Von Krapfen, Brezen und gesalzenem Fisch – Einblicke in die Speisegewohnheiten in der Zisterzienserabtei Waldsassen im späten Mittelalter * Vo n C h r i s t i a n M a l z e r 1. Mittelalterliche Speisegewohnheiten als Gegenstand der Forschung Wie kaum ein anderes Thema ziehen sich die Nahrungsbeschaffung und ihre Zubereitung durch die Alltags- und Kulturgeschichte.1 Die Ernährung stellt von jeher eine, wenn nicht sogar die wichtigste, Lebensgrundlage für alle Lebewesen dar. Monastische Speisegewohnheiten erfahren jüngst besondere Aufmerksamkeit, wie die vom 26. November 2015 bis 10. Januar 2016 im Volkskundemuseum Burglengenfeld gezeigte Ausstellung mit dem Titel „Klosterküche und Haferbrei – Esskultur im Mittelalter“ sowie eine im August 2015 im Stift Melk unter dem Titel „Klosterküche. Lebensmittelversorgung, Vorratshaltung, Zubereitung und Mahlzeit in den Klöstern des österreichisch-bayerischen Raumes“ 2 abgehaltene Tagung exemplarisch aufzeigen. Unter religiösen Blickwinkeln wurde den christlichen Fastenvorschriften besondere Aufmerksamkeit gewidmet.3 In vergleichender Weise betrachten beispielsweise die grundlegenden Studien von Gerd Zimmermann 4 und Jörg Sonntag 5 die mona* Der abgedruckte Text stellt eine leicht erweiterte und um Belege ergänzte Fassung eines Vortrages dar, den der Verfasser im Januar 2016 im Rahmen der Ausstellung „Klosterküche und Haferbrei – Esskultur im Mittelalter“ im Volkskundemuseum Burglengenfeld gehalten hat. 1 Siehe exemplarisch die einschlägigen Titel von Gerhard JARITZ, Zwischen Augenblick und Ewigkeit. Einführung in die Alltagsgeschichte des Mittelalters, Wien/Köln 1989; Harry KÜHNEL (Hg.), Alltag im Spätmittelalter, Graz 1984; Reinhard POHANKA (Hg.), Um die Wurst. Vom Essen und Trinken im Mittelalter, Wien 2005; Ernst SCHUBERT, Essen und Trinken im Mittelalter, Darmstadt 32016; Anne SCHULZ, Essen und Trinken im Mittelalter 1000–1300. Literarische, kunsthistorische und archäologische Quellen, Berlin 2011. 2 Zur Tagung vom 19. bis 21. 08. 2015 in Stift Melk siehe https://ordensgeschichte.hypotheses.org/8808 (abgerufen am 02. 11. 2015). 3 Siehe Peter GERLITZ, Das Fasten im religionsgeschichtlichen Vergleich. (Eine phänomenologisch-systematische Untersuchung der hauptsächlichsten Fastenpraktiken unter besonderer Berücksichtigung der Hoch- und Weltreligionen), Erlangen 1954; Gertrude SARTORY, In der Arena der Askese. Fasten im frühen Christentum, in: Uwe SCHULTZ (Hg.), Speisen, Schlemmen, Fasten. Eine Kulturgeschichte des Essens, Frankfurt a. M. 21995, S. 71–82; Herbert HOFFMANN, Ein Fasten-Velum der Zeit um 1500, wahrscheinlich aus dem Zisterzienserinnenkloster Heiligkreuztal, in: Nachrichtenblatt der Denkmalpflege in Baden-Württemberg 4 (1961), S. 41–46. 4 Siehe Gerd ZIMMERMANN, Ordensleben und Lebensstandard. Die cura corporis in den Ordensvorschriften des abendländischen Hochmittelalters, Berlin 1999, S. 291–295. 5 Siehe Jörg SONNTAG, Klosterleben im Spiegel des Zeichenhaften. Symbolisches Denken und Handeln hochmittelalterlicher Mönche zwischen Dauer und Wandel, Regel und Gewohn- 29 stische Ernährung. Auch die Speisegewohnheiten der Zisterzienser erfuhren in der Vergangenheit eigene Studien, die sich vornehmlich mit dem Fleischverzehr, der ursprünglich verboten war, befassten.6 Für die oberpfälzer Zisterzienserklöster wurde die Ernährung allenfalls nebenbei berührt. Daher soll im Folgenden am Beispiel von Waldsassen eine exemplarische Betrachtung dieses Aspekts der Alltagsgeschichte versucht werden. Das 1133 durch Markgraf Diepold III. von Cham-Vohburg gestiftete Zisterzienserkloster stellte die erste Gründung des Reformordens im Bistum Regensburg dar und entwickelte sich rasch zu einer Abtei mit reichsunmittelbarem Anspruch, die sich im Mittelalter ein umfassendes Territorium im Norden der heutigen Oberpfalz schuf. Durch die dichte Überlieferungslage bieten sich für Waldsassen deutlich bessere Zugänge zur Thematik als für die beiden Frauenklöster Seligenporten und Pielenhofen oder die Männerabtei Walderbach, die allesamt ebenfalls dem Zisterzienserorden angehörten. Die anhand des Waldsassener Materials erarbeiteten Befunde können idealerweise jedoch auch auf diese Ordenshäuser übertragen werden, da dort dieselben Normen galten. Wo es sich anbietet wird jedoch ein Seitenblick auf die drei erwähnten Klöster versucht. Leider haben sich aus keiner der vier erwähnten Zisterzen mittelalterliche Rechnungsbücher erhalten, die u. a. auch tiefere Einblicke in die Essgewohnheiten der grauen Mönche und Nonnen zulassen würden. Auch Kochbücher, Küchenordnungen oder Speisezettel mit Rezepten und Speisefolgen, wie sie aus den Zisterzen Raitenhaslach oder Marienhausen bezeugt sind, fehlen.7 Daher muss im Folgenden versucht werden, aus dem erhaltenen Urkundenmaterial und den erzählenden Quellen in Kombination mit den normativen Gewohnheitstexten 8 des Ordens einen mosaikartig zusammengesetzten Eindruck der Ernährungsgewohnheiten und Nahrungsbeschaffung dieser Mönchsgemeinschaft in den Jahren zwischen ca. 1250 und 1500 zu rekonstruieren. heit (Vita regularis 35), Berlin 2008, S. 286–334; DERS., Speisen des Himmels. Essgewohnheiten und ihre biblischen Konzeptionalisierungen im christlichen Kloster des Hochmittelalters zwischen Anspruch und Wirklichkeit, in: Saeculum 60 (2010), S. 259–276. 6 Siehe Gregor MÜLLER, Der Fleischgenuß im Orden, in: Cistercienser Chronik 18 (1906), S. 25–30 und 58–61, 183–187, 212–221, 247–252, 278–283, 367–370; Ludwig DOLBERG, Die Cistercienser beim Mahle, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens 17 (1896), S. 609–629; Jens RÜFFER, Orbis Cisterciensis. Zur Geschichte der monastischen ästhetischen Kultur im 12. Jahrhundert (Studien zur Geschichte, Kunst und Kultur der Zisterzienser 6), Berlin 1999, S. 121–179. 7 Zur Überlieferungslage siehe Erwin STOIBER, Die Überlieferungssituation der Klöster der Oberen Pfalz im Staatsarchiv Amberg, in: Tobias APPL – Manfred KNEDLIK (Hg.), Oberpfälzer Klosterlandschaft. Die Klöster, Stifte und Kollegien der Oberen Pfalz, Regensburg 2016 (im Druck); Edgar KRAUSEN, Der Speisezettel der Zisterzienser von Raitenhaslach, in: Oettinger Land 7 (1987), S. 93–100, hier S. 93; Eugen DUELL, Rheingauer Klosterkürche um 1507. Die Haushaltordnung des Zisterzienserinnen-Klosters Marienhausen, in: Jahrbuch des RheingauTaunus-Kreises 51 (2000), S. 103–106. 8 Zu dieser Quellengattung siehe Jürgen SYDOW, Spätmittelalterliche Speiseordnungen aus dem Kloster Blaubeuren, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 103 (1992), S. 33–41, hier S. 33; DERS., Alltag und Fest in einem mittelalterlichen Kloster. Aus Quellen des Zisterzienserklosters Bebenhausen, in: Helmut MAURER (Hg.), Jürgen Sydow. Cum omni mensura et ratione. Ausgewählte Aufsättze, Festgabe zu seinem 70. Geburtstag, Sigmaringen 1991, S. 411–415, hier S. 411ff. 30 2. „Zeig mir, was du isst… und ich sag‘ dir, wer du bist!“ – Essen als Ausdrucksmedium der Identität Der im Jahr 1098 aus Protest gegen die als unzureichend empfundene Befolgung der Benediktsregel initiierte Zisterzienserorden gilt als eine der erfolgreichsten Reformbewegungen des Mittelalters.9 Er zeichnete sich in seiner Frühzeit durch das Ideal einer strengen Regelbefolgung und die monastischen Tugenden der Demut, Einfachheit und Armut sowie durch einen hohen Stellenwert der Arbeit und der Selbstversorgung aus. Bei der Umsetzung dieser Ideale spielte auch die Ernährung der Brüder eine zentrale Rolle, die über die schiere Kalorienzufuhr hinausging. Gerade zwischen den benediktinischen Cluniazensern und den Zisterziensern entfaltete sich eine umfassende Kontroverse um die richtige, sprich regelkonforme Ernährung. Ein anschauliches Beispiel dafür ist der Dialog zweier Mönche aus der Feder Idungs von Prüfening, der zunächst Benediktinermönch war, dann aber zu den strengeren Zisterziensern wechselte. In seinem als fiktives Zwiegespräch aufgebauten Werk geht er auch auf die Speisegewohnheiten der beiden Orden ein. Im Text beginnt der Zisterzienser die Erörterung dieses Themas gegenüber dem Cluniazenser mit den Worten: „Du fragst mich nach einer Lebensweise, die du selbst erfahren hast, da du selbst weißt, dass Fleischpasteten, Käsekuchen, Pfannkuchen, mit Pfeffer gewürzte Speisen und Backwaren, nichts anderes als Gaumenfreuden und Schmeicheleien für die Augen sind. Sie sind Delikatessen, kein Essen für Mönche und daher werden sie von unserem Orden abgelehnt. Cluniazenser: Welche Nahrungsmittel sind einem Mönch angemessene Speisen? Zisterzienser: Ich werde mich nicht beeilen dir meine Meinung über monastische Speisen mitzuteilen aber du solltest die Regel der heiligen Väter darüber befragen, welche Nahrungsmittel erlaubt sind und wie sie zubereitet sein sollen.