Reproduktionsmedizin, P. Beyer und D. Löhrer

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Reproduktionsmedizin /
Sexualmedizin
Tutorium: Medizinische Psychologie
Petra Beyer
SS 05
Reproduktionsmedizin
n Eine Fruchtbarkeitsstörung bzw. Infertilität liegt dann
vor, wenn bei einem Paar entgegen seinem expliziten
Willen nach mehr als 24 Monaten trotz regelmäßigem,
ungeschütztem Sexualverkehr keine
Schwangerschaft eintritt (WHO)
n 3-8% aller Paare sind ungewollt kinderlos
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Ursachen
Ursachen bei der Frau:
n Schädigung des Eileiters Tubenpathologie (altersunabhängig!)
à Herstellung der Eileiterdurchgängigkeit, Behandlung von
Verwachsungen
n Hormonelle Störungen (alterabhängig!)
à Induktion des Eisprunges
Ursachen beim Mann:
n eingeschränkte Samenqualität (altersunabhängig!)
à Korrektur verschlossener Samenwege, Behandlung von
Samenentleerungsstörungen, Verbesserung der Samenqualität
Bei 10 bis 15% liegt eine idiopathische Sterilität (ohne erkennbare
Ursache) vor
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Konsequenzen ungewollter
Kinderlosigkeit
EMOTIONAL
n
Trauer, Ohnmacht/Kontrollverlust, Wut, Neid, Schuld,
Minderwertigkeit.
n
Depression, Angst, psychosomatische Symptome.
KÖRPERLICH
n
Veränderung des Körperbildes (wertlos, unattraktiv) und der
Selbstwahrnehmung (verstärkte Selbstbeobachtung),
n
Kränkung in Bezug auf die Weiblichkeit bzw. Männlichkeit.
SOZIAL
n
Kommunikationsstörungen und Missverständnisse in der
Partnerschaft
n
Beeinträchtigung im sexuellen Erleben
n
Soziale Isolierung/Rückzug von Paaren mit Kindern
n
Stigmatisierung und Erleben von Unverständnis
n
Berufliche Schwierigkeiten (Fehlzeiten!)
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Beeinträchtigungen sind abhängig
von der
n Stärke und Dauer des Kinderwunsches
n Bedeutung, die einem Kind für die persönliche und
partnerschaftliche Weiterentwicklung beigemessen
wird
n Existenz alternativer Lebenskonzepte
n Individuellen Bewältigungsstrategien und der
Kompetenz des Paares, mit Krisen gemeinsam
umzugehen.
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Rolle des Arztes
1. KINDERWUNSCHANAMNESE
n Wie lange versuchen Sie schon, schwanger zu werden?
n Warum soll das Kind gerade jetzt kommen? Wie hat sich Ihr
Kinderwunsch entwickelt?
n Gab es Fehlgeburten, Totgeburten oder
Schwangerschaftsabbrüche?
n Welche körperlichen und seelischen Beschwerden haben Sie?
Wer leidet mehr unter der Kinderlosigkeit?
n Was hat sich seit der Diagnose der Fertilitätsstörung in Ihrer
Partnerschaft bzw. in Ihrem Leben verändert?
n Was denken Sie, was sind die Ursachen Ihrer Kinderlosigkeit?
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Rolle des Arztes
2. INFORMATIONEN
n Auf die Fortpflanzung bezogene körperliche Vorgänge
n Aktuelle reproduktionsmedizinische Behandlungstechniken
n Risiken und Nebenwirkungen der Medikamente und
therapeutischen Verfahren
n Körperliche und psychische Belastungen, die während der
Therapie auftreten können
n Finanzielle Kosten
n Alternativen, die anstelle einer Behandlung oder auch nach
einer erfolglosen Behandlung hilfreich sein können.
