Institut für Elektrotechnik Übungen zu Elektrotechnik I Version 3.0, 02/2002 Laborunterlagen 1 Gleichstromkreise 1.1 Kirchhoff’sche Gesetze Die Berechnung von verzweigten Stromkreisen erfolgt im einfachsten Fall durch Anwendung der beiden Kirchhoff’schen Gesetze. Für die Erläuterung der beiden Gesetze betrachten wir folgendes beispielhafte Schaltbild. U1 I1 R1 I2 UB U2 R2 (1) I3 R3 I4 R4 Abb. 1.1 1.1.1 1. Kirchhoff´sches Gesetz (Knotenregel) ∑ Ii = 0 (1.1) Die Summe aller an einem Stromverzweigungspunkt („Knotenpunkt“) zufließenden und aller wegfließenden Ströme ist gleich Null. Hierbei werden zur Festlegung einer Bezugsrichtung die zufließenden Ströme mit positivem Vorzeichen („+“), und die wegfließenden Ströme mit negativem Vorzeichen (“-“) eingesetzt. Für den in Abb. 1.1 dargestellten Knoten (1) gilt folgende Gleichung: Seite 1.1 (von 22) Institut für Elektrotechnik Übungen zu Elektrotechnik I Version 3.0, 02/2002 Laborunterlagen I1 − I2 − I3 − I 4 = 0 1.1.2 (1.2) 2. Kirchhoff´sches Gesetz (Maschenregel) Für dieses Gesetz werden die Maschen eines elektrischen Netzwerkes betrachtet, womit ein beliebiger, über die Zweige des Netzwerkes geschlossener Weg bezeichnet wird. ∑ Ui = 0 (1.3) Die Summe aller in einer Masche wirkenden Spannungen ist gleich Null. Vorgehen bei der Festlegung einer Zählpfeilrichtung: 1. Alle Spannungsquellen der betreffenden Masche erhalten einen vom positiven Anschluss (+) zum negativen Anschluss (-) weisenden Spannungszählpfeil. 2. Die Ströme in den einzelnen Zweigen der Masche erhalten willkürlich gewählte Zählpfeile. 3. Alle passiven Verbraucher erhalten Spannungszählpfeile in der selben Richtung wie der durch den betreffenden Verbraucher fließende Strom („Verbraucher-Zählpfeilsystem“). 4. Es wird ein beliebiger Umlaufsinn als positive Umlaufrichtung festgelegt. 5. Gemäß obiger Maschenregel wird nun die Summe aller Spannungen dieser Masche gebildet, wobei alle Spannungen in Richtung der gewählten Umlaufrichtung positiv, und alle entgegengesetzt gerichteten Spannungen negativ einzusetzen sind. Für die in Abb. 1.1 strichliert eingezeichnete Masche gilt folgende Gleichung: − UB + U 2 + U1 = 0 (1.4) Wenn sich aufgrund der rechnerischen Auswertung der Kirchhoff´schen Gesetze eines Netzwerkes negative Werte für Ströme oder Spannungen ergeben, bedeutet dies nicht zwangsläufig einen Rechenfehler, sondern lediglich, dass die betreffende Zählpfeilrichtung eben in „falscher“ Richtung angenommen wurde, und daher die tatsächliche Richtung entgegen der angenommenen ist. 1.2 Ohm’sches Gesetz I= U R (1.5) Der durch einen Verbraucherwiderstand R fließende Strom I ist umso größer, je größer die treibende Spannung U und je kleiner der - den Stromfluss bremsende Widerstand R eines Verbrauchers ist. Seite 1.2 (von 22) Institut für Elektrotechnik Übungen zu Elektrotechnik I Version 3.0, 02/2002 Laborunterlagen 1.3 Serienschaltung von Widerständen I UB R1 R2 R3 U1 U2 U3 Abb. 1.2 Ausgehend von Gleichung (1.3) folgt als Maschengleichung für Abb.1.2: − UB + U 2 + U1 + U 3 = 0 (1.6) UB = (I ⋅ R 1 ) + (I ⋅ R 2 ) + (I ⋅ R 3 ) (1.7) Mit UB = I ⋅ R Ges folgt: I ⋅ R Ges = (I ⋅ R 1 ) + (I ⋅ R 2 ) + (I ⋅ R 3 ) Die Division durch I liefert den Gesamtwiderstand der Serienschaltung: R Ges = R1 + R 2 + R 3 (1.8) Spannungsteiler - Regel Es ist offensichtlich, dass bei einer Serienschaltung von