Ärzte Merkblatt Prof. Dr. med. Michael Block, München Prof. Dr. med. Jörg Neuzner, Kassel Dr. med. Karin Rybak, Dessau Schutz vor dem plötzlichen Herztod durch den implantierbaren Defibrillator 1. Ausgabe 2009 Merkblatt_ploetzl.Herztod_08-200x270.indd 1 09.03.2009 09:52:14 Ärzte Merkblatt Schutz vor dem plötzlichen Herztod durch den implantierbaren Defibrillator Herausgeber: Deutsches Grünes Kreuz e. V. im Kilian, Schuhmarkt 4, 35037 Marburg © VERLAG im KILIAN 1. Ausgabe 2009 Redaktion: Dr. Ingolf Dürr Deutsches Grünes Kreuz e. V. Schuhmarkt 4, 35037 Marburg Ä r z t e Merkblatt Meningokokken Ausgabe 2002 Herstellung: Kempkes, Druck und Medien GmbH, 35075 Gladenbach Autoren: Prof. Dr. med. Michael Block, München Prof. Dr. med. Jörg Neuzner, Kassel Dr. med. Karin Rybak, Dessau Gestaltung: medialog, Marburg Merkblatt_ploetzl.Herztod_08-200x270.indd 2 09.03.2009 09:52:16 Zusammenfassung Der plötzliche Herztod ist ein bedeutsames gesundheitspolitisches Problem und primär assoziiert mit dem Erkrankungskomplex der koronaren Herzerkrankung. Die Prognose eines Herz-Kreislauf-Stillstandes außerhalb eines Hospitals ist schlecht – was die Bedeutung primär präventiver Therapieansätze unterstreicht. Der optimale Einsatz effektiver präventiver Maßnahmen wie zum Beispiel die Implantation eines Defibrillators verlangt eine noch zu verbessernde frühe und sichere Identifikation entsprechender Risikopatienten (10, 18, 22, 29). Die Effekte eines weiteren Ausbaus vorhandener Rettungsmittel, zum Beispiel des Notarztsystems, sind bezüglich einer Prognose-Verbesserung des Herz-KreislaufstillStandes eher begrenzt. Konzepte für die umfangreiche Schulung von Laien und Angehörigen der Risikopatienten in der praktischen Durchführung kardiopulmonaler Reanimationsmaßnahmen dürften von größerer Bedeutung sein. Definition Nach der gegenwärtigen Definition ist der plötzliche Herztod ein natürlicher Tod, der plötzlich, nicht vorhergesehen und innerhalb von einer Stunde nach Auftreten von Symptomen eintritt (22). Klassifikation nach ICD-10 (WHO-Version 2006) I 21, I 22 Plötzlicher Tod bei Myokardinfarkt I 44, I 45 Plötzlicher Tod bei Erregungsleitungsstörung I 46.1 Plötzlicher Herztod, so beschrieben R 96.- Plötzlicher Tod ohne nähere Angaben Epidemiologie Die zahlenmäßige Bedeutung des plötzlichen Herztodes in den westlichen Industrienationen kann exemplarisch an den vorliegenden Daten aus den Vereinigten Staaten von Amerika dargestellt werden. In den USA ereignen sich jährlich zirka 300.000 plötzliche Todesfälle. Das entspricht einer Inzidenz von 0,1 – 0,2 Prozent (21). Der Anteil plötzlicher Todesfälle an der Gesamtmortalität im Bereich der koronaren Herzerkrankungen liegt bei 50 Prozent (14). Gemessen an der Gesamtsterblichkeit kann der Anteil plötzlicher Todesfälle für die USA und Westeuropa mit 15 – 20 Prozent angegeben werden (8, 22, 26). Diese Zahlen können nicht generalisiert werden und sind primär abhängig von der Ausbreitung der koronaren Herzerkrankung in den betreffenden Ländern. Bedingt durch die koronare Herzerkrankung als häufigste Ursache des plötzlichen Herztodes, ergibt sich ein deutliches Überwiegen des männlichen Geschlechtes. Die Daten der 20-jährigen Nachverfolgung in der FraminghamStudie zeigten ein im Mittel fast 4-faches Überwiegen des männlichen Geschlechtes. Hierbei ergibt sich eine interessante Altersabhängigkeit mit einem Mann/Frau-Verhältnis von 6,7 zu 1 in der Altersgruppe der 55- bis 65-Jährigen mit einem altersabhängig steigenden Risiko für Frauen bei einem Verhältnis von 2,2 zu 1 in der Altersgruppe der 65bis 75-Jährigen (15). Der plötzliche Herztod ist aber kein ausschließliches