2 10. März 2017 Früher war es nur im Süden der Alpen warm genug für Mantis religiosa Thema DIE GOTTESANBETERIN EROBERT DEN NORDEN von Martina Kobiela / pd Impressum Einzige deutschsprachige Tessiner Zeitung: Wöchentliche Ausgabe REDAKTION Chefredaktion: Marianne Baltisberger (mb) Rolf Amgarten (ra) Martina Kobiela (mk) TZ/Magazin Ute Joest (uj), Leitung Bettina Secchi (bs) Die TZ-Redaktion betreut auch: www.ticinoweekend.ch Ständige Mitarbeit Gerhard Lob (gl) Sarah Coppola-Weber (Italien) Agenturen Dienste: Schweizerische Depeschenagentur (sda) Fotoagentur Ti-Press Ticino-Agenda Monica Huwiler Stef Stauffer VERLAG Herausgeber: Giò Rezzonico Verkaufte Aulage: 6’920 (WEMF-beglaubigt, Basis 2015/16) KONTAKTE Verlag und Redaktion Rezzonico Editore SA Via Luini 19, 6601 Locarno Tel. 091 756 24 60 Fax 091 756 24 79 [email protected] (Redaktion); [email protected] (Magazin) [email protected] (Verlag) Abonnements Email: [email protected] Schweiz: 1 Jahr Fr. 149.- (inkl. die Zeitschrift TicinoVino Wein Fr. 33.50) Administration Postcheck 65-200-3 Tel. 091 756 24 00 Fax 091 756 24 09 Marketingleiter Maurizio Jolli Tel. 091 756 24 00 Fax 091 756 24 97 [email protected] Werbung Tessiner Zeitung Via Luini 19 – 6600 Locarno Tel. 091 756 24 37 - Fax 091 756 24 35 [email protected] Werbeberater Antonio Fidanza 079 235 16 40 Giuseppe Scarale 091 756 24 17 Susanna Murara 091 756 24 16 Für kleine Inserate: Publicitas Tel. 091 910 35 65 Fax 091 910 35 49 INSERTIONSPREISE FÜR DIE EINSPALTIGE MILLIMETERZEILE Inseratenseite (Spaltenbreite 25 mm): 81 Rp. - Rubrikanzeigen: Stellenangebote 88 Rp., Immobilien, (nur Inserate): 98 Rp., Occasions-Fahrzeuge 88 Rp., Finanz (nur Inserate): 88 Rp. Todesanzeigen und Vermisstanzeigen (im redaktionellen Textteil): Fr. 2.15 Reklameseite (Spaltenbreite 44 mm): Fr. 2.98; Für Jahresabschlüsse Preisermässigungen Druck Centro Stampa Ticino SA 6933 Muzzano Die Gottesanbeterin ist für ihren Sexualkannibalismus bekannt. Es heisst, dass das Weibchen das Männchen während des Geschlechtsverkehrs bei lebendigem Leibe verschlingt. Dabei beginnt es mit dem Kopf des Männchens. Denn das beeinträchtigt den Kopulationsakt nicht, da dieser vom letzten Hinterleibsnervenknoten des Männchens gesteuert wird. Die Männchen der Mantis religiosa, wie die Gottesanbeterin wissenschaftlich heisst, denken also tatsächlich mit ihren Genitalien. Tatsächlich jedoch kommt es nur selten vor, dass die Weibchen die Männchen während des Sexualaktes verspeisen, wie der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) in einem Mediencommuniqué zur Wahl des Insekts des Jahrs 2017 erläutert. Hingegen komme es durchaus auch vor, dass Männchen sich gegenseitig auffressen oder dass ein Weibchen das andere verschlingt. “Wir wollen mit unserer Wahl diese faszinierende Vertreterin der Fangschrecken ehren und mit Vorurteilen aufräumen”, begründet Prof. Dr. Thomas Schmitt, Direktor des Senckenberg Deutschen Entomologischen Instituts in Müncheberg und Vorsitzender des Auswahl-Kuratoriums, die Entscheidung, Mantis religiosa zum Insekt des Jahres 2017 zu küren. Deswegen wählt ein