Rauchen mit hoher Wahrscheinlichkeit die Ursache für
drei Erkrankungshäufungen. Betroffen waren insgesamt 9 Beteiligte im Alter von 19 bis 29 Jahren und 2 damit im Zusammenhang stehende familiäre Kontaktinfektionen bei 2-jährigen Kindern.
53
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
Abb. 46: Arabische Wasserpfeife
Abb. 45: Transparente Bong
2.8.13
Virushepatitis
Die Virushepatitis ist eine Infektion mit überwiegender Entzündung der Leber, welche durch Hepatitisviren (hauptsächlich A bis E, aber auch F und G) hervorgerufen wird. Die einzelnen Hepatitisformen zeigen im akuten Stadium eine ähnliche Symptomatik (Übelkeit, Fieber, Oberbauchbeschwerden, Ikterus). Unterschiede bestehen in der Wahrscheinlichkeit der Ausbildung von
chronischen Verlaufsformen (Hepatitis B und C) und in der unterschiedlichen Übertragungsweise.
2.8.13.1
Virushepatitis A
Hervorgerufen wird diese Form der Virushepatitis durch das Hepatitisvirus A, das zu den kleinen RNA-Viren (picorna-viridae von
pico = klein) zählt. Die Erkrankung verläuft meist akut (Leberentzündung mit Gelbsucht = Ikterus). Die Übertragung erfolgt fäkaloral. Das Virus wird mit dem Stuhl ausgeschieden, direkt von
Mensch zu Mensch übertragen oder über die Nahrung (verunreinigtes Trinkwasser oder andere kontaminierte Lebensmittel) aufgenommen. Die Inkubationszeit liegt zwischen zwei und sechs
Wochen. In Ländern mit niedrigem Hygienestandard ist die Abb. 47: Hepatitis A-Virus
Durchseuchung relativ hoch. Eine Schutzimpfung gegen die Erkrankung steht zur Verfügung und wird insbesondere als Reiseimpfung empfohlen.
Deutschlandweit kamen mit absolut 929 Erkrankungen (1,1 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner) 13 % weniger Fälle zur Meldung als im Vorjahr (1.072 Erkrankungen - 1,3 Erkrankungen
pro 100.000 Einwohner). Todesfälle wurden nicht registriert.
Nach dem Infektionsepidemiologischen Jahresbericht des RKI entfielen von den 906 Nennungen zum Infektionsland 70 % auf Deutschland. Insgesamt wurden bei 78 % der Fälle europäische Länder (einschließlich Deutschland), bei 13 % asiatische, bei 6 % afrikanische und bei 3 %
amerikanische Länder angegeben.
54
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
Jahr
Sachsen
E abs.
E pro
100.000 EW
Deutschland
E abs.
E pro
100.000 EW
2004
48
1,1
1.938
2,4
2005
28
0,7
1.217
1,4
2006
28
0,7
1.227
1,5
2007
28
0,7
939
1,1
2008
38
0,9
1.072
1,3
2009
22
0,5
929
1,1
Tabelle 25:
Virushepatitis A 2004 bis 2009 in Sachsen und Deutschland
Im Vergleich zum Vorjahr sank die Neuerkrankungsrate im Freistaat Sachsen gegenüber 2008
auf 0,5 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner. Absolut waren das 22 Erkrankungen sowie neun
Labornachweise bei asymptomatischen Personen. Die Ermittlungen zu den Infektionsquellen
ergaben bei lediglich vier erkrankten Personen Auslandsaufenthalte. Inwieweit diese Angaben
der Realität entsprachen, kann leider nicht gesagt werden. Todesfälle wurden nicht erfasst.
2.8.14.2
Virushepatitis B
Die Hepatitis B ist eine Erkrankung, die vorwiegend sexuell
und durch Blut übertragen wird. Die Inkubationszeit beträgt bei
der Virushepatitis B zwei bis sechs Monate. In den meisten
Fällen heilt die Erkrankung aus, jedoch können fünf bis zehn
Prozent in chronische Verlaufsformen übergehen. Nach Angaben der WHO haben weltweit etwa 2 Milliarden Menschen
eine HBV-Infektion durchgemacht und 5 bis 7 Prozent der
Weltbevölkerung. Etwa 300 bis 420 Millionen Menschen sind
chronisch mit dem Hepatitis B-Virus infiziert. Es gibt eine wirksame Schutzimpfung.