Problem der älteren Patienten. Das Maastricht-Register zeigt auch häufige plötzliche Todesfälle bei unter 75jährigen mit einem mittleren Alter von 62 +/- 1 Jahr (8, 20). In der Framingham-Studie zeigte sich mit 42 Prozent eine geringere Prävalenz in der Altersgruppe der 65- bis 75-Jährigen im Vergleich zu 58 Prozent bzw. 62 Prozent in der Altersgruppe der 55- bis 65-Jährigen bzw. 45- bis 55-Jährigen (15). Ursachen Bei den Ursachen des plötzlichen Herztodes steht der Erkrankungskomplex der koronaren Herzerkrankung bei weitem an erster Stelle (9, 21, 22). Sie ist in den unterschiedlichsten klinisch-pathologischen Varianten (wie z. B. akute Ischämie oder Zustand nach abgelaufenen Herzinfarkten mit eingeschränkter linksventrikulärer Funktion) ursächlich für etwa 80 Prozent aller Fälle des plötzlichen Herztodes verantwortlich (21, 22). Nicht ischämische dilatative und hypertrophe Kardiomyopathien verursachen zirka 10 – 15 Prozent der plötzlichen Todesfälle. Die verbleibenden 5 Prozent der Ereignisse verteilen sich auf seltene Ursachen wie zum Beispiel (22): arrhythmogene rechtsventrikuläre Cardiomyopathie (ARVC) Brugada Syndrom Long-QT-Syndrom Reizleitungserkrankungen akzessorische atrioventrikuläre Leitungsbahnen entzündliche Herz-/Gefäßerkrankungen 3 Merkblatt_ploetzl.Herztod_08-200x270.indd 3 09.03.2009 09:52:16 Plötzlicher Herztod: Inzidenz und Auftreten in verschiedenen Risikogruppen Inzidenz (%/Jahr) Alle Ereignisse (n/Jahr) erwachsene Bevölkerung Risiko-Subgruppen vorausgegangener Herzinfarkt EF < 35 % Herzinsuffizienz VT/VF Überlebende Hochrisiko Post-Myokardinfarkt Subgruppen Quelle: R. Myerberg, J CV EP, March, 2001 0 1 2 5 10 20 30 0 100 200 300 Die Abbildung zeigt die unterschiedliche Ereignisrate des plötzlichen Herztodes in klinisch definierten Patientengruppen mit unterschiedlichem Risiko für das Auftreten eines Herz-Kreislauf-Stillstandes. Die Graphik beschreibt sehr eindrucksvoll das Problem des Einsatzes präventiver Behandlungskonzepte. In der obersten Zeile findet sich das Risiko der Gesamtbevölkerung, einen plötzlichen Herztod zu erleiden, mit einer Inzidenz von ca. 0.1bis 0.2 Prozent ergibt sich bei kleinstem Risiko bedingt durch die große Personengruppe die mit Abstand größte Gesamtzahl an Ereignissen. In den folgenden Zeilen sind Patientengruppen mit klinisch bekannten Erkrankungen und damit erhöhtem Risiko dargestellt. Bedingt durch die inverse Beziehung von Inzidenz und Risiko wird die Gesamtereignisrate des plötzlichen Herztodes mit steigendem Risiko immer niedriger. Speichererkrankungen Intoxikationen / Medikamente und letztlich „idiopathisches Kammerflimmern“ ohne erkennbare kardiale Abnormalität Die histopathologische Aufarbeitung von Herzen plötzlich Verstorbener zeigt bei der großen Mehrzahl der Betroffenen das Vorliegen einer koronaren Drei-Gefäßerkrankung mit Stenosen > 75 Prozent Lumenreduktion (22). Eine besondere Gefäßverteilung der KHK oder das Vorliegen eines mehr proximalen oder distalen Gefäßbefalls in Verbindung mit einem besonderen Risiko für den plötzlichen Herztod ergab sich nicht (22). Im Maastricht-Register wurde der plötzliche Herztod in 52 – 59 Prozent der plötzlichen Todesfälle als erste Manifestation der Erkrankung beobachtet (8). Dies sind Patienten, die als Risikogruppe nicht zeitgerecht identifiziert werden konnten und praktisch einer präventiven Maßnahme nicht zuzuführen waren (29). Ergebnisse der Framingham-Studie lassen hier aber vermuten, dass bei einem Teil dieser Betroffenen bereits „stumme“ oder kli- nisch unbemerkte Infarkte abgelaufen waren, was die Rate der wirklichen „unvorhersehbaren“ plötzlichen Todesfälle