Globaler Klimawandel - Folgen für die Wasserwirtschaft in Niedersachsen J. Hölscher & A. Richmann Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz, Betriebsstelle Hannover-Hildesheim 1 Problemstellung Mit dem 4. Sachstandsbericht (AR4) des International Panel on Climate Change (IPCC 2007) der Vereinten Nationen ist die Diskussion, ob es einen Klimawandel gibt, beendet. Der Klimawandel ist naturwissenschaftlich nachgewiesen und maßgeblich vom Menschen verursacht. Durch das Verbrennen fossiler Rohstoffe und die Emission so genannter Treibhausgase ist die Temperatur der Erdatmosphäre ab Mitte des 19. Jahrhunderts um ca. 0,7 Grad Celsius gestiegen. Für verschiedene Emissionsszenarien sagt der IPCC einen Anstieg von 1990 bis zum Jahr 2100 um weitere 2 bis 2,9 Grad Celsius voraus. Die Erwärmung der Erdatmosphäre verursacht u. a. eine höhere Verdunstung bzw. Evapotranspiration von Wasser- und Landoberflächen. Mit der höheren Wasseraufnahmekapazität der wärmeren Luft ergibt sich somit insgesamt ein höherer Wassergehalt in der Atmosphäre. Dies hat veränderte Niederschlagsmuster zur Folge. Die jährliche Niederschlagsmenge bleibt vielerorts zwar konstant, jedoch werden deutliche Verschiebungen der jahreszeitlichen Verteilung sichtbar. So nehmen die Niederschläge in den Wintermonaten zu, während für die Sommermonate regional z. T. starke Niederschlagsrückgänge prognostiziert werden. Verstärkt wird dieser Prozess durch eine Zunahme der Intensität und Häufigkeit von Extremereignissen. Für die Wasserwirtschaft bedeutet dies in den Wintermonaten eine deutliche Zunahme der mittleren Hochwasser und eine Verschärfung der Hochwassersituation durch häufigere und länger andauernde regenreiche Wetterlagen. Für die Sommermonate können bisher noch keine quantitativen Aussagen zur künftigen Entwicklung von konvektiven Kurzzeit-Niederschlägen erbracht werden. 2 Konsequenzen des Klimawandels für die Wasserwirtschaft Die Auswirkungen des Klimawandels lassen für die Bevölkerung und den Wirtschaftsstandort Niedersachsen erhebliche Nachteile erwarten. Insbesondere die wasserwirtschaftlichen Standortfaktoren können erhebliche Beeinträchtigungen erfahren. Zunehmende Hochwassergefährdungen, eingeschränktes Wasserdargebot und Niedrigwasserführung der Flüsse in lang andauernden Trockenphasen, Einschränkungen bei der Trinkwasser- und Brauchwassernutzung sowie steigende Anforderungen an die Einleitung von Abwässern und Kühlwässern in die Flüsse werden die Wasserwirtschaft vor neue Herausforderungen stellen. Im Projekt KLIWA (Arbeitskreis KLIWA 2006) bereits festgestellt und nach den Modellberechnungen prognostiziert wird für Deutschland eine Zunahme extremer Niederschlagsereignisse. Dies gilt sowohl für die Dauer wie auch für die Intensitäten: Das häufigere Auftreten der regenreichen Großwetterlage „Westlage zyklonal“ ist für den Zeitraum 1881 bis 1989 nachweisbar; Für die Winterhalbjahre werden länger andauernde Niederschlagsereignisse mit größeren Intensitäten prognostiziert; Zudem werden kurzfristige Niederschlagsereignisse mit extrem hohen Intensitäten im Winter häufiger erwartet als bisher; In den Sommermonaten ist mit länger andauernden Trockenphasen mit höheren Temperaturen zu rechnen; Zudem ist davon auszugehen, dass im Sommer vermehrt kleinräumige Niederschlagsereignisse mit extremen Niederschlagsintensitäten (Konvektionsregen, Gewitterereignisse) auftreten können. Die Auswirkungen des Klimawandels auf die zuletzt genannten kleinräumigen Niederschlagsereignisse können mit den zurzeit eingesetzten Modellen (noch) nicht berechnet werden. 