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Jens Versümer
ENDODONTIE
Dentikel – Morphologie und klinische
Relevanz
Indizes
Dentikel, Pulpasteine, Kalzifizierungen, Allgemeinerkrankungen
Zusammenfassung
Dentikel, auch Pulpasteine genannt, sind Hartsubstanzneubildungen in der Pulpa, die in
unterschiedlicher Größe und Form vorkommen. Die betroffenen Zähne zeigen in der Regel
weder Beschwerden noch Auffälligkeiten. Aus klinischer Sicht sind Dentikel zunächst
unproblematisch, können aber ein Hinweis auf allgemeingesundheitliche Probleme sein.
Der Befund Dentikel selbst stellt keine Indikation zur Wurzelkanalbehandlung dar. In
dem Beitrag werden die Morphologie und die klinische Relevanz der Dentikel erläutert.
Einleitung
Dentikel, auch Pulpasteine genannt, sind Hartsubstanzneubildungen in der Pulpa, die in unterschiedlicher
Größe und Form (rund bis oval) vorkommen. In der Regel zeigen die betroffenen Zähne weder Beschwerden
noch klinische Auffälligkeiten1. Die Entwicklung von
Dentikeln ist an eine vitale Pulpa gebunden und kann zu
einer nahezu vollständigen Verlegung des Pulpakavums
führen (Abb. 1). Der behandelnde Zahnarzt sieht sich in
solchen Fällen mit dem Problem konfrontiert, dass die
physiologischen Strukturen des Endodonts schlecht bis
gar nicht erkenn- oder darstellbar sind. Eine Instrumentierung bzw. Aufbereitung der Wurzelkanäle ist erst
nach Beseitigung dieses Hindernisses möglich.
Einteilung und Vorkommen der
Dentikel
Grundsätzlich unterscheidet man echte und unechte
Dentikel. Sind in den Hartsubstanzneubildungen Dentinstrukturen zu erkennen, werden sie als „echte“ Dentikel
bezeichnet12. Letztere kommen selten vor, treten ausschließlich im Bereich der Wurzelkanäle auf und sind
häufig in die Pulpawand eingebettet7,18,19. Für die
Entstehung der echten Dentikel können Reste der
Hertwig’schen Epithelscheide verantwortlich gemacht
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Jens Versümer
Dr. med. dent.
Hopfengarten 2
37120 Bovenden
E-Mail: [email protected]
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Dentikel – Morphologie und klinische Relevanz
Abb. 1 Das Pulpakavum des Molaren
Abb. 2 Ein nicht adhärenter, frei in der
Abb. 3 Ein adhärenter, fest mit der
ist durch einen Dentikel vollständig
verlegt
Pulpakammer liegender Dentikel
Pulpakammerwand verwachsener
Dentikel
Abb. 5 Dentikel in den Zähnen 26
Abb. 6 Initiale Dentikelbildung im
und 27
Zahn 34
Abb. 4 Deutliche
Dentikelbildung im
Zahn 11
werden. Diese Restzellen differenzieren Odontoblasten,
die dann beginnen, zirkulär um die Zellen Dentin zu
bilden. Die Dentinbildung endet mit der Einbettung
des Dentikels in das Wurzeldentin12. Unechte Dentikel
kommen wesentlich häufiger vor und können frei oder
an die Pulpakammerwand angewachsen vorliegen. Sie
treten überwiegend in der Kronenpulpa auf und werden von Pulpazellen gebildet, die nach dem Abschluss
des Wurzelwachstums degeneriert sind19. Neben der
Einteilung in echte und unechte Dentikel werden zusätzlich freie von adhärenten Dentikeln unterschieden.
Freie Dentikel haben keinen Kontakt zur Pulpakammerwand und liegen frei im Pulpagewebe (Abb. 2),
während adhärente Dentikel der Pulpakammerwand
angelagert sind19 (Abb. 3).
