"Sprachliche Bildungsarbeit unter besonderer Berücksichtigung des

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Asylbewerber- und
Flüchtlingskinder in der Kita;
Bereicherung - Chance Herausforderung
Fachtag der Regierung von
Unterfranken
Sprachliche
Bildungsarbeit unter
besonderer
Berücksichtigung des
Zweitspracherwerbs
Theoretische Erkenntnisse für die
Praxis nutzbar machen
Christa Kieferle, Staatsinstitut für Frühpädagogik
Würzburg, 03. 11. 2014
Alltagsintegrierte sprachliche Bildung
Sprach- und Literacy-Bildung ist am effektivsten, wenn sie auf einem
verständlichen Ansatz basiert, der allen Aspekten der kindlichen Entwicklung die
gleiche Aufmerksamkeit widmet: der sozial-emotionalen, der körperlichen,
kognitiven und sprachlichen Entwicklung.
Materielle Ausstattung,
Spielbereiche, Routinen, Angebote,
soziale Umgebung
Wissen über kindliche
Entwicklung, Kultur,
Bedürfnisse kennen
Eltern und Familienmitglieder
sind die ersten „Lehrer“,
Zusammenarbeit mit Eltern
Aktivitäten
und Angebote
Die Rolle der
päd. Fachkraft
Theorie und Forschung
Wissen und Fertigkeiten in
den Bildungsbereichen
Rollenmodelle für Sprache
und Literacy: zeigen literales
Verhalten, verwickeln Kinder
in Gespräche, stellen Fragen…
Beobachten und
dokumentieren
I Wie Kinder lernen und sich entwickeln
Spracherwerb
Kind beobachtet, was andere mit
Sprache machen, und macht
dasselbe…
Gerader
Weg ???
3
I Wie Kinder lernen und sich entwickeln
Spracherwerb
Drei Aufgaben
a) Aufgabe des Sprachverständnisses und der Sprachproduktion
b) Aufgabe der Kommunikation und Bedeutung
c) Aufgabe der Grammatik und Kreativität
4
I Wie Kinder lernen und sich entwickeln
Geteilte Aufmerksamkeit
Kommunikative Absichten
verstehen
5
I Wie Kinder lernen und sich entwickeln
Geteilte Aufmerksamkeit - Beispiel 1
Kind: Martina hielte die Baby-Hasen und wir streichelten sie.
Erwachsener:
Hast du gesagt, Martina hielt die Baby-Hasen?
Kind: Ja.
Erwachsener: Was hast du gesagt, tat sie?
Kind: Sie hielte die Baby-Hasen und wir streichelten sie.
Erwachsener: Sagtest du, sie hielt sie fest?
Kind: Nein! Sie hielte sie locker.
Fromkin Rodman Hyams [2011] 325
6
I Wie Kinder lernen und sich entwickeln
Geteilte Aufmerksamkeit - Beispiel 2
• Kind:
Ich habe die Teller ganz allein auf den Tisch getut.
• Erzieherin (korrektives Feedback):
Ich habe die Teller auf den Tisch getan.
• Kind:
Nein!!! ICH habe die Teller ganz allein
auf den Tisch getut!!!
7
I Wie Kinder lernen und sich entwickeln
Spracherwerb
• Spracherwerb: eigenständiger Prozess, mit eigenständiger
Hypothesen- und Regelbildung:
Sprachlerner machen immer wieder Annahmen über die
Regeln der Sprache und setzen sie dann in ihrem
Sprachgebrauch so lange ein, bis sie aus dem „Input“, d.h.
