SALZBURGER FESTSPIELE 2010 __________________________________________________________________________ Jahrespressekonferenz Salzburger Festspiele 2010 11. November 2009, 11 Uhr Fördererlounge, Großes Festspielhaus Helga Rabl-Stadler Präsidentin Jürgen Flimm Intendant Gerbert Schwaighofer Kaufmännischer Direktor Markus Hinterhäuser Konzert Thomas Oberender Schauspiel SALZBURGER FESTSPIELE 2010 __________________________________________________________________________ Salzburger Festspiele 25. Juli – 30. August 2010 Editorial 3 90 Jahre Salzburger Festspiele (1920 – 2010) 5 Die Oper 7 Das Konzert 10 Das Schauspiel 16 Die Salzburger Festspiele in Zahlen 20 Mag. Ulla Kalchmair, Pressesprecherin – Hofstallgasse 1, 5020 Salzburg – T +43-662-8045-390 [email protected] – www.salzburgerfestspiele.at 2 SALZBURGER FESTSPIELE 2010 __________________________________________________________________________ Das Leben besteht aus seltenen einzelnen Momenten von höchster Bedeutsamkeit und unzählig vielen Intervallen, in denen uns bestenfalls die Schattenbilder jener Momente umschweben. Die Liebe, der Frühling, jede schöne Melodie, das Gebirge, der Mond, das Meer – alles das redet nur einmal ganz zum Herzen: wenn es überhaupt je ganz zu Worte kommt. Denn viele Menschen haben jene Momente gar nicht und sind selber Intervalle und Pausen in der Symphonie des wirklichen Lebens. Friedrich Nietzsche, „Vom Stundenzeiger des Lebens“ aus: Menschliches, Allzumenschliches EDITORIAL Vor vier Jahren haben wir uns der „Nachtseite der Vernunft“ zugewandt, in den folgenden Jahren haben wir gefragt, ob die Liebe den Tod besiegen kann, beobachtet, wie die Mächtigen ihr Spiel mit uns spielen, und in diesem, dem kommenden Sommer stehen „Mythen“ im Mittelpunkt unseres Interesses. Eine ganze Reihe von Opern und Stücken spiegeln dieses Thema auf ganz eigene Weise wider. Wie Archäologen wollen wir also diesmal eine Tür öffnen und hinabsteigen, um an die verschränkten Ursprünge, die Widersprüche unserer Geschichte und unserer Zivilisation zu erinnern. Spuren dessen, was wir auch noch heute sind, suchen, Erinnerungen aufspüren. Und zeigen, wie zeitlos, also aktuell die alten Themen sind: die der Tragödie. Den Titel „Wo Gott und Mensch zusammenstoßen, entsteht Tragödie“ haben wir uns bei Michael Köhlmeier entliehen, dessen Essay „Wo Gott und Mensch zusammenstoßen. Der Untergang des Mythos aus dem Geist der Musik“ ich Ihnen zur Lektüre empfehle (S. 17 im Jahresprogramm 2010). Und das wollen wir Ihnen dieses Jahr zeigen: Elektra von Richard Strauss in Hofmannsthals Fassung der antiken Tragödie. Von Dionysos nach Texten von Nietzsche handelt die neue Oper von Wolfgang Rihm, die wir zur Uraufführung bringen. 3 Und Orpheus – unser aller Künstlerkollege – kommt mit Gluck’scher Musik daher, Eurydike hat er – ach – verloren. Der unglückselige Ödipus von Sophokles, nicht minder erbarmungswürdig, und die Racine’sche Phädra betreten unsere Bretter, die die Welt bedeuten. Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan, sagt Goethe, wohl auch Lulu, ein modernes, fast mythisches Geschöpf, die uns Alban Berg und Frank Wedekind in die Felsenreitschule tanzen lassen. – Ein epochales Musiktheaterstück, unvergleichlich. Und auch dieses Jahr gibt es wieder hochinteressante Konzerte und viele kluge Gespräche. Dieser Sommer 2010 ist mein letzter Festspielsommer als Intendant der Festspiele nach nun nahezu zehn Jahren in verantwortlichen Positionen in Salzburg. Ich werde danach als Intendant die Deutsche Staatsoper Unter den Linden in Berlin leiten, zusammen mit dem Dirigenten Daniel Barenboim. Es waren schöne und erfolgreiche Jahre hier – spannende, aufregende zudem, vor und durchaus auch hinter der Bühne, auch auf den politischen Etagen. Und auch die Vorbereitungen für 2011 sind schon weit gediehen. Den Festspielen bin ich seit 1987 mehrfach als Regisseur verbunden, auf dem Schauspielboden und gleichermaßen auf den Opernbrettern. Da fällt der Abschied von den großen Festspielen nicht leicht: Ich muss mich bei so vielen bedanken, bei den fleißigen Technikern, den klugen Verwaltern, den geneigten Künstlern und Kollegen und bei Ihnen, liebes Publikum, für Beifall und Kritik. Erst aber freue ich mich auf viele neue Opern, Theaterstücke und Konzerte im schönen Salzburg Max Reinhardts, an jenem Ort, der sich „vermöge seiner wundervoll zentralen Lage, seiner landschaftlichen und architektonischen Pracht, seiner historischen Merkwürdigkeiten und Erinnerungen“ ganz besonders für Festspiele eignet. Er hatte ja vor 90 Jahren die wundervolle Idee, hier die Festspiele zu gründen, auch ihm, dem unvergleichlichen Theatergenie sei gedankt. Und natürlich toi toi toi für meine Nachfolger Markus Hinterhäuser und Alexander Pereira. Sie mögen eine glückliche Hand haben. Mit den besten Abschiedsgrüßen bin ich wie stets Ihr Jürgen Flimm 4 SALZBURGER FESTSPIELE 2010 __________________________________________________________________________ 90 JAHRE SALZBURGER FESTSPIELE 2010 ist für uns ein Jubiläumsjahr, wir feiern 90 Jahre Salzburger