a digital lifestyle

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mfg innovation 02
a digital lifestyle
leben und arbeiten mit social software
innovationsprogramm web 2.0
der mfg baden-württemberg
inhalt
Editorial
Seite 005
1. Neue Wege im Internet der zweiten Generation
1. Wissensmanagement
1.1 Social Software im Wissensmanagement 2.0 / Martin Koser
1.2 Wikis – Die Wissensmanagement-Lösung / Tim Romberg und Hans-Jörg Happel 2. Geschäftsmodelle
2.1 Geschäfte machen im Web 2.0 / André Hellmann 2.2 Neue Geschäftsmodelle mit Web 2.0? / Heiko Wöhr
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Seite 019
Seite 031
Seite 041
3. Leben online
3.1 Wie Web 2.0 unser Leben verändert / Horst Henn 3.2 Leben online im Internet der zweiten Generation / Astrid Beck Seite 055
Seite 065
4. Werbung & PR
4.1 Das Agentur-Weblog Storyblogger / Björn Eichstädt 4.2 Marketing to the Social Web / Wilfried Mödinger Seite 075
Seite 083
2. Erfolgsgeschichten aus dem Web 2.0
1. Innovationspreis Web 2.0
1.1 Zweitgeist – Möglichkeiten zum Leben im Web / Christine Stumpf 1.2 Die Demokratisierung des Fernsehens – Live-WebTV / Markus Scheibenpflug
Seite 097
Seite 103
2. BWeb 2.0 Challenge
2.1 Mannschaftssportler auf dem Weg ins Netz / Christian Reinheimer und Oliver Moser
2.2 In alten Hasen steckt jede Menge Wissen / Peter Wagner 2.3 Castogo – Der ortsabhängige Reiseführer / Andreas Walbert und Mirko Ross
2.4 beeloc – ein Social Network verbindet Reisende / Noria Id Bellouch 2.5 Webbrain – Webbasierte Echtzeit-Kollaboration / Rainer M. Engel und Jonas Reinsch
2.6 Wiki-basiertes Wissensmanagement im Bürgerservice / Burkhard Hermann Seite
Seite
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Seite
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3. Social Software-Szene im Südwesten
3.1 Social Software-Aktivitäten der MFG
3.2 Übersicht der MFG-Projekte Impressum
Seite 149
Seite 157
Seite 162
editorial
A Digital Lifestyle. Leben und Arbeiten mit Social Software.
Das Phänomen Web 2.0 steht für tief greifende
Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft.
Das Leben mit und im Internet der zweiten
Generation schafft eine gänzlich neue Form
des Wissens. Fernab vom Herrschaftswissen
Einzelner lautet die Devise heute „Geteiltes
Wissen ist Macht“. Die neuen Paradigmen des
globalen Megatrends Vernetzung sind Linking,
Sharing, Openness – ob im beruflichen oder
privaten Kontext, ob national oder über Ländergrenzen hinweg.
Diesen Trend hat die MFG Baden-Württemberg früh erkannt. Bereits 2005 setzte die Innovationsagentur des Landes für IT und Medien
im Rahmen ihres Regional Foresight-Projekts
FAZIT das Thema Web 2.0 und Social Software auf ihre Forschungsagenda. Schon damals
– lange vor dem Durchbruch – erkannte sie das
Potenzial der neuen Technologien. Nachdem
zunächst das Bewusstsein für die damit verbundene Innovationskraft geschaffen wurde,
unterstützt die MFG nun konkrete Geschäftsmodelle auf ihrem Weg in den Markt. Mit dem
„Innovationsprogramm Web 2.0“ bringt sie
Entscheider, Wissenschaftler und Macher an
einen Tisch und vernetzt über 1.000 Akteure
durch Roadshows, Webmontage, Wiki-Wednesdays und Wettbewerbe. So fördert die Innovationsagentur aktiv den Auf- und Ausbau eines
Web 2.0-Clusters. Wie erfolgreich dieser Ansatz
ist, belegen die Beispiele in diesem Buch.
Im Mittelpunkt der Publikation stehen die Ergebnisse von vier Arbeitskreisen. Unter dem
Motto Kooperation, Interaktion und Partizi-
pation diskutieren und entwerfen Autoren aus
Wissenschaft und Praxis, wie der Lebensstil
und die Arbeitswelt der digitalen Zukunft aussehen werden. Die Szenarien sind faszinierend
global, multimedial und spiegeln eine neue Art
des Denkens, Arbeitens und Kommunizierens
wider. Die Themen Wissensmanagement, Geschäftsmodelle, Leben online sowie Marketing
& PR werden durch jeweils zwei sich ergänzende Aufsätze – sowohl praxisorientiert als auch
wissenschaftlich – beleuchtet.
Einen weiteren Schwerpunkt bilden Erfahrungsberichte junger Talente und Start-ups,
die im vergangenen Jahr von der MFG Baden-Württemberg ausgezeichnet und gefördert worden sind. Ausgewählt unter fast 100
Mitbewerbern haben sie mit ihren innovativen Ideen in Form von Social Networks und
Wissen verknüpfender Social Software bei den
Businessplan-Wettbewerben „Innovationspreis
2.0“ und „BWeb 2.0 Challenge“ überzeugt.
Und viele von ihnen haben sich bereits erfolgreich am Markt durchgesetzt. Der Preisträger
SPIELERKABINE.net wurde von der Süddeutschen Zeitung unter die wichtigsten 25
Start-ups in Deutschland gewählt. Ein Zeichen
dafür, wie wirksam das Innovationsprogramm
Web 2.0 ist.
Lassen Sie sich von den Beiträgen und Erfolgsgeschichten inspirieren! Eine interessante Lektüre wünscht Ihnen Ihr
Klaus Haasis
Geschäftsführer MFG Baden-Württemberg
editorial
<< Seite 7
neue wege
im internet der
zweiten
generation
Seite 8 >>
social software im wissensmanagement 2.0.
social software im wissensmanagement 2.0.
<< Seite 9
1.wissensmanagement
Martin Koser: Social Software im Wissensmanagement 2.0
Tim Romberg und Hans-Jörg Happel: Wikis – Die Wissensmanagement-Lösung
wissensmanagement << Seite 11
Martin Koser
frogpond - Social Software Consulting, Schlierbach
social software im
wissensmanagement 2.0
Potenziale von sozialen Netzwerken, Weblogs und Wikis
Social Software ist ein innovativer Ansatz, Wissensmanagement neu zu gestalten. Durch neue Technologien, mehr aber noch durch die Adoption neuer
Prinzipien und Methoden, ergeben sich sowohl Herausforderungen als auch neue Möglichkeiten: Wissensmanagement wird daher in Variante 2.0 wieder
zum Thema in Unternehmen. Dieser Beitrag lotet die
Chancen und Einsatzarenen des Internets der neuen
Generation – Web 2.0 – für das Wissensmanagement
in Organisationen aus.
wissensmanagement << Seite 13
01
web 2.0 und social software im unternehmen
Die digitale Wissensgesellschaft wird durch
Entwicklungen, die zusammenfassend unter
dem Oberbegriff Web 2.0 diskutiert werden,
verändert und bestimmt. Das Internet wird
dabei zur dynamischen Applikationsplattform,
zur Basis für interaktive Kommunikationsmechanismen und insbesondere zur Plattform für
soziale Netzwerke. Es ist mittlerweile durch
neue Methoden und Werkzeuge gekennzeichnet, die unter dem Sammelbegriff Social Software diskutiert werden. Das Web 2.0 ist sozial,
weil es Menschen miteinander kommunizieren und interagieren lässt. Social Software ist
nicht mit dem Web 2.0 synonym, sondern ist
eine Untermenge davon. Sie steht für Anwendungssysteme, die unter Ausnutzung von Netzwerk- und Skaleneffekten, indirekte und direkte
zwischenmenschliche Interaktion (Koexistenz,
Kommunikation, Koordination, Kooperation)
auf breiter Basis ermöglichen (vgl. Richter und
Koch 2007). Ausgehend vom privaten Nutzungsbereich etabliert sich Social Software nun
auch in Unternehmen (vgl. McAfee 2006). Sie
ermöglicht unter anderem die Verbesserung
von Prozessen der Wissensarbeit, weil Daten,
Informationen und Wissen besser erfasst, verwaltet und genutzt werden. Wikis, Weblogs, Social Networking-Plattformen etc. sind mithin
interessante Instrumente für das organisatorische Wissensmanagement, auch weil sie leicht
mit anderen IuK-Werkzeugen wie RSS (Really
Simple Syndication)-Readern oder Intranetportalen kombiniert werden können.
Wikis in Unternehmen
Wikis sind grundlegend Sammlungen von
Inter- oder Intranetseiten, die durch Benutzer nicht nur gelesen, sondern auch leicht
verändert werden können. Sie können daher
als leichtgewichtige Instrumente des Informations-, Kommunikations-, Identitäts- und
Beziehungsmanagements verwendet werden.
Seite 14 >> wissensmanagement
dann auch Beziehungen zwischen Unternehmen und Kunden, Lieferanten oder Partnern
umfassen. Das Intranet wird dadurch zum
Partizipations-, Kommunikations- und Distributionsmedium, das es erleichtert, Mitarbeiter
Zudem sind sie multifunktional, das heißt nicht
nur auf einen Anwendungszweck spezialisiert,
sondern können flexibel an verschiedene Aufgaben angepasst werden (vgl. Leuf und Cunningham 2001; Cunningham 2005; Ebersbach,
Glaser und Heigl 2007).
Intranet Weblogs
Weblogs im Unternehmen sind – und hier
durchaus in ähnlicher Weise wie im privaten
Bereich – in der Regel persönliche Werkzeuge
des Informationsmanagements, die aus dem
subjektiven Blickwinkels eines Autors geschrieben sind. Ein Blog kann aber auch von einer
Gruppe, beispielsweise einem Projektteam, geschrieben werden. Dies bietet die Chance, die
Dokumentation der eigenen (Projekt-)Arbeit
in einer schnellen und direkten sowie selbstorganisierten und -verantworteten Form zu organisieren. Weblogs sind dabei meist bottom-up
getrieben, das heißt sie setzen auf die unmittelbare Kommunikation einzelner, die dadurch
in Diskursen mitwirken, mit Kollegen direkt
in Kontakt treten etc. Sie ergänzen so auch die
traditionelle Top-down-Kommunikation im
Unternehmen, und ermöglichen die einfache
und schnelle Distribution von Inhalten – gerade durch einzelne Mitarbeiter.
Social Networking-Plattformen
im Intranet
Social Networking-Plattformen im Intranet
sollen die Beziehungen zwischen Mitarbeitern
abbilden. Das virtuelle Geflecht der Beziehungen wird sichtbar gemacht, unter anderem weil
es möglich ist, durch das Netzwerk der Mitarbeiter, die über Beziehungen miteinander verbunden sind, zu navigieren. Mitarbeiter können
eigene Profile veröffentlichen, nach Kollegen
suchen und Verbindungen mit anderen herstellen. Diese können durchaus auch unternehmensübergreifend interpretiert werden und
02
bzw. Partner mit gleich gelagerten Interessen
entdecken und kennen zu lernen sowie an der
Produktion und der Verteilung von Wissen in
diesen Netzwerken zu partizipieren.
warum wissensmanagement 2.0?
Chancen von Social Software für das mations-)technologisch anzugehen. So wandelt
Wissensmanagement
sich das Wissensmanagement zunehmend von
Wissen ist zum wichtigsten Produktionsfaktor
geworden und wissensintensive Arbeiten machen einen Großteil der Wertschöpfung aus.
Die Bedeutung der Unterstützung von Wissensarbeit und Lernen wird so auch auf breiter
Front gesehen und kehrt – wieder einmal – in
das Zentrum der Unternehmensstrategien zurück (vgl. BITKOM 2007). Unternehmen starten Initiativen, um den Wissenstransfer im Unternehmen zu fördern, um die Bewahrung des
Wissens zu sichern oder um externe Wissensquellen besser einzubinden. Dabei ist der Terminus Wissensmanagement 2.0 etwas unglücklich – bereits das Wissensmanagement 1.0 hat
sich mit sehr modern anmutenden Aspekten
und Instrumenten beschäftigt, wie beispielsweise der Förderung von Zusammenarbeit in
Gemeinschaften.
Insgesamt wächst die Erkenntnis, dass sich
Wissen nicht unabhängig vom Träger benutzen
lässt. Der Mensch als Wissensträger wird mittlerweile stärker in seiner sozialen Vernetzung
wahrgenommen und sein Wissen als ein Ergebnis von Kommunikation und kontextspezifischer Erfahrung verstanden (vgl. Johnson, Manyika und Yee 2005). Wissensmanagement 2.0
zielt so auch auf einen anderen Umgang mit der
Ressource Wissen und zieht soziale Netzwerke,
Relevanz, Workflows und wissensorientierte
Beziehungen in die Betrachtung mit ein. Damit verbunden ist auch die weitere Abkehr von
Versuchen, Wissensmanagement rein (infor-
IT- und werkzeugorientierten zu personen- bzw.
organisationsorientierten Ansätzen. Folgerichtig wird flexible und adaptive Social Software
zur nahe liegenden Infrastruktur für dynamische Strukturen, betriebliche (Informations-)
Technologien, Unternehmenskulturen und Mitarbeiter.
Wikis, Weblogs und andere Social Software sind
innovative Werkzeuge, die der Wissensarbeit
neue Horizonte eröffnen, indem sie als kollaborative Arbeitsumgebungen die Mitarbeiter
selbst zu Inhalteproduzenten im Unternehmen
machen. Gleichwohl setzt Social Software vor
allem an der Unterstützung von Gruppen und
Teams an, das heißt an den kollaborativen Aspekten der Wissensarbeit. Die soziale Dynamik
und das soziale Netzwerk stehen im Vordergrund, Konversationen und die Kopplung zwischen Individuen und Gruppen werden unterstützt (vgl. Shirky 2003). Social Software ist also
ein hybrider Ansatz, der Individualisierung und
Zusammenarbeit sinnvoll koppelt: Selbstorganisierte, individuelle Wissensarbeit und Strukturen und Praktiken der Zusammenarbeit werden simultan unterstützt. Wissensarbeit wird
so selbstgesteuerter und selbstverantwortlicher
– und gleichzeitig eingebundener in die Zusammenarbeit mit anderen. In der Folge muss
sowohl die nötige Autonomie, als auch Zusammenarbeit ermöglicht und gefördert werden.
Persönliches Wissensmanagement wird dabei
nicht vernachlässigt, sondern ist sowohl Grundwissensmanagement << Seite 15
element als auch wichtiges Gestaltungsobjekt,
beispielsweise wenn geeignete Instrumente zur
Förderung des persönlichen, individuellen Wissensmanagements ausgewählt und in das organisationale Wissensmanagement eingepasst
werden. Erhöhte Konnektivität zwischen den
Mitarbeitern soll dann unter anderem das organisatorische Lernen unterstützen: Menschen in
Organisationen lernen nicht allein in Fort- und
Weiterbildungsprogrammen, sondern unter
Umständen auch mehr und schneller im Kontakt mit Experten, in informellen Lernnetzwerken und in der täglichen Zusammenarbeit im
Team. Die Interaktion mit anderen Menschen
ist dabei besonders wertvoll, allerdings sind
gerade diese persönlichen Interaktionssituationen nur schlecht skalierbar, unter anderem
weil räumliche und zeitliche Restriktionen wirken. Der eigentliche Wert von Social Software
liegt denn auch weniger in der Bereitstellung
von Wissen, sondern in der Unterstützung von
Relationen, insbesondere in informellen Strukturen und ad hoc zusammengestellten Teams
von Wissensarbeitern. Social Software erhöht
zudem die Sichtbarkeit und damit das organisatorische Potenzial informeller Strukturen. Im
Idealfall ist es möglich, die Bündelung von bisher unverbundenen Mitarbeitern, Gedanken,
Ideen und Informationen zu erreichen, die in
klassischen Wissensmanagementsystemen und
Taxonomien nicht erfasst bzw. sichtbar werden,
die aber potenziell nützlich sind. Hier fördert
Social Software selbstorganisierte, kollaborative und ko-aktive Wissensarbeit: Mitarbeiter
wandeln sich vom passiven Wissensrezipienten
zum aktiven Wissensschaffer – und vom isolierten Einzelkämpfer zum bewussten Teamplayer und aktiven Sucher und Weiterverteiler
von relevantem Wissen.
Einsatzarenen von Social Software im
Wissensmanagement 2.0
Social Software-Werkzeuge bieten neue Ansatzpunkte, um traditionelle HerausforderunSeite 16 >> wissensmanagement
gen des Wissensmanagements zu bewältigen.
Die Verwendung von Social Software kann
die Interaktionsprozesse im Unternehmen
vereinfachen, beschleunigen und verbessern.
Insbesondere kann das Teilen von Wissen und
Ideen, wechselseitiges Lernen und kollaboratives Brainstorming gefördert werden. Einige
generische Einsatzarenen für Social Software
im Wissensmanagement sind beispielsweise:
• die Ersetzung oder Ergänzung des bestehenden oder die Einrichtung eines neuen Intranets für die Unterstützung der Wissensarbeit
im Unternehmen. Wikis ermöglichen dann
unter anderem die kollaborative Bearbeitung
von Inhalten und deren einfache Verteilung
und Wiederverwendung. Ein Beispiel ist die
verteilte, kollaborative Erarbeitung von FAQs
oder auch die Erstellung, Verteilung und Vernetzung von Grundlageninformationen;
• die Beschleunigung der Wissensprozesse
im Unternehmen, unter anderem indem die
Sichtbarkeit und Auffindbarkeit der Wissensund Kompetenzträger erhöht wird. Wikis
helfen dann dabei, das Wissen, das sich innerhalb eines Unternehmens bei den Mitarbeitern befindet, aber auch das der Kunden
und Partner, systematisch zu nutzen. Ein
Beispiel ist die Nutzung von Wikis als flexiblen Yellow Pages, die es den Benutzern selbst
ermöglichen, ihre Kenntnisse und Interessen, ihre Projekterfahrungen etc. aktuell zu
halten;
• die Unterstützung verteilter, thematisch organisierter Diskussionen, sei es in Weblogs,
Wikis oder dedizierten Diskussionsseiten
aber auch die Unterstützung von vernetztem
Lernen (Lernen in der Peer Group, Entdeckung von relevantem Wissen über die unternehmensinternen sozialen Netzwerke etc.);
• die Unterstützung von Gruppen- und TeamZusammenarbeit, beispielsweise können
Wikis oder Weblogs zur Vor- und Nachbereitung von Meetings genutzt werden (Verteilung von Agendas, Verwaltung von Auf-
gabenpaketen, Terminen und Teilnehmern,
Dokumentation etc.);
• die Einrichtung situations- und aufgabengerechter Applikationen, unter anderem
leistungsfähiger Portale für Projekte, die
verschiedene Perspektiven integrieren und
vernetzen. Projektmitarbeiterportale, Aufgaben- und Prozessportale etc. können zudem
mit RSS-Feeds kombiniert werden, um die
effiziente Verteilung der Informationen zu
erreichen. Zudem können beispielsweise Wikis als einfache Dokumentenarchive dienen,
die nicht nur auf verschiedene Weise struk-
03
turierbar sind, sondern zum einen auch über
eine Volltextsuche erschlossen werden können und zum anderen frühere Dokumentenversionen eigenständig verwalten.
Daneben ergeben sich vielfältige (unternehmens-)spezifische Einsatzarenen von Social
Software mit indirektem Bezug zum Wissensmanagement. Beispiele sind die Unterstützung
und Ergänzung bestehender MI (Management
Information)- oder DS (Decision Support)Systeme, die Unterstützung von Innovationsund Ideenmanagement etc.
herausforderungen
des wissensmanagements 2.0
Um die Potenziale des Wissensmanagements
2.0 in Organisationen nutzen zu können, sind
verschiedene Herausforderungen zu bewältigen. Social Software ist nicht nur „Software“,
sondern impliziert auch veränderte Prinzipien,
Methoden und Werkzeuge. Die Einführung
von Social Software verändert die Wissensarbeit und letztlich auch die Organisation, deren
Infrastrukturen und Organisationsstrukturen
angepasst werden müssen. Im Folgenden werden einige beispielhafte Aspekte aufgegriffen.
Herausforderungen für
Wissensarbeiter 2.0
Mitarbeiter müssen Meta-Kompetenzen der
Wissensarbeit wie beispielsweise Nutzung
der neuen IuK-Werkzeuge, Fähigkeit zur permanenten Re-Organisation der eigenen Arbeitsweise, kontextuell angepasstes Agieren in
veränderlichen Teams etc. beherrschen. Dazu
gehört auch die Kompetenz, Wissen wieder
aus Social Software extrahieren zu können und
Wissensmanagement in die alltägliche Arbeit
zu integrieren. Hierfür ist Training und auch
Coaching notwendig, eine ungeordnete und
nicht unterstützte Einführung kann nicht besonders erfolgreich sein. Die Möglichkeiten der
neuen Instrumente müssen den Mitarbeitern
demonstriert und erklärt werden, auch um im
Dialog mit den Anwendern neue Nutzungsideen zu entdecken.
Wissensteilung muss Bestandteil des eigenen
Selbstverständnisses, aber auch der Unternehmenskultur werden. Noch verstehen viele Mitarbeiter Wissensmanagement in erster Linie als
Versuch des Unternehmens, der Ressourcen des
Mitarbeiters habhaft zu werden und ihn damit
ersetzbar zu machen. Dieses Misstrauen gegenüber dem Unternehmen und den Kollegen verhindert Wissensteilung, zumal ist das Horten
von Wissen eine eingeübte und gängige Praxis
in vielen Unternehmen und wird zumeist auch
nicht effektiv sanktioniert. Die Einführung
von Social Software wie beispielsweise Wikis
und Weblogs kann hier helfen, zum einen weil
abgeschlossene Kommunikationskanäle wie
E-Mail durch zugänglichere Medien wie Wikis
abgelöst werden, aber auch weil diese neuen
wissensmanagement << Seite 17
Werkzeuge den Mitarbeitern Gelegenheit zur
sichtbaren Wissensdemonstration geben. Der
Autor eines Weblogs gewinnt Anreize auch aus
der Außenwirkung, das heißt seinen dokumentierten Kompetenzen, er wird also angeregt,
gehortetes Wissen freizugeben (Statusgewinn
durch Kompetenz). Zudem ist nicht nur die
Dokumentation ein Anreiz, sondern auch die
potenzielle Aufnahme in interessante Wissensnetzwerke.
Herausforderungen
für IT-Abteilungen
Das IT-Management muss die Entwicklungen
im Bereich Social Software permanent beobachten und prüfen, ob und wenn ja welche davon sinnvoll im internen Wissensmanagement
einsetzbar sind. Dies ist anspruchsvoll, zum einen ist die Entwicklungsdynamik des Web 2.0
beträchtlich, zum anderen sind viele der Veränderungen aufgrund ihres hohen Neuigkeitsgrads nur schlecht einzuschätzen bzw. mit den
Erfahrungen der Vergangenheit zu verstehen.
Andererseits eröffnen manche dieser Veränderungen beträchtliche Innovationschancen,
während gleichzeitig darauf geachtet werden
muss, dass der Kern der Unternehmens-IT
nicht beeinträchtigt wird.
Social Software wie Wikis, Weblogs, Social
Networking-Plattformen in Unternehmen
oder Bookmarksammlungen etc. bauen auf der
Interaktion bzw. der produzierenden und einordnenden Wissensarbeit von Menschen auf.
Die Rolle der IuK-Technologie ist es, die Infrastrukturbasis zu schaffen bzw. diese Aktivitäten zu erleichtern. Viele der neuen Werkzeuge
haben attraktive Eigenschaften, die Mitarbeiter
zusätzlich motivieren, weil sie beispielsweise
bestehende soziale Prozesse in Organisationen
unterstützen und die Zusammenarbeit über
räumliche und zeitliche Grenzen erleichtern.
Social Software verändert so auch die Rolle
der IT-Abteilungen in Unternehmen. Diese
müssen unternehmerischer denken, das heißt
Seite 18 >> wissensmanagement
die Unterstützung der Unternehmensstrategie
durch die IT in den Mittelpunkt stellen, gleichzeitig aber mit steigenden IT-Kosten und sinkenden Budgets zurechtkommen. In der Folge
muss die IT kreativer werden und zudem in der
Lage sein, schnell Pilotprojekte und Prototypen
aufzusetzen, um mit Social Software schnell
Erfahrungen sammeln zu können.
Herausforderungen
für Change Manager
Bei der Einführung von Social Software sind
angepasste Vorgehensweisen notwendig. Die
Phasen der Implementierung müssen planvoll
und koordiniert ablaufen und die Integration
mit bestehenden Prozessen sichern. Es reicht
nicht, Werkzeuge bereitzustellen, aber die entsprechenden Prozesse nicht zu berücksichtigen.
Zudem ist es wichtig, gerade weil kollaborative
Wissensarbeit in vielen Unternehmen nicht
etabliert ist, die Trainings- und Coaching-Maßnahmen den spezifischen Anforderungen und
Bedingungen im Unternehmen anzupassen.
Ein Beispiel, das die Vielfalt der Implementierungsaufgaben deutlich macht, ist die Unterstützung der Wissensprozesse in verteilten
virtuellen Teams durch Social Software. Zum
einen muss Wissen dokumentiert und veränderlichen Teamzusammensetzungen und -konstellationen von Mitarbeitern verfügbar gemacht werden, zum anderen sollen einheitliche
Plattformen für veränderliche Wissensprozesse
geschaffen werden. Social Software wie Wikis
oder Weblogs kann hier als Plattform wirken,
die einerseits veränderliche Prozesse dokumentiert und verstetigt, andererseits aber auch
dynamische Beschleunigungswirkungen bewirkt, indem dynamische Strukturen schneller
Kompetenzen aufbauen und nutzen können.
Social Software kann hier dabei helfen, Commitment in der verteilten Gruppe aufzubauen
sowie ein gemeinsames Verständnis der Begriffe zu sichern, wovon wiederum die gemeinsame Wissensarbeit profitiert. Gerade verteilte
Organisationen werden also von der erhöhten
Wissenstransparenz profitieren, weil sie darauf
angewiesen sind, dass sich die Prozesse und
Aktivitäten sowie die Menschen und Themen
04
miteinander vernetzen, obwohl sie nur wenig
Raum für gemeinsame, das heißt zeit- und
raumgleiche Zusammenarbeit bieten.
zusammenfassung und ausblick
Das neuerliche Comeback von Wissensmanagement ist eng mit der Entwicklung von Web 2.0
und Social Software verknüpft: Weiterhin bleibt
Wissensmanagement eine anspruchsvolle Aufgabe, andererseits stehen nun Instrumente und
Mittel zur Verfügung, die in früheren Anläufen
noch nicht bereitstanden. Social Software im
Wissensmanagement wird so schnell zum „State of the Art“ im Wissensmanagement werden,
auch wenn zumeist bestehende Systeme nicht
ersetzt, sondern punktuell ergänzt werden.
Weil Social Software flexibel an die individuellen und organisatorischen Anforderungen anpassbar ist, sind zudem vielfältige Einsatzarenen denkbar, die über Wissensmanagement im
engeren Sinn hinausgehen. Beispielsweise wird
Social Software eingesetzt werden, um neue
Kunden zu identifizieren, bestehenden Kunden verbesserten Service anbieten zu können
oder um in Open Innovation-Initiativen gemeinsam mit externen Partnern Innovationen
zu entwickeln.
In konkreten Einführungsprojekten werden
zumeist nicht Technologien die Herausforderung sein, sondern das Management der durch
sie verursachten kulturellen und sozialen Veränderungen. Die Anpassung von Organisationen und Arbeitsprozessen an die veränderten
Bedingungen und Möglichkeiten ist die eigentliche Herausforderung für die Zukunft.
martin koser
Martin Koser ist unabhängiger Berater für Social Software. Beratungs- und Tätigkeitsschwerpunkte von frogpond sind der Einsatz
von innovativen Webtechnologien im Wissens- und Innovationsmanagement sowie die Konzipierung, Begleitung und Unterstützung
von Change Management- und Implementierungsprojekten.
[email protected] • www.frogpond.de
Literatur
Ebersbach, A. et al., 2007: Wiki. Kooperation im Web. 2. Aufl. Heidelberg, Berlin. • Koch, M. und Richter, A., 2007: Enterprise 2.0 – Planung, Einführung und
erfolgreicher Einsatz von Social Software in Unternehmen. München. • Leuf, B. und Cunningham, W., 2001: The Wiki Way: Quick collaboration on the web.
Boston (MA). • McAfee, A.P., 2006: Enterprise 2.0: The Dawn of Emergent Collaboration. S. 21-28 in: MIT Sloan Management Review, 47. Jg., 2006, 3. • BITKOM (Hrsg.), 2007: Wichtige Trends im Wissensmanagement 2007 bis 2011. Positionspapier des BITKOM. URL = http://www.bitkom.de/files/documents/
Trendreport_WM_zur_KnowTech2007.pdf (15.11.2007) • Cunningham, W., 2005: Wiki Design Principles. URL = http://c2.com/cgi/wiki?WikiDesignPrinciples
(11.10.2005) • Johnson, B.C., Manyika, J.M. und Yee, L.A., 2005: The next revolution in interactions. In: McKinsey Quarterly, 41. Jg., 2005, 4. URL = http://www.
mckinseyquarterly.com/article_page.aspx?ar=1690&L2=18&L3=30 (08.05.2007) • Shirky, C., 2003: A Group Is Its Own Worst Enemy. URL = http://www.shirky.
com/writings/group_enemy.html (19.04.2005)
wissensmanagement << Seite 19
Tim Romberg und Hans-Jörg Happel
FZI Forschungszentrum Informatik an der Universität Karlsruhe (TH)
Forschungsbereich IPE
wikis
Die Wissensmanagement-Lösung für Unternehmen?
Wissen ist die Schlüsselressource für die Wettbewerbsfähigkeit moderner Unternehmen. Der Erfolg
sogenannter Social Software, wie zum Beispiel Wikis,
im öffentlichen Internet weckt derzeit das Interesse, diese unternehmensintern einzusetzen und damit
Defizite klassischer Wissensmanagement-Lösungen
zu überwinden. Wir erläutern Prinzipien, Einsatzbereiche und Chancen von Wikis, aber auch mögliche
Probleme. Anschließend zeigen wir zukünftige Entwicklungen auf und beschreiben die Umrisse eines
Gesamtkonzepts für Wissensmanagement in agilen
Unternehmen.
wissensmanagement << Seite 21
01
wissen im unternehmen
In den letzten 30 Jahren vervielfachten Unternehmen die Produktivität ihrer Kernprozesse
erfolgreich durch Reengineering, Automatisierung und das Outsourcing von Tätigkeiten
außerhalb der eigenen Stärken. Darin liegt aber
auch eine große Gefahr: Zusätzliche Produktivitätsgewinne sind auf diesem Weg kaum mehr
möglich, und die Wettbewerber, zum Teil auch
neue Player aus Niedriglohnländern, haben bei
den bisherigen Verbesserungen gleichgezogen.
Unternehmen differenzieren sich immer mehr
durch die Erfüllung von Spezialanforderungen
und kundennahe Dienstleistungen. Wertschöpfende Tätigkeiten verlagern sich dabei zunehmend in Bereiche mit einem hohen Anteil
unstrukturierter, wissensintensiver Prozesse
(Johnson 2005).
Charakteristisch für diese sogenannte Wissensarbeit (Drucker 1973) ist ein hohes Maß
an Komplexität, ein großer Einfluss von Erfahrungswissen sowie ein hoher Anteil von
Kreativität und Entscheidungen. Die organisatorische Aufgabe, die ausführenden Wissensarbeiter mit den erforderlichen Informationen
zu versorgen, wird als Wissensmanagement bezeichnet. Klassische Zielgrößen sind die Steigerung der Produktivität von Wissensarbeitern,
der Wissenstransfer auf neue Mitarbeiter und
die Reduktion der Abhängigkeit von einzelnen
Wissensträgern.
Unternehmen mit einem hohen Anteil an Beratungs-, Dienstleistungs- und Ingenieurtätigkeiten verfügen traditionell über ein breites
Methodenspektrum im Wissensmanagement.
Dabei spielt auch Informationstechnologie
eine wichtige Rolle. Begünstigt wurde diese
Entwicklung durch die steigende Anzahl von
Arbeitsplatzrechnern und deren Vernetzung
(Grudin 1994). Wissensmanagement-Systeme
(Maier 2003) umfassen die seit Anfang der
1990er eingeführten Kommunikationswerkzeuge, Dokumentenablage und -management,
Seite 22 >> wissensmanagement
Groupware bis hin zu spezialisierten Expertensystemen.
Neben bemerkenswerten Erfolgen dieser Systeme hat der praktische Einsatz auch einige
Probleme aufgezeigt:
• Mangelnde Akzeptanz durch geringe Motivation (Cabrera und Cabrera 2002; Wasko
und Faraj 2005) oder die Angst, sensible Informationen preiszugeben (Ardichvili 2003;
Orlikowski 1992);
• eine Zersplitterung und Wucherung in zu
viele einzelne Datenbanken, oft mit veralteten und unvollständigen Daten sowie
• zu starre Strukturen (insbesondere bei Workflows und Taxonomien), welche dazu führen,
dass um die IT-Lösung herumgearbeitet wird,
da sie nicht mit den Anforderungen flexibler
Ad-hoc-Zusammenarbeit harmonieren.
Zudem sind viele Wissensmanagement-Systeme auf die Bedürfnisse großer Unternehmen
zugeschnitten. Für kleine und mittlere Unternehmen sind sie zu kostspielig und schwierig
zu pflegen.
Aus den genannten Gründen ist mit der Zeit
ein Bedarf an offenen, leichtgewichtigen Systemen zur Unterstützung des Wissensmanagements entstanden. Seit einigen Jahren wurde
eine neue Reihe von Anwendungen im Internet
angeboten, die diese Lücke schließen. Diese
Social Software (Hippner 2005) basiert auf den
Prinzipien Freiwilligkeit und Selbstorganisation.
Beiträge werden durch niedrige Zutrittshürden
erleichtert und liefern einen sofortigen Nutzen
für den Anwender. Aus kleinen Beiträgen vieler Anwender entstehen wiederum imposante
Ergebnisse. Beispiele für die Ergebnisse solcher Gemeinschaftswerke sind die BookmarkSammlung del.icio.us, die Foto-Community
Flickr und die Wiki-basierte Enzyklopädie Wikipedia. Viele dieser Anwendungen wurden erfolgreich in einen Unternehmenskontext übertragen (McAfee 2006). Studien zeigen daher ein
wachsendes Interesse am betrieblichen Einsatz
von Social Software, der sich nicht zuletzt auch
in der regen Beteiligung am Arbeitskreis Wissensmanagement des MFG Innovationspro-
02
gramms Web 2.0 gezeigt hat. Wikis erscheinen
uns für das Wissensmanagement als der zentrale Baustein.
wikis
Was bei Wikipedia heute zu einer schon recht
komplexen Anwendung mit vielen Bausteinen,
Regeln und Rollen herangewachsen ist, begann 1995 als ein recht primitives Programm
des Softwareingenieurs Ward Cunningham.
Sein WikiWikiWeb diente in der Folge einer
Software-Community zur Erfassung von Projektmanagement-Mustern. Da zwischen diesen
Mustern oft Beziehungen bestehen, bot sich
Hypertext (elektronischer Text mit Querverweisen) an.
Die Standards des World Wide Web und übliche Browser unterstützen jedoch bis heute das
Publizieren und gemeinsame Bearbeiten von
Hypertext nur schlecht. Cunningham gelang
mit dem WikiWikiWeb ein Weg, wie jeder Benutzer Webseiten (Wikiseiten) recht leicht aus
Standardbrowsern heraus bearbeiten kann, so
wie es für Hypertext eigentlich immer vorgesehen war. Konzeptionell neu am Wiki war, wie
Links auf nicht existierende Seiten interpretiert
werden: Statt einer Fehlermeldung erhält der
Benutzer ein leeres Feld und die Aufforderung,
etwas zum betreffenden Thema zu schreiben.
Wiki-Systeme verwirklichen darüber hinaus die
folgenden technischen und sozialen Prinzipien:
Themen-Fokus. Anders als klassische Internetoder Intranetseiten stellen Wikis das Konzept
einer Seite bzw. eines Artikels in den Vordergrund. Jede Seite eines Wikis ist über einen
sprechenden Namen adressierbar, der in der
Regel wie ein Titel den Inhalt der Seite vorgibt.
Somit sammeln sich Informationen zu einem
Thema kontinuierlich an – Wikis erfüllen eine
klassische Glossarfunktion.