heißt aus dem sprachlichen Angebot der Umgebung, neue
Einsichten in das Regelsystem gewinnen
• Lerngelegenheiten
• Spracherwerb ist eingebettet in Interaktion und Beziehung,
Interesse und gemeinsame Sinnkonstruktion
8
I Wie Kinder lernen undZweitspracherwerb
sich entwickeln
Zweitspracherwerb
•
•
•
Mehrjähriger Prozess
Erwerbsreihenfolge nicht zufällig
Robuste „Meilensteine“ im Erwerbsprozess zeigen an,
inwieweit ein Lerner die grammatischen Grundstrukturen
schon erworben hat:
−
−
−
−
•
Verbzweitstellung im Hauptsatz
Erwerb der Satzklammer
Subjekt-Verb-Inversion
Verbendstellung im subordinierten Nebensatz
Auch wenn ein Lerner schon zielsprachliche (korrekte)
Formen produzieren kann, kommen in seinen Äußerungen
noch jede Menge nicht-zielsprachliche Formen („Fehler“) vor
I Wie Kinder lernen und sich entwickeln
Verbstellungsregeln des Deutschen
1. Verbzweitstellung im Hauptsatz:
das gebeugte (finite) Verb steht im Hauptsatz immer
an der zweiten Stelle des Satzes
•
•
•
•
[Der Baum ] steht im Garten
[In dem schön gelegenen Garten] steht ein Baum
[Gestern] kaufte Peter ein Buch
[Der Baum] ist gestern noch im Garten gestanden
Christa Kieferle, IFP München
I Wie Kinder lernen und sich entwickeln
Verbstellungsregeln des Deutschen
2. Satzklammer
Wenn ein Satz ein mehrteiliges Prädikat (z.B. „ist gegangen“)
enthält, können die finite Verbform („ist“) und die anderen
Prädikatsteile („gegangen“) getrennt voneinander stehen:
• Peter macht seine neuen Schuhe schon ganz alleine zu.
• Peter muss heute ganz alleine vom Kino nach Hause gehen
• Peter ist gestern ganz alleine vom Kino heim gegangen.
Satzklammer
Christa Kieferle, IFP München
I Wie Kinder lernen und sich entwickeln
Verbstellungsregeln des Deutschen
3. Subjekt-Verb-Inversion:
Das Subjekt eines Satzes (=Satzgegenstand) muss hinter das
gebeugte (finite) Verb (=Prädikat) gehen, wenn die erste
Stelle im Satz bereits durch ein anderes Element besetzt
wird:
Satz mit Subjekt-finVerb-Objekt-Stellung (SVO):
Peter (S) kaufte (V) gestern ein Buch (O)
Satz mit Subjekt-(fin)Verb-Inversion:
Gestern kaufte (V) Peter (S) ein Buch,
Ein Buch kaufte (V) Peter (S) gestern.
Christa Kieferle, IFP München
I Wie Kinder lernen und sich entwickeln
Verbstellungsregeln des Deutschen
4. Verbendstellung im subordinierten Nebensatz:
In Nebensätzen, die mit dass, ob, wenn,
obwohl, weil, da, eingeleitet werden, steht das
(finite) gebeugte Verb am Ende des Satzes
• (Ich glaube ihm), dass er gerade seine Hausaufgaben macht
• (Ich frage mich), ob er gerade seine Hausaufgaben macht
Christa Kieferle, IFP München
I Wie Kinder lernen und sich entwickeln
Das Deutsch lernende Kind durchschreitet Phasen…
1. Zunächst gibt es einen Zeitraum, in dem Kinder fortfahren, ihre
Familiensprache in der Zweitsprach-Situation zu sprechen.
2. Wenn sie entdecken, dass ihre Familiensprache in dieser
Situation nicht funktioniert, treten Kinder in eine nichtsprachliche Periode ein, in der sie Informationen über die neue
Sprache sammeln
3. Danach gehen die Kinder an die Öffentlichkeit, indem sie
einzelne Wörter und Phrasen in der neuen Sprache sprechen.
4. In der nächsten Phase beginnen die Kinder mit der produktiven
Verwendung der zweiten Sprache (Tabors, 1997 S.39)
03.11.2014
[email protected]
14
Sequenz - Merkmal
Beispiel
Einwortäußerungen /
auswendig gelernte Floskeln
Pragmatisch motivierte Aneinanderreihung von
unflektierten Wörtern – Satzfunktion nicht erkennbar,
verblose Aussagen
Saft? / Habdu? /
Verstehstdu?