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AUCH DAS GILT ES ZU
BEACHTEN
n
n
n
n
wissenschaftlich gesichert Erfolgswahrscheinlichkeiten
Hormonstimulation und Insemination 5-10%
In vitro Fertilisation 24.3%; Intrazytoplasmatische
Spermieninjektion 25,7%; Gamete Intrafallopian Transfer 1518%; Kryokonservierung 14,7%) nennen, um unrealistische
Erwartungen zu reduzieren.
Es handelt sich um einen Versuch und kein Verfahren mit
Erfolgsgarantie!
Entscheidung über Beginn und Fortsetzung der Behandlung an
das Paar übergeben, damit das Paar wieder ein gewisses Maß
an Kontrolle über die Situation erlangt
Das Risiko von Mehrlingsschwangerschaften steigt bei der
reproduktionsmedizinischen Behandlung an (Zwillinge: 1,18%>34,47%; Drillinge: 0,013%->3,66%). Dies ist mit erhöhten
Risiken und Belastungen verbunden
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Eine psychologische Intervention
ist indiziert, wenn
ein Partner oder beide (bei 15-20%)
n unter manifesten psychischen Störungen leiden
n durch den unerfüllten Kinderwunsch sehr belastet
sind
n zum leiblichen Kind keine andere Lebensoption
mehr zulassen
n nach erfolglosen Behandlungen ungeduldig auf die
Weiterführung der Maßnahmen drängen
n wenn alle bisher durchgeführten
Behandlungsmaßnahmen erfolglos verlaufen sind
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Einflussfaktoren langfristiger
Bewältigung:
ADAPTIV
n Bewusste Trauer um die Kinderlosigkeit
n Bewusste Übernahme der
Entscheidungskompetenz in Hinblick auf eine
reproduktionsmedizinische Behandlung
n Frühzeitige Suche nach Alternativen zum Kind
n Ausbau sozialer Kontakte
n Ent-Idealisierung von Elternschaft und eine
realistische Sicht auf die Bedeutung von Kindern
für das eigene Wohlbefinden
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Einflussfaktoren langfristiger
Bewältigung:
MALADAPTIV
n Wahrgenommenen Unterscheide im Bedauern
über den unerfüllt gebliebenen Kinderwunsch
zwischen den Partnern
n Fokussierung auf Kinder als wesentliches
Lebensziel
n Verharren im Gefühl der Machtlosigkeit
bezüglich der Kinderlosigkeit
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Sexualmedizin
n 75% der Allgemeinärzte sprechen ihre
Patienten „selten bis sehr selten“ auf
Sexualität an
n Patienten, die eine Hamburger
Spezialambulanz für sexuell gestörte
Patienten aufgesucht hatten, hatten im
Durchschnitt eine vierjährige erfolglose
Behandlung bei mindestens 2 bis 3
Ärzten hinter sich
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Notwendige Voraussetzungen
für einen kompetenten Umgang
mit dem Thema Sexualität:
n Kenntnisse über die anatomischen und
n
n
n
n
physiologischen Grundlagen der Sexualität
Auseinandersetzung mit dem soziokulturellen
Hintergrund der Sexualität
Kenntnisse der Prinzipien der sexuellen
Entwicklung
Kenntnisse der sexuellen Störungen, deren
Ätiologie und Behandlungsmöglichkeiten
Fähigkeit, über Sexualität zu sprechen, sexuelle
Probleme und Konflikte zu erkennen und die
Betroffenen kompetent zu beraten und weiter zu
vermitteln
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Sexuelle Störungen:
n Mindestens 25% der PatientInnen, die einen
Allgemeinarzt, Gynäkologen oder Urologen
konsultieren, leiden unter sexuellen Problemen.