Elementen durch jedes Element derselbe Strom I fließt. I = IR1 = IR 2 = IR 3 Daraus folgt unmittelbar „Spannungsteiler-Regel“: (1.9) die Aufteilung der Gesamtspannung Seite 1.3 (von 22) gemäß folgender Institut für Elektrotechnik Übungen zu Elektrotechnik I Version 3.0, 02/2002 Laborunterlagen U UB U U = 1 = 2 = 3 R ges R 1 R 2 R 3 (1.10) „Gesamtspannung durch Gesamtwiderstand ist gleich der Teilspannung durch den Teilwiderstand“. Daraus erhält man z.B. für die Teilspannung U 2 : U2 = • R2 ⋅ UB R Ges (1.11) Unbelasteter Spannungsteiler: Die Abb. 1.3 zeigt nochmals das Schaltbild eines unbelasteten Spannungsteilers und die zugehörige Formel zur Berechnung der Ausgangsspannung U2 des Spannungsteilers (z.B. die Teilspannung am Widerstand R2). R1 U1 R2 U2 Abb. 1.3 U2 = • R2 R2 ⋅ UB = ⋅ UB R ges R1 + R 2 (1.12) Belasteter Spannungsteiler: In Abb. 1.4 ist an den Anschlüssen der Ausgangsspannung U2 eine Last (in diesem Beispiel ein Ohm’scher Widerstand R3) angeschlossen. Nun gilt nicht mehr die oben angeführte, einfache Formel des unbelasteten Spannungsteilers, vielmehr muss auch der Ausgangsstrom I2 durch den Widerstand R3 berücksichtigt werden. In dem in Abb. 1.4 gezeigten Beispiel ist folglich für die Teilspannung U2 der Teilwiderstand R23 bestehend aus der Parallelschaltung von R2 und R3 zu berücksichtigen, wodurch sich die Gleichung (1.13) ergibt. Seite 1.4 (von 22) Institut für Elektrotechnik Übungen zu Elektrotechnik I Version 3.0, 02/2002 Laborunterlagen R1 I2 R2 U1 R3 U2 Abb. 1.4 U2 = R 23 R ges R2 ⋅ R3 R 23 R2 + R3 ⋅ UB = ⋅ UB = ⋅ UB R2 ⋅ R3 R 23 + R 1 + R1 R2 + R3 (1.13) 1.4 Parallelschaltung von Widerständen Iges Iges UB I1 U1 I2 U2 R1 I3 UB U3 R2 R3 Abb. 1.5 I1 U1 I2 U2 R1 I3 U3 R2 R3 Abb. 1.6 Die Schaltung in Abb. 1.6 ist identisch zur Schaltung in Abb. 1.5, lediglich mit einer veränderten Zeichnungsweise für die Knoten, um die später angeführte Knoten-gleichung klar zu erkennen. Ausgangspunkt sind die drei Maschengleichungen: UB - U1 = 0 à UB = U1 UB - U2 = 0 à UB = U2 UB - U3 = 0 à UB = U3 (1.14) (1.15) (1.16) Seite 1.5 (von 22) Institut für Elektrotechnik Übungen zu Elektrotechnik I Version 3.0, 02/2002 Laborunterlagen Mit dem Ohmschen Gesetz folgt: U1 = I1 ⋅ R 1 UB R1 U I2 = B R2 U I3 = B R3 U IGes = B R Ges I1 = U 2 = I2 ⋅ R 2 U3 = I3 ⋅ R 3 UB = IGes ⋅ R Ges (1.17) (1.18) (1.19) (1.20) Durch Einsetzen in die Knotengleichung IGes = I1 + I2 + I3 (1.21) folgt: UB U U U = B + B + B R Ges R 1 R 2 R 3 (1.22) è Gesamtwiderstand der Parallelschaltung: R Ges = 1 R Ges = 1 1 1 + + R1 R 2 R 3 1 1 1 1 + + R1 R 2 R 3 (1.23) Vereinfachung für zwei parallele Widerstände: R Ges = R1 ⋅ R 2 R1 + R 2 (1.24) Daraus ergibt sich bei Parallelschaltung von Widerständen ein Gesamtwiderstand RGes, welcher kleiner ist als der kleinste der parallel geschaltenen Einzelwiderstände. Beispiel: Parallelschaltung von zwei gleichen Widerständen (R1 = R2 = R) R RGes = 2 Seite 1.6 (von 22) Institut für Elektrotechnik Übungen zu Elektrotechnik I Version 3.0, 02/2002 Laborunterlagen Stromteiler - Regel Aus Abb. 1.5 ist ersichtlich, dass bei einer Parallelschaltung von Elementen an jedem Element dieselbe Spannung U anliegt. UB = UR1 = UR 2 = UR3 (1.25) Daraus folgt unmittelbar die Aufteilung des Gesamtstromes gemäß folgender „StromteilerRegel“: IGes ⋅ R Ges = I1 ⋅ R 1 = I2 ⋅ R 2 = I3 ⋅ R 3 (1.26) „Gesamtstrom