Offenheit. Der partizipative Charakter von Wikis
basiert insbesondere auf freigiebigen Zugriffsund Änderungsrechten (Leuf und Cunningham
2001). Die fehlende Zugriffskontrolle wird dabei durch Vertrauen in die Nutzer und soziale
Kontrolle ersetzt (Viégas 2004). Das Fehlen
eines expliziten Autors senkt die Beitragshürde und führt dazu, dass sich mehrere Nutzer
für einen Artikel verantwortlich fühlen. Dieses Aufbrechen der Trennung zwischen Autoren und Lesern ist nicht nur für das Internet,
sondern auch für Intranet-Anwendungen neu
(Buffa 2006).
Transparenz. Der Entstehungs- und Änderungsprozess der Inhalte ist für jeden sichtbar. Wichtige Funktionen hierfür sind die Änderungshistorie jeder Seite, Benachrichtigungen bei
Änderungen sowie die Liste zuletzt geänderter
Seiten im Wiki. Die „Wikipedia trust coloring
demo“ (Adler und De Alfaro 2007) sowie der
WikiScanner zeigen eindrucksvoll, wie solche
Informationen bei der Einschätzung von Artikeln hilfreich sein können.
Flexibilität. Herkömmliche Wissensmanagement-Lösungen geben oft ein bestimmtes
Strukturierungsparadigma, wie zum Beispiel
hierarchische Taxonomien oder Ordnersysteme, Chronologie oder Tabellen/Formulare
mit festen Feldern, vor. Notwendigerweise ist
dabei jemand zentral für die Verwaltung dieser
Struktur zuständig; einzelne Benutzer können
sie nicht anpassen. Dies ist sicher ein Grund für
den Vorwurf der „Starrheit“ und die Phänomene der Zersplitterung und des „um das System
Herumarbeitens“. Das Hypertext-Paradigma
wissensmanagement << Seite 23
von Wikis macht es dem Benutzer leichter, die
für seine Inhalte passende Struktur zu wählen.
Ihre Flexibilität – auch bei der Verlinkung externer Quellen – führt dazu, dass sie häufig als
Glue-Code in einer Anwendungslandschaft
eingesetzt werden, das heißt alle Informationen und Verknüpfungen aufnehmen, für die in
anderen Systemen kein Raum ist.
Metainformation und Kommunikation werden
bei Wikis oft unter die eigentliche Information gemischt. So findet man zum Beispiel oft
Nachfragen nach fehlender Information, Anleitungen zum Aktualisieren („Neue Projekte
bitte hier verlinken“) oder Markierungen für
ausstehende redaktionelle Aufgaben („Diese
Seite sollte mit Seite X zusammengefasst werden“). Wikis enthalten also zugleich Ergebnisse
als auch Prozesse der Wissensarbeit.
Reifung. Während ein gewöhnliches Dokument
das Wissen darstellt, welches der Autor oder
die Autoren im Zeitraum vor seiner Veröffentlichung gesammelt haben, geht beim Veröffentlichen einer Wikiseite deren Leben erst
richtig los, und sie kann in Folge Beiträge von
all denen einsammeln, die sich für das Thema
interessieren. Da es in Wikis idealerweise nur
eine Seite pro Thema gibt (vgl. Fokus), gilt das
Konsensprinzip – das heißt Autoren ergänzen
Tab.1: Vergleich von Wikis mit anderen Social Software-Tools
Seite 24 >> wissensmanagement
und verfeinern die Beiträge ihrer Vorgänger.
Somit unterstützen Wikis optimal das Konzept
der Wissensreifung (Maier und Schmidt 2007).
Oft führen erst die vielen inkrementellen Beiträge zu qualitativ hochwertigen Ergebnissen.
Im Idealfall können die Nutzer so im Wiki ihre
gemeinsame Realität abbilden. Während dies
bei der Wikipedia der geteilte enzyklopädische
Wissensschatz ist, handelt es sich bei organisationsinternen Wikis um alle möglichen Entitäten
wie Mitarbeiter, Produkte, Projekte, Standorte, Kunden, Technologien oder Wettbewerber
(Lehner 2000).
Wann Wikis einsetzen?
Wikis werden oft in einem Atemzug mit Blogs,
Social Bookmarking unter dem Schlagwort Social Software genannt. Wikis unterscheiden sich
dabei von Social Bookmarking (zum Beispiel
dem eingangs erwähnten del.icio.us) zum einen
dadurch, dass ihre Inhalte eher Dokumenten
als Datensätzen ähneln; zum anderen, dass es
gemeinsam verantwortete Inhalte sind, während beim Social Bookmarking Inhalte immer
persönlich erfasst und dann automatisch (zum
Beispiel als Statistik) aggregiert werden. Die
folgende Tabelle zeigt die Einordnung anhand
der beiden Dimensionen:
Wikis erscheinen aus diesen Gründen besonders gut geeignet bei:
• Sachbezogenen/technischen Inhalten
• Inhalten mit relativ langer Halbwertszeit
• Schwacher inhärenter Inhaltsstruktur
• Geringen Macht- und Kompetenzunterschieden der Benutzer
• Gemeinsamen Zielen der Benutzer
• Fokus auf Kreativität und Innovation
Sie sind oft weniger gut geeignet bei:
• Starker und gut modellierbarer Struktur der
Inhalte
• Datenbanken
• Zeitbezogenen Inhalten
• Foren, Mailinglisten
• Persönlich geprägten Inhalten
• Blogs
• Klarer Rollenverteilung zwischen Autoren
und Lesern
• Content-Management-Systemen
• Fokus auf Effizienz von Routine-Prozessen
• Workflows
Heutige Verbreitung in Unternehmen
Während Wikis zunächst überwiegend von
Technologie-affinen Unternehmen genutzt
wurden, halten sie heute mehr und mehr Einzug in die Unternehmenswelt. Ein Hinweis darauf sind Enterprise-Wiki-Angebote von Firmen wie Atlassian, Socialtext, Central Desktop
und neuerdings auch IBM und Intel. Aktuelle
Umfragen (Economist 2007; McKinsey 2007)
haben ergeben, dass ca. 33 Prozent der befragten Unternehmen Wikis bereits nutzen oder
dies in Zukunft planen.
In größeren Unternehmen finden sich heute
noch häufig viele dezentrale Wiki-Installationen, die auf Betreiben einzelner Mitarbeiter
eingeführt wurden (Buffa 2006). Vereinzelt
werden Wikis aber auch schon strategisch und
unternehmensweit eingesetzt. Bemerkenswert
ist dabei, dass auch bei großen Installationen
das Prinzip des offenen Zugriffs und der so-
zialen Kontrolle anscheinend funktioniert.
Während es bei der Wikipedia häufiger zu Edit
Wars kommt, bei denen verschiedene Gruppen
ihre Beiträge gegenseitig löschen, wird aus der
Unternehmenswelt bisher nichts derartiges berichtet.
Erfahrungen
Überzeugte Power User sind gerade in der ersten Aufbauphase eines Wikis unabdingbar, um
auf verschiedenen Kanälen auf das Wiki hinzuweisen, eine kritische Masse an nützlichem
Inhalt zu erfassen und produktive Strukturen
für die Kollaboration zu schaffen. Ideal ist es,
wenn beim Start bereits Inhalte aus Vorgängersystemen übernommen werden können. So
hat zum Beispiel auch die Wikipedia zeitweise
massiv Inhalte aus alten Brockhaus-Ausgaben
oder dem CIA Factbook übernommen, für die
freie Verwendungsrechte bestanden, um ihre
Themenabdeckung und damit Autorenbasis zu
verbreitern.
Typische Probleme, die beim Einsatz von Wikis genannt werden, sind:
Benutzbarkeit und Produktivität. Obwohl Wikis
das Bearbeiten von Seiten gegenüber HTML
stark erleichtern, sind sie noch weit von dem
Komfort einer zeitgemäßen Textverarbeitung
entfernt. Autoren müssen Kürzel beherrschen
und sich Seitennamen exakt merken. Die Integration mit dem Desktop (zum Beispiel das
Einfügen von formatiertem Text) ist mangelhaft. Auch wenn Benutzer diese Barrieren
überwinden, besteht immer noch die Gefahr,
dass viel Arbeitszeit dabei vergeudet wird.
„Wuchern“ und andere Qualitätsprobleme. Viele Seiten werden nach kurzer Zeit nicht mehr
weiter gepflegt und veralten. Inhalte mehrerer
Seiten überschneiden oder widersprechen sich
sogar. Mögliche Gründe: Das Neuordnen von
Inhalten ist relativ umständlich. Man hat Angst,
den ursprünglichen Autoren auf die Füße zu
treten. Es fehlt an Transparenz, was schon alles
existiert.
wissensmanagement << Seite 25
Insellösung. Die Integration mit existierenden
Unternehmensanwendungen wird selten unterstützt – selbst das Verlinken interner WebRessourcen ist umständlich und fehlerträchtig.
Oft werden schon vorhandene Informationen
daher nochmals manuell im Wiki erfasst oder
hineinkopiert.
Sozial unterentwickelt. Die Orientierung an Themen und die kollektive Verantwortung heißt
gleichzeitig, dass soziale Seiten der Kommunikation (Appell, Selbstdarstellung, Beziehung, vgl. Schulz von Thun 1981) leicht
zu kurz kommen. Anders als bei E-Mail oder
Workflows gilt es bei Wikis als sozial akzeptabel, neue Inhalte zunächst nicht zu lesen oder
Anfragen zu ignorieren.
03
Unternehmensübergreifender Einsatz erfordert
verschiedene Zugriffsrechte für verschiedene
Gruppen und die Sicherheit für jeden, eigene
Beiträge auch in Zukunft im Zugriff zu haben.
Heutige Wikis unterstützen dies nur schlecht.
Offline-Zugriff. Gerade wenn Wikis im Unternehmen großen Erfolg haben, stehen dort auch
essentielle Informationen, die man unterwegs
braucht. Und viele wichtige potenzielle Benutzer (zum Beispiel im Vertrieb) sind häufig
unterwegs und könnten auch dann beitragen.
Im nächsten Abschnitt zeigen wir aktuelle Ansätze, um diese Probleme zu überwinden.
über die Systeme verteilten Unternehmensinformationen nutzen. In diese Richtung geht
beispielsweise SystemOne. Während man einen Text schreibt, bietet SystemOne automatisch Informationen aus verschiedenen Quellen
an, die mit den Schlagwörtern im Text zu tun
haben.
Semantische Wikis und Wikis mit
Datenbank-Funktionen
In vielen Szenarien hat ein Teil des Wissens
eine regelmäßige Struktur, der andere nicht.
Die Strukturen erlauben Funktionen wie Umsortieren, Zusammenfassen (zum Beispiel als
Statistik), Kombinieren, die normale Wikis
nicht anbieten. Um für den strukturierten Teil
nicht wieder ein anderes Werkzeug zu benutzen, beinhalten heute schon einige Wikis besondere Funktionen zum Erfassen strukturierter Informationen in Formularen (zum Beispiel
TWiki). Allerdings ist man hier an ein zentral
definiertes Schema oder Formular gebunden,
trends für das enterprise wiki der zukunft
Benutzbarkeit und Produktivität
Bisherige (webbasierte) Wikis konnten deshalb
nicht so komfortabel gestaltet werden, weil es
recht aufwändig war, mit dynamischem HTML
mehr Komfort zu realisieren. Inzwischen stehen erstens mächtige Fertigkomponenten
für dynamisches HTML (AJAX-Technik) zur
Verfügung; zweitens werden Plattformen für
Rich Internet Applications (Microsoft .NET
Smart Clients, Adobe Flex & AIR, Java Web
Start) reif für den Einsatz in der Breite. Diese bieten den vollen Komfort einer DesktopAnwendung, erfordern aber keine Installation.
Besonders für Nutzer, die viel schreiben, lohnt
sich sogar die Installation eines Clients, der
dann auch Offline-Arbeitsmöglichkeiten bietet.
Einen Prototyp hierfür liefert zum Beispiel das
Projekt Mindquarry. Im folgenden Screenshot
ist beispielsweise erkennbar, wie auf Basis des
ausgewählten Textes Links zu anderen Seiten,
aber auch zum Beispiel zu Dateien, vorgeschlagen werden:
Seite 26 >> wissensmanagement
0$
Abb.1: Dialog „Link einfügen“ in Mindquarry
(Bildquelle: www.mindquarry.org)
Integration von Unternehmensdaten
Um die „Insel Wiki“ mit der existierenden
Unternehmens-IT zu verbinden, gibt es zwei
zueinander komplementäre Ansätze:
Wikis als Baustein zum Beispiel im Unternehmensportal integrieren. Diesen Weg gehen u.a.
Microsoft Sharepoint 2007 oder Intrexx.
Aus dem Wiki heraus Zugriff auf Unternehmensdaten erlauben... und so das Wiki selbst
als Portal, den Wikitext als Glue-Code für die
was zu einer Problemquelle klassischer Groupware zurückführt.
Mächtiger und flexibler sind semantische Wikis wie beispielsweise Semantic Mediawiki, die
das Formulieren formaler semantischer Aussagen erlauben, die anschließend abgefragt werden können. Hier ist kein zentrales Schema
erforderlich. Allerdings verschärfen sich hier
die Benutzbarkeitsprobleme der Wikisyntax
bei webbasierten Clients. Zukunftsträchtig erscheint daher die Kombination mit Rich Clients in sogenannten Knowledge Desktops, wie
sie im Forschungsprojekt Nepomuk entwickelt
werden.
Schließlich erlauben semantische Technologien, Unternehmensdaten nicht bloß zu verlinken, sondern logisch zu verknüpfen. Dies wird
beispielhaft für Software-Engineering-Szenarien im Forschungsprojekt Waves mit Hilfe eines
Wiki Rich Clients realisiert.
wikis und web 2.0
im agilen unternehmen von morgen
Wir haben in diesem Artikel die Grundprinzipien, Einsatzbereiche von und Erfahrungen mit
Wikis für das Wissensmanagement im Unternehmen gezeigt. Auch die Wikis von morgen
werden aber nach unserer Einschätzung nur
eine von mehreren Bausteinen sein, um Unternehmen agiler zu machen. Agiler heißt:
• Nicht nur Effizienz, Stabilität und Fehlerfreiheit in gut kontrollierbaren Prozessen zu
beherrschen, sondern ebenso Innovation,
Dynamik und Kreativität;
• Feedbackzyklen zu verkürzen;
• auch die Kreativität von Kunden, Partnern
und der Öffentlichkeit einzubinden;
• Wissensarbeiter als die Schlüsselressource
des Unternehmens gemeinsam produktiver
zu machen
Zukünftige IT kann dies in vielerlei Hinsicht
unterstützen (vgl. darüber hinaus BITKOM
2007):
Integriertes Kompetenzmanagement. In vielen Großunternehmen existiert bereits ein von der Personalabteilung betriebenes zentrales, explizites
Kompetenzmanagement. Dabei werden Kompetenzen modelliert, explizit von Mitarbeitern
erfasst, und dienen dann unter anderem zur
Zusammenstellung von Teams und zum Abgleich zwischen Bestand und Bedarf. Networking-Portale wie Xing zeigen das Potenzial
wissensmanagement << Seite 27
dezentraler, unternehmensübergreifender Lösungen. Auch Blogs können funktionierende
Netzwerke zwischen den Experten in einem
bestimmten Gebiet bilden. Sie weisen den Weg
zur impliziten, IT-gestützten Identifizierung
von Kompetenzträgern über die von ihnen verantworteten Inhalte (vgl. Braun: 2007).
Jenseits der unternehmensweiten Suche. Heute sind
Unternehmen schon glücklich, wenn sie für alle
Informationssysteme einen gemeinsamen Zugang, zum Beispiel als Portal, mit Single SignOn und gemeinsamer Suche, anbieten können.
Für viele Szenarien ist es jedoch notwendig,
Informationen aus verschiedenen Systemen zu
verknüpfen, was heute noch oft manuell, beispielsweise per Tabellenkalkulation geschieht.
Das Veröffentlichen von offenen Dienstschnittstellen (SOA) ermöglicht in Zukunft Mashups
mit wenigen Zeilen Code zu bauen.
Zweitens gibt es bei der Suche noch viele ungenutzte Möglichkeiten zur Kollaboration: So
lassen sich aus einer Analyse der Suchanfragen
in einem Unternehmen möglicherweise Wissensbedarfe aufspüren; Communities von Wissenssuchenden können gebildet werden; beim
Ranking von Ergebnissen kann vergangenes
Verhalten von Teamkollegen berücksichtigt
werden, und viele andere mehr.
hans-jörg happel
Hans-Jörg Happel, Diplom-Wirtschaftsinformatiker, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am FZI Forschungszentrum Informatik
an der Universität Karlsruhe (TH) in der Gruppe von Prof. Rudi
Studer. Er forscht dort im EU-geförderten Projekt TEAM sowie
im BMBF-Projekt Waves an Technologien zum Wissensaustausch
in verteilt arbeitenden Teams. Weitere Forschungsinteressen sind
die Anwendung von Ontologien im Software-Engineering sowie die
Verknüpfung von Suche und Wissensakquisition mit semantischen
Wikis.
[email protected] • www.fzi.de/ipe
tim romberg
Kompetenzanforderungen
Prozessgestaltung
Prozessoptimierung
GeschäftsprozessManagement
Erfolg
smess
Bildu
ngsco ung &
ntroll
ing
Anwendung von
Wissen in ausgeführten
Geschäftsprozessen
Kompetenzorientierte
Personalentwicklung
Lernprozesse
Wissen
teilen
Wissenserzeugung
im Kontext
von Geschäftsprozessen
Tim Romberg, Diplom-Wirtschaftsingenieur, ist wissenschaftlicher
Mitarbeiter am FZI in der Gruppe von Prof. Wolffried Stucky und
freier Berater. Seine Tätigkeiten umfassen die Themen Softwareökonomie, Kollaboration, Enterprise Social Software und Business
Intelligence. Mit Hans-Jörg Happel arbeitet er im Projekt Waves und
moderierte den Arbeitskreis Wissensmanagement im Innovationsprogramm Web 2.0 der MFG Baden-Württemberg.
Kompetenzmessung und
-diagnose
WissensManagement
Auswahl von
Entwicklungsmaßnahmen
Individuelle
Lernpfade
[email protected] • www.fzi.de/ipe
E-Learning
Erstellen von
Lernobjekten
Literatur
Speicherung
von Wissensartefakten
Abb.2: Eine integrierte Sichtweise auf Wissens-, Geschäftsprozess- und Kompetenzmanagement sowie E-Learning
(Bildquelle: Kunzmann und Schmidt 2007)
Wissensreifung – von persönlichen Notizen bis zum
Embedded Learning. Die Wissensreifungstheorie (Maier und Schmidt 2007) verkörpert die
Idee, dass Wissen in Unternehmen einen Reifungsprozess von informellen Ideen, Ganggesprächen und Notizen hin zu formalisiertem,
standardisiertem Lernmaterial durchläuft. In
heutigen Unternehmen wird dieser Reifungsprozess jedoch mehrfach durch organisatoriSeite 28 >> wissensmanagement
sche und technische Barrieren behindert. Wikis
können heute schon mittlere Phasen dieses Prozesses überbrücken, da sie sowohl für schnelle
Notizen als auch für große Kompendien geeignet sind. Zukünftige Lösungen werden den gesamten Reifungs- und Aktualisierungsprozess
unterstützen (Braun und Schmidt 2007).
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http://www.microsoft.com/sharepoint • Mindquarry: http://www.mindquarry.org • Nepomuk: http://nepomuk.semanticdesktop.org • Socialtext: http://www.
socialtext.com • SystemOne: http://www.systemone.at • Semantic MediaWiki: http://ontoworld.org/wiki/Semantic_MediaWiki • TWiki: http://www.twiki.org •
UCSC Wiki Lab, Wikipedia trust coloring demo. http://trust.cse.ucsc.edu • Waves: http://waves.fzi.de • WikiScanner: http://wikiscanner.virgil.gr/
wissensmanagement << Seite 29
2.geschäftsmodelle
André Hellmann: Geschäfte machen im Web 2.0
Heiko Wöhr: Neue Geschäftsmodelle mit Web 2.0?
geschäftsmodelle << Seite 31
André Hellmann
zelect GmbH, Karlsruhe
geschäfte machen im web 2.0
Eine aktuelle Betrachtung der Chancen und Risiken von Web 2.0-Geschäftsmodellen
Im Internet steckt sehr viel Energie. Genau wie in
den Menschen, die es „machen“. Wie kann man diese
Energie effizient nutzen, um Mehrwerte zu schaffen
und auch ökonomisch erfolgreich zu sein? Dazu werden zunächst die aktuellen sozio-demografischen und
psychografischen Variablen betrachtet und anschließend die wichtigsten Lektionen zusammengefasst.
geschäftsmodelle << Seite 33
01
großes geld im „world wide web“
Der Traumberuf des beginnenden 21. Jahrhunderts: Nicht mehr Rockstar oder Topmodel, sondern Internet-Unternehmer. Reich werden wir, die Gründer von MySpace, YouTube
oder studiVZ, das treibt heute nicht mehr nur
„nerdy“ IT-Absolventen an. Ob BWL-Student,
freiberufliche Esoterikerin oder arbeitsloser
Pädagoge: Jeder hat eine Idee für ein soziales Netzwerk, eine Rechercheseite oder einen
Community-Shop; schreibt einen Blog, spricht
einen Podcast oder ist aktiv auf einem YouTube-Kanal. Jeder wünscht sich die Millionen
Nutzer. Und jeder hofft darauf, so auf die Einkaufslisten großer Investoren zu kommen, die
dann Millionenbeträge überweisen und fürs
„Geschäftsführen“ dicke Gehälter bezahlen.
Nüchtern betrachtet handelt es sich hier um
das Hollywood-Syndrom: Von den Millionen
Angeboten im Internet (in L.A. sind es Schauspieler) werden es sehr wenige schaffen, die
Wünsche des Erfinders und Betreibers wahr
werden zu lassen. Die Chancen für realistischere Personen, daraus einen soliden Grunder-
02
werb oder Nebenverdienst zu erreichen, stehen
schon besser und es wird sicherlich für viele
Möglichkeiten geben. Doch die allermeisten
Start-ups der Web 2.0-Welle werden von der
Masse überhaupt nicht entdeckt, von wenigen
erinnert und verkümmern auf anonymen Webservern in riesigen Rechenzentren.
So bleibt das „große Geld im Internet“ wenigen vorbehalten. Die meisten davon werden
aus asiatischen oder nordamerikanischen Gefilden kommen, weil dort die Zielgruppen für
den Mehrwert der Web 2.0-Angebote größer
sind und schneller mehr potenzielle Mitglieder
erreicht werden können. Vergleichbare Nutzerzahlen in Europa sind schon aufgrund der
Aufwände für internationales Marketing und
der Sprachenvielfalt für ein Start-up schwer zu
realisieren.
Trotzdem gibt es Chancen für deutsche und
europäische Internet-Geschäftsmodelle. Wer
elegant Risiken umschifft und aus zahlreichen
Lektionen anderer Abenteurer lernt, hat guten
Grund, sein digitales Glück zu suchen.
standortbestimmung
Für Geschäfte bedarf es Kundschaft. Egal ob
die Erlöse von Werbekunden oder den Nutzern selbst kommen sollen – erst einmal muss
jemand durch die virtuelle Türe treten. Dabei
hilft es stark, wenn man sich erst einmal ein Bild
vom Markt macht: den Nutzern, deren Probleme, Erwartungen, Sorgen und Wünsche sowie
den Nutzungs-Voraussetzungen (Abb.1).
Zunächst also einmal der Gesamtmarkt. Laut
aktueller Ergebnisse der AGOF (www.agof.de)
sowie des (N)Onliner-Atlas der TNS Infratest
sind gut 60 Prozent oder knapp 40 Millionen
der Deutschen regelmäßig im Internet (Ergebnisse AGOF 2007-II und des 2007er Atlas).
Seite 34 >> geschäftsmodelle
Abb.1: Nationales Wachstum der Internet-Nutzer (Bildquelle: (N)Online-Atlas 2007 | TNS INFRATEST)
Abb.2: Anteil der Internet-Nutzer nach Alter (Bildquelle: (N)Online-Atlas 2007 | TNS INFRATEST)
Gut 40 Prozent waren erst gestern „surfen“,
was einer Intensiv-Nutzer-Gemeinde von 27
Millionen Menschen entspricht (Abb.2-4).
Dass die Dichte der Nutzer mit zunehmendem
Alter sinkt, erklärt sich von selbst; genauso die
Verteilung über weitere, demografische Variablen wie Bildung und Haushaltseinkommen
(siehe Diagramme). Wir können also davon
ausgehen, dass unsere Nutzer eher jung sind
und wenige materielle Sorgen haben. Weiterhin
sind sie eher gebildet oder auf dem besten Weg
dorthin (Abb.5).
Abb.3: Bildung und Ausbildung der Internet-Nutzer (Bildquelle: (N)Online-Atlas 2007 | TNS INFRATEST)
geschäftsmodelle << Seite 35
Nutzer sofort auf seinen Zug aufspringen. Mitunter kann es eine Weile dauern, bis sich eine
kritische Masse gefunden hat. So kann es zum
Beispiel keiner erklären, warum Friendster nie
abhob und MySpace schnell sehr hoch flog –
wahrscheinlich war es einfach vor seiner Zeit.
Abb.4: Monats-Haushalts-Einkommen der Internet-Nutzer (Bildquelle: (N)Online-Atlas 2007 | TNS INFRATEST)
Abb.6: Genutzte Online-Anwendungen in Prozent (Bildquelle: ARD/ZDF Online-Studie 2007)
03
die lektionen im einzelnen
Auf dem Teppich bleiben
Abb.5: Thematische Nutzungsschwerpunkte in Prozent (Bildquelle: internet facts 2007/II | AGOF)
Der nächste Sprung geht nun also in Richtung
Nutzerverhalten: Welche „Dinge“ fragen sie im
Internet konkret nach? Und wie verbreitet und
benutzt sind Web 2.0-Inhalte und -Funktionen
(Abb.6)?
Wie die Abbildung darstellt, wird die meiste
Zeit im Internet mit alt bekannten Themen verbracht: Mailen, Surfen, Banking. Das machen
selbst die „Silver Surfer“ und „Best Ager“ mit.
Dünner wird die Luft bereits bei der Nutzung
Seite 36 >> geschäftsmodelle
von audiovisuellen Medien sowie beim Shopping. Und die Aktivitäten der frühen Mehrheit
könnte man Angeboten zuordnen, die nahe an
die Definition vom Web 2.0 kommen.
Diese Realität muss man neutral vor Augen haben. Die Nutzungszahlen und die Intensität für
die neuen Angebote steigen und werden dies
weiterhin tun, während die Liste von oben verlängert wird. Aber wer heute startet, kann nicht
damit rechnen, dass alle aktuellen Internet-
Der erste Klimmzug ist der härteste. Man muss
oben an der Stange ankommen, um darüber
blicken zu können und von anderen wahrgenommen zu werden. Und dazu braucht man
entweder viel Muskeln in Form von Kapital
oder man muss zäh sein: Viel Arbeit, wenig
Schlaf und trotzdem die Kraft, Höhen und
Tiefen erleben zu können.
Um einen zeitlichen Horizont in die Sache zu
bringen, muss das Geschäftsmodell glasklar
sein: Kapitalherkunft, dessen Verwendung und
die zu erwartende Rendite muss mengen- und
zeitmäßig geklärt sein. Wann kommt aus welcher Quelle Umsatz? Und wofür wird bezahlt?
Wann bekomme ich das erste Mal Geld für
Miete und Brot?
Alle mit einem Unternehmer-Herz in der Brust
sind in dieser Hinsicht weniger schmerzempfindlich: Fakt ist jedoch, dass wir alle wohnen
und essen müssen. An die persönliche Finanzierung zu denken ist ein ganz wesentlicher Bestandteil gerade zu Beginn der Tätigkeit. Denn
nichts ist schlimmer, als sich in der Mitte der
Anstrengungen nicht mehr auf das Projekt
konzentrieren zu können.
geschäftsmodelle << Seite 37
Der Nutzer braucht einen Mehrwert
Für alle, die es noch nicht mitbekommen haben: Es gibt bereits soziale Netzwerke für alle
erdenklichen Zielgruppen. Dasselbe gilt für
Blogs, Link-Sammlungen, Shops und andere
Services. Man muss ganz scharf nachdenken,
um noch eine wahre Innovation zu finden und
nicht nur ein amerikanisches oder asiatisches
Projekt zu „übersetzen“. Und sind wir einmal
ehrlich: Potenzielle Nutzer von Web 2.0-Anwendungen sprechen Englisch in ausreichendem Maß.
Gehen wir davon aus, dass es sich nicht um eine
Innovation handelt, sondern um ein Nischenangebot mit bekanntem Funktionsumfang anderer Modelle: Wer genau ist die Zielgruppe
dafür? Warum würde sich jemand ein weiteres
Profil dort anlegen, dass er pflegen und regelmäßig besuchen sollte?
Die klare Definition der Zielgruppe und Differenzierung für diese sind das A und O des
Projekts. Für wen ist es und warum ist es gut
für sie/ihn? Marginale Mehrwerte sind nicht
Grund genug, um einen Nutzer oder Kunden
zu gewinnen. Und der Mehrwert an sich hat
nicht zu viele Ausprägungen. Eigentlich beschränkt er sich auf zwei:
a)Ich kann es billiger.
Sind meine Produkte oder Werbeplätze billiger als bei anderen, vergleichbaren Anbietern? Reichen mir die Einnahmen aus Anzeigen von Werbenetzwerken? Genügt eine
geringere Nutzer-Gebühr?
b)Ich kann es besser.
Ist mein Netzwerk für Zielgruppe XY besser
als das andere? Warum ist es besser? Und für
wen ist es besser? Und gibt es davon genug,
um an Bedeutung zu gewinnen?
Jeder, der den Geldbeutel aufmachen soll, wird
eine Kosten-Nutzen-Rechnung erstellen. Muss
ich das ausgeben? Oder bekomme ich es anderswo günstiger. Dies gilt für kostenpflichtige Unterhaltung und Services noch um vieles
Seite 38 >> geschäftsmodelle
mehr als für den Kauf von Waren und Informationen.
Exkurs in die Online-Werbung
Die November-Ausgabe der Horizont bezeichnet sie als das „Digital Manna“ (HORIZONTAusgabe vom 15.11.2007): die stets steigenden
Werbeetats für das Internet. In den USA sollen
diese sich bis 2011 sogar verdoppeln und auf
42 Milliarden US-Dollar anschwellen. Da liebäugelt man schnell damit, sich etwas von dem
vermeintlich großen Kuchen abzuschneiden.
In diesem Jahr wurden bis September insgesamt 756 Millionen Euro in Online-Werbung
investiert (Quelle: Pressemitteilung Nielsen
Media Research vom 18. Oktober 2007).
Nicht ohne Grund hat auch Lars Hinrichs
(Xing-Gründer und CEO) entschieden, Werbung zu schalten, nachdem sie über Jahre tabu
war. Alleine von den Nutzern kommt das monetäre Wachstum heute nicht mehr. Wenn ca.
zwölf Prozent der heutigen Nutzer zahlen, jedoch der Zustrom der neuen Nutzer abebbt, da
der Markt für Netzwerke gesättigt ist, müssen
die versprochenen Umsätze aus anderen Quellen kommen, um nicht hinter den Erwartungen
der Investoren zurückzubleiben.
Gerade die großen Communities müssen sich
hier nun der Marktrealität stellen und Farbe bekennen. Solange die Schar der Nutzer wächst,
kann über den Unternehmenswert alles finanziert werden. Das beste Beispiel dafür ist das
soziale Netzwerk „Facebook“, das für den Rekordwert von 240 Millionen Dollar gerade einmal 1,6 Prozent der Anteile an den SoftwareGiganten Microsoft verkauft hat. Das beziffert
den Unternehmenswert der Community auf
sage und schreibe 15 Milliarden US-Dollar.
Doch Unternehmenswert alleine macht die
Kassen nicht voll. Schwächelt die Zahl der
Neuanmeldungen oder der Nutzeraktivitäten,
müssen Umsätze her, um Geld in die Kassen
zu bringen. So schließt sich der Kreis, und wir
sprechen wieder über Werbefinanzierung.
Generell muss zur Werbefinanzierung Folgendes gesagt werden: Bevor man in seinen Businessplan schreibt, dass man darüber seine neue
Präsenz einmal refinanzieren möchte, sollte
man sich darüber informieren, wie Werbung
funktioniert. Sie ist nämlich alles andere als
„leicht verdientes Geld“. Gerade bei sozialen
Netzwerken spaltet sie sich alsbald auf: Netzwerke mit wenigen Nutzern und Traffic sind
uninteressant und irrelevant (ab einer Million
Nutzern kann man eine Agentur einmal ansprechen) – Netzwerke ab einer Million Nutzer
müssen sich schon gut überlegen, wie ihr Werbemodell aussieht. Denn mit einem TausenderKontakt-Preis brennt man mit Lichtgeschwindigkeit durch ein sehr großes Budget gänzlich
ohne messbaren Werbeerfolg.
Werbung und Reichweite sind sehr eng miteinander verschlungen. Daher ist es auch verständlich, dass werbefinanzierte Unternehmen diese maximieren möchten; organisch
oder über Zukauf. Zwar werden die Etats für
Online-Formate auch in Deutschland steigen,
der heute stark fragmentierte Markt wird sich
sicher aber über kurz oder lang in ein Oligopol
wandeln. Der Werbekuchen wird nicht für alle
ausreichen und sich wirtschaftlich nur für wenige Angebote mit relevanter Größe rechnen.
Der Nutzer muss vom Mehrwert
erfahren
Macht ein fallender Baum im Wald ein Geräusch, wenn keiner da ist? Die Antwort weiß
niemand, aber jeder denkt sich: Ist doch egal.
Gleiches gilt für Internet-Angebote, die noch
so wunderschön sind, aber von denen keiner
weiß. Ein solides Marketing-Konzept braucht
es also schon; das gilt für Web-Start-ups genauso wie für Friseur-Geschäfte.
Die Herkunft der Nutzer sollte also geklärt werden und eine klare Marktbearbeitung erkennbar
sein. Alleine eine Mail an alle Freunde zu senden genügt vielleicht für den Start; für stufenloses Wachstum bis über die Relevanz-Grenze
für Investoren oder Werbekunden genügen
jedoch die wenigsten Adressbücher. Und auch
eCommerce-Start-ups müssen sich klar gegen
die zahlreichen Konkurrenten durchsetzen.
Nicht ohne Grund arbeiten viele etablierte
Marken aus allen Bereichen an ihren eigenen
„Communities“: Sie haben Zugang zu einer
großen Zahl von Menschen. Egal ob über Anzeigen in den eigenen Blättern, Hinweise auf
Verpackungen oder über große Plakatwände;
wer täglich viele Menschen erreicht ist wahrscheinlich auch in der Lage, einige davon zu
überzeugen, ein Profil auf der hauseigenen
Webseite anzulegen.
Wichtig ist hierbei die Erkenntnis, dass jedes
virtuelle Netzwerk ab einem bestimmten Punkt
eine reale Komponente besitzen sollte. Nicht
umsonst führte Xing in diesem Jahr „XingAmbassadors“ ein, die sich darum kümmern,
lokale Events zu veranstalten und so Nutzern
zu Nutzen verhelfen.
Fazit ist, dass virales Marketing sicherlich schick
klingt und anfänglich Spaß macht. Ausreichend
ist es aber eigentlich nur für totale Pioniere, die
als Erste ein bis dato nicht adressiertes Problem lösen oder Bedürfnis wecken. Aktuell kann
man sagen, dass dies nicht für Xing oder studiVZ galt, als diese Portale starteten. Es gilt
aber doppelt für jeden, der mit den beiden konkurrieren möchte.
Der Nutzer muss unterhalten werden
Langeweile bedeutet Tod. Der Mensch ist nämlich nicht immer ein Gewohnheitstier, sondern
sucht gerade im Internet oft nach Abwechslung und neuen Impulsen. Schnell ist man in
eine neue Anwendung geschnuppert und hat
ein Profil angelegt. Auf Treue aufgrund des
angesiedelten Freundeskreises darf man nicht
hoffen. Wenige Tastendrücke später ist das
neue Konto angelegt und die Freunde eingeladen. Notwendig ist daher die Abwechslung im
Angebot. Neue Funktionen, neue Anregungen,
neue Freunde. Mehr Nutzwert. Mehr persönligeschäftsmodelle << Seite 39
cher Benefit. Und vor allem: Integration in den
Lebensstil.
Damit es den Mitgliedern auf Facebook nicht
langweilig wird, hat das Unternehmen bereits
sehr früh eine offene API (für Nicht-Techniker:
eine offene Programmier-Schnittstelle) für externe Programmierer angeboten. Dieser haben
sich rasch nicht nur Privatpersonen, sondern
auch Unternehmen angenommen und für abwechslungsreiche kleine Applikationen gesorgt,
die nun auf den Profilseiten der Nutzer laufen
und sowohl Information als auch Unterhaltung
bieten (Abb.7).