Festspiele. Die Mythen werden als Thema Oper, Konzert und Schauspiel programmatisch verbinden. Aber auch die Festspiele selbst sind in diesen neun Jahrzehnten längst zu einem Mythos geworden. Schwere Hypothek oder starker Auftrag für Gegenwart und Zukunft? Erdacht und gegründet wurden die Salzburger Festspiele von Anfang an als Projekt gegen die Krise, die Sinnkrise, den Werteverlust, die Identitätskrise des einzelnen Menschen, aber auch ganzer Völker. Mitten im Ersten Weltkrieg reifte in den Gründervätern, Hugo von Hofmannsthal, Max Reinhardt, Richard Strauss, Alfred Roller und Franz Schalk, der Entschluss, die gegeneinander gehetzten Völker durch Festspiele miteinander zu versöhnen, ihnen ein vereinendes Ziel zu geben. Im „ersten Aufruf zum Salzburger Festspielplan“ (1919) stehen daher – unvergleichlich formuliert von Hugo von Hofmannsthal – der Friede und der Glaube an Europa im Mittelpunkt, „an einen Europäismus, der die Zeit von 1750 bis 1850 erfüllt und erhellt hat“. Welch anderes Festspiel darf, muss einen so zeitlos gültigen Gründungsauftrag erfüllen? 2009 gelang uns das geradezu idealtypisch, als Daniel Barenboim mit seinem West-Eastern Divan Orchestra die Befreiungsoper Fidelio aufführte. 2010 wird Valery Gergiev mit dem vom unvergesslichen Sir Georg Solti gegründeten World Orchestra for Peace einen wichtigen Festspielabend bestreiten. Seine Überzeugung war: „politicians do their job [for peace], but musicians are able to be the most potent voices. Music doesn’t have borders – it is immediate, effective and very truthful“. 5 Bei unserer Wahl zum Dichter zu Gast hatten wir offensichtlich eine schöne Vorahnung. Claudio Magris, in der Frankfurter Paulskirche im Oktober 2009 mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnet, wird im kommenden Festspiel-Sommer in Salzburg leben und arbeiten. Ein Zitat aus seiner Preisrede passt auch gut als Auftrag an uns als Festspielmacher: „Viele Utopien von einem Paradies auf Erden sind verflogen, doch nicht verflogen ist die Forderung, dass die Welt nicht nur verwaltet, sondern vor allem auch verändert werden muss. ‚Ändere die Welt, sie braucht es!‘, forderte Bertolt Brecht. Ändere sie auch, wenn alles dich drängt zu glauben, dass dies unmöglich sei.“ So klar im Festspielplan die politische Botschaft formuliert war, so – vergleichsweise – lapidar hieß es zur Dramaturgie: „Oper und Schauspiel, von beidem das Höchste“. Diese Formulierung stellte sich jedoch als Glücksfall heraus – sie gab und gibt den späteren Festspielverantwortlichen programmatische Freiheit bei höchstem Qualitätsanspruch. Mit welchen Inhalten Intendanten, Direktorien, Künstler und Künstlerinnen 90 Jahre Festspielgeschichte schrieben, wollen wir ihnen in einer die Festspiele begleitenden Ausstellung im Sommer 2010 zeigen. Ab 17. Juli soll ganz im Sinne Max Reinhardts die ganze Stadt Bühne werden. Zu unserer großen Freude haben zahlreiche Salzburger Institutionen unsere Idee aufgegriffen und bereichert. Ein Ausstellungsreigen unter dem Titel „Das große Welttheater“ wird daher die wechselvolle Geschichte der wichtigsten Festspiele der Welt nicht nur in unseren eigenen Häusern darstellen, sondern in einer großen multimedialen Schau unter anderem im Salzburg Museum, in der Residenzgalerie, in St. Peter und in Mozarts Geburtshaus dokumentieren. „Alle Entwicklung vollzieht sich in Spiralen“, schrieb Hugo von Hofmannsthal. Möge es uns gelingen, gerade auch im Jahr 2010 eine Spirale aus herrlichen Hörerlebnissen, interessanten Gedanken, eindrucksvollen Bildern erlebbar zu machen. Helga Rabl-Stadler, Jürgen Flimm, Gerbert Schwaighofer Markus Hinterhäuser, Thomas Oberender 6 SALZBURGER FESTSPIELE 2010 __________________________________________________________________________ DIE OPER Im Zentrum des Opernprogramms 2010 steht das Thema Mythos – der Mythos mit seinem Potenzial, elementare menschliche Erfahrungen und Situationen zu versinnbildlichen. DIONYSOS Wolfgang Rihm (*1952), einer der bekanntesten und vielseitigsten deutschen Komponisten der Gegenwart, schreibt für die Salzburger Festspiele sein neues Musiktheaterwerk Dionysos, das zur Eröffnung des Festspielsommers seine Welt-Uraufführung erlebt. Inspiration und Ausgangspunkt für Rihms neues Werk ist Friedrich Nietzsches später Gedichtzyklus Dionysos-Dithyramben. Wie der Gott des Rausches sich in den Texten des bereits vom Wahnsinn gezeichneten Philosophen niederschlägt, wie sich seine schwierigen Beziehungen zu den wichtigsten Frauen seines Lebens in Musik, Bewegung und Bild fassen lassen, wie der extrem sensibilisierte Autor selbst zu einem theatralisch-rauschhaften Ereignis wird, das zeigt der in der Zusammenarbeit mit bildenden Künstlern erfahrene Regisseur Pierre Audi. Das Bühnenbild gestaltet der in Japan aufgewachsene Deutsche Jonathan Meese (*1970), eine der prägenden Persönlichkeiten der internationalen Kunstszene. Er hat sich in seinen Arbeiten schon mehrfach mit Nietzsche auseinandergesetzt. Um Rihms Kaleidoskop an Lebensbildern im Haus für Mozart zu realisieren, haben die Salzburger