mal Gesamtwiderstand ist gleich dem Teilstrom mal Teilwiderstand“. Daraus erhält man z.B. für den Teilstrom I2: I2 = R ges R2 ⋅ Iges (1.27) Rechnung mit Leitwerten Der Leitwert G eines ohmschen Elements ist der Kehrwert des Widerstandes R: G= 1 I = R U ... Einheit: Siemens [S] = [Ω-1] (1.28) Je kleiner der Widerstand ist, desto größer ist dessen Leitwert, bzw. Strom-Leitfähigkeit und der Strom durch diesen Widerstand (bei gegebener Spannung). è Gesamtleitwert der Parallelschaltung: G Ges = G1 + G 2 + G 3 = 1 (1.29) R Ges Bei Parallelschaltung von Widerständen addieren sich die Leitwerte. Seite 1.7 (von 22) Institut für Elektrotechnik Übungen zu Elektrotechnik I Version 3.0, 02/2002 Laborunterlagen 1.5 Spannungsquellen Eine ideale Spannungsquelle stellt eine konstante, vom fließenden Laststrom unabhängige Spannung Uq zur Verfügung. Ri I k URi Uq l Ukl RL Abb. 1.8 Jede reale Spannungsquelle (z.B. Batterie) weist jedoch durch ihren nicht idealen inneren Aufbau einen Innenwiderstand Ri auf, welcher als Serienwiderstand dargestellt wird (siehe Abb. 1.8). Die von der Spannungsquelle an ihren Anschlüssen („Klemmen“) dem Lastwiderstand RL (z.B. Glühbirne) zur Verfügung gestellte „Klemmenspannung“ Ukl ist also um den Spannungsabfall URi, welcher durch den Strom I an Ri hervorgerufen wird, kleiner als die nominelle „Quellenspannung“ Uq der Spannungsquelle. Ukl = U q − URi (1.30) Die Größe dieser - die abgegebene Klemmenspannung Ukl vermindernden - Spannung URi ist über das ohmsche Gesetz UR i = I ⋅ R i (1.31) direkt proportional zum fließenden Laststrom I. Ukl = Uq − I ⋅ R i (1.32) Je größer der vom Verbraucher RL aufgenommene Strom I ist, desto kleiner wird die von der Spannungsquelle abgegebene Klemmenspannung Ukl an ihren äußeren Klemmen k und l („die Spannung geht bei Belastung in die Knie“). Seite 1.8 (von 22) Institut für Elektrotechnik Übungen zu Elektrotechnik I Version 3.0, 02/2002 Laborunterlagen 1.6 Schaltvorgänge 1.6.1 Allgemeines Schaltvorgänge sind Einschwingvorgänge beim Ein- oder Ausschalten von Verbrauchern an einer Gleichspannungsquelle. Es muss hier mit - zeitabhängigen - Differenzialgleichungen gerechnet werden, da die komplexe Wechselstromrechnung nur für sinusförmige Vorgänge angewendet werden kann (siehe Kap. 2.1). Die Anzahl der unabhängigen Speicherelemente (L, C) in der Schaltung entspricht der Ordnung der entstehenden Differenzialgleichung - in unseren Fällen handelt es sich um ein Element (L oder C), so dass sich Differenzialgleichungen 1. Ordnung ergeben. Regeln für das Aufstellen der Differenzialgleichungen Bei Schaltvorgängen an Induktivitäten wird die Differenzialgleichung für den Strom i(t) durch die Schaltung aufgestellt, da bei Induktivitäten der Strom i(t) keine Unstetigkeiten aufweist (siehe Abb. 1.12 zum Umschaltzeitpunkt t1). Dadurch ergeben sich definierte Randbedingungen (Anfangs- und Endbedingungen) zur Lösung der Differenzialgleichung (siehe Kap. 1.6.2). Bei Schaltvorgängen an Kapazitäten wird die Differenzialgleichung für die Spannung uC(t) an der Kapazität aufgestellt, da bei Kapazitäten die Spannung uC(t) keine Unstetigkeiten aufweist (siehe Abb. 1.16 zum Umschaltzeitpunkt t1). Dadurch ergeben sich definierte Randbedingungen (Anfangs- und Endbedingungen) zur Lösung der Differenzialgleichung (siehe Kap.). Die nachfolgend beschriebenen Schaltvorgänge