“ 10 Idung liefert erst im dritten Buch seines Werks genauere Hinweise dazu, welche Regeln hier gemeint sind. Dort bezieht er sich nämlich explizit auf die Regeln des heiligen Hieronymus, auf die Basilius-, Columbans- und Kassiansregel.11 Der Autor kritisiert zudem den bei den Cluniazensern üblichen dritten Gang beim Essen und mahnt vor Überfluss.12 In seinen Ausführungen klingt auch eine religiöse Dimension an, die an die Todsünde der Völlerei erinnert. Hier fügen sich nahtlos die Ausführungen des Ordensbruders Gunther von Paris an, der um 1200 – also ca. 50 Jahre nach Idung – schrieb, dass die bescheidene Ernährung selbst Sünden zu tilgen vermöge.13 Essen im richtigen Maß wird bei ihm in direkte Verbindung mit dem Seelenheil des Speisenden gestellt. 9 Siehe Jörg OBERSTE, Die Zisterzienser (Kohlhammer Urban Taschenbücher 744), Stuttgart 2014, S. 91 ff.; Immo EBERL, Die Zisterzienser. Geschichte eines europäischen Ordens, Ostfildern 2007, S. 11–256. 10 Übersetzung des Verfassers. Englische Ausgabe siehe Jeremiah F. O’ SULLIVAN – Joseph LEAHEY (Bearb.), Idung of Prüfening. Cistercians and Cluniacs, The case for Cîteaux, A dialogue between two monks, an argument on four Questions (Cistercian fathers series 33), Kalamazoo 1977, II, 64, S. 99. 11 Siehe O’ SULLIVAN – LEAHEY, Idung (wie Anm. 10) III, 20, S. 111 f. Dazu DOLBERG, Cistercienser beim Mahle (wie Anm. 6) S. 622. 12 Siehe O’ SULLIVAN – LEAHEY, Idung (wie Anm. 10) III, 21, S. 112. 13 Siehe SONNTAG, Speisen (wie Anm. 5) S. 263; DERS., Klosterleben (wie Anm. 5) S. 286– 304. 31 Schroffer als in dem auf Belehrung ausgerichteten Dialog zweier Mönche bringt der heilige Bernhard von Clairvaux seine Abneigung gegen üppige Ernährung zum Ausdruck.14 Fast zeitgleich mit Idung formuliert er in einem Brief: „Was haben Wein, Weißbrot, Met, Fett, Pfeffer, Ingwer, Kümmel, Salbei auf dem Tisch des Refektoriums zu suchen? Mit Gebratenem wird nicht die Seele gemästet, sondern das Fleisch. Wenn man arbeitet, anstatt zu faulenzen, so gelten Gemüse und Grütze als Leckerbissen.“ 15 Die Zitate belegen allesamt, dass in der Frühzeit des Zisterzienserordens führende Akteure und Autoren der richtigen Speisegewohnheit einen hohen Stellenwert für den Ausdruck der Reformideale und damit des zisterziensischen Selbstverständnisses beigemessen haben. Je nach Jahreszeit und der Bedeutung des Tages im mittelalterlichen Festkalender sollte im Kloster einmal (Abendessen: coena, zwischen 15 und 18 Uhr) oder zweimal (coena und Frühstück: prandium, gegen 9 Uhr) gegessen werden.16 In den Fastenzeiten, die im Spätmittelalter ca. 150 Tage umfassten 17, wurde nur ein Mahl eingenommen.18 Gegessen wurde von den Mönchen in einem eigenen Speisesaal, dem sogenannten Refektorium, der meist direkt neben der Küche im Südflügel der Klosteranlagen lag.19 Das Refektorium war eines von fünf Gebäuden, die als zwingende Voraussetzung für den Einzug eines Konvents in ein neues Kloster vorhanden sein mussten.20 Die Leitung oblag dem Refektorar, dessen Amt für Waldsassen einzig im Jahr 1358 urkundlich mit dem Bruder Matheus greifbar wird.21 Zu seinen Aufgaben gehörte es „Servietten, Löffel, Brot und Wein oder Most auf die Tische“ 22 bereitzustellen und nach dem Mahl die Reste einzusammeln. Über das Waldsassener Refektorium weiß man lediglich, dass es unter Abt Georg I. (1495–1512) einen Neubau erfahren hat. Dies geht aus dem Chronicon Waldsassense hervor, in dem es 14 Siehe dazu Rosel HÄUSER, Die Polemik der Cistercienser und Cluniacenser im zwölften Jahrhundert, Diss. Frankfurt a.M. 1952; Adriaan Hendrik BREDERO, Das Verhältnis zwischen Zisterziensern und Cluniazensern im 12. Jahrhundert. Mythos und Wirklichkeit, in: Kaspar ELM (Hg.), Die Zisterzienser. Ordensleben zwischen Ideal und Wirklichkeit, Ergänzungsband (Schriften des Rheinischen Museumsamtes 18), Köln 1982, S. 47–60; Johanna Maria WINTER, Kochen und Essen im Mittelalter, in: Bernd HERRMANN (Hg.), Mensch und Umwelt im Mittelalter, Stuttgart 1987, S. 88–100, hier S. 91 f. 15 Zitiert nach Stephanie HAUSCHILD, Das Paradies auf Erden. Die Gärten der Zisterzienser, Ostfildern 2007, S. 74. 16 Siehe P. Ulrich FAUST (Hg.), Die Benediktsregel. Lateinisch – Deutsch, mit der Übersetzung der Salzburger Äbtekonferenz, Stuttgart 2011, cap. 41, S. 104–107. Dazu KRAUSEN, Speisezettel (wie Anm. 7) S. 93; Otto BORST, Alltagsleben im Mittelalter (Insel Taschenbuch 513), Frankfurt am Main 1983, S. 330. 17 Siehe Ulf DIRLMEIER – Gerhard FOUQUET, Ernährung und Konsumgewohnheiten im spätmittelalterlichen Deutschland, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 44 (1993), S. 504–526, hier S. 512. 18 Siehe HAUSCHILD, Paradies (wie Anm. 15) S. 73. 19 Siehe Terryl N. KINDER, Die Welt der Zisterzienser, Würzburg 1997, S. 141–161. 20 Siehe KINDER, Zisterzienser (wie Anm. 19) S. 310–315. 21 Siehe Národný archiv Praha, Archiv České koruny (1158–1935), Nr. 667 (7.10.1358). Regest in Regesta diplomatica necnon epistolaria Bohemiae et Moraviae, Bd. 7: 1358–1363, Prag 1963, Nr. 20. 22 Hermann M. HERZOG – Johannes MÜLLER (Hg.), Ecclesiastica Officia. Gebräuchebuch der Zisterzienser aus dem 12. Jahrhundert (Quellen und Studien zur Zisterzienserliteratur 7), Langwaden 2003, cap. 118, 6, S. 461. 32 heißt, dass dieser Abt „im Anfange seiner Regierung einige ziemlich schöne Bauten in Angriff [nahm], nämlich den Bau des Refektoriums, der Bibliothek und einer Stube zur Erquickung des Convents; doch blieben diese, da er ihrer überdrüssig wurde, bis zur Zerstörung des Ortes [1504] unvollendet.“ 23 Da die Räume nicht fertiggestellt wurden, aber das Konventsleben ohne Beeinträchtigung weiterlief, könnte es sich nicht um einen gänzlichen Neubau, sondern um einen Umbau des Konversentraktes gehandelt haben. Hieran bestand bei den wenigen im späten Mittelalter im Waldsassener Urkundenmaterial belegten Laienbrüdern kein umfassender Bedarf mehr und man hätte davon unbeeinträchtigt den Mönchsflügel weiter nutzen können. Dies würde sich mit Befunden aus anderen Ordenshäusern, wie z. B. Altzelle, decken, wo fast zeitgleich der nicht mehr benötigte alte Konversenschlafsaal zur Bibliothek umgewandelt wurde.24 Im Speisesaal sollte parallel zum wortlosen Verzehr der Gerichte eine Lesung erfolgen, die in Kapitel 38 der Benediktsregel genauer erläutert wird.25 Zum Ablauf des Mahls heißt es dort weiter: „Es herrsche größte Stille. Kein Flüstern und kein Laut sei zu hören, nur die Stimme des Lesers. Was sie aber beim Essen und Trinken brauchen, sollen die Brüder einander so reichen, dass keiner um etwas bitten muss. Fehlt trotzdem etwas, erbitte man es eher mit einem vernehmbaren Zeichen als durch ein Wort.“ 26 Die dafür entwickelte Zeichensprache wurde nicht nur beim Essen selbst, sondern auch bei dessen Zubereitung von den Köchen angewandt.27 Sie unterstanden zusammen mit den zum Küchendienst eingeteilten Brüdern dem Küchenmeister. Inhaber dieses Amtes sind in Waldsassen seit dem 13. Jahrhundert wiederholt belegt.28 23 Übersetzung nach Franz BINHACK, Die Äbte des Cisterzienser-Stiftes Waldsassen von 1133 bis 1506. Zweite Abteilung (Programm der königlichen Studienanstalt Eichstätt 1888/89), Eichstätt 1889, S. 75. Lateinische Ausgabe: Ottonis Chronicon Waldsassense, in: Andreas Felix OEFELIUS, Rerum Boicarum Scriptores 1, Augsburg 1763, S. 49–87, hier S. 81a. 24 Siehe Gerhard KARPP, Bibliothek und Skriptorium der Zisterzienserabtei Altzelle, in: Martina SCHATTKOWSKY – André THIEME (Hg.), Altzelle. Zisterzienserabtei in Mitteldeutschland und Hauskloster der Wettiner (Schriften zur sächsischen Landesgeschichte 3), Leipzig 2002, S. 193–233; Christian MALZER, Mittelalterliche Schriftkultur. Schriftlichkeit und Buchproduktion in den Oberpfälzer Zisterzienserklöstern bis zu ihrer Aufhebung im 16. Jahrhundert, Amberg 22016, S. 110. 25 Siehe FAUST, Benediktsregel (wie Anm. 16) cap. 38, S. 100 f. Nach den Ecclesiastica officia erhielt der Lector bei Dienstantritt vom Kantor per Zeichen die zu lesende Stelle mitgeteilt. HERZOG – MÜLLER, Ecclesiastica Officia (wie Anm. 22) cap. 106, S. 415 ff. und cap. 41, S. 150–153. Dazu DOLBERG, Cistercienser beim Mahle (wie Anm. 6) S. 617f. 26 FAUST, Benediktsregel (wie Anm. 16) cap. 38, S. 101. 27 HERZOG – MÜLLER, Ecclesiastica Officia (wie Anm. 22) cap. 75, 51, S. 293. Dazu Radka LOMIČKOVÁ, Zeichensprache in der Klausur, in: Analecta Cisterciensia 61 (2011), S. 100–121; RÜFFER, Orbis Cisterciensis (wie Anm. 6) S. 203–218. Zum Schweigen und der Lesung während des Mahls auch Hermann HAUKE, Der Stellenwert des nichtliturgischen Lesens im Mönchsleben des Mittelalters, in: Clemens M. KASPER – Klaus SCHREINER (Hg.), Viva vox und ratio scripta. Mündliche und schriftliche Kommunikationsformen im Mönchtum des Mittelalters (Vita regularis 5), Münster 1997, S. 119–134, hier S. 126–129; Reinhard SCHNEIDER, Lebensverhältnisse bei den Zisterziensern im Spätmittelalter, in: Klösterliche Sachkultur des Spätmittelalters. Internationaler Kongress Krems an der Donau 18. bis 21. September 1978 (Veröffentlichungen des Instituts für Mittelalterliche Realienkunde Österreichs 3), Wien 1980, S. 43–71, hier S. 50 f. und SONNTAG, Klosterleben (wie Anm. 5) S. 248–262. 28 Namentlich bekannte Küchenmeister waren 1228 Bruder Hertwich (StAAm, Fürstentum Obere Pfalz, Kloster Waldsassen Urkunden 33 [6. 