reduzieren dürfte (16). Dem akuten Herz-Kreislauf-Stillstand liegen drei differente Herzrhythmusstörungen zu Grunde: Kammerflimmern, Asystolie und die elektro-mechanische Dissoziation (neuerer Begiff: pulseless electrical acitivity) (8, 9, 20, 22, 29). Bedingt durch Verzögerungen vom klinischen Ereignis zur initialen Arrhythmiedokumentation ist die definitive Häufigkeit der drei Arrhythmieformen als Ursache des plötzlichen Herztodes nicht sicher bekannt. In mehreren Untersuchungen wird Kammerflimmern mit einer Häufigkeit von 40 Prozent bis > 80 Prozent angegeben (8, 9, 20), die einer Asystolie mit 35 - 45 Prozent (8, 20), eine elektromechanische Dissoziation wurde in 20 Prozent der Fälle (20) beschrieben. Bei Patienten, die plötzlich verstarben und vorher bereits mit einem implantierbaren Defibrillator versorgt waren, ergibt sich wahrscheinlich als Folge der fortgeschrittenen funktionellen Schwere der bestehenden Herzerkrankung eine andere Verteilung der finalen Arrhythmien. Hier erlaubt die Analyse der automatisch 4 Merkblatt_ploetzl.Herztod_08-200x270.indd 4 09.03.2009 09:52:17 gespeicherten Elektrogramme der implantierten Geräte eine bestmögliche Arrhythmieklassifikation. Der Anteil von detektierten Tachyarrhythmien zum Zeitpunkt des Ereignisses lag bei 40 Prozent (11). Die ursächlich dokumentierte Arrhythmie hat prognostische Bedeutung. Die Prognose der Patienten mit Asystolie und elektromechanischer Dissoziation ist deutlich schlechter als die von Patienten mit dokumentiertem Kammerflimmern. Die beiden wesentlichsten prognostischen Faktoren für das Überleben eines Herz-KreislaufstillStandes sind das Zeitintervall vom Ereignis bis zur Defibrillation und die Durchführung von Wiederbelebungsmaßnahmen durch Zeugen des Ereignisses (8, 9, 20, 22). Symptome Viele Patienten, die das Risiko für einen plötzlichen Herztod in sich tragen, lassen sich heute durch einfache Symptome und Befunde erkennen und in der Regel auch durch die Implantation eines Cardioverter Defibrillators (ICD) schützen. Die Versorgung mit einem ICD ist dabei nur sinnvoll für Patienten, die nicht ursächlich durch die Behandlung der Grunderkrankung vor dem plötzlichen Herztod geschützt werden können, zum Beispiel durch den Aortenklappenersatz bei hochgradiger Aortenklappenstenose oder durch eine aortokoronare Bypassoperation bei schwerer Herzkranzgefäßerkrankung. Vor allem der rechtzeitigen Erkennung und Behandlung der koronaren Herzerkrankung kommt hier eine zentrale Bedeutung zu, da ein erheblicher Anteil der plötzlichen Herztodesfälle auf akute Myokardinfarkte zurückzuführen sind. NYHA-Kriterien Bei herzkrankem Patient besteht Abgeschlagenheit, Palpitationen, Dyspnoe oder Angina Grad I nie Grad II bei starken körperlichen Belastungen Grad III bei leichten körperlichen Belastungen Grad IV bei jeder körperlichen Belastung, eventuell bereits in Ruhe Quelle: Nomenclature and Criteria for Diagnosis of Disease of the Heart and Great Vessels. 9th ed. Boston, Mass: Little, Brown & Co;1994:253-6 Plötzlicher Herztod (PHT) Eine der häufigsten Todesursachen in den Industrienationen Inzidenz (Neue Fälle/Jahr) Überlebenswahrscheinlichkeit 3.000,0001 <1% USA 450,0002 5% Westeuropa 400,0003 <5% Deutschland 100,0004 <5% Weltweit 1 Myerberg RJ, Catellanos A. Cardiac Arrest and Sudden Cardiac Death. In: Braunwald E, ed. Heart Disease: A Textbook of Cardiovascular Medicine. 5th Ed. New York: WB Saunders. 1997: 742-779. 2 Circulation. 2001; 104: 2158-2163. 3 Vreede-Swagemakers JJ et al. J Am Coll Cardiol 1997; 30: 1500-1505. 