Ich Kuchen /
Da Puppe /
Mama Haus(e)
Verben besetzen vorwiegend die rechte Satzklammer –
nicht gebeugt (infinit)
Linke Satzklammer oft durch finites Verb besetzt
Modalverben, Formen von sein, Vollverben mit den
Flexiven –t, -en, -e oder ohne Flexiv in der linken
Satzklammer (oft schon kongruent zum Subjekt)
Keine oder reduzierte Artikel (de, e) oder
Nominativformen (der, die, das, ein, eine)
Ines auch Saft haben
Du sollst Stall baun
•
•
•
Linke Satzklammer überwiegend durch ein finites Verb
besetzt
Alle Flexive werden verwendet (-e,-st,-t, -en, -t, -en)
Artikelauslassungen werden seltener
Noch häufig Kasusfehler
•
•
•
•
Erwerb von Nebensätzen (weil, wenn, dass)
Gebeugtes Verb im Nebensatz am Satzende
Einleitende Konjunktion kann am Anfang noch fehlen
Ausbau des Kasussystems (Nom > Akk > Dat)
…, weil der Vogel weg is(t)
•
•
•
•
•
•
•
Nach Ruberg, Rothweiler, Koch-Jensen, 2013
Vogel singt was
Da muss des aufmale
Phase
Erwerbsbeginn 2-4
Jahre
I
> 6 Monate
II/III
Ca. 6-12
Monate
De Vogel schrei da
Katze geht unten
Ich gehe, du gehst, …
Du hast Ball
Der mag der Kuchen
IV
V
Er weint, …der Vogel weg ist
Ca. 12-24
Monate
Kurz nach
Phase IV
I Wie Kinder
lernen und
sichbei
entwickeln
Mögliche
Fehler
Kindern mi
Phänomene des Zweitspracherwerbs
Interferenzfehler:
Bildung von nicht zielsprachlichen Formen auf Grund des direkten
Einflusses einer Struktur der Erstsprache.
Interferenzen können sich auf verschiedenen Ebenen der Sprache
zeigen:
•Phonologische Interferenzen: „Swei E-uro“ (2 €)
•Lexikalische Interferenzen: „Ich öffne das Licht“
•Grammatikalische Interferenzen: „Ich habe 20 Jahre“ (von frz.: „J‘ai 20 ans“).
Generalisierungsfehler:
Beispiel: er fliegt – er ist gefliegt, wir essen – ich habe geesst, …
Identifizierungsfehler:
Sinnverwechslungen durch Wörter wie: wagen – der Wagen, er sucht –
die Sucht, die Birne (Obst) – die Birne (Glühbirne)
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I Wie Kinder lernen und sich entwickeln
Phänomene des Zweitspracherwerbs
• Sprachmischung (Code-mixing) oder Sprachwechsel
(Code-Switching) kein Hinweis auf Sprachstörungen
• Findet aus kommunikativen Gründen statt
• nimmt mit zunehmender Kompetenz in beiden Sprachen
ab
• Sprachwechsel (Codeswitching): hoch qualifizierte Form
des Sprachgebrauchs
•
reichhaltige und komplexe Redeform mit komplexen
Regeln, unter Mehrsprachigen ganz normal, kein
Hemmnis für die kindliche Sprachentwicklung
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I Wie Kinder lernen und sichFossilierung
entwickeln
Phänomene des Zweitspracherwerbs
Die Zweitsprachentwicklung kann
auf jeder Erwerbsstufe stagnieren
Fossilierung = Versteinerung
„Ein Trainer sehen was
passieren in Platz. In diese
Spiel es waren zwei, drei
oder vier Spieler, die waren
schwach wie eine Flasche
leer“
(Wut-Rede des italienischen Trainers Trapattoni)
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I Wie Kinder lernen und sich entwickeln
Verlust der Erstsprache
• Manche Kinder, die eine zweite Sprache lernen, verlieren beim
Erlernen der zweiten Sprache die Kompetenz und
Sprachgewandtheit in ihrer Erstsprache, wenn diese nicht
weiterhin gefördert und gepflegt wird
• Das kann sich schädlich auf die kognitive und sprachliche
Entwicklung und damit auf das Lernen des Kindes und dessen
Familienleben auswirken, vor allem, wenn die Eltern nur die
erste Sprache des Kindes sprechen und nicht die zweite
• Ideal: Kind lernt eine zweite Sprache, aber kann gleichzeitig
seine Erstsprache und die damit verbundene Kultur
weiterentwickeln, weil sie gefördert und wertgeschätzt wird
19
I Wie Kinder lernen und sich entwickeln
Sozial-kommunikative Kontexte sind entscheidend
• Spracherwerb findet in einem sozial-kommunikativen
Kontext statt
• Er ist Teil der sozialen Entwicklung des Kindes. In den
sozialen Interaktionen versucht das Kind, die
kommunikativen Absichten Erwachsener zu verstehen,
und lernt in sozialen Kontexten, so wie es auch andere
kulturelle Fertigkeiten und Routinen lernt.