2.1 Auswirkungen auf den Grundwasserhaushalt Niedersachsen ist ein grundwasserreiches Land. Nur in wenigen Regionen treten klimatisch- und/oder nutzungsbedingte Mengenprobleme mit dem verfügbaren Grundwasserdargebot auf. Die Veränderung der Niederschlagsverteilungen und -intensitäten sowie die höhere Verdunstung werden sich auf die Grundwasserneubildung auswirken. Neben den vorgenannten Faktoren beeinflussen die Bodeneigenschaften, das Bodenrelief und die Landnutzung wesentlich die Grundwasserneubildung. In Folge der höheren Winterschläge und der zu erwartenden vereinzelten kleinräumigen Niederschlagsereignisse mit extremen Intensitäten im Sommer ist insbesondere bei gut durchlässigen Böden in flachem Gelände mit höheren Grundwasserneubildungsraten zu rechnen. Bei Abnahme der Niederschlagssummen in den Sommermonaten und gleichzeitig erhöhten Verdunstungsraten infolge höherer Temperaturen und guter Vegetationsentwicklung wird das erhöhte Grundwasserdargebot jedoch beschleunigt wieder aufgezehrt. Insgesamt müssen extremere Grundwasserstandsschwankungen erwartet werden, deren Ausmaß zurzeit noch nicht quantifiziert werden kann. Die beschriebene Entwicklung kann für die Landnutzung und die Vegetation bei langen und sehr heißen Trockenperioden zu Trockenstress in den Sommermonaten führen. Steigende Grundwasserentnahmen für die Trinkwasserversorgung oder die zunehmende landwirtschaftliche Beregnung wird die Grundwasserstandsschwankungen in einigen Gebieten zusätzlich verstärken. In Gebieten mit jetzt schon knappem Grundwasserdargebot wird ein gezieltes Grundwassermanagement erforderlich werden, welches die klimatischen Veränderungen und den zusätzlichen Bedarf berücksichtigt. In niederschlagsreichen Monaten wirken aufnahmefähige Grundwasserleiter abflussdämpfend; in trockenen Zeiten abflussspendend. Diese ausgleichende Funktion auf das Hochwassergeschehen und die Niedrigabflüsse der oberirdischen Gewässer wird als Folge des Klimawandels gemindert. Für einige Regionen werden infolge der erhöhten Grundwasserstände zunehmende Vernässungen mit nachfolgenden wirtschaftlichen Schäden für Ackerflächen und Gebäude auftreten können. Sofern infolge des Trockenstresses in den Sommermonaten das Pflanzenwachstum gemindert ist, wird es infolge verringerter Nährstoffaufnahme durch die Pflanzen in landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebieten bei gleich bleibendem Düngeniveau im Herbst zu erhöhten Nährstoffüberschüssen in diesen Böden kommen. Die erhöhte Grundwasserneubildung im folgenden Winter wird zwangsläufig erhöhte Nährstoffanlieferungen an das Grundwasser verursachen; ggf. werden die beobachteten Nitratprobleme in niedersächsischen Grundwasservorkommen verschärft. Eine weitere Beeinträchtigung der Grundwasserbeschaffenheit infolge des Klimawandels ist durch Emissionen bei Hochwasserereignissen zu besorgen. hochwasserbedingte Verschmutzungen der Fließgewässer und Hochwasser bedingter Rückstau in überlasteten und teilweise defekten Kanalisationen können oberflächennahe Grundwasserleiter zusätzlich mit Problemstoffen belasten. Für die Grundwasserleiter auf den Nordseeinseln, in Küstennähe und entlang der Fließgewässerästuare können in Abhängigkeit des eintretenden Meereswasseranstiegs zusätzliche Salzwasserintrusionen in das Grundwasser erwartet werden. 2.2 Auswirkungen auf den Hochwasserabfluss Große Hochwasserereignisse werden hauptsächlich durch die Dauer und die Intensität von Niederschlagsereignissen geprägt. Nach bisherigen Untersuchungsergebnissen wird der Klimawandel häufigere und extremere Hochwasserereignisse verursachen. Problematisch sind besonders lang andauernde Niederschlagsereignisse mit großer Intensität in den Wintermonaten. Bei diesen Ereignissen wird der Abfluss wirksame Anteil des Niederschlags überdurchschnittlich erhöht. Eine Retention findet wegen der gesättigten Böden kaum mehr statt. Dies hat gegenüber der erhöhten Niederschlagsmenge eine überdurchschnittliche Zunahme der Hochwasserabflüsse und des Hochwasservolumens zur Folge. Quantitative Aussagen zur zukünftigen Entwicklung von konvektiven KurzzeitNiederschlägen (Gewitter), die in den Sommermonaten auftreten können, sind derzeit noch nicht möglich. Diese Ereignisse treten regional meist begrenzt auf, verursachen wegen ihrer extremen Intensitäten und der zeitlich sehr beschränkten Warnmöglichkeiten jedoch sehr große Hochwasserschäden. 