internationales Kuratorium seit 1999 ein Insekt des Jahres für Deutschland, Österreich und die Schweiz: Die Erfahrung zeige, dass gezielte Informationen über ökologisch ausserordentlich bedeutungsvolle aber oft unterschätzte und vernachlässigte Insekten zu einer breiteren Akzeptanz in der Bevölkerung führten und unbegründete Vorurteile abbauen hülfen. Expansion dank Erderwärmung Die Gottesanbeterin (Mantis religiosa) findet sich besonders oft in Böschungen oder in Gärten. Es muss nur etwas in der Nähe blühen, sodass andere Insekten ihre Beutetiere - angelockt werden. Da sie sehr wärmebedürftig ist, beschränkt sich ihr Vorkommen in Europa auf warme und trockene Orte. Im Süden des Kontinents kommt die Gottesanbeterin im gesamten Mittelmeerraum gängig vor. Auch im Tessin lebt sie häufig an sonnigen Lagen. Im Norden war sie bis vor Kurzem nur selten anzutreffen. Die Gottesanbeterin gehört zu den Arten, die sich mit der Klimaerwärmung immer weiter nach Norden ausbreiten. Ursprünglich stammt Mantis religiosa aus Afrika. Von dort haben sich die bis zu 75 Millimeter langen Weibchen und mit bis zu 60 Millimeter deutlich kleineren Männchen über Südeuropa immer weiter ausgebreitet. Einige der Fundorte nördlich der Alpen mögen auch auf Verschleppung als unbeabsichtigtes “Urlaubsmitbringsel” aus dem Süden zurückgehen. Aber insgesamt sei die Art ein gutes Beispiel für die Auswirkung des globalen Klimawandels auf die mitteleuropäische Tierwelt. Mit steigenden Temperaturen werde sich die Gottesanbeterin voraussichtlich immer weiter ausbreiten, heisst es von Seiten des internationalen Kuratoriums “Insekt des Jahres”. Ungiftig und unschädlich Gottesanbeterinnen sind nicht giftig und gelten auch nicht als Schädlinge. Sie beissen auch nicht. Jedoch sollten sie nicht eingesammelt werden, denn sie sind geschützt. Zwar wird die Haltung der Fangschrecken in Terrarien oder auf Zimmerpflanzen immer beliebter, Wildfänge dürfen dafür jedoch nicht genutzt werden. An ihren Fangarmen hat die Gottesanbeterin Widerhaken, die verhindern, dass einmal gefangene Beutetiere wieder entkommen. Sie hat keine Zähne sondern Mandibeln als Fresswerkzeuge. Sie frisst Spinnen, Bienen, Fliegen, Feldheuschrecken und andere Insekten, manchmal sogar Kleintiere, die sich in ihrer Nähe bewegen. Die Gottesanbeterin hat ausserordentlich gute Augen. Dank der grossen runden Facettenaugen, die weit auseinanderliegen, hat sie ein grosses Blickfeld. Die meisten Facettenzellen dienen dazu, Bewegung zu registrieren. Einige ihrer Augenzellen in der Mitte des Auges sind besonders auf die Weitsicht eingestellt und erlauben es ihr, viele Details wahrzunehmen. Deshalb kann Mantis religiosa häufig dabei beobachtet werden, wie sie ihren Kopf ruckartig bewegt, um sich irgendetwas genauer anzusehen. Wenn sie eine Beute entdeckt hat, die etwas weiter entfernt ist, beginnt sie Die im Tessin häuig vorkommenden Tiere sitzen meist ruhig auf Planzen und spähen nach Beute ganz langsam zu klettern und macht dabei schaukelnde Bewegungen. Mit dem Schaukeln imitiert sie ein Blatt im Wind. Sie schnappt extrem schnell zu. Auch aus völligem