Festspiele neben Pierre Audi und Jonathan Meese den Dirigenten Ingo Metzmacher eingeladen, der im vergangenen Sommer in Nonos Al gran sole carico d’amore gefeiert wurde. Er leitet sein Deutsches Symphonie-Orchester Berlin (DSO) und die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor. Johannes Martin Kränzle, der im Sommer 2009 in Händels Theodora beeindruckte, singt die Titelrolle. In weiteren wichtigen Partien Mojca Erdmann, die ihre internationale Karriere in Salzburg in Armida gestartet hat, sowie der deutsche Tenor Matthias Klink. ELEKTRA Die archaisch-rauschhaften, dionysischen Elemente der griechischen Tragödie und der Einfluss Nietzsches prägten auch Hugo von Hofmannsthals Auseinandersetzung mit dem Mythos. Mit Elektra (1906–1908) steht das erste gemeinsame Werk der Festspielgründer Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal auf dem Spielplan des Großen Festspielhauses 2010. Strauss hatte Hofmannsthals Schauspiel Elektra 1903 in der Uraufführungsinszenierung eines weiteren Gründungsvaters der Festspiele, Max Reinhardt, kennen gelernt und den Plan zur Vertonung gefasst. 7 In Salzburg wird sich der international erfolgreiche italienische Dirigent Daniele Gatti am Pult der Wiener Philharmoniker der hochexpressiven Partitur annehmen. Für die Hauptrollen wurden vier herausragende Strauss-Interpreten engagiert: Iréne Theorin, ein Shooting-Star unter den dramatischen Sopranen, singt die Elektra, Waltraud Meier die Klytämnestra, EvaMaria Westbroek die Chrysothemis und René Pape den Orest. Nach Erfolgen mit Idomeneo 1990/91 und Schrekers Gezeichneten 2005 legt Nikolaus Lehnhoff mit Elektra seine dritte Regiearbeit bei den Salzburger Festspielen vor. AUSSTELLUNG: 90 JAHRE SALZBURGER FESTSPIELE Mit Elektra gedenken die Salzburger Festspiele auch im Opernprogramm ihrer Gründung im Jahr 1920. Das 90-Jahr-Jubiläum wie auch die Eröffnung des Großen Festspielhauses vor 50 Jahren werden im Programm der Salzburger Festspiele 2010 in Oper, Konzert und Schauspiel immer wieder ins Bewusstsein gerufen. Ein zentrales Ereignis der Feierlichkeiten bildet die Ausstellung Das Große Welttheater – 90 Jahre Salzburger Festspiele 1920–2010, die von 17. Juli bis 26. Oktober 2010 an mehreren Orten in Salzburg zu besichtigen ist. ORFEO ED EURIDICE Ebenso wie Elektra markiert auch Christoph Willibald Glucks Reformoper Orfeo ed Euridice (1762) einen Schlüsselmoment in der Rezeption des antiken Mythos. Dieter Dorn, der neben einer Reihe wichtiger Schauspielproduktionen (darunter die Uraufführung von Thomas Bernhards Die Macht der Gewohnheit 1974) Strauss’ Ariadne auf Naxos und zuletzt Henzes L’Upupa bei den Salzburger Festspielen inszeniert hat, übernimmt die Regie. Maestro Riccardo Muti, der bereits eine maßstabsetzende Einspielung von Glucks Orfeo ed Euridice vorgelegt hat, leitet im Großen Festspielhaus die Wiener Philharmoniker. Zwei führende österreichische Sängerinnen, Elisabeth Kulman und Genia Kühmeier, sowie die am Salzburger Mozarteum ausgebildete bayerische Sopranistin Christiane Karg bilden das Solistentrio in einer Geschichte, in der alles aus Liebe geschieht. LULU Die Kraft des Eros ist im heurigen Spielplan auch in zwei Figuren von geradezu mythischen Dimensionen erfahrbar: Lulu, der Alban Berg seine zweite Oper (1928–1935) widmete und die er als weiblichen Widerpart zu Don Juan betrachtete, wird von der unvergleichlichen französischen Sopranistin Patricia Petibon verkörpert. Michael Schade, Michael Volle, Pavol Breslik und Franz Grundheber sind die Männer, die Lulus Auf- und Abstieg begleiten. Die aus Sofia stammende, in Deutschland ausgebildete Regisseurin Vera Nemirova (*1973) gibt ihr Debüt bei den Salzburger Festspielen. „Ihr Zugriff auf Stücke ist stark. Anstelle von Ehr-Furcht begegnet sie den Gegenständen mit Liebe, Berührung, Angreifen, Begreifen: Indem sie verändert, bewahrt sie“ – so lautete die Begründung der Jury zur Verleihung des Berliner Kunstpreises an die junge Regisseurin. Der deutsche Dirigent Marc Albrecht (*1964), der sich vor allem als Strauss- und Wagner-Interpret sowie durch seinen Einsatz für zeitgenössische Musik höchste Anerkennung erworben hat, dirigiert die Wiener 8 Philharmoniker. 2001 leitete er die Welturaufführung der Oper Celan von Peter Ruzicka an der Semperoper Dresden, von 2003 bis 2006 war er als Dirigent des Fliegenden Holländers bei den Bayreuther Festspielen zu Gast. 2003 gab er sein Debüt bei den Salzburger Festspielen mit Egon Wellesz’ Die Bakchantinnen. Als Bühnenbildner konnte nach dem Erfolg von Cantata profana/Herzog Blaubarts Burg 2008 erneut Daniel Richter, einer der wesentlichsten Maler der Gegenwart, gewonnen werden. Mit der Einladung von Daniel Richter und Jonathan Meese als Bühnenbildner zeigen die Salzburger Festspiele in ihrem Jubiläumsjahr, dass sie neben der Musik und den darstellenden Künsten auch der bildenden Kunst hohen Stellenwert einräumen. DON GIOVANNI & ROMEO ET JULIETTE Der junge kanadische Dirigent Yannick Nézet-Séguin (*1975), der bei seinem Salzburger Debüt 2008 internationale