4 Bänsch, Kuck, Herzschrittmacher 2001, 21 Von größter Bedeutung ist es, die vielen Patienten zu erkennen, deren Risiko für einen plötzlichen Herztod nicht durch eine Behandlung der Grunderkrankung abzusichern ist. Dies sind zum Beispiel Patienten mit sehr schlechter linksventrikulärer Funktion oder Patienten mit genetischem Risiko für maligne Arrhythmien. Anlass für einen ersten Arztkontakt können Symptome sein, die auf kurze nichtanhaltende Phasen von malignen Arrhythmien zurückzuführen sind. Unverhofft auftretende heftige Schwindelattacken oder Bewusstseinsverluste, Verspüren von sehr schnellem Herzrasen, aber auch eines sehr langsamen Pulses gehören dazu. Für eine rhythmogene oder auch neurokardiogene Synkope spricht, dass der Bewusstseinsverlust ohne Vorboten (außer vielleicht Palpitationen oder einer aufsteigenden Hitzewallung) erfolgt, er zumeist mit einem Sturz einhergeht, nur kurz ist und mit sofortiger kompletter Wiedererholung einhergeht (27). Für eine andere Ursache sprechen anhaltende (> 15 sec) tonisch-klonische Bewegungen, mit denen die Attacke beginnt, gleichzeitiges Auftreten von Drehschwindel, Dysarthrie oder Doppelsehen, eine Verwirrtheit nach der Attacke für mehr als 5 min oder häufige Attacken mit somatischen Beschwerden ohne kardiale Erkrankung. Wenn immer möglich sollten hier Zeugen des Ereignisses befragt werden (Fremdanamnese). Manchmal versteckt sich die maligne Arrhythmie aber auch hinter nicht so 5 Merkblatt_ploetzl.Herztod_08-200x270.indd 5 09.03.2009 09:52:17 Todesursachen in Deutschland 120000 Todesfälle/Jahr 100000 80000 60000 40000 20000 0 Aids Verkehrstote Brustkrebs Lungenkrebs Schlaganfall PHT Quelle: Statistisches Bundesamt Gesundheitswesen 1999 Der plötzliche Herztod fordert jedes Jahr mehr Opfer als alle anderen aufgeführten Todesursachen zusammen! typischen Symptomen, wie einer unverhofft auftretenden plötzlichen kardialen Dekompensation oder einer Epilepsie. Symptome, die auf eine nichtanhaltende maligne Arrhythmie hinweisen, sollten Anlass für eine weitere Abklärung des Patienten sein. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Eruierung einer eventuell positiven Familienanamnese. Man sollte danach fragen, ob plötzliche Todesfälle in der Familie bekannt sind. Manche Erkrankungen, die zum plötzlichen Herztod führen, kommen familiär gehäuft vor und sind zum Teil bereits genetisch entschlüsselt. Diagnostik Bei den Befunden, die an eine Gefährdung für den plötzlichen Herztod denken lassen, steht von der Häufigkeit und Relevanz die hochgradig eingeschränkte linksventrikuläre Funktion (Ejektionsfraktion < 30 – 40 Prozent) an erster Stelle. Häufigste Ursache sind ein großer Herzinfarkt oder rezidivierende Herzinfarkte, deutlich seltener dilatative Kardiomyopathien. Verdachtsmomente ergeben sich aus Symptomen, die auf eine Herzinsuffizienz (Beinödeme, Lungenödem, Belastungsdyspnoe) hinweisen oder ein erhöhtes BNP. Auch das EKG kann Hinweise auf eine mögliche, schlechte linksventrikuläre Pumpfunktion geben, zum Beispiel die Q-Zacken des Hinterwandinfarktes in II, III, aVF, den Verlust der R-Zacke in fast allen Brustwandableitungen als Hinweis auf einen großen Vorderwandinfarkt oder das Vorliegen eines breiten Linksschenkelblocks, wie er oft bei hochgradigen dilatativen Kardiomyopathien vorkommt. Die definitive Bestätigung der schlechten linksventrikulären Pumpfunktion erfordert aber die Durchführung einer Echokardiographie. Problematisch ist, dass derjenige Arzt, der EKGs schreiben lässt, auch die EKGs erkennen sollte, die die seltenen Patienten identifiziert, die eine primär elektrische Erkrankung des Herzens mit malignen Arrhythmien haben wie zum Beispiel das Long-QT-Syndrom oder das BrugadaSyndrom. Da diese EKGs insgesamt aber sehr selten