Sachsen
Abb. 48: Hepatitis B-Virus
Deutschland
asymptomatische
Infektionen
E abs.
E pro
100.000 EW
Jahr
E abs.
E pro
100.000 EW
2004
54
1,2
221
1.276
1,6
2005
47
1,1
219
1.235
1,5
2006
60
1,4
184
1.179
1,4
2007
60
1,4
209
1.003
1,2
2008
47
1,1
189
822
1,0
2009
68
1,6
183
748
0,9
Tabelle 26:
Virushepatitis B 2004 bis 2009 in Sachsen und Deutschland
55
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
Bundesweit kamen 748 akute Erkrankungen beim RKI zur Meldung, die der Referenzdefinition
entsprachen. Bei weiteren 944 Fallmeldungen war entweder das klinische Bild einer akuten Hepatitis nicht erfüllt oder es lagen hierzu keine Angaben vor. Die Inzidenzen variierten unter den
Bundesländern zwischen 0,4 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner in Niedersachsen und 2,1 in
Hamburg. Die Inzidenz lag bei Männern mit 1,2 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner deutlich
höher als bei Frauen (0,6 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner).
Wie in der Tabelle 26 dargestellt, kamen in Sachsen 68 Erkrankungen (1,6 Erkrankungen pro
100.000 Einwohner) zur Meldung, was einem deutlichen Anstieg der Inzidenz gegenüber dem
Vorjahr entsprach.
Während die chronischen Virushepatitis B-Infektionen bundesweit keine Beachtung finden, werden diese in Sachsen erfasst, soweit es sich um Erstmeldungen handelt. 2009 kamen auf diesem Weg 22 Erkrankungen sowie 49 Fälle ohne bestehendes oder bekanntes klinisches Bild zur
Meldung. Diese sind in den Gesamtzahlen der Jahresstatistik enthalten.
Es wurden im Berichtszeitraum 2 Todesfälle registriert:
¾ Zwei männliche Patienten im Alter von 64 und 68 Jahren verstarben (unabhängig voneinander) an einer chronischen Hepatitis B. Hinweise auf die möglichen Infektionsquellen
konnten nicht ermittelt werden
Die Anzahl der asymptomatischen Infektionen lag mit 183 Meldungen in etwa auf dem gleichen
Niveau von 2008 (189 Carrier gemeldet).
2.8.14.3
Virushepatitis C
Die Hepatitis C ist eine durch Hepatitis C-Viren ausgelöste Leberentzündung, ähnlich der Virushepatitis B, die meist über Blut bzw. Blutprodukte von infizierten Personen und Geschlechtsverkehr mit infizierten Personen übertragen wird. Bei einer nicht unerheblichen Zahl der
Fälle lässt sich jedoch der Übertragungsweg nicht eindeutig abklären.
Die Inkubationszeit liegt zwischen zwei bis teilweise sogar 26 Wochen. In etwa 70 % der Fälle nimmt die Infektion einen chronischen
Verlauf. Dieser führt mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 20 % innerhalb von 20 Jahren zu einer Leberzirrhose, gleichzeitig ist das Risiko
für die Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms erhöht. Einen
Impfstoff gegen Hepatitis C gibt es nicht.
Abb. 49: Hep. C-Virus
Die Referenzdefinition basiert auf Fallmeldungen mit erstmaligem Labornachweis einer HCVInfektion, unabhängig vom klinischen Bild oder der Verlaufsform. Die so angepasste Referenzdefinition bedingt, dass auch Fälle berücksichtigt werden, bei denen das klinische Bild nicht erfüllt ist oder keine Informationen hierzu vorliegen. Die Beschreibung der Daten aus den Vorjahren, etwa zum Vergleich mit aktuellen Daten, erfolgte auf der Basis der aktuellen Referenzdefinition.
So wurden bundesweit im Berichtsjahr absolut 5.412 Labornachweise erfasst, darunter handelte
es sich bei 3.782 um asymptomatische Infektionen bzw. um Infektionen mit unbekanntem klinischem Bild. Seit 2004 kann von einem rückläufigen Trend gesprochen werden.
56
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
Sachsen
Deutschland
Jahr
E abs.
E pro
100.000 EW
asymptomatische
Infektionen
E abs.
