Asylbewerber- und Flüchtlingskinder in der Kita; Bereicherung - Chance Herausforderung Fachtag der Regierung von Unterfranken Sprachliche Bildungsarbeit unter besonderer Berücksichtigung des Zweitspracherwerbs Theoretische Erkenntnisse für die Praxis nutzbar machen Christa Kieferle, Staatsinstitut für Frühpädagogik Würzburg, 03. 11. 2014 Alltagsintegrierte sprachliche Bildung Sprach- und Literacy-Bildung ist am effektivsten, wenn sie auf einem verständlichen Ansatz basiert, der allen Aspekten der kindlichen Entwicklung die gleiche Aufmerksamkeit widmet: der sozial-emotionalen, der körperlichen, kognitiven und sprachlichen Entwicklung. Materielle Ausstattung, Spielbereiche, Routinen, Angebote, soziale Umgebung Wissen über kindliche Entwicklung, Kultur, Bedürfnisse kennen Eltern und Familienmitglieder sind die ersten „Lehrer“, Zusammenarbeit mit Eltern Aktivitäten und Angebote Die Rolle der päd. Fachkraft Theorie und Forschung Wissen und Fertigkeiten in den Bildungsbereichen Rollenmodelle für Sprache und Literacy: zeigen literales Verhalten, verwickeln Kinder in Gespräche, stellen Fragen… Beobachten und dokumentieren I Wie Kinder lernen und sich entwickeln Spracherwerb Kind beobachtet, was andere mit Sprache machen, und macht dasselbe… Gerader Weg ??? 3 I Wie Kinder lernen und sich entwickeln Spracherwerb Drei Aufgaben a) Aufgabe des Sprachverständnisses und der Sprachproduktion b) Aufgabe der Kommunikation und Bedeutung c) Aufgabe der Grammatik und Kreativität 4 I Wie Kinder lernen und sich entwickeln Geteilte Aufmerksamkeit Kommunikative Absichten verstehen 5 I Wie Kinder lernen und sich entwickeln Geteilte Aufmerksamkeit - Beispiel 1 Kind: Martina hielte die Baby-Hasen und wir streichelten sie. Erwachsener: Hast du gesagt, Martina hielt die Baby-Hasen? Kind: Ja. Erwachsener: Was hast du gesagt, tat sie? Kind: Sie hielte die Baby-Hasen und wir streichelten sie. Erwachsener: Sagtest du, sie hielt sie fest? Kind: Nein! Sie hielte sie locker. Fromkin Rodman Hyams [2011] 325 6 I Wie Kinder lernen und sich entwickeln Geteilte Aufmerksamkeit - Beispiel 2 • Kind: Ich habe die Teller ganz allein auf den Tisch getut. • Erzieherin (korrektives Feedback): Ich habe die Teller auf den Tisch getan. • Kind: Nein!!! ICH habe die Teller ganz allein auf den Tisch getut!!! 7 I Wie Kinder lernen und sich entwickeln Spracherwerb • Spracherwerb: eigenständiger Prozess, mit eigenständiger Hypothesen- und Regelbildung: Sprachlerner machen immer wieder Annahmen über die Regeln der Sprache und setzen sie dann in ihrem Sprachgebrauch so lange ein, bis sie aus dem „Input“, d.h. heißt aus dem sprachlichen Angebot der Umgebung, neue Einsichten in das Regelsystem gewinnen • Lerngelegenheiten • Spracherwerb ist eingebettet in Interaktion und Beziehung, Interesse und gemeinsame Sinnkonstruktion 8 I Wie Kinder lernen undZweitspracherwerb sich entwickeln Zweitspracherwerb • • • Mehrjähriger Prozess Erwerbsreihenfolge nicht zufällig Robuste „Meilensteine“ im Erwerbsprozess zeigen an, inwieweit ein Lerner die grammatischen Grundstrukturen schon erworben hat: − − − − • Verbzweitstellung im Hauptsatz Erwerb der Satzklammer Subjekt-Verb-Inversion Verbendstellung im