Anorganischer Experimentalvortrag im Lehramtsstudium Chemie zum Thema: Titan von Michael Wieber Inhaltsverzeichnis Seite Historische Einleitung 3 Das „Titan“ ein Titan? 4 Titan als verborgenes Element 6 Die Verbannung des Titans 8 Der Kampf Zeus gegen Kronos 9 Das Titan aus chemischer Sicht 11 Die Befreiung des Titans 12 Zur Titangewinnung 13 Feinreinigung nach dem Van Arkel / De Boer- Verfahren 15 Verwendung von elementarem Titan 16 Lösen von Titan in konzentrierter Salzsäure 17 Das Phänomen der Jahn-Teller-Verzerrung 18 Nachweis des Titans mittels Wasserstoffperoxid 21 Reduktion des Titan(IV)-Ions 22 Der Triumphzug des Titans 23 Produktionsverfahren des Titandioxids 24 Herstellung von Titandioxid 25 Verwendung in der Industrie und im alltäglichen Gebrauch 26 Quantitativer Nachweis von Titandioxid 26 Literaturverzeichnis 30 2 Historische Einleitung Die Geschichte des Titans beginnt bereits im 18. Jahrhundert. Seine Erstentdeckung erfolgt an zwei von einander unabhängigen Orten, zum einen in England und zum anderen Deutschland. Hier beschäftigten sich nahezu zeitgleich zwei Chemiker mit der Untersuchung von Gesteinen und machten für die spätere Titan-Chemie bedeutende und zukunftsweisende Entdeckungen. Im Jahre 1791 untersuchte der englische Pfarrer William Gregor, wohnhaft in SüdWest Cornwall, Gesteinsproben aus dem Fluß Menaccan, einem Seitenarm des Helford. Da die zur Reaktion gebrachten Proben bis dahin unbekannte Ergebnisse lieferten, vermutete Gregor, daß es sich um eine neue Art von Metall handeln müsse. Deshalb benannte er das Gestein nach seinem Fundort „Menaccanit“. Die durchgeführten Reaktionen bei der Probenuntersuchung stellten bis 1960 die Grundlagen für Titandioxid-Gewinnung. In den späteren Jahren wurde der Menaccanit jedoch umbenannt und erhielt den Namen „Ilmenit“. Wie bereits angedeutet entdeckte im Jahre 1795 Martin Heinrich Klaproth in Deutschland bei Untersuchungen von Erzproben für eine Bergbaugesellschaft ebenfalls ein neues Metall, daß ebenso wie bei Gregor als Oxid vorlag. Klaproth benannte es jedoch nicht nach dem Fundort, sondern bediente sich der zu dieser Zeit gängigen Idee, die Antike neu erstehen zu lassen bzw. sie ihr in romantisierender Weise neu zu beleben. Aus diesem Grunde benannte er das neue Metalloxid „Titan“. und verknüpfte somit die antike Mythologie mit der neuzeitlichen Chemie. 1825 bekam die Titanchemie einen ersten Aufschwung, indem der Schwede Jöns Jakob Berzelius die Reduktion des Titanoxids mittels Natrium entwickelte. das erhaltene metallische Titan war bei dieser Reaktion jedoch noch stark verunreinigt. Etwa 100 Jahre später ermöglichten die Forschungen der beiden Niederländer Anton Eduard van Arkel und Jan Hendrik de Boer eine neue Methode zur Reinigung von Titan. Der 1924 von ihnen entwickelte Van Arkel/de Boer-Prozeß stellt bis heute einen der wichtigsten Prozesse zur Feinreinigung von Metallen dar, die sich nicht 3 alleine auf das Element Titan beziehen, sondern in vielfacher Weise angewendet werden. Das „Titan“ ein Titan? Wie bereits oben angemerkt entlehnte Klaproth die Benennung des Metalloxids der griechischen Antike. Warum er zu diesem Entschluß gelangte, soll