Heute sehen selbst die konventionellen Medien die Zukunft in den Plattformen als festen
Lebensbestandteil einer jungen Zielgruppe. So
bieten die Washington Post und die Mercury
News aus San José kleine Applikationen an, mit
denen ihre Leser Nachrichten auf ihren Seiten
verfolgen können. Dies mag heute noch in den
Kinderschuhen stecken und nicht sehr ausgegoren sein: Dass sich solche Häuser allerdings
mit diesen Themen beschäftigen, deutet auf
einen klaren Kurs hin.
So hat auch Google den Reiz der offenen Programmierschnittstellen entdeckt und bietet mit
OpenSocial jetzt eine zentrale Möglichkeit, für
mehrere soziale Netzwerke gleichzeitig Anwendungen zu entwickeln. Und während sich
studiVZ gegen den Netz-Standard entscheidet,
hat Xing bereits die Kooperation zugesagt.
Und auch in den USA macht nur eines der beiden Dickschiffe (vorerst) mit: MySpace, bereits
seit längerer Zeit Google-Werbepartner, führt
die Liste an, während man nach Facebook vergeblich sucht.
04
fazit
Das Web 2.0 ist heute kein Spielplatz mehr. Es
ist in fester Hand von klaren Marktführern, deren Marken in den Zielgruppen bekannt sind.
Neueinsteiger müssen sich heute den gleichen
Herausforderungen stellen wie in allen anderen
Dienstleistungsbereichen: einzigartiger Service
oder einzigartiger Preis. Dennoch ist es ein
spannendes und lebhaftes Feld, das immer
wieder eine neue Überraschung hervorbringen
kann. Geniale Ideen umzusetzen muss auch
nicht immer Millionen kosten; und vieles wird
heute durch offene Standards ohnehin auch
für Laien mit einer guten Idee möglich. Wir
werden also sicherlich noch viele Web-Startups erleben, die mit einer Vision starten die
Welt zu erobern. Und manche davon werden
es nach ganz oben schaffen. Aber auch diese
Grundeinstellung haben nicht nur die InternetEntrepreneure eigen: sie gehört dazu zum Unternehmertun. Ob online oder offline.
andré hellmann
André Hellmann, Diplom-Betriebswirt, zeichnet sich als Geschäftsführer der zelect GmbH verantwortlich für Beratungsbetreuung im
Medienbereich sowie Marketing/Vertrieb der Unternehmung.
Nach dem Studium der Ökonomie mit einem Medienschwerpunkt
an der Hochschule in Ravensburg übernahm er die Position als
Marktforschungs- und Strategiedirektor bei Creative Loafing an der
amerikanischen Ostküste. Dort leitete er später als Verleger und Anzeigenleiter die lokale Einheit in Atlanta. Anfang 2006 zog es ihn in
die Selbstständigkeit als Berater und Coach für Anzeigenabteilungen
in Verlagen und gründete in Deutschland die „beckmann + hellmann media consulting group“, aus der am 1. Juli 2007 die zelect
GmbH als Joint Venture mit der agentes AG / PIRONET NDH
AG hervorging. In dieser kümmert er sich als geschäftsführender
Gesellschafter heute um die strategische Weiterentwicklung, beteiligt
sich nach wie vor aktiv an Projekten und leitet den Vertrieb.
[email protected] • www.zelect.de
Literatur
Abb.7: Ein Screenshot meiner Facebook-Seite am 15.11.2007 mit dem WP-Newstracker
Seite 40 >> geschäftsmodelle
Analysten- und Investoren-Telefonkonferenz zum ersten Halbjahr 2007, 21. August 2007: Präsentation von Lars Hinrichs, Vorstandsvorsitzender, und Eoghan
Jennings, CFO der XING AG. URL = http://corporate.xing.com/index.php?id=363 (15.11.2007)
geschäftsmodelle << Seite 41
Heiko Wöhr
mindXchange Ltd., Stuttgart
neue geschäftsmodelle
mit web 2.0?
Wertschöpfungspotenziale und Anwendungsfelder
Die mit dem Web 2.0 assoziierten Veränderungen
für Wirtschaft und Gesellschaft sind weit reichend,
und sie haben erst begonnen. Aus dem Web wird
eine Kollaborationsplattform für jedermann. Eine
ganze Reihe bestehender Märkte ändert ihre Gesetze,
und die Geschäftsmodelle der Marktteilnehmer sind
gefährdet. Grund genug für jeden Marktteilnehmer
zu prüfen, welche Auswirkungen diese Veränderungen auf sein Geschäftsmodell haben werden. Der
folgende Beitrag beginnt mit einer Beschreibung des
Web 2.0 und der damit verbundenen Veränderungen.
Anschließend wird den Fragen nachgegangen, was
Geschäftsmodelle sind und welche es im Web bereits
gibt. Den Abschluss bildet die Darstellung einer Reihe von Anwendungsfeldern, die besonders grundlegenden Veränderungen unterworfen sind oder sein
werden.
geschäftsmodelle << Seite 43
01
was ist web 2.0?
„Web 2.0 – Wir sind das Netz“ ist überall dort
zu lesen, wo sich Web 2.0-Evangelisten treffen.
Die zentralen Web 2.0-Entwicklungen der vergangenen Jahre wurden bereits Ende der 60er
Jahre von den visionären Wissenschaftlern
Douglas Carl Engelbart und Joseph C. R. Licklider prognostiziert. Die ersten Computergenerationen hatten den Charakter von Maschinen.
Mit dem Aufkommen des Personal Computers
Anfang der 80er Jahre verschob sich der Fokus
hin zu einem Werkzeug. Maschinen konnten
nur von Experten programmiert werden, Personal Computer auch von Laien. Den Beginn
eines noch bedeutenderen Paradigmenwechsels
erlebten die Computer-Nutzer Anfang dieses
Jahrzehnts. Der Computer wird im Verbund
mit dem Internet zum universellen Kollaborationsmedium. Aktivitäten einzelner Nutzer haben eine kausale Auswirkung auf andere Nutzer
(Mocigemba 2003: 152). Im Unterschied dazu
steht der Nutzer mit dem Werkzeug isoliert
da. Licklider prägte für die beiden Nutzungsvarianten die Begriffe informational housekeeping
und cooperative modeling. Cooperative modeling
beschreibt die aktuell beobachtbaren Entwicklungen sehr treffend. Welche Rolle spielen aber
das Internet und das World Wide Web?
Das Ende der 60er Jahre entstandene Internet ist ein Computernetzwerk, das räumlich
getrennte Computer verbindet. Jeder Knoten
02
in diesem Netzwerk verfügt über eine eindeutige IP-Adresse. Mit geeigneten Werkzeugen
können Experten von Rechner zu Rechner
navigieren und ihre Aktivitäten entfalten. Mit
dem nunmehr 15 Jahre alten Web (1.0) wurde
zum Zwecke der Navigation das Konzept der
Hyperlinks eingeführt. Inhalte werden über
eindeutige URLs adressiert. Der Nutzer muss
sich keine Gedanken um die physische Position
des konkreten Inhalts machen. Über das Computernetzwerk wurde die Abstraktion eines Informationsnetzwerks gelegt. Dessen Nutzung
wurde auf Laien erweitert.
Mit dem Web 2.0 verweisen Inhalte auf Personen. Personen werden Teil des navigierbaren
Netzwerks und sind über Inhalte erreichbar.
Personen werden ihrerseits mit Inhalten und
mit anderen Personen verknüpft. Das Informationsnetzwerk wird um die Abstraktion des
sozialen Netzwerks ergänzt. Verknüpfungen
zwischen Personen machen soziale Interaktionen möglich. Soziale Interaktion erhöht das
Wertschöpfungspotenzial erheblich. Das Web
wurde bisher vorwiegend als Werkzeug für die
Präsentation von Inhalten und die Ausführung
von Transaktionen genutzt. Mit dem interagierenden Menschen aber wird das Web zur Infrastruktur für die Wertschöpfung an sich. Und
die Menschen? „Die vernetzten Menschen sind
der Computer.“
was ändert sich mit dem web 2.0?
Zentrale Merkmale des Web 2.0 sind Partizipation, Selbstorganisation und soziale Rückkopplung. Die
drei wichtigsten durch das Web 2.0 induzierten
Veränderungen sind:
• Der Mensch wird Bestandteil des Netzes.
• Neue Kollaborationsformen entstehen.
• Das Web wird zur universellen Plattform.
Seite 44 >> geschäftsmodelle
Der Mensch wird Bestandteil
des Netzes
Nutzer werden bei Web 2.0 zu Teilnehmern.
Ihre Rolle beschränkt sich nicht mehr auf den
Konsum von Inhalten. Teilnehmer erweitern
ihre Aktivitäten um das Kommentieren, Bewerten und Kategorisieren bestehender sowie
das aktive Produzieren neuer Inhalte. Sie machen mit ihren Inhalten auf sich aufmerksam.
Sie schaffen Repräsentationen ihrer selbst, stellen Beziehungen zu anderen Nutzern her und
treten mit diesen in Interaktion. Der Web 2.0Nutzer wird zur öffentlichen Person.
Für geschäftliche Ziele entwickelt sich das Reputationsmanagement zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor. Eine virtuelle Identität wird
aufgebaut, bestehend aus einem oder mehreren
Profilen mit Vorlieben, Interessen, Leistungen
oder der Beschreibung von Kontaktwünschen.
Ergänzt werden Profile um recherchierbare
Texte und multimediale Veröffentlichungen.
Das soziale Umfeld wird öffentlich gemacht
und damit die eigene Bedeutung dokumentiert. Die Sichtbarkeit des Umfelds und der
Kommunikation mit diesem untermauert die
eigene Darstellung. Verknüpfungen mit und
Kommentare von Bekannten haben den Charakter von Empfehlungen. Öffentlich nachvollziehbare Kommunikation schafft Authentizität
und letztlich Vertrauen. Social NetworkingPlattformen bieten die zur Selbstdarstellung
notwendigen Beziehungsräume.
Neue Kollaborationsformen entstehen
Wikipedia ist ein Beispiel für das Potenzial neuer Kollaborationsformen, Open Source-Software ein weiteres. Durch das Zusammenwirken
eigenverantwortlicher und motivierter Akteure
werden Werte geschaffen. Auch die Effektivität und Effizienz bestehender Organisationen
kann beträchtlich gesteigert werden. Ein bemerkenswertes Beispiel ist die CIA. Nach den
Anschlägen vom 11. September wurde schnell
klar, dass die amerikanischen Geheimdienste
zu langsam sind. Die Verantwortlichen gelangten zu der Überzeugung, dass selbst eine Reorganisation das zugrunde liegende systematische
Problem nicht löst. Informationsflüsse in hierarchischen Organisationen sind zu träge, wenn
der Feind mit autonomen Gruppen agiert. Ein
Kollaborationssystem aus Wikis und Weblogs
wurde eingeführt. Einzelne Mitarbeiter sollten
durch eine gemeinsame Strategie geführt werden. Jeder extrahierte die für ihn relevanten
Informationen eigenverantwortlich aus der gemeinsamen Wissensbasis und machte anderen
relevante Informationen verfügbar.
Unter dem Stichwort Sharing werden Inhalte
mit anderen geteilt und gemeinsam erstellt.
Der resultierende User Generated Content steht
wegen seinen Verknüpfungen mit den Autoren nicht isoliert im Raum. Linking schafft als
wesentlichen Mehrwert einen Kontext für diese Inhalte, bestehend aus Lesern und Autoren.
Über solchermaßen angereicherte Inhalte werden Personen gefunden und Menschen auf Basis gemeinsamer Interessen verknüpft. Inhalte
wirken als Katalysator für soziale Interaktionen
und die Herstellung oder Vertiefung persönlicher Beziehungen.
Neue Kollaborationsformen sind durch Selbstorganisation gekennzeichnet. Mitglieder tragen
in ihrer Gesamtheit Verantwortung für die Organisation der Leistungserstellung. Nutzer des
Systems sind selbst Teil des Systems und tragen
bei, was sie am besten können. Ressourcen werden so effizient verteilt. Im Unterschied dazu
haben Nutzer klassischer Intranets kaum direkte Möglichkeit zur Teilnahme. Ein Verantwortlicher legt sowohl den Prozess zur Veröffentlichung von Inhalten als auch deren Prüfung
fest. Die Extraktion von Mitarbeiterwissen
in die unternehmensweite Wissensbasis wird
wirksam verhindert. Mitarbeiter sind lediglich
Konsumenten von Information, die durch eine
kleine Gruppe organisiert und verteilt wird.
Das Web wird zur universellen
Plattform
Einen großen Einfluss auf die Weiterentwicklung des Internets hat die Konvergenz verschiedener vormals getrennter Medien. Die Digitalisierung der gesamten Medienindustrie hat eine
Vereinheitlichung der technisch-strukturellen
Infrastruktur zur Folge. Unter dem Namen
geschäftsmodelle << Seite 45
Triple Play werden von Telefonnetzbetreibern,
Internet Service Providern und Kabelnetzbetreibern gleichsam Fernsehen, Internet und
Telefonie angeboten. Jeder kann alles liefern.
Auf traditionellen Einzelmärkten erscheinen
ebenfalls neue Konkurrenten. Skype bietet
Telefonie an. Das Fernsehen bekommt Konkurrenz durch YouTube. Die Telekom liefert
die Fußball-Bundesliga live über das Internet.
Der ehrwürdige Brockhaus behält nur die Alten und die Elite als Kunden. Die Zukunft liegt
bei Wikipedia. CD-Geschäfte werden durch
iTunes substituiert und Bildagenturen weichen
Flickr & Co. Die elektronischen Medien wachsen zusammen und das Internet integriert alle.
Schließlich lösen sich die Medien von spezifischen Endgeräten. Geräte werden mobil und
erlauben den Konsum aller Medien – jederzeit
und überall.
Auch das Web unterliegt zwei wichtigen
technisch-organisatorischen Veränderungen.
Sogenannte Mashups führen Inhalte aus verschiedenen Quellen in einer Web-Oberfläche
zusammen. Die eingebundenen Daten und
Medien kommen direkt vom jeweiligen Anbie-
03
ter. Ein Beispiel ist die Anreicherung von Seiten um Kartenausschnitte von Google Maps.
Arbeitsteilung hält Einzug in die Erstellung
von Web-Anwendungen. Der Wert von Daten
und die Bedeutung der Datenlieferanten erhöhen sich durch die Vielfachnutzung.
Moderne Web-Anwendungen erfreuen sich
schließlich einer wesentlich smarteren Nutzung. Der Anwender muss nicht mehr auf das
Laden und den Aufbau der Seite warten. Neben
wesentlich höheren Bandbreiten ist dafür eine
Technik namens AJAX verantwortlich. Nur
Fragmente der aktuellen Seite werden neu geladen und dynamisch eingefügt. Die User Experience von Web-Applikationen nähert sich mit
großen Schritten der Qualität von DesktopAnwendungen an. Der Webtop übernimmt
immer mehr Aufgaben. Der Nutzer muss keine Software mehr installieren, konfigurieren
und upgraden. Dafür sind die Dienstanbieter
zuständig. Das erfolgsversprechende Modell
Software as a Service (SaaS) funktioniert wie
Software aus der Steckdose.
geschäftsmodelle
Was sind Geschäftsmodelle?
Für die Entwicklung von Innovationen werden die Dimensionen Produkt/Dienstleistung
und Geschäftssystem unterschieden. Im Fokus
innovativer Produkte/Dienstleistungen steht
der vielschichtige Begriff Nutzenversprechen.
Weitere kritische Merkmale sind der potenzielle
Markt sowie die Ertragsmechanik. Innovationen im Geschäftssystem streben vor allem Änderungen in der Organisation von Wertschöpfungsketten an. Solche Änderungen sollen
die Effektivität steigern, mindestens aber die
Effizienz. Im Fokus steht die Architektur der
Wertschöpfung.
Seite 46 >> geschäftsmodelle
Das Nutzenversprechen muss die Lösung eines
für andere Marktteilnehmer bedeutenden Problems darstellen. Es beschreibt, welchen Nutzen
Kunden oder andere Partner eines Unternehmens aus dem Produkt oder der Dienstleistung
ziehen können. Dieser Teil eines Geschäftsmodells wird gelegentlich auch Value Proposition
genannt. Es beantwortet die Frage: Welchen
Nutzen stiftet das Produkt oder die Dienstleistung?
Die erfolgreiche Umsetzung eines Geschäftsmodells setzt einen Markt voraus. Dieser ist
quantitativ zu bestimmen und qualitativ zu beschreiben. Marktaussagen spezifizieren die Ziel-
gruppe und beantworten die Frage: Wer kauft
unser Produkt oder unsere Dienstleitung?
Neben dem Was und dem Wie beschreibt das
Geschäftsmodell auch die Ertragsmechanik –
welche Einnahmen aus welchen Quellen generiert werden. Die zukünftigen Einnahmen entscheiden über den Wert des Geschäftsmodells
und damit über dessen Nachhaltigkeit. Die Ertragsmechanik beantwortet die Frage: Wodurch
wird Geld verdient?
Ein Geschäftssystem beschreibt im Sinne einer
Architektur die verschiedenen Stufen der Wertschöpfung sowie die verschiedenen wirtschaftlichen Agenten und deren Rollen in der Wertschöpfung. Es beantwortet die Frage: Wie wird
die Leistung in welcher Konfiguration erstellt?
Welche Geschäftsmodelle
gibt es im Web?
In 15 Jahren World Wide Web haben sich eine
Reihe von Geschäftsmodellen etabliert. Michael Rappa hat sie bereits vor Jahren klassifiziert.
Deren Fokus liegt auf der Ertragsmechanik. In
diesem Abschnitt werden die für das Web 2.0
relevanten Kategorien kurz zusammengefasst.
Am weitesten verbreitet ist das Advertising
Model. Inhalte werden mit dem Ziel öffentlich
angeboten, Zugriffszahlen auf der Website zu
erhöhen. Erträge werden mit Bannerwerbung
erwirtschaftet. Dies ist für Angebote mit sehr
hohem unspezifischen Traffic lohnend, wie
beispielsweise Google. Andere Angebote adressieren eine spezifische Zielgruppe und profitieren von der höheren Affinität der Benutzer
zu den beworbenen Leistungen.
Bei Angeboten nach dem Subscription Model
bezahlt der Benutzer unabhängig von seiner
Aktivität einen festen Beitrag. Das Abonnement wurde auf das Web übertragen. Ein in
Deutschland etabliertes Beispiel ist Xing. Dort
sind lediglich Premium-Nutzer beitragspflichtig. Sie können eine Reihe interessanter Zusatzfunktionen nutzen.
Das Utility Model sieht auch die Bezahlung von
Nutzer-Gebühren vor. Deren Höhe orientiert
sich aber stärker an der tatsächlichen Nutzung
der Plattform oder weiterer Dienstleistungen.
Das Utility Model ist vor allem in der Welt der
Online-Spiele verbreitet. Bekannte Beispiele sind Cyworld und Second Life. Bei beiden
Plattformen erwerben die Nutzer virtuelle Gegenstände oder Ressourcen, ohne die eine aktive Teilnahme reizlos wäre.
Das Community Model sieht den Aufbau einer
Online-Community um ein gemeinsames Thema oder Interesse herum vor. Erträge werden
auf die bereits genannten Arten (Werbebanner,
Vertrieb von Dienstleistungen, Abonnement)
oder durch Spenden erwirtschaftet.
Unter Brokerage wird der Betrieb einer Plattform verstanden, die Anbieter und Nachfrager zusammenbringt. Der Betreiber unterhält
einen virtuellen Marktplatz und macht diesen
für potenzielle Marktteilnehmer zugänglich. Er
profitiert je nach konkreter Ausgestaltung von
erfolgsunabhängigen festen Gebühren für die
Einstellung von Angeboten oder Gesuchen,
oder es fällt erfolgsabhängig bei jeder Transaktion eine Gebühr an. Ebay ist ein prominentes
Beispiele für den zweiten Ansatz.
Das Merchant Model sieht den ausschließlichen
oder ergänzenden Online-Vertrieb von Produkten durch Händler vor. Sofern es sich um
digitalisierbare Produkte handelt, erfolgt auch
die Distribution über das Web. Durch Web-Aktivitäten sollen Umsatz und Ertrag gesteigert
werden. Eine Variante davon ist das Manufacturer Direct Model. Der Web-Vertrieb erfolgt hier
durch den Hersteller selbst. Der Zwischenhandel wird umgangen. Kunden profitieren von
einem günstigeren Preis und durch eine direkte
Einbindung in den Erstellungsprozess von einer besseren Konfigurierbarkeit. Hersteller bekommen den direkten Endkundenkontakt. Ein
Beispiel dafür ist der Computerhersteller Dell.
geschäftsmodelle << Seite 47
04
welche anwendungsfelder entstehen?
Querschnittsdienstleistungen 2.0
Ein offensichtliches Potenzial für neue Geschäftsfelder birgt die Bedienung neu entstehender Grundbedürfnisse bei der Web 2.0-Nutzung. Die wichtigste Querschnittsdienstleistung
rund um das Thema Kommunikation und Kollaboration ist die Vertraulichkeit. Die neue Offenheit fordert vom Nutzer mehr Verantwortung. Dazu zählt der verantwortungsbewusste
Umgang mit den eigenen Daten. Es ist davon
auszugehen, dass die Missbrauchshäufigkeit
beim Umgang mit Daten zunehmen wird. Daraus entsteht das Bedürfnis für differenziertere
Ebenen von Vertraulichkeit. Auf der höchsten
Ebene müssen sich Kommunizierende gegenseitig eindeutig identifizieren können und es
muss sichergestellt sein, dass kein Dritter Zugang zu den Informationen erhält. Dies stellt
auch alltäglich genutzte Dienste wie E-Mails in
Frage, ist deren Inhalt doch so wenig vertraulich wie eine Postkarte.
Klassische Hyperlinks verknüpfen Web-Ressourcen. Mit dem Web der zweiten Generation
kommen Verknüpfungen zwischen Nutzern
hinzu. Über diese Verknüpfungen werden geschäftliche Transaktionen geroutet. Dies erfordert eine höhere Servicequalität. Verbindlichkeit
ist die zweite geforderte Basisdienstleistung. Sie
umfasst die Leistungsmerkmale der Vertraulichkeit. Darüber hinaus müssen die interagierenden Teilnehmer dauerhaft an die Nachricht
und den Akt der Übermittlung gebunden sein.
Schließlich liegt beiden beschriebenen Leistungsmerkmalen die gegenseitige Identifizierung
zugrunde. Am Telefon erfolgt dies durch das
Erkennen der Stimme des Gegenübers. Mit
Passport hatte Microsoft versucht, die Rolle
des identifizierenden Dritten einzunehmen,
aber ohne Erfolg. Der Bedarf an Identifizierung steigt. Die bestehenden Verfahren sind
zumeist umständlich oder teuer. So erfordert
die Nutzung von Postident den Weg zum loSeite 48 >> geschäftsmodelle
kalen Postamt. Die beiden praktisch genutzten
indirekten Verfahren sind SMS und Kontoüberweisung. Das erste Verfahren ist teuer und
das zweite ebenfalls umständlich. Hier liegt ein
zentraler Markt.
Für die kommerzielle Nutzung sind schließlich
weitere Anwendungen für einen leichtgewichtigen Geldverkehr zu erwarten. Dieser Markt
wird aktuell von der Ebay-Tochter Paypal
beherrscht. Nutzer können per E-Mail Geld
überweisen. Eine Reihe weiterer Anbieter existieren. Allen ist gemeinsam, dass eine nahtlose
Integration in eigene Anwendungen nur unzureichend gelingt.
Menschenmärkte
verändern ihre Struktur
„By the end of 2011, 80 percent of active Internet
users will have a ‚second life‘.“ Gartner
Mit dem Web der ersten Generation wanderten
Classified-Märkte (Automobile, Immobilien,
Stellen und Bekanntschaften) von Tageszeitungen ins Web. Märkten mit Menschen als Handelsgut steht ein weiterer Paradigmenwechsel
bevor. Angebot und Nachfrage im Personalmarkt kehren sich um. Obiges Zitat von Gartner bezieht sich weniger auf die 3D-Anwendung „Second Life“ als auf die zunehmende
Notwendigkeit, neben der realen eine virtuelle
Präsenz zu besitzen.
Der Umgang mit personenbezogenen Daten professionalisiert sich rasant. In den USA
existiert mit zoominfo.com ein Unternehmen,
dessen Robots das Web nach personenbezogenen Daten durchkämmen, diese automatisiert
zu Profilen verdichten und erfolgreich vertreiben. Mehr als 35 Millionen Profile stehen
bereits heute zur Verfügung. 20 Prozent der
US-Top 500-Unternehmen nutzen den Dienst
zur Personalbeschaffung. Es ist davon auszugehen, dass sich das Verhalten der Akteure am
Personalmarkt umkehrt. Firmen werden im-
mer weniger Stellenangebote veröffentlichen.
Geeignete Bewerber werden vielmehr online
recherchiert, kontaktiert und schließlich eingeladen. Wer online nicht präsent ist, existiert in
dieser Welt nicht. Die Frage, ob man sich online präsentieren möchte, wird sich in wenigen
Jahren nicht mehr stellen.
Das beschriebene Szenario ist im IT-Freiberufler-Markt schon seit Jahren Realität. Freiberufler veröffentlichen Profile in einschlägigen
Datenbanken. Personal-Vermittler recherchieren in diesen Datenbanken nach Kandidaten
mit den geforderten Skills. Die Chancen des
Freiberuflers steigen durch eine marktgerechte
Selbstdarstellung an möglichst vielen relevanten
virtuellen Orten. Dies erfordert einen erheblichen Aufwand allein für die regelmäßige Pflege.
Reputationsmanagement gehört für IT-Berater
zum Kerngeschäft.
Im Fernseh-Casting-Markt ging vor wenigen
Wochen getfamous.de online. Getragen von
schwergewichtigen Fernsehproduzenten suggeriert die Website, dass jeder ein Star werden
kann und ruft alle auf, sich zu präsentieren.
Produzenten umgehen die Casting-Agenturen
und können den stetig wachsenden Pool ihrerseits vermarkten.
Mit der beschriebenen Verdichtung virtueller
Netzwerke kann jeder alle Rollen des klassischen Personalmarkts übernehmen. Er kann
sich selbst anbieten, auf Basis eines umfangreichen Pools selbst nach Personal suchen oder
als Vermittler auftreten, wenn eine konkrete
Anfrage an ihn herangetragen wird. Diese Veränderungen gelten gleichermaßen für die Heirats- und Bekanntschaftsmärkte.
Infrastruktur für kleine agile Einheiten
„A firm will tend to expand until the costs of organizing an extra transaction within the firm become equal
to the costs of carrying out the same transaction on the
open market. “ Ronald H. Coase: The nature of the
firm (1937)
Transaktionskosten sinken mit dem Aufbau
einer virtuellen Kollaborationsinfrastruktur
dramatisch. Unter Transaktionskosten werden
Kosten für die Suche, die Vertragsverhandlung
und -gestaltung sowie die anschließende Steuerung externer Partner zusammengefasst. Wie
alle kommunikationstechnischen Neuerungen
zuvor hat auch das Aufkommen des Internets
zu einer Beschleunigung der Arbeitsteilung beigetragen. Besonders effektiv unterstützt das
klassische Internet die globale Arbeitsteilung.
Physische Präsenzmärkte konnten immer besser durch virtuelle Märkte ersetzt oder zumindest ergänzt werden. Insofern ist das Internet
ein wichtiger Katalysator für die Globalisierung.
Der Trend zur Reduzierung der Fertigungstiefe profitiert ebenso von dieser Entwicklung.
Ökonomische Einheiten treiben die Konzentration auf ihr Kerngeschäft weiter voran. Das
Web 2.0 setzt bei Personen an. Aufgrund der
dramatisch fallenden Transaktionskosten ist
davon auszugehen, dass der Umfang an Wirtschaftseinheiten mit der Losgröße eins weiter
zunehmen wird.
Die Teilnahme an etablierten internetbasierten
Märkten ist vor allem größeren Unternehmen
vorbehalten. Ein Beispiel dafür ist die Handelsplattform Covisint, auf der Automobilhersteller und Zulieferer Handel betreiben. Der Betrieb solcher Plattformen ist mit erheblichen
Kosten verbunden. Mit der Transformation des
Internets hin zu einer Kollaborationsplattform
entsteht eine billige und für jedermann zugängliche Alternative. Ebay ist ein gutes Beispiel,
aber eben doch nur auf Produkte beschränkt.
Die sich zwischen Einzelpersonen und kleinen
Wirtschaftseinheiten etablierenden Verbindungen eignen sich zukünftig hervorragend für
Ad-hoc-Geschäfte. So wird folgendes Beispielszenario in naher Zukunft Realität sein. Vormittags liegt ein Dokument auf dem Schreibtisch,
das ins Chinesische übersetzt werden muss.
Mit einem Aufwand von wenigen Mausklicks
wird das Dokument in den virtuellen Briefkasten eines der vielen präsenten virtuellen
geschäftsmodelle << Seite 49
Übersetzungsbüros geworfen. Am Nachmittag
desselben Tages liegt das Ergebnis im eigenen
Briefkasten. Die Rechnungssumme wird durch
einen der bereits heute etablierten Anbieter mit
weiteren drei Mausklicks überwiesen. Eine bisher nur größeren Organisationen vorbehaltene
Dienstleistung wird plötzlich für jedermann
einfach nutzbar.
Die Übersetzerin kann ihre Dienste heute nur
indirekt durch Einbindung in ein größeres
Übersetzungsbüro oder bei einem größeren
Unternehmen anbieten. Morgen benötigt die
Übersetzerin den Mantel des Arbeitgebers
nicht mehr. Nachdem sie den Einstieg in den
Markt geschafft und gute Leistung erbracht hat,
sorgt die Transparenz und ihre eigene Kenntnis um die Kommunikationsmechanismen des
neuen Webs dafür, dass potenzielle Nachfrager dies erfahren. Darüber hinaus unterhält
sie kein teures Büro mehr in Deutschland. Sie
kann ihre Leistung von überall aus anbieten,
aus China beispielsweise. Auch der ehemalige
Arbeitgeber, ein international agierendes mittelständisches Unternehmen, profitiert von
dieser Entwicklung. Übersetzungen sind nicht
sein Kerngeschäft. Er kauft sich die Leistungen
bei Bedarf ein, reduziert dadurch sein Risiko
und damit verbundene fixe Kosten. Die Übersetzerin bedient zusätzlich andere Kunden.
Nimmt ihr Auftragsvolumen zu, nutzt sie ihre
sozialen Kontakte in der Branche und delegiert
Aufträge, die sie nicht selbst bewältigen kann.
Dank der Abbildung dieser Kontakte im Internet kann sie die Beauftragung mit wenigen
Mausklicks effizient ausführen. Das auf diese
Weise entstehende Wertschöpfungsnetzwerk
baut seine Kernkompetenz auf, profitiert von
Skaleneffekten und steigert seine Konkurrenzfähigkeit.
Nicht jeder Knoten in diesem Netzwerk nimmt
notwendigerweise die Rolle eines Übersetzers
ein. Ebenso wichtig sind Personen mit Kontakten. Diese suchen in der Rolle des Vermittlers effiziente Pfade zu der aktuell geforSeite 50 >> geschäftsmodelle
derten Lösung. Pfade in sozialen Netzwerken
sind potenzielle Wertschöpfungspfade. Soziale
Kontakte werden institutionalisiert und in die
Wertschöpfung eingebunden. Das Sozialkapital, also „Ausmaß und Qualität des Beziehungsnetzwerks“ (Bourdieu 1997: 209), spielt
eine zentrale Rolle bei der Wertschöpfung 2.0.
Die Intensivierung der Zusammenarbeit auf
dieser Basis stärkt das Sozialkapital, begünstigt
wechselseitige Unterstützung und übernimmt
somit auch eine wichtige gesellschaftspolitische
Funktion.
Einbindung des Kunden in den Wertschöpfungsprozess
In der Web 2.0-Welt wird der Kunde und dessen User Generated Value in alle Aktivitäten des
Wertschöpfungsprozesses eingebunden. Dies
beginnt bei der Ideenfindung für neue Produkte
und Leistungen. Bei digitalen Produkten kann
der Nutzer und Kunde besonders gut an der
Produktgestaltung und -produktion teilhaben.
Unter dem Stichwort virales Marketing übernimmt er eine zentrale Rolle bei der Kommunikation. Auch Supportleistungen lassen sich in
Form von Wikis in Richtung Nutzer verlagern.
Schließlich stellt das Feedback der Kunden einen wichtigen Input für die Weiterentwicklung
von Produkten dar. Die Einbindung von Kunden erfordert organisatorisch eine Aufteilung
von Aufgaben in hinreichend kleine Einheiten.
Aus Kundenbindung wird Kundeneinbindung.
Es wird versucht, potenzielle Kunden in einen
kommunikativen Prozess zu involvieren. Beispiele aus der Entwicklung von Web 2.0-Plattformen können als Vorlage für andere Bereiche
dienen. Die Entwicklung neuer Plattformen
beschränkt sich zunächst auf Basisfunktionen und kann deshalb sehr schnell erfolgen.
In einem engen Dialog mit Benutzern wird in
Erfahrung gebracht, wie bedeutend einzelne
Leistungsmerkmale sind und welche neuen Features die höchste Priorität genießen. Diese werden zuerst realisiert, getestet und unmittelbar
danach freigeschaltet. Dieses Vorgehen setzt
einen agilen Software-Entwicklungsprozess
voraus. Das neue Paradigma lautet release early,
release often. Flickr spielt viermal pro Stunde
Programmcode auf seine Server auf. Microsoft
benötigt für vier Updates zehn Jahre.
Hersteller von Endgeräten veröffentlichen zunehmend ihre Software-Schnittstellen. So kann
die Nutzer- und Entwicklergemeinde selbst
Funktionen und Anwendungen für das Endgerät implementieren. Google, Amazon, Ebay
und viele weitere renommierte Web 2.0-Unternehmen erfreuen sich daran, dass ihre Kunden
nützliche Anwendungen für andere Kunden
schreiben, emotional näher an das Unternehmen rücken und ganz nebenbei dessen Popularität erhöhen.
Wertschöpfung in der Medienindustrie
Das klassische Geschäftsmodell von Inhalteanbietern unterliegt einem grundlegenden Wandel. Verlage hatten über Generationen hinweg
die Kontrolle über die Produktion und Verteilung von Wissen. Mit dem Aufkommen des
Fernsehens übertrugen sie ihr Geschäftsmodell
auf das neue Medium. Dasselbe versuchten
Verlage in den Anfangszeiten des Internets.
Der wirtschaftliche Erfolg hat sich bis heute zumeist nicht eingestellt. Mit dem Web der
zweiten Generation droht der Einfluss weiter
zu schwinden. Das Geschäftsmodell trägt nicht
mehr. Studien belegen, dass die zunehmende
Nutzung des Internet zu Lasten bestimmter
Offline-Medien geht. Dies gilt ganz besonders
für die Gruppe der 14- bis 29-jährigen digital
natives. Diese besonders wichtige Zielgruppe
nutzt klassische Medien signifikant weniger als
die Älteren. Besonders mit bestimmten Printmedien, wie lokale Tageszeitungen, lässt sich
diese junge Generation immer schwerer erreichen.
Bedrohlich für die alten Meinungsbildner wird
die explosionsartige Zunahme an Inhalteanbietern. Das Geschäftsmodell von Brockhaus
und Co., kaufe und verkaufe Informationen,
wurde in nur fünf Jahren aus den Angeln gehoben. Quasi über Nacht wurde bisher teuer
gehandelte Information öffentliches Eigentum.
Brockhaus und Co. hatten wegen des rasanten
Wandels keine Chance, ihr Geschäftsmodell
anzupassen. Nach dem Erfolg von Wikipedia schickt sich YouTube an, dem klassischen
Fernsehen Konkurrenz zu machen. Dasselbe
gilt für Musik und Podcasts.
Die Transformation des eigenen Geschäftsmodells erfordert Phantasie und Mut. Der eben
erst beginnende Wandel des Webs hin zum universellen Kommunikationsmedium wird weitere Marktgesetzmäßigkeiten außer Kraft setzen.