stellen den allgemeinen Fall von unterschiedlichen Widerständen (R1, R2) und somit unterschiedlichen Zeitkonstanten (τ1, τ2) im Lade- und im Entladekreis dar. Vorbemerkungen: Der Zählpfeil für i(t) wurde für das Laden (siehe Abb. 1.10, bzw. Abb. 1.14) und für das Entladen (siehe Abb. 1.11, bzw. Abb. 1.15) jeweils in der selben Richtung durch L, bzw. C gewählt, so dass ein unmittelbarer Vergleich der Stromrichtung durch L, bzw. C vor und nach dem Umschalten (Zeitpunkt t1) in der Darstellung des zeitlichen Verlaufs von i(t), bzw. uC(t) in der Übersicht der Abb. 1.12 und Abb. 1.16 möglich ist. Der Zählpfeil für uR2(t) im Entladekreis von L, bzw. C (siehe Abb. 1.11 und Abb.1.15) wurde so gewählt, dass er in die selbe Richtung wie der durch R2 fließende Strom i(t) während des Entladens zeigt (übliches Zählpfeilsystem für Verbraucher: gleiche Richtung von Spannungszählpfeil und Stromzählpfeil). Seite 1.9 (von 22) Institut für Elektrotechnik Übungen zu Elektrotechnik I Version 3.0, 02/2002 Laborunterlagen 1.6.2 Schaltvorgänge an einer Induktivität („Spule“) + R1 1 uR1(t) R2 0 2 S UE L _ i(t) uR2(t) uL(t) Abb. 1.9 + R1 R2 i(t) uR1(t) UE uL(t) L _ L uR2(t) uL(t) i(t) Abb. 1.10 Abb. 1.11 In Abb. 1.9 ist der komplette Schaltkreis für das Laden und Entladen der Induktivität L gezeigt. Der Schalter S wird zu Beginn des Ladens (Zeitpunkt t0) von der Ausgangsposition „0“ in Position „1“ bewegt, wodurch sich der in Abb. 1.10 dargestellte Schaltkreis ergibt. Bei Beginn des Entladens (Zeitpunkt t1) wird der Schalter S von Position „1“ unmittelbar in Position „2“ bewegt, womit sich der Stromkreis gemäß Abb. 1.11 ergibt. Einschalten einer Induktivität (Aufladen) • Die Maschengleichung lautet: uL ( t ) + u R1 ( t ) = UE (1.33) Seite 1.10 (von 22) Institut für Elektrotechnik Übungen zu Elektrotechnik I Version 3.0, 02/2002 Laborunterlagen mit dem Zusammenhang zwischen Strom und Spannung an der Induktivität uL ( t ) = L ⋅ di( t ) dt (1.34) und am Ohm’schen Widerstand u R1 ( t ) = R 1 ⋅ i( t ) (1.35) • Daraus ergibt sich für i(t) eine inhomogene Differenzialgleichung 1. Ordnung: L⋅ di( t ) + R1 ⋅ i( t ) = UE dt (1.36) mit der Randbedingung: i( t = ∞ ) = I∞ = U∞ UE = R1 R1 (1.37) • Die allgemeine Lösung dieser Differenzialgleichung ergibt: U i( t ) = E R1 t − τ1 ⋅ 1− e (1.38) wobei die Zeitkonstante mit τ1 := L R1 (1.39) errechnet wird. • Bestimmung der Spannung uL(t) an der Induktivität U di( t ) uL ( t ) = L ⋅ =L⋅ E dt R1 u L ( t ) = UE ⋅ e − t t − 1 − U R ⋅ − − ⋅ e τ1 = L ⋅ E ⋅ 1 ⋅ e τ1 R1 L τ1 t τ1 (1.40) • Bestimmung der Spannung uR1(t) am Widerstand R1: Seite 1.11 (von 22) Institut für Elektrotechnik Übungen zu Elektrotechnik I Version 3.0, 02/2002 Laborunterlagen t − τ1 uR1 ( t ) = R1 ⋅ i( t ) = UE ⋅ 1 − e (1.41) Probe: uL ( t ) + uR1 ( t ) = UE , bzw. uR1 ( t ) = UE − uL ( t ) ... die Summe der Spannungen uR1(t) und uL(t) ergibt UE (konstant). Ausschalten einer Induktivität (Entladen) • Die Maschengleichung lautet: uL ( t ) + uR 2 ( t ) = 0 (1.42) mit Gleichung (1.34) sowie u R 2 ( t ) = R 2 ⋅ i( t ) (1.43) • Daraus ergibt sich für i(t) eine homogene Differenzialgleichung 1. Ordnung: L⋅ di( t ) + R 2 ⋅ i( t ) = 0 dt (1.44) Randbedingung: i( t = t 1 ) = I1 aktueller Strom durch L beim Beginn des Entladens. • Die allgemeine Lösung dieser Differenzialgleichung ergibt: i( t ) = I1 ⋅ e − t τ2 (1.45) wobei