anhand einer kurzen Zusammenfassung der antiken Mythologie veranschaulicht werden. „Das Geschlecht der Titanen herrschte viele Jahrhunderte auf dem Olymp über die Menschen. Es handelte sich hierbei um die von Menschen geschaffene Götterbilder, die das Zentrum ihrer Religion bildeten. Die Titanen waren die Kinder von Himmel und Erde und standen unter der Herrschaft des höchsten Gottes mit Namen Kronos. In einem Kampf zwischen den Titanen und deren Kindern, die von Zeus angeführt wurden, schlugen die Götterkinder das mächtige Geschlecht der Titanen und verbannten sie für alle Zeit in die Unterwelt. Dort sollten sie von nun an für alle Zeit bleiben und mit dem in der Erde verborgenen Feuer leben. Die Kinder der Titanen beherrschten seit diesem Kampf die Welt vom Olymp aus. Sie standen aber auch unter der Führung eines Oberhauptes, dem Sohn des Kronos namens Zeus, der seinen Vater besiegt hatte.“ Klaproth sah in dem neuen strahlend weißen Metalloxid die Auferstehung des Titanengeschlechts, die nun aus ihrer Verbannung aus der Erde befreit worden waren. Deshalb gab er diesem resistenten, chemisch inerten, weißen Metalloxid den Namen „Titan“. Ein weiterer Zeitzeuge aus dieser Epoche soll hier ebenfalls noch zu Wort kommen. Es handelt sich hierbei zwar um einen Literaten, doch auch er hat sich bei der Thematik des in der Erde Verborgenen angenommen. Ebenso wie die Vorstellungen Klaproths zeigt auch das Gedicht Heinrich Heines die Verbindung zur griechischen Mythologie. 4 Das ‚Titan‘ in der Literatur Heinrich Heine (1797-1856): Neue Gedichte aus dem Zyklus „Unterwelt“ III. Während solcherlei Beschwerden [...] Ach wie lang ist’s, daß ich walle suchend durch der Erde Flur! Titan, deine Strahlen alle sandt‘ ich nach der teuren Spur! Keiner hat mir noch verkündet von dem lieben Angesicht , und der Tag, der alles findet, die Verlorne fand er nicht. Hast du, Zeus , sie mir entrissen? Hat, von ihrem Reiz gerührt, zu des Orkus schwarzen Flüssen Pluto sie hinabgeführt? (...) Dieser Teil des Gedichtes zeigt eindeutig die Idee, daß etwas schon lange verborgenes nur durch die Macht der Götter in die Dunkelheit der Unterwelt verbannt worden sein kann. Gelangt es nach langer zeit wieder an die Oberfläche zurück, so ist es ein Zeichen der Titanen, die noch immer in der Verbannung leben müssen. 5 Titan als verborgenes Element Im folgenden seien ein paar wichtige Informationen wiedergegeben, die zum Thema Titan relevant sind: ! Vorkommen: Titan erscheint in der Natur nur gebunden als Oxid, es kann dabei in den Erscheinungsformen Rutil, Anatas, Brookit, Ilmenit, Perowskit und Titanit auftreten. ! Historische Problematik: Bei der Gewinnung von Eisen aus dem Ilmenit, der sowohl Eisen- als auch Titanoxid enthält, kam es zu Störung durch die „Titan-Verunreinigungen“, so daß zum einen das Metall Titan als Oxid erst bekannt wurde, zum anderen aber auch Forschungen dringend notwendig machten, um reines Eisen zu erhalten und das Titan abzutrennen. Aus den hieraus entwickelten Reaktionen bildete sich die Grundlage für die Gesamte spätere Titan-Chemie, wie sie bis zum Jahre 1960 in ihrer Gesamtheit unverändert angewandt wurde. ! Aspekte zum Ilmenit, der