Daraus entstehende fundamentale Wandlungsprozesse bieten für jeden Marktteilnehmer potenziell Chancen. So kann ein Fachverlag seine
Erträge aus dem Verkauf hochwertiger Fachinhalte um Erträge aus der eigenen OnlineCommunity ergänzen. Durch entschlossenes
Handeln kann er die Kunden als erster an das
eigene Unternehmen binden. Eine Kombination aus Advertising Model und Subscription
Model kann nach wenigen Jahren zum Break
Even führen. Jeder Fachbeitrag eines Kunden
erhöht den Wert der Community und der Link
vom Beitrag zur eigenen Präsentation ist für
den Kunden eine Werbemaßnahme. Er kann
Kompetenz zeigen. Eine solche Ausgangssituation ist geeignet, den finalen Schritt zu einem
virtuellen Marktplatz zu vollziehen. Durch die
Installation einfacher Beauftragungsprozesse
und die Anbindung einer Clearingstelle wird
aus der Community eine Handelsplattform.
Einfache, geregelte Abläufe reduzieren die
Transaktionskosten entscheidend. Ein solcher
Marktplatz ist dem traditionell unstrukturierten
Markt weit überlegen, da die Transaktionskosten sinken. Er ist nützlich für Anbieter und
Nachfrager. Der Fachverlag profitiert von jeder
Transaktion. Er hat über Inhalte einen ganzen
Markt akquiriert und sein Merchant Model hin
zum Brokerage Model transformiert.
geschäftsmodelle << Seite 51
Unternehmensgrenzen weichen auf
„Social network interaction will become the engine for
innovation.“ Gartner (5/2007)
Unser persönliches Leben wird durch den Austausch von innen und außen gesteuert. Dies gilt
für den Menschen genauso wie für die kleinste biologische Einheit – die Zelle. Nicht etwa
die DNS regelt den Stoffwechsel, sondern die
Zellmembran. Sie reagiert intelligent auf Umweltimpulse und leitet aus der Erfahrung ihr
Verhalten ab. Molekularbiologisch betrachtet
ist die Membran das Gehirn der Zelle (Lipton
2006: 83). Die Führung moderner Unternehmensorganisationen sind angesichts einer Verdopplung der Innovationsgeschwindigkeit alle
fünf Jahre ebenfalls gefordert, an der Grenze
zwischen innen und außen neue Regeln für die
Durchlässigkeit ihrer Membran zu definieren.
Mit dem Web 2.0 ist die Infrastruktur verfügbar.
Neben den häufig beschriebenen Phänomenen aus dem Web-Umfeld gibt es eine Reihe
weniger bekannter Erfolgsgeschichten, die auf
denselben Prinzipien beruhen. So zum Beispiel
die von Don Tapscott über Goldcorp, einer
kanadische Goldminen-Gesellschaft (Tapscott
2006: 7f.). 1999 war das Unternehmen wegen
stark rückläufiger Fördermengen in eine kritische wirtschaftliche Lage geraten. Nach dem
Besuch einer Open Source-Veranstaltung am
MIT hatte CEO Rob McEwan eine verblüffende Idee. Sein Unternehmen sollte im Stile von
Open Source alle bis dahin als „streng geheim“
eingestuften geologischen Befunde veröffentlichen. Die Internet-Gemeinde sollte Goldcorp
bei der Suche nach neuen Grabungsstätten unterstützen. Im Jahr 2000 wurde die Goldcorp
Challenge gestartet. Für die besten Analysen
und Ideen wurde eine Gewinnsumme von
575.000 US-Dollar ausgelobt. Mehr als tausend
Interessierte aus über 50 Ländern begannen,
die über das Internet veröffentlichten Daten
zu analysieren. Die Teilnehmer und deren Methoden kamen aus unterschiedlichsten FachSeite 52 >> geschäftsmodelle
richtungen. Sie fanden auf Grundlage der veröffentlichten Daten 110 Grabungsstätten, von
denen mehr als die Hälfte vorher nicht bekannt
waren. Von den neu gefunden Grabungsstätten
waren 80 Prozent signifikant ertragreich. Als
Konsequenz stieg der Börsenwert des Unternehmens von vormals 100 Millionen US-Dollar
auf inzwischen neun Milliarden US-Dollar.
Vor allem im Hinblick auf Innovationen ist der
Austausch von Erfahrungen notwendig. Innovation beruht meist darauf, dass ein kluger
Kopf vorhandenes Wissen zusammensucht,
auswählt und zu etwas Neuem montiert. Für
jede gute Idee im Unternehmen existieren außerhalb des Unternehmens hundert gute Ideen.
Procter & Gamble ist ein weiteres Beispiel für
einen gelungenen Paradigmenwechsel. Wieder
war es der CEO, der einen Paradigmenwechsel
hin zur Öffnung eigener Forschungsergebnisse
einleitete. Eine Analyse der Forschungs- und
Entwicklungsaktivitäten ergab Aufwände von
1,5 Milliarden US-Dollar jährlich. Weniger
als 10 Prozent der Patente wurden tatsächlich für eigene Produkte genutzt. CEO Lafley
entschied, einen signifikanten Teil der Patente zu veröffentlichen und deren Lizensierung
aktiv zu vermarkten. Die Erlöse kommen der
eigenen Forschung zugute. Für die effiziente
Vermarktung entstanden in den vergangenen
Jahren eine Reihe von Internet-Plattformen für
den Handel mit Intellectual Property. Sie wurden zu Katalysatoren für diese Entwicklung.
Wie sich zeigte, liegt die wahre neue Chance
aber im Zugriff auf externe Lösungen für eigene drängende Probleme. Procter & Gamble
legte das Innovationsprogramm „connect and
develop“ auf. Ziel bis 2010 ist es, 50 Prozent
der Innovationen außerhalb des Unternehmens zu finden und zusammen mit eigenen
Forschungsergebnissen in Produkte und Prozesse zu integrieren. Die 2006 veröffentlichten
Zwischenergebnisse geben Procter & Gamble
recht. 35 Prozent der neuen Produkte enthalten
Ideen von außen. Die R&D-Effektivität ist zwi-
schen 2000 und 2006 um 60 Prozent gestiegen
– ein Teil davon ist auf „connect und develop“
zurückzuführen. Die R&D-Kosten sind im selben Zeitraum bezogen auf den Umsatz von
4,8 Prozent auf 3,4 Prozent gefallen. Innerhalb
von fünf Jahren konnte der Aktienkurs verdoppelt werden (Huston und Sakkab 2006: 84).
heiko wöhr
Heiko Wöhr, Diplom-Medieningenieur, moderierte im Rahmen des
Innovationsprogramms Web 2.0 den Arbeitskreis Geschäftsmodelle. Er ist geschäftsführender Gesellschafter des 2004 gegründeten
Beratungsunternehmens mindXchange Ltd. In dieser Eigenschaft
konzipiert er moderne Kollaborationslösungen für Unternehmen
und berät diese bei der Einführung. Seit 1994 beschäftigt er sich als
Berater, Dozent und Autor mit dem World Wide Web. Zuvor absolvierte er ein Medientechnik-Studium an der Hochschule der Medien
in Stuttgart.
[email protected] • www.mindXchange.net
Literatur
Teile dieses Beitrags stammen aus dem Beitrag „Web 2.0 – Wohin geht die Reise?“, den der Autor für das von Mathis Hoffmann und Stefan Leible zum Jahreswechsel beim Verlag Richard Boorberg erscheinende Buch „Vernetztes Rechnen - Softwarepatente - Web 2.0“ verfasst hat. • Bourdieu, 1997: Die feinen Unterschiede.
• Hoffmann und Leible (Hrsg.), 2008: Vernetztes Rechnen - Softwarepatente - Web 2.0. • Huston und Sakkab, 2006: Harvard Business Review 3/2006. • Lipton,
2006: Intelligente Zellen. Wie Erfahrungen unsere Gene steuern. • Mocigemba, 2003: Die Ideengeschichte der Computernutzung. • Tapscott, 2006: Wikinomics.
geschäftsmodelle << Seite 53
3.leben
online
Horst Henn: Wie Web 2.0 unser Leben verändert
Astrid Beck: Leben online im Internet der zweiten Generation
leben online << Seite 55
Horst Henn
Portaleco Technology Consulting, Böblingen
leben online
Wie Web 2.0 unser Leben verändert
Schnelle Mobilfunk- und Internetzugänge sind die
Treiber für die Weiterentwicklung des Internets zum
Web 2.0. Nicht nur Buch, Post und Telefon werden
im Internet abgebildet, sondern auch die vielfältigen
wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen der Benutzer. Ähnlich wie die Gesellschaft entwickelt sich
dabei auch im Internet neben der großen Gemeinschaft eine Vielzahl von offenen und geschlossenen
Interessengruppen. Die Trennung der Internet-Welt
von der realen Welt wie Haus, Auto und Konsumgüter wird im Pervasive Computing aufgehoben. Immer
größere Teile der Bevölkerung werden immer mehr
und länger das Internet für Arbeit und Freizeit nutzen. Web 2.0-Bildung wird zu einem wesentlichen
wirtschaftlichen und sozialen Faktor der Gesellschaft.
leben online << Seite 57
01
die web 2.0-evolution
Neue Technologien sind seit der industriellen
Revolution im 19. Jahrhundert die wesentlichen Treiber für Fortschritt und Wohlstand
in unserer Gesellschaft geworden. Der Standort Baden-Württemberg verfügte nicht über
wertvolle Bodenschätze, so dass sich in Baden-Württemberg eine noch heute florierende
Maschinenbau-Industrie entwickeln konnte.
Die Öffentlichkeit als auch die Politik sahen die
Computer- und auch Kommunikationsindustrie als Weiterentwicklung der Feinmechanikindustrie. Verständnis konnte man zunächst
dafür aufbringen, dass für diese Computergeräte und für die Verwaltung in den Unternehmen Software benötigt wurde. Schwieriger war
schon, das Internet in das bestehende Weltbild
einzuordnen, und noch schwieriger wird es, die
neue Welt, in der die Jugendlichen mit ihren
Mobiltelefonen, PCs und Playstations heute
agieren, zu verstehen.
Plötzlich sollen nicht Werte wie Nutzen, Kosten und Gewinn sondern Werte wie Spaß, eigenes Gestalten und persönliche Netzwerke
wichtig sein. Junge Menschen gründen Firmen
basierend auf ihrem Wissen praktisch ohne
Kapital und schaffen, wie Google oder MySpace in kürzester Zeit, Firmenwerte, von denen
etablierte Firmen mit den besten Beratern aus
der traditionellen Geschäftswelt nur träumen
können. Der Wert der Firma wird dabei an der
Zahl der Kunden und ihrer Bindung an das Unternehmen und nicht am Wert der Investitionen
oder der Umsätze gemessen. Nun ist Kundenbindung auch für konventionelle Unternehmen
ein wesentlicher Bestandteil des Firmenwertes.
Neu ist eigentlich nur, dass andere Faktoren
fast keine Rolle mehr spielen. Die neue Web
2.0-Welt bietet nicht nur Chancen im sozialen
Umfeld durch Internet-basierende, persönliche
Dienste. Es ergeben sich auch vielfältige Möglichkeiten, die Zusammenarbeit nicht nur in
Unternehmen, sondern auch im privaten und
Seite 58 >> leben online
gesellschaftlichen Umfeld zu verbessern.
Das Schlagwort Web 2.0 wurde ähnlich wie
das Schlagwort Internet ursprünglich benutzt,
um einen neuen Satz von Internet-basierenden
technischen Komponenten zu beschreiben.
Die Bedeutung wurde anschließend auf Aspekte wie Benutzerverhalten, Infrastruktur,
Geschäftsmodelle, Sozialverhalten usw. erweitert. Web 2.0 ist keine Weiterentwicklung des
Internets, sondern eine andere Nutzung der
vorhandenen Infrastruktur.
Aspekte des Web 2.0 aus Sicht
des Benutzers
Im Folgenden werden einige Aspekte des Web
2.0 am Beispiel ausgewählter Anwendungen
und dem Benutzerverhalten im Vergleich zu
konventionellen Internet-(Web 1.0)-Anwendungen aus Sicht des Benutzers beschrieben.
Benutzer generieren die Inhalte
Im Web 1.0 wurden die Inhalte von Firmen
wie konventionelle Produkte erstellt und von
den Benutzern meist passiv genutzt. Die Interaktion beschränkte sich in der Regel auf das
Ausfüllen von vorgefertigten Formularen, zum
Beispiel um Waren zu bestellen. Im Web 2.0
werden die Inhalte weitgehend von den Benutzern selbst erstellt. Typisch für Web 1.0 ist zum
Beispiel die Enzyklopädie Microsoft Encarta,
während die Enzyklopädie Wikipedia ein typisches Web 2.0-System ist. Bei Wikipedia steht
dem Benutzer nicht nur eine Schnittstelle zur
Ansicht der Information zur Verfügung, sondern ein vollständiges Online-Autorensystem
zur selbständigen Erstellung und Aktualisierung der Information. Ein ethisches Regelwerk
sorgt für geordnete Nutzung und hohe Qualität der Enzyklopädie. Wikipedia nutzt die Web
2.0-Technik Wiki. Ähnlich ist im Mediabereich
Apple iTunes ein typisches Web 1.0-Angebot
mit kommerziell erstellten Inhalten, während
bei YouTube Inhalte vor allem von den Benutzern erstellt werden. Ein großer Teil der aktuellen Information wird heute in Blogs meist von
den Benutzern aber auch von kommerziellen
Medienunternehmen erstellt und verteilt. Im
Gegensatz zur E-Mail können Benutzer Blogs
selektieren, die Inhalte filtern und auch aggregieren wie zum Beispiel aktuelle Berichte über
eine Firma oder ein spezielles Produkt aus allen
Blogs der Welt in einem Blog zusammenfassen.
Blogs benutzen eine sehr einfache Form der
XML-Technologie, um Nachrichten und Dokumente logisch und nicht nur als formatierten
HTML-Text – wie bisher im Web 1.0 üblich –
darzustellen.
Zugriff zu Anwendungen wird unabhängig von Zeit und Raum
Web 2.0-Benutzer können über mehrere und
verschiedene Endgeräte – wie zum Beispiel
mehrere PCs (im Unternehmen und zu Hause) aber auch Mobiltelefone, Fernsehgeräte,
Spielkonsolen oder Kommunikationsanlagen
im Auto – auf ihre Informationen und Anwendungen im Web zugreifen. Web 2.0-Websites
bieten meist unterschiedliche und optimierte
Benutzerschnittstellen für PCs und andere Geräte an. Dabei wird nicht nur die grafische Gestaltung, sondern auch der Inhalt und die Navigation an die Fähigkeiten des Geräts angepasst.
Mobiltelefone wie beispielsweise das iPhone
von Apple werden nicht nur von Geschäftsleuten, sondern auch von privaten Benutzern im
Internet genutzt. Web 2.0-Anwendungen sind
nicht mehr an einen statischen Arbeitsplatz
mit Tisch und PC gebunden. Bei multimodalen Web 2.0-Sites werden anders als bei Web
1.0-Sites die Information (häufig im XML-Format), die grafische Darstellung und die Interaktion und Navigation streng getrennt. Damit
kann man Benutzerschnittstellen sowohl für
bestimmte Geräte aber auch für Benutzer mit
geringer Komplexitätsakzeptanz oder Behinderungen automatisch generieren.
Inhalte und Webseiten werden für und
vom Benutzer personalisiert
Während bei Web 1.0-Anwendungen für alle
Benutzer die gleichen Webseiten angezeigt wurden, werden bei typischen Web 2.0-Anwendungen die Webseiten und ihre Inhalte auch durch
den Benutzer an seine Bedürfnisse angepasst
(Abb.1).
Eine Web 2.0-Online-Zeitung wie die New
York Times erlaubt dem Benutzer, Themengebiete aus dem Angebot der Zeitung auszuwählen und täglich eine individuell für ihn zusammengestellte Zeitung (My Times) automatisch
zu beziehen. Es werden sogar Informationen
für Kinder gemäß Klassenstufen angezeigt!
Im iGoogle-Portal können Benutzer sich ihre
Webseiten aus vorhandenen Bausteinen, den
Gadgets, selbst gestalten. Google stellt dabei nur die Technologieplattform und einzelne Gadgets bereit. Der Großteil der Gadgets
wird von den Benutzern oder Firmen selbst
erstellt. Eine personalisierte Seite kann man
selbst in wenigen Minuten zusammenstellen.
Der Hauptaufwand besteht darin, geeignete
Gadgets auszuwählen und zu personalisieren,
indem man Daten – zum Beispiel Berlin als Ort
für die Klimaanzeige oder die Sprachen für die
gewünschte Übersetzung – auswählt. Google
und New York Times benutzen die Web 2.0Technologie Web 2.0-Portal, mit der personalisierte Websites ohne Programmierung erstellt
werden können. Alle großen Software-Anbieter
aber auch kleinere Firmen und Non-Profit-Organisationen bieten Web 2.0-Portale an, um die
Erstellung personalisierter Benutzerschnittstellen zu erleichtern.
Benutzer haben eine
oder mehrere Identitäten im Internet
Während der typische Surfer im Web 1.0 auf
Webseiten ohne Anmeldung (Login) anonym
zugreifen konnte, muss man sich für personalisierte Seiten im Web 2.0 anmelden. Man
kann ja keine personalisierten Dienste anbieleben online << Seite 59
Abb.1: Personalisierte iGoogle-Portal-Seite (Bildquelle: iGoogle)
ten, ohne den Benutzer zu kennen. Für den
Dienste-Anbieter hat das den unschätzbaren
Vorteil, dass der Benutzer und seine Präferenzen bekannt sind. Dies kann man unter anderem dazu benutzen, die eigenen Angebote zu
optimieren oder – wie häufig üblich – gezielte
Werbung anzubieten. Der Benutzer hat in der
Regel mehrere persönliche Identitäten wie beispielsweise als Arbeitnehmer, als Privatperson
oder als Bürger, aber auch mehrere anonyme
Identitäten für beispielsweise Versteigerungen,
Spiele oder Blogs und Konferenzbeiträge. Das
hat aber den wesentlichen Nachteil, dass selbst
wenig aktive Web 2.0-Benutzer meist mehrere
Identitäten und mehr als ein Dutzend Benutzernamen und Kennworte kennen und verwalten müssen. Dies ist im Moment eines der
wesentlichen Hindernisse, Akzeptanz von Web
2.0-Anwendungen speziell bei älteren Internetbenutzern zu finden. Dieses Problem könnte
durch eine allgemein benutzbare Identität ähnlich wie Single Sign-On in Firmen gelöst werden. Technische und rechtliche Hürden werden
Seite 60 >> leben online
eine akzeptable Lösung aber sicher noch mehrere Jahre verzögern. Web 2.0-Anwendungen
benötigen leistungsfähige Sicherheitssysteme,
um sowohl den Zugriff der Benutzer, als auch
die Verwaltung der Systeme sehr granular zu
gestalten. Bei Web 1.0-Anwendungen ist dagegen eine strikte Trennung von Benutzern, Inhalterstellern und Administratoren typisch.
Benutzer bilden Gruppen
und soziale Netzwerke
Die Unterstützung von Gruppen und Netzwerken im Web 2.0 hat wahrscheinlich den
größten Einfluss auf die Art und Weise, wie
das Internet in Zukunft genutzt wird. In Unternehmen wird die Bildung von Gruppen mit
gemeinsamen Ablagen, Web Meetings und
Kommunikation schon länger eingesetzt. Im
IBM Research Labor, Yorktown Heights wurde bereits 1978 eine Gruppenumgebung mit
Speichern und Anwendungen (Virtuelle Maschinen), Gruppenkommunikation (E-Mail,
Instant Messaging, integrierte Telefonie) sowie
eMeetings und eLearning, zum Beispiel mit
dem Massachusetts Institute of Technology
(MIT), genutzt. Allerdings kostete ein Arbeitsplatz damals etwa 200.000 US-Dollar im Jahr!
Die am weitesten verbreitete Groupware Lotus
Notes von IBM wird heute von 128 Millionen
Menschen weltweit benutzt. Das System bildet
ein Unternehmen, seine Organisationsstrukturen und den Bürobetrieb des Unternehmens in
einem lokalen Netz ab und unterstützt einfache Formen der Selbstorganisation in Projekten und Teams. Die Mitarbeiter und Gruppen
in den Unternehmen sind jedoch von anderen
Unternehmen abgeschottet und können nur
über E-Mail mit der Außenwelt kommunizieren.
Web 2.0-Anwendungen wie Covisint erlauben
im Gegensatz dazu die Bildung von Gruppen über Unternehmens- und Landesgrenzen
hinweg. Auch private Benutzer können meist
kostenlos Gruppen gründen und Daten und
Applikationen sowie vielfältige Kommunikationsmöglichkeiten gemeinsam nutzen. Gruppenmitglieder können sich zum Beispiel über
E-Mail, SMS oder Blogs benachrichtigen lassen, wenn wichtige Termine oder Dokumente
geändert werden oder – was meist für Jugendliche wichtiger ist – sich in der Gruppe auch mit
Sprache unterhalten. Mit Betriebskosten von 6
Euro/Monat kann man heute eine professionelle und mit 99,5 Prozent verfügbare Web 2.0Plattform für hundert Teilnehmer zum Beispiel
für eine kleine Firma oder einen Verein als Hosted Service mieten.
Inzwischen nutzen auch Nachrichtendienste (wie z.B. Focus) Systeme wie Twitter, um
kurze Nachrichten über SMS zu verteilen. Mit
Twitter Vision kann man den weltweiten Twitter Nachrichtenverkehr, der noch weitgehend
von Freaks dominiert wird, auf einer Weltkarte
verfolgen. Twitter kann auch über eine Sprachschnittstelle – zum Beispiel im Auto – bedient
werden.
In ganz andere Dimensionen der Interaktion
mit Gruppen kommt man bei Online-Spielen
wie World of Warcraft, über das man sich am
besten über User Foren informieren kann. Second Life ist nur eine, aber wahrscheinlich die
extern bekannteste von vielen virtuellen Welten, in denen die Besucher ganz wie im richtigen Leben ihren Tätigkeiten nachgehen und
auch mit Sprache miteinander kommunizieren
können. Die Datenströme solcher interaktiver
Spiele erfordern heute riesige Rechnersysteme,
die, zudem noch anders als Forschungsrechner,
ununterbrochen verfügbar sein müssen.
Die reale Welt wird mit der virtuellen
Welt des Web 2.0 verbunden
Die reale Welt der Dinge und die virtuelle Welt
des Web waren bisher für den typischen WebBenutzer streng getrennt. Allenfalls konnte
man die reale Welt mit Webcams besichtigen.
Im Web 2.0 wird auch die reale Welt in das Internet eingebunden. Im dünn besiedelten Finnland sind viele Haussprech- und Schließanlagen
schon seit Jahren vom Mobiltelefon oder vom
Arbeitsplatz-PC aus zu bedienen. Damit kann
auch bei Abwesenheit der Bewohner der Postbote die im Internet bestellten Pakete sicher
deponieren oder ein Handwerker das Haus betreten. Mit Diensten wie Jaiku kann man sehen,
wo sich Freunde mit ihrem Mobiltelefon oder
ihrem Auto gerade aufhalten und was sie gerade vorhaben, um sich an einem für alle günstigen Ort zu treffen. „Seriöse“ Internetbenutzer
werden diese Technologie im privaten Bereich
zunächst ablehnen. Wenn man jedoch damit
am Bildschirm zu Hause sehen kann, wann der
Schulbus mit den Kindern ankommt, könnte
das durchaus eine Überlegung wert sein, diese Technik zu nutzen. Ortsbezogene Werbung
(location based services) oder auch Dienste
wie Steuerung der Raumtemperatur im Haus
abhängig von der Entfernung der Bewohner
lassen sich damit realisieren. Damit kann man
speziell im Immobilien-Bestand weit größere
Einsparungen beim Energieverbrauch schnelleben online << Seite 61
ler und mit geringeren Investitionen erzielen
als mit aufwändigen Baumaßnahmen und alternativen Energien. Ob sich allerdings die Idee
durchsetzt, die Benutzerschnittstelle zum intelligenten Haus der realen Welt in der virtuellen
Welt zum Beispiel in Second Life nachzubilden,
wird sich zeigen (Abb.2).
Die pfiffigsten intelligenten Häuser findet man
übrigens nicht bei Universitäten oder Milliardären in den USA, sondern weltweit in Privathäusern von Softwareentwicklern. Die Zahl
der Benutzer, die ihre Stehlampe in Second
Life anmachen wollen, wird sich jedoch wohl
in Grenzen halten. Es kann jedoch durchaus
Sinn machen, dass sich Angehörige von älteren
Menschen über das Internet darüber informieren können, ob im Haus noch alles in Ordnung
ist. Dazu muss man keine indiskrete Webkamera installieren – auch die Anzeige des Stromverbrauchs einiger Geräte im Haus ist bereits ein
guter Indikator. Die Technik hierfür kann dank
drahtloser Datenübertragung einfach installiert
werden. „Ambient Assisted Living“ kann vorteilhaft in vielen Bereichen der sozialen Dienste
und Pflege sowie deren Organisation eingesetzt
werden, um nicht nur die Lebensqualität der
älteren Menschen, sondern auch die der pflegenden Familienmitglieder und Pflegekräfte
zu erhöhen. Der Verkauf, die Installation, der
Umgang und der Service immer komplexerer
Hausgeräte wird nur effizient möglich sein,
wenn es gelingt, ähnliche Konzepte der Fernwartung, wie sie bei Großsystemen und bei
PCs heute üblich sind, auch bei Haushaltsgeräten einzuführen. Wie schwierig es ist, solche
IT-Konzepte bei Millionen von Geräten fehlerfrei umzusetzen, müssen die Mobilfunkkunden
aber auch iPhone-Kunden des IT-Profis Apple
häufig beim Software-Update ihrer Geräte erfahren.
Innovation im Web 2.0
Da Web 2.0 keine grundlegend neue Technologie erfordert und selbst neue Betriebsformen
Seite 62 >> leben online
– wie das für den Betrieb großer Online-Service-Netze mit tausenden im Netz verteilten
Online-Rechnern notwendige Cloud Computing – aus vorhandenen Bausteinen zusammengesetzt werden, erfolgt die Entwicklung
des Web 2.0 organisch aus kleinen Ideen und
Prototyp-Systemen heraus. Große Firmen
oder Universitäten mit vielen Mitarbeitern und
großen Geldmitteln sind anders als bei vielen
anderen Innovationen nicht in einer besseren
Startposition als einige clevere Spezialisten, die
eine pfiffige Idee schnell und unbürokratisch
umsetzen können. Ähnlich wurde auch die
heute dominierende IT-Landschaft durch den
Personal Computer geprägt. Die PCs kamen
damals durch die Kinderzimmer in die Chefetagen der Firmen. An Universitäten wurden zwar
die Grundlagen von Web 2.0 vor etwa 20 bis
30 Jahren entwickelt, in der aktuellen Web 2.0Szene spielen jedoch Universitäten allenfalls als
Lieferanten von cleveren Studienabbrechern
für die neuen Erfolgsfirmen eine Rolle.
Die heute in der Wirtschaft und Politik üblichen
Formen der Innovationsforschung und Innovationsförderung sind bei dieser „Bottom up“-Innovation nicht anwendbar. Ein Wirtschaftsführer kann wahrscheinlich in einem Gespräch mit
seinen Kindern mehr über Web 2.0-Technologien und deren soziale Auswirkungen erfahren
als durch eine Beratung großer Consulting Firmen oder durch Besuch eines Innovationsseminars an einer Eliteuniversität. Dazu kommt,
dass die meisten Firmen die Mitwirkung ihrer
kreativen Mitarbeiter in geschlossenen Innovationsnetzwerken, in denen alle Mitglieder aktiv
Beiträge leisten müssen, nicht gerne sehen und
diese Mitarbeiter damit nicht auf dem höchsten
Stand der Technik sein können. Dies führt unter anderem dazu, dass die meisten großen Firmen Innovationen in Form von kleinen Firmen
zukaufen und nicht mehr selbst entwickeln. In
der IT-Industrie ist das seit langem üblich. Diese Tendenz wird zunehmend auch in traditionellen Industrien sichtbar.
Abb.2: Bankfiliale in Second Life (Deutsche Bank) (Bildquelle: Second Life)
Chancen und Risiken
Die Beherrschung und Durchdringung der
Web 2.0-Techniken wird für jede global agierende Hochtechnologieregion zu einer Schlüsselqualifikation. Obwohl in Deutschland 68
Prozent selbst der 50- bis 60-Jährigen das Internet nutzen (Quelle: Forschungsgruppe Wahlen 3Q 2007), sind fast alle Web 2.0-Benutzer
jünger als 40 Jahre. Das liegt sicher an mangelnden attraktiven Angeboten für Ältere aber auch
an fehlenden Kenntnissen im Umgang mit der
neuen Technik und deren Organisationsformen (Abb.3).
Während die SWR-Hörfunksendung „Das
Ding“ schon seit Jahren fast alle bekannten Web
2.0-Techniken für Dienstleistungen und Beteiligung ihrer jugendlichen Kunden bis zu 14 Jahren einsetzt, bietet die Stuttgarter Zeitung ihrer
älteren Leserschaft erst seit neuestem einige limitierte Online-Dienste und -Foren an, obwohl
sie einen recht guten Technologie-Informationsdienst für Privatpersonen pflegt. Praktische
Mitarbeiterschulungen oder VHS-IT-Kurse
zum Erlernen der Web 2.0-Techniken findet
man in Baden-Württemberg noch selten.
Web 2.0-Techniken wären für Schüler und Lehrer eigentlich ideal, um den eigentlichen Unterricht vorzubereiten und zu ergänzen. Da alle
Anwendungen und Daten im Netz verfügbar
sind und fast alle Schüler zu Hause PCs und
schnellere Internetanschlüsse als in der Schule haben, kann man auf die Anschaffung und
den Transport von Laptops in den Schulranzen
verzichten. Auch die Betreungslehrer, die an
der Schule in einer recht komplexen IT-Landschaft gegen Hardware, Software und veraltete
Netztechnik kämpfen, könnten entscheidend
entlastet werden.
Wie alle neuen Dinge kann auch das Web 2.0
eine unheimliche Faszination ausüben. Jugendliche in Deutschland sind oft zwischen vier bis
zu elf Stunden online. In Südkorea werden
auffällige Jugendliche (Spitzenreiter mit bis zu
17 Online-Stunden am Tag!) bereits zu Entzieleben online << Seite 63
hungskuren und Schulungskursen geschickt.
Man sollte aber nicht vergessen, dass auch Erwachsene mehr als elf Stunden im Auto, Büro
und zu Hause mit Telefon und PC online sind
und im Mittel eine E-Mail in weniger als zwei
Minuten beantworten. Auch hier können nur
Schulung, Erziehung und gute Vorbilder helfen.
horst henn
Horst Henn, Dr.-Ing.: Studium der Datenverarbeitung und Nachrichtentechnik an der Universität Stuttgart, Promotion. 1975 Eintritt
in das IBM Forschungs- und Entwicklungslabor in Böblingen. Ab
1982 Entwicklungsmanager für neue Produkte ab 1992 mit Schwerpunkt Pervasive Computing u.a. Unterschriftenprüfung (SIVAL,
Biometrie), Smartcard Software (Geldkarte, Gesundheitskarte/DIABCARD, OpenCard), Pervasive (IBM WebSphere Portal). Entwicklung und Lead Consultant bei der Einführung von Unternehmensportalen speziell in der Automobilindustrie. Entwicklung von
Zukunftskonzepten zusammen mit Kunden, z.B. G7 Healthcard/
DIABCARD (1995), Pervasive Bank der Zukunft (Funkschau Berlin
1997), Digitale Content Fabrik (Multimedia Showcase und Wireless
Car, CeBIT 2002). Seit 2006 selbständig als IT Technologie-Berater
für die Einführung und Nutzung neuer Portal- und Web 2.0-Technologien auch im Privat- und Non-Profit-Bereich.
[email protected] • www.portaleco.com
Abb.3: Altersverteilung der Benutzer einer typischen Web 2.0-Anwendung (Bildquelle: Hugo E. Martin, Oktober 2007)
Literatur
Burkhardt, J. et al., 2002: Pervasive Computing. London: Pearson. • Henn, Horst, 2007: Links LebenOnline. URL= http://www.mister-wong.de/rss/groups/
LebenOnline/ (20.11.2007) • Lange, Corina 2006: Web 2.0. zum Mitmachen – die beliebtesten Anwendungen. O‘Reilly: Köln. URL = ftp://ftp.oreilly.de/pub/
katalog/web20_broschuere.pdf (19.11.2007)
Seite 64 >> leben online
leben online << Seite 65
Astrid Beck
Hochschule Esslingen
leben online
im internet der zweiten generation
Anforderungen aus Sicht der Nutzer an heutige und zukünftige Anwendungen im Internet
Fast schon alltäglich für viele Menschen: E-Mail, Online-Shopping, Surfen im Web. Doch was ist davon
zu halten, wenn nun immer mehr Menschen rund um
die Uhr online sind, stundenlang mit bekannten und
unbekannten Personen Gespräche führen, Tagebücher online schreiben und private Fotos und Filme
vom letzten Urlaub oder persönliche Bookmarks
für alle sichtbar ins Netz stellen? Findet hier sozialer
Austausch statt oder eher asoziale Selbstdarstellung?
Hier soll der Frage nachgegangen werden, welche
Anforderungen an Webplattformen es gibt und wie
diese umzusetzen sind, um das Weberlebnis interessant und zufriedenstellend zu gestalten.
leben online << Seite 67
01
leben online
Ein neuer Rekord bei der Internetverbreitung
in Deutschland wurde aufgestellt: Erstmals
wurde 2007 die 40 Millionen-Grenze für die Internet-Nutzung durchbrochen. Laut der ARD/
ZDF-Online-Studie [2007] haben aktuell 40,8
Millionen Deutsche ab 14 Jahren Zugang zum
Internet. Zuwachsraten gegenüber dem Vorjahr
wurden vor allem bei den Frauen und den über
50-Jährigen ausgemacht. Mit 5,1 Millionen über
60-Jährigen sind erstmals mehr „Silver Surfer“
im Netz als 14- bis 19-Jährige (4,9 Millionen).
Was bewegt die Menschen im Netz? Welche
Services sind für private und berufliche Surfer
neben E-Mail und Online-Suche interessant?
Lernen, Arbeiten und Zeit
vertreiben im Web
Zunächst sind vor allem Videos und Audiodateien zu nennen. 16 Prozent der Onliner schauen sich via Internet mindestens einmal wö-
chentlich bewegte Bilder online an. Dies sind
fast doppelt so viele wie 2006 [ARD/ZDFOnline-Studie 2007].
Gespeichert werden diese auf Videoportalen
wie YouTube (die beliebtesten Videoportale
zeigt Abb.1).
Die Benutzer haben die Möglichkeit – neben
dem Up- und Download von Filmen –, sich mit
anderen Usern über die Inhalte auszutauschen
und diese zu bewerten. Man kann sehen, wer
gerade Bewertungen abgibt und welche Filme
gesehen werden. Dies sind wichtige Funktionen, die Nutzern das Gefühl geben, am aktuellen Geschehen teilzuhaben, nicht allein im Netz
zu sein und das Geschehen ein Stück weit mit
im Griff zu haben und es zu steuern. Die User
gestalten das Internet, auch vom Mitmachweb
oder sozialem Netzwerk (das sich durch soziale
Software erschließt) wird gerne gesprochen.
1. www.youtube.com
6. www.maxdome.de
2. www.myvideo.de
7. www.t-online.de
3. www.clipfish.de
8. www.my-video.de
4. www.youtube.de
9. www.clipfisch.de
5. www.sevenload.de
10. www.autsch.de
Abb.1: OnlineStar 2007. Kategorie Videoportale: die 10 beliebtesten Webseiten des Jahres
02
senioren im netz
In der Generation 50plus stieg der Anteil der
Onliner rapide an. Von den 50- bis 59-Jährigen
sind mit 64 Prozent mittlerweile nahezu zwei
Drittel (2006: 60 Prozent) online, unter den
Seite 68 >> leben online
sind vielfältig. Hard- und Software werden
immer benutzungsfreundlicher, die Technikkompetenz der älteren Generation nimmt zu.
Gleichzeitig werden aber auch die Ansprüche
größer. Die heutigen Senioren können sich vieles leisten, haben viel gesehen und konsumiert
und sind mannigfaltig interessiert, sie nutzen
ein breites Medienangebot und tauschen sich
mit Freunden und der Familie über ihre Erfahrungen aus. Dies müssen entsprechende Angebote berücksichtigen.
Gut gelungen ist das bei feierabend.de. Die
Webplattform feierabend.de – mit nach eigenem Bekunden mehr als 120.000 Usern – bietet
neben Werbung für Bestattungen jede Menge
Community- und interaktive Angebote und
nennt diese auch so. Den Begriff Senior gibt
es hier aber nicht, es wird stattdessen von den
„besten Jahren“ gesprochen. Stark nachgefragte Themen sind Partnersuche, Regionaltreffs,
Unterhaltung und Ratgeberangebote. Des weiteren kann man Bilder und Gedichte hochladen, shoppen und seine persönliche Seite ein-
ab 60-Jährigen (2006: 20 Prozent) jeder Vierte
[ARD/ZDF-Online-Studie 2007].