2.3 Auswirkungen auf den Niedrigwasserabfluss Bei geringeren Sommerniederschlägen und lang anhaltenden Trockenphasen in den Sommermonaten, fehlenden gespeicherten Wassermassen in reduzierten Schneelagen und tieferen Grundwasserständen im Sommer werden die Niedrigwasserabflüsse im Sommer in den großen Gewässern wie in den kleineren Zuflüssen abnehmen. Quellen können häufiger und länger andauernd versiegen. Die Niedrigwasserführung in den Sommermonaten bestimmt die physikalische und chemische Gewässerbeschaffenheit und die Gewässerbiozönose. Die Abnahme der der Niedrigwasserführung führt grundsätzlich zu einer Erhöhung der Konzentration der Wasserinhaltstoffe, zur Erwärmung der Gewässer und zur Abnahme der Sauerstoffgehalte und somit zu einer schlechteren Gewässerqualität. Die Wasserqualität bei Niedrigwasserführung ist maßgeblich für die Genehmigungsfähigkeit von Wasserentnahmen (Brauchwasser, Kühlwasser, Beregnung) und von Einleitungen in die Gewässer (Kläranlagen, Kühlwasser, Salz). Die Verringerung des Niedrigwasserabflusses hat somit direkte Auswirkungen auf die Industrie, die Energiegewinnung, die Abwasserbeseitigung, die Wasserkraftnutzung und die Schifffahrt. Dies bezügliche wasserwirtschaftliche Planungen (Bewirtschaftungspläne, Salzpläne, Wärmelastpläne) sowie wasserrechtliche Erlaubnisse werden zu überprüfen und ggf. anzupassen sein. Weitere negative Folgen werden für die Freizeitnutzung an den Gewässern erwartet. 2.4 Auswirkungen auf die Siedlungswasserwirtschaft Die intensiveren Niederschlagsereignisse werden zeitweise zu extremen Abflussbelastungen in den kommunalen Entwässerungssystemen führen. Zu prüfen ist insbesondere, welche Sicherheiten verfügbar sind, um Überstau und Überflutung von Entwässerungsanlagen zu verhindern. Neben den Schäden durch Überflutung von Wohn-, Gewerbe- oder Industriegebieten sind zunehmend Folgeschäden für die Gewässer durch Überlastung oder Überflutung kommunaler Abwasseranlagen zu besorgen. In Trockenperioden können in einigen Regionen Engpässe in der Wasserversorgung auftreten. Zur Vermeidung dieser Engpässe sind entsprechend konzipierte Versorgungspläne für diese Gebiete erforderlich. Außerdem können bei verringertem Trockenwetterabfluss können stoffliche Ablagerungen in Kanalisationssystemen erhebliche hygienische und technische Probleme hervorrufen. 3 Projekte zu den Folgen des Klimawandels auf die Wasserwirtschaft in Niedersachsen Damit sich Niedersachsen frühzeitig auf mögliche Veränderungen einstellen kann, bearbeitet der NLWKN in Kooperation mit der Leibniz-Universität Hannover und der Technischen Universität Braunschweig zwei Projekte, zu den Folgen des Globalen Klimawandels auf die Wasserwirtschaft im Binnenland. Schrittweise sollen die betroffenen Bereiche untersucht und Handlungsempfehlungen erarbeitet werden. Die beiden Projekte werden vom Niedersächsischen Ministerium für Umwelt und Klimaschutz bzw. dem Ministerium für Wissenschaft und Kultur gefördert. 3.1 Globaler Klimawandel - Wasserwirtschaftliche Folgenabschätzung für das Binnenland (KliBiW) Ziel des vom NLWKN durchgeführten Projektes KliBiW ist die Regionalisierung wasserwirtschaftlicher Folgen des globalen Klimawandels, die Bewertung der Folgen für das Hochwasserrisiko sowie die Bewertung von Hochwasserschutzmaßnahmen vor dem Hintergrund sich ändernder Klimabedingungen (s. Abb. 1). Zusätzlich werden in dem Projekt die Folgen für die Niedrigwasserführung niedersächsischer Flüsse analysiert. Die erzielten Ergebnisse sollen zur Unterstützung von Entscheidungsträgern und zur Erweiterung der Methodenkompetenz des Gewässerkundlichen Landesdienstes Verwendung finden. 