Aufmerksamkeit erregte, dirigiert in diesem Festspielsommer nicht nur die Neueinstudierung von Gounods Roméo et Juliette (Regie: Bartlett Sher) mit dem Mozarteumorchester Salzburg, sondern auch Mozarts Don Giovanni (Regie: Claus Guth) mit den Wiener Philharmonikern. Das Duo Don Giovanni und Leporello wird wieder von Christopher Maltman und Erwin Schrott verkörpert. Die weiblichen Partien übernehmen Aleksandra Kurzak als Donna Anna, Dorothea Röschmann als Elvira und Anna Prohaska als Zerlina. Joseph Kaiser und Joel Prieto teilen sich die Auftritte als Don Ottavio. Als Liebespaar Juliette und Roméo werden Weltstar Anna Netrebko alternierend mit Nino Machaidze und Piotr Beczala alternierend mit Stephen Costello in der Felsenreitschule zu erleben sein. NORMA Ein Bogen zum Mythos wird im Festspielprogramm 2010 auch mit Vincenzo Bellinis Oper Norma (1831) geschlagen, die Richard Wagner mit der antiken Tragödie verglich und von Schopenhauer als „höchst vollkommenes Trauerspiel“ bewundert wurde. Im Zentrum des Werks steht die Druidenpriesterin Norma, die in zwei konzertanten Aufführungen im Großen Festspielhaus von der Prima donna assoluta des Belcanto, Edita Gruberova, gesungen wird. Ihre ebenbürtigen Partner sind Joyce DiDonato, Marcello Giordani und Ferruccio Furlanetto. Friedrich Haider leitet die Camerata Salzburg. YOUNG SINGERS PROJECT sponsored by Credit Suisse Die beliebten Öffentlichen Masterklassen der „Young Singers“, die auf dem Sprung zur künstlerischen Elite hier nachhaltigen Schliff erfahren, finden an vier Nachmittagen in der Großen Universitätsaula statt. Das Mozarteumorchester Salzburg unter Ivor Bolton begleitet die jungen Künstler im Abschlusskonzert, wenn sie ihre Bühnenreife dem internationalen Publikum vorstellen. 9 SALZBURGER FESTSPIELE 2010 __________________________________________________________________________ DAS KONZERT „Musik muss voller Emotion sein, die Emotion voller Komplexität“, schrieb Wolfgang Rihm 1974: ein Satz, der dem Konzertprogramm 2010 als Motto vorangestellt werden könnte. Zwar orientiert es sich mit seinen über 70 Veranstaltungen äußerlich an der traditionellen Struktur von Orchester-, Solisten- und Kammermusik-Abenden, belebt diese jedoch wie schon in den vergangenen drei Jahren durch Schwerpunktsetzungen und die Unverwechselbarkeit der Programmauswahl, immer wieder auch durch ungewöhnliche, neue Hörperspektiven öffnende Werkkombinationen. Fern von jeglicher Routine finden sich Musikerinnen und Musiker in Salzburg zu einmaligen Konstellationen zusammen. KONTINENT RIHM Die Reihe Kontinente, sponsored by roche, widmet sich in der Saison 2010 WOLFGANG RIHM (*1952), einem der profiliertesten deutschen Komponisten der Gegenwart. Neben seiner Uraufführungsoper Dionysos porträtiert ihn das Konzertprogramm im Rahmen von Kontinent Rihm mit zehn Konzerten. Dabei werden verschiedene Phasen seines umfangreichen Schaffens beleuchtet, von seiner „wilden“ Periode der 1970er und frühen 80er Jahre bis hin zu neuesten Werken wie Et Lux (2009), das in der Uraufführungsbesetzung mit dem Arditti Quartet und dem Hilliard Ensemble zu hören ist. Zudem stehen am Programm der Kontinente-Reihe auch Komponisten, zu denen Rihm eine große Affinität besitzt und die seinen künstlerischen Weg begleitet haben, darunter Brahms, Bruckner, Mahler, Schumann, Schönberg und Stockhausen. Rihm hat sich kompositorisch, aber auch in zahlreichen Schriften intensiv mit der Musikgeschichte auseinandergesetzt. Der Kontinent Rihm spürt Wahlverwandtschaften zwischen Rihms Œuvre und Werken unterschiedlichster Epochen nach: Das Spektrum reicht hierbei von Dowland und Gesulado bis zu Morton Feldman. Auch manche Neuentdeckung wird geboten: So steht am Beginn der Reihe die 1915/16 entstandene, kraftvolle Bühnenmusik zu Aischylos’ Choephoren von Darius Milhaud, neben Arthur Honegger und Francis Poulenc ein Gründungsmitglied der Groupe de Six rund um Jean Cocteau. Kombiniert wird das Werk mit Rihms monumentalem „Poème dansé“ Tutuguri mit Martin Wuttke als Sprecher, Martin Grubinger & The Percussive Planet Ensemble und dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin unter Ingo Metzmacher – ein starker Auftakt für all jene, die sich auf die Reise durch den Kosmos des Komponisten Wolfgang Rihm machen wollen. Einen szenischen Abend auf der Perner-Insel in Hallein bestreiten Sasha Waltz & Guests und das Ensemble Modern mit Rihms Jagden und Formen, einem musikalisch-choreografischen Projekt. 