Die Gründe, warum sich immer mehr ältere
Menschen einen Internetanschluss zulegen,
02
richten. Die Schriftgröße ist mit einem Klick
veränderbar. Ein ähnliches Angebot bieten z.B.
Platinnetz, das Seniorenportal oder Seniorentreff (Abb.2).
Die Anforderungen der Generation 50+ werden zukünftig noch steigen. Personen, die
heute 40, 45 Jahre alt sind, haben den Internetboom voll mitgemacht, sind computeraffin
mit entsprechender Online-Kaufroutine und
haben Massen von technischem Gerät in ihren
Sakkos und Handtaschen, man denke an iPods
und iPhones, mobile Geräte jeder Art. ‚Always
on’ ist die Devise und Poweruser werden in
zehn Jahren dann mit über 50 ihre Computer
und sonstige Geräte nicht bei Ebay versteigern,
sondern Angebote wie Xing, MySpace und
Facebook neben E-Mail und elektronischem
Terminplaner ganz selbstverständlich weiternutzen. ‚Everything under control’ lässt sich
als weitere Anforderung hinzufügen, bei dem
(Über-)Angebot von Hard- und Software sollte
nie der Überblick und die Orientierung verloren gehen.
anforderungen an die bedienbarkeit
Neue Nutzergruppen, ältere Nutzer aber auch
Kinder und Gelegenheitsnutzer benötigen
spezielle Unterstützung bei der Benutzbarkeit
von Online-Angeboten. Aber auch der Normalnutzer möchte nicht auf Bedienkomfort
verzichten müssen. In einer Studie der DMC
(s. Internet World Business 22/07) geben die
Online-Nutzer an, dass sie sich beim OnlineShopping ein klares Shopdesign und ein einfach zu bedienendes System wünschen. Des
weiteren werden gewünscht:
• Preisvergleiche
• Anzeige des Liefertermins
• Prüfung des Bestellstatus
• Kundenbewertung lesen/schreiben
Diese Wünsche lassen sich einerseits dem Be-
dürfnis zur Interaktion und andererseits zur
Personalisierung, also zur individuellen Benutzerunterstützung zuordnen. Anforderungen,
die bereits genannt bzw. umschrieben wurden:
• Steuerbarkeit
• Selbstbeschreibungsfähigkeit
• Individualisierbarkeit
Diese Kriterien sind in der international gültigen Norm DIN EN ISO 9241 beschrieben,
diese beinhaltet außerdem:
• Aufgabenangemessenheit
• Erwartungskonformität
• Fehlertoleranz
• Lernförderlichkeit
leben online << Seite 69
04
Abb.2: Die Webplattform feierabend.de bietet Services für Senioren (Bildquelle: feierabend.de)
Seite 70 >> leben online
usability test:
anforderungen umsetzen und überprüfen
Unter Usability versteht man den Grad der
Benutzbarkeit einer Software, um anstehende
Aufgaben zufriedenstellend umzusetzen. In
der bereits erwähnten DIN EN ISO 9241 wird
noch konkreter definiert, wobei der Begriff
‚Usability’ mit ‚Gebrauchstauglichkeit’ übersetzt wird:
„Gebrauchstauglichkeit: Das Ausmaß, in dem
ein Produkt durch bestimmte Benutzer in einem bestimmten Nutzungskontext genutzt
werden kann, um bestimmte Ziele effektiv,
effizient und mit Zufriedenheit zu erreichen.“
(DIN EN ISO 9241-11)
Wichtig sind auf der einen Seite der Nutzungskontext, der beschreibt, wie und in welchem
Umfeld Benutzer ihre Ziele erreichen wollen
und auf der anderen Seite, dass die Ziele auch
wirklich erreicht werden und zwar schnellstmöglich. Außerdem sollen die Benutzer zufrieden sein mit dem, was sie mit der Software
tun.
Bereits während der Entwicklung von Software
– also nicht erst bei Projektende – sind daher
Usability Tests durchzuführen. Sie zielen darauf ab, Schwachstellen bei Prototypen und ersten Versionen aufzudecken. Leider wird dies in
Internetprojekten noch nicht immer gemacht,
aber wenn man Schwächen und Fehler schon
frühzeitig entdeckt, ist ihre Korrektur weitaus
kostengünstiger, als wenn Fehler erst bei der
Nutzung durch den Kunden gefunden werden.
Für den Test und die Bewertung kommen verschiedene Methoden in Frage. Zuvor sind die
Untersuchungsziele festzulegen, die mit dem
Test überprüft werden sollen. Anhand von
festzulegenden Bewertungskriterien und Testaufgaben wird dann mit ausgewählten Testern
und Testpersonen getestet. Abschließend sind
Tests auszuwerten und Handlungsempfehlungen abzuleiten.
Für die Tests reichen fünf bis acht Testpersonen aus, die Testaufgaben mit der Software oder
einem Webauftritt durchführen. Eine Aufgabe
kann zum Beispiel lauten „Kaufen Sie eine geräuscharme, umweltfreundliche Geschirrspülmaschine für einen 4-Personen-Haushalt“.
Testaufgaben sollen realistisch formuliert sein
und von den Testpersonen ohne weitere Hilfe
verstanden und durchgeführt werden können.
Anhand der Testaufgaben soll untersucht werden, wie lange die Testperson braucht, um die
Aufgabe durchzuführen, welche Schwachstellen gefunden und wie viele Fehler dabei gemacht werden. Außerdem von Interesse sind
die subjektive Einschätzung und Zufriedenheit
der Benutzer.
Die Dauer des Test sollte eineinhalb bis zwei
Stunden pro Person nicht überschreiten. Bei
dem Test sollte ein Testleiter und -beobachter
dabei sein, aber nur zur Einführung und Erläuterung des Tests, er sollte bei der Durchführung nicht helfen. Weitere Technik, wie
zum Beispiel Video, wird nicht benötigt, da sie
unnötig Geld und Zeit für die Auswertung der
Tests erfordert.
Es stehen eine ganze Reihe von Methoden für
Usability Tests zur Verfügung. Bereits dargestellt wurde die verhaltensbasierte Methode,
das heißt man überprüft das Vorgehen und
Verhalten von Testpersonen beim Surfen auf
der zukünftigen Webseite. Die Benutzer führen festgelegte Aufgaben aus, beispielsweise
„Finden Sie das Kontaktformular und stellen
Sie eine Anfrage bezüglich des Produkts ‚xyz‘ “.
Benutzer werden dabei beobachtet und im Anschluss interviewt und/oder darum gebeten, einen Fragebogen auszufüllen. Die Online-Hilfe
und das Handbuch können ebenfalls in den
Test einbezogen werden.
Nur durch ausreichende Tests mit den zukünfleben online << Seite 71
tigen Nutzern kann sichergestellt werden, dass
der Webauftritt „funktioniert“, das heißt bei
den Nutzern ankommt und zwar so gut, dass
sie gerne wiederkommen und das Angebot auch
05
gerne weiterempfehlen. Häufig wird neben den
vielen technischen Möglichkeiten bei der Umsetzung schlicht übersehen, dass es letztlich auf
die Zufriedenheit der Nutzer ankommt.
astrid beck
Astrid Beck ist Geschäftsführerin von GUI Design und hat eine
Professur an der Hochschule Esslingen inne. Ihre Beratungsund Lehrschwerpunkte sind die Gestaltung von Benutzungsoberflächen und Usability, Konzeption von Webprojekten sowie Methoden
und Verfahren für die Software-Entwicklung, wie zum Beispiel
Anforderungsermittlung und Test.
fazit
Das Internet der ersten Generation kommt in
die Jahre. Damit einher geht der Wunsch nach
Neuem, nach Modernität, mehr Komfort und
besserer Bedienung. Etablierte Anbieter werden ihre Webauftritte mit neuen Services anreichern müssen, zum Beispiel durch Kundenmeinungen und -bewertungen, wenn sie mithalten
wollen.
Kunden werden sich stärker einbringen wollen und können. Echte Partizipation bedeutet
dabei nicht nur, sich über Produkte zu informieren, sich über diese in Blogs auszutauschen
und Bewertungen zu schreiben, sondern auch
die Produkte direkt mitzugestalten. Ideen wie
beim neuen Fiat 500 werden Schule machen:
Online können die Benutzer über Aussehen
und Ausstattungsmerkmale mitbestimmen, die
Öffentlichkeit entwickelt am zukünftigen Auto
mit (FIAT500.com). Diese Grundidee lässt sich
auf viele Produkte übertragen.
Es lässt sich verstärkt beobachten, dass die
Medien nicht nur über neue Entwicklungen im
Web berichten, sondern gleich selbst einsteigen. Holtzbrinck kaufte Ende 2006 studiVZ
für einen fast dreistelligen Millionenbetrag und
Pro Sieben hält 30 Prozent von MyVideo. Medien und Mediennutzung verändern sich, über
das Web lässt sich beispielsweise das Fernsehprogramm mit Trailern und Ausschnitten bewerben, im Web kann man dann später über
das Gesehene seine Meinung abgeben und Sendungen bewerten. Zeitungen lassen zu ihren
Artikeln bloggen und drucken wiederum die
interessantesten Beiträge. Die Medien gehen
zusammen: Konvergenz statt Konkurrenz.
Verstärkt muss untersucht werden, welche
Nutzergruppen in Web 2.0 aktiv sind. Jugendliche nutzen MySpace, Studenten treffen sich
in studiVZ und ältere Nutzergruppen nutzen
mobile Services und Blogs? Ganz so einfach
ist es sicher nicht, bisher fehlen aber detaillierte
Untersuchungen, um Angebote noch genauer
auf die Kunden zuschneiden zu können. Mit
Sicherheit wachsen wird der Bedarf an mobilen
Lösungen.
Dazu kommen die Ansprüche an die soziale Kommunikation. Sozialer Austausch allein
über das Internet wird auch zukünftig den
meisten Usern nicht ausreichen, es werden also
auch zukünftig – vielleicht sogar noch mehr –
ergänzende Möglichkeiten für den Austausch
im realen Leben gefragt sein: Netzwerk- und
Regionaltreffen, Arbeitskreise, Chat- und Datingpartner, Teams wollen sich nicht nur online
sondern im echten Leben treffen und austauschen. Diese Treffen wiederum müssen organisiert und koordiniert werden, und das geht am
besten mit sozialer Software…
Astrid Beck ist Sprecherin des Fachbereichs Mensch-Computer-Interaktion der Gesellschaft für Informatik (GI) und Mitherausgeberin
von Web 2.0, HMD - Praxis der Wirtschaftsinformatik, Juni 2007.
Prof. Astrid Beck
Hochschule Esslingen
Fakultät Informationstechnik
Studiengang Softwaretechnik und Medieninformatik
Mensch-Maschine-Schnittstellen
Flandernstr. 101
73732 Esslingen
[email protected] • www.it.hs-esslingen.de
Literatur
ARD/ZDF-Online-Studie, 2007: URL = http://ard-zdf-onlinestudie.de/ (17.11.2007) • OnlineStar, 2007: URL = http://www.onlinestar.de/ (17.11.2007)
Seite 72 >> leben online
leben online << Seite 73
4.werbung
& pr
Björn Eichstädt: Das Agentur-Weblog Storyblogger
Wilfried Mödinger: Marketing to the Social Web
werbung & pr << Seite 75
Björn Eichstädt
Storymaker GmbH, Tübingen
das agentur-weblog storyblogger
Zwei Jahre im Web 2.0 – ein Erfahrungsbericht
Am 17. November 2005 startete die PR-Agentur
Storymaker aus Tübingen das Agentur-Weblog Storyblogger als Kommunikationsplattform. Seither
schreiben mehrere und wechselnde Autoren über
spannende Entwicklungen im Internet, Themen und
Fundstücke aus der Welt der Medien, vermitteln Sichtund Denkweisen der Agentur und berichten über
Metathemen, die für Kommunikations- und Medienschaffende von Interesse sind. Neben dem Aufbau
neuer Kontakte in der Medienwelt brachte das Web
2.0-Engagement auch Entwicklungen innerhalb
des Unternehmens und bei Kunden der Agentur in
Gang.
werbung & pr << Seite 77
Aus Amerika mitten
ins deutschsprachige Web
Anfang des Jahres 2005 wurde das Echo des
Weblog-Trends in den USA auch in Deutschland langsam hörbar. Leise noch, aber nach den
klassischen Early Adopters, die bislang fast unbemerkt von einer breiteren Öffentlichkeit ihr
Weblog auch hierzulande betrieben, sprangen
langsam auch Unternehmen auf den ins Rollen
geratenen Blog-Zug auf.
Auch bei Storymaker, einer heute 17-köpfigen PR-Agentur in Tübingen, tauchten immer wieder Links zu interessanten Themen
in E-Mail-Texten auf, die nicht auf klassischen redaktionellen Inhalt eines bekannten
Verlages verwiesen, sondern auf so genannte
„Weblogs“. Das erste „Online-Tagebuch“, das
unter den Mitarbeitern der Agentur eine kontinuierliche Leserschaft fand, war „Indiskretion
Ehrensache“ aus der Feder des HandelsblattJournalisten Thomas Knüwer (s. Literatur), der
regelmäßig über seine Erfahrungen mit PRAgenturen und Unternehmen im Redaktionsalltag berichtet.
Neben „Indiskretion Ehrensache“ fand sich
schnell ein ganzes Netzwerk an aktiven deutschen Bloggern, die die heimische, sogenannte
Blogosphäre bildeten. In den Bereichen Marketing / PR / Medien bestimmten der Werbeblogger Patrick Breitenbach (s. Literatur) und
der PR-Blogger Klaus Eck (s. Literatur) – beide
noch immer die Wortführer in ihren individuellen Bereichen – die inhaltliche Diskussion.
In einem ersten Schritt näherten wir uns der
Blogosphäre, die 2005 noch mit dem Web 2.0
gleichgesetzt wurde, indem via Kommentare
und Diskussion in fremden Weblogs ein Gefühl
für die Regeln und Gepflogenheiten in den Online-Tagebüchern, die mit ihren Lesern schnell
zu Communities wuchsen, erreicht wurde.
Der Wunsch und die Grundlagen
Nach einigen Monaten der Beschäftigung mit
der Blogosphäre wuchs bei Storymaker der
Seite 78 >> werbung & pr
Wunsch, mit einem eigenen Weblog im Web 2.0
aktiv zu werden. Gemeinsam mit einer PartnerWerbeagentur evaluierte Storymaker verschiedene im Internet verfügbare Weblog-Publishing-Systeme. Die Wahl fiel auf WordPress (s.
Literatur), ein international häufig eingesetztes,
auf der Skriptsprache PHP (s. Literatur) basierendes System, das als quelloffene Software
kostenlos zum Download verfügbar ist. Vor allem die leichte Anpassbarkeit der Software, die
Fähigkeit zur Integration von zahlreichen Plugins, die optische Basis von WordPress sowie die
sehr leichte Handhabbarkeit und Übersichtlichkeit bei der Editierung im Back-end (s. Abb.1)
der Software konnten überzeugen.
Als nächstes folgte die Suche nach einem Namen für das Weblog. Die Wahl fiel auf Storyblogger – für sich allein stehend und doch an
die Identität der hinter dem Blog stehenden
PR-Agentur Storymaker angelehnt. Als inhaltlichen Fokus definierten wir „PR- und Medienthemen in einfacher, anekdotenhafter Art
und Weise aufbereitet“. Einzelne Kategorien
wie „PR-Welt“, „Werbung“ etc. sollten einen
Rahmen für die Texte und deren Auffindbarkeit bilden. Außerdem war von Anfang an der
Einsatz von Fotos geplant. Am 17. November
2005 ging Storyblogger, angelehnt an die Optik der damaligen Homepage, mit dem Beitrag
„Storyblogger rising“ live.
Abb.1: Das Back-end des Weblog Publishing Systems WordPress ist einfach und übersichtlich.
Zielsetzungen
Von Anfang an ging es bei Storyblogger um
das Experimentieren mit dem Medium Weblog.
Als PR-Agentur wollte Storymaker für künftige
Aktivitäten für sich und die Agenturkunden im
Internet gerüstet sein. Ziele waren zunächst die
Verlinkung im Netz, die stetige Steigerung der
Besucherzahlen und die Schaffung einer eigenen Web-Identität für die Agentur, parallel zum
Homepageauftritt www.storymaker.de (Abb.2).
Außerdem fokussierte sich das Projekt auf
die Untersuchung von PR-Mechanismen und
Querverlinkungen zum Weblog, um die Popu-
Abb.2: Die Website von www.storymaker.de ist die Basis der Internetpräsenz der PR-Agentur.
werbung & pr << Seite 79
larisierung von Weblog-Angeboten zu testen.
Im Verlauf der zweijährigen Geschichte von
Storyblogger kamen weitere Ziele hinzu: der
Aufbau von Kontakten zu anderen Web 2.0Aktivisten, die Integration neuer Tools, die
Multimedialisierung des Weblogs sowie der
Aufbau eines Autorenstamms, der den Blickwinkel des Weblogs auf weitere Themen im
Medienumfeld erweitern sollte.
Umsetzung und
begleitende Bekanntmachung
Von Anfang an folgte die Arbeit mit dem
Weblog Storyblogger einer Doppelstrategie –
einerseits sollte interessanter Content für das
Online-Tagebuch erstellt und die Verlinkung in
der Blogosphäre vorangetrieben, andererseits
mussten das Tool und die aus seiner Anwendung gewonnenen Erkenntnisse auf breiterer
Basis bekannt gemacht werden.
Begleitende PR gehörte schon zu Beginn zur
Strategie des Weblogs. Direkt zum Start wurde beispielsweise eine Pressemitteilung an
PR- und Marketingmedien, aber auch an die
Agenturkunden verschickt. Auch die PR-nahen
Weblogs in Deutschland wurden mit dieser
Pressemitteilung über den neuen Mitstreiter in
der Blogosphäre informiert. Dies führte bereits
in den ersten zwei bis drei Monaten zu einer
Zugriffszahl von etwa 5000 Visits pro Monat;
eine Zahl, die kontinuierlich anstieg. Im März
2006 pegelte sie sich zwischenzeitlich auf etwa
20.000 Visits ein, um später auf 40.000 Visits
im Monat zu wachsen. Eine Zahl, die bis heute
– mit leichten Schwankungen – Bestand hat.
Externe Kommunikation zum Weblog wurde bald auf weitere Maßnahmen ausgeweitet:
Regelmäßige Aktionen im Blog bekamen Unterstützung durch breit versendete Presseinformationen, Kommentare und Interviews in
PR- und Marketingpublikationen unterstrichen
die Web 2.0-Expertise der Agentur. Darüber
hinaus kam es zu Seminaren und Vorträgen, in
denen das Thema immer wieder fokussiert wurde. Neben diesen Maßnahmen wurde die URL
www.storyblogger.de bei sämtlichen Kontaktinformationen von Storymaker – E-Mail-Abbinder, Visitenkarten, Briefpapier und natürlich
Homepage – ergänzt. Im Kunden-Newsletter
Storyletter wurde eine eigene Rubrik mit den
monatlichen Highlights des Weblogs eingeführt
und so zusätzliche Verlinkung erreicht (Abb.3):
Die Bloglights waren geboren.
PR ohne Content ist ein Unding: Deswegen
stand die Entwicklung der inhaltlichen Umsetzung von Storyblogger von Anfang an im
Zentrum der Bemühungen. Nach etwa einem
halben Jahr Alleingang mit nur einem Autor
Abb.4: Internationalität und Multimedialität prägen den Storyblogger nach etwa einem Jahr.
Abb.3: Die Website Bloglights ist fester Bestandteil des monatlichen E-Mail-Newsletters Storyletter.
Seite 80 >> werbung & pr
kamen zusätzliche Schreiber mit unterschiedlichen Ansätzen und inhaltlichen Kompetenzfeldern hinzu: Internationalität (Abb.4), Illustration, Technologie, Fotografie oder Multimedia
bildeten Schwerpunkte, die verschiedenen Experten zugeordnet waren. Sowohl in- als auch
externe Blogger bildeten schließlich das Storyblogger-Team, das nach etwa einem Jahr Ende
2006 ungefähr zehn Autoren umfasste und das
neben dem Schreiben viele weitere Aktivitäten
wie Fotografieren, Filmen von Videos etc. entwickelte.
Viel Arbeit und noch mehr Spam
Inhaltlich entwickelte sich Storyblogger kontinuierlich weiter. Doch wo im ersten halben
Jahr vor allem der Enthusiasmus über das neue
Medium vorherrschte, bei den angesprochenen
Fremdautoren, aber auch intern, stellten sich
ab dem ersten Jahr des Bestehens erste Ermüdungserscheinungen ein. Dass ein Weblog ein
kostengünstiger Selbstläufer sein könnte – damals ein wichtiger Punkt in der medialen Diskussion des Themas – stellte sich bald als Irrtum
heraus. Die Autoren mussten immer wieder von
werbung & pr << Seite 81
neuem motiviert werden, Kommentare von Lesern (deren Zahl auf bald 40.000 Visits anstieg)
trafen nur selten oder sehr unregelmäßig ein,
eine gezielte Community-Bildung und ein zusätzlicher Kundendialog verliefen eher zäh. Bis
heute hat sich die Zahl der Autoren wieder auf
zwei regelmäßige Schreiber reduziert, die von
sich aus die Motivation zum Verfassen von Artikeln entwickelt haben. Nach einer Hochphase
mit mehreren Beiträgen pro Tag, hat sich der
Blog inzwischen auf etwa ein bis zwei Beiträge
in der Woche eingependelt.
Außerdem hatte sich bald die internationale Spam-Versenderszene auf Weblogs eingeschossen: Zunächst war offenes Kommentieren an der Tagesordnung, ein Kommentar
generierte lediglich eine E-Mail an den BlogMaster, der daraufhin den hinterlassenen Text
überprüfte. Mit zunehmender Bekanntheit von
Storyblogger erreichten die durch Spam generierten E-Mails schnell eine Größenordnung
von mehreren Dutzend pro Tag, so dass der
Aufwand kaum mehr in sinnvoller Zeit zu bewältigen war. Deshalb musste das SpamfilterPlug-in Spam Karma (s. Literatur), das speziell
für WordPress entwickelt wurde, eingeführt
werden. Die Software hält bis heute tausende
von Spam-Kommentaren ab (s. Abb.5), ohne
dass diese zusätzliche Arbeit generieren.
Zum weiteren Schutz vor Spam mussten später zusätzliche Maßnahmen bei der Kommentierung eingeführt werden – etwa eine kleine
Rechenaufgabe, die der Kommentierer lösen
muss, bevor sein Kommentar online geht.
Aus dem Bloggen werden
Geschäftsentwicklungen
Die vielleicht wichtigsten Entwicklungen für
die PR-Agentur Storymaker sind heute aus dem
Weblog Storyblogger herausgewachsen. Die
positiven Erfahrungen mit dem Einsatz von
multimedialen Elementen, wie eingebundenen
YouTube-Videos und deren Wirkung, führte
2006 zur Einstellung eines Regisseurs, der mit
dem Aufbau einer Multimedia-Abteilung bei
Storymaker begann. Diese setzt heute im Auftrag von Kunden Internetvideos, Imagefilme
und kleinere Spots um.
Auch das Thema Fotografie ist für die Agentur
heute wichtiger denn je – einen Artikel zu illus-
trieren macht ihn interessanter – das hat Storymaker, bislang eine eher textlastige Agentur,
aus den Erfahrungen mit Storyblogger mitgenommen.
Durch die Weblog-Aktivitäten und deren Außendarstellung in der Presse und bei Veranstaltungen konnten außerdem interessante
Kontakte mit innovativen Menschen und Unternehmen geschlossen werden, die später zu
Umsätzen bei Storymaker führten und noch
führen werden. Auch bei bestehenden Kunden wächst das Bewusstsein für das Internet
– mit dem Wissen und den Erfahrungen aus
der Storyblogger-Arbeit kann Storymaker hier
rat- und tatkräftig zur Seite stehen, denn vor
allem die inhaltlichen Themen und Recherchen für die Blogbeiträge haben die Mitarbeiter
geschult und fit für das Zeitalter des Internets
als Leitmedium gemacht.
Storyblogger selber ist weiterhin ein Entwicklungsprojekt, das derzeit – nach viel hektischer
Aktivität in den vergangenen beiden Jahren –
etwas zur Ruhe gekommen ist. Derzeit denken
wir über einen Relaunch des Blogs nach, der
neue Ziele verfolgen und zukunftsträchtige Inhalte generieren soll. Denkbar wäre der Auftritt
als Schulungstool für Volontäre der Agentur
oder als Plattform zum gezielten Austausch
mit anderen Medienschaffenden. Die Möglichkeiten sind sicherlich vielfältig. Nur, auch das
haben wir gelernt: Ohne viel Arbeit und Engagement ist eine solche Web-Präsenz nicht sinnvoll gestaltbar.
björn eichstädt
Björn Eichstädt ist Geschäftsführer der auf die B2B-Kommunikation spezialisierten PR-Agentur Storymaker in Tübingen. Im November 2005 startete er das Weblog Storyblogger als erstes Web 2.0Instrument des Unternehmens, dem er seit sechs Jahren angehört.
Strategische Kommunikation, operative PR-Arbeit und multimediale
Ansätze gehören zu seinen Arbeitsschwerpunkten. Der studierte
Neurobiologe lebt privat in München.
[email protected] • http://www.storymaker.de
Weblog: http://www.storyblogger.de
Xing: https://www.xing.com/profile/Bjoern_Eichstaedt
Literatur
Abb.5: Spam-Kommentare übersteigen normale Kommentare schnell um mehrere Zehnerpotenzen.
Seite 82 >> werbung & pr
Blogspam – weitere Informationen: URL= http://de.wikipedia.org/wiki/Spam#Index-.2C_Link-.2C_Blog-_und_Wikispam (21.11.2007) • Indiskretion Ehrensache – Notizen aus dem Journalistenalltag von Thomas Knüwer: URL = http://blog.handelsblatt.de/indiskretion (21.11.2007) • PHP – weitere Informationen:
URL= http://de.wikipedia.org/wiki/PHP (21.11.2007) • Spam Karma – weitere Informationen: URL= http://unknowngenius.com/blog/wordpress/spamkarma/ (21.11.2007) • Werbeblogger: URL= http://www.werbeblogger.de (21.11.2007) • WordPress – weitere Informationen: URL= http://de.wikipedia.org/
wiki/Wordpress (21.11.2007)
werbung & pr << Seite 83
marketing
to the social web
Wilfried Mödinger
Hochschule der Medien, Stuttgart
Die Rolle von Web 2.0 im Marketing-Mix
Neue Medien oder ein neues Medienverhalten wie
zum Beispiel das Social Computing erfordern ein
neues Verständnis, wie dieses im Marketing von Unternehmen eingesetzt und genutzt werden kann. In
der Regel entwickeln neue Medien oder ein neues
Medienverhalten dabei ihre eigenen Gesetze und werden „irgendwie“ – in der Regel additiv – dem Marketing-Mix hinzugefügt. Bei der Vielzahl der Möglichkeiten im Social Web, vom klassischen Weblog bis
hin zu den Marketingaktivitäten mit Hilfe von Vlogs,
besteht die Gefahr, dass der Überblick über die Marketingaktivitäten durch Web 2.0 verloren geht. Um
dem entgegen zu wirken und systematisch Klarheit
im Blick auf die Fragestellung „Was bringen die Web
2.0-Aktivitäten für das Marketing und die PR?“ zu
erhalten, wurde im Rahmen des Innovationsprogramms Web 2.0 eine Expertengruppe eingerichtet,
die sich um eine Klärung der Rolle von Web 2.0 insbesondere von Weblogs im Marketing-Mix bemühte.
werbung & pr << Seite 85
das konzept der expertengruppe
Das Konzept der Expertengruppe bestand darin, mit Hilfe von vorstrukturierten Experteninterviews Erkenntnisse über die Rolle des Social
Web im Marketing-Mix zu gewinnen. Die Zusammensetzung der Expertengruppe bestand
aus Teilnehmern, die in folgenden Bereichen
tätig sind: selbstständige Beratungsagenturen,
Verlage, Multimedia-Unternehmen, Studierende, Medienschaffende aus dem Bereich TV, Audio und digitale Medien und andere.
Die Expertengruppe traf sich regelmäßig in
Abstand von vier bis sechs Wochen. Bei den
einzelnen Treffen wurde systematisch an der
Fragestellung gearbeitet, welche Möglichkeiten
für das Marketing und Public Relation durch
die Nutzung neuer Medien wie Web 2.0-Kommunikationsinstrumente gegeben sind. Um
möglichst an einer konkreten Aufgabenstellung
eine Bewertung dieser Fragestellung zu entwickeln, konzentrierte man sich vorwiegend auf
die Rolle des Weblogs im Marketing-Mix und
bei den PR-Maßnahmen.
das konzept der expertengruppe
Phase 1: Festlegung eines Fragenkata- Phase 2: Befragung von vier Experten,
loges für eine Expertenbefragung
die ein Weblog betreiben
In einer ersten Phase wurden die Kriterien für
eine Befragung von Experten festgelegt. Diese
bestanden vorwiegend darin, die Wirkung und
Einsatzmöglichkeiten von Social Software/
Blogs an konkreten Beispielen mit den Schwerpunkten „Wirkung, Strategie, Maßnahmen,
Hindernisse, Chancen“ festzustellen (s. Abb.1).
Es wurden vier Experten ausgewählt, die das
Marketing ihres Weblogs präsentierten: Dabei
handelte es sich um die Weblogs der Agentur
storymaker (www.storyblogger.de), „Die-Arbeit-der-Nacht“ in Zusammenhang mit einer
Buchveröffentlichung im Hanser-Verlag (www.
die-arbeit-der-nacht.de), das Fixing-Blog der
Fischerwerke (www.fixingblog.de) und das
1. WirkungWas haben die Blogs für das Marketing eines/r Unternehmens/Organisation
bisher gebracht? (besseres Ranking, Bekanntheit, neue Geschäftsfelder,
neue Produkte, CRM u.a.)
Welche positive Wirkung können Blogs für das Marketing bringen?
2. StrategieGab es eine Strategie?
Wie kann diese Strategie beschrieben werden?
3. MaßnahmenWas waren die Maßnahmen (Blog, Flickr, MySpace, Google Earth, Podcast
usw.) und wie haben diese Maßnahmen zusammen gewirkt?
4 Hindernisse,
Besonderheiten,
Chancen, Risiken
Ergaben sich bei der Einführung und Betreibung eines Blogs besondere
Hindernisse oder Herausforderungen? (Beispiel: Die Suche und Auswahl
von geeigneten Autoren ist das größere Problem als Geld oder Zeit.)
Abb.1: Kriterien für das standardisierte Experteninterview
Seite 86 >> werbung & pr
Pons-Blog der Ernst Klett Sprachen GmbH
(www.ponsblog.de).
Schwerpunkt der Analyse, die anhand eines
strukturierten Experteninterviews durchgeführt wurde, war die Frage nach der Funktion
von Marketing und PR – vor allem von Weblogs
– im Marketing-Mix. Die Interviews mit den
Experten wurden in einer Gruppe mit ca. 15
bis 20 Teilnehmern in einem ca. einstündigen
Interview durchgeführt. In einer anschließen-
den Diskussion wurden die Ergebnisse als Expertenmeinung zusammengestellt.
Phase 3: Formulierung und Diskussion
von Thesen als Ergebnis der Expertenbefragung
Die Mitglieder des Expertenkreises diskutierten gemeinsam Thesen im Blick auf die Wirkung und den Einsatz von Web 2.0/Blogs im
Marketing-Mix und Public Relation.
thesen: die rolle von web 2.0 im marketing-mix
Aus den Expertengesprächen wurden folgende
Thesen formuliert:
These 1: Kommunikation und Medien
Innerhalb der Kommunikation entstehen immer wieder neue Formen von Medien (Fax,
E-Mail, Blogs u.a.), durch die eine neue Art
von Kommunikation stattfinden kann. Die
Bedeutung der neuen Medien für die Kommunikation im Blick auf den Einzelnen und die
Gesellschaft erschließt sich vorwiegend aus der
aktiven Nutzung sowie deren konstruktiven
Reflexion im Rahmen der Kommunikationsund Wirtschaftswissenschaft.
Medien als „Transporteur von Kommunikation“ unterliegen als solche keinem Werturteil.
Medien sind „weder als gut noch schlecht“ zu
bewerten. Der Einsatz oder Gebrauch von Medien ist von der Funktion beziehungsweise dem
Nutzen abhängig.
These 2: Steigerung der
Wettbewerbsfähigkeit
Blogs bzw. Social Computing sind Medien bzw.
Instrumente zur Steigerung der allgemeinen
Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Ihre
Funktion im Blick auf die Steigerung im Absatzmarketing oder innerhalb der Verkaufsförderung ist zu diesem Zeitpunkt noch als be-
grenzt zu betrachten. Eine Wirkung im Blick
auf die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit ist
gegenwärtig durch Public Relations-Aktivitäten, eine stärkere Wahrnehmung in der Öffentlichkeit und durch eine Absatzförderung durch
redaktionelle Beiträge wahrnehmbar.
These 3: Anwendungs- und
Einsatzbereich
Der Einsatz von Blogs bzw. Social Computing
als Kommunikations- und Marketinginstrumente ist vielfältig und kann folgende Bereich
umfassen: Personalmarketing (Recruitment),
Public Relation Image, interne Wissenskommunikation und Wissensmanagement, Kundenbeziehungsmanagement CRM, Beschwerdemanagement, Anbahnung sozialer Kommunikation zum Beispiel durch Social Bookmarking, Rating, Information und andere.
These 4: Projekt oder kontinuierliche
Anwendung
Marketing durch Blogs oder Social Computing
kann im Rahmen eines begrenzten Projektes oder als eine kontinuierliche Anwendung
realisiert werden. Zeitbefristete Web 2.0-Projekte müssen eindeutig und klar durch das Marketing abgeschlossen und beendet werden (nice
exit).
werbung & pr << Seite 87
These 5: Wissensmanagement und
Beziehungsmanagement als Strategie
Die strategische Zielsetzung im Blick auf den
Einsatz von Social Computing/Weblogmarketing im Marketing-Mix besteht vor allem in
der Entwicklung von Beziehungen bzw. einer
Community. Social Computing-Anwendungen
können als Teile von Communities betrachtet
werden, deren Aufgabe darin besteht, „sich ins
Gespräch zu bringen“.
These 6: Redaktion und persönliche
Ansprache
Der Anreiz zum Austausch und zur Teilnahme
an Social Computing besteht in verschiedenen
Aktivitäten wie beispielsweise Themen setzen,
Authentizität der Teilnehmer, Kommunikationsstil, relevante Inhalte und eine persönliche
Ansprache bzw. Kommunikationsmöglichkeit,
die sich an den Wissensbedürfnissen der Teilnehmer orientiert.
munikationskanal zu verstehen, um darin einen
Werbe- oder Informationsdruck aufzubauen,
ist das Ende aller Social Computing-Aktivitäten, insbesondere der Blogosphäre. Damit ver-
ändert sich grundlegend die Aufgabenstellung,
mit denen sich Marketingexperten im Rahmen
des Marketing im Social Web konfrontiert
sehen.
These 7: Kommunikation und Ethik
Der Einsatz von Social Computing oder Aktivitäten des Weblog-Marketings im MarketingMix bedarf einer ethischen Reflexion. Diese
umfasst die Fragestellung, inwieweit die Kommunikation einen (nachweisbaren, individuellen) Nutzen für den Rezipienten stiftet, eine
Nachhaltigkeit erzeugt und auf der Basis von
Wahrheit und Wahrhaftigkeit beruht.
das klassische marketing-mix-verständnis
Die Arbeit der Expertengruppe war ein wesentlicher Bestandteil, die Funktion und Wirkungsweise von neuen Medien oder eines neuen Medienverhaltens wie zum Beispiel durch Social
Computing zu analysieren und im Blick auf
ihre Wirkung in bestehenden Marketingkonzepten zu bewerten. Dadurch wurde mit Hilfe
der Thesen ein konkretes Ergebnis gefördert.
Allerdings muss im Blick auf die gegenwärtige
Diskussion die Frage gestellt werden, ob das
Konzept des Marketing-Mix ausreichend ist,
um die Wirkung und den Nutzen von Marketingaktivitäten im Social Web abzubilden und
darzustellen. Das klassische Verständnis des
Marketing-Mix im Bereich der Kommunikationspolitik ist so zu verstehen, dass innerhalb
von verschiedenen Medien- oder Kommunikationskanälen bestimmte Aktivitäten mit bestimmten Kommunikationszielen geplant und
realisiert werden. Mit Hilfe der Medien- oder
Kommunikationskanäle wird ein bestimmter
Informations- oder Werbedruck aufgebaut
(vgl. Zielske 1969), der zu einer gewünschten
Seite 88 >> werbung & pr
Wirkung der Kommunikationspolitik im Marketing führt.
