Fachbereich Biologie/Lehrstuhl für Ethik in den Biowissenschaften Ist Klonen für die Lebensmittelerzeugung ethisch vertretbar? Prof. Dr. Eve-Marie Engels Fachgespräch Bündnis 90/Die Grünen Die Grünen/EFA Landtag Bayern 08.07.2011 • • • • Tierethik Verbraucherschutz, Verbraucherautonomie Soziale und globale Gerechtigkeit Fazit 2 |08.07.2011 Eve-Marie Engels 1. Tierethik Um welche Tiere handelt es sich? Wirbeltiere Säugetiere Fische Amphibien Reptilien Vögel 3 | 08.07.2011 Eve-Marie Engels Zur Vermeidung von Missverständnissen Nicht nur Wirbeltiere und nicht nur die Klasse der Säugetiere sind schützenswert. Da es sich bei den zur Diskussion stehenden Klontieren jedoch um Säugetiere handelt, sind nur diese Gegenstand des Vortrages. 4 | 08.07.2011 Eve-Marie Engels Säugetiere Empfindungsfähige Tiere Schmerzen, Leiden, Wohlbefinden, Freude Möglichkeiten der Schädigung und des Wohltuns 5 | 08.07.2011 Eve-Marie Engels Was ist in diesem Kontext ein Klon? Ein durch künstlich herbeigeführte ungeschlechtliche Vermehrung erzeugtes Lebewesen mit denselben Erbanlagen im Zellkern wie ein anderes Lebewesen 6 | 08.07.2011 Eve-Marie Engels Klonen durch SCNT somatic cell nuclear transfer Ungeschlechtliche, eingeschlechtliche Vermehrung von Lebewesen, die sich unter natürlichen Bedingungen zweigeschlechtlich vermehren Keine Neukombination von Erbanlagen 7 | 08.07.2011 Eve-Marie Engels Klonen ist daher nicht nur eine weitere Reproduktionstechnik, vergleichbar mit der In-vitro-Fertilisation (IVF) In-vitro-Fertilisation = geschlechtliche Fortpflanzung Anwendung der IVF beim Menschen, nicht aber des Klonens zu Fortpflanzungszwecken 8 |08.07.2011 Eve-Marie Engels Klonen durch SCNT Erhebliche Aushebelung natürlicher Reproduktionsmechanismen → gesundheitliche Probleme und Schädigung der Tiere Das Vorkommen natürlicher Klone bei Amöben, Polypen, Bakterien, bestimmten Pflanzen ist kein Argument für das Klonen von Säugetieren. 9 |08.07.2011 Eve-Marie Engels Klontiere nach der „Dolly-Methode“ Maus, Rind, Schwein, Kaninchen, Ziege, Ratte, Rhesusaffe, Hund, Katze u.a. 10 |08.07.2011 Eve-Marie Engels Das „Klonfleisch“ wird von den Nachkommen geklonter Tiere hergestellt. Hierfür müssen jedoch erst einmal Klone erzeugt werden. 11 |08.07.2011 Eve-Marie Engels Ineffizienz, geringe Erfolgsrate Epigenetik → Probleme der Erzeugung exakter und unversehrter „Kopien“ 12 |08.07.2011 Eve-Marie Engels Gesundheitliche Konsequenzen des Klonens für Tiere Betroffene: Leihmütter und Klontiere - hohe Embryotransferraten mit geringem Erfolg - zahlreiche Fehlgeburten - wenige Lebendgeburten - wenige Lebensfähige 13 | 08.07.2011 Eve-Marie Engels Gesundheitliche Konsequenzen des Klonens für Tiere Betroffene: Leihmütter und Klontiere Gesundheitliche Schädigung der Klontiere - Missbildungen - Dysfunktion der inneren Organe - Stoffwechselstörungen - Herzkreislaufprobleme - Immunschwäche - Large-Offspring Syndrom → Kaiserschnitt 14 | 08.07.2011 Eve-Marie Engels Gesundheitliche Konsequenzen des Klonens für Tiere Reduktion der genetischen Vielfalt bei Klontieren durch ungeschlechtliche Vermehrung Erhöhte Anfälligkeit für Krankheiten, auch Infektionskrankheiten? Betrifft dies auch die Nachkommen von Klontieren? 