9. 1228]. Die darin genannten Zeugen fehlen 33 Führt man sich die zur Blütephase der Zisterzienser herrschenden Tischsitten der höfischen Gesellschaft mit der beim gemeinsamen Mahl betriebenen regen Kommunikation vor Augen wie sie in Buchmalereien oder der höfischen Literatur entgegentreten 29, wird erst vollauf nachvollziehbar, welcher Symbolcharakter den zisterziensischen Gewohnheiten zukam. Auch das Schweigen bei Tisch stellte ebenso wie der Verzicht auf bestimmte Nahrungsmittel eine bewusste Abkehr von weltlichen Vergnügungen dar. Der Abschnitt zur Lesung zeigt deutlich, dass die Zusammenkunft des Konvents zum Essen mehr war als reine Nahrungsaufnahme. Es war zugleich ein kontemplativer Moment, der von der gesamten Gemeinschaft vollzogen wurde. Dadurch, dass jeder Bruder im Laufe des Jahres auch zum Küchendienst herangezogen wurde und die Mönche gleichauf an langen Tafeln saßen, verdeutlichte das Mahl die Gleichheit der Brüder vor Gott und diente als gemeinschaftliches Erlebnis, bei dem sich wie zum Chorgebet alle Mönche zusammenfanden. Dies wird auch direkt im Abschnitt über den Küchendienst angesprochen, wo es heißt, dass niemand davon ausgeschlossen werden solle, denn „dieser Dienst bringt großen Lohn und lässt die Liebe wachsen.“ 30 Einzig der Abt war als Oberhaupt der Gemeinschaft beim Essen symbolisch wie räumlich emporgehoben. In Kapitel 56 der Regula Bendicti heißt es zum Tisch des Abtes nämlich: „Der Abt habe seinen Tisch immer mit Gästen und Pilgern gemeinsam. Sooft jedoch nur wenig Gäste da sind, steht es ihm frei, von den Brüdern zu rufen, wen er will. Immer aber lasse er der Ordnung wegen einen oder zwei Ältere bei den Brüdern.“ 31 Er speiste also getrennt vom Konvent an einem eigenen Tisch und für ihn galten andere Speisevorschriften. Das Mahl war damit auch ein Medium der symbolischen Kommunikation innerhalb der monastischen Gemeinschaft: Es betonte zwar die Gleichheit zwischen den Brüdern, machte aber zugleich die autoritären Unterschiede zwischen ihnen und ihrem Abt deutlich, der im Kloster laut der Regel der Stellvertreter Christi sein sollte.32 Eine Zwischenstellung kam jedoch den seniores des Konvents zu, die auch an den Tisch des Abtes gerufen werden durften. 3. Woher stammten die Lebensmittel für die Klosterküche? – Die zisterziensische Agrarwirtschaft und ihre Produkte Bei größeren Konventen war der Kellermeister vom Küchendienst befreit.33 Er nahm als Leiter der klösterlichen Wirtschaftsführung aber eine wichtige Rolle für die Verpflegungszuweisung ein, wie die Ecclesiastica officia gleich als erste seiner bei Heinrich GRADL, Monumenta Egrana. Denkmäler des Egerlandes als Quellen für dessen Geschichte, Bd. 1: 805–1322, Eger 1886, Nr. 177), Dietrich 1348 (BINHACK, Äbte. Zweite Abteilung [wie Anm. 23] S. 17 [7. 11. 1348]) und Valentin Fischer, der zwischen 1512 und 1524 Küchenmeister war (StAAm, Fürstentum Obere Pfalz, Amt Waldsassen 2181). 29 Siehe Joachim BUMKE, Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter, München 102002, S. 244–275. 30 FAUST, Benediktsregel (wie Anm. 16) cap. 35, S. 95. 31 FAUST, Benediktsregel (wie Anm. 16) cap. 56, S. 133. 32 Siehe FAUST, Benediktsregel (wie Anm. 16) cap. 2, S. 22–31. Diese Vorschriften wurden auch im Gebräuchebuch der Zisterzienser nochmals wiederholt und betont, dass der Abt mit den Gästen speisen sollte und dabei auch das Fasten brechen durfte. Zudem durfte er im Refektorium sooft etwas trinken wie er wollte. Siehe HERZOG – MÜLLER, Ecclesiastica Officia (wie Anm. 22) cap. 110, 11–17, S. 428 f. 33 Siehe FAUST, Benediktsregel (wie Anm. 16) cap. 35, S. 94–97. 34 Dienstpflichten ausführen.34 Hier schließt sich der Kreis zum Ideal der Handarbeit der Grauen Mönche wie es im Zitat Bernhards angeklungen ist. In den frühen Capitula des Ordens findet sich die Anweisung: „Die Mönche unseres Ordens müssen ihren Lebensunterhalt durch Handarbeit, Ackerbau und Viehzucht verdienen. Daher ist es uns erlaubt, für den eigenen Gebrauch Gewässer, Wälder, Weingärten, Wiesen und Grundstücke zu besitzen.“ 35 Die daraus resultierende Rolle der Zisterzienserklöster als agrarwirtschaftliche Impulsgeber wurde ausgiebig erforscht.36 Bekannt ist der Zisterzienserorden u. a. für seine systematische Verbreitung bestimmter Obstsorten.37 Ein Beispiel mit Bezug zu Waldsassen ist etwa die Apfelart Renette, die vom französischen Morimond an dessen Tochter Kamp, von dort an das Enkelkloster Volkenroda in Thüringen und von dort aus nach Pforta in Sachsen und nach Waldsassen gelangt sein soll.38 Auch die Rebsorte Spätburgunder wurde beispielsweise von den Zisterziensern verbreitet.39 Meist fanden sich unmittelbar bei den Ordenshäusern selbst Baumgärten. Grundsätzlich lassen sich hier die Gärten in den Kreuzgängen, die Kräuter- und Küchengärten sowie der Obstgarten, der meist auf dem Friedhof lag, unterscheiden (siehe Abb. 1).40 Ausgedehnte Gärten nannte Waldsassen auch in Eger und Hohentann sein Eigen.41 Ein Obstgarten des Klosters lag zudem in Bennendorf (heute Münchshofen bei Teublitz) und bei Pirk unweit von Weiden.42 In ihnen baute das Kloster neben Obst v. a. Gemüse und Hülsenfrüchte, Hanf, Kraut, Rüben und Erbsen an.43 Die zentralen Orte der klösterlichen Nahrungsmittelproduktion bildeten die Grangien.44 Die Grundlage für die Bewirtschaftung dieser Eigenhöfe waren die 34 Siehe HERZOG – MÜLLER, Ecclesiastica Officia (wie Anm. 22) cap. 117, 2–11, S. 429. Hildegard BREM – Alberich A. ALTERMATT (Hg.), Einmütig in der Liebe, Die frühesten Quellentexte von Cîteaux (Quellen und Studien zur Zisterzienserliteratur 1), Langwaden 1998, Capitula Nr. 15, S. 51. Dazu OBERSTE, Zisterzienser (wie Anm. 9) S. 183–187; Dietrich KURZE, Die Bedeutung der Arbeit im zisterziensischen Denken, in: ELM, Zisterzienser (wie Anm. 14) S. 179–202; Klaus WOLLENBERG, Wein und Salz bei den Zisterziensern, in: Franz J. FELTEN – Nikolas JASPERT (Hg.), Vita Religiosa im Mittelalter. Festschrift für Kaspar Elm zum 70. Geburtstag (Berliner historische Studien 31), Berlin 1999, S. 227–248, hier S. 227 f. 36 Siehe exemplarisch KURZE, Bedeutung der Arbeit (wie Anm. 35) S. 179–202; Wolfgang RIBBE, Die Wirtschaftstätigkeit der Zisterzienser im Mittelalter. Agrarwirtschaft, in: ELM, Zisterzienser (wie Anm. 14) S. 203–216; Werner RÖSENER, Die Agrarwirtschaft der Zisterzienser. Innovation und Anpassung, in: Franz J. FELTEN – Werner RÖSENER (Hg.), Norm und Realität. Kontinuität und Wandel der Zisterzienser im Mittelalter (Vita regularis 42), Berlin 2009, S. 67–95. 37 Siehe Hans MUGGENTHALER, Kolonisatorische und wirtschaftliche Tätigkeit eines deutschen Zisterzienserklosters im XII. und XIII. Jahrhundert (Deutsche Geschichtsbücherei 2), München 1924, S. 116f. 38 Siehe Bernhard SCHEINPFLUG, Ausbreitung des Cisterzienser-Ordens und dessen Einfluss auf die Kulturverhältnisse in Böhmen, in: Programm der deutschen Ober-Realschule in Prag, Prag 1864, S. 1–27, hier S. 11. 39 Siehe HAUSCHILD, Paradies (wie Anm. 15) S. 18 und 28 f. 40 Siehe HAUSCHILD, Paradies (wie Anm. 15) S. 37–104. 41 Siehe StAAm, Fürstentum Obere Pfalz, Kloster Waldsassen Amtsbücher und Akten 369, fol. 16r/v. 42 Siehe MUGGENTHALER, Kolonisatorische Tätigkeit (wie Anm. 37) S. 119. 43 Siehe MUGGENTHALER, Kolonisatorische Tätigkeit (wie Anm. 37) S. 118 f. 44 Siehe RÖSENER, Agrarwirtschaft (wie Anm. 36); RIBBE, Wirtschaftstätigkeit (wie Anm. 36). 35 35 Abb. 1: Ausschnitt aus dem Plan des Klosters Waldsassen von Carl Stilp, 1670. Zu sehen sind die beiden großen Baumgärten (Nr. 16 und 17) sowie der alte Friedhof mit Bäumen (Nr. 18). Felix Mader (Bearb.), Bezirksamt Tirschenreuth (Kunstdenkmäler des Königreichs Bayern II, 14), München/Wien 1982, Tafel VII Laienbrüder, die die körperliche Arbeit zu tragen hatten.45 Waldsassen verfügte im frühen 14. Jahrhundert über 13 bis 16 Grangien auf denen diverse landwirtschaftliche Güter und Lebensmittel erzeugt wurden.46 Ein gutes Beispiel dafür bildet der heutige Ort Münchshofen unweit von Burglengenfeld, der zunächst Bennendorf hieß. Die Zisterzienser wandelten das ältere Dorf nach der Schenkung in einen Eigenhof um und nannten diesen dann Pennhof. Das von Abt Eberhard (1220– 1246) angelegte Schenkungsbuch (Liber redituum) verzeichnet in einem umfassenden Eintrag diesen Gutskomplex und seine Erträge (siehe Abb. 2). Neben den Feldern und Fischereirechten waren die bei Bennendorf gelegenen Weinberge besonders wichtig, da Waldsassen neben diesen nur noch in Böhmen und in Heidingsfeld eigene Weingüter besaß (siehe Abb. 3).47 45 Siehe Alois SEIDL, Deutsche Agrargeschichte (Schriftenreihe der Fachhochschule Weihenstephan 3), Freising 1995, S. 65–69. 46 Siehe MUGGENTHALER, Kolonisatorische Tätigkeit (wie Anm. 37) S. 104 f. 47 Siehe BSB München, Clm 1091, fol. 41r. Dazu Wolfgang JANKA, Von Bennendorf bis Münchshofen. Beispiel für eine ungewöhnliche Ortsnamenentwicklung, in: Stadt Teublitz 36 Abb. 2: Eintrag über Bennendorf und Stocka im Liber redituum. Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 1091, fol. 41r Welche Nahrungsmittel im Bereich der Waldsassener Grundherrschaft produziert wurden, bezeugen auch die ältesten Urbare und Salbücher, die die Abgaben der Bevölkerung an das Kloster verzeichnen. Demnach wurde auf den Klostergütern im Naab- und Wondrebgebiet v. a. Roggen als Winter- und Hafer als Sommergetreide angebaut. Auf den besseren Böden baute man statt des Roggens Weizen an und anstelle des Hafers Gerste.48 Im Urbar des späten 14. Jahrhunderts werden nur zwei Orte (Wondreb und Grintelpach) mit Weizenabgaben erwähnt.49 Weizenmehl war (Hg.), 800 Jahre Münchshofen. Geschichte eines Dorfes, Teublitz 2013, S. 7–12, hier S. 9. 48 Siehe MUGGENTHALER, Kolonisatorische Tätigkeit (wie Anm. 37) S. 115; Konrad ACKERMANN, Die Grundherrschaft des Stiftes Waldsassen 1133–1570, in: Andreas KRAUS (Hg.), Land und Reich – Stamm und Nation. Probleme und Perspektiven bayerischer Geschichte, Festgabe für Max Spindler zum 90. Geburtstag, Bd.1: Forschungsberichte Antike und Mittelalter (Schriftenreihe zur Bayerischen Landesgeschichte 78), München 1984, S. 385–394. 49 Siehe StAAm, Fürstentum Obere Pfalz, Kloster Waldsassen Amtsbücher und Akten 370, fol. 10v und 11r. 37 Abb. 3: Urkatasteraufnahme von Münchshofen mit dem Flurnamen Weinberg, 1832. Bayerische Vermessungsverwaltung, http://geoportal.bayern.de/bayernatlas (abgerufen am 20. 02. 2016) also ein seltener und kostbarer Rohstoff. Daneben stellten Hühner, Eier, Käse sowie Honig wichtige Abgabeleistungen an das Kloster dar.50 Diese Erzeugnisse wurden in den klösterlichen Mühlen und Betrieben für den eigenen Verzehr oder den Verkauf weiterverarbeitet. Das im Jahr 1507 vollendete Chronicon Waldsassense berichtet zu Abt Erhard I. (1486–1493): „Dieser Abt verlegte neben anderen Unternehmungen, die er in frommer Absicht zum Vorteil des Klosters ausführte, die Bäckerei, die vorher außerhalb der Umfriedung war, an den Ort, wo man sie jetzt sieht; dieses ist in der Tat ein nützliches Werk, wenn es auch nicht ohne schweren Aufwand vollendet wurde, aber es wurde viel Arbeit vermindert; es war nämlich sehr mühsam, aus der alten Bäckerei alles herbeizuschaffen.“ 51 4. Was kam auf den Tisch? – Ernährung zwischen Norm und Realität Gerade die Klosterbäckerei stellte eine wesentliche Grundlage der monastischen Ernährung dar. In den nur kursorisch gehaltenen Ausführungen für die Speisen nennt die Benediktsregel nämlich nur zwei konkrete Lebensmittel: Brot und Wein.52 50 51 52 38 Siehe MUGGENTHALER, Kolonisatorische Tätigkeit (wie Anm. 37) S. 39. BINHACK, Äbte. Zweite Abteilung (wie Anm. 23) S. 70 f. Siehe SONNTAG, Speisen (wie Anm. 5) S. 264 f. Benedikt gesteht den Brüdern ein reichliches Pfund Brot und einen Viertel Liter Wein pro Tag zu.53 Geht man von diesen zentralen Maßangaben in der Regel aus, lässt sich eine idealisierte Hochrechnung für den jährlichen Verbrauch erstellen: Der Waldsassener Konvent mit seinen im späteren Mittelalter gewöhnlich 32 Mönchen und 5 Konversen hatte demnach einen Jahresbedarf von 3677,87 Liter Wein und 6123,95 kg Brot. Dabei sind weder das optionale mixtum (Zwischenmahlzeit in harten Arbeitsphasen für die Konversen), noch der liturgische Weinbedarf oder die Speisedienste aus den Pitanzen bei Anniversarien einbezogen. Hinzu kamen auch noch die Speisen für die im Kloster befindlichen Lohnarbeiter (z. B. für Bauarbeiten oder die Arbeit in den Werkstätten), Diener sowie die Gäste. Rechnet man noch die laut den Ecclesiastica officia täglich zu leistenden 3 Portionen zur Speisung der Armen hinzu, so sind dies nochmals knapp 500 kg Brot pro Jahr. Wenn hierzu auch Wein ausgegeben wurde, was aus der Quelle nicht eindeutig hervorgeht, wären dies nochmal ca. 300 Liter, die zu den oben erwähnten Zahlen hinzuzurechnen wären und damit den Verbrauch auf rund 4000 Liter Wein und 6500 kg Brot anheben würden. Zu diesen Speisen kamen auch noch die Nahrungsmittel für die Bewohner des klösterlichen Gästehauses und des Spitals. Letzteres wird im 1571 angelegten Urbar Pfalzgraf Friedrichs für zehn Pfründner berechnet. Nach der Auskunft des Küchenmeisters von Waldsassen sollten im Spital am Sonntag, Dienstag, Donnerstag und Samstag jeweils zwei Mahlzeiten gereicht werden, die aus neun Pfund „grunis Flaisch“ bestehen sollten. Hier zeigt sich, dass den Spitalinsassen, das ansonsten durch die Benediktsregel verbotene Fleisch gereicht wurde.54 Nach dem 1571 angelegten Verzeichnis entstand im Waldsassener Spital ein wöchentlicher Bedarf an 36 Pfund dieser Speise, der sich aufs Jahr bezogen auf 1872 Pfund summierte, wofür im Urbar Kosten in Höhe von 62 Gulden und 24 Kreuzer angeführt werden.55 Einschlägige Forschungen haben ergeben, dass die Mönche im Mittelalter nicht nur zu monoton und kohlenhydratlastig speisten, sondern durch psychische Belastungen und die weitgehend ungeheizten Klosteranlagen das Hungergefühl gefördert wurde.56 Dies führte potentiell zu einem Fettansatz, Vitaminmangel sowie Verdauungsproblemen bei Brüdern, wie sie etwa auch für den heiligen Bernhard bekannt sind, der zeitlebens unter Magenproblemen litt.57 53 Siehe FAUST, Benediktsregel (wie Anm. 16) cap. 39, S. 102 f. und cap. 40, S. 104 f. Siehe SONNTAG, Speisen (wie Anm. 5) S. 264 f.; MÜLLER, Fleischgenuß (wie Anm. 6) S. 26 ff. 55 Siehe StAAm, Fürstentum Obere Pfalz, Geistliche Sachen 6254. Zum Spital auch Christian MALZER, Die Sorge für die Kranken muss vor und über allem stehen. Räume und Facetten der medizinischen Versorgung in einer mittelalterlichen Zisterzienserabtei – das Fallbeispiel Waldsassen, in: VHVO 153 (2013), S. 9–40, hier S. 11–28. 56 Siehe SYDOW, Speiseordnungen (wie Anm. 8) S. 35; DERS., Alltag und Fest (wie Anm. 8) S. 412ff.; Léo MOULIN, La vie quotidienne des religieux au moyen age. Xe–XVe siècle, Paris 1978, S. 103; Harry KÜHNEL, Beiträge der Orden zur materiellen Kultur des Mittelalters und weltliche Einflüsse auf die klösterliche Sachkultur, in: Klösterliche Sachkultur (wie Anm. 27) S. 9–29, hier S. 18. 57 Siehe SYDOW, Speiseordnungen (wie Anm. 8) S. 41; MOULIN, La vie (wie Anm. 56) S. 103 f. Zu Bernhard von Clairvaux und seiner Krankheitsgeschichte siehe J. LEISNER, Um die Krankheitsgeschichte des hl. Bernhard, in: Cistercienser Chronik 60 (1953), S. 39–47; Bernhard DINZELBACHER, Bernhard von Clairvaux. Leben und Werk des berühmten Zisterziensers, Darmstadt 1998, S. 26 und 359 f. 54 39 Die grauen Mönche aßen v. a. Gemüse, Milchprodukte, Eier, Käse und Brot. Nur im Krankheitsfall war auch ein begrenzter Fleischverzehr erlaubt.58 Den oben bereits berührten Gebrauch von Fleisch als Krankenspeise bezeugt auch ein Exempel aus dem Mirakelbuch des Abtes Johannes III. (1310–1323). Darin heißt es: „Zu meiner Zeit [= Amtszeit von Abt Johannes III.] ereignete es sich, dass dieser Gerhard [ehemaliger Pförtner des Klosters, der 1299 letztmals in diesem Amt genannt wird] erkrankte. Voll Mitleid ging ich zu ihm und sagte: ,Um Eurer Sünden willen gebiete ich Euch, Fleisch zu essen.‘ Ich erhielt die Antwort: ,Guter Herr, befehlt mir doch das nicht. Ich kann es ja gar nicht. Seit fünfzig und mehr Jahren habe ich keines mehr gegessen.‘ Ich fragte nun, ob er Fische genießen könne. ,Ja, das kann ich, gesalzene und frische bin ich imstande zu mir zu nehmen, wenn sie mir vorgesetzt werden.‘ Sogleich ordnete ich an, man solle für ihn Rind- und Kalbfleisch zubereiten. Dies wurde ihm unter dem Namen von Hausen und anderen Fischen gegeben. Er nahm das Fleisch in seiner heiligen Herzenseinfalt voll inneren Trostes zu sich und glaubte fest, er verspeise Fische.“ 59 Die Weigerung des kranken Bruders passt zum Ideal des absoluten Fleischverbots, das bei den Zisterziensern bis 1335 aufrechtzuerhalten versucht wurde, ehe in der Folge bis 1475 eine zunehmende Lockerung der Vorschriften nachzuweisen ist.60 1402 erlaubte Papst Bonifaz IX. auch dem Abt von Waldsassen und sechs Mönchen außerhalb des Klosters Fleisch zu essen.61 Diese Entwicklung muss vor dem allgemeinen Trend bewertet werden, der im Laufe des Mittelalters dazu führte, dass immer mehr und mehr Fleisch verzehrt wurde. Selbst für die unteren sozialen Schichten geht man im Spätmittelalter von einem jährlichen Fleischkonsum von ca. 100 kg pro Kopf aus.62 Vor diesem Hintergrund muss das absolute Fleischverbot für die Mönche und v. a. Novizen der Zisterzienser, die ja erst als Volljährige in den Orden eintreten durften und daher die ersten Jahre ihres Lebens nach weltlichen Speisegewohnheiten sozialisiert waren, ein besonders schweres Opfer gewesen sein.63 Die Jungmönche sollten gemäß den Anweisungen in den Ecclesiastica officia dasselbe Maß an Essen wie die Mönche 58 Siehe HAUSCHILD, Paradies (wie Anm. 15) S. 73; MÜLLER, Fleischgenuß (wie Anm. 6) S. 25 ff. 59 Georg A. NARCIß (Hg.), Klosterleben im Mittelalter. Nach zeitgenössischen Quellen von Johannes Bühler (Insel Taschenbuch 1135), Frankfurt am Main 1989, S. 296 f. Dazu Georg SCHROTT, „Der unermäßliche Schatz deren Bücheren“. Literatur und Geschichte im Zisterzienserkloster Waldsassen (Studien zur Geschichte, Kunst und Kultur der Zisterzienser 18), Berlin 2003, S. 61; DERS., Retulit Rudgerus Prior. Die Waldsassener Mirakelsammlung zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit, in: DERS. – Christian MALZER – Manfred KNEDLIK (Hg.), ARMARIUM. Buchkultur in Oberpfälzer Klöstern, Beiträge des 3. Oberpfälzer KlosterSymposions in der Provinzialbibliothek Amberg, Amberg 2016, S. 37–70, hier S. 44. 