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Sexuelle Probleme (Rangfolge
nach Häufigkeit)
n
n
n
n
n
n
n
n
n
n
n
Dyspareunie der Frau (schmerzhafter Geschlechtsverkehr)
Sexuelle Probleme bei oraler Kontrazeption (Pille)
Erektionsstörung beim Mann
Erregungsstörung bei der Frau
Orgasmusschwierigkeiten der Frau
Sexuelle Probleme im Kontext körperlicher Erkrankungen
Probleme der Alterssexualität
Sexuelle Probleme bei Kindern und Jugendlichen
Probleme mit Homosexualität
Vorzeitige Ejakulation
Sexuelle Deviationen (Perversion/ Abweichungen)
n
Bei den meisten Problemen besteht weniger Behandlungs-, als
mehr Informations- und Aufklärungsbedarf!!
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3 Hauptgruppen sexueller Störungen
(gängigen Diagnoseinventaren)
n Störungen der Sexualpräferenz
n Störungen der Geschlechtsidentität
n Sexuelle Funktionsstörungen
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Störungen der
Sexualpräferenz
n Darunter versteht man persistierende, intensive
sexuell erregende Phantasien und dranghafte
Bedürfnisse und Verhaltensweisen, die sich entweder
auf nichtmenschliche Sexualobjekte (z.B.
Fetischismus),
n das Leiden oder die Demütigung von sich selbst oder
eines Partners (z.B. Masochismus, Sadismus), auf
Kinder (Pädophilie)
n oder andere nicht einwilligungsfähige Personen
beziehen (z.B. Exibitionismus, Voyeurismus).
n Einige dieser Präferenzstörungen sind strafrechtlich
relevant (z.B. Pädophilie, Exhibitionismus)
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Störungen der Geschlechtsidentität
(Transsexualität)
n Wunsch, als Angehöriger des anderen anatomischen
Geschlechtes zu leben und anerkannt zu werden und
ggf. den eigenen Körper mit Hilfe hormoneller und
chirurgischer Maßnahmen dem gewünschten
Geschlecht so weit wie möglich anzugleichen
n (bei Männern 1/30 000; bei Frauen 1/100 000).
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Sexuelle Funktionsstörungen
n Störungen der sexuellen Appetenz (Lustlosigkeit,
sexuelle Aversion) -22% Frauen und 5% Männer
n Störungen der sexuellen Erregung
(Erregungstsörungen der Frau, Erektionsstörungen
des Mannes) –15% Frauen und 5% Männer
n Schmerzen bei sexuellen Kontakt (Dyspareunie,
Vaginismus) –7% Frauen
n Orgasmus- und Ejakulationsstörungen –vorzeitige
Ejakulation bei 21% der Männer
Anmerkung: Prävalenz sexueller Funktionsstörungen
beziehen sich auf Daten aus den USA
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Ursachen sexueller
Funktionsstörungen
n somatische Faktoren wie:
n
n
n
Durchblutungsstörungen
hormonelle Störungen
entzündliche Vorgänge
n Ängste und Konflikte
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n Selbstverstärkungsmechanismus sexueller
Funktionsstörungen
Erwartungsangst
Dsyfunktion
Intakte
Funktion
n Traumatisierende Erfahrungen
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Sexualität und Krankheit:
Chronische Krankheiten mit sexuellen Folgen:
n Innere Medizin (Niereninsuffizienz, Gelenkerkrankungen, Karzinome,
Diabetes mellitus, koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt, Hypertonie)
n Prävalenz sexueller Funktionsstörungen bei 35% bis 77,5% der
Diabetiker, 12% der männlichen Diabetiker stellen Erektionsstörungen
als erstes Krankheitssymptom dar, es findet sich ein schleichender
Verlauf von einer Abnahme der Rigidität der Erektion bis hin zu
vollständigen Erektionsstörung (gestört ist nicht die sexuelle Erregung,
sondern nur die genitale Reaktion).
n Diabetesbedingte sexuelle Funktionsstörungen sind Folge der
diabetesbedingten Neuropathie, der myozytären Degeneration, der
vaskulären Insuffizienz und der unzureichenden
Stoffwechseleinstellung.
n Nur 7,7% der Diabetiker sind nach eigener Einschätzung im Hinblick
auf die sexuellen Folgen ihrer Erkrankung adäquat beraten worden.