An diesem Punkt kann ein grundlegendes
Missverständnis entstehen, das zu einer Fehlinterpretation des Marketing im Social Web
führen kann:
Die Aktivitäten im Social Web lassen sich nicht
in dem Sinne verstehen, dass sie zu einem
Kommunikations- oder Medienkanal zusammengefasst werden können, durch dessen Hilfe
ein bestimmter Werbe- und Informationsdruck
aufgebaut werden kann, um bestimmte Marketingziele bzw. eine bestimmte Kommunikationswirkung zu erzielen. Das Social Web ist
kein Kommunikations- und Informationskanal, dessen sich Marketingfachleute in dem beschriebenen Sinne bedienen können. Marketing
mit Hilfe von Social Web-Aktivitäten geschieht
nach anderen Kriterien und Grundprinzipien.
Marketing to the Social Web geschieht in erster
Linie dadurch, dass Kommunikation angeregt
und gemeinsam durch die Initiative aller stattfindet. Schon allein die Idee, Web 2.0 als Kom-
Abb.2: Klassisches Verständnis des Marketing-Mix (vgl. Beck, Mödinger und Schmid 2006: 406)
marketing to the social web
Als Ergebnis der empirischen Überprüfung der
Rolle von Web 2.0 im Marketing-Mix durch eine
Expertengruppe und auf der Basis der Auseinandersetzung mit der bisherigen Literatur zu
dieser Thematik, lässt sich die These formulieren, dass das Marketing mit Hilfe von Web 2.0
einem anderen Verständnis beziehungsweise
Denken folgt als das klassische Marketingverständnis. Das grundlegende andere Verständnis
von Marketing beginnt beim Selbstverständnis
und der Rolle der Marketingfachleute selbst:
Die Aufgabe der Marketingexperten, die für
das Marketing in Unternehmen oder Organi-
sationen verantwortlich sind, beschränkt sich
nicht darauf, mit Hilfe einer kreativen Idee und
durch die Auswahl eines Kommunikationskanals den bestmöglichen Werbedruck im Blick
auf eine Zielgruppe aufzubauen. Vielmehr soll
Kommunikation in dem Sinne angeregt und
entwickelt werden, dass dadurch eine Einstellung entsteht, die zur positiven Meinung, zum
Kauf und zur Weiterempfehlung eines Angebots führt. Innerhalb der amerikanischen Sprache lässt sich dieser fundamentale Wechsel im
Selbstverständnis eines Marketingexperten mit
zwei Worten beschreiben: Marketingexperten
werbung & pr << Seite 89
sind nicht mehr ausschließlich die „broadcaster“, die ihre Werbebotschaft in verschiedenen
Medienkanälen „senden“ und damit einen Werbedruck aufbauen, sondern „aggregator“, die
Kommunikation anregen und kontinuierlich
weiterentwickeln.
Das Selbstverständnis des neuen Marketings
lässt sich wie folgt beschreiben:
Aspekte
Altes
Marketingverständnis
Neues
Marketingverständnis
Kommunikationswege
Channel
Community
Selbstverständnis
des Marketingexperten
Broadcaster
Aggregator
Marketingverständnis/
Mindset des Marketers
Aufbau eines Informations- und
Werbedrucks durch One-wayKommunikation innerhalb eines
Medienkanals
Aufbau von Beziehungen und
Vertrauen durch eine natürliche
dialogorientierte Kommunikation
Marktsegmentierung
Zielgruppen und Marktsegmente
werden nach sozio-demographischen Merkmalen eingeteilt
Kundengruppen kristallisieren sich
entsprechend von Werten, Verhalten und Kommunikation
Marketingziele
Beeinflussung von Zielgruppen
entsprechend der sozio-demographischen Einteilung
durch die Media-Planung
Einfluss der Zielgruppen entsprechend ihrem Kommunikationsverhalten
Top-down entsprechend der
Marketingziele und Segmentierung
Bottom-up entsprechend dem
Input aus der Kommunikation mit
dem Kunden
Strategie
Art der Kommunikation Broadcasting-Style: Botschaften
werden kreiert und innerhalb von
Medienkanälen „gesendet“
Interaktive Kommunikation, Einladung zum Dialog und persönliche
Bewertung durch den Kunden
Markenwert
Traditioneller Markenwert
„holy grail“
Vitaler Markenwert
durch die interaktive Kommunikation mit dem Kunden
Geschäftsmodell
Tausender Kontaktpreis (CPM):
share of voice, share of mind,
market share
Return on Investment (ROI):
Investment in das Marketing in
zukünftige Wachstumsfelder mit
messbarem Ergebnis
Seite 90 >> werbung & pr
Die Gegenüberstellung von altem und neuem
Marketingverständnis führt zu einer besseren
Wahrnehmung der Veränderungen und der
Anforderungen, die sich momentan grundlegend durch das Social Web ergeben. Die Gegenüberstellung stellt noch keine Lösung dar,
wie altes und neues Marketingverständnis sich
zu diesem Zeitpunkt miteinander zu einem
ganzheitlichen Marketing verbinden lassen. In
der Regel führt der Einsatz von einem neuen
Medium wie Web 2.0 oder die Nutzung von einem neuen Medienverhalten wie zum Beispiel
Social Computing im Marketing dazu, dass sich
die unterschiedlichen Formen der Kommunikationen eher ergänzen als ersetzen. Allerdings
geschieht diese Ergänzung nicht additiv, sondern im Blick auf die unterschiedliche Mediennutzung auf die Art und Weise, die den Besonderheiten der Mediennutzung – channel oder
community – entspricht. Man kann also an
dieser Stelle von einer integrativen Ergänzung
sprechen, ohne das Prinzip der Integration näher zu beschreiben. Ein besonderer Fokus der
zukünftigen Forschung könnte dabei auf dem
klassischen Issues Management liegen, das die
Rolle der Kommunikationsorganisation in Unternehmen von Public Relation und Kommunikationsmanagement gegenüber verschiedenen
Anspruchsgruppen generell zu klären versucht.
Im Blick auf eine pragmatische Vorgehensweise wird im Folgenden der Vorschlag für ein
Marketingprogramm dargestellt, der sowohl
das alte als auch das neue Marketingverständnis
umfasst. Entscheidend dabei ist die gewonnene Erkenntnis, dass Social Computing nicht als
Kommunikationskanal eingesetzt werden kann,
sondern als Kommunikationsgemeinschaft mit
dem Kunden stattfindet, die ihren eigenen Gesetzen folgt.
der “go to the market-plan”
Will man die Web 2.0-Marketingaktivität nicht
nur additiv dem bisherigen Marketingverständnis des Marketing-Mix hinzufügen – und damit letztendlich mehr Verwirrung als Klarheit
stiften –, dann muss sich das traditionelle Verständnis des Marketing-Mix einem umfassenderen Verständnis des „Marketing to the Social
Web“ konstruktiv zuordnen lassen.
Eine solche Zuordnung kann im Rahmen eines
Marketingplans realisiert werden. Viele Unternehmen setzen ihre strategischen Entscheidungen im Rahmen des operativen Marketingmanagements durch ein Marketingprogramm oder
einen Marketingplan um. Der Marketingplan
beinhaltet alle operativen Aktivitäten, deren
Einsatz zur Erfüllung der strategischen Zielsetzung im Marketing nützlich ist.
Das nachfolgende Modell folgt in der strategischen Zielsetzung dem Modell „Hierarchy of
Effects“. Das bedeutet, dass die Kommunikation mit dem potenziellen Kunden durch die
operativen Marketingaktivitäten im Blick auf
die bewusste Wahrnehmung, seine Kaufabsichten und Kaufeinstellungen sowie auf den
tatsächlichen Kauf und den Aufbau einer langfristigen Kundenbeziehung ausgerichtet ist.
Der operative Einsatz der Marketingaktivitäten
von „Channel and Community“ folgt also dem
Modell des Customer Lifecycle.
Neben dem Adressaten aller Marketingaktivitäten ist der Marketingplan eingebettet in die
Zielsetzung des Marketings. Marketingziele bestehen heute nicht mehr ausschließlich in dem
Erreichen von absatzpolitischen Vorgaben sondern auch im Aufbau des Markenbewusstseins
oder in der Steigerung des Mindshares. Die
Marketingziele sind beispielsweise für den beschriebenen Marketingplan in folgenden Bereiwerbung & pr << Seite 91
chen festgelegt: Steigerung der „Thought Leadership“, Steigerung der Nachfrage „Demand
Generation“, Steigerung der Verkaufszahlen
(Sales Force), Intensivierung der Kundenbeziehung.
Der abgebildete Marketingplan bringt zwei
grundlegende Erkenntnisse zum Ausdruck:
„Marketing to the Social Web“ findet nicht losgelöst innerhalb einer allgemeinen Corporate
Communication statt, sondern ist Bestandteil
eines Marketingplans. Innerhalb des Marketingplans ist das „Marketing to the Social Web“
dem klassischen Marketing-Mix vorgeordnet.
Auf diese Weise wird das „Marketing to the
Social Web“ innerhalb der Unternehmens-
funktion des Marketings verortet. Darüber
hinaus ist das „Marketing to the Social Web“
innerhalb eines Marketingplanes so eingebettet,
dass es zwischen einer klaren Zielsetzung – im
Rahmen der Formulierung von Marketingzielen – und der strategischen Überlegungen mit
Hilfe einer Marketingstrategie und den darauf
aufbauenden operativen Marketingaktivitäten
bestimmte, bei einer Zielgruppe zu erreichende Wirkungen erfüllt. „Marketing to the Social
Web“ findet auf diese Weise seine Zuordnung
zum Marketing-Mix und wird seiner Besonderheit als Kommunikationssphäre und nicht als
Kommunikationskanal dennoch gerecht!
wilfried mödinger
Wilfried Mödinger lehrt als Professor an der Hochschule der
Medien, Stuttgart, Schwerpunkt Medienmarketing, Medienwirtschaft
und an verschiedenen internationalen Hochschulen und Business
Schools, IBR Institute of International Business Relations, (Osteuropa/Ukraine), Visiting Professor an der Universidad de las America
(Puebla/Mexiko), Visiting Professor at Welingkar Management
Institute (Mumbai/Indien).
[email protected] • www.integriertes-marketing.com
www.360marketing-networt.com
Abb.3: Marketingplan: Go to the Market
Literatur
Beck, J., Mödinger, W. und Schmid, S., 2006: Marketing – Grundlagen und Instrumente. Haan-Gruiten. • Kirby, J. und Mardsen, P. (Hrsg.), 2006: Connected
marketing the viral, buzz and word of mouth revolution. Burlington. • Lavidge, R. und Steiner, G., 1961: A Model for Predictive Measurements of Advertising
Effectiveness. In: Journal of Marketing 10/1961: 61. • Röttger, U. (Hrsg.), 2001: Issues Management, Theoretische Konzepte und praktische Umsetzung. Eine
Bestandsaufnahme. Wiesbaden. • Wright, J., 2006: Blog Marketing. New York. • Rosen, E., 2002: The Anatomy of Buzz. New York. • Weber, L., 2007: Marketing to
the Social Web. How Digital Customer Communities build your Business. New Jersey Canada. • Zielske, H.,1969: The remembering and forgetting of advertising.
S. 175-181 in: Irwin, Homewood, Ill. et al.: Measuring advertising effectiveness.
Seite 92 >> werbung & pr
werbung & pr << Seite 93
erfolgsgeschichten
aus dem
web 2.0
social software im wissensmanagement 2.0. << Seite 95
1.innovationspreis
web 2.0
Christine Stumpf: Zweitgeist – Möglichkeiten zum Leben im Web
Markus Scheibenpflug: Die Demokratisierung des Fernsehens – Live WebTV
innovationspreis web 2.0 << Seite 97
Christine Stumpf
Zweitgeist GmbH, Hamburg
zweitgeist –
möglichkeiten zum leben im web
„Die Menschen verbringen immer mehr Zeit im Internet und integrieren es zunehmend in ihr tägliches
Leben. Es beeinflusst ihr Kaufverhalten, ihr soziales
Leben und ihre Hobbies, verbindet sie mit Freunden und Familie, kurz gesagt, es ist ein essentieller
Lebensbestandteil geworden“, so fasst der 8. Faktenbericht von tns Infratest seine Studien über die Nutzung des Internets zusammen.
innovationspreis web 2.0 << Seite 99
Die Möglichkeiten, die das Internet den Menschen bietet, deckt zunehmend viele ihrer Bedürfnisse. In den ersten Jahren erfüllte das Netz
vor allem Informationsbedürfnisse. Das Internet war dominiert von Business-Angeboten,
Produkt- und Unternehmensdarstellungen, die
wesentlichen Nachrichten-Portale waren Online-Abteilungen etablierter klassischer Medien. Web 2.0 stellt jetzt besonders Kommunikationsbedürfnisse, soziales Verhalten und
Beziehungen in den Mittelpunkt und bietet
den Menschen Möglichkeiten zur Partizipation
und Erstellung eigener Inhalte, wie sie vorher
noch nie dagewesen sind. Entertainment-Anwendungen gewinnen zunehmend an Gewicht,
die Nutzer nehmen ihre Chance wahr, Inhalte
selbst zu gestalten, zu veröffentlichen und ein
Teil des Schwarms zu werden. Ein wesentlicher
Aspekt von Web 2.0 ist der Perspektivenwechsel vom Geschäftlichen zum Privaten. Der
Mensch als Individuum, als Akteur und Gestalter steht dabei im Mittelpunkt.
warum web 2.0 bei nutzern gut ankommt
Viele Web 2.0-Anwendungen lassen erkennen,
welche Bedürfnisse zunehmend online erfüllt
werden können. Beispiel Social NetworkingAngebote: Sie zielen einerseits auf das Bedürfnis nach Gesellschaft ab, besonders deutlich
zeigt sich dies in den stark frequentierten Dating-Portalen, einer besonderen Form des Networking. Andererseits sind Networking und
Dating-Applikationen auch eine Möglichkeit
zur Selbstdarstellung. „Mein Haus, mein Auto,
mein Boot…“, so oder ähnlich stellen sich viele User-Profile in Networking-Plattformen dar.
Das ist sinnvoll, denn klappern gehört zum
Handwerk. Auch Blogs sind häufig selbstdarstellerisch motiviert. Ist die Darstellung einigermaßen unterhaltsam oder dramatisch, gewinnt
der Blog eine wachsende begeisterte Fangemeinde, in manchen Fällen kann man sogar
von Freundeskreis oder Netzwerk sprechen.
Die neuen Web-Akteure müssen sich einerseits
von der Masse abheben, andererseits finden
sich oft allein durch die Reichweite der Veröffentlichung im Internet viele Gleichgesinnte,
Neugierige und heimliche Bewunderer und damit die Zuordnung zu einer Peer-Group.
Zusammengefasst sprechen die Web-Anwendungen der zweiten Generation folgende Bedürfnisse an:
• das Bedürfnis nach Gesellschaft (im Sinne
vom Gegenteil der Einsamkeit),
• das Bedürfnis sich einzuordnen zu Gleichgesinnten, Peer-Groups und
• das Bedürfnis nach Selbstdarstellung (Eitelkeit, Status etc.).
Das ist der Grund, warum die Anwendungen
bei Internet-Nutzern so gut ankommen, sie erfüllen deren Bedürfnisse.
len Welten – möglich. Es gibt virtuelle Welten,
wie zum Beispiel „Second Life“, in denen Menschen über eine virtuelle Identität verfügen. Sie
leben in einer virtuellen und abgeschlossenen
Welt. Second Life begann als Spiel, für einige
Spieler ist die virtuelle zweite Welt und das
zweite Leben aber schon sehr real geworden.
Die Spieler können und dürfen nämlich selbst
Inhalte erstellen, Land kaufen, Immobilien bauen, Kleidung entwerfen usw. Das Leben in Second Life kann sehr aufwendig und zeitintensiv
sein. Für einige Spieler, die viel Zeit investieren,
ist das virtuelle Leben bereits zur wichtigsten
Einkommensquelle geworden. Sie handeln mit
virtuellen Gegenständen und verdienen damit
ihren realen Lebensunterhalt.
Betrachtet man das gesamte Internet als virtuelle Welt, stellt sich die Frage, wie die Präsenz der
Menschen in der großen virtuellen Welt dargestellt werden kann. Aus dieser Betrachtung
entwickelte sich die Idee zu einem Software-
programm, das die Menschen auf jeder beliebigen Webseite darstellen kann, der Avatar-Chat
zweitgeist.
Zweitgeist ist eine Software, die auf dem PC
installiert wird. Nach der Installation wählt
man einen Charakter aus einer Figuren-Palette
aus oder läd ein eigenes Bild hoch. Sobald man
den Browser startet und auf Webseiten surft,
ist man mit dieser Figur sichtbar. Der virtuelle
Charakter hat ein Namensschild, das ist mehr
Information als im realen Leben zur Verfügung
steht. Um zu kommunizieren, schreiben die
Teilnehmer Text in ihre jeweiligen Sprechblasen (Abb.1).
Die virtuellen Figuren können ihren Platz auf
der Webseite verändern, das heißt sie können
aufeinander zugehen, sich neben eine andere
Figur stellen oder von einer Figur weggehen.
Einige Figuren aus der Palette sind animiert,
sie können Bewegungen ausführen und damit
nonverbal kommunizieren. Zum Beispiel kön-
virtuelle welten und das internet
Betrachten wir nun die Webseiten – virtuelle
Plätze, alte wie neue – genauer und vergleichen
wir sie mit der Realität, fällt auf: Die Menschen,
die sich an virtuellen Plätzen aufhalten, sind
Seite 100 >> innovationspreis web 2.0
nicht sichtbar. Im Gegensatz zur Realität, wo
Menschen, die sich zur selben Zeit am selben
Ort aufhalten sehen können, war das bisher im
Internet nicht – beziehungsweise nur in virtuel-
Spacer.
Cl ap
Pu Hui
Devi ne
El vi s
JJ
Bri tney
Abb.1: Internet-Nutzer sind mit ihrem virtuellen Charakter auf der Webseite „slashdot“ repräsentiert
innovationspreis web 2.0 << Seite 101
nen sie winken, lachen, sich ärgern, gähnen und
jemandem Küsschen zuwerfen (Abb.2).
Zweitgeist verspricht, das Internet lebendiger
zu gestalten und hat bereits viele Nutzer aber
auch Kooperationen mit namhaften Unternehmen wie Lancia, Windows Live und IBM
gewonnen. Zweitgeist wird von der Gründerin-
itiative „unternimm was“ von Microsoft gefördert und hat mit der Software bereits mehrere
Preise gewonnen. Zweitgeist ist international
aktiv und in deutsch, englisch, italienisch, spanisch, portugiesisch, japanisch, französisch und
polnisch übersetzt.
christine stumpf
Christine Stumpf, geboren 1969, hat Wirtschaftsmathematik und
angewandte Kulturwissenschaften studiert. Nach dem Diplom hat
sie baden-württembergische Universitäten auf Messen begleitet. Sie
ist seit 1996 in Internet-Chats aktiv und hat 1999 ein erstes InternetUnternehmen gegründet. Ab 2001 war Christine Stumpf Geschäftsführerin für Marketing und PR bei der Softwareschmiede bluehands
GmbH. 2006 hat sie mit Dr. Heiner Wolf die Zweitgeist GmbH
gegründet und mit dem Avatar-Chat weblin bereits mehrere Preise
gewonnen.
[email protected] • www.weblin.com / www.zweitgeist.com
Jay Jay
Devi ne
Abb.2: Screenshot der Webseite how2date, besucht von den Zweitgeistern „Jay Jay“ und „Devine“
Seite 102 >> innovationspreis web 2.0
innovationspreis web 2.0 << Seite 103
Markus Scheibenpflug
Webzooms AG, Karlsruhe
die demokratisierung
des fernsehens
Live-WebTV erobert die Wohnzimmer
Die Demokratisierung des Fernsehens ist seit einiger
Zeit in aller Munde und wird als heiliger Gral der TVZukunft gesehen. Qualitativ minderwertige Sendungen, mangelnde Diversifizierung der Programme und
fehlende Integration der Zuschauer in die Sendungen
führen derzeit zusammen mit schier endlosen Werbeschleifen zu schwindenden Zuschauerzahlen.
innovationspreis web 2.0 << Seite 105
Hinzu kommen geradezu erdrutschartige Änderungen im Konsumverhalten der Zuschauer: Während der durchschnittliche Pro-KopfKonsum herkömmlichen Fernsehens stetig
sinkt, verbringt der Konsument zunehmend
Zeit im Internet und hier speziell vor bewegten
Bildern.
Diesem wohl nicht mehr umzukehrenden
Trend tragen die derzeit wie Pilze aus dem Boden sprießenden Video-Portale Rechnung. Die
hierbei gebotenen Inhalte beschränken sich
aber meist auf qualitativ fragwürdige, teilweise illegal mitgeschnittene und veröffentlichte
Videoclips, die zu beliebiger Zeit und beliebig
oft über den Browser am heimischen Computer angeschaut werden können (On-Demand).
Hierbei von einem adäquaten TV-Ersatz zu
sprechen, wäre aber mehr als vermessen. Minderwertige Qualität und kurze Laufzeiten können nicht durch die ständige Verfügbarkeit
und diverse Bewertungsmechanismen wieder
wettgemacht werden. Allerdings zeigt der anhaltende Erfolg der YouTubes dieser Welt, dass
die bislang klare Trennung von Produzent und
Konsument im TV-Umfeld im konkurrierenden
Internet nicht mehr gilt: Der Zuschauer wird
zum Produzenten und Dritte können wiederum daran partizipieren. Immer neue Mashups
(Re-Kombination bereits bestehender Inhalte
und Angebote) ermöglichen die Trennung und
das beliebige Zusammenfügen von Bild, Ton,
Abb.2: Live-WebTV-Show mit Video-Chat
Abb.1: Programmübersicht Webzooms.TV
Seite 106 >> innovationspreis web 2.0
Interaktion und auch Distribution der dabei
entstehenden neuen Mediengefüge.
Trotzdem fehlte bislang noch eine entscheidende Komponente. Denn erst die Möglichkeit,
nicht nur beliebige Medien zu einer TV-Show
zusammenzusetzen, sondern diese auch live
von jedermann jederzeit senden zu können,
macht dem Fernsehen, wie wir es heute noch
kennen, zusehends zu schaffen. Und wie fast
immer, wenn um eine Distribution von allen an
alle mit minimalem Aufwand geht, findet sich
die Antwort im Internet.
Denn die Zukunft des Fernsehens liegt in der
Tat im Internet. 24 Stunden am Tag und 365
Tage im Jahr können hier TV-Sendungen gesendet und empfangen werden. WebTV ermöglichte zwar schon bisher die Entkoppelung der
TV-Inhalte – wie Videos und Fotos – von der
starren Prozesskette Sendeanstalt und Fernseher, jedoch konnten bislang auch hier nur bereits vorproduzierte Konserven bereit gestellt
werden. Mit echtem Fernsehen hat dies noch
herzlich wenig zu tun.
Webzooms.TV, die Live-WebTV-Plattform der
Karlsruher Webzooms AG, ermöglicht nun
erstmalig die weltweite Ausstrahlung von echten Live-WebTV-Shows über das Internet. Diese Live-Shows können beliebige Medien wie
Videos und Fotos beinhalten, angereichert mit
einer Live-Moderation per Webcam und Web
2.0 typischen Interaktionen mit den Zuschauern, zum Beispiel für Expertenrunden (Abb.1).
Ein Breitband-Internetanschluss, ein Browser
und eine handelsübliche Webcam genügen.
innovationspreis web 2.0 << Seite 107
Mehr braucht es nicht, um selbst auf Sendung
zu gehen und ein Millionenpublikum anzusprechen. Denn jeder, der das Internet nutzt, ist
auch ein potentieller WebTV-Zuschauer.
Webzooms.TV ist der Mitmach-TV-Sender im
Web 2.0 und ermöglicht eine aktive Beteiligung
des Zuschauers an der Programmgestaltung
(User-generated WebTV), flankiert von interaktiven Zusatzfunktionen wie Text- und Video-Chat. Die Nutzer machen und wählen ihr
eigenes Programm, diskutieren innerhalb der
Live-Shows und werden selbst zu WebTV Produzenten, Moderatoren, Stars. Live-WebTVShows können dabei auch aufgezeichnet werden und stehen im Anschluss dem Publikum
als On-Demand-Angebot zu beliebiger Zeit
und an beliebigem Ort zur Verfügung (Abb.2).
Webzooms.TV sieht sich deshalb nicht als bloßer
Verwerter von medialen Konserven über das
Medium Internet. Webzooms.TV erweitert
vielmehr das heute übliche WebTV aus vorproduzierten Konserven um die Faktoren ´live´,
´interaktiv´ und ´User-generated´. Webzooms
versteht sich dabei sowohl als Enabler-Plattform für die Community als auch WhitelabelAngebot für Unternehmen. Damit ermöglicht
Webzooms erstmalig ein wirkliches Out-ofthe-box-Angebot für Live- und On-DemandWebTV. Hierbei hilft die kinderleichte Bedienbarkeit und Skalierbarkeit der hochmodernen,
gehosteten SaaS-Plattform (Software as a Service) enorm. Denn nur so kann sich Live WebTV für die breite Masse auf Dauer am Markt
durchsetzen. Und ermöglicht so endlich die
so dringend benötigte Demokratisierung des
Fernsehens.
markus scheibenpflug
Der 1964 geborene Markus Scheibenpflug ist bei der Webzooms AG
als Leiter Marketing und WebTV-Produktionen tätig. Davor war er
als VP Product Manager bei der update software AG in Wien für das
gesamte CRM-Portfolio verantwortlich. Weitere Karriere-Stationen
waren die Leitung des Produkt Marketings bei der Gauss Interprise
AG in Hamburg und bei der Brokat AG in Stuttgart, wo er als Consultant und Product Manager tätig war.
[email protected] • www.webzooms.de
Abb.3: Interaktive WebTV-Show mit Video-Chat
Seite 108 >> social software im wissensmanagement 2.0.
social software im wissensmanagement 2.0. << Seite 109
2.bweb
2.0 challenge
Christian Reinheimer und Oliver Moser: Mannschaftssportler auf dem Weg ins Netz
Peter Wagner: In alten Hasen steckt jede Menge Wissen
Andreas Walbert und Mirko Ross: Castogo – Der ortsabhängige Reiseführer
Noria Id Bellouch: beeloc – ein Social Network verbindet Reisende
Rainer M. Engel und Jonas Reinsch: Webbrain – Webbasierte Echtzeit-Kollaboration
Burkhard Hermann: Wiki-basiertes Wissensmanagement im Bürgerservice
bweb 2.0 challenge << Seite 111
Christian Reinheimer und Oliver Moser
SPIELERKABINE.net, Stuttgart
mannschaftssportler
auf dem weg ins netz
Unterstützung von Mannschaftssport durch vereinfachte Kommunikation
und Information mittels Online-Anwendungen
Kommunikation und Informationsbeschaffung verlagern sich zusehends ins Internet. Dort erfahren beide
neue Ausprägungen bzw. werden durch zusätzliche
Dienste sinnvoll erweitert. Dieser Trend wird durch
die weitreichende Verbreitung von Breitband-Internetanschlüssen ermöglicht und zieht sich langsam aber
sicher durch alle gesellschaftlichen Gruppen. Hiervon
profitieren kann auch der Mannschaftssport, der eine
besonders heterogene Zusammensetzung sozialer
Schichten aufweist. SPIELERKABINBE.net hat sich
zur Aufgabe gemacht, die entsprechenden Funktionen zur Unterstützung von Mannschaftssportlern
bereitzustellen.
bweb 2.0 challenge << Seite 113
01
gesellschaft online
Die gesellschaftlichen Veränderungen, die zugrunde lagen, als das Projekt SPIELERKABINE.net Ende 2006 geplant wurde, sind vor
allem Veränderungen in der Art und Weise,
wie Informationen gewonnen werden und wie
Kommunikation verläuft. Bedingt werden sie
von der zunehmenden Verbreitung von Hochgeschwindigkeitsinternetanschlüssen. Durch
diese hat eine breite Masse die Möglichkeit erhalten, komplexere Internetdienste zu nutzen,
was – damit direkt zusammenhängend – in einer
höheren Pro-Kopf-Internetnutzung resultiert.
Alleine in Deutschland sind laut der ARD/
ZDF-Online-Studie rund zwei Drittel der Bevölkerung im weltweiten Datennetz zugange.
Die Online-Nutzung pro Kopf lag Ende 2006
bereits bei 48 Minuten. Die Entwicklung setzt
sich fort: Die Zahl der Internetnutzer und die
Pro-Kopf-Online-Nutzung nehmen weiter zu.
Auch in der technischen Umsetzung von Internet-Anwendungen hat sich viel getan. Die
Open-Source-Bewegung in der Softwareentwicklung ermöglicht es, Internetanwendungen
02
zu realisieren, ohne teure Entwicklungssoftware anschaffen zu müssen.
Vom Bedürfnis zur Idee
Die Bedürfnisse des Amateursportbereichs, vor
allem im Mannschaftssport, sind uns geläufig,
da wir selbst aktive Mannschaftssportler sind.
Aus eigener Erfahrung wissen wir, wie kompliziert es teilweise ist, sich für Trainings und
Spielbegegnungen abzustimmen. Wir kennen
den Kommunikationsbedarf von Sportlern untereinander und zwischen Vereinen genauso wie
das Informationsbedürfnis nach möglichst aktuellen Ergebnissen der direkten Konkurrenten
und der nächst höheren oder niedrigeren Liga.
Unsere Idee war es daher eine Anwendung zu
entwickeln, die für diese Problemstellungen
eine Lösung bietet. Dabei sollte die Entwicklung stark am Nutzer orientiert sein und die
technische Umsetzung dem aktuellen Stand der
Technik entsprechen, um ein möglichst innovatives Ergebnis zu erzielen, das aber dennoch
von jedem in der Zielgruppe anwendbar ist.
definition der zielgruppe
Als Grundlage der Definition unserer Zielgruppe dienten die Mitgliederzahlen des Deutschen
Olympischen Sportbundes (DOSB) sowie die
Online-Studie von ARD und ZDF. Aus der
Kombination der beim DOSB verzeichneten
Sportler und den Daten zur Internetnutzung
von ARD und ZDF entstand eine aussagekräftige Darstellung der Zielgruppe (Abb.1).
Es gibt in Deutschland ca. vier Millionen registrierte Mannschaftssportler, die aufgrund der
Erfassungen zur Internetnutzung potenzielle
Online-Nutzer sind und sich in der relevanten
Seite 114 >> bweb 2.0 challenge
Altersgruppe befinden. Die Zielgruppe und
eine ausreichend große Zahl potenzieller Nutzer für die geplante Anwendung sind da. Dass
der Bedarf dafür vorhanden ist, wissen wir aus
unseren eigenen Erfahrungen im Breitensport
sowie aktuellen Entwicklungen im Internet.
Die Informationsgewinnung in Sachen Sport
findet zunehmend im Netz statt. Nun werden
auch die Inhalte immer öfter von anderen Internetnutzern generiert und nicht mehr nur redaktionell bestimmt.
Abb.1: Sportler im DOSB nach Altersgruppen sowie Anteil an Mannschaftssportlern und internetaffine Mannschaftssportler
(Quelle: DOSB Jahresbericht 2006, ARD Mediabasisdaten 2006)
03
eine neue art von sportportal
Die Sportportale, die es bis zum Start von
SPIELERKABINE.net gab, waren entweder
reine Ergebnisdienste ohne jegliche Interaktion
oder Sportseiten mit redaktionellen Inhalten,
die sich überwiegend mit Profisport beschäftigten. Im Bereich des Amateursports gab es nur
einfache Foren, in denen benutzergenerierte
Inhalte auftauchten.
SPIELERKABINE.net ist als Sportportal konzipiert, das Ergebnisdienst, Diskussionsforen,
Netzwerk und Verzeichnis mit Funktionen zur
Organisation zu einer einzigen Anwendung
kombiniert, die dem Amateursport ein virtuelles Zuhause bietet. Mit Inhalten von Sportlern für Sportler. Vom System so einfach und
benutzerfreundlich gestaltet, dass es von jedem
verwendet werden kann und trotzdem komplexe Möglichkeiten zur Selbstregulierung bietet.
Geplant sind für die Anwendung folgende Teile:
• Ein Social Network mit internem Nachrichtensystem, Themengruppen mit Foren und
sportspezifischen Benutzerprofilen als Basis.
• Ein Verzeichnis von Mannschaften und Vereinen, das mithilfe von geokodierten Daten
regionale Relevanz einfließen lässt.
• Ein Ligasystem, das den realen Spielbetrieb
in den Verbänden genauso wie Hobbyligen
abbilden kann.
• Weitreichende Möglichkeiten zur Berichterstattung durch die Benutzer in Wort, Ton
und Bild, erweitert um mobile Dienste.
• Umfassende Statistiken, generiert aus den
Daten des Ligabetriebs, die Spielern sowie
Trainern aufschlussreiche Informationen
über das Spielgeschehen und individuelle
Leistungen vermitteln.
• Ein Terminkalender zur Organisation von
Trainings, Spielbegegnungen und anderen
Terminen.
• Eine Turnierverwaltung für offizielle und inoffizielle Turniere.
Zu diesen „fachlichen“ Funktionen kommen
verschiedene Funktionen, die zur Steigerung
der Kommunikation innerhalb der Community
dienen sollten, um eine Anwendung zu erstellen, die durch ihre hohe Aktualität die Benutzer
ermuntert, sich immer wieder einzuloggen.
bweb 2.0 challenge << Seite 115
nissen der Anwender zu gestalten. Ein weiterer
wichtiger Punkt ist die Sicherheit. Da es sich
um personenbezogene Daten handelt, ist es uns
wichtig, jede mögliche Art von Sicherheitslücken zu vermeiden oder frühzeitig zu erkennen.
Entsprechende Tests und die Zusammenarbeit
mit Sicherheitsexperten sind daher ein absolutes Muss. Denn nur wenn die Benutzer das
Gefühl haben, dass ihre Daten in guten Händen sind, werden sie sich aktiv an einer Anwendung wie SPIELERKABINE.net beteiligen.
Technische Umsetzung
Die Umsetzung der Anwendung erfolgt mithilfe verschiedener Open Source-Lösungen.
Der Programmcode wird mit dem Ruby on
Rails-Framework entwickelt, das eine agile und
schnelle Entwicklung von stabilen Anwendungen gewährleistet. Die Benutzerfreundlichkeit
und das „Look and Feel“ der Anwendung
werden mit AJAX optimiert. Dabei wird mit
Eclipse-basierten Entwicklungsumgebungen
gearbeitet. Die Umsetzung der statistischen
Auswertungen erfolgt mit Adobe Flex, das als
Weiterentwicklung von Flash speziell für Online-Anwendungen konzipiert wurde. Damit ist
das Projekt nicht nur auf dem aktuellen Stand
der Technik, sondern mit der Kombination dieser Techniken bereits ein kleinen, aber bedeutsamen Schritt voraus.
Abb.2: Screenshot SPIELERKABINE.net Mannschaftsprofil
04
spielerkabine.net
Genau wie die Anforderungen an die Anwendung ist auch die Gründermannschaft gewachsen, um möglichst viele Kompetenzen im Team
zu vereinen. Mittlerweile zu fünft wird an der
Umsetzung, Bekanntmachung und Vermarktung des Projektes gearbeitet.
Im Moment sind große Teile der geplanten
Funktionalitäten fertiggestellt. Während der
Entwicklung – in Eigenregie – wurde die Funktionalität bereits an manchen Stellen über das
Geplante hinaus erweitert. SPIELERKABINE.
net präsentiert sich dem Benutzer als anwenderfreundliches Social Network mit umfassenden
Möglichkeiten zur Darstellung von Sportlern
Seite 116 >> bweb 2.0 challenge
und Mannschaften, zur Kommunikation und
zur Suche von Gleichgesinnten (Abb.2).
Funktionen zur Berichterstattung, Organisation und Statistiken sind bereits teilweise umgesetzt, befinden sich aber noch im Ausbau.