historisch wichtigsten Titanverbindung: ! Der Ilmenti besteht aus den Elementen Eisen, Titan und Sauerstoff, Im Verhältnis Fe : Ti : O = 1:1:3. !Die Anordnung der verschiedenen Atome erfolgt als Korund-Struktur, dem sogenannten Ñ-Al2O3 ! Es handelt sich hierbei um eine leicht verzerrte hexagonal-dichteste Kugelpackung der O2—Ionen. ! Fe und Ti sitzen auf 2/3 der Oktaederlücken verteilt. ! Fe und Ti sind jeweils von 6 O, und der Sauerstoff ist von jeweils 4 Fe oder Ti umgeben. 6 ! Abbaugebiete Titan wird weltweit abgebaut. Bei den wichtigsten Abbaugebieten handelt es sich: " # $ Kanada, USA, Brasilien Australien, Malaysia, China Skandinavien, Südafrika, 7 In Anlehnung an die griechische Mythologie und die Idee Klaproths werde ich im folgenden zunächst die Verbannung des Titans durch Zeus behandeln. 8 Der Versuch Nummer 1 soll den Kampf zwischen Zeus, vertreten durch das Eisen, und Kronos, symbolisiert durch das Titan, nachstellen, indem Eisen und Titan nebeneinander nachgewiesen werden sollen. Hierbei besitzt das Eisen aber die Oberhand, so daß das Titan nur durch vorheriges Abtrennen des Eisens nachgewiesen werden kann. Versuch 1 Der Kampf Zeus gegen Kronos Laborgeräte: A. Lösungsvorgang: Becherglas (250 ml) Bunsenbrenner Dreifuß mit Drahtnetz B. Reduktion des Eisens: Reagenzgläser und Reagenzglasgestell C. Nachweis mit Chromotropsäure Filterpapier Zusätzliche Geräte: diverse Pipetten und Glasstab Chemikalien: A. Lösungsvorgang: Konzentrierte Schwefelsäure (ca. 20 ml) Ilmenit (1g) B. Reduktion des Eisens: Auszug aus dem unter A erhaltenen Aufschluß Zinnchlorid-Lösund (1 mol/l) C. Nachweis mit Chromotropsäure: Chromotropsäure-Lösung (1 mol/l) Reaktionsverlauf: A. Lösungsvorgang: Unter stetem Rühren löst man den Ilmenit in der Schwefelsäure, die leicht erwärmt wird. Es kommt dabei zu folgender Reaktion: Fe+3Ti+3O-23 (s) + 6 H3O+ → Fe3+(aq) + Ti3+(aq) + 9 H2O 9 B. Reduktion des Fe3+: Eine geringe Menge des Aufschlusses von A wird nach dem erkalten mit der vorbereiteten Zinnchlorid-Lösung versetzt. Es kommt hierbei zur Reduktion von Fe3+ zu Fe2+: Fe3+(aq) + Sn2+(aq) → Fe2+(aq) + Sn3+(aq) C. Nachweis des Titans mittels Chromotropsäure: Ein Filterpapier wird in die vorbereitete Chromotropsäure-Lösung getaucht und getrocknet. Zum Nachweis des Titans tropft man auf das Papier die zu untersuchende Titan-Lösung, die eisenfrei sein muß, da dies eine ähnliche Farbreaktion bewirkt. Reaktionsgleichung: [Ti(H2O)6]3+ + 2 1,8-Dihydroxynaphthalin-3,6-disulfonsäure → 4 H3O+ + OH2 HO3S SO3H O 3+ O O O HO3S SO3H OH2 10 Das Titan aus chemischer Sicht Titan besitzt die Ordnungszahl 22, somit steht es in der 2. Übergangsgruppe bzw. der 4. Gruppe. Seine Elektronenkonfiguration ist [Ar] 3d2 4s2, es besitzt einen ArgonGrundkörper mit der Erweiterung um jeweils zwei s- und zwei d-Elektronen. Aufgrund der maximal 4 möglichen Außenelektronen kann Titan die Oxidationszahlen (+2), +3, +4 einnehmen durch Abgabe von Elektronen. Ferner besitzt es einen Atomradius von 144,8 pm und ein Atomgewicht von 47,88 g/mol; es existieren unter anderem natürliche Isotope (z.B. 48: 73,8%) und verschiedene künstlicher Isotope Der Anteil an der Erdkruste beträgt 0,56%, es tritt an die10. Stelle nach Wasserstoff; aber noch vor Chlor, Kupfer und Schwefel. Seine Eigenschaften und enormen Vorteile als Metall sind sein geringes Gewicht, seine große mechanische Festigkeit, ferner sein hoher Schmelzpunkt und seine geringe thermische Ausdehnung Titan ist weder gefährlich, es handelt sich hierbei um kein toxisches Metall, noch ist es ein essentielles Spurenelement für den Körper. 