die Zeitkonstante τ 2 := L R2 (1.46) beträgt. • Bestimmung der Spannung uL(t) an der Induktivität: t t − 1 − R di( t ) uL ( t ) = L ⋅ = L ⋅ I1 ⋅ − ⋅ e τ2 = −L ⋅ I1 ⋅ 2 ⋅ e τ2 dt L τ2 uL ( t ) = − I1 ⋅ R 2 ⋅ e − t τ2 = U1,n ⋅ e − t τ2 (1.47) Seite 1.12 (von 22) Institut für Elektrotechnik Übungen zu Elektrotechnik I Version 3.0, 02/2002 Laborunterlagen (Index: U1,n ... U1 unmittelbar nach dem Umschalten) • Bestimmung der Spannung uR2(t) am Widerstand R2: uR2 ( t ) = R 2 ⋅ i( t ) = I1 ⋅ R 2 ⋅ e − t τ2 (1.48) Probe: uL ( t ) + uR 2 ( t ) = 0 , bzw. uR 2 ( t ) = −uL ( t ) ... die Summe der Spannungen uR2(t) und uL(t) ergibt Null. uL(t), uR1(t), uR2(t) Einschalten Ausschalten uR1(t) UE uR2(t) U1,v t1 t τ1 τ2 uL(t) U1,n= = - (I1 x R2) i(t) UE/R1 i(t) I1 t τ1 t1 τ2 Abb. 1.12 Seite 1.13 (von 22) Institut für Elektrotechnik Übungen zu Elektrotechnik I Version 3.0, 02/2002 Laborunterlagen Prinzipiell sei darauf hingewiesen, dass auf Grund unterschiedlicher Widerstände im Ladekreis (R1) und im Entladekreis (R2) die Lade-Zeitkonstante (τ1) im allgemeinen Fall ungleich zu jener während des Entladens (τ2) ist. Verlauf von uL(t): Bei Induktivitäten zeigt der Verlauf von uL(t) beim Umschalten vom Aufladen zum Entladen (= Zeitpunkt t1) eine Unstetigkeit. Die Spannung springt von dem unmittelbar vor dem Umschalten vorhandenen Wert U1,v auf den negativen Wert U1,n unmittelbar nach dem Umschalten. Indizes 1,v, bzw. 1,n bedeuten: U1 unmittelbar vor, bzw. nach dem Umschalten. Die Spannung uL(t) an der Induktivität startet also beim Beginn des Entladens von einem negativen Startwert U1,n , welcher durch den Wert des zum Umschaltzeitpunkt fließenden Stromes I1 und durch den im Entladekreis vorliegenden Widerstand R2 bestimmt wird (siehe Gleichung 1.47). Vorsicht beim Entladen mit offenem Entladekreis (R2 = ∞): Das Entladen von Induktivitäten muss über einen Widerstand R2 < ∞ erfolgen, der die Spannung uL(t) auf einen tolerierbaren Wert begrenzt. Beim Abschalten eines induktiven Verbrauchers mit offenen Klemmen ohne parallelem R2 (R2 = ∞) entsteht kurzzeitig eine unendlich hohe Spannung an der Induktivität ( u L ( t ) = −I ⋅ ∞ nach Gleichung (1.47)), welche als Überschlag sichtbar sein und zur Beschädigung des Verbrauchers und der Schaltorgane führen kann. Erkennbar ist dies z.B. im Haushalt beim Ausschalten induktiver Verbraucher (Heizlüfter, ...) durch kurzzeitige Funken am Schalter. Ebenso kann durch Spannungsmessung an induktiven Verbrauchern mit digitalen Messgeräten beim Ausschalten der induktiven Verbraucher ein Schaden des Messgerätes oder ein Auslösen der internen Sicherung durch die kurzzeitig hohe Ausschaltspannung verursacht werden. Verlauf von uR1(t), uR2(t): Die Spannung uR1(t) ist ja nur während des Ladens vorhanden, die Spannung uR2(t) nur während des Entladens. Es muss jeweils immer die Bedingung der Maschengleichung erfüllt sein, dass die Summe aus uL(t) und uR1(t) den konstanten Wert UE, bzw. die Summe aus uL(t) und uR2(t) den Wert Null ergibt. Verlauf von i(t): Der Strom i(t) verläuft während des gesamten Umschaltvorganges stetig ohne Sprungstelle. Darin zeigt sich die Begründung für die oben empfohlene Vorgangsweise, bei Schaltvorgängen an Induktivitäten die Differenzialgleichung für i(t) zu lösen. Seite 1.14 (von 22) Institut für Elektrotechnik Übungen zu Elektrotechnik I Version 3.0, 