E pro
100.000 EW
asymptomatische
Infektionen
2004
27
0,62
299
2.677
3,2
6.395
2005
28
0,7
293
2.426
2,9
5.937
2006
21
0,5
267
2.184
2,6
5.377
2007
25
0,6
286
2.004
2,4
4.854
2008
24
0,6
299
1.776
2,2
4.419
2009
34
0,8
227
1.630
2,0
3.782
Tabelle 24:
Virushepatitis C 2004 bis 2009 in Sachsen und Deutschland
Entgegen dem bundesdeutschen Trend, stieg im Freistaat Sachsen die Zahl der gemeldeten
Neuerkrankungen an. Es kamen 34 Erkrankungen, darunter 2 mit Todesfolge zur Meldung. Die
Ermittlungen zu den möglichen Infektionsquellen ergaben 8-mal den intravenösen Gebrauch
von Drogen, je 5-mal einen operativen Eingriff bzw. medizinische Injektionen im Ausland sowie
4-mal eine Bluttransfusion. In jeweils 4 Fällen gingen Tätowierungen bzw. Piercings voraus.
5 Personen gaben Geschlechtsverkehr mit Virushepatitis C-Trägern an. Bei den Hinweisen zu
den Infektionsquellen waren Mehrfachnennungen möglich.
¾ An einer Virushepatitis C verstarben (unabhängig voneinander) zwei weibliche Patienten
im Alter von 66 und 80 Jahren. Hinweise auf die möglichen Infektionsquellen konnten
nicht ermittelt werden.
2.8.14.4
Virushepatitis D
Das Hepatitis D-Virus benötigt zur Infektion die Hülle des Hepatitis B-Virus. Hepatitis D tritt somit
stets zusammen mit Hepatitis B auf und führt in 70 bis 90 % der Fälle zu schweren chronischen
Verläufen. Die Übertragung erfolgt meist durch Blut oder Blutprodukte. Die Infektion mit diesem
Virus ist in Deutschland selten und zumeist auf Risikogruppen (Ausländer, Drogenkonsumenten)
beschränkt.
Im Bundesgebiet wurden wie schon im Vorjahr 7 Erkrankungen erfasst. Zusätzlich kamen 16
labordiagnostische Fälle ohne (sowie unbekanntes) klinisches Bild zur Meldung.
Im Jahr 2009 wurde in Sachsen lediglich ein labordiagnostischer Nachweise ohne bestehendes
klinisches Bild registriert.
57
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
2.8.14.5
Virushepatitis E
Diese Erkrankung tritt, ähnlich der Virushepatitis A, als akut verlaufende
Leberentzündung auf, welche jedoch ausheilt und keinen chronischen
Verlauf nimmt. Als Hauptverbreitungsgebiete gelten die Länder Südostund Zentralasiens, der Nahe Osten, Nord- und Westafrika sowie Mittelamerika (Mexiko). In den letzten Jahren wurde in Deutschland ein endemisches Auftreten als lebensmittelbedingte Zoonose beobachtet. Das
Virus wird mit dem Stuhl ausgeschieden und häufig über verunreinigtes
Trinkwasser übertragen. Die Inkubationszeit liegt zwischen zwei und
sechs Wochen. Die Infektion unterliegt bei Schwangeren besonderer
Beachtung. Die Erkrankung kann hier oft fulminant verlaufen und Todesfälle sind nicht selten. Es gibt keine Schutzimpfung.
Abb. 50: Hep. E-Virus
Laut dem Infektionsepidemiologischen Jahrbuch des RKI wurden bundesweit insgesamt
108 Hepatitis E-Erkrankungen (0,1 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner) übermittelt. Somit
wurden fast genauso viele Infektionen registriert, wie im Vorjahr 2008. Bei weiteren 23 Fällen
handelte es sich um labordiagnostische Nachweise ohne bzw. mit unbekanntem klinischen Bild.
Todesfälle wurden nicht registriert.
Jahr
Sachsen
E abs.
E pro
100.000 EW
Deutschland
E abs.