5 Leitung & Koordination 5.1 Daten & Informations-Management (Internet) 5.2 Informationsplattform 5.3 Handlungsempfehlungen 1 Klimaentwicklung 1.1 Klima-Datenauswertung 1.2 Übertragbarkeit von KLIWA-Methoden prüfen 1.3 Niederschlagsszenarien Klimawandel“ bewerten 2 Wasserhaushalt 2.1 Modelle anpassen 2.2 Klima-Szenarien bewerten 2.3 Modell in GLD einbinden 2.4 Bodenwasserhaushalt 3 Hochwasserschutz 3.1 Datenaus-wertung 3.2 Numer. Langzeitsimulation 3.3 Regionale HWSchwerpunkte 4 Niedrigwasser 4.1 Datenaus-wertung 4.2 Numer. Langzeitsimulation 4.3 Regionale NWSchwerpunkte 4.4 Risikoanalysen 3.4 Risikoanalysen Abb. 1 Übersicht über die KliBiW-Teilprojekte In der Phase 1 des KliBiW-Projekts (bis Ende April 2009) erfolgte eine landesweite Aufbereitung und Auswertung der Grundlagendaten für die Parameter Niederschlag, Temperatur und Wasserstand. Darauf aufbauend wurde das Wasserhaushaltsmodell für das Aller-Leine-Oker-Gebiet weiterentwickelt und Simulationen von Hochwasserszenarien in ausgewählten Teileinzugsgebieten unter Berücksichtigung verfügbarer Klimaszenarien erstellt. Zusätzlich wurden Vorschläge für die Berücksichtigung der Ergebnisse in den Hochwasserschutzplanungen diskutiert werden. Die Durchführung der Arbeiten erfolgte in enger Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Braunschweig und der Leibniz-Universität Hannover. Neben der statistischen Bewertung der Grunddaten erfolgt in dem Projekt die Anpassung eines dynamischen hydrologischen Wasserhaushaltsmodells zur Prognose von zeitlich hoch aufgelösten Abflussveränderungen aufgrund bestehender Klimaszenarien. Während des Projektes konnten innovative Methoden aus den Forschungsbereichen der beteiligten Universitäten mit dem Praxisbezug des NLWKN gewinnbringend verknüpft werden. 3.2 Auswirkungen von Klimaänderungen auf Wasserdargebot, Hochwasserrisiko und Gewässerbelastung in Niedersachsen (KLIFWA) Im Rahmen des niedersächsischen Verbundprojektes „Klimafolgenforschung Szenarien für die Klimaanpassung (KLIFF)“ sollen die Auswirkungen des Klimawandels auf unterschiedliche Wirtschaftsbereiche analysiert werden. Vor diesem Hintergrund befasst sich das KLIFF-Teilprojekt KLIFWA mit den Auswirkungen auf die drei Bereiche Wasserdargebot, Hochwasserrisiko und Gewässerbelastung, die sich in die in Abb. 2 dargestellten Teilprojekte untergliedern. Abb. 2: Übersicht über die KLIFWA-Teilprojekte im KLIFF-Projektverbund Auf diese Weise soll zusammen mit verschiedenen Forschungseinrichtungen und Partnern aus der Wirtschaft eine integrierte modellbasierte Analyse der Auswirkungen des Klimawandels auf die Gewässer in Niedersachsen erfolgen. Dabei sollen wissenschaftliche Methoden weiterentwickelt und den Anforderungen der Praxis angepasst werden. Die Leitung des Projektes liegt bei der Leibniz-Universität Hannover. Der NLWKN wird in dem Vorhaben die Verbindung der wissenschaftlichen Projektbereiche mit der Praxis und der Verwaltung sicherstellen. Die in den Teilprojekten entwickelten Methoden werden zeitnah hinsichtlich der praktischen Eignung geprüft, um die Qualität und die Erfolgsaussichten praktischer fachlicher, methodischer und rechtlicher Verfahren zu sichern. Außerdem sollen Methoden entwickelt und erprobt werden, um die Öffentlichkeit im erforderlichen Umfang speziell für die Hochwassergefahr zu sensibilisieren und auf die Risiken einzustellen. Im Dialog mit der Öffentlichkeit, der Wirtschaft, den allgemeinen Gefahrenabwehrbehörden (Städte und Gemeinden) und den Katastrophenschutzbehörden (Landkreise, kreisfreie Städte) sollen die öffentliche Wahrnehmung, die geltenden Einsatzgrundsätze und die bestehenden Organisationen kritisch überprüft und ggf. optimiert werden. Literatur Arbeitskreis KLIWA (2006): Klimaveränderung und Konsequenzen für die Wasserwirtschaft. In: KLIWABerichte, H. 10. 3. KLIWA-Symposium am 25. und 26. 10.2006 in Stuttgart. LUBW Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Natur-schutz Baden-Württemberg. Hölscher (2007): Klimawandel – Folgen für die Wasserwirtschaft im Binnenland. Vortrag auf dem 47. BWKFortbildungslehrgang „Klimawandel“ am 10.05.2007 in Hannover. IPCC (2007): Summary for Policymakers, Climate Change 2007: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. Cambridge University Press,, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA. NLWKN (2009): Globaler Klimawandel - Wasserwirtschaftliche Folgenabschätzung für das Binnenland (KliBiW). Tätigkeits- und vorläufiger Ergebnisbericht – Phase I (unveröffentlicht).