1 Zusammenfassung Symposium: „Frühdiabetes erkennen – Diabetes verhindern“ 1. „Vorbeugen ist besser“ Univ.-Prof. MMag. Dr. Gottfried Haber, Donau Universität Krems 2. „Frühdiabetes – der rauchende Vulkan“ Univ.-Prof. Dr. Thomas Stulnig, Medizinische Universität Wien 3. „Was sagen Studien zur Prävention?“ Univ.-Prof. Jaakko Tuomilehto, MD, PhD, Donau Universität Krems 4. „Insulinsekretion und Entstehung des Prädiabetes“ Priv.-Doz. Mag. pharm. Dr. med. univ. Christian-Heinz Anderwald, MBA Sonderkrankenanstalt Agathenhof, Micheldorf 5. „Körperliche Aktivität in der Prävention und Behandlung von Prädiabetes“ Prim. Univ.-Prof. Dr. Dr. Josef Niebauer, MBA, Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg 6. „Ernährungsmedizinische Säulen der Therapie“ Univ.-Prof. Dr. Hans Hauner, Technische Universität München 7. „Medikamentöse Behandlung des Prädiabetes“ Univ.-Prof. Dr. Alexandra Kautzky-Willer, Medizinische Universität Wien OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 2 Einleitung – Vorstellung der Informationskampagne Univ.-Prof. Dr. Kurt Widhalm, Univ.-Prof. Dr. Thomas Stulnig Frühdiabetes erkennen – Diabetes verhindern Diabetes mellitus ist in Österreich ein sehr aktuelles Thema. Es stellt ein großes Problem dar, da sehr viele Betroffene gar nicht darüber Bescheid wissen. Die Prävention ist auf diesem Gebiet noch ziemlich am Anfang. Daher hat das österreichische akademische Institut für Ernährungsmedizin (ÖAIE) eine Informationskampagne und Initiative zu diesem Thema ins Leben gerufen. Ziel ist es dabei, Risikopersonen in Österreich auf Frühdiabetes aufmerksam zu machen und in weiterer Folge die diagnostischen Maßnahmen zu verbessern. Dabei sollen nicht nur (Nüchtern-) Blutzucker sondern auch HbA1c und Zuckerbelastungstest veranlasst werden. Daneben sollen wirksame Lebensstiländerungen wie vernünftige Ernährung und körperliche Bewegung gefördert werden. OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 3 1. „Vorbeugen ist besser“ Univ.-Prof. MMag. Dr. Gottfried Haber Das Ziel des Gesundheitssystems ist es, Menschen gesund zu machen bzw. gesund zu halten. Vorsorge und Prävention spielen dabei eine wichtige Rolle. Vorsorge und Prävention Prädiabetes Ziele sind Steigerung der Lebenserwartung: die Lebenserwartung ist in den letzten Jahren stetig gestiegen, aber daneben auch das Auftreten von Erkrankungen Kostenminimierung: hier besteht ein „unangenehmer ökonomischer Effekt“, da Präventionsmaßnahmen zunächst Kosten bedeuten, die damit verbundene Kostenminimierung wird allerdings erst nach Jahren ersichtlich Daten der Donau-Universität Krems, Zentrum für Management im Gesundheitswesen Bei Prädiabetes ist die Prävention noch ganz am Anfang. Das größte Problem dabei ist, dass die Krankheit sehr oft unerkannt bleibt. Dadurch ergeben sich später sehr hohe Behandlungskosten, die durch eine rechtzeitige Diagnose und Lebensstilmodifikation verhindert werden könnten. Prävention ist ein „moderner Ansatz“ im Gesundheitssystem. Die Ausgaben für die Prävention betragen ca. 1,9% der gesamten öffentlichen Ausgaben. Dabei besteht das große Problem, dass die wahrgenommene Bedeutung sehr unterschiedlich zur tatsächlichen Bedeutung ist. Hauptfaktoren der Prävention sind Lebensstiländerungen hinsichtlich Bewegung, Ernährung und Suchtverhalten. Auch die Kommunikation spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 4 Allgemeine Rahmengesundheitsziele Hier passen auch viele Faktoren der Diabetes-Prävention rein. Zum Beispiel: Gesundheitskompetenz der Bevölkerung steigern. gesunde Ernährung mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln für alle zugänglich machen. gesunde und sichere Bewegung im Alltag durch entsprechende Gestaltung der Lebenswelten fördern. qualitativ hochstehende und effiziente Gesundheitsversorgung für alle nachhaltig sicherstellen. Die Prävention sollte schon in jungen Jahren ansetzen. Besonders dramatisch ist die Abnahme der körperlichen Aktivität bei Kindern und Jugendlichen. Die Bewegung nimmt mit zunehmendem Alter deutlich ab. Daten der Donau-Universität Krems, Zentrum für Management im Gesundheitswesen Frühdiabetes – Eckdaten Aktuell leiden ca. 600.000 bis 700.000 Menschen in Österreich an Frühdiabetes. Das größte Problem dabei ist, dass nur ca. 2/3 der Betroffenen darüber Bescheid wissen. Bei ca. 20% der Diabetiker bestehen bereits zum Zeitpunkt der Diagnose Spätkomplikationen, vor allem an Nieren, Augen und Nerven. Diabetes-Patienten verursachen etwa dreimal so hohe Kosten wie Nicht-Diabetiker. Durch rechtzeitig ansetzende Präventionsmaßnahmen (in erster Line Lebensstiländerung hinsichtlich Ernährung und Bewegung) können rund 60% der Diabetes-Fälle verhindert werden. Volkswirtschaftliche Aspekte der Prävention Durch einen „ungesunden Lebensstil“ (ungesunde Ernährung, wenig Bewegung) ergeben sich jährlich, je nachdem wie man es rechnet, rund 8,5 – 12 Milliarden Euro Kosten für das Gesundheitssystem. Eine Lebensstilmodifikation könnte dabei helfen, die Kosten deutlich zu senken. OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 5 Die 3 Ansatzpunkte der Prävention Unternehmen – betriebliche Gesundheitsförderung Früherkennung durch div. Screening Methoden Staat finanzielle Unterstützung von Präventionsmaßnahmen Menschen direkt die Präventionsmaßnahmen (Lebensstiländerung usw.) müssen direkt beim Betroffenen ansetzen Ökonomische Probleme der Prävention Hauptproblem: Fehleinschätzung wie hoch der finanzielle Nutzen der Präventionsmaßnahmen wäre Problematik des „öffentlichen Gutes“ bei Gesundheit und Prävention (Trittbrettfahrer, Mitnahmeeffekt, soziale Treffsicherheit) „Zuckerbrot und Peitsche“: Wie soll man am besten vorgehen? ökonomische Beurteilung von Präventionsmaßnahmen Die Akteure der Prävention Wichtig ist dabei die Nutzung von Synergien. Die einzelnen Akteure der Prävention sind: private Initiative betriebliche Gesundheitsförderung Sozialversicherung private Versicherungen Staat Prävention als Wirtschaftsfaktor hat direkte und indirekte Effekte. Daten der Donau-Universität Krems, Zentrum für Management im Gesundheitswesen OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 6 Die Compliance diverser Präventionsmaßnahmen ist in jedem Fall auch abhängig von der Vorbildfunktion. Wenn ein übergewichtiger Arzt seinem Patienten zur Reduktion des Körpergewichts rät, wird er damit wahrscheinlich nicht viel bewirken. Man muss daher bei Präventionsmaßnahmen an beide Öffentlichkeiten adressieren: Patienten-Öffentlichkeit UND Experten-Öffentlichkeit Conclusio Präventionsmaßnahmen für (Früh-)Diabetes sind aus ökonomischer Sicht besonders wichtig, da ein Diabetiker ca. dreimal so hohe Kosten für das Gesundheitssystem verursacht als ein Nicht-Diabetiker. Auch Folgeerkrankungen können durch Präventionsmaßnahmen verhindert werden. Als kritische Faktoren in diesem Zusammenhang müssen die Früherkennung sowie die nachhaltige Lebensstiländerung (Ernährung und Bewegung) angeführt werden. Eine nachhaltige Änderung des Lebensstils, durch „gesunde“ Ernährung und Steigerung der körperlichen Aktivität ist für viele nur schwer umsetzbar. Ein großes Problem stellt auch dar, dass Präventionsmaßnahmen zu Beginn in der Regel sehr viel kosten. Der Kosten-Nutzen tritt dann allerdings erst nach Jahren ein. Generell muss in Österreich noch sehr viel hinsichtlich Präventionsmaßnahmen getan werden. OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 7 2. „Frühdiabetes – der rauchende Vulkan“ Univ.