E pro
100.000 EW
2004
6
0,14
53
0,06
2005
2
0,04
54
0,06
2006
6
0,1
52
0,06
2007
10
0,2
73
0,08
2008
17
0,4
104
0,1
2009
13
0,3
108
0,1
Tabelle 24:
Virushepatitis E 2004 bis 2009 in Sachsen und Deutschland
Im Freistaat kamen 13 Erkrankungen und ein labordiagnostischer Nachweis ohne klinisches Bild
zur Meldung. In Sachsen war somit die Neuerkrankungsrate leicht rückläufig. Bei zwei Infektionen wurden Auslandsaufenthalte in Ägypten und Indien bzw. der berufliche Kontakt zu Ausländern (betraf eine Krankenpflegeschülerin) angegeben, die restlichen Erkrankungen wurden mit
höchster Wahrscheinlichkeit in Deutschland erworben.
¾ Ein Ehepaar aus dem Erzgebirgskreis (73 und 74 Jahre) erkrankte zeitgleich mit Ikterus
sowie Oberbauchbeschwerden. Bei den Patienten wurden erhöhte Transaminasen diagnostiziert. Die Ermittlungen zur möglichen Infektionsquelle ergaben, dass die Eheleute
einen eigenen Bauernhof besitzen und dort selbst Hausschlachtungen an Schweinen
durchgeführt hatten.
Todesfälle an Virushepatitis E kamen im Berichtsjahr 2009 nicht zur Meldung.
58
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
3
Übersicht über erfasste meldepflichtige Infektionskrankheiten im Freistaat Sachsen
Jahresvergleich 2009 und 2008
Jahr 2009
Krankheit
Adenoviruskonjunktivitis
Erkrankungen
lab.diagn.
Nachw.*
T
Jahr 2008
Inzidenz**
Erkrankungen
lab.diagn.
Nachw.*
T
Inzidenz**
7
0,17
14
0,33
1.790
42,42
1.942
45,70
Chikungunyafieber
2
0,05
Denguefieber
9
0,21
6
Borreliose
Botulismus
Echinokokkose
Enteritis infectiosa
1
1
0,02
0,14
1
45.607
375
1.080,68
51.901
405
11
1.221,26
Adenovirus
2.658
4
62,98
3.592
9
1
84,52
Astrovirus
1.108
3
26,25
961
1
22,61
Campylobacter spp.
4.905
29
116,23
5.666
36
133,32
Clostridium difficile
3.499
82,91
3.422
80,52
3,53
169
3,98
Cryptosporidium
Entamoeba histolytica
Escherichia coli
EHEC1)
4
3
149
32
9
0,76
68
10
1,60
859
36
20,35
883
35
20,78
73
25
1,73
110
23
2,59
257
27
6,09
346
30
8,14
Norovirus
21.173
60
501,71
21.512
54
2
506,19
Rotavirus
8.016
14
189,94
11.296
26
5
265,80
Salmonella spp.
2.146
159
50,85
3.174
173
3
74,69
Yersinia enterocolitica
541
9
12,82
630
8
übrige Erreger
Enterovirus-Infektionen2)
191
4,53
72
Giardia lamblia
1
109
FSME3)
4
Gasbrand
5
Geschlechtskrankheiten
1,69
83
2
0,09
1
0,12
5
0,02
5.454
4.836
Neisseria gonorrhoeae
531
428
Treponema pallidum
136
168
4.252
3.750
Chlamydia trachomatis
Mycoplasma hominis
GBS-Infektionen4)
535
2
0,12
1
0,02
490
1.711
1
Hantavirus-Erkrankungen
1.751
1
H. influenzae-Erkrankungen
HSE (CJK)5)
6
HUS6)
3
Influenza
14,82
8
1
1
0,19
4
3
0,14
6
0,07
2
0,02
2
0,09
4
0,14
0,05
13.784
19
7
326,62
1.111
1
26,14
Influenza A-Virus
13.051
17
6
309,25
545
1
12,82
Influenza B-Virus
598
2
1
14,17
550
Influenza A/B-Virus
135
3,20
16
0,38
12
Legionellose
Leptospirose
Listeriose
16
2
2
23
1
5
0,05
2
0,54
25
12,94
0,38
1
0,28
6
0,59
0,05
Malaria
8
0,19
14
0,33
Masern
2
0,05
3
0,07
59
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
Fortsetzung: Übersicht über erfasste meldepflichtige Infektionskrankheiten für den Freistaat
Sachsen. Jahresvergleich 2009 und 2008
Jahr 2009
Krankheit
Erkrankungen
lab.diagn.