11 Durch die verschiedenen Produktions- und Reinigungsverfahren gelangten die Chemiker zu der Möglichkeit das Titan aus dem Oxid in das Reinmetall zu Überführen und erreichten dadurch die Befreiung des Titans. 12 Zur Titangewinnung Die wichtigsten Rohstoffe zur Titangewinnung sind Ilmenit und Rutil. Durch diese Umsetzung in verwertbare Stoffe werden weltweit nur circa 8% Titan aber 92% Titandioxid produziert. Zur Vorbereitung wird das Edukt im Wirbelbett bei 700 – 900 °C erhitzt und es erfolgt die Umsetzung: Ti+4O-22 (s) + 2 C0 (s) + 2 Cl02 (g) → Ti+4Cl-14 (l) + 2 C+2O-2 (g) In der anschließenden Reduktion werden unter anderem auch Eisenoxiden im elektrischen Lichtbogenofen behandelt. Zu beachten ist dabei das BoudouardGleichgewicht, welches wie folgt formuliert werden muß C+4O-22 + C0 ⇔ 2 C+2O-2 Die Reduktion der Eisenoxide kann heißen: Fe+32O-23 (s) +3 C+2O-2 (g) → 2 Fe0 (s) + 3 C+4O-22 (g) Die einzelnen Prozesse zur Produktion von reinem Titan sind recht vielfältig, so daß im weiteren nur auf die wichtigsten Verfahren eingegangen werden soll. A. Kroll-Prozeß: In Stahlbehältern bei einer Temperatur von 700-800°C wird unter einer Schutzgasatmosphäre die folgende Reaktion durchgeführt: Ti+4Cl-14 (l)+ 2 Mg0 (l) → Ti0 (s) + 2 Mg+2Cl-12 (l) Man läßt nach erfolgter Reaktion das Magnesiumchlorid ablaufen und entnimmt das feste Titan. B. Hunter-Prozeß: Bei einer Temperatur zwischen 881°C, dem Schmelzpunkt von Natriumchlorid, und 883°C, dem Siedepunkt von Natrium, erfolgt der diskontinuierliche Verlauf der beiden Reaktionsschritte, wobei der erste Schritt für die Geschwindigkeit bestimmend ist: 13 1. Schritt: Ti+4Cl-14 + 2 Na0 → Ti+2Cl-12 + 2 Na+1Cl-1 2. Schritt: Ti+2Cl-12 + 2Na0 → Ti0 + 2 Na+1Cl-1 C. Sulfat-Verfahren Das Sulfat-Verfahren ermöglicht die Umsetzung titanhaltiger Schlacken oder von Ilmenit mit Schwefelsäure. Es kommt dabei zu folgender Reaktion: Fe+3Ti+3O-23 (s) + 2 H+12S+6O-24 (aq)→ Ti+4O-2S+6O-24 (aq) + Fe3+(aq) +S+6O-242- (aq) + 2 H2O (g) Anschließend wird partielle verdünnt und erwärmt: TiOSO4 (aq) + 2 H2O → TiO(OH)2 (s) + H3O+ +SO42- (aq) Das erhaltene Titanoxidhydrat: gilt als Vorprodukt des Weißpigments Titandioxid. Das Filtrat stellt „Dünnsäure“ im eigentlichen Sinne dar! In Zusammenhang mit dem Begriff der Dünnsäure sei erwähnt: Es handelt sie hierbei um Säure, deren Konzentration unterhalb den handelsüblichen Werten liegt. Ferner gibt dieser Begriff keine Auskunft über eine mögliche Toxizität oder über ökologisch-bedenkliche Inhaltsstoffe. Somit ist dieser Begriff einem variablen Einsatz unterworfen, der vieles und auch nichts aussagen kann. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang an die so genannte Dünnsäureverklappung in der Nordsee bis Ende 1989. Es wurde jedoch erst nach vielen Protesten und Umweltschäden eine adäquate Möglichkeit zur Entsorgung gefunden. Indem man ein Eindampfverfahren entwickelte und somit das Nebenprodukt Dünnsäure einer anschließenden Wiederverwertung unterworfen werden kann. An dieser Stelle wird nun Versuch Nummer 2 durchgeführt, der als Modellversuch zur Anschauung im Chemieunterricht dienen kann, um die Feinreinigung von Titan darzustellen. 14 Versuch 2 Feinreinigung von Titan über das Van Arkel-de Boer- Verfahren Das Prinzip des Transportprozesses beruht auf der Umwandlung eines festen Stoffes in ein Halogenid, was flüchtig ist und als gasförmige Substanz im Reaktionsgefäß freibeweglich ist. Eine anschließende Zersetzung des entstandenen Halogenids an einem Ort höherer Temperatur überführt das Zwischenprodukt wieder in Ausgangsmetall und Halogen. Es kommt also zu einem Transport eines Stoffes vom Ort geringerer Temperatur zu einem Ort höherer Temperatur. Das Van Arkel-De Boer-Verfahren bietet neben der Feinreinigung von Titan noch weitere Möglichkeiten der Anwendung, so z.B. Vanadium, Zirkonium und Hafnium. Laborgeräte: Quarzrohr mit einem Hahn an einer Seite ein mit zwei isolierten Drähten durchbohrter Gummistopfen (muß das Glasrohr dicht abschließen) Membranpumpe Kühlfalle Bunsenbrenner Stativmaterial Stromquelle und Spannungsregler Glühfaden (aus einer Glühbirne eines Autoscheinwerfers) Chemikalien Jodpulver Titanpulver (fein, zur Feinreinigung) Verlauf: Die beiden Drahtenden, die durch den Gummistopfen gebohrt wurden, werden mit dem Glühfaden verbunden. In das Quarzrohr wird an das äußere Ende im Bereich des Hahns das Jodpulver vorgelegt. Davon entfernt positioniert man das Titanpulver. Nachdem man das Quarzrohr mit dem Gummistopfen verschlossen hat, wird über die Kühlfalle ein Vakuum auf die Apparatur gelegt. Anschließend erhitzt man das Jodpulver mittels des Bunsenbrenners, um eine Jodatmosphäre in der Apparatur zu 15 erhalten. Man legt nun auf den Glühfaden eine Spannung von ca. 4 V. Nachdem man diesen Vorgang des Erhitzens von Jodpulver und dem kurzzeitigen Anlegen einer Spannung durchgeführt hat, läßt sich elementar abgeschiedenes Titan am Glühfaden nachweisen. Reaktionsgleichung: Bei ca. 400-500°C: Ti (s) + 2 I2 (g) → TiI4 (g) Bei 1300-1500°C an Wolframdraht: TiI4 (g) → Ti (s) + 2 I2 (g) Verwendung von elementarem Titan Elementares Titan wird besonders in Form von hoch reinem Titan und verschiedenen Titanlegierungen verwendet. Es findet seinen Einsatz in der Luft- und Raumfahrt, hier besonders im Mechanikbereich, wie z.B. als: Hydraulikrohre Flügelleitkanten Befestigungselemente Fahrwerkkomponenten Bekanntester Vertreter für den Einsatz ist die Raumkapsel Apollo, die in hohem Maße aus Titan bestand. Seine Eigenschaft der hohen Resistenz wird sich hierbei zum Nutzen gemacht, so daß Titan als Feuerschutz und Korrosionsschutz eingesetzt wird. Um sich den Verbrauch von Titan zu verdeutlichen seien hier einige Daten zur Verwendung genannt: Bau eines Verkehrsflugzeugs : 0,3 - 1,1 Tonnen Bau eines Überschallflugzeugs: 14 - 15 Tonnen Ferner findet Titan Verwendung in der Medizin als Knochenersatz, in der Lebensmittelverarbeitungstechnik zur Auskleidung von Röhren und Gefäßen und in Wärmeaustauschern von Wasserentsalzungsanlagen. 