10 Den Abschluss der Reihe bilden zwei Matineen der Wiener Philharmoniker mit Christoph Eschenbach und dem Pianisten Tzimon Barto im Großen Festspielhaus: Wolfgang Rihms Ernster Gesang für Orchester (1996), ein Auftragswerk von Wolfgang Sawallisch, wird umrahmt von Werken Schumanns. Und bereits im zweiten philharmonischen Konzert ist unter der Leitung von Riccardo Chailly die Geigerin Anne-Sophie Mutter mit dem ihr gewidmeten Violinkonzert von Wolfgang Rihm Gesungene Zeit zu erleben. BRAHMS-SZENEN Nach Schumann, Schubert und Liszt steht JOHANNES BRAHMS 2010 im Zentrum einer siebenteiligen Konzertreihe. In den Brahms-Szenen werden Querverbindungen zwischen Brahms’ Schaffen und Werken von Zemlinsky und Schönberg, aber auch Isaac, Biber, Bach, Reger, Berg, Webern, Janácek, Schostakowitsch, Ligeti und Kurtág hergestellt. Dabei gilt es Parallelen in der musikalischen Struktur, aber auch in den Empfindungswelten hörbar zu machen. Zum Auftakt der Brahms-Szenen gestaltet der russische, in Versailles lebende Ausnahmepianist Valery Afanassiev einen ganzen Abend mit der verinnerlichten Musik von Brahms’ späten Fantasien, Intermezzi und Klavierstücken. Als eine Art Hommage an Brahms schreibt der Komponist und Klarinettist Jörg Widmann (*1973 in München) für die Salzburger Festspiele Intermezzi für Klavier, die András Schiff am 10. August zur Uraufführung bringen wird. Neben zahlreichen Kammermusikwerken, die von weltweit führenden Instrumentalisten und Ensembles interpretiert werden, kommt auch eine wenig bekannte Fassung von Brahms’ Deutschem Requiem für Soli, Chor und Klavier zu vier Händen zur Aufführung: Unter der Leitung von Thomas Hengelbrock singen und spielen Diana Damrau, Michael Nagy, der Balthasar-Neumann-Chor, Valery Afanassiev und Markus Hinterhäuser. Den zweiten Teil des Abends bestreitet das Zehetmair Quartett mit Schostakowitschs letztem Streichquartett (Nr. 15). Ein Wiedersehen gibt es im Rahmen der Brahms-Szenen mit der international gefeierten Salzburger Mezzosopranistin Angelika Kirchschlager, die außerdem in einem Liederabend gemeinsam mit Ian Bostridge HugoWolfs Spanisches Liederbuch singt. FRÉDÉRIC CHOPIN & ROBERT SCHUMANN Weitere Schwerpunkte im Konzertprogramm gelten ROBERT SCHUMANN (1810–1856) und FRÉDÉRIC CHOPIN (1810–1849), die beide vor 200 Jahren geboren wurden. Werke von Chopin finden sich naturgemäß vor allem in der Sparte der Solistenkonzerte, die wieder die herausragendsten Pianisten der Gegenwart wie Krystian Zimerman, Evgeny Kissin und Maurizio Pollini in Salzburg versammeln. Grigory Sokolov, dessen Klavierabende geradezu auratischen Charakter haben, nimmt sich des Jahresregenten Schumann an. Evgeny Kissin stellt in zwei Programmen Werke von Chopin und Schumann einander gegenüber. 11 In einem zweiteiligen Zyklus der Camerata Salzburg dirigiert Philippe Herreweghe, der sich als einer der Protagonisten der historischen Aufführungspraxis international einen Namen gemacht hat, die vier Symphonien Schumanns in kleiner, transparenter Besetzung. Der in Belgrad geborene Ivo Pogorelich, der nicht nur beim Chopin-Wettbewerb 1980 für Furore sorgte und von Martha Argerich gefördert wurde, übernimmt den Solopart in den beiden Klavierkonzerten von Frédéric Chopin. Eine seltene Gelegenheit, diese Werke in einer solch einzigartigen Interpreten-Konstellation kennenzulernen. KAMMERKONZERTE, SOLISTENKONZERTE, LIEDERABENDE Die ersten beiden Kammerkonzerte gestaltet die unvergleichliche Martha Argerich mit Musikerfreunden, die sie regelmäßig im Rahmen des durch viele CD-Mitschnitte berühmt gewordenen „Progetto Martha Argerich“ beim Lugano Festival um sich versammelt. Der polnische Meisterpianist Krystian Zimerman – ein selbstkritischer Perfektionist, der nur wenige Konzerte im Jahr gibt und mit seinem eigenen Konzertflügel reist – konnte gleich für zwei Auftritte in Salzburg gewonnen werden: Neben einem Chopin-Soloabend am 18. August im Großen Festspielhaus wird er in einem Kammerkonzert mit dem international gefeierten Salzburger Hagen Quartett am 24. August Klavierquintette von Schumann und von Grazyna Bacewicz spielen: Der 1969 verstorbenen polnischen Komponistin, einer Schülerin von Nadia Boulanger, hat Zimerman übrigens seine jüngste CD gewidmet. Leos Janáceks Erstes Streichquartett („Kreutzer-Sonate“) komplettiert diesen besonderen Konzertabend. Gidon Kremer, einer der unkonventionellsten Geiger und seit 1976 regelmäßig bei den Salzburger Festspielen zu Gast, ist diesen Sommer zweimal zu hören: als kongenialer Partner von Valery Afanassiev mit Brahms, Schostakowitsch und Valentin Silvestrov im Großen Festspielhaus und im Haus für Mozart im kammermusikalischen Trilog in Klaviertrios von Tschaikowski, Victor Kissine (*1953) und Robert Schumann. Die Gelegenheit einer Begegnung mit Franz Schuberts drei großen Liedzyklen in Maßstab setzenden Interpretationen bieten drei Abende mit dem Bariton Matthias Goerne und Christoph Eschenbach. Dem deutschen Lied gewidmete Abende gestalten auch die Sopranistin Anja Harteros und der Tenor Jonas Kaufmann, die bei der Kritikerumfrage der Zeitschrift Opernwelt kürzlich zur Sängerin bzw. zum Sänger des Jahres 2009 gekürt wurden. Der gefeierte Countertenor Philippe Jaroussky, der bei den Salzburger Pfingstfestspielen 2009 im Haus für Mozart mit virtuosen Barockarien begeisterte, hat sich in jüngerer Zeit ein ungewöhnliches Repertoire erobert, das er am 27. August präsentiert: französische Lieder, sogenannte Mélodies, aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Ein besonderes Zusammentreffen verspricht das Konzert der beiden Weltstars Rolando Villazón und Hélène Grimaud am 15. August im Großen Festspielhaus. 