Stillstand. Mit blossem Auge kann die Bewegung nicht erkannt werden. Gottesanbeterinnen sitzen zwar meistens regungslos und lauern auf Beute, doch sie haben Flügel und können fliegen. Eine Insekt des Jahres 2017 Leicht zu erkennen, schwer zu finden Es gibt wohl wenige Insekten, die so einfach zu erkennen sind wie die Gottesanbeterin: Der dreieckige Kopf ist breiter als lang mit grossen weit voneinander entfern liegenden Facettenaugen. Das wohl eindeutigste Merkmal sind die zu Fangarmen ausgebildeten, grossen Vorderbeine, die an einem verlängerten Brustsegment hervorgehen. Während die Weibchen grösser sind und nur kurze Flügel haben, haben die kleineren und schlankeren Männchen voll ausgebildete Flügel. Obwohl die Gottesanbeterinnen relativ gross sind (bis zu 7.5 cm), sind sie nicht leicht in der Natur zu finden. Das liegt daran, dass sie meist still auf einer Pflanze sitzen und nach Beute spähen. Ihre Anwesenheit zeigt sich vor allem im Herbst durch die auffallenden 10 bis 30 mm grossen pilzartigen Eigelege, die sogenannten Ootheken, die an Pflanzen befestigt sind. Die Eier überwintern in den Ootheken. Die Larven schlüpfen im Frühling. mk fliegende Gottesanbeterin zu sehen ist jedoch eine Seltenheit. Gottesanbeterinnen erspähen Beute mit ihren Augen und sind – unter anderem – deshalb tagaktiv. Sie erlebt nur einen Sommer Die Gottesanbeterin lebt nur ein Jahr lang. Nachdem die Tiere im Frühling als Larven geschlüpft sind, durchlaufen sie – je nach Geschlecht – bis zu sechs verschiedene Larvenphasen. Bereits in diesem jungen Stadium lebt Mantis religiosa räuberisch und ernährt sich ausschliesslich von anderen Kleinsttieren, die sie bei lebendigem Leib verspeist. Erst im Hochsommer tauchen die ersten erwachsenen Tiere auf. Etwa zwei Wochen nach der Häutung zum Erwachsenenalter werden die Tiere geschlechtsreif. Einige Tage nach der Begattung legen die Weibchen ihre Eier in einer sogenannten Oothek ab. Sie schlagen dazu ein Sekret aus ihrem Hinterleib schaumig und legen darin bis zu 200 Eier ab. Diese Eigelege befestigen die Sechsbeiner an Pflanzen, aber auch an Regenrinnen, Gartentischen und -stüh- len, Fensterbänken und allen anderen Gegenständen, die dem Weibchen geeignet scheinen. Die Schaummasse erhärtet schnell und gibt der nächsten Generation von Gottesanbeterinnen Schutz vor kalten Temperaturen und anderen Wettereinflüssen im Winter. Im Herbst verenden die erwachsenen Tiere, während ihre Nachkommen in den gut isolierten Eigelegen überwintern. Die erwachsenen Tiere erwarten ihren Tod oft regungslos und werden oft von grösseren Tieren, wie zum Beispiel Vögeln, gefressen, bevor der Winter einbricht. Das Insekt des Jahres wird seit 1999 proklamiert. Die Idee hierzu stammte vom Prof. Dr. Holger Dathe, damaliger Leiter des Senckenberg Deutschen Entomologischen Instituts in Müncheberg. Ein Kuratorium, dem namhafte Insektenkundler und Vertreter wissenschaftlicher Gesellschaften und Einrichtungen angehören, wählt jedes Jahr aus zahlreichen Vorschlägen ein Insekt aus. Der Nabu ist vertreten durch Werner Schulze, Sprecher des Bundesfachausschusses Entomologie.