sind, sollte als Grundregel gelten, dass neu auffällige EKGs mit Veränderungen der ST-Strecken und T-Wellen, sowohl was die Dauer als auch die Form angeht, konsiliarisch von einem Spezialisten gesehen werden sollten. Auch ein Langzeit-EKG kann, gezielt eingesetzt, zur Abklärung von Synkopen oder Palpitationen, oder als Zufallsbefund, maligne ventrikuläre Arrhythmien aufdecken. Treten Ursachen tödlicher Rhythmusstörungen 5% Sonstige 15 % Herzmuskelerkrankungen 80 % Koronare Herzerkrankungen, Herzinfarkt 6 Merkblatt_ploetzl.Herztod_08-200x270.indd 6 09.03.2009 09:52:18 Verdachtsmomente für ein erhöhtes Risiko für einen plötzlichen Herztod Unverhofft auftretende heftige Schwindelattacken oder Bewusstseinsverluste Verspüren von sehr schnellem Herzrasen Sehr langsamer Puls Bewusstseinsverlust ohne Vorboten, zumeist mit einem Sturz einhergehend quenzen erfordert einen Kardiologen mit elektropyhsiologischer Erfahrung. Therapie Zur Prävention des plötzlichen Herztodes auf Grund maligner ventrikulärer Arrhythmien stehen grundsätzlich drei Therapieansätze zur Verfügung: Hochgradig eingeschränkte linksventrikuläre Funktion Große oder rezidivierende Herzinfarkte Vorliegen einer chronischen Herzinsuffizienz (Beinödeme, Lungenödem, Belastungsdyspnoe) Chronisch erhöhtes BNP Nachweis ventrikulärer Herzrhythmusstörungen im EKG oder LZ-EKG Positive Familienanamnese für einen plötzlichen Herztod breite Kammerkomplexe salvenförmig (3 - 10/min) oder länger anhaltend mit einer Frequenz von über 100/min auf, so muss weiter abgeklärt werden, ob es sich hierbei um einen harmlosen oder ernsthaften Befund handelt. Durchaus kann es sich um eine supraventrikuläre Salve oder Tachykardie mit Blockbild handeln oder um Artefakte, die eine ventrikuläre Tachykardie vortäuschen. Ventrikuläre Salven oder Tachykardien können durchaus bei fehlender Grunderkrankung nicht behandlungsbedürftig sein. Dieses sollte aber durch einen Spezialisten abgeklärt werden. Liegt einmal der Verdacht auf eine Gefährdung für das Auftreten eines plötzlichen Herztodes vor, sind Untersuchungen erforderlich, die in der Regel dem Kardiologen vorbehalten sind. Zur weiteren rhythmologischen Abklärung stehen dabei Eventrecorder, zum Teil als Implantate, elektrophysiologische Katheteruntersuchungen, medikamentöse Provokationstests (Ajmalin, Isoprenalin, etc.) und in bedingtem Umfang auch Kipptischuntersuchungen zur Verfügung. Außerdem muss das Vorliegen einer kardialen Grunderkrankung ausgeschlossen werden. Dies erfolgt, neben der Echokardiographie zur Beurteilung von Größe, Funktion und Wanddicke des linken Ventrikels sowie der Klappenfunktion, in der Regel durch konventionelle Koronarangiographie (in Ausnahmefällen durch KardioCT, Kardio-MRT). Selten werden auch genetische Untersuchungen oder Myokardbiopsien erforderlich sein. Der kosteneffektive Einsatz der Untersuchungsmethoden und seine Interpretation bezüglich therapeutischer Konse- die prinzipiell kurative Möglichkeit der Katheterablation, die Suppression durch Antiarrhythmika und die automatische Terminierung durch implantierbare Cardioverter-Defibrillatoren. Der automatische implantierbare Cardioverter-Defibrillator (ICD) wird wie ein Schrittmacher implantiert. Sein üblicherweise linkspektoral liegendes Gehäuse dient als positive Schockelektrode. Als negative Schockelektrode fungiert eine mehrere Zentimeter lange Elektrodenwendel, die über die Vena subclavia im rechten Ventrikel positioniert ist. Das Ende der Sonde ist in der rechtsventrikulären Spitze verankert oder verschraubt und detektiert ständig den Kammerrhythmus. Röntgenthoraxbild nach Implantation eines 2-Kammer-Cardioverter-Defibrillators. Links oben zeigt sich pektoral das ICD-Aggregat, das auch als Schockelektrode dient. Es ist über 2 Elektroden mit dem Herzen verbunden. Die Elektroden sind in der Wand des rechten Vorhofs bzw. der rechtsventrikulären Spitze verankert. Die rechtsventrikuläre Elektrode verfügt zusätzlich zur Spitzenelektrode (Wahrnehmung und Stimulation) auch über eine Defibrillationselektrode im rechten Ventrikel und der oberen Hohlvene. 