-Prof. Dr. Thomas Stulnig Es geht dabei vor allem um folgende Fragen: Was ist Frühdiabetes? Wie häufig tritt Frühdiabetes auf? Warum müssen Personen mit Frühdiabetes rechtzeitig erkannt werden? Im Vordergrund der Prävention und Erkennung von Frühdiabetes steht das Verhindern von Diabetes mellitus. Ca. 8% der österreichischen Bevölkerung sind von Diabetes mellitus betroffen. Das größte Problem dabei ist, dass nur ca. 2/3 der Betroffenen von Ihrer Erkrankung wissen. Bei 20% der Diabetes-Patienten bestehen bereits zum Zeitpunkt der Diagnose Spätkomplikationen. Davon betroffen sind vor allem Nieren, Augen und Nerven. Daneben verursacht Diabetes auch enorme Kosten für unser Gesundheitssystem. Diese Kosten betragen ca. dreimal mehr als für einen Nicht-Diabetiker. Daher muss Diabetes verhindert werden. Die große Frage ist aber WIE? Bei Diabetes verhält es sich wie bei anderen Erkrankungen (zB. Krebserkrankungen) – Frühstadien müssen möglichst früh erkannt und behandelt werden. Daher ist es auch so wichtig: Frühdiabetes erkennen – Diabetes verhindern! Veränderung des Blutzucker-Stoffwechsels Jahre vor Manifestation eines Diabetes Ca. 6 Jahre vor der Diagnose steigt der Blutzucker nach Zuckerbelastung bereits an. Es kommt zu einem langsamen Anstieg des Nüchternblutzuckers. Auch die Insulinsensitivität nimmt daneben bereits langsam ab. AG Tabák, Lancet 2012; 379: 2279-2290 OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 8 Was ist Frühdiabetes? Es handelt sich um eine Zuckerstoffwechselstörung, bei der die Messwerte der Blutzuckerkontrolle bereits über der Norm liegen, aber noch nicht die Kriterien des Diabetes erfüllen. Betroffene Personen haben ein sehr hohes Risiko später an Diabetes zu erkranken. Frühdiabetes ist reversibel. Andere Bezeichnungen „Prädiabetes“ ist der übliche medizinische Ausdruck „Intermediate hyperglycemia (Ausdruck der WHO) „High risk state for developing diabetes“ (Ausdruck der ADA, American Diabetes Association) Welche Stoffwechselstörungen unterscheidet man bei Frühdiabetes Abnormalität Impaired Fasting Glycemia Impaired Glucose Tolerance kombinierte IFG und IGT HbA1c erhöht Abkürzung IFG IGT IFG & IGT Bemerkung Nüchternblutzucker erhöht Blutzucker 2 Stunden nach Zuckerbelastung erhöht Anmerkungen dazu: Die verschiedenen Werte sind komplementär zueinander, also nicht immer überlappend. Die Überlappung von IFG und IGT beträgt manchmal nur 25%. Ein einzelner Test kann nicht alle Personen mit Frühdiabetes erfassen. Wie wird Frühdiabetes festgestellt? Parameter Blutzucker nüchtern Vorteile Messung ist meist in der Ordination verfügbar Blutzucker Belastungstest (OGTT) HbA1c (BlutzuckerLangzeitwert) gute Erfassung von Personen mit HerzKreislauf-Risiko einfache Messung unabhängig vom Nüchternzustand erfasst prä- und postprandiale Blutzuckerwerte Nachteile Person muss nüchtern sein venöse Blutabnahme ist für eine verlässliche Messung nötig es wird nur ein Teil der Frühdiabetes-Patienten erfasst mäßige Erkennung des Herz-Kreislauf-Risikos Person muss nüchtern sein venöse Blutabnahme nötig sehr zeitaufwändig (>2h) Messung oft nicht in der Ordination verfügbar Test kann z.B. durch Erkrankungen und bestimmte Medikamente gestört werden OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 9 Grenzwerte für Frühdiabetes Frühdiabetes liegt zwischen den Grenzwerten für normalen Glukosestoffwechsel und Diabetes mellitus, dh. die Messwerte liegen zwar schon über der Norm, erfüllen aber noch nicht die Kriterien des Diabetes. Ein einzelner erhöhter Wert reicht bereits um Frühdiabetes zu haben. Frühdiabetes wird sehr häufig zu Diabetes Konversionsraten zu Diabetes pro Jahr: Parameter Isolierte IGT Isolierte IFG IGT & IFG HbA1c Prozentsatz 4-6 % 6-9 % 15-19 % 7% Konversionsrate zu Diabetes gesamt: bis zu 70 % bis >90 % (IGT; China, über 20 Jahre) HC Gerstein, Diabetes Res Clin Pract 2007; 78: 305–12 Y Heianza, Lancet 2011; 378: 147–55 G Li, Lancet 2008;371: 1783–89 Wie häufig tritt Frühdiabetes auf? Prävalenz des Frühdiabetes in Europa (DECODE 2003) Die Prävalenz für Frühdiabetes in Europa ist generell sehr hoch und steigt mit zunehmendem Alter. Auch eine aktuelle österreichische Studie an jungen Erwachsenen Vorarlbergern hat gezeigt, dass zwischen 20 und 40 Jahren der BMI, und damit auch das Risiko für Diabetes, langsam aber kontinuierlich ansteigt. Dabei hat sich bezüglich der Prävalenz für Diabetes generell eine starke Abhängigkeit vom Körpergewicht gezeigt. K Wirth, PLoS ONE 2015; doi:10.1371/journal.pone.0127186 OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 10 Leider sind auch sehr viele Jugendliche bereits von (Früh-) Diabetes betroffen Eine Studie aus Texas 2015 zeigt, dass bei 16-19 jährigen Schülern bereits 11% von Frühdiabetes (HbA1c 5,7 – 6,4%) betroffen waren, 0,5% von Diabetes (HbA1c ≥ 6,5%). Buben waren generell häufiger davon betroffen als Mädchen (15,7% vs. 7,9%). Außerdem tritt Diabetes häufiger im städtischen Bereich, sowie bei Personen mit niedrigerem sozioökonomischen Status auf. Diabetes ist oft auch verbunden mit einem erhöhten Cholesterinspiegel und Bluthochdruck. MO Gore, Diab Vasc Dis Res, 2015 May 13. pii: 1479164115579799. [Epub ahead of print] Wer sind die Risikopersonen für Frühdiabetes – wer soll getestet werden? Ein hohes Risiko haben Personen mit Übergewicht UND zumindest EIN weiterer Risikofaktor: Fettansammlungen am Bauch wenig körperliche Bewegung (weniger als 2 ½ Stunden pro Woche) erhöhte Blutzuckerwerte abnorme Blutfettwerte Bluthochdruck bestehende Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Vorliegen in der Familie früherer Schwangerschaftsdiabetes oder Geburt eines Kindes mit über 4,5 kg Geburtsgewicht Verwandte die Diabetes haben (auch „Altersdiabetes“) ÖAIE 2015, modifiziert nach ÖDG Leitlinien 2013 Warum müssen Personen mit Frühdiabetes rechtzeitig erkannt werden? Man kann sich fragen, „warum müssen Personen mit Frühdiabetes erkannt werden, sie haben ja „nur“ ein Risiko für Diabetes“? Eine frühzeitige Erkennung des Frühdiabetes kann