Weizen bedingte Erkrankungen Teil 1 Dr. Rolf Steinmüller Weizen ist für die meisten Deutschen ein selbstverständlicher Bestandteil ihres täglichen Speiseplans und in zahlreichen Lebensmitteln enthalten, die zu den Grundnahrungsmitteln zählen. Dennoch häufen sich in jüngster Zeit zunehmend die Negativschlagzeilen über Weizen und allen voran gegen einen seiner Bestandteile, dem Gluten. Immer öfter wird der Weizen dafür verantwortlich gemacht wenn der Darm zwickt, der Magen grummelt oder ein paar Kilos drücken. In der Folge ernähren sich immer mehr Menschen glutenfrei. In den wenigsten Fällen steckt hinter dieser Entscheidung jedoch eine diagnostizierte Erkrankung (Zöliakie, Weizenallergie oder Weizensensitivität). Häufiger ist es vielmehr ein allgemeines Unwohlsein, das Verbraucher nach dem Verzehr von Weizenprodukten verspüren. Das entspricht ganz dem aktuellen Zeitgeist in dem Konsumenten immer häufiger eine spezielle Ernährungsform wählen, da sie glauben, unter einer Lebensmittelunverträglichkeit zu leiden oder den Wunsch verspüren sich „gesünder“ zu ernähren. Zwar steigt die Zahl der Allergiker und Zöliakiekranken zweifelsfrei an. Doch steckt nicht manches Mal auch der aktuelle Zeitgeist hinter dieser Ablehnung? Einleitung Weizen und verwandte Getreidearten sowie deren Konsum spielen eine bedeutsame Rolle in der Menschheitsgeschichte. Doch Weizen enthält, ebenso wie Roggen, Gerste oder Dinkel, eine Mixtur in Verruf geratener Eiweiße, unter anderem Gluten. In den letzten Jahren wurde deren Verzehr mit einer Reihe von klinischen Erkrankungen in Verbindung gebracht. Gluten-bedingte Erkrankungen ha- ben sich peu à peu als epidemiologisch relevantes Phänomen entwickelt mit einer geschätzten weltweiten Prävalenz von rund 5 %. Zöliakie, Weizenallergie und die sogenannte Nicht-Zöliakie-Glutenunverträglichkeit repräsentieren verschiedene Weizen-bedingte Erkrankungen. Bei diesen Störungen können ähnliche klinische Manifestationen beobachtet werden, doch gibt es jeweils eigene pathogenetische Wege, welche an der Entwicklung dieser Erkrankungen beteiligt sind. Zöliakie und Weizenallergie wurden bereits ausgiebig untersucht, während die Nicht-Zöliakie Glutenunverträglichkeit eine relativ neue klinische Erscheinung ist, die vermutlich in engem Zusammenhang mit anderen Magen-Darm-funktionellen Syndromen steht. Glutenfrei, so scheint es, ist das neue fettfrei Die steigende Nachfrage nach glutenfreien Produkten lässt sich nicht Abb. 1: Weizen (Triticum spec.) ist nach Körnermais und Reis das weltweit am häufigsten angebaute Getreide, in der Europäischen Union und in Deutschland jeweils das bedeutendste. 1 2017 alleine durch die steigende Zahl der Allergiker und Zöliakiepatienten erklären, sondern auch durch einen allgemeinen Lifestyle-Trend in dem derartige Produkte als bekömmlicher und gesünder gelten. Die zunehmende Menge an glutenfreien Produkten und die auffällige Werbung mancher Hersteller und Händler kann bei Verbrauchern, die keine Unverträglichkeit haben, den Eindruck erwecken, es handle sich hierbei um ein besonderes Qualitätsmerkmal. Suggerieren die jeweiligen Werbestrategien doch oftmals, dass jene Produkte Gesundheit und Wohlbefinden steigern. Somit hat das Gluten mittlerweile einen ähnlich schlechten Ruf wie Fette oder Kohlenhydrate. Nach einer Studie des Marktforschungsunternehmens Nielsen (Nielsen Deutschland, The Nielsen Company GmbH, Frankfurt