7 Merkblatt_ploetzl.Herztod_08-200x270.indd 7 09.03.2009 09:52:18 In Abhängigkeit vom detektierten Kammerrhythmus erfolgt gegebenenfalls eine Schockbehandlung oder auch eine Schrittmacherstimulation. Für eine Schockbehandlung werden die Kondensatoren des ICD über eine Zerhackerschaltung innerhalb weniger Sekunden auf mehrere hundert Volt aufgeladen. Da ein solcher Schock den Patienten zumeist unvorbereitet vor einer drohenden Bewusstlosigkeit mit schmerzhafter Wucht trifft, wird heute zumeist erfolgreich versucht, auch schnelle ventrikuläre Tachykardien durch eine kurze Phase noch schnellerer Stimulation (antitachykarde Stimulation) zu beenden. Antiarrhythmika beeinflussen medikamentös die Ionenkanäle, die dafür verantwortlich sind, dass in den Myokardzellen Aktionspotenziale entstehen, unterhalten und beendet werden. Die sogenannten Klasse-I-Antiarrhythmika (Disopyramid, Flecainid, Mexiletin, Prajmaliumbitartrat, Propafenon) sind in Verruf gekommen, seit bei Patienten nach Herzinfarkt trotz erfolgreicher Suppression von ventrikulären Extrasystolen eine erhöhte Mortalität erzeugt wurde (5). Auch die in Klasse-III-Antiarrhythmika (Sotalol, Amiodaron) gesetzte Hoffnung, durch eine Verhinderung des plötzlichen Herztodes die Mortalität zu verringern, hat sich in großen randomisierten Studien nicht erfüllt (4, 12). Allerdings konnte für Sotalol und Amiodaron gezeigt werden, dass die Anzahl ventrikulärer Tachykardien bei Patienten mit ICD deutlich gesenkt werden konnte (7, 23). Die Katheterablation versucht die Myokardzellen elektrisch zu zerstören, deren Leitungseigenschaften oder Automatie ventrikuläre Tachykardien ermöglichen. Randomisierte Studien, die belegen, dass die Katheterablation die Mortalität dadurch verringern kann, liegen derzeit nicht vor. Allerdings lässt sich bei ICD-Patienten die Häufigkeit ventrikulärer Tachyarrhythmien deutlich verringern und erste Daten deuten an, dass bei bestimmten ICD-Patienten der prophylaktische Einsatz die Mortalität verbessern könnte (25). Nur der automatische implantierbare Cardioverter-Defibrillator (ICD) konnte in großen randomisierten Studien belegen, dass er die Mortalitätsrate verbessern kann. Dieses gilt sowohl für Patienten, die bereits einen Herz-KreislaufStillstand oder eine ventrikuläre Tachyarrhythmie mit hämodynamischen Konsequenzen überlebt oder eine Synkope erlitten haben, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine ventrikuläre Tachyarrhythmie zurückzuführen ist (Sekundärprävention) (1, 6, 17), als auch für bestimmte Patientengruppen, die bisher kein Ereignis hatten (Primärprävention). Den größten Anteil der Primärpräventionsgruppe bilden Patienten, bei denen trotz optimaler ursächlicher und medikamentöser Behandlung eine schwere systolische Funktionsstörung des linken Herzmuskels besteht. Hierbei handelt es sich vor allem um Patienten mit durchgemachtem Herzinfarkt (19). Falls der letzte Herzinfarkt nicht innerhalb der letzten 4 Wochen abgelaufen ist oder noch perkutane Koronarinterventionen oder eine koronare Bypassoperation vorgesehen sind, haben die Patienten mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion von </= 30 Prozent einen deutlichen Überlebensvorteil