aber bedeutend dabei helfen Diabetes zu verhindern durch: intensive Lebensstilmodifikation: kann bei Personen mit Frühdiabetes rund 60% der Diabetes-Fälle verhindern. Verbesserung von anderen Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie zB. Bauchumfang, Blutfettwerte, Blutdruck vernünftige Ernährung und ausreichend Bewegung Das Risiko für Frühdiabetes (IFG) ändert sich mit der BMI-Kategorie Das Frühdiabetes-Risiko ist stark assoziiert mit der BMI-Kategorie. So steigt das Risiko mit steigendem Körpergewicht. Ein Mann der zB. heute übergewichtig ist und in 10 Jahren adipös, hat ein 40% höheres Risiko für Prädiabetes als ein Normalgewichtiger. Bei einer übergewichtigen Frau liegt das Risiko bei ca. 30% höher als bei einer normalgewichtigen. OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 11 Teilnehmer der VHM&PP Gesundheitsprogramme im Alter von 20-40 Jahren; Erstuntersuchung zwischen 1/1988 und 12/1993 für die eine Nachuntersuchung nach 8-12 Jahren verfügbar war K Wirth, PLoS ONE 2015; doi:10.1371/journal.pone.0127186 Komplikationen bzw. Folgeerkrankungen des (Prä-) Diabetes Die Liste der mikro- und makrovaskulären Komplikationen bei Diabetes ist sehr lange. Makrovaskuläre Komplikationen zerebrovaskuläre Erkrankungen koronare Herzerkrankung – Kardiomyopathie Atherosklerose periphere arterielle Verschlusskrankheit Das Risiko für einen vaskulären Tod steigt schon beim Frühdiabetes deutlich an. Emerging Risk Factors Collaboration, N Engl J Med 2011;364:829-41 Kardiovaskuläre Mortalität in Abhängigkeit vom Blutzucker und 2 Stunden nach der Belastung Decode Study Group, The Lancet 1999;354:617-21 OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 12 Auch das Risiko für fatale Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt mit dem HbA1c. Der Anstieg erfolgt bereits im Bereich des Frühdiabetes, nicht erst im Diabetes-Bereich. Emerging Risk Facto Collaboration, JAMA. 2014;311(12):1225-1233. doi:10.1001/jama.2014.1873 Zusammengefasst kann aus Studien gezeigt werden, dass Frühdiabetes ein unabhängiger Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist: Nüchtern-Blutzucker, postprandialer Blutzucker und HbA1c sind bedeutende Risikofaktoren für die Herz-Kreislauf-Mortalität sie sind unabhängig von anderen Risikofaktoren wie Adipositas, Bluthochdruck, erhöhte Triglycerid- und Cholesterinwerte eine Koinzidenz mit anderen Risikofaktoren tritt sehr häufig auf 20% der Patienten haben bei er Diagnose bereits vorliegende Spätkomplikationen AG Tabák, Lancet 2012; ;379(9833):2279-90 Mikrovaskuläre Komplikationen kognitive Beeinträchtigung diabetische Retinopathie diabetische Nephropathie kardiale autonome Neuropathie Hautinfektionen gastrointestinale und Harnblasen-Dysfunktion sexuelle Dysfunktion periphere sensorische Störungen diabetisches Fußsyndrom Frühdiabetes und Neuropathie Auch das Risiko für deine kardiale autonome Neuropathie wird durch Frühdiabetes deutlich erhöht. D Ziegler, Diabetologia 2015;58:1118-28 KORA S4 Studie Eine besonders große Assoziation besteht mit autonomer Neuropathie o o o verminderte Herzfrequenz verminderte Anpassungsfähigkeit an Lageveränderungen erektile Dysfunktion OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 13 sensomotorische Neuropathie o o o o verminderte intraepidermale Nervenfaserdichte veränderte Schweißregulation tiefe Sehnenreflexe starkes Temperaturempfinden IGT ist besonders assoziiert mit schmerzhafter Polyneuropathie AG Tabák, Lancet 2012; ;379(9833):2279-90 Frühdiabetes und Niere Frühdiabetes ist mit einem erhöhten Risiko für chronische Niereninsuffizienz assoziiert. Mikroalbuminurie 6% 10 % 29 % 29 % Normal Frühdiabetes (IFG) Diabetes (nicht diagnostiziert) Diabetes (diagnostiziert) Makroalbuminurie 0,6 % 1,1 % 3,3 % 7,7 % LC Plantinga, Clin J Am Soc Nephrol 2010; 5: 673–82 CS Fox, Diabetes Care 2005; 28: 2436–40 Daten von NHANES 1999–2006 Frühdiabetes und Auge Ein erhöhtes Risiko für diabetische Retinopathie besteht bereits beim Frühdiabetes. Es kann schon früh zu einer Veränderung der retinalen Gefäße kommen. AG Tabák, Lancet 2012; ;379(9833):2279-90 Diabetes Prevention Program Research Group. Diabet Med 2007; 24: 137-44. Frühdiabetes und Inflammation Eine ganze Reihe von Entzündungsparametern ist bereits bei Frühdiabetes erhöht. Und dies führt zu einer starken Korrelation mit mikrovaskulären Komplikationen. Bsp.: Fibrinogen, Albumin, Lymphozyten, Granulozyten, usw. V Grossmann, Diab Care 2015;doi:10.2337/dc14-3008 OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 14 Frühdiabetes ist reversibel und daher ist eine frühzeitige Erkennung und anschießende Behandlung über eine Lebensstilmodifikation mit Ernährung Bewegung Medikamente sehr wichtig. Bei einer sinnvollen Behandlung kann es je nach Art und Schwere der Erkrankung bereits nach ca. 3 Monaten wieder zu einer Normalisierung kommen. „FRÜHDIABETES - der rauchende Vulkan“, da es in weiterer Folge zu zahlreichen Spätkomplikationen kommen kann wie: Diabetes Insult Myokardinfarkt Karzinome Neuropathie Nephropathie Retinopathie Conclusio Patienten mit Frühdiabetes sind Hochrisiko-Patienten für Diabetes. Wenn nicht rechtzeitig eingegriffen wird, entwickeln jährlich ca. 10% der Personen mit Frühdiabetes einen manifesten Diabetes. Langfristig sind es sogar bis zu 70% der Betroffenen. Daneben ist Frühdiabetes mit einem hohen Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden und kann auch zu Spätkomplikationen an Augen, Nerven und Nieren führen. Frühdiabetes ist reversibel, dh. präventive Maßnahmen mit einer Lebensstilmodifikation, durch vernünftige Ernährung und ausreichend körperliche Bewegung, sind besonders wirksam. Allerdings muss dabei angemerkt werden, dass es sich bei Frühdiabetes bereits um eine Erkrankung handelt. Dh. auch wenn Frühdiabetes bekämpft wird und die Blutzuckerwerte wieder in den Normalbereich kommen, bleibt das hohe Risiko für Frühdiabetes, und in weiterer Folge Diabetes, bestehen. OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 15 3. „Was sagen Studien zur Prävention?“ Univ.