02/2002 Laborunterlagen 1.6.3 Schaltvorgänge an einer Kapazität („Kondensator“) R1 + 1 R2 0 2 S uR1(t) C UE _ uR2(t) uC(t) i(t) Abb. 1.13 + R2 R1 i(t) uR1(t) uC(t) UE _ C C uR2(t) uC(t) i(t) Abb. 1.14 Abb. 1.15 In Abb. 1.13 ist der komplette Schaltkreis für das Laden und Entladen der Induktivität L gezeigt. Der Schalter S wird zu Beginn des Ladens (Zeitpunkt t0) von der Ausgangsposition „0“ in Position „1“ bewegt, wodurch sich der in Abb. 1.14 dargestellte Schaltkreis ergibt. Bei Beginn des Entladens (Zeitpunkt t1) wird der Schalter S von Position „1“ unmittelbar in Position „2“ bewegt, womit sich der Stromkreis gemäß Abb. 1.15 ergibt. Einschalten einer Kapazität (Aufladen) • Die Maschengleichung lautet: u C ( t ) + uR1 ( t ) = UE (1.49) mit dem Zusammenhang zwischen Strom und Spannung an der Kapazität Seite 1.15 (von 22) Institut für Elektrotechnik Übungen zu Elektrotechnik I Version 3.0, 02/2002 Laborunterlagen i( t ) = C ⋅ du C ( t ) dt (1.50) und am Ohm’schen Widerstand uR1 ( t ) = R1 ⋅ i( t ) = R1 ⋅ C ⋅ du C ( t ) dt (1.51) • Daraus ergibt sich für uC(t) eine inhomogene Differenzialgleichung 1. Ordnung: u C ( t ) + R1 ⋅ C ⋅ du C ( t ) = UE dt (1.52) mit der Randbedingung: u C ( t = 0 ) = 0 • Die allgemeine Lösung dieser Differenzialgleichung ergibt t − τ1 u C ( t ) = UE ⋅ 1 − e (1.53) wobei die Zeitkonstante mit τ1 := R 1 ⋅ C (1.54) • Bestimmung des Stromes i(t): du ( t ) i( t ) = C ⋅ C = C ⋅ UE dt t 1 − ⋅ − − ⋅ e τ1 = C ⋅ UE τ1 t 1 − τ1 ⋅ e ⋅ ⋅ R C 1 t − U i( t ) = E ⋅ e τ1 R1 (1.55) • Bestimmung der Spannung uR1(t) am Widerstand R1: uR1 ( t ) = R1 ⋅ i( t ) = UE ⋅ e − t τ1 Probe: u C ( t ) + uR1 ( t ) = UE , bzw. (1.56) uR1( t ) = UE − uC ( t ) ... die Summe der Spannungen uR1(t) und uC(t) ergibt UE (konstant). Seite 1.16 (von 22) Institut für Elektrotechnik Übungen zu Elektrotechnik I Version 3.0, 02/2002 Laborunterlagen Ausschalten einer Kapazität (Entladen) • Die Maschengleichung lautet: u C ( t ) + uR 2 ( t ) = 0 (1.57) mit Gleichung (1.50) und uR2 ( t ) = R 2 ⋅ i( t ) = R 2 ⋅ C ⋅ du C ( t ) dt (1.58) • Daraus ergibt sich für uC(t) eine homogene Differenzialgleichung 1. Ordnung: uC (t ) + R 2 ⋅ C ⋅ du C ( t ) =0 dt (1.59) Randbedingung.: u C ( t = t 1 ) = U1 aktuelle Spannung an C bei Beginn des Entladens • Die allgemeine Lösung dieser Differenzialgleichung ergibt: u C ( t ) = U1 ⋅ e − t τ2 (1.60) wobei die Zeitkonstante τ2 = C ⋅ R2 (1.61) beträgt. • Bestimmung des Stromes i(t): t t 1 − du ( t ) 1 − τ2 ⋅ e i( t ) = C ⋅ C = C ⋅ U1 ⋅ − ⋅ e τ2 = C ⋅ U1 ⋅ − dt τ2 R2 × C t t − − U i( t ) = − 1 ⋅ e τ2 = I1,n ⋅ e τ2 R2 (1.62) (Index: I1,n ... I1 unmittelbar nach dem Umschalten) • Bestimmung der Spannung uR2(t) am Widerstand R2: uR2 ( t ) = R 2 ⋅ i( t ) = − U0,1 ⋅ e Probe: uR2 ( t ) + u C ( t ) = 0 − t τ2 (1.63) uR2 ( t ) = −u C ( t ) ... die Summe der Spannungen uR2(t) und uC(t) ergibt Null. Seite 1.17 (von 22) Institut für Elektrotechnik Übungen zu Elektrotechnik I Version 3.0, 02/2002 Laborunterlagen uC(t), uR1(t), uR2(t) Einschalten Ausschalten UE U1 uR1(t) uC(t) t t1 τ1 τ2 i(t) UE/R1= uR2(t) =I0 i(t) t1 I1,v τ1 I1,n = t τ2 = - U1/R2 Abb. 1.16 Prinzipiell sei darauf hingewiesen, dass aufgrund unterschiedlicher Widerstände im Ladekreis (R1) und im Entladekreis (R2) die Lade-Zeitkonstante (τ1) im allgemeinen Fall ungleich zu jener während des Entladens (τ2) ist. Seite 1.18 (von 