12 MOZART-MATINEEN Die traditionellen Mozart-Matineen mit dem Mozarteumorchester Salzburg werden geleitet von Ivor Bolton, Marc Minkowski, Ton Koopman und dem 1973 in Paris geborenen Jérémie Rhorer, der von der französischen Kritik zur „Entdeckung des Jahres 2008“ gekürt wurde. Die Sopranistin Diana Damrau und der Pianist Fazil Say sind nur zwei der herausragenden Solisten dieser glitzernden Kleinode, genannt Mozart-Matineen. Nestlé and Salzburg Festival YOUNG CONDUCTORS AWARD Der Preisträger des ersten Nestlé and Salzburg Festival Young Conductors Award wird in einer Matinee am 14. August in der Felsenreitschule das Gustav Mahler Jugendorchester dirigieren. SCHULE DES HÖRENS Die Schule des Hörens werden 2010 Matthias Goerne mit Christoph Eschenbach (Schubert hören – Winterreise) und Wolfgang Rihm (Der Komponist als Hörer) in der Großen Universitätsaula gestalten. 2007 erstmals konzipiert, verführt diese Veranstaltungsreihe das Publikum zum genauen Hin-Hören und erschließt die vielen Perspektiven eines musikalischen Werks. WIENER PHILHARMONIKER Die Wiener Philharmoniker – ein Fixpunkt der Salzburger Festspiele seit deren Gründung – sind wieder mit fünf Programmen in elf Konzerten zu hören. 2010 wird nicht nur das 90-jährige Bestehen der Salzburger Festspiele gefeiert, sondern auch der Einweihung des von Clemens Holzmeister erbauten Großen Festspielhauses vor 50 Jahren gedacht. Am 26. Juli 1960 stand Herbert von Karajan hier am Pult der Wiener Philharmoniker. Genau 50 Jahre später dirigiert Daniel Barenboim die Wiener Philharmoniker im Eröffnungskonzert der Salzburger Festspiele am 26. Juli 2010 im Großen Festspielhaus Daniel Barenboim ist zugleich der Solist in Beethovens Viertem Klavierkonzert. Am Programm stehen außerdem ein Meilenstein der Musik nach 1945: Pierre Boulez’ Notations sowie zum Abschluss Anton Bruckners grandioses Te Deum mit Elina Garanca, Dorothea Röschmann, Klaus-Florian Vogt und René Pape als Solistenquartett und der Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor. Im zweiten Konzert der Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Riccardo Chailly spielt die einzigartige Geigerin Anne-Sophie Mutter das für sie geschriebene Violinkonzert von Wolfgang Rihm mit dem Titel Gesungene Zeit. Die zweite Hälfte des Konzerts bildet Bruckners Vierte Symphonie, die „Romantische“. 13 Bruckner ist auch das letzte Konzert der Wiener Philharmoniker Ende August gewidmet: Bernard Haitink dirigiert die monumentale Fünfte Symphonie. Christoph Eschenbach setzt Robert Schumann ins Zentrum des Konzerts mit den Wiener Philharmonikern: Neben der Zweiten Symphonie sind zwei eher selten aufgeführte Werke für Klavier und Orchester zu hören, zwischen denen der Solist Tzimon Barto die späten, faszinierenden „Geistervariationen“ für Klavier solo vortragen wird. Schumann wird Wolfgang Rihms Ernster Gesang (1996) gegenübergestellt. Zwei außergewöhnliche Werke der Oratorienliteratur führen die französischen Schauspielstars Gérard Depardieu und Fanny Ardant nach Salzburg: Die Wiener Philharmoniker und Riccardo Muti nehmen sich der Partitur von Sergej Prokofjews Iwan der Schreckliche an, die ursprünglich als Musik zu Eisensteins gleichnamigem Film entstand. Gérard Depardieu fungiert als Sprecher, die Mezzosopranistin Olga Borodina und der Bass Ildar Abdrazakov, als Rossinis Moïse aus dem Sommer 2009 in bester Erinnerung, sind die Solisten. Der Salzburger Festspiele Kinderchor und die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor komplettieren die Besetzung. GASTORCHESTER Arthur Honeggers dramatisches Oratorium über die Heilige Johanna von Orléans, Jeanne d’Arc au bûcher, nach einem Text von Paul Claudel dirigiert Bertrand de Billy in der Felsenreitschule am Pult seines ORF Radio-Symphonieorchesters Wien. Die Rolle der Titelheldin rezitiert die französische Schauspielerin Fanny Ardant, die u.a. mit François Truffaut, Alain Resnais und François Ozon (Acht Frauen) drehte und 1997 mit dem César als beste Darstellerin ausgezeichnet wurde. Die Gesangspartien übernehmen u. a. Maria Bengtsson und Gilles Ragon, außerdem wirken der Wiener Singverein und der von den Salzburger Festspielen gegründete Kinderchor mit. Der Gründung vor 90 Jahren als Friedenswerk nach den Gräueln des Ersten Weltkriegs gedenken die Salzburger Festspiele heuer auch mit der Einladung des World Orchestra for Peace, das von Sir Georg Solti ins Leben gerufen wurde. Valery Gergiev wird die Vierte und die Fünfte Symphonie von Gustav Mahler dirigieren. Camilla Tilling gestaltet den Sopranpart. Das Gustav Mahler Jugendorchester wird neben seinem Auftritt unter dem ersten Preisträger des Nestlé and Salzburg Festival Young Conductors Award auch ein Konzert unter der Leitung von Herbert Blomstedt bestreiten. Am Programm stehen Hindemiths Symphonie Mathis der Mahler und Brahms’ Violinkonzert mit der großartigen jungen Geigerin Hilary Hahn, die von der Zeitschrift Gramophone als Künstlerin des Jahres 2008 ausgezeichnet wurde. Das Königliche Concertgebouworchester Amsterdam ist 2010 unter seinem Chefdirigenten Mariss Jansons in Salzburg zu Gast. Hauptwerke von Bartók und Strawinsky umrahmen Mussorgskis eindrucksvolle Lieder und Tänze des Todes mit dem großen Bass Ferruccio Furlanetto. 