60 Siehe MÜLLER, Fleischgenuß (wie Anm. 6) S. 25. 61 Siehe StAAm, Fürstentum Obere Pfalz, Kloster Waldsassen Urkunden 556 (5. 7. 1402). Siehe zu den Fleischdispensen für Waldsassen MALZER, Sorge (wie Anm. 55) S. 26 ff. Allgmein zu diesen Freibriefen siehe MÜLLER, Fleischgenuß (wie Anm. 6) S. 183 f. 62 Siehe BORST, Alltagsleben (wie Anm. 16) S. 325 f.; Ulf DIRLMEIER, Untersuchungen zu Einkommensverhältnissen und Lebenshaltungskosten in oberdeutschen Städten des Spätmittelalters. Mitte 14. bis Anfang 16. Jahrhundert (Abhandlungen der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse 1), Heidelberg 1978, S. 293–302 und 357– 364; Helmut WURM, Körpergröße und Ernährung der Deutschen im Mittelalter, in: HERRMANN, Mensch und Umwelt (wie Anm. 14) S. 101–108, hier S. 105 f. 63 Siehe SYDOW, Speiseordnungen (wie Anm. 8) S. 36. 40 erhalten.64 Beim Eintritt ins Noviziat erhielten die Anwärter zudem vom Novizenmeister einen Wasser- und Maßkrug im Refektorium überreicht.65 Nach der Benediktsregel durften die Novizen jedoch nicht im Refektorium der Mönche speisen. Vielmehr hatten sie einen eigenen Raum, in dem sie lernen, essen und schlafen sollten.66 In Waldsassen, wo im späten Mittelalter größere Schafherden und Rinder für die Milch und Käseerzeugung gehalten sowie Schweinemast zur Fleischproduktion in den Grangien betrieben wurde 67, stellten die vom Kloster produzierten Schinken und Mastschweine beliebte Reichnisse an Förderer dar.68 Begehrt waren daneben auch das aus den Tieren gewonnene Blut und Schmalz. Schmalz, das als Schlachtfett v. a. von Schwein und Gans gewonnen wurde, übernahm die Rolle von Ölen und Butter in der Küche oder diente als Brotaufstrich. Für seine Herstellung wurde der Speck klein geschnitten und bei mäßiger Temperatur ausgebraten. Aus dem Blut konnte Wurst hergestellt werden. Nach einem Inventar von 1466 lagerten in der Abtei Pielenhofen beispielsweise 4 Zentner Schmalz (sagimen) und 4 Zentner Fett (smerbs).69 Ursprünglich war den Zisterziensern aber auch die Zubereitung von Speisen mit Fett untersagt.70 Im Jahr 1180 wird in den Statuten für Verstöße gegen diese Gewohnheiten eine Fastenstrafe von Wasser und Brot an sieben Festtagen angedroht.71 Metzgereiprodukte verkaufte der Waldsassener Konvent auch auf einer eigenen Fleischbank, die man zusammen mit dem Kloster Speinshart in Eger betrieb.72 Welchen Stellenwert die Viehzucht im ausgehenden Mittelalter einnahm betont eine Passage aus dem Chronicon Waldsassense, in welchem der Schreiber nach einem schweren Viehdiebstahl resümiert: „Wie beschaffen und wie groß damals [1504] die Not bei den Landleuten war, kann Jeder sich denken, der weiß, daß bei den Unsrigen der ganze Lebensunterhalt von der Viehzucht abhängt.“ 73 64 Siehe HERZOG – MÜLLER, Ecclesiastica Officia (wie Anm. 22), cap. 102, 13, S. 403. Siehe HERZOG – MÜLLER, Ecclesiastica Officia (wie Anm. 22), cap. 113, 12, S. 439. Siehe FAUST, Benediktsregel (wie Anm. 16) cap. 58, S. 134–141. 67 Siehe MUGENTHALER, Kolonisatorische Tätigkeit (wie Anm. 37) S. 114–127. 68 Siehe MUGGENTHALER, Kolonisatorische Tätigkeit (wie Anm. 37) S. 125. Im Jahr 1306 sichert sich z. B. Habard von Hertenberg jährlich zwei Mastschweine vom Kloster. Zu dieser Urkunde auch Christian MALZER, Gewandung als Indikator der Vernetzung. Das Fallbeispiel des Klosters Waldsassen im späten Mittelalter, in: Analecta Cisterciensia 64 (2014), S. 5–35, hier S. 23; StAAm, Fürstentum Obere Pfalz, Kloster Waldsassen Amtsbücher und Akten 400, fol. 409r–410r (29. 5. 1306). 69 Siehe Anton EDER, Geschichte des Klosters Pielenhofen, in: VHVO 23 (1865), S. 1–188, hier S. 47 f. Zur Wortbedeutung siehe Matthias LEXER, Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch, Stuttgart 381992, S. 199 f. 70 Siehe Exordium parvum, in: BREM – ALTERMATT, Einmütig in der Liebe (wie Anm. 34) cap.15, S. 86 f. Dazu MÜLLER, Fleischgenuß (wie Anm. 6) S. 25; DOLBERG, Cistercienser beim Mahle (wie Anm. 6) S. 619f. 71 Siehe Joseph Maria CANIVEZ, Statuta Capitulorum Generalium Ordinis Cisterciensis. Ab anno 1116 ad annum 1786, Bd. 1: Ab anno 1116 ad annum 1220, Louvain 1933, 1180, 4, S. 87. Dazu MÜLLER, Fleischgenuß (wie Anm. 6) S. 26; DOLBERG, Cistercienser beim Mahle (wie Anm. 6) S. 620. 72 Siehe GRADL, Monumenta Egrana (wie Anm. 28), Nr. 661. Dazu BINHACK, Franz: Die Äbte des Cisterzienser-Stiftes Waldsassen von 1133 bis 1506. Erste Abteilung (Programm der königlichen Studienanstalt Eichstätt 1886/87), Eichstätt 1887, S. 81 und DERS., Äbte. Zweite Abteilung (wie Anm. 23) S. 31. 73 BINHACK, Äbte. Zweite Abteilung (wie Anm. 23) S. 50. Lateinische Ausgabe: OEFELIUS, Chronicon Waldsassense (wie Anm. 23) S. 76. 65 66 41 Die heute mit der Abtei und der mittleren und nördlichen Oberpfalz in Verbindung gebrachte Teichwirtschaft und Fischzucht entsprach ursprünglich nicht den strengen Ernährungsidealen der grauen Mönche.74 Im 12. Jahrhundert war der Einund Verkauf von Fisch auf Märkten verboten worden.75 Im Jahr 1279 wurde nochmals untersagt im Refektorium gekauften Fisch zu verspeisen.76 Hier deutet sich jedoch bereits eine Lockerung und eine Umorientierung zur Eigenerzeugung hin an. Für einen Einstellungswandel zum Fischverzehr sorgte nicht zuletzt die biblische Darstellung Jesu, der die Netze seines Jüngers Petrus nach seiner Auferstehung mit reichlich Fisch füllte (Joh. 21,10–14).77 In der im frühen 14. Jahrhundert verschriftlichten Gründungslegende des Klosters wird als Grund für die Verlegung der ersten monastischen Ansiedlung an den Ort, der fortan Waldsassen genannt wurde, explizit der Fischreichtum in der Wondreb angeführt: „Während sie aber das Waldgebiet an der Stelle, die bis zur heutigen Zeit im Volksmund ,Köllnergrün‘ genannt wird, kolonisierten, fand einer, der sich zufällig entfernt hatte, einen Bach – er heißt ,Wondreb‘ – voller großer Fische und legte sein Obergewand ab und fing eine große Menge Fische. Diese brachte er seinen Gefährten, berichtete ihnen voller Freude von dem fischreichen Bach und dem günstigen Gelände an dessen Ufern und überredete sie, dort das Land zu kolonisieren und Hütten zu errichten.“ 78 Im Laufe des Mittelalters baute das Kloster eine umfassende Teichlandschaft auf.79 1570 unterstanden rund 160 Teiche dem Kloster, in denen bekannte Arten wie Karpfen, Hecht, Nerfling und Blicke sowie heute weniger geläufige Arten wie Pressen oder Persing und Krebse gezüchtet wurden.80 Hinzu kam noch die Forellenzucht in 14 Bächen und speziellen Teichen.81 Mit seiner Teichwirtschaft nahm Waldsassen innerhalb des Zisterzienserordens eine führende Stellung ein.82 Die dadurch erzeugten Produkte fanden sich auch auf dem Speiseplan des spätmittelalterlichen Konvents wieder, wie das zitierte Exemplum bezeugt. Kehren wir nochmals zur Backstube und ihren Erzeugnissen zurück. Sie war für jedes Kloster unerlässlich. In Waldsassen wurden wie in vielen anderen Klöstern mehrere Brotsorten hergestellt: Das weiße Brot aus Weizenmehl wurde hier als „Semmeln“ bezeichnet und nur zu besonderen Anlässen als sogenannte Pitanz 74 Siehe ZIMMERMANN, Ordensleben (wie Anm. 4) S. 291–295. Siehe Instituta Generalis Capituli apud Cistercium, in: BREM – ALTERMATT, Einmütig in der Liebe (wie Anm. 34) S. 116–175, hier cap. 53, S. 154 f. Dazu DOLBERG, Cistercienser beim Mahle (wie Anm. 6) S. 621. 76 Siehe DOLBERG, Cistercienser beim Mahle (wie Anm. 6) S. 621. 77 Siehe SONNTAG, Speisen (wie Anm. 5) S. 262. 78 Manfred KNEDLIK – Georg SCHROTT (Hg.), „Ein Thal des Seegens“. Lesebuch zur Literatur des Klosters Waldsassen, Kallmünz 1998, S. 19 f. Lateinische Ausgabe: Oswald HOLDER-EGGER (Bearb.), Fundatio monasterii Waldsassensis, in: MGH SS 15,2, Hannover 1888, S. 1088– 1093, hier S. 1092. Dazu Georg SCHROTT, Die historiographische Bedeutung der Waldsassener Fundationes, in: Beiträge zur Geschichte des Bistums Regensburg 20 (1986), S. 7–73. 79 Siehe MUGGENTHALER, Kolonisatorische Tätigkeit (wie Anm. 37) S. 104 und 129. 80 Siehe Rudolf LANGHAMMER, Waldsassen. Kloster und Stadt, Bd. 1: Aus der Geschichte der ehedem reichsunmittelbaren und gefürsteten Zisterzienserabtei bis zur Reformation, Waldsassen 1936, S. 258; OBERSTE, Zisterzienser (wie Anm. 9) S. 198. Muggenthaler nennt dagegen 1571 die Zahl von 161 Teichen. Siehe MUGGENTHALER, Kolonisatorische Tätigkeit (wie Anm. 37) S. 129. 81 Siehe LANGHAMMER, Waldsassen (wie Anm. 80) S. 259. 82 Siehe EBERL, Die Zisterzienser (wie Anm. 9) S. 238. 