am Main) publiziert im Handelsblatt aus dem Jahre 2015 verzichtet jeder vierte Deutsche bei der Ernährung mittlerweile auf bestimmte Stoffe wie Laktose oder Gluten. Unter diesen sogenannten „sensiblen Essern“ befinden sich immer häufiger auch Menschen, die nicht aus gesundheitlichen Gründen dazu gezwungen sind. Als einen der wichtigsten Gründe dafür geben sie laut Nielsen neben der gesunden Ernährung die Gewichtsreduzierung an. Zahl- 11 reiche Prominente, wie beispielsweise die Schauspielerin Gwyneth Paltrow oder die Sängerin Miley Cyrus, schwören auf eine Gluten-freie Ernährung. Damit wird die Ernährung immer mehr zur „Glaubensfrage“, gleichzeitig gelten kulinarische Empfindlichkeiten zunehmend als Zeichen von Individualität. Daraus folgend gewinnen ehemals lukrative Nischensortimente für Industrie und Handel immer mehr an Bedeutung. Für die Lebensmittelindustrie ergibt sich damit ein riesiger neuer Markt: So liegt der jährliche Umsatz mit glutenfreien Produkten in Deutschland nach den Zahlen der Studie bereits im Jahr 2015 bei 105 Millionen Euro, das sind 35 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Der Umsatz mit laktosefreien Lebensmitteln wuchs im gleichen Zeitraum um 10 Prozent auf 285 Millionen Euro. Dazu kommt noch der Umsatz mit vegetarischen und veganen Produkten, der zuletzt um 30 Prozent auf 423 Millionen Euro gewachsen ist. Als Folge davon finden sich in den Regalen der Supermärkte und Reformhäuser immer häufiger glutenfreie Produkte, neben Backwaren auch Nudeln, Cerealien, Backmischungen sowie Bier. Weizen – der ultimative Bösewicht? Dieser Trend wird noch durch diverse populärwissenschaftliche Veröffentlichungen, wie das Buch des US-amerikanischen Autors Dr. William Davis „Weizenwampe“, Dr. Ulrich Strunz „Warum macht die Nudel dumm?“ oder jenes von Julien Venesson "Wie der Weizen uns vergiftet“, unterstützt. Der Kardiologe Dr. Davis geht sogar soweit den modernen Weizen als „chronisches Gift“ zu bezeichnen, welcher nicht nur für die Darmerkrankung Zöliakie verantwortlich ist, sondern darüber hinaus auch dick macht und eine ganze Reihe von Zivilisationskrankheiten wie Diabetes oder Arthrose fördert. In dieselbe Kerbe schlägt US-Neurologe Dr. David Perlmutter in seinem Buch „Dumm wie Brot“. Damit scheint der Wei- 12 Abb. 2: Die bevorzugte Nutzung des Weizens (Triticum spec.) liegt in dessen Fähigkeit, sogenannte Kleberproteine (Gluten) zu bilden, die besondere physiko-chemische Eigenschaften besitzen und vor allem das gute Backverhalten aus Weizen hergestellter Mehle bedingen. zen, ein Grundnahrungsmittel, zum Feind geworden zu sein. Auf einen Blick: Medizinisch anerkannte Weizen-bedingte Erkrankungen Wenn auch Weizen nicht zwangsläufig dick oder das Herz krank macht, wie der US-Mediziner Davis und andere behaupten, so ist es doch eine unumstößliche Tatsache, dass einige Menschen Weizen nicht vertragen. Dennoch hilft eine pauschale Verurteilung nicht weiter und eine differenzierte Sicht ist angeraten. Grundsätzlich ist Weizen ein Getreide, das viele verschiedene Allergene mit unterschiedlicher allergener Potenz enthält und von allen Getreidesorten jene, welche am häufigsten eine Allergie auslöst. Zöliakie Dass Weizen manchen Menschen tatsächlich Probleme bereiten kann, ist unumstritten und lange bekannt. „Zöliakie“ heißt die wohl wichtigste Krankheit, bei der Weizen, aber auch andere, verwandte Getreide, wie Roggen oder