15 | 08.07.2011 Eve-Marie Engels Ethische Relevanz dieser Aspekte: Leiden und Schmerzen der Leihmütter und der Klontiere 16 |08.07.2011 Eve-Marie Engels Moralischer Status von Tieren Moralische Berücksichtigung von Tieren - direkte moralische Berücksichtigung - indirekte moralische Berücksichtigung 17 | 08.07.2011 Eve-Marie Engels Moralischer Status von Tieren Moralische Berücksichtigung von Tieren direkte moralische Berücksichtigung: Eigenwert, Schutzwürdigkeit um ihrer selbst willen, Würde der Kreatur 18 | 08.07.2011 Eve-Marie Engels Moralischer Status von Tieren Moralische Berücksichtigung von Tieren indirekte moralische Berücksichtigung: instrumenteller Wert, Wert als Mittel für die Zwecke anderer 19 | 08.07.2011 Eve-Marie Engels Tierethik und Einstellungen der vergangenen Jahrzehnte Zunehmend Anerkennung auch des Eigenwertes von Tieren: subjektives Wohl und Wehe, Interessen, Integrität, artspezifische Bedürfnisse der Tiere Auch bei der Nutzung von Tieren ist ihr Eigenwert zu berücksichtigen. 20 | 08.07.2011 Eve-Marie Engels Tierschutzgesetz Grundsatz §1 Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. 21 | 08.07.2011 Eve-Marie Engels Tierschutzgesetz §7 (3) Versuche an Wirbeltieren dürfen nur durchgeführt werden, wenn die zu erwartenden Schmerzen, Leiden oder Schäden der Versuchstiere im Hinblick auf den Versuchszweck ethisch vertretbar sind. 22 | 08.07.2011 Eve-Marie Engels Tierschutzgesetz § 11b Es ist verboten, Wirbeltiere zu züchten oder durch bio- oder gentechnische Maßnahmen zu verändern, wenn damit gerechnet werden muss, dass bei der Nachzucht, den bio- oder gentechnisch veränderten Tieren selbst oder deren Nachkommen erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten. 23 | 08.07.2011 Eve-Marie Engels Grundgesetz Art. 20a Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung. (Hervorh. E.-M.E.) 24 | 08.07.2011 Eve-Marie Engels Leitprinzipien für tierliches Wohlbefinden der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) Fünf Freiheiten von bzw. zu - Hunger, Durst und Mangelernährung - Angst und Leid - physischen und Temperatur bedingten Beschwerden - Schmerz, Verletzungen und Krankheit - ein artgemäßes Leben zu führen 25 | 08.07.2011 Eve-Marie Engels Richtlinie 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2010 zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere Erwägungsgrund 12: Tiere haben einen intrinsischen Wert, der respektiert werden muss. 26 | 08.07.2011 Eve-Marie Engels Tierethik - Menschenethik Handlungskontexte im Alltag und in der wissenschaftlichen Praxis Eigenwert des Tieres, aber dennoch ethische Abwägungen zwischen tierlichen und menschlichen Interessen 27 | 08.07.2011 Eve-Marie Engels Zentrale ethische Frage Rechtfertigt der Zweck des Klonens von Tieren für die Fleischproduktion Leiden, Schmerzen, Schädigungen, die Beeinträchtigung des Wohlergehens von Tieren? 28 | 08.07.2011 Eve-Marie Engels Ziele des Klonens von Tieren - effektivere Erzeugung von Hochleistungstieren für die Fleisch- und Milchproduktion - ökonomische Interessen - kulinarische Interessen - wissenschaftliche Interessen 29 | 08.07.2011 Eve-Marie Engels Konsequenzen des Klonens von Tieren Leiden, Schmerzen und Schädigung der Klontiere und ihrer Leihmütter Grundgüter der psychischen und leiblichen Unversehrtheit und das Leben der einzelnen Tiere sind tangiert. 30 | 08.07.2011 Eve-Marie Engels Konsequenzen des Klonens von Tieren Mögliche Konsequenzen des Routineklonens für die generelle Einstellung zum Tier: Verrohung → zunehmende Instrumentalisierung von Tieren, Gefährdung von Tier- und Naturschutztugenden 31 | 08.07.2011 Eve-Marie Engels Konsequenzen des Klonens von Tieren Mögliche Konsequenzen des Routineklonens für die Einstellung zum Klonen von Menschen Dammbruchargument: vom Tierklonen zum Menschenklonen? 