subordinierten Nebensatz Auch wenn ein Lerner schon zielsprachliche (korrekte) Formen produzieren kann, kommen in seinen Äußerungen noch jede Menge nicht-zielsprachliche Formen („Fehler“) vor I Wie Kinder lernen und sich entwickeln Verbstellungsregeln des Deutschen 1. Verbzweitstellung im Hauptsatz: das gebeugte (finite) Verb steht im Hauptsatz immer an der zweiten Stelle des Satzes • • • • [Der Baum ] steht im Garten [In dem schön gelegenen Garten] steht ein Baum [Gestern] kaufte Peter ein Buch [Der Baum] ist gestern noch im Garten gestanden Christa Kieferle, IFP München I Wie Kinder lernen und sich entwickeln Verbstellungsregeln des Deutschen 2. Satzklammer Wenn ein Satz ein mehrteiliges Prädikat (z.B. „ist gegangen“) enthält, können die finite Verbform („ist“) und die anderen Prädikatsteile („gegangen“) getrennt voneinander stehen: • Peter macht seine neuen Schuhe schon ganz alleine zu. • Peter muss heute ganz alleine vom Kino nach Hause gehen • Peter ist gestern ganz alleine vom Kino heim gegangen. Satzklammer Christa Kieferle, IFP München I Wie Kinder lernen und sich entwickeln Verbstellungsregeln des Deutschen 3. Subjekt-Verb-Inversion: Das Subjekt eines Satzes (=Satzgegenstand) muss hinter das gebeugte (finite) Verb (=Prädikat) gehen, wenn die erste Stelle im Satz bereits durch ein anderes Element besetzt wird: Satz mit Subjekt-finVerb-Objekt-Stellung (SVO): Peter (S) kaufte (V) gestern ein Buch (O) Satz mit Subjekt-(fin)Verb-Inversion: Gestern kaufte (V) Peter (S) ein Buch, Ein Buch kaufte (V) Peter (S) gestern. Christa Kieferle, IFP München I Wie Kinder lernen und sich entwickeln Verbstellungsregeln des Deutschen 4. Verbendstellung im subordinierten Nebensatz: In Nebensätzen, die mit dass, ob, wenn, obwohl, weil, da, eingeleitet werden, steht das (finite) gebeugte Verb am Ende des Satzes • (Ich glaube ihm), dass er gerade seine Hausaufgaben macht • (Ich frage mich), ob er gerade seine Hausaufgaben macht Christa Kieferle, IFP München I Wie Kinder lernen und sich entwickeln Das Deutsch lernende Kind durchschreitet Phasen… 1. Zunächst gibt es einen Zeitraum, in dem Kinder fortfahren, ihre Familiensprache in der Zweitsprach-Situation zu sprechen. 2. Wenn sie entdecken, dass ihre Familiensprache in dieser Situation nicht funktioniert, treten Kinder in eine nichtsprachliche Periode ein, in der sie Informationen über die neue Sprache sammeln 3. Danach gehen die Kinder an die Öffentlichkeit, indem sie einzelne Wörter und Phrasen in der neuen Sprache sprechen. 4. In der nächsten Phase beginnen die Kinder mit der produktiven Verwendung der zweiten Sprache (Tabors, 1997 S.39) 03.11.2014 [email protected] 14 Sequenz - Merkmal Beispiel Einwortäußerungen / auswendig gelernte Floskeln Pragmatisch motivierte Aneinanderreihung von unflektierten Wörtern – Satzfunktion nicht erkennbar, verblose Aussagen Saft? / Habdu? / Verstehstdu? Ich Kuchen / Da Puppe / Mama Haus(e) Verben besetzen vorwiegend die rechte Satzklammer – nicht gebeugt (infinit) Linke Satzklammer oft durch finites Verb besetzt Modalverben, Formen von sein, Vollverben mit den Flexiven –t, -en, -e oder ohne Flexiv in der linken Satzklammer (oft schon kongruent zum Subjekt) Keine