-Prof. Jaakko Tuomilehto Anhand der Zusammenfassung von wissenschaftlichen Studien soll ein Überblick über den derzeitigen Stand der Wissenschaft gemacht werden. United Kingdom Prospective Diabetes Study (UKPDS) 1995 Eine UK-Studie aus 1995 hat gezeigt, dass bereits 12 Jahre vor der Diagnose von Diabetes die BetaZell-Funktion beginnt stetig abzubauen. UKPDS 16. Diabetes 1995 The Finnish Diabetes Prevention Study (DPS) 2001 Ziel dieser finnischen Studie war es herauszufinden, ob eine Lebensstilintervention bei Erwachsenen mit gestörter Glukosetoleranz (IGT) die Entwicklung zu Typ 2 Diabetes verhindern oder hinauszögern kann. Die wichtigsten Punkte der Lebensstilintervention waren: Gewichtsreduktion um mindestens 5% Fettaufnahme von maximal 30% der Energie Aufnahme von gesättigten Fettsäuren unter 10% der Energie Ballaststoffe mindestens 15 g pro 1000kcal körperliche Bewegung von mindestens 30 Minuten pro Tag Die Interventionsgruppe wurde einer Kontrollgruppe gegenübergestellt, die lediglich den Ratschlag bekam, sich „gesund zu ernähren und viel Bewegung zu machen“. Es zeigte sich, dass es generell schwierig ist den Lebensstil auf Dauer zu ändern. Bei erfolgreicher Lebensstiländerung kam es nach einem Jahr zu durchwegs positiven Ergebnissen. Neben einer deutlicheren Gewichtsreduktion (-4,2 vs. -0,8), konnten auch Blutfettwerte und Blutzuckerwerte in der Interventionsgruppe verbessert werden. Auch bezüglich des Risikos für Diabetes, zeigte die Lebensstilintervention positive Effekte mit einer Reduktion des Risikos um 58%. Es zeigte sich außerdem, dass keiner der Personen der mindestens 4 der 5 LebensstilmodifikationsPunkte erreicht hat innerhalb der nächsten 4 Jahre an Diabetes erkrankte. OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 16 Entwicklung von Diabetes in der Interventions- vs. Kontrollgruppe: Risiko-Reduktion um ca. 58% 1,0 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 Intervention group Control group 0 1 2 3 4 5 6 Year N Engl J Med 2001; 344:1343 Lindström et al. Diabetes Care 2003; 26:3230–6 USA Diabetes Prevention Program (DPP) Auch bei der amerikanischen DPP-Studie konnte das Risiko für Diabetes durch eine Lebensstilmodifikation um ca. 58% reduziert werden. Die Lebensstilintervention zeigte dabei bessere Ergebnisse als vergleichsweise Metformin oder Placebo. Vergleichbare Ergebnisse gab es auch in China (Da Qing-Studie, 43% Risiko-Reduktion), UK (EDIPSStudie, 55% Risiko-Reduktion) und Niederlande (SLIM-Studie, 58% Risiko-Reduktion). Alle diese Studien wurden an Personen mit IGT durchgeführt. Es stellt sich die Frage, ob eine Lebensstilintervention auch bei Personen mit gestörtem Nüchternblutzucker (IFG) ähnlich effektiv ist. OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 17 Japan – Zensharen Studie Die Studie wurde an Übergewichtigen Japanern durchgeführt. Es wurde der Einfluss einer Lebensstilintervention auf die Prävention von Typ 2 Diabetes untersucht. Auch hier zeigte sich in der Interventionsgruppe eine effektive Reduktion des Risikos von 44%. Beim Vergleich zeigten sich allerdings deutlich bessere Ergebnisse für kombinierte IFG + IGT als für IFG alleine. Damit gibt es keine Evidenz, dass IFG durch eine Lebensstilintervention verhindert bzw. hinausgezögert werden kann. Arch Intern Med. 2011; 171(15): 1352-1360 OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 18 The Finnish Diabetes Prevention Study (DPS) 2001 Außerdem stellt sich die Frage, ob eine Lebensstilintervention bei Personen mit IGT auch nach Ende der Intervention Langzeiteffekte hat. Die meisten profitieren von einer mehrere Jahre andauernden Lebensstilintervention auch noch einige Zeit danach. Der neu gefundene „gesunde Lebensstil“ wird von vielen auch nach der Intervention weitergeführt. China Da Qing Diabetes Prevention Study Auch in dieser Studie wurden Langzeiteffekte einer Lebensstilintervention untersucht. Es hat sich gezeigt, dass die Lebensstilintervention nach 20 Jahren immer noch Effekte zeigt. OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 19 Am meisten profitierten dabei Ältere Menschen (über 61 Jahre) mit einer Reduktion des relativen Risikos um 65%. Steigerung der körperlichen Aktivität Eine Lebensstilintervention, vor allem hinsichtlich der Steigerung der körperlichen Bewegung, kann in jedem Lebensalter positive Effekte mit sich bringen. In dieser Studie zeigte sich beispielsweise, dass eine Steigerung der körperlichen Aktivitäten in der Freizeit um ca. 3,8 Stunden pro Woche das Risiko für Diabetes um ca. 75% senken kann. Daneben zeigen sich auch günstige Effekte auf die kardiovaskuläre Mortalität. Erkennung von Risikopersonen Es stellt sich die Frage, wie man Risikopersonen für Diabetes (rechtzeitig) erkennen kann. Screening – Strategien Screening bei bestehenden OGTT FPG Tests A1C – Screening Capillary BG – Screening Fragebögen über ätiologische Faktoren von Diabetes Dafür gibt es einen finnischen Risiko-Fragebogen: FINnish Diabetes RIsk Score (FINDRISC) von der Finnischen Diabetes Association. OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 20 Das Ziel von FINDRISC war: Ein Gerät zu erschaffen, das einfach kostengünstig verlässlich ist um Personen mit hohem Risiko für Typ 2 Diabetes ausfindig zu machen. Daneben sollte es für die Allgemeinbevölkerung zugänglich sein und keine Blutabnahmen oder andere Messungen erfordern, bei denen medizinisches Personal benötigt wird. FINDRISC hat sich als sehr verlässliche und einfach Methode etabliert, um möglichst viele betroffene Personen rechtzeitig zu erkennen und bei Bedarf eine Behandlung einleiten zu können. Lindström & Tuomilehto, Diabetes Care 2003; 26: 725-731 OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 21 Conclusio Es gibt heute zahlreiche Studien die beweisen, dass eine Lebensstilmodifikation bei der Prävention von Diabetes besonders wirksam ist. Dabei ist eine Kombination aus vernünftiger Ernährung und ausreichend körperlicher Bewegung am effektivsten. Neben der Prävention ist aber vor allem auch die rechtzeitige Erkennung von Risikopersonen wichtig. Neben diversen Screening Methoden, stellen Fragebögen eine sehr einfache und trotzdem verlässliche Untersuchungsmethode dar. Als besonders effektiv kann dabei der finnische „FINDRISC“-Fragebogen bewertet werden. OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 22 4. „Insulinsekretion und Entstehung des (Prä-)Diabetes“ Priv.-Doz. Mag. pharm. Dr.med. univ. Christian-Heinz Anderwald, MBA Diagnose von (Prä-) Diabetes : Oraler Glukose Toleranztest / Glukosetoleranz-Kategorien: Nüchternblutzucker: Normal: < 100mg/dl IFG (Prädiabetes): ab 100mg/dl – 126mg/dl Diabetes mellitus: ab 126mg/dl Wichtige Einflussfaktoren: hepatische Glukoseproduktion basale Insulinausschüttung Blutzucker 2h nach Zucker-Belastung: Normal: <140mg/dl IGT (Prädiabetes): ab 140mg/dl – 200mg/dl Diabetes mellitus: ab 200mg/dl Wichtige Einflussfaktoren: Glukose- und Inkretin-vermittelte Insulinausschüttung Insulinempfindlichkeit in Skelettmuskel, Leber und Fettgewebe Wenn der Nüchternblutzucker erhöht ist, nimmt auch die Insulinsekretion stetig ab: Adaptiert nach: DeFronzo RA, Bonadonna RC, Ferrannini E. Diabetes Care. 1992 Mar;15(3):318-68 OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 23 Insulinresistenz und eine Beta-Zell-Funktionsstörung sind grundlegende Probleme bei Diabetes mellitus Typ 2. Parallel zum Anstieg des Nüchternblutzuckerspiegels hin