Vorgehensweise bei der Entwicklung
Bei der Entwicklung wird viel Wert darauf
gelegt, die Anwendung sinnvoll und benutzerfreundlich zu gestalten. Daher werden vor dem
Release neuer Features immer wieder Testphasen eingeschoben, in denen das Feedback
ausgewählter Benutzer eingeholt wird, um die
Anwendung so nah wie möglich an den Bedürf-
Abb.3: Regionale Suche nach gleichgesinnten Sportlern mit Hilfe der Landkarte
bweb 2.0 challenge << Seite 117
05
die ewige beta-version
Anwendungen wie SPIELERKABINE.net
können immer noch um neue Funktionen erweitert werden. Dies ergibt sich alleine schon
dadurch, dass man aktuelle technische Entwicklungen einfließen lässt. Auch einer der
Grundsätze von Web 2.0, die Integration verschiedener Endgeräte wie zum Beispiel Mobilfunkgeräte, spielt dabei eine Rolle. Daher
spricht man bei Anwendungen im Web 2.0 auch
häufig von der ewigen Beta-Version, also einer
Anwendung, die sich immer in der Entwicklung befindet, weil sie sich immer wieder selbst
neu erfindet. Auch uns ist es wichtig, immer
innovativ zu sein und nicht in der Entwicklung
stehen zu bleiben. Nur so liefern wir unseren
Benutzern das bestmögliche Angebot.
Im November 2006 initiierten Oliver Moser und Christian
Reinheimer gemeinsam das Projekt SPIELERKABINE.net.
christian reinheimer
Christian Reinheimer, Bachelor of Science in
Computerscience (FH-Darmstadt), Master of Arts in
Mediaauthoring (HdM Stuttgart)
Beschäftigung bei T-Systems und als freiberuflicher Entwickler
mit Schwerpunkt Internet- und Multimedia-Anwendungen.
[email protected] • www.spielerkabine.net
oliver moser
Oliver Moser, Diplom-Wirtschaftsingenieur (FH), Mediengestalter
für Digital- und Printmedien Fachrichtung Medienoperating
Freiberuflicher Entwickler und Berater für verschiedene Internetprojekte.
[email protected] • www.spielerkabine.net
Literatur
Abb.4: Der Spielbericht - Umfangreiche Berichterstattung für den Amateursport
Seite 118 >> bweb 2.0 challenge
Deutscher Olympischer Sportbund Bestandserhebung, 2006. • Frankfurt: Deutscher Olympischer Sportbund, 2006. • ARD/ZDF: 2007. URL = http://www.ard.
de/intern/basisdaten/onlinenutzung/onlinenutzung_3A_20zeiten_20und_20dauer/-/id=55190/1l98aso/index.html (29.03.2007) • Financial Times Deutschland, 2007: Internet läuft Fernsehen den Rang ab. URL = http://ftd.de/technik/medien_internet/:Internet%20Fernsehen%20Rang/276623.html (08.11.2007)
bweb 2.0 challenge << Seite 119
Peter Wagner
Wagnerwagner GmbH, Reutlingen
in alten hasen
steckt jede menge wissen
Wie eine Web 2.0-Anwendung unter alte-hasen.eu das Wissen von Senioren verfügbar macht
„Alte Hasen“ ist eine virtuelle Vermittlungsplattform
für Senioren. Unternehmen, die einen Spezialisten für
einen bestimmten Bereich benötigen, können hier nach
Ruheständlern suchen, die dieses Know-how noch
haben und ihr Wissen gerne zur Verfügung stellen.
bweb 2.0 challenge << Seite 121
„da kann ihnen keiner mehr helfen.“
Bei der über 40-jährigen Telefonanlage eines
alten Fabrikkomplexes waren die Techniker
der Telekom ratlos. Glücklicherweise konnte
ein pensionierter Mitarbeiter reaktiviert werden, der sich in der speziellen Konfiguration
der alten Firma auskannte und half, dass neue
Büros in der alten Fabrik an das Datennetz angeschlossen werden konnten.
Momentan können solche unersetzlichen Spezialisten nur über persönliche Kontakte, aufwändige Recherche, Weiterempfehlung oder
durch Zufall gefunden werden. Das will Wag-
nerwagner ändern und eine Informationsbasis
bzw. einen Marktplatz schaffen, von dem alle
profitieren können: zum einen die suchenden
Unternehmen und zum anderen die Senioren,
die ihr spezielles Wissen einbringen können
und das Gefühl haben, gebraucht zu werden.
Vor allem aber profitiert die Gesellschaft davon, dass künftig kein Wissen mehr ungenutzt
brachliegt. So können alle Alters- und Lebensbereiche an den Vorteilen von Web 2.0 partizipieren, auch diejenigen, die nicht einmal wissen, was Web 2.0 überhaupt bedeutet.
alte-hasen.eu
Auf der Plattform www.alte-hasen.eu können Ruheständler, die ihr Wissen weitergeben
wollen, ihr Profil eingeben. Das können ganz
unterschiedliche Kompetenzen sein: Techniker
können ihr Wissen über alte Maschinen anbie-
ten, Apotheker ihr Know-how im Umgang mit
Kunden und ehemalige Spezialisten können
ihre Erfahrungen in der Branche an Gründer
weitergeben.
peter wagner
web 2.0 im nicht-webaffinen umfeld
Für die in der Regel wenig Internet erfahrenen Senioren ist es aber nicht so einfach, mit
solchen Plattformen zurechtzukommen. Die
Angst, etwas „kaputt“ zu machen, versteckte
Kosten oder Datenschutzbedenken sind in dieser Bevölkerungsgruppe allgegenwärtig. Bei der
Entwicklung wurde daher darauf geachtet, die
Benutzung so einfach wie möglich zu gestalten
– trotz der vielen gesetzlichen Bestimmungen
zum Datenschutz, die genau dies erschweren.
Ein geläufiger Doppel Opt-in scheitert oft am
Spamfilter der FreeMailer – und der Senior
denkt, er hätte niemals eine Bestätigungsmail
erhalten.
Wenn jemand gar nicht weiter weiß, kann er
Seite 122 >> bweb 2.0 challenge
Abb.1: Screenshot www.alte-hasen.eu
sein Profil auch per Telefon angeben. Viele ältere Menschen haben das Internet aber längst
für sich entdeckt, die Computerkurse für Senioren boomen, und in diesem Jahr gab es laut
der ARD/ZDF-Online-Studie im Netz mehr
Über-60-Jährige als Unter-20-Jährige im Netz.
Die so genannten Silver Surfer erobern das Internet.
Klassische Anwendungen wie E-Mail sind
mittlerweile gelernt. Wenn die Web 2.0-Plattform dank Ajax das Look&Feel einer Software
vermittelt, auf verständliche Begriffe bei der
Benutzung geachtet wird und der Nutzer jederzeit informiert wird, was gerade passiert, werden die Benutzungsbarrieren effizient gesenkt.
Peter Wagner, Jahrgang 1975, ist Geschäftsführer der Werbeagentur
Wagnerwagner aus Reutlingen.
Vor seinem Studium lernte er bei der börsennotierten Transtec AG
in Tübingen die Unternehmensseite, deren Anforderungen und Bedürfnisse von innen heraus kennen. Seine berufliche Laufbahn führte ihn in die Bereiche Vertrieb, strategisches Marketing, New Media
und Investor Relations. Im Anschluss daran studierte er Betriebswirtschaft an der Hochschule Sigmaringen. Sehr schnell spezialisierte
er sich dort auf die interaktiven Medien und erkannte schon früh die
Bedeutung des Internets als zentrales Marketing-Instrument. 2003
gründete er zusammen mit seinem Bruder Marcus die Werbeagentur
Wagnerwagner. Mit ihrem neunköpfigen Team betreuen sie inzwischen namhafte Kunden wie den Sportbekleidungshersteller Reusch,
das Fraunhofer Institut IPA und den Deutschen Sparkassenverlag.
[email protected]
www.alte-hasen.eu • www.wagnerwagner.de
bweb 2.0 challenge << Seite 123
Andreas Walbert und Mirko Ross
Castogo GbR, Nürtingen
castogo –
der ortsabhängige reiseführer
Audiovisuelle Podcasts für die bedarfsorientierte Informationsbeschaffung
des modernen Globetrotters
Reiseführer sind out. Nicht erst der Verkauf des 1972
gegründeten Verlagshauses Lonely Planet an die BBC
zeugt von dieser Entwicklung. Der moderne Globetrotter informiert sich über das Internet – vor Ort
und in Echtzeit.
Hier setzt Castogo an. Über die Web 2.0-Community
für GlobetrotterInnen können sich Reisende nicht
nur auf ihre Reise vorbereiten. Vielmehr erlaubt es
die Konzeption des Portals, dass Reiseinformationen
direkt vor Ort abgerufen werden können.
Möglich wird dies durch den Einsatz von Geocasts.
Dabei handelt es sich um die logische Weiterentwicklung von Podcasts, die zu diesem Zweck mit einer
Georeferenz versehen werden.
bweb 2.0 challenge << Seite 125
01
castogo – idee und ziele
Der Einsatz von Podcasts als Reiseführer hat
gegenüber einem gedruckten Buch zahlreiche
Vorteile. Vergleichbar mit einer Audiotour in
einem Museum können sich die Reisenden
vollständig mit ihrer Umgebung auseinander
setzen. Genutzt wird dafür das eigene Endgerät
(beispielsweise iPod oder Smartphone).
Doch Castogo [Cast:to:go] bietet mit seinem
Web 2.0-Ansatz einen Vorzug: Erst die Integration des Endnutzers macht es überhaupt
möglich, dass Inhalte publiziert werden, die
auf spezielle Interessensgruppen zugeschnitten sind. Diese Inhalte kommen bei klassischen
Medienhäusern oft zu kurz, da es zu wenige
potenzielle Kunden gibt, die eine Produktion
02
rechtfertigen könnten.
Das Einsatzgebiet der Geocasts ist nicht nur
auf MP3-fähige Abspielgeräte begrenzt. So ist
mittelfristig eine Zusammenarbeit mit Herstellern von Navigationsgeräten denkbar. Inhalte
können direkt als aktive Wegpunkte abgespielt
werden. Geräte wie der Merian Scout oder der
Magellan Triton zeigen, dass der Trend bereits
in diese Richtung geht.
Außerdem ist eine Zusammenarbeit mit Mobilfunk-Service-Providern geplant. Beispielsweise
ist es möglich, Inhalte direkt auf GPS-fähige
Smartphones zu streamen, in Abhängigkeit
von den Interessensgebieten und dem aktuellen
Standort der Reisenden.
die community
Durch den Web 2.0-Ansatz bietet das CastogoPortal zahlreiche Interaktionsmöglichkeiten.
Durch Verknüpfen eines Podcasts mit einer
Geo-Information (Geo-Tag) entsteht ein Podcast mit einer geografischen Relevanz. Für
besondere Interessensgebiete bietet die Castogo-Community entsprechende Channels mit
eigenem RSS-Feed an. Außerdem können Podcasts auf der Castogo-Plattform noch mit Tags
versehen werden. (Abbildung 1 zeigt einen
Screenshot von der Eingangsseite zu Castogo.)
User können sowohl einzelne Wegpunkte als
auch ganze Trips mit einem Rating versehen.
Dieses Rating ist Teil des Qualitätskonzepts
von Castogo und soll zu einer Motivationsquelle für die Nutzer werden, qualitativ hochwertige Inhalte zu erzeugen.
Zielgruppe(n)-Überlegungen
Während Navigationssysteme bisher lediglich
für Enthusiasten mit Navigationskenntnissen
geeignet waren, hat das Angebot von kompakSeite 126 >> bweb 2.0 challenge
ten Geräten für den Einsatz im Straßenverkehr
die Verbraucher an den Umgang mit Navigationsgeräten gewöhnt. Gleichzeitig sind die Endgeräte benutzerfreundlicher geworden. Anstatt
Koordinaten zeigen die meisten Geräte heute
den Standort direkt auf einer digitalen Karte
an.
Spätestens die Konvergenz von Navigationsgerät und Mobiltelefon (wie im Nokia N95)
führt zu einem Einsatz der Geräte in der Breite.
Gleichzeitig scheint das Interesse für Navigationsgeräte stetig zu steigen. So ist etwa Geocaching, eine Art Schnitzeljagd mit dem GPSGerät, heute so verbreitet, dass man bereits
weltweit mit über 100.000 Nutzern rechnet.
Weiterhin ist die Zusammenarbeit mit Reiseverlagen und Reiseportalen vorstellbar, da die
Inhalte von Castogo per Mashup in andere
Services eingebunden werden können, genauso
wie es möglich ist, fremde Inhalte per Mashup
in Castogo einzubinden.
Abb.1: Screenshot der Castogo-Community
bweb 2.0 challenge << Seite 127
03
roadmap 2008 bis 2009
In den nächsten beiden Jahren soll der Prototyp in eine internationale Community überführt werden. Folgende Schritte sind dabei als
nächstes geplant:
• Going-Public der Community
„Castogo-beta“
• Erstellung von Premium-Content mit
Schwerpunkt „Baden-Württemberg“
andreas walbert
• Marketing-Kampagne (Präsenz auf
Touristik-Messen wie CMT)
• Weiterentwicklung der Community
• Gründung der Castogo AG
• Going-Public der Castogo-Community mit
einem öffentlichen und einem Premium-Bereich
Andreas Walbert, Diplom-Ingenieur
• Studium des Maschinenwesens, Universität Stuttgart (1993 2000)
• Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Zentrum Fertigungstechnik
Stuttgart (2000 - 2001)
• Projektingenieur Automation, Gebrüder Heller Maschinenfabrik GmbH, Nürtingen (2002 - 2004)
• Seit 2005 Leiter TrainingsCenter, Heller Services GmbH,
Nürtingen
• Seit 2006 Lehrbeauftragter Dienstleistungsmanagement,
HFWU, Nürtingen
• Seit 2007 Geschäftsführer bei castogo.com
[email protected] • www.castogo.com
mirko ross
Mirko Ross, Diplom-Ingenieur (FH)
• Studium an der Fachhochschule Nürtingen, Wissenschaftlicher
Mitarbeiter am Institut für Angewandte Forschung (IAF) in
Nürtingen, Bereich Internet, grafische Datenverarbeitung und
Geoinformationssystem (GIS/CAD/VRML) (1994 - 1998)
• Seit 1998 CIO bei Rahlfs+Ross Multimedia GmbH
• Nationale und internationale Vorträge, Lehraufträge und Moderationen zu Internet-Marketing, eBusiness und Open Source-Software (1998 - 2007)
• Seit 2005 Maintainer im Open Source-Projekt colamo.org
• 2007 ausgezeichnet für colamo.org im Bereich beste Lösung für
mobile Konvergenz durch den IT-Branchenverband BITKOM
• Seit 2007 zuständig für Informationstechnologien und Business
Development bei castogo.com
[email protected] • www.castogo.com
Literatur
Abb.2: Screenshot der Castogo-Community
Seite 128 >> bweb 2.0 challenge
Spiegel Online, 2007: BBC kauft Lonely Planet – für 100 Millionen Euro. URL = http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,508837,00.html (01.10.2007)
bweb 2.0 challenge << Seite 129
Noria Id Bellouch
beeloc Gbr, Stuttgart
beeloc - ein Social Network
verbindet Reisende im Web
marco polo und das web 2.0
Ein Auslandsaufenthalt darf mittlerweile in keinem
Lebenslauf mehr fehlen. So sehen das viele Personalverantwortliche und dafür sprechen eindeutige Zahlen, die die überragende Wichtigkeit von Mobilität
in Zeiten der Globalisierung herausstreichen: Um 41
Prozent ist die Anzahl der Auslandsstudenten weltweit zwischen 1999 und 2004 gestiegen. Die deutschen Studenten zeigen sich dabei besonders reisebegeistert: In einem Zeitraum von nur sechs Jahren
(1999 bis 2005) nahm ihre Zahl um 84 Prozent zu.
bweb 2.0 challenge << Seite 131
Es ist deutlich zu erkennen: Der Auslandsaufenthalt gewinnt immer mehr an Bedeutung und
wird zu einem festen Bestandteil einer Vita.
Schließlich schreiben Personaler dem Bewerber
mit längeren Auslandsaufenthalten besondere
Fähigkeiten zu. Eigeninitiative, gute Sprachkenntnisse, soziale und interkulturelle Kompetenz rangieren in den Bewertungen weit vorne.
Diese Eigenschaften kann man einem Menschen sicherlich zusprechen, der den Aufwand
an Planung und oft auch finanzielle Belastungen auf sich nimmt, der sich für einen längeren Zeitraum freiwillig von allem Gewohnten
trennt, Familie und Freunde hinter sich lässt,
um in der Fremde Neues kennen zu lernen.
Doch wer während seiner Studienzeit selbst ein
Auslandsstudium oder -praktikum absolviert
hat, der weiß, dass mehr dahinter steckt als die
Verbesserung der eigenen Chancen auf dem
Arbeitmarkt:
Der Auslandsaufenthalt ist eine spannende und
abenteuerliche Zeit, in der man neue Freunde
und viel Lebenserfahrung gewinnt. Eine Zeit,
von der man sein ganzes Leben lang zehrt und
erzählt. Auch der Weltenentdecker Marco Polo
hatte sicherlich nicht sein nächstes Vorstellungsgespräch im Hinterkopf, als er sich aufmachte, Asien zu bereisen. Doch was hat Marco Polo mit dem Web 2.0 zu tun?
Genau wie Marco Polo haben die Menschen
auch heutzutage das Bedürfnis, von Ihren Erlebnissen zu berichten, andere daran teilhaben
zu lassen und von den Erfahrungen anderer zu
profitieren. Wäre es damals möglich gewesen,
vielleicht hätte Marco Polo sein eigenes Blog
gehabt und wäre Mitglied bei beeloc geworden.
Mitglieder treten mit Menschen in Kontakt, die
sich für das gleiche Land, die gleiche Stadt, die
gleiche Hochschule oder für das gleiche Unternehmen interessieren. Sie lernen Menschen
kennen, die bereits im Zielland gelebt haben
oder sich zum selben Zeitpunkt dort befinden.
Dadurch erhält man Zugang zu drei unterschiedlichen Informationsformen (Abb.1).
1.Menschen, die bereits vor Ort waren, können
als Experte fungieren. Diese Mitglieder haben
ihren Aufenthalt detailliert beschrieben und ermöglichen damit den Vergleich, wie Menschen
ihre Anwesenheit am selben Ort auf unterschiedlichste Art und Weise gestaltet haben.
Dies kann als Inspiration für die Gestaltung des
eigenen Aufenthalts herangezogen werden.
beeloc – ein social network
mit fokus auf auslandsaufenthalten
beeloc ist ein soziales Netzwerk mit dem Ziel,
Menschen aus aller Welt zusammenzubringen,
die sich für einen Auslandsaufenthalt interessieren und sich über gemeinsame Vorhaben
und erlebte Abenteuer austauschen wollen. Die
Idee zu beeloc entstand bei der Planung eines
eigenen Auslandsaufenthalts in Jakarta, der
Hauptstadt von Indonesien. Dabei ließen sich
im Vorfeld eine Reihe von Informationen über
die Stadt ermitteln. Jakarta ist eine zehn Millionen Einwohner zählende Stadt mit permanen-
tem Verkehrschaos und gelegentlichem Smog.
Das Auswärtige Amt fügt hinzu, dass in Indonesien erhöhte Tsunami- und Erdbebengefahr
besteht und Seepiraten dort ihr Unwesen treiben. Das hörte sich zunächst nicht besonders
einladend ein. Die Meinung eines Menschen,
der bereits vor Ort war, musste her. Jemand,
der von seinen persönlichen Erfahrungen berichtet und für die Entscheidung und Planung
des Aufenthalts hilfreiche Informationen und
Tipps liefert.
grenzenloser austausch zwischen reisenden
So entstand die Idee, eine Community ins Leben zu rufen, die Erfahrungen zu den unterSeite 132 >> bweb 2.0 challenge
schiedlichsten Orten dieser Welt speichert und
den Kontakt zwischen den Reisenden herstellt.
Abb.1: beeloc - Verknüpfung von Menschen mit gemeinsamen Zielorten
bweb 2.0 challenge << Seite 133
2. Über Menschen, die aktuell vor Ort sind, gelangt man an aktuelle Informationen und kann
diesen Kontakt im Idealfall als erste Anlaufstelle vor Ort nutzen.
3. Das gemeinsame Ziel verbindet Reisende mit
Mitgliedern, die ebenfalls einen Aufenthalt zum
selben Zeitpunkt planen. Im Kollektiv können
Probleme und Hindernisse beseitigt werden –
und vielleicht auch schon erste Freundschaften
geschlossen werden.
noria id bellouch
Noria Id Bellouch, Dipl. oec., Gründerin der beeloc GbR, Stuttgart.
Ihr besonderes Interesse gilt der Usability und der Gestaltung der
Web-Oberfläche von Web 2.0-Applikationen. Die Begeisterung für
beeloc basiert vor allem auf ihren Erfahrungen während längerer
Auslandsaufenthalte in Marokko, Frankreich und Indonesien.
interaktivität und inhalte werden
groß geschrieben
beeloc war nicht explizit als Web 2.0-Projekt
geplant, hat sich aber aufgrund der vielen interaktiven Nutzungsmöglichkeiten zu einer
dynamischen Anwendung entwickelt. Das Ziel
ist, eine webbasierte Plattform für ein soziales
Netzwerk anzubieten, das Möglichkeiten der
Interaktion und Kommunikation unter den
Mitgliedern unterstützt. Innerhalb der Community sollen Informationen, die zu einem Ort
zur Verfügung stehen, diskutiert und bewertet
werden. Persönliche Erlebnisse anderer spielen
dabei eine wichtige Rolle (Abb.2).
[email protected] • www.beeloc.eu
beeloc ermöglicht seinen Mitgliedern, eigene Inhalte einzupflegen und anderen zu präsentieren,
Aufenthalte zu planen und im Kollektiv Probleme zu lösen. Techniken wie Tagging und Bookmarking helfen den Nutzern, Inhalte zu strukturieren und mit Metainformationen zu versehen.
Wichtigste Zielsetzung ist es, Reisebegeisterten eine interaktive Plattform anzubieten, auf
der sie mit viel Spaß und Engagement eigene
Erlebnisse beschreiben, mit anderen teilen und
von den Möglichkeiten eines internationalen
Netzwerks profitieren können.
Literatur
Abb.2: Alle Auslandsaufenthalte werden auf einer Weltkarte angezeigt
Seite 134 >> bweb 2.0 challenge
Statistisches Bundesamt, 2007: Deutsche Studierende im Ausland – Statistischer Überblick 1995 – 2005. Wiesbaden.
bweb 2.0 challenge << Seite 135
Rainer M. Engel
endime | ENGEL DIGITAL MEDIA, Kiel
Jonas Reinsch
selbstständig, Freiburg
webbrain
Webbasierte Echtzeit-Kollaboration
Dieser Beitrag stellt die webbasierte Mind MappingSoftware Webbrain vor. Es werden theoretische Ansätze diskutiert und technische Merkmale angeführt.
bweb 2.0 challenge << Seite 137
01
räumlich verteilte
ideenfindung / konzeptentwicklung
Wer – unabhängig vom Aufenthaltsort – mit
anderen Menschen zusammenarbeiten will,
dem bieten sich heute eine Vielzahl technischer Hilfsmittel an: (Mobil-)Telefon, E-Mail,
Instant-Messaging, um nur einige zu nennen.
Sobald die Zusammenarbeit konkret wird, also
beispielsweise in einer räumlich verteilten Arbeitsgruppe ein gemeinsames Dokument erstellt werden soll, stoßen die oben erwähnten
technischen Hilfsmittel an ihre Grenzen. So
kann das wechselseitige „Umher-Mailen“ verschiedener Dokumentenversionen bereits bei
drei Gruppenmitgliedern schnell unübersichtlich werden.
Einen Ausweg bietet hier spezielle Kollaborations-Software, verfügbar in unterschiedlichsten Ausprägungen von Wikis bis hin zu Google
Docs, der webbasierten Textverarbeitung von
Google.
Eines jedoch haben diese Kollaborationswerkzeuge gemeinsam: Sie eignen sich sehr
gut, um ein existierendes Konzept schriftlich
(und visuell durch Bilder begleitet) zu fixieren.
Bei der vorausgehenden Ideenfindungs- und
Brainstorming-Phase jedoch stoßen sie an ihre
Grenzen. Hier lohnt ein Blick auf üblicherweise bei räumlich nicht getrennten Arbeitsgruppen verwendete Medien.
Weit verbreitet ist beispielsweise das Whiteboard, eine einfache Tafel, auf die zunächst
relativ frei gezeichnet und geschrieben werden
kann. Diagramme, kleine Bilder und Stichpunkte lassen sich absolut frei und ohne das strukturelle Korsett eines linearen Textes miteinander
in Beziehung setzen, durch Pfeile verbinden
oder durch entsprechend vereinbarte Symbole
voneinander trennen.
Es gibt zwar Software, die die elektronische Erstellung derartiger Brainstorming-Diagramme
ermöglicht. Diese ist jedoch meist als traditionelle PC-Software, mithin also für den einzelnen Benutzer gedacht. Das zweite wichtige
Element des oben geschilderten Arbeitens am
Whiteboard, nämlich der lockere Wechsel des
jeweils Schreibenden bzw. Zeichnenden bis hin
zum gleichzeitigen Arbeiten (mehrere Mitglieder der Arbeitsgruppe zeichnen zur selben Zeit
auf die Tafel), ist mit diesen Programmen nicht
möglich.
Diese Lücke schließt die hier vorgestellte Software Webbrain: die elektronische Variante des
Whiteboards, geeignet für mehrere Benutzer,
die gemeinsam und gleichzeitig an einer Idee
oder einem Konzept arbeiten.
Gegenüber dem Whiteboard in der realen Welt
hat Webbrain jedoch einen wichtigen Vorteil: Die Teilnehmer der Arbeitsgruppe müssen nicht alle vor einer Tafel stehen, sondern
können über die ganze Welt verteilt an ihren
Arbeitsplätzen oder zu Hause sitzen – einzige
Voraussetzung ist ein Internetzugang sowie ein
moderner Browser.
02
online-mind mapping,
strukturiertes querdenken
Webbrain ist eine webbasierte Mind MappingSoftware, die Kollaborationen unterstützt. Mit
dieser Komponente entsteht eine sehr produktive Umgebung, in welcher im Austausch untereinander komplexe Zusammenhänge erarbeitet
und dokumentiert werden können. Hierzu liegen die von der Umgebung des Internets gegebenen Vorteile eindeutig auf der Hand. Durch
Verlinkung auf externe Seiten oder zwischen
Mind Maps können auf komfortable Weise logische Systeme erzeugt werden, welche keine
Begrenzung im Bezug auf Umfang und Vernetzung kennen.
Brainstorming vs. Mind Mapping
Der Vorteil im Vergleich zu handschriftlich verfassten Mind Maps liegt bei elektronischen un-
ter anderem in der klaren Struktur. Dabei ist bei
der elektronischen Variante eine Bildschirmauflösung üblicherweise breiter als hoch. Diese Raumaufteilung der Mind Map beugt dem
etablierten linkshemisphärischen und somit
linearen Denken vor, welches sonst von Hochkantformaten angesprochen würde, ähnlich der
Lesegewohnheit von links nach rechts.
Webbrain funktioniert ferner auch für reines
Brainstorming, also der assoziativen Gedankensammlung. Speziell dafür angepasst, wurden alle Benutzereingaben auf Plausibilität optimiert und höchst intuitiv konzipiert. So kann
der Anwender vorab Stichwörter sammeln und
diese in einem anschließenden Schritt vernetzen und strukturieren. Er hat also für jeden Arbeitsschritt ein ideales Werkzeug zur Hand.
Mindmapping
Brainstorming
Gedanken-Visualisierung
Echtzeit-Kollaboration
WebBrain
gemeinsam Ideen und Konzepte entwickeln
Assoziatives Denken
keine Installation nötig
automatische,
zentrale Speicherung
Abb.1: Node-Netz zu Webbrain (Bildquelle: endime)
Seite 138 >> bweb 2.0 challenge
bweb 2.0 challenge << Seite 139
03
Web(Brain) 2.0
Das visuell aufwändige Interface mit Echtzeit-Kollaborationseigenschaften wird durch
massiven Einsatz von AJAX (Asynchronous
JavaScript and XML) realisiert. Webbrain geht
dabei allerdings über gewöhnliche Web 2.0-Anwendungen weit hinaus.
Durch den Einsatz des XML-basierten Vektorgrafikformats SVG (Scalable Vector Graphics)
wird eine Benutzerschnittstelle geschaffen, die
in ihrer visuellen Fortgeschrittenheit bisher
nicht zu sehen war. Auf Serverseite wird das
Web 2.0-Framework Ruby on Rails eingesetzt.
Arbeitsgruppen können sich in Webbrain dynamisch finden: Jemand, der eine Mind Map
erstellt hat, kann andere Benutzer einladen,
ebenfalls an dieser mitzuarbeiten. Je nach dem
in der Mind Map behandelten Thema kann eine
Arbeitsgruppe also mit viraler Geschwindigkeit
wachsen.
Je nach Wunsch der Arbeitsgruppe kann der
erstellte User Generated Content auch öffentlich zugänglich gemacht werden, die Inhalte in
04
Form von vernetzten Mind Maps also beliebig
geteilt werden (Sharing).
Anforderungen
Webbrain ist eine der ersten Web-Applikationen, die sich von der überkommenen rein linear
textbasierten Benutzerschnittstelle der meisten
Web-Seiten und -Applikationen löst.
Einzige Voraussetzungen zur Benutzung sind
ein Webbrowser und ein Internet-Anschluss.
Dabei geht Webbrain über die Eigenschaften
von Desktop-Mind Map-Applikationen weit
hinaus:
• Gemäß dem Wiki-Prinzip können Maps
durch Hyperlinks beliebig miteinander verknüpft werden;
• Benutzer können in Echtzeit miteinander
kooperieren - egal wo sie sich gerade aufhalten, sehen sie unmittelbar die Änderungen,
die ein anderer Teilnehmer an der Mind Map
vornimmt.
Abb.2: Screenshot Webbrain
rainer matthias engel
Rainer Matthias Engel, Dipl. Digital Artist, studierte in Elstal,
nahe Berlin, digitale Medienproduktion mit dem Schwerpunkt
visuelle Effekte und Film-Compositing. Seit seinem Diplom im
Jahre 2006 ist er selbstständig tätig und in verschiedenen, thematisch verwandten Bereichen aktiv, unter anderem: Film-Restaurierung, VFX, Software-Konzeption und Design-Studien.
das produkt
Auch das Geschäftsmodell unterscheidet sich
von traditionellen Desktop-Applikationen.
Während bei letzteren meist eine relativ hohe
Lizenzgebühr auf einmal fällig wird, wird Webbrain als Service zur Verfügung gestellt, für
den – je nach Bedarf und der Anzahl von zur
Editierung berechtigten Benutzern – monatlich
bezahlt wird (Abb.2).
Die Kosten werden kalkulierbarer, der Administrationsaufwand sinkt beinahe auf null.
[email protected] • endime.de
Webbrain muss weder installiert noch upgedated werden. Nutzer besuchen stattdessen die
Webbrain-Webseite, um mit der jeweils aktuellsten Version zu arbeiten.
Auch müssen keine Backups gemacht werden. Diese Dienstleistung wird als Teil des
Webbrain-Services angeboten, der Server kann
zentral gesichert werden. Damit sinken die Gesamtkosten der Software (Total Cost of Ownership) in erheblichem Umfang.
jonas reinsch
Jonas Reinsch, Diplomand der Informatik in Karlsruhe, verfügt
über langjährige Programmiererfahrungen. Neben Web-Entwicklung
interessiert er sich unter anderem für mobile Software,
Data Mining und maschinelles Lernen.
[email protected]
Literatur
Brand, Stewart, 2000: Das Ticken des langen Jetzt. Frankfurt am Main: Suhrkamp. • Buzan, Tony und Buzan, Barry, 2005: Das Mind-Map-Buch. Die beste Methode
zur Steigerung ihres geistigen Potenzials. Heidelberg: mvg Verlag.
Seite 140 >> bweb 2.0 challenge
bweb 2.0 challenge << Seite 141
Burkhard Hermann
Amt für Bürgerservice und Informationsverarbeitung, Stadt Freiburg i. Br.
wiki-basiertes
wissensmanagement
im bürgerservice
Öffentliche Verwaltung und Web 2.0
Schnelle, kompetente und umfassende Auskunft
ohne lange Wartezeiten. Diesen Kundenwunsch
zu erfüllen ist im Bürgerservice besonders schwierig, weil das erforderliche Expertenwissen auf viele
Schultern verteilt ist. Das Wiki-basierte Wissensmanagement im Bürgerservice, kurz WiWiB, macht dieses Wissen in Baden-Württemberg zu einem in den
Bürgerämtern allgemein verfügbaren Gut.
bweb 2.0 challenge << Seite 143
was ist wiwib?
Ein Großteil der Kundenkontakte einer Kommunalverwaltung findet Tag für Tag in den
Bürgerämtern der Städte und Gemeinden statt.
Vielfältige Dienstleistungen von A wie Anmeldung bis Z wie Zulassung eines Fahrzeugs werden dort erbracht. Die Bediensteten können
nicht lückenlos über das hierfür erforderliche
Wissen verfügen. Es müssen ihnen deshalb
alle notwendigen Informationen bereitgestellt
werden, um diese Dienstleistungen in der gewünschten Qualität und der zur Verfügung stehenden Zeit erbringen zu können. Dafür muss
Wissen unterschiedlicher Herkunft organisiert
werden und effizient abrufbar sein.
Die Verfügbarkeit und Pflege dieser Informationen ist bisher von Verwaltung zu Verwaltung
unterschiedlich. In einigen Fällen wurden bereits in der Vergangenheit DV-gestützte Systeme eingesetzt. Bei der Stadtverwaltung Freiburg
war dies beispielsweise ein Auskunftssystem,
basierend auf MS Access, das jedoch aus strategischen Gründen (Plattformabhängigkeit) bis
Ende 2007 abgelöst sein muss.
Inhalte oder Quellen dieser Informationssysteme sind oft die gleichen. Eine gemeinsame Lösung zu realisieren und sich den Entwicklungsund Pflegeaufwand zu teilen, ist naheliegend.
Ein Wiki, das von öffentlichen Verwaltungen in
Baden-Württemberg gemeinsam als Wissensplattform genutzt und bearbeitet werden kann,
ermöglicht dies behördenübergreifend (Abb.1).
Zusätzlicher Anreiz: mit der frei verfügbaren
Software MediaWiki entstehen hierfür keine
Lizenzkosten. Der Betrieb erfolgt auf einem
Webserver, der durch die Kommunale Informationsverarbeitung Baden-Franken bereitge-
stellt wird und in die zum öffentlichen Internet
abgesicherte Infrastruktur des Landesverwaltungsnetzes Baden-Württemberg (LVN) eingebunden ist.
was kann wiwib?
Ziel des Wiki-basierten Wissensmanagements
im Bürgerservice ist in erster Linie ein einziger
und übersichtlicher Zugangskanal für die Mitarbeiter zu den Daten, die sie für ihre Aufgabenerledigung benötigen. Langes Suchen nach
Paragrafen, Verordnungen und aktuellen Informationen soll durch einige wenige Klicks ersetzt
werden. Immerhin, so zeigen Erfahrungswerte
der Stadt Freiburg, hat jeder Beschäftigte im
Bürgerservice in der Vergangenheit im Durchschnitt rund eine Stunde pro Woche mit der
Informationsbeschaffung zugebracht.
Spezialistenwissen ist gerade in den großen
Städten in vielen Bürgerämtern im Land BadenWürttemberg für viele einzelne Wissengebiete vorhanden. Diese Experten der beteiligten
Kommunen bringen ihre jeweiligen Schwerpunkte ein und veröffentlichen sie im WiWiB.
Ihr Wissen steht somit nicht nur den Kollegen
ihrer Kommune beziehungsweise in ihrem un-
mittelbaren Arbeitsumfeld zur Verfügung. Alle
Beschäftigten der Verwaltungen mit Zugriff
auf WiWiB können diese Informationen nutzen. Insgesamt kann so ein Qualitätszuwachs
bei der Informationsbereitstellung erreicht
werden, der die Möglichkeiten jeder einzelnen
Verwaltung bei weitem übersteigt. Gerade kleinere Kommunen werden sogar erstmals über
ein entsprechendes Informationsangebot verfügen können.
Und die Inhalte des WiWiB wachsen in Umfang
und Anzahl. Die Beschäftigten, die Tag für Tag
Bürgerkontakte haben, erkennen am besten,
welche Informationen von den Kunden nachgefragt oder zur Sachbearbeitung benötigt werden, aber noch fehlen. Entweder formulieren
sie im WiWiB einen entsprechenden Informationsbedarf oder sie dokumentieren dort ihre eigenen Rechercheergebnisse und stellen sie auf
diese Weise allen Nutzern zur Verfügung.
für wen ist wiwib gedacht?
Abb.1: Screenshot WiWiB
Seite 144 >> bweb 2.0 challenge
Im WiWiB sollen keine Informationen verwaltet und gepflegt werden, die an anderer Stelle
im Internet bereits verfügbar sind. Hier reicht
ein Link ins Word Wide Web. Aktueller und
zuverlässiger als auf den Seiten des Außenministeriums werden die Daten der ausländischen
Botschaften in der Bundesrepublik beispielsweise sicherlich nirgends gepflegt.