75 42 Abb. 4: Tischszene des 15. Jahrhunderts mit Breze. Provinzialbibliothek Amberg, Ms 46, fol. 105v (Provenienz: wohl Waldsassen) (Kostaufbesserung) an die Mönche gereicht.83 Diese Speisedienste wurden durch fromme Stiftungen ermöglicht, wie sie z. B. zur Errichtung eines Jahrtages oder Begräbnisses gemacht wurden. Das alltägliche Brot wurde dagegen aus Roggenmehl gebacken und Konventsbrot (panes conventus) genannt. Das Gesindebrot schließlich wurde aus Hafermehl (panes mediocres) hergestellt.84 83 Das Wort Semmel ist verhältnismäßig früh belegt und meinte ursprünglich weißes Weizenmehl und wurde dann auf eine Backform übertragen. Siehe BORST, Alltagsleben (wie Anm. 16) S. 328. 84 Siehe Andrej PLETERSKI, Das Brot ist Lebensquelle. Nichts darf übrig bleiben, in: Hauke KENZLER – Hans LOSERT (Hg.), Die Rekonstruktion mittelalterlicher Lebenswelten. Ein Kolloquium zum 60. Geburtstag von Ingolf Ericsson (Bamberger Kolloquien zur Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit 2), Pressath 2015, S. 123–142; KRAUSEN, Speisezettel (wie Anm. 7) S. 97; LANGHAMMER, Waldsassen (wie Anm. 80) S. 139; MUGGENTHALER, Kolonisatorische Tätigkeit (wie Anm. 37) S. 135. Zur Semmel auch Hermann HEIMPEL, Das Gewerbe der Stadt Regensburg im Mittelalter. Mit einem Beitrag von Franz Bastian: Das Textilgewerbe (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Beiheft 9), Stuttgart 1926, S. 307 f. 43 Als Pitanzspeisen waren in Waldsassen neben Semmeln auch eingesalzener oder zu Sulz verarbeiteter Fisch sowie Krapfen beliebt. So heißt es in einer Urkunde von 1357 zu einer jährlich am ersten Adventsonntag zu reichenden Zukost, dass man einen Dienst geben solle „mit der grozzen mazz Weins mit gesultzten Vischen, alz e gewonleich ist zu geben zu aynem Dinst mit semeln und mit Krapffen und auch Kes e in den Hauen alz der brief sagtt, den si vns dorvber geben haben.“ 85 Im mittelalterlichen Regensburg, wo das Kloster im 14. Jahrhundert einen Stadthof besaß, waren Krapfen das Hauptfastengebäck, das nur an den vier großen Jahresfesten am 23. April, 15. Juni, 1. August und 22. September gegessen und gebacken werden durfte.86 Auch ein weiteres in den Waldsassener Urkunden als Kostaufbesserung genanntes Gebäck stellt ursprünglich eine Fastenspeise dar: Die Breze (siehe Abb. 4).87 In den Backstuben der Zisterzienser wurden aber auch Spezereien hergestellt, deren Verzehr den Mönchen selbst oft verboten war: Eines der berühmtesten Erzeugnisse sind die bis heute als Markenprodukt bekannten Nürnberger Lebkuchen.88 Die Grundlage dafür bildete die Backstube der Zisterze Heilsbronn.89 Dort wurden seit 1380 „libeti“ in großer Stückzahl gefertigt und an Gäste des Klosters verschenkt.90 Auch die Waldsassener Mönche fertigten Lebkuchen und nutzten sie als besondere Gabe an wichtige Förderer des Klosters. 1386 verzichteten z. B. die Gebrüder Sulzbeck auf ihren Anspruch auf Pfefferkuchen und Filzschuhe, die sie vom Kloster erhielten.91 Für ihre Herstellung war Honig in großen Mengen eine unabdingbare Zutat. Er war das wichtigste Süßungsmittel des Mittelalters und daher kostbar und begehrt.92 Den grauen Mönchen selbst war der Honiggenuss jedoch untersagt oder nur mit Ausnahmeregelung des Abtes erlaubt.93 Aus ihm wurde in 85 StAAm, Fürstentum Obere Pfalz, Kloster Waldsassen Urkunden 381 (31. 10. 1357). Siehe HEIMPEL, Gewerbe (wie Anm. 84) S. 309 f. Der Ausdruck Krapfen ist in Regensburg fast zeitgleich in einer Urkunde von 1343 als aus einer Berufsbezeichnung abgeleiteter Persoe nennamen belegt, da in dem Schriftstück Hordlein der chrapffenpacher auftritt. Dazu Rosa KOHLHEIM – Volker KOHLHEIM, Personennamen im mittelalterlichen Regensburg, in: DIES., Personennamen, Hamburg 2011, S. 13–57, hier S. 46; Rosa KOHLHEIM, Regensburger Beinamen des 12. bis 14. Jahrhunderts. Beinamen aus Berufs-, Amts- und Standesbezeichnungen (Bayreuther Beiträge zur Dialektologie 6), Hamburg 1990, S. 45; Johann Andreas SCHMELLER, Bayerisches Wörterbuch. Bd. 1, München 21872, Sp. 764. 87 http://www.philhist.uni-augsburg.de/lehrstuehle/germanistik/sprachwissenschaft/ada/ runde_7/f01c-d/ (abgerufen am 2. 11. 2015). 88 Siehe EBERL, Zisterzienser (wie Anm. 9) S. 238. 89 Siehe Georg MUCK, Geschichte von Kloster Heilsbronn von der Urzeit bis zur Neuzeit 1, Neustadt a.d. Aisch 1993, S. 598 ff. 90 http://www.heilsbronn.de/index.php?id=464 (abgerufen am 2. 11. 2015). 91 Siehe StAAm, Fürstentum Obere Pfalz, Kloster Waldsassen Urkunden 503 (7. 3. 1386). Kopial in einer Abschrift von 1587 in Fürstentum Obere Pfalz, Regierung Amtsbücher und Akten 1903, fol. 57r (Altsignatur: KL Waldsassen 83). Darauf beziehen sich auch die fehlerhaften Verweise von LANGHAMMER, Waldsassen (wie Anm. 80) S. 139 (Datierung auf 1306) und MUGGENTHALER, Kolonisatorische Tätigkeit (wie Anm. 37) S. 135 (mit Erwähnung der Sulzbacher). Knapp auch MALZER, Gewandung (wie Anm. 68) S. 26. 92 Siehe Elisabeth VAVRA, Ernährung, in: Enzyklopädie des Mittelalters 2 (2008), S. 292– 298, hier S. 294 f.; EBERL, Zisterzienser (wie Anm. 9) S. 238; MUGGENTHALER, Kolonisatorische Tätigkeit (wie Anm. 37) S. 128 f. 93 Siehe HERZOG – MÜLLER, Ecclesiastica Officia (wie Anm. 22) cap. 84, 15, S. 325. Dazu Georg SCHROTT, Mönche, Bienen, Bücher. Eine ertragreiche Symbiose, St. Ottilien 2011, S. 25. 86 44 Waldsassen auch der häufig als Pitanz gereichte Honigwein (Met) erzeugt, der in mehreren Urkunden des späten 13. und 14. Jahrhunderts erwähnt wird. Die Voraussetzung für diese Produkte waren die zahlreichen Bienenwälder und Zeidelweiden, die in Waldsassen ähnlich wie Heilsbronn unter der Aufsicht des Apiarius aus den Reihen der Konversen standen.94 Bei diesem reichhaltigen Spektrum von Backwaren verwundert es nicht, dass sich auch das Generalkapitel frühzeitig damit auseinandersetzte. Zum täglichen Brot heißt es: „So wie wir bei den liturgischen und anderen Bräuchen Uneinigkeiten vermeiden, ebenso müssen wir auch Unterscheide bei der täglichen Nahrung vermeiden. Sonst könnten die Brüder ihrer Schwäche des Fleisches oder Geistes nachgeben und anfangen, das gröbere Brot zu verabscheuen, um feineres zu begehren. Deshalb legen wir fest, daß es in unseren Klöstern kein Weißbrot geben darf, nicht einmal zu den Hochfesten, sondern nur grob gesiebtes Brot. Wo es aber wenig Weizen gibt, darf man es mit dem feineren Sieb herstellen. Für die Kranken gilt dieses Gesetz nicht. Auch Gästen, bei denen es angeordnet wurde, setzen wir Weißbrot vor, ebenso denen, die zur Ader gelassen wurden, wie es in der entsprechenden Anordnung vorgeschrieben ist. Von diesem Weißbrot, das den zur Ader Gelassenen vorgesetzt wird, wie auch vom täglichen Brot wird der Teig auf die Waage gelegt und darf niemals schwerer sein, sondern muß gleichmäßig abgewogen werden.“ 95 Dieser ausführlich zitierte Beschluss betont nicht nur das nicht immer befolgte Ideal der Gleichheit und Einfachheit der Speisen, um einen moralischen wie körperlichen Verfall zu vermeiden, sondern auch die medizinische Komponente der Ernährung. Im Kontext der mittelalterlichen Medizin wurde der Ernährung ein wichtiger Stellenwert für das Gleichgewicht der vier Körpersäfte beigemessen.96 Die Gesundheit war daher durch ein Übermaß bestimmter Speisen ebenso bedroht wie durch Mangelernährung. Oftmals ergaben sich auch aus unsachgemäßer Lagerung oder Schädlingsbefall der Nahrungsmittel gravierende Gefahren für die Gesundheit. Ein anschauliches Beispiel dafür bildet eine Passage der Stadtchronik von Eger, in der es zum August 1544 heißt, dass „die Hewschrecken gewaltiglich in das Egerland komen [sind] und wie ein grosse wolken, die gar finster ist, an etlichen örtern geflogen; und wo sich dieselben hewschrecken nidergelassen, haben sie das korn und das gras abgefressen und, wo das vieh nachkomen und geweidet worden, ist selbes bald krank worden und an etlichen und viel orten, wie ich gehört hab, gestorben und sonderlich, mit gunst zu melden, die schwein umgefallen.“ 97 Auch ein Eintrag in einer Waldsassener Handschrift der Provinzialbibliothek Amberg bietet Hinweise zur Gefahr, die von verseuchtem Getreide ausgehen konnte. Sie enthält ein Rezept gegen das Anto- 94 Siehe SCHROTT, Bienen (wie Anm. 93) S. 25–28; MUGENTHALER, Kolonisatorische Tätigkeit (wie Anm. 37) S. 128 f. 95 Super Instituta Generalis Capituli apud Cistercium, in: BREM – ALTERMATT, Einmütig (wie Anm. 35) S. 116–175, hier cap. 14, S. 129. 96 Siehe Doris HECHT-AICHHOLZER, „Ich will euch underweysen von der Kuchen speysen“. Vom Essen und Trinken im Mittelalter, in: POHANKA, Um die Wurst (wie Anm. 1) S. 13–46, hier S. 14f.; VAVRA, Ernährung (wie Anm. 92) S. 298; Harald DERSCHKA, Die Viersäftelehre als Persönlichkeitstheorie. Zur Weiterentwicklung eines antiken Konzepts im 12. Jahrhundert, Ostfildern 2013, S. 15–95. 97 Text der Chronik Pankraz Engelhart’s, in: Heinrich GRADL (Bearb.), Die Chroniken der Stadt Eger (Deutsche Chroniken aus Böhmen 3), Prag 1884, S. 1–70, hier S. 50. 