zum diabetischen Stadium, nimmt die Insulinsekretion stetig ab, wie auch die Insulinempfindlichkeit. Insulinausschüttung Die normale Insulinausschüttung erfolgt in 2 Phasen. Die erste Phase erfolgt in den ersten 30 bis max. 60 Minuten. In dieser Phase wird durch die BetaZellen sofort das Hormon Insulin ans Blut abgegeben. Es kommt zu einem steilen Insulinpeak der die hepatische Glukoseproduktion sowie die Lipolyse stoppt, und in den Muskelzellen die Aufnahme von Glukose einleitet. Diese Phase erfolgt bei Nicht-Diabetikern normal, während sie bei Prä- und Diabetikern abnimmt. Der Zucker steigt dementsprechend immer weiter an. OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 24 Bei Diabetikern gibt es gar keine erste Phase der Insulinausschüttung mehr. Daher ist diese auch entscheidend für die Diagnose und klinische Untersuchungen von (Prä-)Diabetes. Interessant zu wissen ist auch, ob nicht-diabetische Nachkommen von Eltern mit Diabetes Anzeichen einer gestörten Insulinsekretion bzw. -sensitivität zeigen. Eine Studie aus 2009 hat dazu ergeben, dass solche Kinder eine verringerte Insulinsensitivität neben einer erhöhten Insulinsekretion zeigen. Zusätzlich wurde aber auch im Falle von vergleichbarer Insulinempfindlichkeit eine verminderte 1. Phase der Insulinausschüttung bei Nachkommen von Eltern mit Diabetes gefunden. M. Stadler, G. Pacini, J. Petrie, A. Luger, and C. Anderwald. Diabetologia 52 (11):2435-2444, 2009 OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 25 Insulinsekretion und –sensitivität stehen in einer exponentialen Assoziation zueinander: Bei Patienten mit Diabetes mellitus (Typ 2) fällt diese Exponentialfunktion ab. Die Beta-Zell-Funktion ist vor allem bei oral eingestellten Diabetes-Patienten entscheidend (egal ob mit Metformin oder anderen Medikamenten). Wenn sich die Beta-Zell-Funktion verschlechtert kommt es zu einer Verschlechterung der glykämischen Kontrolle. In diesem Zusammenhang scheint auch Insulin selbst eine Rolle zu spielen. OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 26 In einer Studie wurde verschiedenen Personen Insulin verabreicht. Das Ergebnis war im Bezug auf die Insulinausschüttung: Stimulation bei Insulin-empfindlichen Personen Inhibition bei Insulin-resistenten Personen noch stärkere Inhibition bei Typ 2 Diabetikern Anderwald,C et al. Diabetes Care 34:437-441, 2011 Es gibt verschiedene Stimulatoren der Insulinsekretion. Bei (Prä-)Diabetikern erscheinen diese Stimulierungsfunktionen sehr eingeschränkt. Conclusio Bei der Entwicklung von (Prä-)Diabetes nimmt die Funktion der Stimulatoren zur Insulinausschüttung in der Beta-Zelle wie zB. Glukose, Insulin, GLP-1, etc. ab, und dies führt insbesondere zu einer Reduktion der ersten Phase der Insulinausschüttung. Die Folge ist eine inadäquate Insulinsekretion, im Verhältnis zur bestehenden Insulinresistenz. Aus diesem Grund ist vor allem die erste Phase der Insulinausschüttung (innerhalb der ersten 30 bis max. 60 Minuten) besonders interessant, und sollte bei klinischen Untersuchungen gut untersucht und beobachtet werden. Dies wäre wichtig, um eine Prädisposition zu Diabetes mellitus rechtzeitig zu erkennen, und um die Betroffenen in kürzeren Intervallen beobachten zu können. OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 27 5. „Körperliche Aktivität in der Prävention und Behandlung von Prädiabetes“ Prim. Univ.-Prof. Dr. Dr. Josef Niebauer, MBA In der heutigen Gesellschaft kann man von einer regelrechten „Epidemie“ der körperlichen Inaktivität sprechen. Das größte Problem der Bewegung ist, das wir uns NICHT bewegen. Bewegung wird aus dem Alltag ausgeschlossen als wäre sie „gefährlich“. Die heute übliche Gehstrecke der Allgemeinbevölkerung ist: vom Auto zur Arbeit vom Fahrstuhl zum Schreibtisch vom Schreibtisch über den Flur zum Drucker kleine Einkäufe abends vor dem Fernseher (höchstens zum Kühlschrank oder zum Ein- und Ausschalten des Fernsehgeräts) Gesamt damit ca. 300 – 700m an Bewegung. begrenzte körperliche Aktivität neben unbegrenzter Nahrung Die Diabetes-Epidemie Die „American Diabetes Association“ hat 2003 angegeben, dass jeder 3. US-Bürger der im Jahr 2000 geboren wurde irgendwann in seinem Leben einen Diabetes entwickeln wird. Darunter auch Kinder und Jugendliche. Auch bezüglich kindlicher Adipositas kann man von einem „Teufelskreis“ sprechen. Zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen zählen heute Fernsehen, Playstation-Spiele, Handy und Computer. Körperliche Aktivität spielt bei den meisten keine besondere Rolle mehr in der Gestaltung der Freizeitaktivitäten. OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 28 Auch bei den Erwachsenen ist der Anteil der Übergewichtigen (BMI von über 25) sehr hoch. So hat die Statistik Austria für 2006/2007 veröffentlicht, dass in Österreich 48% der Bevölkerung übergewichtig waren. Mehrere Studien weisen darauf hin, dass ein großer Anteil der Bevölkerung körperlich inaktiv ist. Eine Studie aus 2012 hat gezeigt, dass nur ca. 30% der über 15 Jährigen weltweit regelmäßig körperlich aktiv sind. Hallal PC et al., Lancet 2012;380:247-257 OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 29 Daneben hat eine Statistik aus 2006 gezeigt, dass über 60% der Bevölkerung weniger als 2 Stunden pro Woche aktiv sind. Der Spiegel 2006 (30. Januar);5:136 Ein globaler Vergleich zwischen Rauchen und Inaktivität hat gezeigt, dass mehr Menschen körperlich inaktiv sind als rauchen, und bezüglich der Todesfälle sind die Zahlen für beide Gesundheitsrisiken ziemlich gleich hoch. In den letzten Jahren haben Frauen Männer bezüglich der Rate für Herzinfarkte deutlich überholt (früher waren immer die Zahlen bei den Männern deutlich höher). Herzinfarkte stehen heute bei beiden klar an erster Stelle mit 47,7% bei den Frauen und 37,6% bei den Männern. Dies hängt auch sehr eng mit der steigenden körperlichen Inaktivität zusammen. Die kardiovaskuläre Mortalität ist bei Diabetes Patienten besonders hoch. Betroffen sind ca. 35% der Typ 1 Diabetiker und 75% der Typ 2 Diabetiker. OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 30 Therapieoptionen erworbener Risikofaktoren Bei allen erworbenen Risikofaktoren kann neben anderen Behandlungsmethoden vor allem Bewegung helfen und als Therapie eingesetzt werden. Hyperglykämie: Training Ernährung Blutzuckereinstellung arterielle Hypertonie: Training Ernährung Blutdruckeinstellung Rauchen: Training Nikotinkarenz Adipositas: Training Ernährung Dyslipidämie: Training Ernährung Statine Bewegungsmangel Training OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 31 Der Nutzen von Bewegung ist vielfältig und wirkt sich auf sehr viele Körperregionen günstig aus: Sharma S et al., Eur Heart J 2015; epub ahead of print Die