Gerste, komplett vom Speiseplan verbannt werden müssen. Denn das darin enthaltene Gluten oder „Klebereiweiß“, das für die Backeigenschaften eine wichtige Rolle spielt, wird von Zöliakiekranken lebenslang nicht vertragen. Es handelt sich um eine angeborene Erkrankung, die nach dem Verzehr von Gluten-haltigem Getreide auftritt. Es kommt zu einer Entzündung der Darmzotten mit starken Durchfällen, Blähungen und Bauchschmerzen. Mit der Zeit bilden sich die Darmzotten zurück, über die Nährstoffe und Vitamine aufgenommen werden. Die Folge: schwere Mangelerscheinungen. Bei dieser Krankheit kann der Dünndarm das Gluten aus Getreide nicht verarbeiten. Schon kleinste Mengen werden für die Betroffenen gefährlich. Wer von Zöliakie betroffen ist, muss ein Leben lang Lebensmittel, die Gluten enthalten, strikt meiden. Dies betrifft auch die Gluten-haltigen Getreidearten: Roggen, Gerste, Dinkel, Einkorn und Emmer. Unter Zöliakie leidet rund ein Prozent der Bevölkerung. Trotz ihres vielfältigen Erscheinungsbildes kann eine Zöliakie üblicherweise diagnostiziert werden, wenn man die Erkrankung berücksichtigt. Die Diagnose erfolgt üb- licherweise durch Antikörper-Test und Dünndarm Biopsie. Weizenallergie Bei der Weizenallergie handelt es sich um eine überschießende Reaktion des Immunsystems der Betroffenen auf verschiedene WeizenEiweiße, unter anderem auch auf Gluten. Insgesamt gelten mehr als 20 Allergene im Weizen als Auslöser der Weizenallergie. Zu diesen zählen Proteinfraktionen wie Weizen-Albumin (15 Prozent des Weizenproteins), Globulin (5 Prozent), das sich hauptsächlich in der äußeren Schale des Korns befindet, und das bereits mehrfach ewähnte Klebereiweiß Gluten (80 Prozent), das im Mehlkörper des Getreides enthalten ist. Gluten bzw. Gliadin, die auch eine Zöliakie auslösen können, sind sogenannte Majorallergene bei einer Weizenallergie. Es kommt zu typisch allergischen Reaktionen wie Schwellungen in Mund und Nase, tränenden, juckenden Augen sowie Hautausschlägen. Auch Magen-Krämpfe, Blähungen, Durchfall und Übelkeit können die Folge sein. Eingeatmeter Mehlstaub kann zu Ekzemen und Asthma führen. Be- troffene müssen Weizen und andere glutenhaltige Getreide meiden. Abb. 3: Menschen, die kein Gluten vertragen, müssen auf viele Weizenhaltige Lebensmittel verzichten. Brot, Pasta und Bier sind dann tabu. Doch immer mehr Menschen entdecken glutenfreie Produkte für sich – auch ohne Unverträglichkeit. Der Handel reagiert und profitiert enorm. Die Angaben zur Häufigkeit der Weizenallergie sind altersabhängig: Im Kindesalter zählt Weizen zu den Hauptallergenen. Diese verschwindet aber meist bis zum Schul­ eintritt. Hingegen weisen Erwachsene häufig eine dauerhafte Weizenallergie auf. In diesem Alter dominiert die sogenannte weizenabhängige, anstrengungsinduzierte Anaphylaxie (engl. wheat-dependent exercise-induced anaphylaxis, WDEIA) und das inhalativ ausgelöste Bäckerasthma (s.u.). Neben dem Alter ist die Ernährungsweise noch von Bedeutung. Beispielsweise kommt eine Weizenallergie innerhalb der Bevölkerung Nordeuropas häufiger vor als in Südeuropa. Grundsätzlich ist die Datenlage zur Prävalenz der Weizenallergie noch nicht eindeutig: etwa zwischen 11 und 25 Prozent der Nahrungsmittelallergiker scheinen da- von betroffen zu sein. Während etwa 0,5 bis 1 % der Kinder unter einer Weizenallergie leiden, tritt sie bei Erwachsenen seltener auf. Hier überwiegt die