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Realistischerweise ist kein Mensch immer fröhlich und gut gelaunt. Selbst
Kinder sind nicht ständig fröhlich und ausgeglichen. Jeder Mensch erlebt
Stimmungsschwankungen und integriert diese in seinen Alltag. Er hat
dabei in der Regel keinen größeren Leidensdruck. Der Unterschied zu einer
depressiven Störung besteht darin, dass die Stimmung durchgehend gedrückt
und traurig ist. Diese Menschen sind durch ihre Erkrankung nicht mehr in
der Lage, auf ihre Umwelt und die Dinge, die um sie herum passieren, angemessen zu reagieren. Bei Kindern und Jugendlichen ist es in der Regel noch
schwieriger, eine depressive Störung zu erkennen, da sich die Symptomatik,
die wir von Erwachsenen kennen, im Kindes- und Jugendalter nicht in
voller Ausprägung zeigen muss. Zudem fällt es jüngeren Kindern schwerer,
Gemütszustände und Gefühle richtig auszudrücken, und Jugendliche gehen
mit ihren Problemen häufig nicht mehr so gerne zu ihren Eltern.
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Wie häufig ist eine Depression
im Kindes- und Jugendalter
und wie ist ihr Verlauf?
Auch wenn die Existenz depressiver Störungen im Kindesalter lange Zeit
umstritten war, ist man heute dessen sicher, dass sie bereits bei Kindern
vorkommen kann. Es konnte nachgewiesen werden, dass die Störungen nicht
selten bis in das Erwachsenenalter andauern und die Entwicklung des Kindes
entscheidend bestimmen können. Bei Kindern liegt die Häufigkeit bei ca. 2%
und bei Jugendlichen um 9%. Das Risiko, im Laufe des Lebens an einer
2% - 9% - 16%
depressiven Störung zu erkranken, liegt bei ca. 16%.
In einer Untersuchung der WHO (Weltgesundheitsorganisation) wurde deutlich, dass keine andere Erkrankung die Lebenszeit und Lebensqualität bei
15 - 44 Jährigen so einschränkt wie eine depressive Störung.
Es gibt mittlerweile gute, wissenschaftlich geprüfte Behandlungsmethoden,
die eine wirksame Behandlung ermöglichen. Wichtig ist, dass die Erkrankung rechtzeitig erkannt und konsequent behandelt wird. Außerdem muss
berücksichtigt werdem, ob es bei den erkrankten Kindern und Jugendlichen
neben der depressiven Erkrankung noch weitere psychische, soziale, schulische oder familiäre Probleme gibt, die zusätzlich behandelt werden sollten.
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Wie entsteht eine
Depression?
Bei einer Depression besteht beispielsweise im Gehirn ein Ungleichgewicht
für bestimmte Botenstoffe, die Informationen von Nervenzelle zu Nervenzelle
weitergeben. Durch diese Kommunikationsstörung der Nervenzellen kommt
es zu Veränderungen im Gehirnstoffwechsel. Die Folge kann eine veränderte
Wahrnehmung von Gefühlen, Gedanken und dem Erlebten sein. Es werden
auch genetische Ursachen für die Erkrankung angenommen. Verschiedene
Erbanlagen spielen eine Rolle und können in ihrem Zusammenwirken eine
depressive Störung mit verursachen.
Verschiedene äußere Umstände können die Belastungsfähigkeit eines Kindes oder Jugendlichen auf die Probe stellen. Hierzu gehören Trennung der
Eltern, Armut, allein erziehende Elternteile, Tod eines Elternteils, sowie
sexueller Missbrauch und Misshandlung. Solche Erlebnisse können die
Entstehung einer depressiven Störung begünstigen; aber nicht in jedem Fall
folgt auf ein solches Ereignis eine Erkrankung.
Eine depressive Verstimmung hat psychologische Folgen. Die depressive
Störung beeinflusst in aller Regel auch die Gedanken, Gefühle und das Handeln eines Kindes oder Jugendlichen in entscheidender Weise.
So haben die Betroffenen nicht selten eine negative Sicht auf sich selbst,
ihre Umwelt und die Zukunft und gehen mit sich häufig hart ins Gericht.
Diese negativen Gedanken laufen nahezu automatisch ab, und so kommt es zu
typischen „Denkfehlern“, die wie von selbst die Denkvorgänge beeinflussen.