14 Zwei der bedeutendsten Orchesterlieder-Zyklen des 19. Jahrhunderts wird auch die Weltklasse-Sopranistin Nina Stemme, jüngst als Isolde an Covent Garden umjubelt, mit dem Swedish Chamber Orchestra unter Thomas Dausgaard darbieten: Berlioz’ Les Nuits d’été und Wagners Wesendonck-Lieder. Außerdem sind Schumanns Fragment gebliebene „Zwickauer Symphonie“ und Beethovens Siebte Symphonie zu hören. BERLINER PHILHARMONIKER Den Reigen der großen Gastorchester beschließen traditionell die Berliner Philharmoniker. Am letzten Festspielsonntag dirigiert Sir Simon Rattle das Parsifal-Vorspiel und Epoche machende Orchesterstücke der drei wichtigsten Vertreter der Zweiten Wiener Schule, Schönberg, Berg und Webern. Karita Mattila ist die Solistin in Richard Strauss’ betörenden Vier letzten Liedern. 15 SALZBURGER FESTSPIELE 2010 __________________________________________________________________________ DAS SCHAUSPIEL Das Schauspielprogramm 2010 setzt zwei Schwerpunkte, die verschiedene Programmlinien verbinden und die beiden Hauptakzente des Gesamtprogramms aufnehmen. SOPHOKLES ÖDIPUS AUF KOLONOS JEAN RACINE PHÄDRA JON FOSSE TOD IN THEBEN Zum einen steht für die Festspiele 2010 spartenübergreifend das Thema „Mythos“ im Mittelpunkt. Im Schauspielprogramm schlägt sich dies in drei Produktionen nieder – in Peter Steins Inszenierung von Ödipus auf Kolonos mit Klaus Maria Brandauer als Ödipus. Für seine Rückkehr als Schauspielregisseur entwickelt Peter Stein eine eigene Übersetzung von Sophokles’ Stück. Das Bühnenbild kreiert Ferdinand Wögerbauer, die Kostüme Moidele Bickel. Im republic erfolgt die deutschsprachige Erstaufführung von Jon Fosses Adaption der Sophokleischen Ödipus-Trilogie unter dem Titel Tod in Theben im Young Directors Project. Regie führt Angela Richter in einem Bühnenbild von Katrin Brack, die für ihre letzte Salzburger Produktion (Moliere. Eine Passion) mit dem Theaterpreis Nestroy ausgezeichnet wurde. Matthias Hartmann inszeniert im Landestheater Racines Phädra mit Sunnyi Melles in der Titelrolle. Das Bühnenbild gestaltet der bereits im Vorjahr – mit Jürgen Goschs Möwe – in Salzburg vertretene Bühnenbildner Johannes Schütz. Als ein Reflex auf das Mythen-Thema liest Senta Berger im Literaturprogramm aus Claudio Magris’ Orpheus- und EurydikeParaphrase Verstehen Sie mich bitte recht im Landestheater. 16 STEFAN ZWEIG ANGST – WIDERSTAND DER WIRKLICHKEIT – MAX REINHARDT SOMMERNACHTSTRAUM Einen zweiten Schwerpunkt bildet die Auseinandersetzung mit dem Thema Österreich im 90. Festspieljahr. Auch hier sind es im Wesentlichen drei Produktionen, die darauf Bezug nehmen: Jossi Wielers Inszenierung einer Adaption der Novelle Angst von Stefan Zweig im Landestheater, wodurch diesem großen Wahlsalzburger im Schauspielprogramm der Festspiele erstmals eine Reverenz erwiesen wird. Es spielt André Jung – der unlängst für seinen Rolle des Krapp in Jossi Wielers Festspiel-Inszenierung von Becketts Das letzte Band mit dem Nestroy ausgezeichnet wurde – an der Seite der niederländischen Schauspielerin Elsie de Brauw sowie von Katja Bürkle und Stefan Hunstein. Die Adaption der ZweigNovelle entwickelt Koen Tachelet, der kürzlich mit seiner Dramatisierung von Joseph Roths Roman Hiob an den Münchner Kammerspielen für Furore sorgte. Die Ausstattung übernimmt Anja Rabes, die mit Jossi Wieler bei den Salzburger Festspielen bereits in Rusalka und dem Beckett/Handke-Doppelabend im Vorjahr zusammenarbeitete. Widerstand der Wirklichkeit ist eine andere, weitgehend unbekannte Novelle aus dem Nachlass Stefan Zweigs, die Klaus Maria Brandauer in einer Lesung am Landestheater vorstellen wird. Dabei handelt es sich um einen der wenigen Texte Zweigs, in denen die politische Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts bis hin zu den Aufmärschen der Nationalsozialisten unmittelbar aufgegriffen wird. Komplettiert wird der Stefan-ZweigSchwerpunkt durch ein Film- und Vortragsprogramm in Zusammenarbeit mit DAS KINO und dem Stefan Zweig Center Salzburg. An ihren Gründer Max Reinhardt erinnern die Festspiele im Jubiläumsjahr neben der großen Festspielausstellung durch eine Einladung in sein – der Öffentlichkeit seit seiner Emigration kaum zugängliche – Schloss Leopoldskron: zu einem sinnenfrohen Picknick in dessen weitläufigem Park unter den Vorzeichen des Sommernachtstraums, der szenisch durch Studenten des Mozarteum und eine Open-air-Aufführung der Originalfassung der berühmten Verfilmung durch Max Reinhardt präsent wird. 17 CLAUDIO MAGRIS – BLICKE INS INNERE ÖSTERREICH Einen weiteren Österreich-Schwerpunkt setzt die Reihe „Dichter zu Gast“ mit Claudio Magris, der den Untergang der Donaumonarchie mit dem deutschen Historiker Karl Schlögel unter dem Titel „Das Weltreich der Melancholie“ diskutieren wird und mit dem Musiker Hubert von Goisern über ihrer beider Donaureisen sprechen wird. Drei