weizenabhängige, anstrengungsinduzierte Anaphylaxie, seltener eine nicht-anstrengungsabhängige Allergie, die sich ebenfalls als IgE-vermittelte Sofortreaktion äußert. Beim Bäckerasthma kommt es durch das Einatmen des Mehlstaubs zu Symptomen, der Verzehr weizenhaltiger Brotund Backwaren ist jedoch meist problemlos. Im Vergleich zur Zöliakie ist die Diag­ nose bei einer Weizenallergie, der immunologischen Reaktion gegen Weizenproteine, deutlich schwieriger. Pricktest, IgE-Antikörpertest im Blut und das Führen eines Ernährungstagebuchs können hierbei helfen. Letztlich kann nur ein Arzt entscheiden, ob es sich um eine Zöliakie oder eine Weizenal­ lergie handelt. Wir behaupten nicht nur, dass dies das beste Hygiene Monitoring System auf dem Markt ist. Wir beweisen es auch! Neogens AccuPoint Advanced ist das erste und einzige Hygiene Monitoring System auf dem Markt, das eine AOAC Zulassung erhalten hat. Die Zulassung folgt einer Studie des NSF International, dessen Ergebnisse zeigen, dass AccuPoint Advanced die Leistung anderer handelsüblichen Systeme übertrifft. Kontaktieren Sie uns gerne für eine kostenlose Austestung oder weitere Informationen! Dt. 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Anaphylaktische Reaktionen treten immer nur dann auf, wenn der Verzehr von weizenhaltigen Lebensmitteln wie Brötchen, Pizza, Nudeln, Kuchen etc. meist innerhalb von 30 Minuten bis 2 Stunden nach dem Verzehr mit einem Verstärkungsfaktor zusammentrifft. Der häufigste Verstärkungsfaktor bei der WDEIA ist körperliche Aktivität. Die Menge des verzehrten Weizens spielt dabei keine Rolle. Bereits kleinste Weizenmengen können eine WDEIA auslösen. Gelegenlich kommt es sogar vor, dass noch sechs Stunden nach dem Weizenverzehr ein Verstärkungsfaktor einen Anaphylaktischen Schock auslösen kann. Diese große zeitliche Spanne liegt u.a. auch daran, wie schnell die 14 Weizenproteine individuell verdaut werden und dann nachfolgend in den Blutkreislauf gelangen. Körperliche Aktivität führen zu einem Abfall des pH-Wertes im Magen. In der Folge werden Proteine, d.h. Eiweiße, besser gelöst und nachfolgend stärker resorbiert. Wie schnell ein verzehrtes Nahrungsmittel verdaut wird, hängt von einer Reihe von Faktoren ab. Unter anderem spielt es eine Rolle, was parallel verzehrt wurde, welcher pH-Wert im Magen vorherrscht, oder welche Medikamente genommen wurden. Säureblocker führen beispielsweise zu einer Verlangsamung der Verdauung. Weizenallergie und Zöliakie: Ähnliche Symptome, andere Ursachen Grundsätzlich können bei einer Weizenallergie sehr unterschiedliche Reaktionen auftreten. Als Weizenpollen-Allergie verursacht sie zur Blütezeit des Weizens hauptsächlich im Juni Beschwerden. In der Berufsgruppe der Bäcker ist diese Lebensmittel-Allergie weit verbreitet. Weizenmehl wirkt hier als inhalatives (eingeatmetes) Allergen und verursacht so das Bäckerasthma. Treten bei einer Weizenallergie jedoch vorwiegend Symptome im Gastrointestinaltrakt auf, wird sie häufig mit der Zöliakie verwechselt. Auch die Zöliakie ist hinsichtlich der Pathoge- nese eine immunologische Reaktion gegen Bestandteile im Weizen. Hierbei handelt es sich jedoch nur um einen bestimmten Bestandteil: das Gluten, das auch in anderen Getreidesorten vorkommt. Hingegen wird die Weizenallergie durch sehr unterschiedliche Proteine, Eiweißbestandteile wie Weizen-Albumin, Globulin (hauptsächlich in der äußeren Schale des Korns) und