• Sprache wird im Kontext der Familie und in kulturellen
Gemeinschaften erworben
deshalb kann sie sich von
der Sprache, die in der Kindertageseinrichtung
gesprochen wird, unterscheiden
I Wie Kinder lernen und sich entwickeln
Kultur beeinflusst das Alltagsleben
Was genau ist
Kultur?
"Kultur ist ein Bündel von
Werten, Meinungen und
Denkweisen über die Welt,
die das alltägliche
Verhalten beeinflussen"
(Trumbull & Farr, 2005)
Kultur hat viele
I Wie Kinder lernen und sich entwickeln
Kultur besteht aus alltäglichen Ritualen
• Ernährung
• Schlafen
• Körperpflege
• Spiel und Lernen
• Sprache und
Kommunikation
I Wie Kinder lernen
Das Menschenbild in unseren Bildungsplänen
Im Zentrum steht das Kind
Von Anfang an ist die Umwelt auf das Kind
ausgerichtet
Das Kind wir definiert als:
Selbstbestimmt
Selbstbewusst
Selbstverantwortlich
I Wie Kinder lernen und sich entwickeln
Das Menschenbild in unseren Bildungsplänen
Das Kind braucht:
Sensitive Bezugspersonen
Die Wünsche und Bedürfnisse der Kinder
müssen erspürt und erfüllt werden
Jedes Kind hat das Recht, so akzeptiert
zu werden, wie es ist und wie es lebt
I Wie Kinder lernen und sich entwickeln
Was das Kind in der Kita lernen soll
•Autonomie
•Selbstbewusstsein
•Wahlmöglichkeiten
Bildungsbezogene Fähigkeiten:
1. Sprache
2. Kognitive Fähigkeiten
3. Schulvorbereitung und
mathematische Konzepte
4. Sozial-emotionale Fähigkeiten
I Wie Kinder lernen
Sozialisation in der individualistischen Gesellschaft
Psychologische
Autonomie
Fokus auf inneres
Erleben
–
–
–
–
Wünsche, Meinungen,
Intentionen
Objektbezogenheit
Verbale Elaboriertheit
Positive Emotionalität als
Grundstimmung
Mittelschicht:
hohe formale Bildung
sichere ökonomische
Grundlage
späte Elternschaft
wenige Kinder
I Wie Kinder lernen
Sozialisation in der kollektivistischen Gesellschaft
Kind ist Teil eines sozialen Systems (Konformität)
Experte-Neuling-Beziehung
Fokus auf: Gehorsam, Respekt und Mithilfe
Nonverbale Regulation
Zurückhaltung
Direkter Zugang zur Welt auf der Basis von
Erwartungen und Verpflichtungen
• Soziale Verantwortung
•
•
•
•
•
•
I Wie Kinder lernen
Sozialisation in der kollektivistischen Gesellschaft
Es ist
respektlos,
Erwachsenen
seine
Meinung
zu sagen
So werden Kinder nicht darum
gebeten, ihre Sichtweise zu
formulieren und sie mit andern zu
teilen oder zu verbalisieren, was sie
gelernt haben.
Meinungen oder Wissen anderen
mitzuteilen, ist für Personen mit
einem höheren Status reserviert.