45 Abb. 5: Rezept Contra plagam Sancti Antonij aus dem 15. Jahrhundert, Provinzialbibliothek Amberg, Ms 77, Titelblatt v (Provenienz: Waldsassen) niusfeuer 98, das durch den Verzehr von durch das Mutterkorn befallenem Getreide ausgelöst wurde (siehe Abb. 5). Da Getreide die wichtigste Ressource darstellte, ließen verschiedene Waldsassener Äbte Getreidespeicher anlegen. Ein Beispiel ist der Waldsassener Kasten in Weiden. Hier fanden sich auch zwei ganz spezielle Angestellte des Klosters, die über das eingelagerte Getreide wachten: Es waren zwei Katzen, die ein Überhandnehmen der Mäuse verhindern sollten.99 Das Chronicon Waldsassense berichtet auch darüber, dass Abt Ulrich III. (1479–1486) während eines Lebensmittelmangels den „seit mehreren Jahren gesammelten Getreidevorrat aus Frömmigkeit an die Armen und die Untertanen des Klosters um einen geringeren Preis, als es anderswärts verkauft zu werden pflegte [abgab]. Dadurch erwarb er sich auch bei den Menschen einen guten Ruf, bei Gott erkaufte er sich die Glorie einer unverwelklichen Krone.“ 100 Schädlingsbefall oder klimatische Kapriolen konnten demnach zu gravierenden Hungerjahren führen. Hierzu finden sich in den Dokumenten aus Waldsassen sowie aus denen der benachbarten Stadt Eger zahlreiche Belege. Zur Regierungszeit von Abt Georg I. (1495–1512) berichtet erneut das Chronicon Waldsassense: „Fast während seiner ganzen Regierungszeit herrschte eine große Teuerung des Getreides wegen der unfruchtbaren Jahre, so daß anderthalb Schäffel Waizen, mit dem volksüblichen Namen Kar genannt, um 2 Schock egerische Groschen, manchmal noch teuerer gekauft wurden.“ 101 98 Siehe Provinzialbibliothek Amberg, 4° Ms 77, fol. 1v. Siehe Stadtarchiv Weiden, Kastenamtsrechnung 1634. Dazu Annemarie KRAUß, Beziehungen zwischen Weiden und dem Kloster Waldsassen, in: Franz BUSL (Hg.), Waldsassen. 850 Jahre eine Stätte der Gnade, Hof 1983, S. 46–50, hier S. 50. 100 BINHACK, Äbte. Zweite Abteilung (wie Anm. 23) S. 66. Lateinische Ausgabe: OEFELIUS, Chronicon Waldsassense (wie Anm. 23) S. 79a. 101 BINHACK, Äbte. Zweite Abteilung (wie Anm. 23) S. 75. Lateinisches Ausgabe: OEFELIUS, Chronicon Waldsassense (wie Anm. 23) S. 81a. 99 46 Die Zitate machen auf eines der zentralen Probleme der mittelalterlichen Ernährungsgrundlage aufmerksam: Die vorherrschende Lokalität der Produktions- und Handelskreisläufe von Lebensmitteln. Sie machte die Agrargesellschaft anfällig für Krisen in Form von Verknappung und Preisexplosionen. Diesen Entwicklungen konnten sich auch die Klöster und ihre Konvente nur bedingt entziehen, da der Einlagerung und dem Transport bestimmter Lebensmittel konservatorische Grenzen gesetzt waren. Hier gilt es allgemein in Erinnerung zu rufen, dass die Verfügbarkeit an Nahrungsmitteln im Mittelalter eine gänzlich andere war als in der Gegenwart. Ein wesentlicher Unterschied ist das Fehlen wichtiger Nutzpflanzen (z. B. Kartoffel) aus der neuen Welt. Aber auch bereits bekannte Arten dürfen nicht unreflektiert mit ertragreichen, modernen Züchtungen gleichgesetzt werden.102 Die meisten Produkte waren zudem nur saisonal verfügbar, was natürlich auch Folgen für den Handel hatte.103 Dennoch war man auf den Ver- und Zukauf bestimmter Produkte angewiesen: In Waldsassen waren es nach den Hinweisen im Urkundenmaterial v. a. Salz und Hering, die zugekauft werden mussten.104 Im Jahr 1287 beurkundete beispielsweise Abt Theoderich (1286–1302), dass Henricus de Ror von den ihm übertragenen Gütern so viel Almosen spenden solle, dass den Brüdern am 1. Januar Fische, Wein, Brot und Weizen oder ersatzweise Heringe mit Met gegeben werden können, wogegen für ihn und seine Vorfahren an diesem Tag ein Jahrtag zu feiern sei und er nach seinem Tod im Kloster beerdigt werden solle.105 Woher Waldsassen diese in Salz konservierten Meeresfische bezogen hat, ist wegen des Fehlens mittelalterlicher Klosterrechnungen leider unbekannt. Heringe waren den Zisterziensern nach den Beschlüssen des Generalkapitels nur während der Adventszeit und der Quadragesima erlaubt.106 Salz war bei den grauen Mönchen ursprünglich das einzige erlaubte Gewürz.107 Gewürze waren aber in der mittelalterlichen Kochkultur weit verbreitet und hatten 102 Siehe Karl-Ernst BEHRE, Die Ernährung im Mittelalter, in: HERRMANN, Mensch und Umwelt (wie Anm. 14) S. 74–87, hier S. 74 f.; ACKERMANN, Grundherrschaft (wie Anm. 48) S. 391 ff. 103 Siehe VAVRA, Ernährung (wie Anm. 92) S. 292 f.; HECHT-AICHHOLZER, Ich will (wie Anm. 96) S. 13; BEHRE, Ernährung (wie Anm. 102) S. 77 f. 104 Zum Salz siehe EBERL, Zisterzienser (wie Anm. 9) S. 246 f.; WOLLENBERG, Wein und Salz (wie Anm. 35) S. 242–247; Otto VOLK, Salzproduktion und Salzhandel mittelalterlicher Zisterzienserklöster (Vorträge und Forschungen. Sonderband 30), Sigmaringen 1984. Nun auch die Lokalstudie von Simon SOSNITZA, Salz – Stein – Wasser. Kloster Loccums natürliche Ressourcennutzung im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit, in: Analecta Cisterciensia 65 (2015), S. 92–133. 105 Siehe StAAm, Fürstentum Obere Pfalz, Kloster Waldsassen Urkunden 105 (8. 8. 1287). Siehe auch MUGGENTHALER, Kolonisatorische Tätigkeit (wie Anm. 37) S. 129. 106 Siehe Canivez, Statuta Capitulorum (wie Anm. 72) 1198, 13, S. 225. Wie prägend der Handel mit dem Hering auch im Raum der heutigen Oberpfalz war, deutet die Erklärung des e in Regensburg im 14. Jahrhundert mehrfach auftauchenden Übernamens Harinch an, der auf den Beruf des Heringsverkäufers hindeutet. Siehe KOHLHEIM – KOHLHEIM, Übernamen (wie Anm. 86) S. 42. Da der Heringshandel nach den Zollvorschriften des „Böhmischen Salbuchs“ aus der Zeit um 1366/68 eine bedeutende Rolle spielte, könnte in diesem Umfeld eine mögliche Bezugsquelle für die Zisterzienser zu verorten sein. Siehe Fritz SCHNELBÖGL, Das „Böhmische Salbüchlein“ Kaiser Karls IV. von 1366/68, in: Oberpfälzer Heimat 17 (1973), S. 28–32, hier S. 29. 107 Siehe SONNTAG, Speisen (wie Anm. 5) S. 266; WOLLENBERG, Wein und Salz (wie Anm. 35) S. 242; VOLK, Salzproduktion (wie Anm. 104) S. 28. 47 neben der Geschmacksverbesserung auch medizinische sowie konservatorische Funktionen.108 Auch die Bezugswege für Salz sind für Waldsassen weitgehend unbekannt. In den Urbaren wird jedoch erwähnt, dass der Ort Lengenfeld im Gericht Liebenstein neben den üblichen Naturalabgaben jährlich eine Scheibe Salz ans Kloster entrichten musste.109 Dies könnte ähnlich wie bei Waldsassens Tochterkloster Walderbach auf die Lage an einer Salzhandelsroute nach Böhmen hindeuten.110 Der Abtei am Regen gewährte Herzog Heinrich von Niederbayern im Jahr 1268 zudem eine Zollfreiheit für acht Fuhren Salz aus der Saline Hall.111 Auch Pielenhofen erhielt 50 Jahre später ein Bezugsrecht auf zwei zollfreie Fuhren Salz aus dieser Saline von den bayerischen Herzögen.112 Die Saline in Hall war im 13. Jahrhundert gerade für die bayerischen Zisterzienser ein wichtiger Produktionsund Bezugsort von Salz.113 An Tagen ohne Pitanzreichungen waren den Zisterziensern laut den normativen Texten lediglich zwei aus Hülsenfrüchten gekochte Gerichte pro Mahlzeit erlaubt. Meist handelte es sich um Brei aus Erbsen oder Bohnen als wichtige Proteinlieferanten.114 Eine besondere Abgabe an den Waldsassener Konvent stellte das unter den Leistungen aus Großbüchelberg und Oberteich erwähnte „vastmuez“ 115 dar, das von den Bauern vier Tage vor dem ersten Fastensonntag abzuliefern war.116 Dabei handelte es sich nach Schmeller um Ölpflanzen, Hülsenfrüchte und Gemüse, die zur Bereitung eines Muses verwendet wurden.117 Das einzige Getränk, das in der Benediktsregel genannt wird, ist der Wein. Mit Blick auf dessen Konsum betonte der Mönchsvater resignierend: „Zwar lesen wir, Wein passe überhaupt nicht für Mönche, weil aber die Mönche heutzutage sich 108 Siehe BORST, Alltagsleben (wie Anm. 16) S. 335. Siehe StAAm, Fürstentum Obere Pfalz, Kloster Waldsassen Amtsbücher und Akten 370, fol. 14v: „Item Ir IIII pauren geben I Scheyben salz.“ 110 Siehe Heinrich WANDERWITZ, Studien zum mittelalterlichen Salzwesen in Bayern (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 73), München 1984, S. 306 und 311 f. sowie die Kartenbeilage. 111 Siehe Ingrid SCHMITZ-PESCH, Roding. Die Pflegämter Wetterfeld und Bruck (Historischer Atlas von Bayern. Altbayern 44), München 1986, S. 95. 112 Siehe Johann Friedrich BÖHMER, Wittelsbachische Regesten von der Erwerbung des Herzogthums Baiern 1180 bis zu dessen erster Wiedervereinigung 1340, Stuttgart 1854, S. 108 (13. 7. 1318). 113 Siehe VOLK, Salzproduktion (wie Anm. 104) zu Hall besonders S. 40 ff. Zum wirtschaftlichen Nutzen derartiger Zollbefreiungen für den Salzhandel siehe ebd. S. 75–79. Die Bedeutung der Äbte von Raitenhaslach und Salem für die Saline Hallein bei Salzburg behandelt Herbert KLEIN, Zur älteren Geschichte der Salinen Hallein und Reichenhall, in: Gesellschaft für Salzburger Landeskunde (Hg.), Beiträge zur Siedlungs-, Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte von Salzburg. Gesammelte Aufsätze von Herbert Klein, Festschrift zum 65. Geburtstag von Herbert Klein (Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Ergänzungsband 5), Salzburg 1965, S. 385–409; WOLLENBERG, Wein und Salz (wie Anm. 35) S. 242 f.; VOLK, Salzproduktion (wie Anm. 104) S. 151 f. 114 Siehe BORST, Alltagsleben (wie Anm. 16) S. 328 f. 115 StAAm, Fürstentum Obere Pfalz, Kloster Waldsassen Amtsbücher und Akten 369, fol. 9r sowie fol. 9v/10r. Dazu LANGHAMMER, Waldsassen (wie Anm. 80) S. 162. 