Kleber­ eiweiß (im Mehlkörper) ausgelöst. gie ausgeschlossen wird, sprechen Fachleute von einer Nicht-ZöliakieNicht-Weizenallergie-Weizensensitivität (NCWS). Aufgrund des sprerrigen Begriffes wird häufig auch der Begriff Glutensensitivität verwendet. Obgleich Experten statt von einer Glutensensitivität lieber von einer „Weizensensitivität“ sprechen. Ob das Gluten in diesem Fall der Übeltäter ist wird in der Wissenschaft jedoch noch kontrovers diskutiert.. Eine Unterscheidung bei der Diagnose ist wichtig, denn eine Weizenallergie wird anders behandelt als eine Zöliakie. Bei der Zöliakie ist nicht nur eine weizenfreie Ernährung indiziert, sondern eine glutenfreie Diät. Das heißt, auch Getreideprodukte mit Roggen, Gerste und weizenverwandte Sorten wie Dinkel müssen vom Speiseplan eliminiert werden. Umgekehrt sind glutenfreie Lebensmittel nicht immer auch für Weizen-Allergiker geeignet. Da die u.U. verwendete glutenfreie Weizenstärke immer noch Weizenproteine als Allergieauslöser enthält. Im Verdacht stehen auch andere Eiweißstoffe – u.a. alpha-Amylase-Trypsin-Inhibitoren, abgekürzt ATIs, welche die Arbeitsgruppe von Professor Schuppan an der Harvard Medical School in Boston identifiziert hat. Alpha-Amylase-TrypsinInhibitoren sind in jedem glutenhaltigen Getreide enthalten. Neben Weizen stecken sie also auch in Roggen, Dinkel, Gerste und in den Urgetreiden Emmer und Einkorn. Es handelt sich bei den ATIs um Stoffe, die die Pflanze natürlicherweise unter anderem zur Abwehr gegen Krankheiten, Parasiten oder Insekten herstellt. Sie machen die Pflanzen somit widerstandsfähiger gegen Schädlinge und sichern deren Erträge. Wie viele Proteine genau zu dieser Familie gehören, und wie sehr der Gehalt und die Zusammensetzung von der Weizensorte und den Umweltbedingungen im Anbau abhängt, ist aber noch unzureichend bekannt und nach bisherigen Erkenntnissen unter anderem von der jeweiligen Sorte abhängig. Nicht-Zöliakie-Nicht-Weizenallergie-Weizensensitivität Zöliakie und Weizenallergie sind keine neuen Phänomene und erklären auch nicht den Hype bei glutenfreien Lebensmitteln. Produkte ohne Gluten, ob Brot und Kuchen, Kekse, Pizzateig, Pasta werden mutmaßlich auch von denjenigen gekauft, die an keiner der beiden Krankheiten leiden. Dennoch gibt es eine Anzahl von Verbrauchern, die sich ohne Gluten sichtbar woh­ ler und besser fühlen. Und nach allem was heute bekannt ist, muss dies auch keine Einbildung sein. Es gibt durchaus Patienten, die über Symptome klagen, die denen der Zöliakie ähneln. Bei der Untersuchung der Darmschleimhaut zeigt sich aber, dass diese gesund, also nicht entzündet und somit empfindlich ist. Dennoch klagen die Patienten nach dem Verzehr von Weizen haltigen Produkten über Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfall, Kopfschmerzen oder Muskelbeschwerden. Weil sie keine Zöliakie haben und meist auch eine Aller- Darüber hinaus kommen auch fermentierbare Kohlenhydrate, sogenannte FODMAPs, als mögliche Auslöser in Frage. Dabei steht die Abkürzung FODMAPs für engl. „Fermentable Oligosaccharides, Disaccharides, Monosaccharides And Polyols“, also fermentierbare Oligo-, Diund Monosaccharide sowie Polyole. Zur Gruppe dieser kurzkettigen, fermentierbaren Kohlenhydrate zählen unter anderem auch die Fruktane, die beispielsweise in Weizen enthalten sind. Sie stehen im Verdacht, bei Patienten mit funktionellen MagenDarm-Erkrankungen gastrointestinale