16 Versuch 3 Lösen von Titan in konzentrierter Salzsäure Laborgeräte: Dreifuß mit Drahtnetz Bunsenbrenner Becherglas (250 ml) Chemikalien: 20ml Konz. Salzsäure Titanpulver Verlauf: Titanpulver und Salzsäure werden in dem Becherglas erhitzt, bis eine Violettfärbung eingetreten ist. Man läßt erkalten und die Schwebstoffe absetzen. Reaktionsgleichung: 2 Ti (s) + 6 H3O+ + 12 H2O + 6 Cl- (aq) → 3 H2 (g) + 6 Cl- (aq) + 6 H2O + 2 [Ti(H2O)6]3+ (Violettfärbung) Als Nebenprodukt entsteht Wasserstoffgas, das man in einem Reagenzglas auffängt und entzündet. Die Knallgas-Probe gibt Aufschluß über vorhandenen Wasserstoff. Knallgas-Probe: H2 (g) + ½ O2 (g) → H2O (g) ÇH = - 241,98 KJ 17 Das Phänomen der Jahn-Teller-Verzerrung Die Violettfärbung zeigt den entstandenen Hexaaquakomplex des Titan(III) an. Es handelt sich hierbei ferner um das Phänomen der Jahn-Teller-Verzerrung, das im folgenden dargestellt werden soll. Es kommt zunächst zu einer Aufspaltung der d-Orbitale im oktaedrischen Ligandenfeld nach dem folgenden Muster: _dz2_ _dx2-y2_ eg 3 /5 Ç0 = 6Dq ___ ___ ___ ___ dz2 dx2-y2 dxy dyz ___ Ç0 = 10 Dq dxz 2 /5 Ç0 = 4 Dq t2g _dxy_ _dyz_ dxz Es kommt hierbei zu einer Anhebung des einen d-Elektrons des Titans vom Grundzustand (t2g) auf das eg-Niveau durch Licht. Die Energiedifferenz und die Frequenz des anregenden Lichtes stehen dabei in folgender Beziehung: Ý = Ç0 h-1 [s-1] Dadurch kommt es zur Aussendung von Licht einer exakt bestimmbaren Lichtbande, diese resultierende Absorptionsbande liegt bei 504 nm. 18 Das Phänomen der Jahn-Teller-Verzerrung soll ferner anhand eines Kugelmodells dargestellt werden. Grundlage: ein oktaedrischer Ligandenkomplex z x y Es kommt zur Verzerrung des Oktaeders entlang der z-Achse. Es entfernen sich zwei Liganden entlang der z-Achse und die Einwirkung der 2 Liganden in Richtung z-Achse nimmt dabei ab. Alle mit der z-Achse verknüpften dOrbitale werden somit energieärmer. Die Einwirkung der 4 verbleibenden Liganden nimmt auf die d-Orbitale in Richtung der x- und y-Achse zu. 19 z x y Im Aufspaltungsmuster der Orbitale bedeutet dies: eg _dz2_ _dx2-y2_ _dz2_ _dx2-y2_ 3 /5 Ç0 = 6Dq --------------------------------------------------------------------------- 2 /5 Ç0 = 4 Dq t2g _dxy_ _dyz_ _dxz_ _dxy_ _dyz_ _dxz_ 20 Ein charakteristischer versuch im Rahmen der Titan-Chemie stellt der Nachweis mittels Wasserstoffperoxid dar. Versuch 4 Nachweis des Titans mittels Wasserstoffperoxid Laborgeräte: Becherglas (250 ml) Chemikalien: Probe des zuvor mit Salzsäure gelösten Titans Wasserstoffperoxid (1mol/l) Verlauf: Man versetzt die zu prüfende Titanlösung mit Wasserstoffperoxid und erwartet eine Orange-Färbung. Reaktionsgleichung: [Ti(H2O)6]3+ + H2O2 → [Ti(O2)]2+ (aq) + 6 H2O orangegelber Peroxokomplex des Peroxotitan(IV)-Ions Das erhaltene Produkt wird nun in einer Rückreaktion wieder in den Hexaaquakomplex überführt. 