116 Siehe StAAm, Fürstentum Obere Pfalz, Kloster Waldsassen Amtsbücher und Akten 369, fol. 9v: „vastmuez quatuor diebus precedentibus dominicam Invocavit“. 117 Siehe SCHMELLER, Wörterbuch 1 (wie Anm. 86) Sp. 773; LANGHAMMER, Waldsassen (wie Anm. 80) S. 162. 109 48 davon nicht überzeugen lassen, sollten wir uns wenigstens darauf einigen, nicht bis zum Übermaß zu trinken sondern weniger. Denn der Wein bringt sogar die Weisen zu Fall. Wo aber ungünstige Ortsverhältnisse es mit sich bringen, dass nicht einmal das oben angegebene Maß, sondern viel weniger oder überhaupt nichts zu bekommen ist, sollen die Brüder, die dort wohnen, Gott preisen und nicht murren. Dazu mahnen wir vor allem: Man unterlasse das Murren.“ 118 Der Alkoholkonsum bereitete trotz dieser Ermahnung bei den Grauen Mönchen wiederholt Probleme, sodass sich das Generalkapitel im Jahr 1237 genötigt sah, jeglichen Alkoholkonsum zwischen dem ersten Advent und dem Ostersonntag zu verbieten. Dies hatte 1238 in etlichen Ordenshäusern massive Tumulte zur Folge. 1261 kam es im Kloster Eberbach gar zur Ermordung des Abtes durch die Laienbrüder und im Jahr 1482 empörten sich die Mönche im Kloster Fürstenfeld, weil der Abt die Weinlieferungen aus Esslingen nicht rechtzeitig organisiert hatte.119 Gerade die Konversen waren eine wichtige personelle Stütze des erfolgreichen Weinbaus bei vielen Zisterzen.120 Auch beim Wein gab es ähnlich wie beim Brot unterschiedliche Qualitäten: Während für den täglichen Gebrauch in Waldsassen der Wein der eigenen Weingüter in Böhmen und an der Naab bei Münchshofen aufgetischt wurde, wurde der qualitätvollere Wein aus dem fränkischen Heidingsfeld nur als Pitanz und bei Festen gereicht. Das im aktuellen Jubiläumsjahr des Reinheitsgebots in der bayerischen Landesausstellung in der Zisterze Aldersbach mit den Klöstern aufs engste in Verbindung gebrachte Bier findet sich in Waldsassen dagegen erstmals 1306 erwähnt, als sich das Kloster zu einer wöchentlichen Bierlieferung an einen Pfründner verpflichtete.121 1361 kam es dann zu einem Gerichtsurteil wegen der Klage um die Reichung von Bier, Käse und einen Rock.122 Das Getränk war also trotz nur fragmentarischer Erwähnung offenbar beliebt bei den Bezugsberechtigten. In Klöstern wurden Brauerei und Bäckerei häufig unter einem Dach betrieben, was nicht nur an der gemeinsamen Rohstoffgrundlage, sondern auch an der Brandgefahr beider Betriebe gelegen haben dürfte. Zudem waren auch kombiniert nutzbare Öfen verbreitet.123 Ein Brauhaus des Klosters Waldsassen wird indirekt durch eine Passage der Series abbatum unter Abt Johannes IV. (1323–1337) fassbar.124 Sein direkter Nachfolger Abt Franz I. (1337–1349) errichtete dann ein neues Brauhaus.125 1430 werden dann größere Bierkeller in Waldsassen erwähnt, in denen das 118 FAUST, Benediktsregel (wie Anm. 16) cap. 40, S. 105. Siehe WOLLENBERG, Wein und Salz (wie Anm. 35) S. 228 f. 120 Siehe WOLLENBERG, Wein und (wie Anm. 35) S. 229 f.; Michael TOEPFER, Die Konversen der Zisterzienser. Untersuchungen über ihren Beitrag zur mittelalterlichen Blüte des Ordens (Berliner Historische Studien 10), Berlin 1983, S. 161. 121 Siehe MUGGENTHALER, Kolonisatorische Tätigkeit (wie Anm. 37) S. 135. 122 Siehe StAAm, Fürstentum Obere Pfalz, Kloster Waldsassen Urkunden 414 (4. 6. 1361). 123 Siehe Hans-Werner PEINE, Die Wirtschaftseinrichtungen. Back- und Brauhaus, Schmiede und Mühle, in: Birgit MÜNZ-VIERBOOM, Von Klostermauern und frommen Frauen. Die Ergebnisse der Ausgrabungen im ehemaligen Zisterzienserinnenkloster Gravenhorst von 1999 bis 2002, Münster 2007, S. 117–130, hier S. 117 und 120. 124 Siehe Michael DOEBERL, Quellen und Erörterungen zur Geschichte des Nordgaus, in: VHVO 45 (1883), S. 113–129, hier S. 124 f. Dazu BINHACK, Äbte. Zweite Abteilung (wie Anm. 23) S. 4. 125 Siehe DOEBERL, Series abbatum (wie Anm. 124) S. 126. Dazu BINHACK, Äbte. Zweite Abteilung (wie Anm. 23) S. 9. 119 49 Getränk gelagert wurde.126 Erst zu Abt Ulrich III. (1479–1486) heißt es aber: „Auch das Bierbrauen, das vorher sehr selten gewesen war, betrieb er häufiger, wodurch er dem Kloster keinen geringen Nutzen verschafft haben soll. Er ließ die Keller wölben, um darin das Bier frischer zu erhalten, und stellte sehr viel anderes Schadhaftes von Neuem her.“ 127 Damit wurde dieses Getränk tatsächlich erst vergleichsweise spät ein regelmäßiger Teil der Ernährung des Waldsassener Konvents. 5. Versuch eines Fazits Kehrt man am Ende zu dem eingangs gebrachten Zitat der miteinander um die richtige Ernährung und Speisenwahl argumentierenden Mönche zurück, lädt dies zu einem Resümee zum Thema ein. Betrachtet man so manche moderne Debatte zwischen Fleischessern, Pescetariern, Vegetariern, Veganern oder Frutuariern, fühlt man sich unweigerlich an den eingangs zitierten fiktiven Dialog der beiden Mönche erinnert. Soweit scheinen wir uns also in den letzten 850 Jahren auf diesem Gebiet nicht entwickelt zu haben. Das Sprichwort „Zeig mir, was du isst… und ich sag‘ dir, wer du bist“ ist also immer noch zutreffend. Auch heute drückt unsere Ernährung bestimmte Identitäten und Werte aus. Jedoch haben sich die Vorzeichen der Debatte um das Essen verändert: Waren in den monastischen Diskursen religiös-theologische Motive der treibende Grund, so sind dies heute v. a. ethische oder gesundheitliche Aspekte, die bei einigen Vertretern der modernen Esskultur eine fast ebenso dogmatische Haltung hervorrufen, wie bei den mittelalterlichen Mönchen. Für die Zisterzienser war das Essen in der Frühzeit ihres Bestehens mehr als reine Kalorienaufnahme. Dem jungen Orden bot das Mahl und die Wahl der Lebensmittel ein Medium, die strengen, selbstgewählten Reformideale umzusetzen und sich gegenüber den älteren Benediktinern abzugrenzen und so ein eigenes Profil auszubilden. Dies wandelte sich jedoch im späteren Mittelalter, als man schließlich selbst zu den etablierten Prälatenorden zählte und sich mit diesen gegen die aufstrebenden Bettelorden abzugrenzen versuchte. Zudem hatten sich die Produkte der eigenen Agrarwirtschaft zunehmend in den Speiseplan etabliert. Fleisch und Fisch sind hierfür gute Beispiele. Auch wenn diese zu den älteren Regeln und Gewohnheiten im Widerspruch standen, hielten sie Einzug in die zisterziensischen Klosterküchen. Einen wichtigen Faktor hierfür stellen die erwähnten Pitanzstiftungen dar. Ursprünglich waren sie zur Vermehrung der kargen Kost an vereinzelten Festtagen gedacht. Sie brachten dabei zunächst eigentlich keine ungeziemenden Speisen in die Klöster, sondern bestanden aus besseren oder schlicht mehr Produkten.128 Am weitesten waren in Waldsassen Zustiftungen von Met, besserem Bier oder Wein sowie Weißbrot und Käse verbreitet. Hinzu kamen verschiedene Fischarten und ihre unterschiedliche Zubereitsungsarten sowie Krapfen und Brezen. Da diese Stiftungsform bei den Wohltätern der Abtei im 13. und 14. Jahrhundert besonders beliebt war und in Krisenjahren durch den Konvent wohl auch gezielt gefördert worden war, wurde den Zisterziensern ihr eigener Erfolg zum Verhängnis: Wollten sie den 126 Siehe BINHACK, Äbte. Zweite Abteilung (wie Anm. 23) S. 45 f. BINHACK, Äbte. Zweite Abteilung (wie Anm. 23) S. 66 f. 128 Siehe SYDOW, Speiseordnungen (wie Anm. 8) S. 35; DERS., Das Bistum Konstanz, Bd. 2: Die Zisterzienserabtei Bebenhausen (Germania Sacra N.F. 16), Berlin 1984, S. 133f. und 153 f.; MOULIN, La vie (wie Anm. 56) S. 68 f.; SCHNEIDER, Lebensverhältnisse (wie Anm. 27) S. 54 ff. 127 50 Stiftern gerecht werden, mussten sie zwangsläufig ihre strengen Speise- und Fastenvorschriften aufbrechen. Hier wird ein wichtiger Faktor der monastischen Ernährung fassbar: Die enge Verflechtung der klösterlichen Konvente und ihres sozialen Umfeldes. Aus ihrer sozialen Prägung als adlige oder patrizische Söhne vermochten sich manche Brüder bei ihrem Ordenseintritt als Volljährige nur widerwillig zu lösen und sie versuchten daher ihre standesgemäßen Speisegewohnheiten auch im Kloster beizubehalten. Durch die teils personengebundenen Pitanzstiftungen, wie sie in den Ecclesiastica officia geregelt sind, war den weltlichen Angehörigen zudem eine gezielte Zuwendung an ihre im Konvent lebenden Angehörigen möglich. Auch wenn man aus moderner Perspektive heraus oftmals einen Gegensatz von Kloster und Welt annimmt, zeigt gerade die spätmittelalterliche Klosterküche mit ihren Produkten eine enge Verzahnung von Kloster und Umland. Gerade wegen des Ideals der klösterlichen Eigenversorgung fand bei den Zisterziensern aber nicht die heute übliche Entkoppelung zwischen Konsument und Produzent von Lebensmitteln statt. Die Mönche und Laienbrüder waren durch die klösterlichen Eigenbetriebe und den wöchentlich wechselnden Küchendienst aufs engste mit den Rohstoffen ihrer Ernährung und deren Verarbeitung verbunden, was nicht zuletzt zu einer Würdigung des täglichen Mahles führte, die unserer modernen Überflussgesellschaft leider immer mehr verloren geht. 51