Symptome, wie Durchfall und Blähungen, auszulösen. Es wird ver- mutet, dass der menschliche Körper die Fruktane nicht verwerten kann und diese unverdauten Kohlenhydrate zu osmotischen Veränderungen im Dünndarm führen sowie von Darmbakterien im Dickdarm fermentiert werden. Die Glutensensitivität ist im Vergleich zur Zöliakie und Weizenal­ lergie noch eine wenig erforschte Erkrankung. Erste Berichte, dass es neben den beiden genannten Erkrankungen noch etwas anderes geben müsse, tauchten erstmals Anfang der 1980er Jahre auf. Über die Verbreitung dieser Erkrankung ist bislang wenig Konkretes bekannt. Etwa ein bis sechs Prozent der Bevölkerung könnten davon betroffen sein. Damit tritt die Gluten-/ Weizensensitivität (GS/WS) vermutlich häufiger auf als die glutenbedingten Erkrankungen Zöliakie und Weizenallergie. Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich ebenso wie bei der Zöliakie sehr hoch. Grundsätzlich scheinen Frauen häufiger betroffen zu sein als Männer, aber auch Kinder können bereits erkranken. Des Weiteren sind auch die pathogenetischen Urschen der Gluten-/Weizensensitivität noch nicht im Detail bekannt und daher Gegenstand von intensiven Untersuchungen. Sicher ist, dass es sich weder um eine Autoimmunreaktion noch um eine allergische Reaktion handelt. Aufgrund der unklaren Pathogenese erfolgt die Diagnosestellung mittels Ausschlussdiagnose d.h. wenn Beschwerden vorliegen, die denen der Zöliakie oder Weizenallergie ähneln, die Patienten an diesen beiden Krankheiten aber eindeutig nicht leiden. Dies trifft zu, wenn weder die für Zöliakie kennzeichnenden Antikörper noch die weizenspezifischen Serum-IgE im Blut zu finden sind. Unterschiede zwischen Lebensmittelallergie, Lebensmittelintoleranz und Autoimmunerkrankung Eine Lebensmittelallergie bzw. Nahrungsmittelallergie ist eine Überempfindlichkeit und damit gestei- 1 2017 gerte Reaktion des Immunsystems auf bestimmte Inhaltsstoffe. Dabei handelt es sich um Proteine, die sogenannten Allergene. Davon abzugrenzen ist die Lebensmittelunverträglichkeit. Dabei handelt es sich gemeinhin um eine mengenabhängige Unverträglichkeit gegenüber bestimmten Bestandteilen in Lebensmitteln, beispielsweise Laktose, Fruktose oder Histamin. Die Symptome einer Unverträglichkeit und einer Allergie können sich ähneln – ebenso die einer Autoimmunerkrankung. Bei letzterer richtet sich das Immunsystem nicht gegen fremde Allergene, sondern gegen körpereigene Strukturen (z.B. bestimmte Zellen oder Gewebe). Der Begriff ist eine Sammelbezeichnung für eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Krankheiten. Im Bereich glutenbedingter Erkrankungen gilt die Weizenallergie als Lebensmittelal­ lergie und die Zöliakie als Autoimmunerkrankung. Gluten - Allergenkennzeichnung Aktuell müssen 14 Hauptallergene auf Verpackungen angegeben werden. Dazu zählen auch glutenhaltige Getreide (d.h. Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Dinkel, Kamut oder deren Hybridstämme) sowie daraus hergestellte Erzeugnisse. Ausnahmen sind hierbei Glukosesirupe auf Weizenbasis, einschließlich Dextrose, Maltodextrine auf Weizenbasis sowie Glukosesirupe auf Gerstenbasis und Getreide zur Herstellung von alkoholischen Getränken. Die­se Zutaten werden durch industrielle Verarbeitungsprozesse stark modifziert oder aufgereinigt, dass sie laut Studien der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde ihr allergenes