Filme und drei Städte bilden den Ausgangspunkt für eine Annäherung an drei Wendepunkte der österreichischen Geschichte in der Reihe „Blicke ins innere Österreich“: Claudio Magris erwies sich in seinen Büchern als obsessiver Fährtenleser der Umschläge der großen Geschichte in die reale Lebensgeschichte einzelner Menschen. Wie wirkte sich der Fall des Eisernen Vorhangs 1989 auf das soziale Klima der Stadt Wien aus? Dies erörtert Claudio Magris mit dem Filmemacher Götz Spielmann und dem Autor Michael Stavaric. Welche Auswirkungen hat der Bürgerkrieg von 1934 bis hin zur Gegenwart? Darüber debattiert Claudio Magris mit dem Autor Franzobel und der Historikerin Brigitte Kepplinger im Hinblick auf Michael Scharangs Film Die Kameraden des Koloman Wallisch. Und was geschah 1943 mit den im Salzburger Lager internierten Roma und Sinti, die zuvor in Leni Riefenstahls Film Tiefland mitspielten? Dies untersucht Claudio Magris mit der Filmemacherin Nina Gladitz, mit dem Historiker Gert Kerschbaumer und Rosa Gitta Martl, Mitbegründerin des Linzer Sinti- und Roma Vereins „Ketani“ und Tochter einer der wenigen die Lagerhaft überlebenden Statisten aus Riefenstahls Film. YOUNG DIRECTORS PROJECT 2010 Das von Montblanc International zur Gänze gesponserte Young Directors Project 2010 zeigt vier Produktionen aus den Niederlanden, Belgien, Frankreich und Deutschland. Ihr Spektrum reicht vom magisch-musikalischen Zaubertheater des Ensembles von Jakob Ahlbom, der mit seiner gerade im Entstehen begriffenen Arbeit Innenschau eingeladen wird, über einen Abend zur tragisch prophetischen Welt der Frankenstein-Erfinderin Mary Shelley des Belgiers Claude Schmitz, bis hin zu dem hoch aktuellen, von Sylvain Creuzevault und seiner Kompanie d’ores et déjà entwickelten Revolutionsstück über die Geburtswehen der französischen Demokratie, und der Antikenexpedition in Ödipus’ Welt des norwegischen 18 Dramatikers Jon Fosse in der deutschsprachigen Erstaufführung der Hamburger Regisseurin Angela Richter. Dem Programm eingeschrieben ist im 90. Festspieljahr die Betrachtung des moralischen Wertewechsels im Zuge eines Generationenwechsels – von den mythischen Heroen Ödipus auf Kreon und Polyneikes oder von Theseus auf Hyppolitos, genauso wie die im Hinblick auf die Zäsuren der jüngeren österreichischen Geschichte vom Bürgerkrieg 1934 bis zum Fall des Eisernen Vorhangs 1989. Wie lässt sich Tugend erkennen und durchsetzen? Diese Frage bewegt Jean Racine in seinem Drama Phädra genauso wie Stefan Zweig in seiner Novelle Angst und Sylvain Creuzevault in seinem Stück über die Zeit nach der Französischen Revolution um 1793. 19 SALZBURGER FESTSPIELE 2010 __________________________________________________________________________ DIE SALZBURGER FESTSPIELE IN ZAHLEN KARTENGELDEINNAHMEN 2009 ca. € 23.000.000 Gesamteinnahme Sommer BESUCHER 213.055 2.205 10.838 226.098 22.559 248.657 in 198 regulären Veranstaltungen in 1 verkauften Generalprobe in 41 Sonderveranstaltungen in 21 Einlass- und Generalproben Die PLATZAUSLASTUNG liegt bei 93%. HERKUNFT DER BESUCHER 68 Nationen 34 außereuropäische Nationen Speziell in den asiatischen Ländern u.a. Japan wurde im Juni massiv vor Reisen ins Ausland auf Grund der „Neuen Grippe“ gewarnt. Kunden und Reiseveranstalter waren besorgt und haben teilweise in diesem Zeitraum ihre Kartenkäufe storniert. Umso erfreulicher ist es, dass nach 2 rückläufigen Saisonen die Kartenkäufe aus Japan um 5% zum Vorjahr gestiegen sind. Erfreuliche Zuwächse sind auch heuer wieder aus Russland zu berichten. Hier konnten die Kartenkäufe um 60% gesteigert werden, der Umsatz sogar verdoppelt werden. Den Spitzenplatz aber nimmt in diesem Jahr China ein. Hier konnten der Umsatz der Kartenkäufe sogar verdreifacht werden. Der Fokus 2009 lag besonders auf den Kernmärkten Österreich, Deutschland, Schweiz, Italien und Frankreich. In diesen Ländern konnten die Kartenumsätze stabil zum Vorjahr gehalten werden. Überraschenderweise hielt sich aber auch der Rückgang in den USA mit nur 7% der gekauften Karten im Vergleich zum Vorjahr in Grenzen. 20 Mehr Private Besucher, weniger Firmenkunden In diesem Jahr können die Salzburger Festspiele bei privaten Kunden ein Plus von + 10 % verzeichnen. Dem gegenüber steht ein Minus von – 10% bei Firmenkunden. Auf die Gesamtkartenanzahl umgelegt kommt es somit zu einer prozentuellen Verschiebung zwischen Firmenkunden und Privatkunden um 5% in Richtung Privatkunden im Vergleich zum Vorjahr. JUGENDPROJEKTE Es wurden 3.728 Karten zu stark herabgesetzten Preisen (10-15% der Originalpreise) an jugendliche Besucher abgegeben. HUNGER AUF KUNST UND KULTUR Für Einlass- und Generalproben (Jedermann, Cosi fan tutte, Moise et Pharaon, Theodora, Mozart-Matineen) wurden auch diese Jahr wieder Karten an die Laube vergeben, die diese Karten an Sozialeinrichtungen/Vergabeeinrichtungen für Hunger auf Kunst und Kultur verteilt hat. Darunter Einrichtungen wie die Armutskonferenz, Saftladen Neutstart, Pro Ecce, Caritas, Samba, Lebenshilfe, Laube. FÖRDERER Die Zahl der aktiven Förderer beträgt 1800. 21