Hierarchische Beziehungen und
Respekt vor Älteren und Autoritäten
halten Menschen in ihren Rollen
wichtig für die Stabilität und
Kontinuität kultureller
Gemeinschaften
I Wie Kinder lernen
Auswirkungen auf die Pädagogik
Individualistisch
• Lob
• Lernen durch
Exploration
• Aktive und
gleichberechtigte
Partizipation
Kollektivistisch
• Kritik
• Lernen durch
Instruktion
• Rollenkonforme
Teilnahme
III Die Rolle der Familie
Sprache und Kultur
Kultur, Ethnie und Sprache nehmen kleine Kinder durch
ihre Beziehungen und Erfahrungen in ihrer Umgebung auf.
Jedes Kind lernt durch kulturell vorgeschriebene
Interaktionen, wie es sich verhalten soll und wie andere mit
ihm umgehen sollen.
Berücksichtigung von Kultur, Ethnie und
Sprache, Erfahrungen des Kindes im
Elternhaus
Z.B. kann es zu Konflikten kommen, wenn für Eltern ihrer
Tradition gemäß, nicht Autonomie und Unabhängigkeit des
Kindes vorrangige Erziehungsziele sind, sondern die
Einordnung in die Strukturen einer Gemeinschaft
(vgl. Mutual, 2007).
I Wie Kinder lernen und sich entwickeln
Was neu ankommende Kinder denken könnten …
03.11.2014
[email protected]
31
I Wie Kinder lernen und sich entwickeln
Die Schweigeperiode
• Kann bis zu 6 Monaten - und manchmal länger – dauern
• Es ist keine passive Zeit, es findet erhebliches Lernen statt
• Die Kinder beobachten, hören aktiv zu und erkunden die
Umgebung, um neue Erfahrungen zu verstehen und neue
Bedeutungen zu entwickeln. Sie versuchen, vorheriges
Wissen auf neue Kontexte zu beziehen
• Sie fangen an, nicht sprachliche Gesten zu verwenden - als
Antwort auf eine Frage oder, um auf Bedürfnisse
hinzuweisen
03.11.2014
[email protected]
32
I Wie Kinder lernen und sich entwickeln
Eine neue Sprache lernen heißt…
Kompetenzen auf zwei Ebenen zu erwerben: auf der sozialen und
auf der Bildungsebene
•
Sprache besteht aus vielen Teilbereichen
•
Es gibt ganz unterschiedliche Kompetenzen in verschiedenen
Teilbereichen der Sprache, die nicht immer gleichzeitig und
gleich gut entwickelt werden
•
Alle Kinder brauchen viel länger, um die Schul- oder
Bildungssprache zu lernen als die Sprache, die sie zu Hause
oder im Alltag verwenden.
I Wie Kinder lernen und sich entwickeln
Alltags- und Bildungssprache
Sprache wird im Kontext der Familie und in kulturellen
Gemeinschaften erworben, deshalb kann sie sich von der
Sprache, die in der Kindertageseinrichtung gesprochen
wird, stark unterscheiden.
Die Alltagssprache ist geprägt von alltäglichen Routinen:
• der Wortschatz ist begrenzt
• Sätze nicht immer komplex und vollständig
• Einsatz körpersprachlicher Mittel wie Mimik und Gestik
I Wie Kinder lernen und sich entwickeln
Schul-/Bildungssprache, eine Art Register
DaZ-Lerner haben häufig keine Schwierigkeiten
mit mündlicher Sprache, aber mit dem Verstehen
und Verfassen schriftlicher Texte
BISC (Basic Interpersonal Communicative Skills)
= mündliche Sprachfertigkeiten im direkten Gespräch
(ca. 2-3 Jahre)
CALP (Cognitive Academic Language Proficiency)
= dekontextualisierte Bildungssprachfertigkeiten
(ca. 5-7 Jahre)
(Cummins, J. (1979) Cognitive/academic language proficiency,
linguistic interdependence, the optimum age question and some
other matters. Working Papers on Bilingualism,
Nr. 19, S. 121-129.)
Christa Kieferle, IFP München
I Wie Kinder lernen und sich entwickeln
Wortschatzkenntnis
Spezifische Unterschiede bei Zweitsprachlernern in der
Wortschatzkenntnis, speziell:
Breite des Wortschatzes
(Anzahl der bekannten Wörter)
Tiefe des Wortschatzes
(Reichhaltigkeit der Wortschatzrepräsentation)
Zweitsprachlerner haben relativ mehr Schwierigkeiten mit der Tiefe
des Wortschatzes (Ordonez et al., 2002)
Zweitsprachlerner haben oft zwei Wortschätze!!