22) Institut für Elektrotechnik Übungen zu Elektrotechnik I Version 3.0, 02/2002 Laborunterlagen Verlauf von i(t): Bei Kapazitäten zeigt der Verlauf von i(t) beim Umschalten vom Aufladen zum Entladen (= Zeitpunkt t1) eine Unstetigkeit. Der Strom springt von dem unmittelbar vor dem Umschalten vorhandenen Wert I1,v auf den negativen Wert I1,n unmittelbar nach dem Umschalten. Indizes 1,v, bzw. 1,n bedeuten: I1 unmittelbar vor, bzw. nach dem Umschalten. Der Strom i(t) im Entladekreis startet also beim Beginn des Entladens mit einem negativen Startwert I1,n , welcher durch den Wert der zum Umschaltzeitpunkt an der Kapazität anliegenden Spannung U1 und durch den im Entladekreis vorliegenden Widerstand R2 bestimmt wird (siehe Gleichung 1.62). Vorsicht beim Entladen mit kurzgeschlossenem Entladekreis (R2 = 0): Das Entladen von Kapazitäten muss unbedingt über einen Widerstand R2 > 0 erfolgen, der den Strom i(t) auf einen tolerierbaren Wert begrenzt. Beim Entladen eines Kondensators über einen Kurzschluss (R2 =0) würde kurzzeitig ein unendlich hoher Strom im Entladekreis entstehen ( i(t)= -U1/0, siehe Gleichung (1.56)), welcher zu Beschädigungen führen kann. Vorsicht beim Berühren von kapazitiven Verbrauchern kurz nach dem Abschalten: Weiters erkennt man, dass das Absinken der Spannung uC(t) am Kondensator bei einer großen Zeitkonstante (abhängig von τ2 = C R2) entsprechend langsam - der e-Funktion folgend - abläuft. Es kann also durchaus der Fall sein, dass ein Kondensator, der z.B. auf eine Spannung von 230 V aufgeladen wurde, nach Abschalten der Versorgungsspannung noch für einige Zeit (τ2 - abhängig) eine gefährlich hohe Spannung aufweist. Nach Abschalten der Versorgungsspannung ist vor Berühren von Schaltungen, bzw. Verbrauchern mit kapazitiven Elementen eine entsprechende Entladezeit abzuwarten, bzw. ist eine Entlade-Einrichtung vorzusehen! Verlauf von uC(t): Die Spannung uC(t) verläuft während des gesamten Umschaltvorganges stetig ohne Sprungstellen. Darin zeigt sich die Begründung für die oben empfohlene Vorgangsweise, bei Schaltvorgängen an Kapazitäten die Differenzialgleichung für uC(t) zu lösen. Verlauf von uR1(t), uR2(t): Die Spannung uR1(t) ist ja nur während des Ladens vorhanden, die Spannung uR2(t) nur während des Entladens. Es muss jeweils immer die Bedingung der Maschengleichung erfüllt sein, dass die Summe aus uC(t) und uR1(t) den konstanten Wert UE, bzw. die Summe aus uC(t) und uR2(t) Null ergibt. Seite 1.19 (von 22) Institut für Elektrotechnik Übungen zu Elektrotechnik I Version 3.0, 02/2002 Laborunterlagen 1.6.4 Allgemeine Erklärungen Das Einschalten, bzw. das Ausschalten einer Gleichspannung entspricht unmittelbar nach dem Schaltbeginn einer sehr steilen, hochfrequenten (da rechteckförmigen) Spannungsänderung (f -> ∞). Diese Frequenz- Wirkung ist bei Überlegungen zum frequenzabhängigen Impedanzverhalten von L und C zu berücksichtigen. Induktivität L Die Impedanz einer Induktivität L ist proportional zur Frequenz f, siehe komplexe Impedanz (bei Sinus-Spannung) Z L = j ⋅ ω ⋅ L = j ⋅ 2π ⋅ f ⋅ L Dadurch wirkt L für den ersten - hochfrequenten - Schaltaugenblick als unendlich hohe Impedanz, womit kein Strom fließt und die gesamte Spannung UE an L abfällt. i(t=0) = 0 uL(t=0) = UE uR(t=0) = 0 Mit zunehmender Zeitdauer verliert der Rechtecksprung immer mehr an Frequenz-Wirkung, d.h. die Impedanzwirkung von L wird immer geringer, und für t = ∞ wirkt UE nur noch als Gleichspannung (f=0), bei der die Impedanz von L gleich Null ist und die gesamte Spannung UE an R1 abfällt, bzw. der Strom nur durch R1 begrenzt wird. uL(t=∞) = 0 uR(t=∞) = UE UE R1 Die Zeitverläufe zwischen t=0 und t=∞ folgen einer e-Funktion gemäß der Lösung der Differenzialgleichung. i( t = ∞ ) = Kapazität C Die Impedanz einer Kapazität C ist umgekehrt proportional zur Frequenz f . 