21 Versuch 5 Reduktion von Ti(IV) zu Ti(III) Laborgeräte: Becherglas (259 ml) Chemikalien: Lösung des zuvor hergestellten Peroxokomplexes des Peroxotitan(IV)-Ions Zinkpulver Reaktionsverlauf: Man gibt in die Lösung langsam Zinkpulver, bis die Orange-Färbung violett geworden ist. Reaktionsgleichung: Zn0 (s) + 2 H3O+ → Zn2+ (aq) + 2 H2O + 2 H• 2 Ti4+ (aq) + 2 H• + 14 H2O → 2 [Ti(H2O)6]3+ + 2 H3O+ Violettfärbung 2 H• → H2 (g) 22 Nachdem nun das Titan aus dem Zustand des zuvor schwer löslichen Oxids befreit worden ist, beginnt in Industrie und täglichem Gebrauch der Triumphzug des Titans. 23 Produktionsverfahren des Titandioxids Bereits zwischen 1908-1912 erhielt A.-J. Rossi (USA) erstmals Titandioxid bei metallurgischem Prozess, er fand dabei heraus, daß dieses Pulver aufgrund seiner hohen Deckkraft bestens als Weißpigment geeignet wäre. Wichtige Verfahren in der Gewinnung von Titandioxid sind das Chlorid-Verfahren und das Sulfat-Verfahren. 1. Chlorid-Verfahren (1959) Es kommt hier zur Verarbeitung von Rutilsand, der zunächst von Wassers und anderen Fremdstoffe befreit wird. Bei 800-1200°C erfolgt die Umsetzung: TiO2 (s) + 2 Cl02 (g) + C0 (s) → TiCl-14 (g) + C+4O-22 (g) Bei 900-1400°C wird das Halogenid wieder zerstört und in das Oxid überführt: TiCl-14 (g) + O02 (g) → TiO-22 (s) + 2 Cl02 (g) 2. Sulfat-Verfahren Hier wird neben verunreinigtem Rutilsand auch Ilmenit verwendet. Zunächst erfolgt der Aufschluß (formal): FeTiO3 (s) + 2 H2SO4 (aq)→ TiOSO4 (aq) + FeSO4 (aq) + 2 H2O Die anschließende Hydrolyse liefert dann Titandioxid: TiO2+ (aq) + 2 H2O → TiO(OH)2 (s) + 2 H3O+ Als Alternativen stehen hier zur Verfügung: a) Verdünnen mit Wasser b) Zusatz von Natronlauge c) Thermische Behandlung In einer Nachbehandlungen wird das Produkt gewaschen und getrocknet. 24 Für den Schulunterricht sei zur Verdeutlichung der Herstellung von Titandioxid der Versuch Nummer 6 aufgezeigt. Versuch 6 Herstellung von Titandioxid Laborgeräte: Becherglas Stativmaterial Tropftrichter Magnetrührer und Rührfisch Chemikalien: Aus Titandioxidpulver (Rutil) und Schwefelsäure hergestelltes Titanylsulfat: Titanylsulfatlösung (1 mol/l) Natriumhydroxidlösung (1 mol/l) Reaktionsgleichung für die Umsetzung von Rutil mit Schwefelsäure: TiO2 (s) + H3O+(aq) + SO4-2 (aq) → TiOSO4 (aq) + H2O Verlauf: Unter langsamen Rühren wird die Natronlauge aus dem Tropftrichter zugegeben. Reaktionsgleichung: TiO2+ (aq) + 2 OH- (aq) → TiO2 (s) + H2O Es kommt hierbei zu einer partiellen Gelbildung, die durch die Bildung von „Ti-OKetten“ begründet ist. Man kann somit formal eine solche Kette annehmen: wwTiwOwTiwOwTiwOwTiwOwTiwOwTiwOww Als Weißpigment eignen sich jedoch nur Teilchen der Größe von 5 nm, die keine Kristallstruktur besitzen, sondern nur eine Nahordnung. 25 Verwendung in der Industrie und im alltäglichen Gebrauch Wie bereits ausgeführt muß eine definierte Teilchengröße der Pigmente vorliegen (Pigmentteilchen müssen mindestens 0,3 Üm groß sein und dürfen nicht agglomeriert sein). Eingesetzt wird Titandioxid in der Farbindustrie als Weißpigment in Form von Reinfarbe oder Aufheller für den Innen und Außenbereich. ferner ist es in Lacken enthalten und in Laminatpapier, den sogenannten Resopalschichten. In der Medizin erscheint Titandioxid in Kapselschalen, da es keine Gesundheitsschäden hervorruft, und in Sonnenmilch als Reflektion von Sonnenstrahlen. Ebenso hat die Kosmetik die Anwendbarkeit von