Größtenteils besteht das Angebot daher aus
Informationen, die für Personen außerhalb
des Bürgerservice nicht zugänglich sein sollten. Dazu gehören Arbeitsanweisungen, Ausführungsvorschriften oder Informationen
beispielsweise zur Identifizierung von Urkundenfälschungen und vergleichbare Hinweise.
Daher ist WiWiB ausschließlich für die Behörden verfügbar, die Zugang zum LVN haben. Inhalte, die auch für die Bürger relevant sind, stehen schon heute unter www.service-bw.de oder
auf den Internetseiten vieler Kommunen bereit.
bweb 2.0 challenge << Seite 145
wo stehen wir?
WiWiB ist ein Versuchsballon, der sich zur
Begeisterung der Initiatoren schneller entfaltet und ausgedehnt hat, als zu erwarten war.
Der Aufbau einer solchen Datenbasis erfordert aber Zeit. Die finanzielle Förderung im
Rahmen der „BWeb 2.0 Challenge“ durch die
MFG Baden-Württemberg mbH konnte einen
entscheidenden Beitrag leisten, innerhalb weniger Wochen ein in der Praxis anwendbares
Produkt vorweisen zu können. Denn bei aller
Motivation der Beteiligten mussten die analogen Grundinformationen erst einmal digital
verfügbar gemacht werden. Hierzu war die
Bereitstellung zusätzlicher Arbeitskapazität für
die Datenaufbereitung und -erfassung, die aus
diesen Mitteln finanziert werden konnte, ein erheblicher Beschleunigungsfaktor.
Überraschend schnell waren alle Beteiligten bereit, sich der Gedankenwelt eines Wikis zu öff-
nen. Regeln wurden, entgegen aller ursprünglichen Pläne, auf ein Minimum beschränkt bzw.
erst gar nicht aufgestellt. Die Projektkommunikation hat innerhalb kürzester Zeit weitgehend
im Wiki stattgefunden. Die Qualitätskontrolle
der Inhalte durch die Spezialisten erfolgt über
die MediaWiki-Funktion der sogenannten „Beobachtungslisten“. Bei Änderungen an einem
Beitrag werden alle benachrichtigt, die sich für
diesen Artikel in die betreffende Liste eingetragen haben. Die räumliche Verteilung der Akteure auf ganz Baden-Württemberg stellt somit
kein Problem dar.
WiWiB ist inzwischen verfügbar. Auf der Basis
einer Online-Umfrage liegen erste Rückmeldungen der Nutzer vor. Nun gilt es, die Anwender zur Mitarbeit zu motivieren, um Fehler
oder Kritikpunkte zu beseitigen und so die Akzeptanz und Attraktivität zu steigern.
perspektiven
Die Stadtverwaltung Freiburg hat zum interkommunalen WiWiB bereits eine lokale Ergänzung, ebenfalls auf Basis der Software
MediaWiki, realisiert. Sie enthält die Informationen, die nur dem Bürgerservice Freiburg
von Nutzen sind. Gleichzeitig dient sie als
zentraler Einstieg zum Wissensmanagement.
Über sogenannte „Interwiki-Links“ wird die
Verbindung zu den Inhalten von WiWiB hergestellt. Andere am Projekt beteiligte Kommunen planen vergleichbare Lösungen. WiWiB
ist aber nur ein Beispiel für den möglichen
Einsatz solcher Kollaborationswerkzeuge im
kommunalen Umfeld. Eine vergleichbare
gemeinsame Informationsbasis ggf. auch mit
anderen Softwarelösungen könnten sich auch
andere Fachbereiche, wie zum Beispiel das
Personenstands- oder Ausländerwesen schaffen.
Oder die Nutzer von landeseinheitlichen Verfahren stellen sich auf diese Weise ProgrammSeite 146 >> bweb 2.0 challenge
burkhard hermann
Burkhard Hermann, Diplom-Verwaltungswirt (FH), seit 1990 bei
der Stadt Freiburg. Dort seit 2006 beim Amt für Bürgerservice
und Informationsverarbeitung als Teamleiter Applikationsservice
u.a. verantwortlich für die Planung und Koordination strategischer
Maßnahmen zur Einführung und Weiterentwicklung von kommunalen E-Bürger- und Verwaltungsdiensten und die Einführung von
stadtweit einzusetzenden Verfahren.
[email protected] • www.freiburg.de
zur it-strategie der stadt freiburg
Die Stadt Freiburg verfolgt die IT-Strategie,
durch offene Standards eine höhere Herstellerunabhängigkeit und damit Kostenvorteile zu erreichen. Der Gemeinderat hat am 26.
Juni 2007 beschlossen, dass die Verwaltung
neben PDF als Standard das Dokumentenformat Open Document (ODF) verwendet. Die
Umsetzung erfolgt mit der Migration der 2.000
Arbeitsplätze von MS Office 2000 auf Open
Office. Ein weiteres Ziel ist der Wissensaufbau
und die Vernetzung. Ein Baustein ist das „Wikibasierte Wissensmanagement im Bürgerservice“ (WiWiB).
hilfen bereit, diskutieren Weiterentwicklungsbedarf oder tauschen Erfahrungen aus. Es muss
auch nicht immer gleich der ganz große behördenübergreifende Wurf sein. Als Informations- und Kollaborationsplattform innerhalb
einer Verwaltung, in Ergänzung zu Filesystemen und Intranet, hat die Stadtverwaltung
Freiburg bereits sehr positive Erfahrungen mit
Wikis gemacht. Dies gilt insbesondere im Bereich der Projektarbeit, bei der im Rahmen
eines Tests die komplette Information, Kommunikation und Dokumentation eines Projektes über ein Wiki abgewickelt wird. Ein Blog
in Form eines Projekttagebuches ist angedacht.
Das Einsatzspektrum von Social Software auch
in der öffentlichen Verwaltung ist vielfältig. Die
unkonventionelle und ungewohnte Art der Zusammenarbeit sollte man als Chance und nicht
als Problem erkennen.
bweb 2.0 challenge << Seite 147
social
software-szene
im südwesten
Seite 148 >> social software im wissensmanagement 2.0.
social software im wissensmanagement 2.0. << Seite 149
social software-aktivitäten
der mfg
Web 2.0 entlang der MFG Innovationskette
Social Software verbindet Menschen. Wissen wird
geteilt, Ideen werden gemeinsam entwickelt und Geschäftsmodelle kooperativ vorangetrieben. Neben
einer technologischen Entwicklung steht der Begriff
Web 2.0 vor allem für einen Paradigmenwechsel: Mit
Wikis, Podcasts und anderen Tools wird das Internet
immer mehr zu einem sozialen Raum, den Millionen
von Nutzern selbst gestalten und mit Leben füllen.
social software-aktivitäten der mfg << Seite 151
ein Innovationskreis aus Experten und interessierten Nutzern etabliert.
Weiteres Bewusstsein für die Anwendungsmöglichkeiten von Social Software in der Region schaffte das Internet-Kursprogramm klick!
mach mit im selben Jahr. In vier Kursen zur
Internet-Nutzung werden bis heute aktuelle
Web 2.0-Anwendungen thematisiert und Tipps
für die Praxis gegeben.
forschungsanreize schaffen
Die MFG Innovationskette
Seit der Entstehung sozialer Netzwerke beobachtet die MFG Baden-Württemberg aufmerksam die neuen Formen digitaler Zusammenarbeit in Wirtschaft und Wissenschaft. Dieses
Interesse und eine rege Social Software-Aktivität spiegelt sich in vielen MFG-Projekten wider. Auf verschiedensten Ebenen und mittels
zahlreicher Tools lernen Kunden und Mitarbeiter täglich mehr über Grundlage und gleichzeitig Erfolgsgarantie der komplexen Web 2.0Aktivitäten ist die systematische Bearbeitung
aller Stufen der MFG Innovationskette: Von
der Sensibilisierung für Trendthemen über
gezielt gesetzte Forschungsanreize bis zum
erfolgreichen wirtschaftlichen und länderübergreifenden Einsatz begleitet die MFG die innovativsten Ideen, Akteure und Konzepte. Wie
erfolgreich die Innovationsagentur mit diesem
Modell im Bereich Social Software ist, belegen
folgende Zahlen.
Social Software-Aktivitäten
der MFG in Zahlen
In 19 regionalen, interregionalen und weltweiten Projekten, auf knapp 100 Veranstaltungen und auf zwölf Online-Plattformen mit monatlich knapp 200.000
Zugriffen vernetzen sich bis heute über
30.000 Experten, Fachanwender, IT-ler,
Kreative und Wissbegierige.
Seite 152 >> social software-aktivitäten der mfg
Damit neue Technologien erfolgreich von der
Forschung in den Markt getragen werden, sind
auch Akteure gefragt, die an der Schnittstelle
zwischen Wissenschaft und freier Wirtschaft
arbeiten. Das Karl-Steinbuch-Stipendium
(KSS) fördert gezielt talentierte Nachwuchsforscher. Im Jahr 2007 besaßen rund 20 Prozent der Einreichungen einen Web 2.0-Bezug.
Neue und alte Stipendiaten trafen sich auf dem
Heidelberger Innovationsforum (HDI),
der Plattform für die Kommerzialisierung von
Forschungsergebnissen, und verfolgten u.a. die
Präsentation dreier Web 2.0-Produktlösungen.
Eine feste Institution ist mittlerweile auch der
do it.software-Award. Im Jahr 2007 punktete
das eingereichte Projekt „Semantic MediaWiki“ bei der Jury und wurde für das vernetzende
Konzept mit dem 3. Platz belohnt.
kommerzialisierung den weg ebnen
bewusstsein für innovation wecken
Wie wird Social Software die Lebens- und Arbeitswelt der Zukunft verändern? Dieser Frage ging FAZIT bereits 2005 nach. Ziel des
Forschungsprojekts ist es, zukunftsweisende
Informations- und Medientechnologien aus
Neben FAZIT beschäftigen sich seit Herbst
2005 noch weitere MFG-Projekte mit den
wissenschaftlichen Grundlagen des Web 2.0.
So stellte der Forschungsverbund PRIMIUM
das Wissen über kooperative Tools zur Verfügung. Unterstützt wurde das Programm durch
das Konsortium CollaBaWue. Das Ziel war, die
Funktionsweise von Wikis zu erforschen und
diese weiter zu verbessern. Weitere Informationen über digitale Wege der Zusammenarbeit
finden Interessenten auch auf der Plattform
collaboration-bw.de.
Auch intern vernetzt die MFG ihre Wissensressourcen und die Informationen in den Köpfen.
Das hauseigene MFG Wiki bildet nicht nur
das breit gefächerte Wissenskapital der rund
50 Mitarbeiter ab, sondern fördert seit Oktober
2006 die Teilnahme an sozialen Netzwerken.
Das aktiv erworbene, erweiterte Verständnis
der digitalen Zusammenarbeit führt wiederum
zielsicher zu neuen Projekten.
Baden-Württemberg und ihre Anwendungsmöglichkeiten zu identifizieren. Um neue
Marktchancen für die Region zu erkennen und
zu fördern, wurden im Rahmen einer Studie
Social Software-Anwendungen untersucht und
Wofür FAZIT die Basis gelegt hatte, wurde
durch das Innovationsprogramm Web 2.0 ab
Mitte 2006 in die Praxis und in die Regionen
Baden-Württembergs getragen. Das Projekt
vernetzt über 1.000 Akteure durch Roadshows,
Webmontage, Wiki-Wednesdays und Wettbewerbe. Zwei Unternehmen, die den Trend
frühzeitig erkannt haben, wurden beim do
it.kongress im November 2006 von Minister
Willi Stächele mit dem Innovationspreis Web
2.0 ausgezeichnet. Bereits ab August 2006 diskutierten 130 Entscheider, Wissenschaftler und
Macher in vier Arbeitskreisen über den Einfluss von Social Networks in den Bereichen
Wissensmanagement, Leben online, Werbung
& PR und Geschäftsmodelle.
social software-aktivitäten der mfg << Seite 153
Die Motivation für konkrete Innovationen
stand im Vordergrund bei der sich anschließenden BWeb 2.0 Challenge, für die 57 Ideen
eingereicht wurden. Die sieben ausgezeichneten Projekte zeigen, dass Baden-Württemberg
in Sachen Web 2.0 in der ersten Liga spielt. So
wurde die Spielerkabine.net von der Süddeutschen Zeitung unter die wichtigsten 25 Startups in Deutschland gewählt. Und seit November 2007 investiert T-Online Venture Fund in
die Social Software „weblin“ des Preisträgers
zweitgeist GmbH.
vernetzung vorantreiben
Die Vernetzung zwischen Web 2.0-Aktivisten,
Geschäftemachern und Markt hat auch die Wirtschaftsinitiative Baden-Württemberg: Connected e.V. (bwcon) fest im Blick. Zahlreiche
der 400 Mitgliedsunternehmen mit über 4.400
Experten sind im Web 2.0-Umfeld aktiv. Ihnen bietet bwcon eine Vernetzungsplattform
und schafft durch ein professionell betriebenes Community-Management Synergien. Auch
die Veranstaltungsreihe „Kreativität vor Ort“
nimmt das Thema soziale Netzwerke auf und
informiert mit hochkarätigen Referenten über
Communities als Marketinginstrument und die
Qualität der Kreativität als Grundlage jeder innovativen Geschäftsidee.
Auch der von bwcon verliehene Preis CyberOne stand im Jahr 2007 ganz im Zeichen von
Social Software: Auf dem Siegertreppchen des
Businessplan-Wettbewerbs landete unter anderen innovativen Ideen die zweitgeist GmbH
mit ihrem Webseiten übergreifenden Kommunikationstool weblin.
Ein Netzwerk ganz anderer Art bietet die
Linux Solutions Group e.V. (LiSoG). An der
Quelle von Innovation agiert der Branchenverband von Linux- und Open Source-Unternehmen über Ländergrenzen hinweg. 84 Mitgliedsunternehmen aus Deutschland, Österreich und
der Schweiz partizipieren aktiv am Vernetzungsgedanken und tauschen sich seit Ende
2006 unter anderem über Wikis aus, die auf der
Website der Initiative zur Verfügung stehen.
Interaktiv und kollaborativ erstellen ProjektSeite 154 >> social software-aktivitäten der mfg
beteiligte Texte und Inhalte, die beispielsweise
in Publikationen einfließen oder als Grundlage
neuer Projekte dienen.
Neue Wege geht die MFG Baden-Württemberg seit Oktober 2007 mit dem MFG Innovationcast. Dieser informiert monatlich mit
Interviews und Hintergrundinformationen zu
aktuellen Themen rund um IT und Medien. In
der Podcast-Szene hat er sich bereits nach kürzester Zeit einen Namen gemacht. Alex Wunschel, der „Papst“ der deutschen Podcast-Welt,
zeichnete den Innovationcast im Januar 2008
als zweitbesten Corporate Podcast in Deutschland aus, noch vor den Formaten von Duden
und Nestlé.
In der ersten Folge des MFG Innovationcasts
drehte sich alles um den Deutschen Multimedia Kongress (DMMK), der seit 1992 als
Trendsetter für interaktive Medien wegweisende Trends und Perspektiven in der Digitalen Wirtschaft aufzeigt. Bereits 2004 hat der
DMMK Digitale Wirtschaft in Berlin erstmals
die Interaktionsmöglichkeiten der Nutzer im
Internet und die daraus folgenden Handlungsfelder sowie Marktchancen thematisiert. Seitdem werden von Jahr zu Jahr verstärkt Themen
rund um das Schlagwort Web 2.0 aufgegriffen
und in das Programm integriert. Im Jahr 2008
spiegeln sich die neuen Interaktionstools in nahezu jedem Panel und Workshop wider, und
erneut werden Referenten von internationalem
Format zum Themenfeld Social Software vortragen.
Als Weiterbildungsangebot der Innovationsagentur bietet die MFG Akademie Wissbegierigen nicht nur hochkarätige Seminare an,
sondern auch die Möglichkeit zur intensiven
Diskussion mit Experten sowie zum Netzwerken. Die verstärkte Nachfrage der Teilnehmer
nach Seminaren mit Web 2.0-Bezug ist deutlich spürbar. Die Konsequenz: Im kommenden
Akademieprogramm (von Januar bis Juli 2008)
finden sich zu den neuen Technologien so viele
Seminare wie nie zuvor.
Und wer neben den anspruchsvollen Seminaren auch tagtäglich auf dem aktuellsten Stand
in Sachen IT und Medien bleiben möchte, findet auf insgesamt zwölf Online-Plattformen
tagesaktuelle Informationen, ansprechend in
Fokus-Themen, Features und Nachrichten redaktionell aufgearbeitet. Ein Beispiel unter vielen ist ebigo.de. Auf der Internetplattform der
Mittelstandsinitiative wurden bereits mehrfach
umfangreiche Hintergrundberichte, Studien
und vor allem Best-Practice-Beispiele zu diesem Thema präsentiert. Im Januar 2008 stellte
ebigo.de den aktuellen Trend Enterprise 2.0,
das heißt den Einsatz von Web 2.0-Technologien im Mittelstand, in den Fokus.
internationalisierung ausdehnen
Auch auf dem internationalen Parkett trieb die
MFG im Jahr 2007 die Vernetzung voran. Mit
Second Life (SL) hat die Innovationsagentur
Pioniergeist bewiesen. Als andere noch darüber
redeten, setzte sie gemeinsam mit dem Staatsministerium Baden-Württemberg eine virtuelle Präsenz des Landes Baden-Württemberg in
der digitalen Welt um. Die Eröffnung erfolgte
im März 2007. Nur elf Arbeitstage umfasste
die virtuelle Zusammenarbeit mit den Anshe
Chung Studios in Wuhan in China, bis die eigene Sim mit Bodensee und Schwarzwaldhaus
nahezu vier Millionen „Bewohnerinnen und
Bewohner“ zum Entdecken und Verweilen
einlud. Gleichzeitig richtet sich der Auftritt
auch an Hochschulen und junge Kreative aus
dem Land, mit denen im digitalen „Innovation
Park“ neue Formen der Kommunikation und
Zusammenarbeit erprobt werden.
Ideale Möglichkeiten zur internationalen Kommunikation und Zusammenarbeit bieten Wikis.
Deshalb werden sie v.a. in den EU-Projekten
der MFG Baden-Württemberg verstärkt eingesetzt. Genutzt wird das Kollaborations-Tool
z.B. im Projekt SPreaD (Strategic Project Management Tool-kit for Creating Digital Literacy
Initiative). Das internationale Konsortium aus
Deutschland, Spanien und den Niederlanden
verfolgt das Ziel, Erfahrungen zum Management groß angelegter Bildungsprogramme im
Bereich digitaler Medienkompetenz in Wirtschaft und Gesellschaft zu strukturieren und
verfügbar zu machen. Dazu wird ein europaweit verzweigtes Netzwerk mit öffentlichen
und privaten Institutionen und Initiativen aufgebaut. Das englisch-sprachige Wiki sowie die
viersprachige Projekt-Website sind Beispiele
für eine derartige angewandte Vernetzung.
Auch die Partner des EU-Projekts SYNEBIS
setzen in ihrer Kommunikation auf ein Wiki.
Das Ziel des Projekts ist, den Austausch von
regionalen Best-Practice-Maßnahmen zwischen
KMU-Initiativen zu unterstützen und zu forcieren. Die grenzenübergreifende Zusammenarbeit der fünf Projektpartner aus Deutschland, Spanien, Tschechien sowie England und
Kanada wird durch das eigens entwickelte
englischsprachige Wiki perfekt ergänzt. Darüber hinaus können sich europaweit interessierte Akteure aus dem öffentlichen Bereich über
Best-Practices und erfolgreiche Maßnahmen
zur Förderung von E-Business bei kleinen und
social software-aktivitäten der mfg << Seite 155
mittelständischen Unternehmen informieren.
Das Projekt FOKUS setzt vor allem bei der
Verbreitung der Projektergebnisse des Vorgängerprojekts SYNEBIS auf Social Software.
Das bereits etablierte Wiki soll konsequent
weiterentwickelt und verbreitet werden. Ergänzt wird das Wiki um weitere interessante
Anwendungen. So wird auf der Basis der SYNEBIS-Ergebnisse ein Online-Trainingsmodul
entwickelt. Auch Beratung ist fortan virtuell
möglich: Dazu soll ein Helpdesk in Second Life
eingerichtet werden, an dem sich interessierte
Akteure individuell beraten lassen können.
Innovative Social Software-Lösungen haben
auch für die Kreativwirtschaft eine enorme Bedeutung, revolutionieren sie doch geradezu die
Marketing- und Absatzmöglichkeiten der Unternehmen. Auch bei der europaweiten Vernetzung der kreativen Branche, die im Rahmen des
CReATE-Projekts in den Mittelpunkt rücken
wird, kommen Social Software-Anwendungen
eine wichtige Rolle zu. Ziel des Projekts ist die
Seite 156 >> social software-aktivitäten der mfg
Entwicklung konkreter Innovationsstrategien
und Handlungsempfehlungen für die Kreativwirtschaft des Landes. Dabei werden Innovationen in viel versprechenden Bereichen wie eMarketing, e-Publishing, e-Design, e-Learning,
Games oder Wissensmanagement gefördert.
Die technischen Möglichkeiten des Web 2.0
erleichtern auch eine direktere Kommunikation zwischen Bürgern und Politikern. Im Rahmen des EU-Projekts VoicE plant die MFG
bis August 2008 ein Portal für e-Participation
zu schaffen, mit dem Bürger direkt mit ihren
EU-Abgeordneten in Brüssel in Kontakt treten
und an der Gesetzgebung im Feld Verbraucherschutz mitwirken können. VoicE ist als Pilotprojekt angelegt, das einerseits neue technische
Möglichkeiten politischer Beteiligung mittels
strukturierten Debatten in Foren und Livechats,
Abstimmungen und Umfragen testen soll, andererseits das Interesse und Verständnis der
Bürger für die politischen Entscheidungsprozesse in der EU wecken soll.
der blick in die zukunft
Seit drei Jahren verfolgt die MFG kontinuierlich, was im Social Software-Bereich geschieht.
Die Ergebnisse der FAZIT-Forschung aus 2005
haben sich bestätigt, wenn wir sehen, welch
tiefgreifende und wegweisende Veränderungen Web 2.0-Anwendungen und vernetzende
Technologien in Wirtschaft und Gesellschaft
gebracht haben.
Mit ihren regionalen, interregionalen und internationalen Projekten, mit ihren Initiativen,
den Wettbewerben sowie den Veranstaltungen
hat die MFG die Web 2.0-Landschaft in Baden-Württemberg und europaweit maßgeblich
geprägt. Die konsequente Arbeit entlang der
Innovationskette „Bewusstsein – Forschungsanreize – Kommerzialisierung – Vernetzung
& Internationalisierung“ hat dazu beigetragen,
dass das Land heute in der ersten Social Software-Liga spielt.
social software-aktivitäten der mfg << Seite 157
alphabetische übersicht
der mfg-projekte mit social software-bezug
bwconZahlreiche Mitgliedsunternehmen der Wirtschaftsinitiative Baden-Württemberg: Connected e.V. (bwcon) sind im Web 2.0-Umfeld aktiv. bwcon
bietet ihnen eine Vernetzungsplattform und schafft durch ein professionell betriebenes Community-Management Synergien.
Oliver Zils • zils@bwcon • 0711 - 90715-363
Nadja Haase • haase@bwcon • 0711 - 90715-507
www.bwcon.de
CReATEBei der europaweiten Vernetzung der kreativen Branche, die im Rahmen
des EU-Projekts CReATE in den Mittelpunkt rücken wird, kommen Social Software-Anwendungen eine wichtige Rolle zu. Ziel des Projekts
ist die Entwicklung konkreter Innovationsstrategien und Handlungsempfehlungen für die Kreativwirtschaft des Landes. Dabei wird die
Zusammenarbeit zwischen Akteuren aus Wissenschaft und Wirtschaft
auf regionaler und europäischer Ebene verbessert, Innovationen in viel
versprechenden Bereichen wie e-Marketing, e-Publishing, e-Design, eLearning, Games oder Wissensmanagement gefördert.
Anna Lenka Schlosser • [email protected] • 0711 - 90715-327
www.mfg-innovation.com
DMMK
Deutscher Multimedia Kongress
Bereits 2004 hat der Deutsche Multimedia Kongress (DMMK) die Interaktionsmöglichkeiten der Nutzer im Internet sowie deren Handlungsfelder und Marktchancen thematisiert. Seit diesem Jahr spiegeln sich Social
Software-Themen in fast jedem Panel und Workshop wider.
Annette Passon • [email protected] • 0711 - 90715-341
Ulrich Winchenbach • [email protected] • 0711 - 90715-313
www.dmmk.de
do it.onlineDas Informationsportal doit-online.de bietet tagesaktuelle Nachrichten
und ausführliche Hintergrundartikel über die IT- und Medienszene in
Baden-Württemberg. Zusätzliche Services sind eine umfangreiche Verübersicht der mfg-projekte << Seite 159
anstaltungsdatenbank, die branchenspezifische Dienstleistersuche sowie
der wöchentliche do it.newsletter. Eines der beliebtesten Themen ist Social Software.
Jürgen Pfeifle • [email protected] • 0711 - 90715-317
www.doit-online.de
ebigo.deDie Mittelstandsinitiative ebigo.de hat schon früh erkannt, dass Social
Software auch für kleine und mittelständische Unternehmen von großer Bedeutung ist. Auf der tagesaktuellen Internetplattform www.ebigo.
de wurden bereits mehrfach umfangreiche Hintergrundberichte, Studien und Best-Practice-Beispiele zu diesem Thema präsentiert. Im Januar
2008 stellte ebigo.de den Einsatz von Web 2.0-Technologien im Mittelstand in den Fokus.
Kirsten Wissing • [email protected] • 0711 - 90715-320
Amy Meyhoefer • [email protected] • 0711 - 90715-321
www.ebigo.de
FAZITBereits 2005 erkannte das Regional Foresight-Projekts FAZIT den neu-
en Trend Social Software. Um neue Marktchancen für die Region zu
identifizieren und zu fördern, wurden im Rahmen einer Studie Social
Software-Anwendungen untersucht. Unter dem Titel „Potenziale von
Social Software“ erscheint die Publikation im Januar 2008. Abgeleitet
aus den Forschungsaktivitäten wurde zudem der Innovationskreis „Social Software“ mit über 20 teilnehmenden Unternehmen ins Leben gerufen.
Andrea Buchholz • [email protected] • 0711 - 90715-325
Felix Jansen • [email protected] • 0711 - 90715-323
www.fazit-forschung.de
FOKUSDas Projekt FOKUS setzt vor allem bei der Verbreitung der Projekt-
ergebnisse der Vorgängerprojektes SYNEBIS auf Social Software. Das
SYNEBIS-Wiki soll konsequent weiterentwickelt und verbreitet werden.
Ergänzt wird das Wiki um weitere interessante Anwendungen Web 2.0Anwendungen.
Anna Lenka Schlosser • [email protected] • 0711 - 90715-327
www.mfg-innovation.com
Seite 160 >> übersicht der mfg-projekte
Heidelberger
Um Bewusstsein für potenzielle Innovationsfelder zu schaffen und ForInnovationsforum, schungsanreize zu setzen, hat die MFG Baden-Württemberg das KarlKarl-SteinbuchSteinbuch-Stipendium (KSS) initiiert. Dieses fördert gezielt talentierte
Stipendium und do Nachwuchsforscher. In 2007 hatten fast 20 Prozent der Einreichungen
it.software-Award einen Web 2.0-Bezug.
Auch auf dem Heidelberger Innovationsforum (HDI), der Plattform
für die Kommerzialisierung von Forschungsergebnissen, sowie beim do
it.software-Award hat das Thema nachhaltig Einzug gehalten.
Stefanie Springer • [email protected] • 0711 - 90715-356
www.hdi.de • www.karl-steinbuch-stipendium.de • www.doit-award.de
Innovationspro
Mit dem Innovationsprogramm Web 2.0 unterstützt die MFG vielvergramm Web 2.0
sprechende Unternehmenskonzepte und macht so die vielfältigen technischen, wirtschaftlichen und sozialen Potenziale in Baden-Württemberg
sichtbar.
Nadia Zaboura • [email protected] • 0711 - 90715-353
www.internet2null.de
klick – mach mit!Das von der MFG betreute Programm „klick – mach mit!“ entwickelte
vier Kurse zur fortgeschrittenen Internet-Nutzung. In allen vier Kursen
werden aktuelle Web 2.0-Anwendungen thematisiert, praktisch erklärt
und in den Lehrplan eingearbeitet. Den Kursteilnehmern wird sowohl
die passive als auch die aktive Nutzung dieser Möglichkeiten vermittelt.
Robert Gehring • [email protected] • 0711 - 90715-322
www.klick-mach-mit.de
Die Linux Solutions Group (LiSoG) agiert als Branchenverband von Linux- und Open Source-Unternehmen über Ländergrenzen hinweg. 84
Linux Solutions
Mitgliedsunternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz
Group - LiSoG
tauschen sich u.a. über Wikis aus, die 2006 auf der Website der Initiative
eingerichtet wurden. Interaktiv und kollaborativ erstellen Projektbeteiligte Texte und Inhalte, die beispielsweise in Publikationen einfließen
oder als Grundlage neuer Projekte dienen.
Oliver Zils • [email protected] • 0711 - 90715-363
Nico Gulden • [email protected] • 0711 - 90715-393
www.lisog.org
übersicht der mfg-projekte << Seite 161
MFG AkademieIm Rahmen der MFG Akademie vermitteln professionelle Referenten
Wissen aus vielfältigen Bereichen. Auf die verstärkte Nachfrage nach
Veranstaltungen zum Thema Social Software reagiert die MFG mit ihrem aktuellen Akademieprogramm (Januar bis Juli 2008), in dem noch
mehr Seminare als bisher zu diesem Themenkomplex enthalten sind.
ie virtuelle Präsenz des Landes Baden-Württemberg in Second Life
D
(SL) ist ein anschauliches Beispiel für angewandte Vernetzung. Damit
belegt das Land einmal mehr seine Vorreiterrolle als führender Standort
der Kreativwirtschaft in Europa. Nahezu vier Millionen „Bewohnerinnen und Bewohnern“ haben seit dem 20. März 2007 rund um die Uhr
Zugang zur Baden-Württemberg-Sim. Der Auftritt richtet sich insbesondere auch an Hochschulen und junge Kreative aus dem Land, mit
denen im digitalen Innovation Park neue Formen der Kommunikation
und Zusammenarbeit erprobt werden.
Stefan Sottner • [email protected] • 0711 - 90715-306
Veit Strasser • [email protected] • 0711 - 90715-343
secondlife.mfg-innovation.de
Anke Jesek • [email protected] • 0711 - 90715-319
Nina Korte • [email protected] • 0711 - 90715-328
www.doit-online.de
Auch die MFG Baden-Württemberg beschreitet neue Wege, um Wissen
MFG
und Informationen zu vermitteln. Mit dem MFG Innovationcast, dem
Innovationcast
Podcast-Angebot der MFG, liefert sie in Hörbeiträgen interessante Hintergrundinformationen zu aktuellen Themen rund um IT und Medien.
Bereits in der ersten Folge drehte sich alles um Social Networks.
Nadia Zaboura • [email protected] • 0711 - 90715-353
Jürgen Pfeifle • [email protected] • 0711 - 90715-317
www.podcast.mfg-innovation.de
MFG Wiki Social Software ist bei der MFG auch ein wichtiges Element der inter-
nen Kommunikation. Mit dem MFG Wiki als flexiblem Wissensspeicher
erreicht die Innovationsagentur einen hohen Vernetzungsgrad zwischen
den Mitarbeitern. Von Fachaufsätzen über Innovationsmaßnahmen bis
hin zu Begriffsdefinition aus der Web 2.0-Welt finden sich hier vielfältige Informationen. Derzeit wird das im Oktober 2006 gelaunchte MFG
Wiki als Referenzobjekt von der Universität Bamberg untersucht.
Second Life
Claire Keßler • [email protected] • 0711 – 90715-354
Der Forschungsverbund PRIMIUM beschäftigt sich unter anderem mit
PRIMIUM
und
collaboration-bw.de dem Trend der verteilten Softwareentwicklung. Eine Möglichkeit, kol-
SPreaDIm Rahmen des EU-Projekts SPreaD (Strategic Project Management Tool-
kit for Creating Digital Literacy Initiative) entwickeln die MFG BadenWürttemberg, die Dirección General de Modernización de la Generalitat
de la Comunitat Valenciana aus Spanien und CINOP aus den Niederlanden über Ländergrenzen hinweg gemeinsam ein englischsprachiges Wiki.
SYNEBISIm Rahmen des EU-Projekts SYNEBIS soll der Austausch von regi-
onalen Best-Practice-Maßnahmen zwischen KMU-Initiativen forciert
werden. Die internationale Zusammenarbeit der fünf Projektpartner
aus Deutschland, Spanien, Tschechien sowie England und Kanada vereinfacht ein Wiki, das alle miteinander vernetzt.
Tina Schanzenbach • [email protected] • 0711 - 90715-372
www.primium.org • www.collaboration-bw.de
Seite 162 >> übersicht der mfg-projekte
Stefan Sottner • [email protected] • 0711 - 90715-306 • www.synebis.eu
VoicE Mit dem Projekt VoicE plant die MFG bis August 2008 ein Portal zu
schaffen, mit dem Bürger direkt mit ihren EU-Abgeordneten in Brüssel
in Kontakt treten und an der Gesetzgebung im Feld Verbraucherschutz
mitwirken können. VoicE ist als Pilotprojekt angelegt, das einerseits
neue technische Möglichkeiten politischer Beteiligung mittels strukturierten Debatten in Foren und Livechats, Abstimmungen und Umfragen
testen soll, andererseits das Interesse und Verständnis der Bürger für die
politischen Entscheidungsprozesse in der EU wecken soll.
laborativ an neuen Entwicklungen zu arbeiten, sind Wikis. Deswegen
thematisiert und bearbeitet das Konsortium CollaBaWue u.a. das Thema
Wikis in der Softwareentwicklung. Darüber hinaus steht Interessenten
die Plattform collaboration-bw.de zur Verfügung, auf dem digitale Wege
der Zusammenarbeit aufzeigt werden.
Petra Newrly • [email protected] • 0711 – 90715-357 • www.spread-digital-literacy.eu
Matthias Holzner • [email protected] • 0711 - 90715-314
www.mfg-innovation.com
übersicht der mfg-projekte << Seite 163
impressum
Titel
A Digital Lifestyle. Leben und Arbeiten mit Social Software.
Innovationsprogramm Web 2.0 der MFG Baden-Württemberg
Herausgeber
Klaus Haasis und Nadia Zaboura
Eine Publikation der
MFG Baden-Württemberg, Innovationsagentur des Landes für IT und Medien.
Gesellschafter der MFG sind das Land Baden-Württemberg und der Südwestrundfunk.
MFG Baden-Württemberg mbH
Breitscheidstr. 4
70174 Stuttgart
Telefon 0711 / 9 07 15-300
Telefax 0711 / 9 07 15-350
E-Mail: [email protected]
Internet: www.mfg-innovation.de
Geschäftsführung
Klaus Haasis
Konzeption und Redaktion
Nadia Zaboura
Erscheinungsjahr
2008
Schutzgebühr: 15,00 Euro
Layout und Satz
WAGNERWAGNER GmbH, Agentur für Kommunikation,
Reutlingen
Druck
Druckerei Raisch GmbH + Co. KG, Reutlingen
Bildmaterial
www.photocase.de
Seite 8: Jürgen W, Seite 28: kay_1, Seite 52: time2share,
Seite 72: froodmat, Seite 94: patrik85, Seite 108: AllzweckJack
Zum Innovationsprogramm Web 2.0
Das Projekt der MFG Baden-Württemberg wird aus Mitteln des Medienimpulsprogramms
durch das Staatsministerium Baden-Württemberg unterstützt.
ISBN 978-3-00-023671-6
Printed in Germany / Alle Rechte vorbehalten
Seite 164 >> impressum
Das Phänomen Web 2.0 bringt
tiefgreifende Veränderungen
mit sich. In der vorliegenden
Publikation der MFG BadenWürttemberg diskutieren und
entwerfen Autoren aus Wissenschaft und Praxis, wie der
Lebensstil und die Arbeitswelt
der digitalen Zukunft aussehen
werden. Zudem zeigen Erfahrungsberichte junger Start-ups,
wie sich innovative Ideen zu
erfolgreichen Geschäfsmodellen
entwickeln lassen.
mfg innovation
band 02
beiträge für
mehr innovation
mit it und medien
herausgeber: klaus haasis,
nadia zaboura
ISBN 978-3-00-023671-6
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