Nachw.*
T
Jahr 2008
Inzidenz**
Meningoenzephalitis, viral
56
Meningokokken-Erkr. (invasiv)
MRSA7)-Erkrankungen (invasiv)
19
2
0,45
88
7
2,08
Mumps
42
Ornithose
1
Paratyphus
Pertussis
Pneumokokken-Erkr. (invasiv)
1,00
19
0,05
3
2
1.554
176
112
5
Adenovirus
Röteln
Shigellosen
8
0,47
0,45
0,07
0,02
909
66
2,65
72
1
4
2
21,39
11
1,69
0,09
721
35
65
143
44
51
550
462
1
0,02
5
1.776
42,08
2.464
1
0,12
57,98
51
1,21
41
2
0,96
Shigella sonnei
44
1,04
33
2
0,78
Shigella flexneri
5
0,12
6
0,14
Shigella boydii
1
0,02
2
0,05
Shigella dysenteriae
1
0,02
Toxoplasmose
2
51
6
Tuberkulose
196
3
Trichinellose
1
0,02
2
0,05
6
Typhus
Virushepatitiden
1,21
8
4,64
179
3
137
421
22
9
Hepatitis B-Virus
68
183
Hepatitis C-Virus
34
227
Hepatitis D-Virus
Hepatitis E-Virus
1,06
7
2
Hepatitis A-Virus
Windpocken
0,05
45
Tularämie
4
13
0,05
3,25
126
500
3
2,96
0,52
38
7
1
0,89
2
1,61
47
189
2
0,81
24
299
1,11
2
0,56
1
35,63
2
1
1.004
– Enterohämorrhagische Escherichia coli
– ohne Meningitiden
3)
– Frühsommmer-Meningo-Enzephalitis
4)
– Gruppe B-Streptokokken
5)
– Humane Spongiforme Enzephalopathie
(Creutzfeldt-Jakob-Krankheit)
6)
- Hämolytisch-urämisches Syndrom
7)
- Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus
4,21
1
1
Zytomegalievirus-Infektionen
2)
1
36,82
Toxisches Schock-Syndrom
1)
4
258
Parainfluenza-Virus
RS-Virus
Inzidenz**
89
887
Mycoplasma pneumoniae
T
1
Q-Fieber
Scharlach
20
147
Respiratorische Infektionen
lab.diagn.
Nachw.*
1,33
2
Parvovirus B19-Infektionen
Erkrankungen
26
0,31
17
23,79
1.514
0,40
3
34
T Todesfälle
* labordiagnostischer Nachweis bei nicht erfülltem
bzw. unbekanntem klinischen Bild
** Erkrankungen pro 100.000 Einwohner
60
Infektionsepidemiologischer Jahresbericht 2009
4
Literaturhinweise, Quellenverzeichnisse
-
Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut – Stand
01.01.2009;
-
Empfehlungen der Sächsischen Impfkommission zur Durchführung von Schutzimpfungen im Freistaat Sachsen vom 01.01.2009;
-
Infektionsepidemiologisches Jahrbuch des Robert Koch-Institut für 2009, Berlin, 2010;
-
Webseiten des Robert Koch-Instituts:
www.rki.de > Infektionskrankheiten A–Z;
www.3rki/survstat/;
Abbildungsnachweise:
-
-
Abbildung 1:
Abbildung 2:
Abbildung 4:
Abbildung 7:
Abbildung 8, 40:
Abbildung 10, 14, 15, 17, 42, 47, 48:
Abbildung 11:
Abbildung 12:
Abbildung 13:
Abbildung 16, 29, 33:
Abbildung 21:
Abbildung 22:
Abbildung 23:
Abbildung 24:
Abbildung 26:
Abbildung 27, 31, 37, 45, 46:
Abbildung 28:
Abbildung 30:
Abbildung 31:
Abbildung 32:
Abbildung 34:
Abbildung 36:
Abbildung 38:
Abbildung 39:
Abbildung 41:
Abbildung 49
Abbildung 50:
www.wellcome.ac.uk
www.topnews.net.nz
www.interet-general.info
www.nbwolf.blogspot.com
www.waterscan.rs
www.impfen.de
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Soweit nicht anders angegeben, wurden die Abbildungen im Fachgebiet Infektionsepidemiologie
und Gesundheitsberichterstattung der LUA angefertigt.
Nachdruck und Verbreitung des Inhaltes - auch auszugsweise - sind nur mit Quellenangabe, die Vervielfältigung von Teilen dieses Epidemiologischen Jahresberichtes nur für
den Dienstgebrauch gestattet.
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