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Sexualität und Krankheit:
n Urologie/Andrologie (Fractura penis, Penis-, Prostata- und
n
n
n
n
Hodenkarzinom, sexuell übertragbare Krankheiten, Infertilität,
Fehlbildungen, Traumen und entzündliche Erkrankungen des
Urogenitalraumes)
Gynäkologie (chronische Genitalinfektionen, Hyperprolaktinämie,
gynäkologische Tumoren)
Neurologie (Epilepsie, Narkolepsie, Multiple Sklerose, Morbus
Parkinson, Zerebrale Läsionen, Schlaganfall, Myelopathie,
Spina bifida, Myelozele, Spinale Querschnittslähmung,
Neuropathien, Orgiastischer Kopfschmerz)
Psychiatrie (Alkoholismus, Süchte, Psychosen, affektive
Störungen, Oligophrenien, Ess-Störungen)
Dermatologie (Psoriasis, Vulvadystrophie, Neurodermitis)
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Sexualität und Krankheit:
n Die in diesem Zusammenhang festzustellenden
sexuellen Störungen führen in der Regel zu einer
Reduktion bis hin zu einem völligen Versiegen der
sexuellen Aktivitäten.
n In seltenen Fällen kommt es aber auch zu einer
erheblichen Zunahme sexueller Aktivität
(„Hypersexualität“, z.B. bei einzelnen Fällen der
Epilepsie, beim Frontalhirnsyndrom, in der Manie).
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Sexualität und Medikamente:
Beeinträchtigung die sexuellen Funktionsfähigkeit
durch
n Herz-Kreislauf-Mittel
(Beta-Blocker und andere Anti-Hypertensiva)
n Psychopharmaka
n Hormone und Antihormone
n Diverse Magen-Darm-Mittel (H2-Rezeptor- und
Dopamin-2-Antagonisten)
n Parkinson-Mittel
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Hilfen bei sexuellen Problemen:
n Medikamente?!
rein medikamentöse Behandlung von sexuellen
Funktionsstörungen (z.B. mit VIAGRA) birgt die
Gefahr, dass zwar das Symptom beseitigt, aber das
Problem nicht gelöst wird!
n + Folge der Nebenwirkungen
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Sexualanamnese:
n Art der Störung (Dauer, Verlauf, Umstände, Bewertung)
n Gegenwärtiges Sexualverhalten (Praktiken, Kommunikation,
n
n
n
n
n
n
n
Abneigungen, Häufigkeiten, Erleben)
Soziosexuelle Entwicklung (Umgang mit Sexualität im Elternhaus,
Aufklärung)
Sexuelle Lerngeschichte (Erfahrungen in Kindheit, Pubertät und
Adoleszenz)
Frühere Partnerbeziehungen (Anzahl, Dauer, sexuelle Zufriedenheit)
Aktuelle Partnerbeziehung (Zusammenleben, Familienplanung,
ökonomische und soziale Situation)
Entwicklung der Beziehung (Kennen lernen, Attraktion,
Außenbeziehungen)
Beziehungsstruktur (Rollenverteilung, Kritik, Kommunikation, sexuelle
Einstellung)
Therapiemotivation (Initiative zur Behandlung, aktueller Leidensdruck)
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Therapie:
n Sexuelle Funktionsstörungen sind mittels
störungsspezifischer psychotherapeutischer Ansätze
n
n
n
gestufte Verhaltensanleitungen für das Paar
„Koitusverbot“
Bearbeitung zugrunde liegender Paarprobleme)
n erfolgreich zu behandeln.
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Übung
n ein Rollenspiel, in dem Sie eine Sexualanamnese
erheben.
n Dazu müssen Sie nicht über ihre eigene Sexualität
sprechen.
n Ziel diese Rollenspieles ist es, zu lernen über
Sexualität zu sprechen.
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