Dentikel sind sowohl in ein- als auch bei mehrwurzeligen Zähnen zu beobachten (Abb. 4 und 5). Sie
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treten bei Menschen jeden Alters auf und können in
klinisch unauffälligen, aber auch in kariösen oder pulpitischen Zähnen angetroffen werden4,7,18. Selbst in
Milch- oder sogar noch nicht durchgebrochenen Zähnen
kommen Dentikel vor. Histologischen Untersuchungen zufolge liegt die Häufigkeit ihres Auftretens in jugendlichen bleibenden Zähnen zwischen 30 und 60 %.
Bei über 50-Jährigen können bis zu 90 % der Zähne
Dentikel aufweisen18. Röntgenologisch darstell- und
erkennbar sind Dentikel erst ab einer Größe von ca.
200 μm (Abb. 6), wobei es unerheblich erscheint, ob
Bissflügel- oder Einzelzahnaufnahmen herangezogen
werden10,23. Des Weiteren ist es anhand von Röntgenbildern nur bedingt möglich, eine Aussage darüber zu
treffen, ob es sich um adhärente oder freie Dentikel
handelt2.
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Dentikel – Morphologie und klinische Relevanz
Abb. 7 Multiple Dentikelbildung in
Abb. 8 Ein massiver Dentikel füllt das
Abb. 9 Mehrere kleine, nicht adhärente
den Zähnen 35, 36 und 37
Pulpakavum aus
Dentikel in einem Molaren
Beeinflussende Faktoren
Die Bildung von Dentikeln sowie ihre Häufigkeit und
Ausdehnung können von diversen Faktoren beeinflusst werden. Während man lange Zeit davon ausging, dass Irritationen der Pulpa durch Abrasion der
Hartsubstanz zur Dentikelbildung führen, scheint es
tatsächlich eher so zu sein, dass selbst stärkere Abrasionen die Häufigkeit von Dentikeln nicht erhöhen9,15.
Ebenso ist der parodontale Zustand ohne Einfluss auf
die Bildung von Dentikeln16. Weiterhin gibt es offenbar
einen deutlichen Zusammenhang zwischen kariösen
Läsionen und Füllungen einerseits und der Häufigkeit
des Vorkommens von Dentikeln andererseits20. Auch
kann eine chronische Pulpitis zu diffusen Verkalkungen
und zur Dentikelbildung führen14.
Kieferorthopädische Behandlungen haben sehr
wahrscheinlich keinen Einfluss auf die Entstehung von
Dentikeln13,22. Selbst bei einer intentionellen kieferorthopädischen Intrusion von Zähnen zeigten sich in einer
entsprechenden Untersuchung keine Unterschiede in
der Menge intrapulpaler Verkalkungen bei intrudierten
und nicht intrudierten Zähnen21. Einer Studie zufolge
führt die regelmäßige Gabe von Fluoridtabletten bei
Kindern zu einem gehäuften Auftreten intrapulpaler
Verkalkungen der Milchzähne6.
Der röntgenologische Befund Dentikel sollte nicht zu
einer rein dentalen Fokussierung bezüglich der möglichen Ursachen führen. Multiple Dentikel sind möglicherweise ein Hinweis auf das Vorliegen schwerer AllgeQuintessenz 2015;66(2):145–149
meinerkrankungen wie Herz- oder Nierenleiden (Abb. 7).
Patienten, die an der Koronaren Herzkrankheit leiden,
zeigen eine erhöhte Neigung zur Dentikelbildung3.
Vermehrte Kalzifikationen des Pulpagewebes können
durchaus ein Hinweis auf arteriosklerotische Veränderungen der Herzkranzgefäße sein8. Patienten mit einer
schweren Nierenerkrankung zeigen vermehrt Verengungen des Pulparaumes11. Ferner sind sowohl Gicht als
auch Hyperkalzämie begünstigende Faktoren für Kalzifizierungen der Pulpa17.