Geringe Wortschatzkenntnisse haben einen negativen
Einfluss auf die Leseverständnisfertigkeiten
Leseverständnis bleibt für Bilinguale auch lange ein
schwieriges Gebiet in der Zweitsprache (August et al., 2005).
II Die Rolle der Familie
Die Sprach- und Literacy-Entwicklung beginnt bei der
Geburt! Eltern und Familienmitglieder sind die ersten
Lehrkräfte für Kinder, sie kennen die Kinder am besten
Zusammenarbeit mit Eltern/Familien
Fachkräfte können Eltern/Familien zeigen, wie wichtig
es ist, mit ihren Kindern:
1.
2.
3.
4.
5.
zu sprechen
zu spielen
zu singen
zu lesen
die Umgebung zu erkunden
III Die Rolle der päd. Fachkraft
Körpersprache
Körpersprache ist das ältere und universellere
Kommunikationsmittel
III Die Rolle der päd. Fachkraft
Körpersprache
80 % der Kommunikation, die
beim kleinen Kind ankommt,
ist körpersprachlich vermittelt,
nur 20% verbal
III Die Rolle der päd. Fachkraft
Körpersprache
Jedes Verhalten in einer zwischenmenschlichen
Situation hat Mitteilungscharakter, ist eine Form der
Kommunikation. Man kann sich nicht nicht verhalten.
Kommunikation hat immer einen Bedeutungs- und
einen Beziehungsaspekt.
Beziehungsaspekt: wird über nonverbale Signale
vermittelt
III Die Rolle der päd. Fachkraft
Bestandteile der Kommunikation
• Körperausdruck (wie man sitzt, steht…)
• Sprache (Inhalt und Form)
Sprechmelodie
Rhythmus
Tonfall
Gestik
Mimik
Durch Körperausdruck vermitteln wir beständig
Signale, die unbewusst aufgenommen, eingeordnet
und bewertet werden.
III Die Rolle der päd. Fachkraft
Kommunikation
Kinder reagieren stark auf körpersprachliche Signale. Bis
zum 4. bis 5. Lebensjahr können sie sich kaum vorstellen,
dass man ein bestimmtes Gefühl haben kann, aber etwas
anderes zeigt.
Botschaften sollten immer: sprachlich, stimmlich
und körpersprachlich eindeutig sein
Sprachliche und nicht sprachliche Zeichen sollten
kongruent beim Kind ankommen und als „echt“ zur
Person des Senders passend und stimmig erlebt
werden können
stabile Beziehungsbrücken sind
wichtig für die Unterstützung der Sprachentwicklung
III Die Rolle der päd. Fachkraft
Kommunikation
Kinder, die eine Sprache nicht verstehen, reagieren zunächst auf
das, was ihnen bekannt ist: Körpersprache, Klang der Stimme,
Lautstärke, Betonung, Sprechmelodie…
entmutigt
III Die Rolle der päd. Fachkraft
Pädagogische Fachkräfte wissen…
• Wie Kinder sind – hinsichtlich der Entwicklung und
individuell
• Wie Kultur bestimmt, wie Kinder zu anderen eine
Beziehung herstellen und wie sie lernen
Sie nutzen dieses Wissen:
• Aktivitäten
• Interaktion
• Fragen stellen
• Motivieren
• Die Bedürfnisse aller Kinder erfüllen (z.B.