Potenzial verlieren. Konsumenten sind häufig über Lebensmittel irritiert, die als "glutenfrei" gekennzeichnet sind aber gleichzeitig auf glutenhaltige Zutaten hinweisen. Die Kennzeichnung glutenhaltiger Zutaten, beispielsweise "modifizierte Stärke", ist jedoch rechtlich vorgeschrieben, auch wenn der Glutengehalt unter 20 Milligramm pro Kilogramm liegt. Die Hersteller müssen dafür sorgen, dass dieser Grenzwert eingehalten wird, zum Beispiel durch spezielle Behandlung der Stärke. Experten gehen davon aus, dass mit der 20-Milligramm-Grenze pro Kilogramm Lebensmittel die tolerierte Glutenaufnahme für Zöliakieerkrankte pro Tag nicht überschritten wird und nur bei extrem empfindlichen Personen dieser Wert bereits zu Beschwerden führen kann. Glutenfrei heißt jedoch nicht "völlig frei von Gluten" Als "glutenfrei" können jene Produkte bezeichnet werden, die höchstens 20 Milligramm Gluten pro Kilogramm enthalten. Dieser Grenzwert ist EU-weit verbindlich. Glutenfreie Produkte tragen teilweise das Symbol einer durchgestrichenen Ähre. Die Lizenz zur Nutzung des Labels wird von der Deutschen Zöliakiegesellschaft (DZG) vergeben, auch hier gilt die 20-Milligramm-Grenze. Das Symbol führt die DZG seit dem Jahr 1991 als eingetragenes Warenzeichen in Deutschland und vergibt es seit 1999 im Rahmen eines Lizenzvertrages an nationale Hersteller und Vertriebe glutenfreier Lebensmittel in Deutschland. Schlussfolgerung Weizen ist eine der weltweit am meis­ten konsumierten Getreidesorten. Die Rolle von Weizen, und insbesondere von Glutenprotein in unserer Ernährung, soll in der kommenden Artikelserie zusammengefasst werden. Des Weiteren werden die wichtigsten Erkrankungen im Zusammenhang mit Weizen auf die menschlich Gesundheit, einschließlich Zöliakie, Weizenallergie, nichtzöliakie bedingte Weizenempfindlichkeit, Fructose-Malabsorption und Reizdarmsyndrom vorgestellt. Dabei werden auch Unterschiede in der Reaktivität zwischen alten-, Kulturund modernen Weizensorten diskutiert. Zusätzlich wird dabei der Einfluss von Weizenverarbeitungsmethoden auf die Weizenempfindlichkeit besprochen. Aktuelle Untersuchungen deuten daraufhin, dass die Keim- und Fermentationstechnologien bestimmte immunreaktive Komponenten wirksam verändern können. Für Personen mit Weizen­ empfindlichkeit können weniger reaktive Weizenprodukte die Entwicklung von Krankheiten verlangsamen sowie deren Lebensqualität verbessern. Während die Forschung bislang noch nicht zweifelsfrei bewiesen hat, was den Anstieg der Weizenempfindlichkeit in den letzten Jahrzehnten bewirkt hat, könnte die moderne Weizenverarbeitung zu einer erhöhten Exposition gegenüber immunreaktiven Verbindungen geführt haben. Weitere Untersuchungen sind notwendig, um den Einfluss moderner Weizensorten auf den epidemiologischen Wandel zu verstehen. Selbst wenn eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Kosnumenten von einem Verzicht auf Weizen profitieren können, halten Experten wie Prof. Schuppan den Trend, Weizen generell zu verteufeln, für Unsinn. So werden Gesunde von einem Verzicht auf Weizen nicht profitieren. Selbstredend: Wer Kohlenhydrate in seiner Ernährung reduziert, für die Weizen häufig eine Hauptquelle darstellt, wird in der Folge natürlich abnehmen – und sich durch das reduzierte Gewicht möglicherweise besser fühlen. Doch dies ist eine Binsenwiesheit und „Nicht mehr“. Literaturnachweis und Referenzen auf Anfrage! 15