körperliche Leistungsfähigkeit kann bei Typ 2 Diabetikern durch regelmäßiges Training deutlich und kontinuierlich verbessert werden. Dies zeigt auch eine eigene Studie aus 2010, wo sich die Leistungsfähigkeit der Diabetes Patienten mit Training im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne Training deutlich verbessert hat. Die Verbesserung war umso besser, je länger die Intervention dauerte. Auch der koronare Blutfluss konnte verbessert werden. Sixt et al., Eur Heart J 2010;31:112-9 Eine andere eigene Studie untersuchte bei Patienten mit Prädiabetes die Verbesserung der Leistungsfähigkeit durch Training im Vergleich mit einer Gruppe die Medikamente (Rosiglitazone) bekam und mit einer Kontrollgruppe. Es hat sich gezeigt, dass nach 6 Monaten die Trainings-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe nicht nur eine deutliche Verbesserung der Leistungsfähigkeit sondern auch der Endothelfunktion hatte. Sixt et al., Eur J Cardiovasc Prev Rehab 2008;15:473–478 OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 32 Zahlreiche Studien mit Lebensstilinterventionen haben gezeigt, dass vor allem Training und körperliche Aktivität wirksam sind in der Prävention und Behandlung von Diabetes und Folgeerkrankungen. Diabetes Prevention Program Research Group Eine Studie aus 2002 hat dabei den Einfluss von gesundem Lebensstil (Gewichtsreduktion und körperliche Bewegung) mit der Einnahme von Metformin verglichen. Es hat sich ergeben, dass durch gesunden Lebensstil die Inzidenz von Diabetes um 58%, durch Metformin nur um 31% verringert werden konnte. NEJM 2002;346:393-403 Da Quing Diabetes Prevention Study (23 Jahre Follow-Up) Verglichen wurde der Einfluss einer Lebensstilintervention bei Personen mit gestörter Glukosetoleranz mit einer Kontrollgruppe. Es gab drei unterschiedliche Interventionsgruppe: 1. Ernährung, 2. körperliche Aktivität, 3. Ernährung und körperliche Aktivität. Die Interventionsgruppen zeigten nach 23 Jahren eine deutlich geringere Inzidenz für kardiovaskuläre Mortalität, GesamtMortalität und Diabetes mellitus Typ 2 im Vergleich zur Kontrollgruppe. Li G et al., Lancet Diabetes Endocrinol 2014;2:474-480 Für die Prävention und Behandlung von Diabetes wird eine körperliche Aktivität von moderater bis kraftvoller Intensität von über 150min pro Woche empfohlen. Ryden L et al., Eur Heart J 2013;34:3035-3087 Die Empfehlung von über 150 min pro Woche gilt auch für die Prävention von kardiovaskulären Erkrankungen. OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 33 Lebensstil – essentiell für Diagnostik und Therapie Die Bewegungsempfehlung lautet: 3 – 7 mal wöchentlich 30 bis 60 Minuten insgesamt mindestens 150 Minuten Training pro Woche > 70% der maximalen Herzfrequenz Der Goldstandard ist dabei Ausdauertraining. Dazu zählt u.a.: Nordic Walking Wandern Skilanglauf Joggen Schwimmen Radfahren Rudern Tanzen Zusätzlich zum Ausdauertraining ist auch Krafttraining von Bedeutung. 2 – 3 mal wöchentlich für 30 Minuten Training großer Muskelgruppen, 5 – 8 Übungen, 3 Sätze je Übung Kraftausdauertraining: 30 – 40 % der Maximalkraft 30 – 40 Wiederholungen Hypertrophietraining: 70 – 75% der Maximalkraft 10 – 12 Wiederholungen Internationale Trainingsempfehlungen lebenslang 3 – 7 mal pro Woche, mindestens 30 Minuten pro Tag mittleres Belastungsniveau: ca. 70% maximale Herzfrequenz dynamische Ausdauersportarten bis zu 20% der Zeit Krafttraining Training in den Alltag einbauen (Treppen steigen statt Lift, mit dem Rad statt mit dem Auto, usw.) OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 34 Conclusio Training kann als „Poly-Pill“ bezeichnet werden. Neben einer bereits optimal eingestellten medikamentösen Therapie kann Training einen großen zusätzlichen Nutzen bedeuten. Training sollte daher Teil jedes Präventions- und Therapieprogramms sein. Hierfür besteht gemäß aktuellen Leitlinien eine IA Indikation. Es wäre wichtig, dass multidisziplinäre Rehabilitationsprogramme für alle Patienten erreichbar sind, und diesen angeboten werden können. Eine Lebensstiländerung ist generell sehr schwierig, daher scheitern auch sehr viele Patienten daran. Die Umstellung sollte deshalb langsam, Schritt für Schritt geplant und zunächst unter Anleitung durchgeführt werden. Bezüglich Steigerung der körperlichen Aktivität würde es zu Beginn ausreichen, wenn Bewegung in den Alltag integriert wird und mit zB. „spazieren gehen“ begonnen wird. Die Intensität und Häufigkeit muss dann allerdings – gerne auch langsam - gesteigert werden. OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 35 6. „Ernährungsmedizinische Säulen der Therapie“ Univ.-Prof. Dr. Hans Hauner Entwicklung von Typ 2 Diabetes und Arteriosklerose Das zentrale ursächliche Problem stellt Adipositas dar. Adipositas fördert das metabolische Syndrom was wiederum zu Typ 2 Diabetes und Arteriosklerose führt. Bedeutende Einflussfaktoren sind einerseits die Gene und andererseits Lebensstil und Ernährung. Der Stellenwert der Ernährungstherapie in der Diabetesprävention In den bisherigen Diabetes-Präventionsstudien wurden in der Regel kombinierte Lebensstilinterventionen eingesetzt. Eine isolierte Betrachtung des Effekts der einzelnen Lebensstilmaßnahmen ist daher schwierig. Direkte Vergleiche verschiedener ernährungsmedizinischer Konzepte zur Prävention des Typ 2 Diabetes existieren bisher nicht. Es ist aber wissenschaftlich erwiesen, dass Ernährungstherapie eine essenzielle Komponente jedes Diabetespräventionsprogramms darstellt. Ernährung spielt eine wesentliche Rolle in der Diabetes Prävention und Behandlung. Folgende ernährungsmedizinischen Konzepte können dabei als potenziell wirksam genannt werden: fettreduziert und ballaststoffreich Mittelmeerkost mäßig kohlenhydratarme Kost vegetarische Kost spezifische Lebensmittel, Supplemente Zur Prävention des Typ 2 Diabetes wurden im Rahmen der finnischen Diabetespräventionsstudie (DPS) und des US-amerikanischen Diabetes Präventionsprogramms (DPP) folgende 5 Komponenten geprüft und haben sich als effektiv erwiesen(DPS/DPP): Gewichtsabnahme von 5 bis 7 % Reduktion der Fettaufnahme auf unter 30% der Gesamtenergie Reduktion der gesättigten Fette auf unter 10% der Gesamtenergie Ballaststoffzufuhr von über 15g pro 1000kcal körperliche Bewegung von über 3,5 Stunden pro Woche Tuomilehto et al., NEJM 2001, Knowler et al., NEJM 2002 et al Damit liegt eine gute Evidenz vor, dass die Kombination dieser Komponenten bei Menschen mit Prädiabetes die Progression zum manifesten Typ 2 Diabetes verhindern bzw. hinauszögern kann. EPIC-Norfolk-Studie 1993 – 2000: Es handelt sich dabei um eine Kohortenstudie an über 24.000 Erwachsenen zwischen 40 und 79 Jahren. OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 36 Sie kam