Mehrsprachigkeit, besondere Unterstützungsbedarfe)
III Die Rolle der päd. Fachkraft
Neuankömmlinge – Was Fachkräfte tun könnten
03.11.2014
[email protected]
45
III Die Rolle der päd. Fachkraft
Schweigeperiode – Strategien für Fachkräfte (1)
• Fachkräfte sprechen weiterhin mit dem Kind, auch wenn es
nicht antwortet Kind hört viel von der neuen Sprache, fühlt
sich als Teil einer Gruppe
• Sie beziehen die Kinder in kleine Gruppen mit anderen Kindern
ein, in denen auch welche sind, die fließend Deutsch sprechen
• Sie verwenden vielfältige Frageformen
• Sie ermuntern zu non-verbalen Antworten und stellen ebenso
Fragen, auf die eine gesprochene Antwort erwartet wird
• Sie beziehen andere Kinder in die Unterhaltung ein (die Kinder
werden als Paare in die Diskussion einbezogen und dabei
werden die Fragen an beide gestellt)
03.11.2014
[email protected]
46
III Die Rolle der päd. Fachkraft
Schweigeperiode – Strategien für Fachkräfte (2)
• Sie nutzen die Erstsprache (bis 10 zählen, Lied in der
Erstsprache)
• Sie akzeptieren nicht-sprachliche Antworten
• Sie loben selbst minimale Erfolge (jede Antwort, egal, wie kurz)
• Sie erwarten, dass das Kind antwortet, drängt aber nicht auf
eine Antwort • Sie schafft viele Möglichkeiten zur Kind-Kind-Interaktion
(interakYve AkYvitäten)
• Sie bieten Rollenspiele an – das Kind muss dabei nicht
unbedingt sprechen (P. Clarke 1992)
03.11.2014
[email protected]
47
Chumak-Horbatsch, R. (2012). Linguistically Appropriate Practice. A Guide for
Working With Young Immigrant Children. Toronto: University of Toronto Press.
Gogolin, I. (2013). Über die Chancen, die in der Mehrsprachigkeit liegen.
In: Kieferle, C./Reichert-Garschhammer, E./Becker-Stoll, F. (Hrsg.).
Sprachliche Bildung von Anfang an. Strategien, Konzepte und Erfahrungen.
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Gregory, E. (1996). Making Sense of a New World. Learning to Read in a Second
Language. London: Paul Chapman Publishing.
Raban, B./Margetts, K./Church, A./deans, J. (2010). The Early Years Learning
Framework. Albert Park: Teaching Solutions.
Tabors, P. (1997). One Child, Two languages: A Guide for Preschool Educators of
Children Learning English as a Second Language. Baltimore: Paul Brookes
Publishing.
Tomasello, M./Bates, E. (Hrsg.). (2001). Language Development. The Essential
Readings. Oxford, Melbourne, Berlin, Malden: Blackwell Publishing.
Ulich, M./Soltendieck, M./Oberhuemer, P. (2007). Die Welt trifft sich im Kindergarten.
Interkulturelle Arbeit und Sprachförderung in Kindertageseinrichtungen. 2. Aufl.
Berlin/Düsseldorf/Mannheim: Cornelsen Scriptor.
HERZLICHEN DANK FÜR
IHRE AUFMERKSAMKEIT !!
Christa Kieferle, IFP München
II Wie Kinder lernen und sich entwickeln
Kommunikative Kompetenz
50
I Wie Kinder lernen und sich entwickeln
Kinder können erfolgreich zwei Sprachen sprechen
Erwerb einer zweiten Sprache ist kein einfacher Aufnahmeprozess. Kinder
brauchen:
- eine bedeutungsvolle, unterstützende und anregende Umgebung
- ausreichend Kontakt zu jeder Sprache, die sie sprechen
Wie schnell oder wie gut ein Kind eine zweite Sprache lernt, hängt von vielen
äußeren Dingen ab:
Einstellung der Eltern und pädagogischen Fachkräfte
Davon, ob die deutschsprachigen Kinder mit dem vielsprachigen Kind spielen
wollen
Erwerbsalter: In welchem Alter hat das Kind begonnen, die zweite Sprache zu
lernen?
Kontaktdauer: Seit wann hat das Kind intensiven Kontakt mit der zweiten
Sprache
Qualität und Menge des sprachlichen Angebots aus der Umgebung:
Wie gut ist die sprachliche Qualität der Sprache, die die Kinder von ihren
Bezugspersonen hören? Wie oft hört das Kind diese Sprache?
Sprechgelegenheiten: Wie oft kommt es in der neuen Sprache selbst zu
Wort?
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