32 | 08.07.2011 Eve-Marie Engels 2. Verbraucherschutz, Verbraucherautonomie Recht auf Wissen Kennzeichnungspflicht für Produkte von Klontieren Gesundheitliche Risiken? - Sicherheitsaspekte Inwieweit sind vitale menschliche Interessen tangiert? 33 | 08.07.2011 Eve-Marie Engels Mögliche gesundheitliche Risiken beim Konsum von Klonfleisch durch die Reduktion der genetischen Vielfalt bei Nachkommen geklonter Tiere? 34 | 08.07.2011 Eve-Marie Engels Recht auf Wissen Kennzeichnungspflicht für Produkte von Klontieren - mögliche Bedenken von Verbrauchern aus ethischen Gründen 35 | 08.07.2011 Eve-Marie Engels Bedarf an Klonfleisch? Beobachtbare Reduktion des Fleischkonsums in der Bevölkerung, zunehmende Sensibilität für ethische Probleme, die mit bisherigem Fleischkonsum verbunden sind 36 | 08.07.2011 Eve-Marie Engels Bedarf an Klonfleisch? Hauptargumente für Reduktion des Fleischkonsums - Massentierhaltung, Tiertransporte usw. - Hunger in Ländern der Dritten Welt auch durch Nutzung von Anbauflächen für die Erzeugung von Tierfutter - Schädigung und Zerstörung der Umwelt Für welche Konsumentengruppe wird Klonfleisch produziert? 37 | 08.07.2011 Eve-Marie Engels 3. Soziale und globale Gerechtigkeit Sozialethische Aspekte auf nationaler und globaler Ebene Zunehmendes Gefälle zwischen Armen und Reichen sowohl innerhalb der Industrienationen als auch zwischen Industrienationen und armen Ländern 38 | 08.07.2011 Eve-Marie Engels Güterabwägung - Hochrangigkeit der Klonziele? - Alternativlosigkeit des Mittels Klonen? - Ausreichende Vorklärung? - Realisierbarkeit der Klonziele? - Risiken für Konsument(inn)en? - Generelle Risiken und Gefahren im oben genannten Sinne? 39 | 08.07.2011 Eve-Marie Engels Güterabwägung Unbedenklichkeit für den Menschen beinhaltet nicht schon ethische Vertretbarkeit. Bedenken für den Menschen → Verschärfung der Rechtfertigungsbedürftigkeit in menschenethischer und tierethischer Hinsicht 40 | 08.07.2011 Eve-Marie Engels 4. Fazit Das Klonen von Tieren für die Fleischproduktion ist aus tierethischen und menschenethischen Gründen nicht vertretbar. 41 | 08.07.2011 Eve-Marie Engels Literatur zur Tierethik Ferrari, Arianna: Genmaus & Co. Erlangen: Harald Fischer Verlag 2008. Regan, Tom: The Case for Animal Rights. Berkeley, Los Angeles: University of California Press 1983. Schmidt, Kirsten: Tierethische Probleme der Gentechnik. Paderborn: mentis 2008. Schweitzer, Albert: „Die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben“ (1923), in: Kulturphilosophie. München: C. H. Beck 2007. Singer, Peter (Hrsg.): Verteidigt die Tiere. Frankfurt am Main: Ullstein Verlag 1988. Wolf, Jean-Claude: Tierethik. Neue Perspektiven für Menschen und Tiere. Erlangen: Harald Fischer Verlag. 2. durchges. Aufl. 2005. Wolf, Ursula: Das Tier in der Moral. Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann 1990. Wolf, Ursula (Hrsg.): Texte zur Tierethik. Stuttgart: Reclam 2008. 42 | 08.07.2011 Eve-Marie Engels Stellungnahme zum Klonen von Tieren für die Lebensmittelproduktion The European Group on Ethics in Science and New Technologies to the European Commission: Ethical Aspects of Animal Cloning for Food Supply Opinion No 23, 16 January 2008 Abrufbar unter http://ec.europa.eu/bepa/european-groupethics/docs/publications/opinion23_en.pdf 43 | 08.07.2011 Eve-Marie Engels