zum Ergebnis, dass nur ca. 20% der untersuchten Personen 3 der oben genannten 5 Gesundheitskriterien erfüllten. Dabei zeigte sich eine inverse Beziehung zwischen der Zahl der erreichten Komponenten und der Diabetesinzidenz in einem Beobachtungszeitraum von knapp 5 Jahren. Die Einhaltung einer Komponente senkte die Diabetesinzidenz um jeweils 20%. Simmons RK et al., Diabetologia 2006;49:905-11 In einer zusätzlichen Analyse der Ergebnisse der finnischen Diabetespräventionsstudie wurde untersucht, wie sich eine ballaststoffreiche und fettarme Kost als Einzelkomponenten auf Körpergewicht und Diabetes-Risiko auswirkt. Es hat sich gezeigt, dass Personen mit niedriger Fettzufuhr und hoher Ballaststoffzufuhr deutlich mehr an Gewicht verloren, und daneben auch das Risiko für Diabetes gesenkt werden konnte. Durch eine hohe Ballaststoffzufuhr konnte das Risiko dabei um bis zu 60% gesenkt werden. Daneben führte eine hohe Fettzufuhr zu einer Verdoppelung des Risikos. Lindström J et al., Diabetologia 2006;49:912-20 Mittelmeerkost Die Mittelmeerkost wird derzeit auch zur Prävention des Typ 2 Diabetes stark propagiert. Die positiven Effekte sollen vor allem durch die Zusammensetzung dieser Kost aus reichlich Gemüse und Obst, wenig Fleisch und Fleischwaren, stattdessen mehr Fisch, Milch und Milchprodukte und die Verwendung von Olivenöl erreicht werden. Dazu gibt es Studienergebnisse aus dem spanischen PREDIMEDKonsortium. In einer Teilkohorte zeigte sich, dass mit einer mediterranen Kost über 4 Jahre, ohne Kalorienrestriktion, das Risiko für Diabetes um 52% gesenkt werden konnte. Dieser Befund wurde in einer kürzlichen Auswertung einer größeren spanischen Kohorte weitgehend bestätigt. Die Teilnehmer wurden in 3 Gruppen eingeteilt: mediterrane Kost mit Olivenöl oder Nüssen bzw. Kontrollkost. Dabei konnte in der Mittelmeerkost-Gruppe das Risiko für Diabetes deutlich reduziert werden, am deutlichsten in der Gruppe mit dem Olivenöl. Salas-Salvado J et al., Ann Intern Med 2014; 160: 1-10 Daher kann die Mittelmeerkost zur Prävention von Diabetes als gut geeignet eingestuft werden. Salas-Salvado J et al., Diabetes Care 2011;34:14-19 OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 37 Die Prinzipien der Mittelmeerkost sind auch mit mitteleuropäischen Alternativen einfach umsetzbar. Komponente täglich frisches Obst und Gemüse täglich Olivenöl regelmäßiger Fischkonsum magere Milch und Milchprodukte wenig rotes Fleisch kleine Mengen Wein eine Handvoll Nüsse Alternative regionales Obst und Gemüse Rapsöl regelmäßiger Fischverzehr heimischer Fische (zB. Forelle) magere Milch und Milchprodukte kleine Fleischmengen (v.a. Geflügel) regionaler Wein eine Handvoll Nüsse Hauner H., Diabetologe 2013; 9: 405-416 Gewichtssenkung – die wirksamste Maßnahme der Diabetesprävention Die Wirksamkeit der Gewichtssenkung wurde in der DPP-Outcome-Studie genauer analysiert. Dabei zeigte sich, dass in der aktiven Interventionsphase die Gewichtsabnahme der wichtigste Faktor für die Verzögerung der Diabetesmanifestation war. Pro kg Köpergewicht weniger sank das Diabetesrisiko um 16%. In der Summe bewirkte eine Lebensstilmodifikation eine Verzögerung der Diabetesmanifestation um ca. 4 Jahre, die parallel durchgeführte Metformintherapie hingegen nur um ca. 2 Jahre. Besonders ältere Personen profitierten von einer Lebensstilintervention. Insgesamt muss allerdings festgehalten werden, dass Präventionsprogramme nur eine aufschiebende Wirkung haben, sie können die Diabeteserkrankung keinesfalls heilen oder auf Dauer verhindern. Gewichtsreduktion und „Weight Cycling“ und Diabetesinzidenz im DPP In den ersten 6 Monaten konnte die Diabetesinzidenz um 6% pro kg Gewichtsabnahme gesenkt werden. Gesamt hatte der Gewichtsverlust in den ersten 2 Jahren den stärksten Einfluss auf die Diabetesinzidenz mit 10% pro kg Körpergewicht. „Weight Cycling“ hingegen, also eine wiederholte Zu- und Abnahme des Körpergewichts um mindestens 2,25kg, erhöhte die Diabetesinzidenz sogar. Delahanty LM et al., Diabetes Care 2014;37:2738-45 Welche Ernährungskomponenten sind diabetesrelevant? Folgende Lebensmittel/Nährstoffe haben Einfluss auf die Entstehung von Diabetes: Getreideballaststoffe (nicht Obst- und Gemüse-Ballaststoffe): können das Risiko senken Verhältnis PUFAs : SFAs (mehrfach ungesättigte zu gesättigten Fettsäuren): je mehr mehrfach ungesättigte Fettsäuren aufgenommen werden, desto geringer das Risiko Transfette: erhöhen das Risiko Glykämische Last: erhöht das Risiko Hu FB et al., NEJM 2001;345:790-7 OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 38 Prävention und Behandlung von Typ 2 Diabetes Auswirkungen bestimmter Nährstoffe auf Prävention und Behandlung von Typ 2 Diabetes – Zusammenfassung mehrerer Meta-Analysen prospektiver Kohortenstudien an Lebensmittel- und Getränkekonsum von Menschen mit Typ 2 Diabetes: keinen Effekt: Ballaststoffe aus Obst Ballaststoffe aus Gemüse Omega 3 Fettsäuren Risiko-Senkung, positiver Effekt: Ballaststoffe aus Getreide (bis zu 30% Senkung) Vollkornprodukte (höchster Schutz) Milchprodukte (schwach schützender Effekt) Kaffee (Wirkung unklar) Vitamin D (es gibt Hinweise dafür, die genauen Wirkungen sind aber noch fraglich) Risiko-Erhöhung, negativer Effekt: rotes Fleisch gezuckerte Getränke hoher Glykämischer Index Es handelt sich hier um Ergebnisse aus verschiedenen Kohortenstudien, Interventionsstudien zu diesen Komponenten fehlen bisher, sodass daraus – mit Ausnahme der Ballaststoffe – keine robusten Empfehlungen ausgesprochen werden können. Sylvia H Ley et al., The Lancet, Volume 383, Issue 9933, 2014, 1999 - 2007 Zahlreiche Studien weisen darauf hin, dass eine ungesunde Ernährung das Risiko für Diabetes Typ 2 deutlich fördern kann. Besonders betroffen sind dabei Personen mit bestehendem genetischen Risiko. Hu F., Diabetes Care. 34(6):1249-1257, June 2011 Low-Carb und Diabetes Der Effekt einer kohlenhydratarmen („Low-Carb) Ernährung wurde im Zuge der Nurse’s Health Studie untersucht. Es hat sich gezeigt, dass eine Low-Carb-Ernährung mit hohem Anteil an tierischem Fett und Eiweiß das Diabetes Risiko sogar erhöhen kann, während eine Low-Carb-Ernährung mit hohem Gehalt an pflanzlichen Eiweiß- und Fettquellen keinen negativen Effekt hat. Halton TL et al., AJCN 2008;87:339-46 OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 39 Vegetarische Kost und Diabetes Eine große Beobachtungsstudie aus Amerika 2009 hat gezeigt, dass es diesbezüglich große Unterschiede bei den verschiedenen vegetarischen Kostformen gibt. Den günstigsten Effekt zeigen eine vegane Ernährung und lakto-ovo-vegetarische Ernährung bei Personen mit niedrigem BMI. Der vor Diabetes schützende Effekt könnte am ehesten darauf zurückzuführen sein, dass letztgenannte Kostformen