oder reduzierte Artikel (de, e) oder Nominativformen (der, die, das, ein, eine) Ines auch Saft haben Du sollst Stall baun • • • Linke Satzklammer überwiegend durch ein finites Verb besetzt Alle Flexive werden verwendet (-e,-st,-t, -en, -t, -en) Artikelauslassungen werden seltener Noch häufig Kasusfehler • • • • Erwerb von Nebensätzen (weil, wenn, dass) Gebeugtes Verb im Nebensatz am Satzende Einleitende Konjunktion kann am Anfang noch fehlen Ausbau des Kasussystems (Nom > Akk > Dat) …, weil der Vogel weg is(t) • • • • • • • Nach Ruberg, Rothweiler, Koch-Jensen, 2013 Vogel singt was Da muss des aufmale Phase Erwerbsbeginn 2-4 Jahre I > 6 Monate II/III Ca. 6-12 Monate De Vogel schrei da Katze geht unten Ich gehe, du gehst, … Du hast Ball Der mag der Kuchen IV V Er weint, …der Vogel weg ist Ca. 12-24 Monate Kurz nach Phase IV I Wie Kinder lernen und sichbei entwickeln Mögliche Fehler Kindern mi Phänomene des Zweitspracherwerbs Interferenzfehler: Bildung von nicht zielsprachlichen Formen auf Grund des direkten Einflusses einer Struktur der Erstsprache. Interferenzen können sich auf verschiedenen Ebenen der Sprache zeigen: •Phonologische Interferenzen: „Swei E-uro“ (2 €) •Lexikalische Interferenzen: „Ich öffne das Licht“ •Grammatikalische Interferenzen: „Ich habe 20 Jahre“ (von frz.: „J‘ai 20 ans“). Generalisierungsfehler: Beispiel: er fliegt – er ist gefliegt, wir essen – ich habe geesst, … Identifizierungsfehler: Sinnverwechslungen durch Wörter wie: wagen – der Wagen, er sucht – die Sucht, die Birne (Obst) – die Birne (Glühbirne) 16 I Wie Kinder lernen und sich entwickeln Phänomene des Zweitspracherwerbs • Sprachmischung (Code-mixing) oder Sprachwechsel (Code-Switching) kein Hinweis auf Sprachstörungen • Findet aus kommunikativen Gründen statt • nimmt mit zunehmender Kompetenz in beiden Sprachen ab • Sprachwechsel (Codeswitching): hoch qualifizierte Form des Sprachgebrauchs • reichhaltige und komplexe Redeform mit komplexen Regeln, unter Mehrsprachigen ganz normal, kein Hemmnis für die kindliche Sprachentwicklung 17 I Wie Kinder lernen und sichFossilierung entwickeln Phänomene des Zweitspracherwerbs Die Zweitsprachentwicklung kann auf jeder Erwerbsstufe stagnieren Fossilierung = Versteinerung „Ein Trainer sehen was passieren in Platz. In diese Spiel es waren zwei, drei oder vier Spieler, die waren schwach wie eine Flasche leer“ (Wut-Rede des italienischen Trainers Trapattoni) 18 I Wie Kinder lernen und sich entwickeln Verlust der Erstsprache • Manche Kinder, die eine zweite Sprache lernen, verlieren beim Erlernen der zweiten Sprache die Kompetenz und Sprachgewandtheit in ihrer Erstsprache, wenn diese nicht weiterhin gefördert und gepflegt wird • Das kann sich schädlich auf die kognitive und sprachliche Entwicklung und damit auf das Lernen des Kindes und dessen Familienleben auswirken, vor allem, wenn die Eltern nur die erste Sprache des Kindes sprechen und nicht die zweite • Ideal: Kind lernt eine zweite Sprache, aber kann gleichzeitig seine Erstsprache und die damit verbundene Kultur weiterentwickeln, weil sie gefördert und wertgeschätzt wird 19 I Wie Kinder lernen und sich entwickeln Sozial-kommunikative Kontexte sind entscheidend • Spracherwerb findet in einem sozial-kommunikativen Kontext statt • Er ist Teil der sozialen Entwicklung des Kindes. In den sozialen Interaktionen versucht das Kind, die kommunikativen Absichten Erwachsener zu verstehen, und lernt in sozialen Kontexten, so wie es auch andere kulturelle Fertigkeiten und Routinen lernt. • Sprache wird im Kontext der Familie und in kulturellen Gemeinschaften erworben deshalb kann sie sich von der Sprache, die in der Kindertageseinrichtung gesprochen wird, unterscheiden I Wie Kinder lernen und sich entwickeln Kultur beeinflusst das Alltagsleben Was genau ist Kultur? "Kultur ist ein Bündel von Werten, Meinungen und Denkweisen über die Welt, die das alltägliche Verhalten beeinflussen" (Trumbull & Farr, 2005) Kultur hat viele I Wie Kinder lernen und sich entwickeln Kultur besteht aus alltäglichen Ritualen • Ernährung • Schlafen • Körperpflege • Spiel und Lernen • Sprache und Kommunikation I Wie Kinder lernen Das Menschenbild in unseren Bildungsplänen Im Zentrum steht das Kind Von Anfang an ist die Umwelt auf das Kind ausgerichtet Das Kind wir definiert als: Selbstbestimmt Selbstbewusst Selbstverantwortlich I Wie Kinder lernen und sich entwickeln Das Menschenbild in unseren Bildungsplänen Das Kind braucht: Sensitive Bezugspersonen Die Wünsche und Bedürfnisse der Kinder müssen erspürt und erfüllt werden Jedes Kind hat das Recht, so akzeptiert zu werden, wie es ist und wie es lebt I Wie Kinder lernen und sich entwickeln Was das Kind in der Kita lernen soll •Autonomie •Selbstbewusstsein •Wahlmöglichkeiten Bildungsbezogene Fähigkeiten: 1. Sprache 2. Kognitive Fähigkeiten 3. Schulvorbereitung und mathematische Konzepte 4. Sozial-emotionale Fähigkeiten I Wie Kinder lernen Sozialisation in der individualistischen Gesellschaft Psychologische Autonomie Fokus auf inneres Erleben – – – – Wünsche, Meinungen, Intentionen Objektbezogenheit Verbale Elaboriertheit Positive Emotionalität als Grundstimmung Mittelschicht: hohe formale Bildung sichere ökonomische Grundlage späte Elternschaft wenige Kinder I Wie Kinder lernen Sozialisation in der kollektivistischen Gesellschaft Kind ist Teil eines sozialen Systems (Konformität) Experte-Neuling-Beziehung Fokus auf: Gehorsam, Respekt und Mithilfe Nonverbale Regulation Zurückhaltung Direkter Zugang zur Welt auf der Basis von Erwartungen und Verpflichtungen • Soziale Verantwortung • • • • • • I Wie Kinder lernen Sozialisation in der kollektivistischen Gesellschaft Es ist respektlos, Erwachsenen seine Meinung zu sagen So werden Kinder nicht darum gebeten, ihre Sichtweise zu formulieren und sie mit andern zu teilen oder zu verbalisieren, was sie gelernt haben. Meinungen oder Wissen anderen mitzuteilen, ist für Personen mit einem höheren Status reserviert. Hierarchische Beziehungen und Respekt vor Älteren und Autoritäten halten Menschen in ihren Rollen wichtig für die Stabilität und Kontinuität kultureller Gemeinschaften I Wie Kinder lernen Auswirkungen auf die Pädagogik Individualistisch • Lob • Lernen durch Exploration • Aktive und gleichberechtigte Partizipation Kollektivistisch • Kritik • Lernen durch Instruktion • Rollenkonforme Teilnahme III Die Rolle der Familie Sprache und