Dabei geht es nicht darum, dass die Patienten „falsch“ denken. Vielmehr ist
es so, dass ihre Selbstbeurteilung extrem negativ und für andere nicht nachvollziehbar ist. Häufig ziehen sich diese Kinder oder Jugendlichen auch sozial zurück, da ihre Motivation und ihr Antrieb gesunken sind. Die Folge ist,
dass ihnen mehr und mehr positive soziale Erlebnisse verschlossen bleiben.
Häufig resultiert aus den genannten Punkten dann ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit, das die Welt in einem noch schlechteren Licht erscheinen lässt.
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Wie zeigt sich
eine Depression?
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Die folgenden Tabellen verdeutlichen Anhaltspunkte für eine depressive
Störung. Im Kindes- und Schulalter sind die Beschwerden meist eher versteckt
und nicht so offensichtlich. Im Jugendalter nähern sich die Beschwerden
immer mehr denen eines Erwachsenen. Hilfreich kann in diesem Zusammenhang auch noch eine Bewertung des Verhaltens des Jugendlichen durch
seinen Freundeskreis und in der Schule sein. Es ist beispielsweise wichtig,
ob er sich von seinen Freunden zurückgezogen hat, nur noch wenig Kontakt
hält, oder ob er in der Schule schlechter geworden ist.
Manche Jugendliche leiden nicht unter einem Appetitmangel, sondern essen
mehr oder trinken plötzlich vermehrt Alkohol und konsumieren Drogen.
Sie tun dies, um ihre Stimmung positiv zu beeinflussen, also im Sinne einer
Selbstmedikation gegen schlechte Stimmung. Bezüglich ihres Verhaltens in
Mimik und Gestik können sie ebenfalls Auffälligkeiten zeigen. Meist haben
sie einen traurigen, angespannten Gesichtsausdruck und zeigen nur noch
wenig Gestik. Häufig sprechen sie auch leiser und sind in ihren Bewegungen
verlangsamt und unbeholfen.
Die folgenden Tabellen sollen Ihnen helfen die vorliegenden Beschwerden
einzuschätzen, die länger als zwei Wochen vorliegen müssen.
Kleinkindalter:
• vermehrtes Weinen
• das Kind kann leicht störbar sein
und sich schnell unwohl fühlen
• es kommt zu Einschlaf- und Durch schlafstörungen
• sie zeigen weniger Appetit
Schulalter:
• verminderte Mimik u. Gestik
• Stimmungslabilität
• Introvertiertheit
• Gereiztheit
• Schlafstörungen
• Appetitverlust und Gewichtsreduktion
Jugendalter:
• Gefühl von Niedergeschlagenheit und Leere
• Konzentrationsmangel in der Schule
• Selbstvorwürfe und Gefühl für alles verantwortlich zu sein
• Grübeln
• keine Zukunftsperspektive und pessimistische Lebenseinstellung
• Interesseverlust (z.B. bei Hobbys) und Antriebslosigkeit
• Angstgefühle
• Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen
• Selbstmordgedanken
• Schlafstörungen
• Appetitverlust
• psychosomatische Beschwerden wie z.B. Kopfschmerzen
• Unruhe und Nervosität
• Verminderung der Kommunikation und sozialer Fähigkeiten
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Welche Formen der
Depression gibt es?
Man unterscheidet kürzere von längeren und leichte von schweren Verläufen.
Je weniger Beschwerden vorhanden sind, desto leichter ist die Störung. Je
ausgeprägter die Beschwerden, desto kränker ist der Patient. Die Erkrankungsdauer liegt ähnlich wie bei Erwachsenen im Durchschnitt bei vier bis
sechs Monaten. Davon abzugrenzen ist eine bipolare Störung, bei der sich
depressive Phasen und sogenannte manische Phasen mit gehobener Stimmung und vermehrtem Antrieb abwechseln. In einer manischen Phase kann
gefahrenblindes, kritikloses Verhalten und Drogenkonsum auftreten. Nicht
selten geben die Betroffenen dann auch vermehrt Geld aus, reden sehr viel
mehr als sonst und schlafen wenig. Diese Störung ist aber bei Kindern und
Jugendlichen eher selten.
Bei Jugendlichen, weniger bei Kindern, kommen in depressiven Phasen auch
Selbstmordgedanken vor, die auch zu einem Suizidversuch oder gar einem
Suizid führen können. Depressive Jugendliche haben ein erhöhtes Risiko,
durch einen Selbstmord zu sterben. So muss jede diesbezügliche Äußerung
zunächst ernst genommen werden, vor allem dann, wenn der/die Jugendliche bereits einen Selbstmordversuch unternommen hat.