vor allem mit einem niedrigen BMI einhergehen. Tonstad S et al., Diabetes Care 2009;32:791-6 Gibt es Unterschiede der Ernährungstherapie bei Prädiabetes und manifestem Typ 2 Diabetes? Nein, die Grundsätze der Ernährungstherapie sind gleich: die optimale Ernährung in der Diabetesprävention entspricht den Grundsätzen der Ernährungstherapie bei manifester Erkrankung: fettarm zuckerarm ballaststoffreich energetisch knapp Diese Kost kann allgemein als „gesundheitsförderlich“ bezeichnet werden. Die wichtigsten Komponenten einer diabetesgerechten Ernährung sind: ballaststoffreiche Lebensmittel: regelmäßig Vollkorn- Getreideprodukte, Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte Einschränkung der Aufnahme von zuckergesüßten Getränken Reduktion der Aufnahme von gesättigten Fetten und bestmögliche Vermeidung von Transfetten (vor allem in gehärteten Fetten und Ölen) Reduktion der Aufnahme von rotem Fleisch regelmäßig Fisch (ca. 2mal die Woche) Bevorzugung fettarmer Milchprodukte Verzicht bzw. mäßiger Konsum von Alkohol Hauner H., Diabetologe 2013; 9: 405-416 OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 40 Typ 2 Diabetes ist eine heterogene Erkrankung. Dh. für die Behandlung: variables Ansprechen auf definierte Präventionsprogramme eine individuell maßgeschneiderte Prävention wäre wünschenswert eine individualisierte Prävention ist derzeit aber leider noch nicht umsetzbar Ziel wäre eine differenzierte Risikoabschätzung und individualisierte Prävention unter Berücksichtigung der genetischen Information und Biomarker. Eine genetische Prädisposition für Typ 2 Diabetes ist unumstritten. Diese Genetik ist aber sehr komplex, da die bisherigen in genomweiten Assoziationensstudien gefundenen Genabschnitte mit ganz unterschiedlichen Komponenten in der Pathophysiologie der Erkrankung verknüpft sind. McCarthy MI and Hattersley AT, Diabetes 2008;57:2889-98 Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung versucht derzeit im Rahmen einer großen Studie neue Erkenntnisse zur Heterogenität des Ansprechens auf Lebensstilmaßnahmen zu gewinnen. Diese sog. PLIS-Studie (Prädiabetes-Lifestyle-Interventionsstudie) ist eine prospektive, randomisierte, multizentrische Interventionsstudie. Im Mittelpunkt steht der Einfluss des Lebensstils auf verschiedene Faktoren der Frühdiabetes-Entstehung bzw. Diabetes-Verhinderung. Insulin Sekretion Insulin Sensitivität Fitness Bauchfett Lebensstilintervention Fettleber Leberprotein Fetuin Fettgewebshormon Adiponektin Genetische Faktoren OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. Vermindertes Ansprechen (Non-response) 41 Conclusio Risikopersonen für Typ 2 Diabetes können mit einfachen Risikofragebögen erfasst werden. Rechtzeitig erkannt, kann die Entwicklung eines Typ 2 Diabetes bei Risikopersonen effektiv durch eine gezielte Lebensstilmodifikation (Kombination aus Ernährung und Bewegung) verzögert werden. Es besteht allerdings eine sehr große Heterogenität im Ansprechen auf solche Maßnahmen, daher wäre das größte Ziel eine differenzierte Risikoabschätzung und individualisierte Prävention unter Berücksichtigung der genetischen Information. Die Prävention von Typ 2 Diabetes ist eine sehr kostengünstige Maßnahme, vor allem im Vergleich zu den Kosten die ein manifester Diabetes verursachen würde. Daher sollten Präventionsmaßnahmen massiv gefördert werden, um die Diabetesepidemie wirksam zu bekämpfen. Außerdem schützen Präventionsmaßnahmen gegen Diabetes daneben auch vor anderen ernährungsabhängigen Zivilisationserkrankungen. OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 42 7. „Medikamentöse Behandlung des Prädiabetes“ Univ.-Prof. Dr. Alexandra Kautzky-Willer Risikopersonen Bezüglich des Diabtes mellitus Riskos gibt es Unterschiede in verschiedenen Gruppen, darunter auch geschlechterspezifische Unterschiede (Männer sind weniger oft davon betroffen als Frauen). Bei Frauen erhöht sich das Risiko generell durch einen mögliche Gestationsdiabetes während der Schwangerschaft oder die Geburt eines Kindes mit hohem Geburtsgewicht. Medikamentöse Behandlung von Diabetes mellitus Es gibt eine Fülle von Medikamenten die zur Behandlung von Diabetes eingesetzt werden. Bei Frühdiabetes werden diese größtenteils nicht von der Krankenkassa gezahlt. Vor der Wahl des Medikaments muss zunächst der Lebensstil des Patienten beobachtet werden, um dann das individuell passende Medikament auszuwählen. Bei den „Oralen antihyperglykämischen Agenten“ gibt es verschiedene medizinische Klassen. Die aktuellen Therapieempfehlungen: Als Basis-Medikament ist Metformin zu nennen. Vorteile: billig effizient kaum Nebenwirkungen schützt auch vor kardiovaskulären Erkrankungen Wenn Frühdiabetes zu spät erkannt und behandelt wird führt es in den meisten Fällen zu einem manifesten Diabetes. Diabetes Prevention Program Research Group Eine Studie aus 2002 hat den Einfluss von gesundem Lebensstil (Gewichtsreduktion und körperliche Bewegung) mit der Einnahme von Metformin verglichen. Es hat sich gezeigt, dass durch gesunden Lebensstil die Inzidenz von Diabetes um 58% durch Metformin nur um 31% verringert werden konnte. NEJM 2002;346:393-403 Auch bei Frauen bei denen sich nach Gestationsdiabetes ein manifester Diabetes entwickelt ist Metformin zwar besonders wirksam, aber nicht so wirksam wie eine Lebensstilmodifikation. OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K. 43 Daneben gibt es eine große Palette an anderen Medikamenten: Acorbose Pioglitazone Liraglutid Vildagliptin Exenatide Orlistat Acorbose Ist ein orales Antidiabetikum das verabreicht wird, um die Entwicklung des Diabetes hinauszuzögern. Pioglitazone Ist ein orales Antidiabetikum, das den Blutzucker senken kann. Es zeigt starke Effekte bei IGT Typ 2 Diabetikern. Exenatide Ist ein Glucagon-like peptide-1 agonist (GLP-1 agonist), der über eine subcutane Injektion zur Behandlung von Diabetes eingesetzt wird. Die Effektivität ist nicht besonders groß. Mögliche günstige kardiovaskuläre Effekte können als Vorteil angemerkt werden. Orlistat Wird eigentlich zur Behandlung von Übergewicht und Adipositas eingesetzt. Damit geht aber auch eine präventive Wirkung bei Typ 2 Diabetes einher. Conclusio Hyperglykämiemanagement bei Typ-2-Diabetes: ADA/EASD-Guidelines 2015 Metformin wird als Basis-Medikament empfohlen, bei Patienten mit einem BMI von über 35 und bei Frauen nach Gestationsdiabetes. Metformin ist besonders effektiv und vergleichsweise kostensparend. Es gibt daneben eine Vielzahl anderer Medikamente, die aber bezüglich Wirksamkeit und Kosteneffektivität nicht mit Metformin mithalten können, bzw. fehlen in vielen Fällen noch Langzeitstudien über die Effektivität und Sicherheit dieser Medikamente. OEAIE 2015 Gatternig K., Widhalm K.