Kultur Kultur, Ethnie und Sprache nehmen kleine Kinder durch ihre Beziehungen und Erfahrungen in ihrer Umgebung auf. Jedes Kind lernt durch kulturell vorgeschriebene Interaktionen, wie es sich verhalten soll und wie andere mit ihm umgehen sollen. Berücksichtigung von Kultur, Ethnie und Sprache, Erfahrungen des Kindes im Elternhaus Z.B. kann es zu Konflikten kommen, wenn für Eltern ihrer Tradition gemäß, nicht Autonomie und Unabhängigkeit des Kindes vorrangige Erziehungsziele sind, sondern die Einordnung in die Strukturen einer Gemeinschaft (vgl. Mutual, 2007). I Wie Kinder lernen und sich entwickeln Was neu ankommende Kinder denken könnten … 03.11.2014 [email protected] 31 I Wie Kinder lernen und sich entwickeln Die Schweigeperiode • Kann bis zu 6 Monaten - und manchmal länger – dauern • Es ist keine passive Zeit, es findet erhebliches Lernen statt • Die Kinder beobachten, hören aktiv zu und erkunden die Umgebung, um neue Erfahrungen zu verstehen und neue Bedeutungen zu entwickeln. Sie versuchen, vorheriges Wissen auf neue Kontexte zu beziehen • Sie fangen an, nicht sprachliche Gesten zu verwenden - als Antwort auf eine Frage oder, um auf Bedürfnisse hinzuweisen 03.11.2014 [email protected] 32 I Wie Kinder lernen und sich entwickeln Eine neue Sprache lernen heißt… Kompetenzen auf zwei Ebenen zu erwerben: auf der sozialen und auf der Bildungsebene • Sprache besteht aus vielen Teilbereichen • Es gibt ganz unterschiedliche Kompetenzen in verschiedenen Teilbereichen der Sprache, die nicht immer gleichzeitig und gleich gut entwickelt werden • Alle Kinder brauchen viel länger, um die Schul- oder Bildungssprache zu lernen als die Sprache, die sie zu Hause oder im Alltag verwenden. I Wie Kinder lernen und sich entwickeln Alltags- und Bildungssprache Sprache wird im Kontext der Familie und in kulturellen Gemeinschaften erworben, deshalb kann sie sich von der Sprache, die in der Kindertageseinrichtung gesprochen wird, stark unterscheiden. Die Alltagssprache ist geprägt von alltäglichen Routinen: • der Wortschatz ist begrenzt • Sätze nicht immer komplex und vollständig • Einsatz körpersprachlicher Mittel wie Mimik und Gestik I Wie Kinder lernen und sich entwickeln Schul-/Bildungssprache, eine Art Register DaZ-Lerner haben häufig keine Schwierigkeiten mit mündlicher Sprache, aber mit dem Verstehen und Verfassen schriftlicher Texte BISC (Basic Interpersonal Communicative Skills) = mündliche Sprachfertigkeiten im direkten Gespräch (ca. 2-3 Jahre) CALP (Cognitive Academic Language Proficiency) = dekontextualisierte Bildungssprachfertigkeiten (ca. 5-7 Jahre) (Cummins, J. (1979) Cognitive/academic language proficiency, linguistic interdependence, the optimum age question and some other matters. Working Papers on Bilingualism, Nr. 19, S. 121-129.) Christa Kieferle, IFP München I Wie Kinder lernen und sich entwickeln Wortschatzkenntnis Spezifische Unterschiede bei Zweitsprachlernern in der Wortschatzkenntnis, speziell: Breite des Wortschatzes (Anzahl der bekannten Wörter) Tiefe des Wortschatzes (Reichhaltigkeit der Wortschatzrepräsentation) Zweitsprachlerner haben relativ mehr Schwierigkeiten mit der Tiefe des Wortschatzes (Ordonez et al., 