Titandioxid entdeckt. So ist es in Zahnpasta als Zahnweißer enthalten und in Gelen und Schminkartikeln. Ferner wird es in Kleidungstücken eingebracht als Zusatz in Polyesterartikeln, wie z.B. Hemden und Blusen, um als Sichtschutz zu fungieren. Ein Schulversuch, der die Anwesenheit von Titandioxid dokumentieren soll und Aussagen über die vorhandene Menge geben kann, stellt der nächste Versuch her. Versuch 7 Quantitativer Nachweis von Titandioxid Der quantitative Nachweis von Titandioxid beruht auf dem Prinzip einer Photometrie, dem der gelbe Komplex des Peroxodisulfatotitanat(IV)-Ions zugrunde gelegt ist. Laborgeräte: Photometer Porzellantiegel Freifuß mit Tondreieck Bunsenbrenner Becherglas (250 ml) Glasstab 26 Filtermaterial Chemikalien: Kaliumthiosulfat Zahnpasta Wasserstoffperoxid-Lösung (1mol/l) Verlauf: 1g Zahpasta und 5 g Kaliumthiosulfat werden im Porzellantiegel geschmolzen und circa 10 Minuten lang erhitzt. Anschließend läßt man abkühlen und löst den Schmelzkuchen in etwas destilliertem Wasser. Danach filtriert man ab und gibt 10 ml der Lösung in einem 50 ml Meßkolben. Hierzu werden 2 ml WasserstoffperoxidLösung hinzugegeben und bis zur Eichmarke mit dest. Wasser aufgefüllt. Eine Probe hieraus wird nun im Photometer gemessen. Reaktionsgleichung: Aufschluß des Titandioxids: TiO2 (s) + K2S2O7 (s) → TiOSO4 (s) + K2SO4 (s) Lösen: TiOSO4 (s) + 5 H2O → [Ti(OH)2(H2O)4]2+ + SO42- (aq) Bildung des Peroxodisulfatotitanat(IV)-Ions: [Ti(OH)2(H2O)4]2+ + H2O2 + 2 H2SO4 → [Ti(O2)(SO4)2]2- + 4 H3O+ + 2 H2O Zur Massenanteilbestimmung w(TiO2) benötigt man eine Kalibriergerade, die man zuvor unter den exakten Verhältnissen und Arbeitsschritten durchführen muß, wie die spätere Behandlung der Untersuchungsproben. Ermittelte Meßwerte zur Erstellung einer Kalibriergeraden: 27 Eingesetzte Konzentration Lichtabsorption 1000 Üg 0,13 1500 Üg 0,242 2000 Üg 0,295 2500 Üg 0,401 3000 Üg 0,479 3500 Üg 0,565 Bestimmung des Massenanteils 1. Probe: Zahnpasta Ermittelter Extinktionswert: 1 mg Ti ≡ 1,67 mg TiO2 M(TiO2) = 125 ⋅ 1,67 ⋅ 1,16 mg = 48,43mg 48,43 mg Massenanteil w(TiO2) = --------------- = 0,04843 => 4,8 % 1000 mg 28 Extinktion 29 Literaturverzeichnis Anorganische Chemie- eine zusammenfassende Darstellung für Fortgeschrittene, hrsg. von F. Albert Cotton und Geoffrey Wilkinson, übers. von Heinz P. Fritz, Weinheim/Bergstraße 1974. Anorganikum. Lehr- und Praktikumsbuch der anorganischen Chemie mit einer Einführung in die physikalische Chemie, hrsg. von Lothar Kolditz, Berlin 1977, 7. überarb. Aufl. Gmelin-Handbuch Systemnummer 41 (Titan), hrsg. von Gmelin-Institut, Weinheim/Bergstraße 1951. Praxis der Naturwissenschaften. Chemie, hrsg. von Wolfgang Glöckner, Roland Franik, Gert Latzel und Rudolf Georg Weißenhorn, Köln 1993, 42. Jahrgang. Römpp-Lexikon Band 6, hrsg. von Jürgen Falbe und Manfred Regitz, Stuttgart/New York 1999. Rossa, Eberhard: Chemische Schulversuche. Eine Anleitung für den Lehrer. Teil I: Nichtmetalle, Berlin 1974. Weiss ist Farbe. Kronos Titan, hrsg. von Kronos Titan GMBH, Düsseldorf 1987. Williams, F. R.: William Gregor, In: Education in Chemistry, Vol. 11 Nr. 4, hrsg. von Chemical Society, London 1974, S. 115-116. 30