Klinische Relevanz
In der Kronenpulpa können Dentikel ausgesprochen
raumfordernd wachsen. Dies führt mitunter zu einer
vollständigen Verlegung der Wurzelkanaleingänge
bzw. einer kompletten Ausfüllung des Pulpakavums
(Abb. 8), wobei es sich aber nicht in jedem Fall um einen großen Dentikel handeln muss, sondern auch
mehrere kleine Dentikel die Pulpakammer ausfüllen
können (Abb. 9).
Um eine adäquate bzw. erfolgreiche Wurzelkanalbehandlung durchführen zu können, ist es natürlich
unumgänglich, vorhandene Dentikel zu entfernen, da
die Verkalkungen mitunter nicht nur das Pulpakavum
ausfüllen, sondern auch bis tief in die Wurzelkanäle
hineinreichen (Abb. 10). Im günstigsten Fall lassen sich
die Verblockungen mit einer stabilen Sonde lockern
und entfernen. Handelt es sich um ausgedehntere, diffuse Verkalkungen, kann man sie mit Langschaftrosen147
ENDODONTIE
Dentikel – Morphologie und klinische Relevanz
Abb. 10 Intrakanalärer Dentikel
Abb. 11 Ausgedehnter Dentikel in
Abb. 12 Vitales Gewebe unterhalb
einem Molaren
des Dentikels
Abb. 13 Aus der Pulpakammer entfernter Dentikel
bohrern (z. B. Pulpabohrer „Müller“, Komet, Fa. Gebr.
Brasseler, Lemgo) systematisch freilegen (Abb. 11).
Ultraschallaktivierte Feilen oder auch diamantierte
Ultraschallspitzen eignen sich ebenfalls für dieses Vorgehen. Sie sollten mit kurzen, tupfenden Bewegungen
eingesetzt werden, um eine unnötige Hitzebildung
bzw. -schädigung zu verhindern. Sind die Ränder des
Dentikels dargestellt, kann man sich an diesen entlang
sukzessive weiter in Richtung der Kanaleingänge vorarbeiten. Hierbei ist zu beachten, dass der entstehende
Substanzverlust natürlich zulasten des Dentikels geht.
Beim weiteren Vordringen Richtung Wurzelkanaleingänge stößt man in der Regel auf vitales Gewebe
(Abb. 12).
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Abb. 14 Mit der
Hedström-Feile entfernter
Dentikel
Ist der Pulpastein in seiner gesamten Zirkumferenz
von der Pulpakammerwand gelöst, lässt er sich in den
meisten Fällen mit einer Pinzette einfach aus dieser
entfernen (Abb. 13). Die noch verbliebenen, regelmäßig weit Richtung apikal in die Wurzelpulpa reichenden Verkalkungen können für gewöhnlich gut mit einer Hedström-Feile fixiert und in toto entfernt werden
(Abb. 14). Wenn die „Felsen vor dem Höhleneingang“
beseitigt worden sind, unterscheidet sich das weitere
Vorgehen nicht mehr von einer herkömmlichen Wurzelkanalbehandlung (Abb. 15 bis 17). Dass für das geschilderte Vorgehen entsprechende optische Hilfsmittel –
im Idealfall ein Dentalmikroskop – erforderlich sind,
versteht sich von selbst.
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Dentikel – Morphologie und klinische Relevanz
Abb. 15 Röntgenkontrastaufnahme
Abb. 16 Pulpakavum nach der
Abb. 17 Röntgenkontrollaufnahme der
Wurzelkanalfüllung
fertigen Wurzelkanalfüllung
Resümee
Aus klinischer Sicht sind Dentikel und ähnliche Verkalkungen zunächst unproblematisch, da die Zähne in
der Regel keine Symptome zeigen. Dentikel variieren
sehr in Größe und Form und können nicht zuletzt ein
Hinweis auf allgemeingesundheitliche Probleme des
Betroffenen sein. Der Befund Dentikel selbst stellt
keine Indikation zur Wurzelkanalbehandlung dar, weil
ein kausaler Zusammenhang zwischen Dentikel und
Beschwerden nicht zwingend hergestellt werden
kann5.
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