durch den ICD. Bei Patienten mit einer Ejektionsfraktion zwischen 30 und 40 Prozent müssen für die Implantation eines ICD in der Regel zusätzliche Kriterien erfüllt sein wie spontane ventrikuläre Salven oder nichtanhaltende ventrikuläre Tachykardien oder induzierbare ventrikuläre Tachykardien. Auch für Patienten mit schlechter linksventrikulärer Funktion (EF </- 35) und Herzinsuffizienz der Schweregrade NYHA II/III ist eine Primärprävention des plötzlichen Herztodes mittels ICD indiziert (2). Ebenso gibt es hereditäre Erkrankungen, bei denen unter bestimmten Bedingungen eine primärprophylaktische Implantation eines ICD gerechtfertigt erscheint, wie bei der hypertrophen obstruktiven Kardiomyopathie, z. B. bei einer Hypertrophie >/= 30 mm, bei der arrhythmogenen rechtsventrikulären Kardiomyopathie, z. B. bei einer ausgeprägte rechtsventrikuläre Dysplasie, beim Long-QT-Syndrom, z. B. beim genetischen Subtyp 3, beim Brugada-Syndrom, z. B. bei Induzierbarkeit einer ventrikulären Tachykardie. Basierend auf zahlreichen Studien gibt es aktuelle evidenzbasierte Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie zur Implantation von Cardioverter-Defibrillatoren (13). Ein erster Versuch, Hockrisikopatienten für das Erleiden eines plötzlichen Herztodes nach einem Vorderwandinfarkt mit einem Externen Automatischen Defibrillator (AED) zur Anwendung durch Angehörige zu versorgen, erbrachte keine Reduktion der Mortalität (3). Es hat sich gezeigt, dass viele Angehörige trotz umfangreicher Schulungen im Ernstfall nicht in der Lage sind, den externen Defibrillator einzusetzen. Die kostenintensive Anwendung des AED dürfte daher auf öffentliche Plätze beschränkt bleiben, an denen sehr viele Menschen zusammenkommen (Flughäfen oder Flugzeuge, Sportstätten, Schulen, Einkaufszentren, Kantinen). Die effektive Anwendung setzt allerdings die ständige Schulung des dort tätigen Personals voraus. Ein sinnvoller Ansatz wäre auch, die verstärkten Trainingsmaßnahmen in den Schulen durchzuführen, um die Zahl 8 Merkblatt_ploetzl.Herztod_08-200x270.indd 8 09.03.2009 09:52:20 Spontan aufgetretene Episode einer schnellen monomorphen Kammertachykardie (ca. 240 Schläge pro Minute, TF) wird durch eine Überstimulation (Burst) mit 8 Schlägen (ca. 300 Minute,TP) terminiert. Anschließend arrhythmischer Kammerrhythmus (ca. 90 Schläge pro Minute, VS). Der obere Kanal zeigt das bipolare Sensingsignal des ICD aus der rechtsventrikulären Spitze, der mittlere Kanal das von den beiden Schockelektroden abgeleitete Signal und der untere Kanal die Klassifizierung der Signale durch den ICD unter Angabe der RR-Intervalle. Spontan aufgetretene Episode einer sehr schnellen polymorphen Kammertachykardie (ca. 300 Schläge pro Minute, VS) wird durch einen Schock mit 30 Joule (CD) terminiert. Anschließend wird das Herz mit 40 Schlägen pro Minute stimuliert (VP). Der obere Kanal zeigt das bipolare Sensingsignal des ICD aus der rechtsventrikulären Spitze, der mittlere Kanal das von den beiden Schockelektroden abgeleitete Signal und der untere Kanal die Klassifizierung der Signale durch den ICD unter Angabe der RR-Intervalle. 