1 1 = siehe komplexe Impedanz (bei Sinus-Spannung) Z C = j ⋅ ω ⋅ C j ⋅ 2π ⋅ f ⋅ C Dadurch wirkt C für den ersten - hochfrequenten - Schaltaugenblick als unendlich kleine Impedanz, d.h. die Spannung UE fällt zur Gänze an R1 ab, bzw. der Strom wird nur noch durch R1 begrenzt. u C ( t = 0) = 0 uR ( t = 0) = UE U i( t = 0) = E R1 Seite 1.20 (von 22) Institut für Elektrotechnik Übungen zu Elektrotechnik I Version 3.0, 02/2002 Laborunterlagen Mit zunehmender Zeitdauer verliert der Rechtecksprung immer mehr an Frequenz-Wirkung, d.h. die Impedanzwirkung von C wird immer größer, und für t=∞ wirkt UE nur noch als Gleichspannung (f=0), bei der die Impedanz von C unendlich hoch ist, wodurch kein Strom fließt und die gesamte Spannung UE an C abfällt: u C ( t = ∞ ) = UE uR ( t = ∞) = 0 i( t = ∞ ) = 0 Die Zeitverläufe zwischen t=0 und t=∞ folgen einer e-Funktion gemäß der Lösung der Differenzialgleichung. Zeitkonstante Die Zeitkonstante τ stellt eine Verkürzung der mathematischen Schreibweise dar, indem der Nenner des e-Exponenten mit τ abgekürzt wird. Daraus ergeben sich die verschiedenen Definitionen für τ bei Schaltvorgänge an L und an C. Durch diese Definition erkennt man, dass τ die Zeitdauer angibt, nach welcher der Zeitverlauf auf den e-ten Teil (= 36.8 %) des Startwertes abgesunken ist (bei fallender eFunktion), bzw. auf den e-ten Teil (63.2 %) des Endwertes angestiegen ist (bei steigender e-Funktion). Bei steigender e-Funktion: 1− e − t=τ τ = 1 − e −1 = 0.632 = 63.2 % (1.64) Bei fallender e-Funktion: e − t =τ τ = e −1 = 0.368 = 36.8 % (1.65) Die Zeitkonstante τ kann auf folgende Weise graphisch ermittelt werden: 1. Tangente an den Zeitverlauf im Startzeitpunkt legen. 2. Den Schnittpunkt der Tangente mit dem Endwert bilden. 3. Dieser Schnittpunkt ergibt auf der Zeitachse die Zeitdauer τ. Seite 1.21 (von 22) Institut für Elektrotechnik Übungen zu Elektrotechnik I Version 3.0, 02/2002 Laborunterlagen 1.6.5 Mess - Schaltung In Abb. 1.17 ist beispielsweise die Mess- Schaltung zur Darstellung des zeitlichen Verlaufs der Kondensatorspannung uc(t) auf einem Oszilloskop gezeigt. Ein Funktionsgenerator erzeugt einen rechteckförmigen Spannungsverlauf, welcher die Serienschaltung aus R und C speist. Die Rechteckflanken entsprechen dabei dem Einschalten einer Gleichspannung (bei der positiven Flanke) bzw. dem Ausschalten einer Gleichspannung (bei der negativen Flanke). Dadurch erspart man sich den Aufwand eines mechanischen Schalters, welcher in den vorangegangenen Abbildungen für das Ein- und Ausschalten verwendet wurde, und der Verlauf der Ein- und Ausschaltvorgänge kann als periodisches Signal dargestellt und die Zeitkonstante τ gemessen werden (siehe für die Messpraxis mit Oszilloskope – Erdungsproblematik Kap. 4.4). R Koaxial-Kabel FG C Ch1 uC(t) Oszilloskop FG ... Funktionsgenerator (Rechtecksignal) Abb. 1.17 Seite 1.22 (von 22)