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Wie kann man eine
Depression behandeln?
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Wichtig ist, dass sich alle Beteiligten für die Behandlung Zeit nehmen. Die
Depression ist keine Krankheit, die innerhalb weniger Wochen zurückgeht.
Dennoch hat ein Patient/eine Patientin gute Chancen, gesund zu werden. Es
ist wichtig, dass die Behandlung auch noch fortgeführt wird, wenn die ersten
Symptome zurückgehen und sich das Kind langsam schon wieder besser fühlt.
Sind alle Beschwerden behoben, sollte man trotzdem den Rat des Therapeuten
befolgen und die Psychotherapie und/oder eine medikamentöse Behandlung so
lange fortführen, bis der Therapeut zu einer Beendigung rät, weil eine depressive Störung, z. B. bei zu kurzfristiger Medikamentengabe, rasch wieder kommen
kann. Die wissenschaftlichen Untersuchungen haben gezeigt, dass eine Kombinationsbehandlung von Psychotherapie und Antidepressiva, aber auch eine
alleinige Behandlung mit Medikamenten, erfolgversprechend sein kann. Bei
leichteren depressiven Störungen ist eine alleinige, z. B. kognitiv-behaviorale
Psychotherapie häufig ausreichend. Die Medikamente, die heute zum Einsatz kommen, bringen die Informationsweiterleitung im Gehirnstoffwechsel
wieder in Gang und sind deshalb fast unumgänglich, wenn man dem Kind
schnell helfen will und ihm eine langwierige ambulante oder stationäre
Behandlung ersparen will. Heute gibt es zahlreiche, gut wirksame und nebenwirkungsarme Medikamente, die einen schnellen Rückgang der Beschwerden
begünstigen. Häufig kommen sogenannte SSRI (Serotonin- Wiederaufnahme–
Hemmer) zum Einsatz. Bei einer Psychotherapie können verschiedene Therapieangebote eingesetzt werden. Der Patient/die Patientin lernt z. B., seine
depressiven Gedanken und Überzeugungen zu identifizieren und sie besser in
den Griff zu bekommen. Die Häufigkeit angenehmer Situationen wird aktiv
vorrangetrieben und er/sie lernt außerdem, sich wieder in seine Umgebung zu
integrieren.
Vorbeugende Maßnahmen für Kinder und Jugendliche werden z.B. durch einen Präventionskurs
„Probleme kann ich lösen“ durch das Institut für
Verhaltenstherapie in Marburg (www.ivv-marburg.de)
angeboten.
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Was können Sie
als Eltern, Angehörige,
Lehrer und Freunde tun?
• Sie sollten mit ihrem Sohn/ihrer Tochter das Gespräch suchen und nicht gleich beim ersten gescheiterten Versuch aufgeben, da es besonders
Jugendlichen am Anfang schwer fallen kann, über ihre Schwierigkeiten
offen zu sprechen.
• Wenn sie eine Veränderung bei ihrem Schüler oder ihrer Schülerin be-
merken, suchen sie das Gespräch zu dem/der Betroffenen und mit den Eltern
• Wenn Sie sich unsicher sind, ob ihr Kind an einer depressiven Störung leidet, holen sie sich Rat bei einem Hausarzt, Kinderarzt, Kinder- und Jugendpsychiater oder –psychologen.
• Seien Sie während der Behandlung geduldig und setzen Sie als Eltern ihr Kind nicht unter Druck, sondern machen sie sich klar, dass das Kind auf-
grund der Erkrankung zunächst nur kleine Schritte vorankommt.
• Andererseits muss man darauf achten dem Kind nicht alles abzunehmen und ihm eine gewisse Eigenverantwortung überlassen.
Anlaufstellen:
• www.kompetenznetz-depression.de
• www.dgkjp.de
• www.psychotherapiesuche.de
• www.arztsuchehessen.de
• www.buendnis-depression.de
• www.ivv-marburg.de
• www.kinderundjugendtelefon.de
• www.telefonseelsorge.de
Verfasst von Dr. Maike Preiß und Prof. Dr. Dr. Helmut Remschmidt.
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie der
Philipps-Universität, Hans-Sachs-Str. 4-6, 35039 Marburg
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