9 Merkblatt_ploetzl.Herztod_08-200x270.indd 9 09.03.2009 09:52:22 derer, die im Ernstfall in öffentlichen Einrichtungen helfen können, schrittweise zu erhöhen. AEDs können damit nur unwesentlich zur Gesamtlösung des Problems „Plötzlicher Herztod“ beitragen (24, 28) und stellen keine Alternative zu implantierbaren Cardioverter-Defibrillatoren dar. Durch die Verbesserung der Batterien und die niedrigeren Stromverbrauchswerte der Schaltkreise konnten die Systemfunktionszeiten auf bis zu 9 Jahre verlängert werden – und dies trotz vervielfachter Funktionen der Gerätesysteme bei Diagnostik und Therapieeinstellungen und trotz neuester telemetrischer Übertragungsmöglichkeiten. Gesundheitsökonomische Aspekte bei der Versorgung von Patienten mit iImplantierbaren Defibrillatoren (ICD) Studien haben nachgewiesen, dass durch die Implantation von Defibrillatoren eine signifikante Senkung der kardiovaskulären Mortalität möglich ist (1, 2, 19, 29). Die Erfolgsquote der Terminierung einer lebensbedrohlichen Arrhythmie durch die ICD-Therapie liegt nahe bei 100 Prozent. Dies führte zu einer umfassenden Abbildung der hier diskutierten Therapieverfahren in allen Leitlinien der Fachgesellschaften. Im Unterschied zu einer kontinuierlichen pharmakologischen Behandlung entstehen bei der innovativen ICDTherapie initiale, über die Versorgung der Grunderkrankung hinausgehende Sachkosten für das Gerätesystem, bestehend aus Aggregat und Elektroden. Daraus ergibt sich häufig die Wahrnehmung, dass diese elektrischen Stimulationsverfahren aufwendig und teuer sind. Übersehen wird dabei, dass diese initialen Sachkosten einmalig bei der Implantation und dann erst wieder beim Gerätewechsel auftreten. Dazwischen liegen in der heutigen Zeit bis zu 9 Jahre mit geringen Kosten für die ambulanten Nachkontrollen, die im Rahmen der allgemein und regelmäßig erforderlichen Untersuchungen zur kardialen Grunderkrankung nicht ins Gewicht fallen. Für alle implantierbaren elektrischen Stimulationsverfahren gilt, dass sich durch die ständige Fortentwicklung der eingesetzten Batterien die Aggregatfunktionsdauer permanent steigern ließ. Gleichzeitig reduzierte sich trotz dieses technologischen Fortschritts der Sachkostenpreis für das jeweilige System, bestehend aus Aggregat und ein- oder mehreren Elektroden, deutlich. Unbestritten ist, dass der für diese Therapieverfahren erforderliche Eingriff nicht nur zusätzliche Sachkosten verursacht. Für manchen Patienten kann er auch belastender sein als die Einnahme einer oder mehrere Tabletten. Eine realistische Aufklärung des Patienten durch den behandelnden Arzt ist daher unbedingt notwendig. Dabei sollte aber auch deutlich werden, dass jeder abgegebene Elektroschock lebensrettend sein kann. Dennoch wird die erhöhte Belastung des Patienten häufig angeführt, um eine Implantation abzulehnen. Der Eingriff ist heute jedoch bereits mit dem eines Herzschrittmachers vergleichbar. Trotzdem erhält von den Patienten, für die nach Studien-Evidenz bzw. Leitlinien eine Versorgung mit einem ICD indiziert ist, nur etwa jeder zehnte Kandidat tatsächlich diese lebensrettende Therapie – eine schon fast erschreckend niedrige Zahl. ICD-Therapiekosten Jährliche Ausgaben in Mrd. € 7 Quelle: 1 Guidant estimates, 2 EURO-MED-STAT 2004, 3 Ministry of Health-Italy, 4 Prescription Pricing AuthorityNHS UK, 5 OECD Health Working Paper 2003 6 6.14 5 Europäische Daten lassen sich auf Deutschland übertragen 4 3 2 1 2.71 1.94 0.49 0.90 0 ICD1 Stative2,3,4 ACEinhibitoren3,4,5 Ca Kanal Blocker3,4,5 Bei einer Patientenversorgung unter Einhaltung der Leitlinien würde das GKV Budget um ca. 0,7 % zusätzlich belastet werden. Eine Größenordnung die sich durch eine gezielte Ausgabenpolitik vertreten lässt. Betablocker3,4,5 10 Merkblatt_ploetzl.Herztod_08-200x270.indd 10 09.03.2009 09:52:24 Literatur (1) The Antiarrhythmics Versus Implantable Defibrillators (AVID) Investigators A comparison of antiarrhythmic-drug therapy with implantable defibrillators in patients resuscitated from near fatal ventricular arrhythmias. N Engl J Med 1997;337:1576-1583. (2) Bardy GH, Lee KL, Mark DB et al. 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