2002) Zweitsprachlerner haben oft zwei Wortschätze!! Geringe Wortschatzkenntnisse haben einen negativen Einfluss auf die Leseverständnisfertigkeiten Leseverständnis bleibt für Bilinguale auch lange ein schwieriges Gebiet in der Zweitsprache (August et al., 2005). II Die Rolle der Familie Die Sprach- und Literacy-Entwicklung beginnt bei der Geburt! Eltern und Familienmitglieder sind die ersten Lehrkräfte für Kinder, sie kennen die Kinder am besten Zusammenarbeit mit Eltern/Familien Fachkräfte können Eltern/Familien zeigen, wie wichtig es ist, mit ihren Kindern: 1. 2. 3. 4. 5. zu sprechen zu spielen zu singen zu lesen die Umgebung zu erkunden III Die Rolle der päd. Fachkraft Körpersprache Körpersprache ist das ältere und universellere Kommunikationsmittel III Die Rolle der päd. Fachkraft Körpersprache 80 % der Kommunikation, die beim kleinen Kind ankommt, ist körpersprachlich vermittelt, nur 20% verbal III Die Rolle der päd. Fachkraft Körpersprache Jedes Verhalten in einer zwischenmenschlichen Situation hat Mitteilungscharakter, ist eine Form der Kommunikation. Man kann sich nicht nicht verhalten. Kommunikation hat immer einen Bedeutungs- und einen Beziehungsaspekt. Beziehungsaspekt: wird über nonverbale Signale vermittelt III Die Rolle der päd. Fachkraft Bestandteile der Kommunikation • Körperausdruck (wie man sitzt, steht…) • Sprache (Inhalt und Form) Sprechmelodie Rhythmus Tonfall Gestik Mimik Durch Körperausdruck vermitteln wir beständig Signale, die unbewusst aufgenommen, eingeordnet und bewertet werden. III Die Rolle der päd. Fachkraft Kommunikation Kinder reagieren stark auf körpersprachliche Signale. Bis zum 4. bis 5. Lebensjahr können sie sich kaum vorstellen, dass man ein bestimmtes Gefühl haben kann, aber etwas anderes zeigt. Botschaften sollten immer: sprachlich, stimmlich und körpersprachlich eindeutig sein Sprachliche und nicht sprachliche Zeichen sollten kongruent beim Kind ankommen und als „echt“ zur Person des Senders passend und stimmig erlebt werden können stabile Beziehungsbrücken sind wichtig für die Unterstützung der Sprachentwicklung III Die Rolle der päd. Fachkraft Kommunikation Kinder, die eine Sprache nicht verstehen, reagieren zunächst auf das, was ihnen bekannt ist: Körpersprache, Klang der Stimme, Lautstärke, Betonung, Sprechmelodie… entmutigt III Die Rolle der päd. Fachkraft Pädagogische Fachkräfte wissen… • Wie Kinder sind – hinsichtlich der Entwicklung und individuell • Wie Kultur bestimmt, wie Kinder zu anderen eine Beziehung herstellen und wie sie lernen Sie nutzen dieses Wissen: • Aktivitäten • Interaktion • Fragen stellen • Motivieren • Die Bedürfnisse aller Kinder erfüllen (z.B. Mehrsprachigkeit, besondere Unterstützungsbedarfe) III Die Rolle der päd. Fachkraft Neuankömmlinge – Was Fachkräfte tun könnten 03.11.2014 [email protected] 45 III Die Rolle der päd. Fachkraft Schweigeperiode – Strategien für Fachkräfte (1) • Fachkräfte sprechen weiterhin mit dem Kind, auch wenn es nicht antwortet Kind hört viel von der neuen Sprache, fühlt sich als Teil einer Gruppe • Sie beziehen die Kinder in kleine Gruppen mit anderen Kindern ein, in denen auch welche sind, die fließend Deutsch sprechen • Sie verwenden vielfältige Frageformen • Sie ermuntern zu non-verbalen Antworten und stellen ebenso Fragen, auf die eine gesprochene Antwort erwartet wird • Sie beziehen andere Kinder in die Unterhaltung ein (die Kinder werden als Paare in die Diskussion einbezogen und dabei werden die Fragen an beide gestellt) 03.11.2014 [email protected] 46 III Die Rolle der päd. Fachkraft Schweigeperiode – Strategien für Fachkräfte (2) • Sie nutzen die Erstsprache (bis 10 zählen, Lied in der Erstsprache) • Sie akzeptieren nicht-sprachliche Antworten • Sie loben selbst minimale Erfolge (jede Antwort, egal, wie kurz) • Sie erwarten, dass das Kind antwortet, drängt aber nicht auf eine Antwort • Sie schafft viele Möglichkeiten zur Kind-Kind-Interaktion (interakYve AkYvitäten) • Sie bieten Rollenspiele an – das Kind muss dabei nicht unbedingt sprechen (P. Clarke 1992) 03.11.2014 [email protected] 47 Chumak-Horbatsch, R. (2012). Linguistically Appropriate Practice. A Guide for Working With Young Immigrant Children. Toronto: University of Toronto Press. Gogolin, I. (2013). Über die Chancen, die in der Mehrsprachigkeit liegen. In: Kieferle, C./Reichert-Garschhammer, E./Becker-Stoll, F. (Hrsg.). Sprachliche Bildung von Anfang an. Strategien, Konzepte und Erfahrungen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Gregory, E. (1996). Making Sense of a New World. Learning to Read in a Second Language. London: Paul Chapman Publishing. Raban, B./Margetts, K./Church, A./deans, J. (2010). The Early Years Learning Framework. Albert Park: Teaching Solutions. Tabors, P. (1997). One Child, Two languages: A Guide for Preschool Educators of Children Learning English as a Second Language. Baltimore: Paul Brookes Publishing. Tomasello, M./Bates, E. (Hrsg.). (2001). Language Development. The Essential Readings. Oxford, Melbourne, Berlin, Malden: Blackwell Publishing. Ulich, M./Soltendieck, M./Oberhuemer, P. (2007). Die Welt trifft sich im Kindergarten. Interkulturelle Arbeit und Sprachförderung in Kindertageseinrichtungen. 2. Aufl. Berlin/Düsseldorf/Mannheim: Cornelsen Scriptor. HERZLICHEN DANK FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT !! Christa Kieferle, IFP München II Wie Kinder lernen und sich entwickeln Kommunikative Kompetenz 50 I Wie Kinder lernen und sich entwickeln Kinder können erfolgreich zwei Sprachen sprechen Erwerb einer zweiten Sprache ist kein einfacher Aufnahmeprozess. Kinder brauchen: - eine bedeutungsvolle, unterstützende und anregende Umgebung - ausreichend Kontakt zu jeder Sprache, die sie sprechen Wie schnell oder wie gut ein Kind eine zweite Sprache lernt, hängt von vielen äußeren Dingen ab: Einstellung der Eltern und pädagogischen Fachkräfte Davon, ob die deutschsprachigen Kinder mit dem vielsprachigen Kind spielen wollen Erwerbsalter: In welchem Alter hat das Kind begonnen, die zweite Sprache zu lernen? Kontaktdauer: Seit wann hat das Kind intensiven Kontakt mit der zweiten Sprache Qualität und Menge des sprachlichen Angebots aus der Umgebung: Wie gut ist die sprachliche Qualität der Sprache, die die Kinder von ihren Bezugspersonen hören? Wie oft hört das Kind diese Sprache? Sprechgelegenheiten: Wie oft kommt es in der neuen Sprache selbst zu Wort?