Prof. Dr. Heiner Keupp Und die im Dunklen sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Vortrag bei der Tagung der Caritas NRW: „Armut macht krank“ - Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen in NRW am 22.11.2012 in Düsseldorf Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen These 1 Die ökonomischen Daten für die Bundesrepublik sind unverändert positiv und trotzdem hat das nicht zu einer gerechten Verteilung der vorhandenen Ressourcen geführt. Im Gegenteil: Die Gerechtigkeitslücke wird größer! Das hat erhebliche Konsequenzen auch für das gesunde Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen. Die Fachwelt ist sich einig: Armut ist der wichtigste Faktor bei der Einschränkung gesunder Entwicklung. Die wirksamste Strategie der Gesundheitsförderung wäre eine Politik effektiver und nachhaltiger Armutsbekämpfung. Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « 1 Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen „… ein Fünftel eines jeden Geburtsjahrgangs – das sind 140 000 Kinder pro Jahr – (wächst) mit erheblichen, vor allem psychosozialen Belastungen und gravierenden Defiziten an materiellen und sozialen Ressourcen aufwächst.“ Quelle Gutachten des Sachverständigenrates (2009) Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « 2 Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Michael Marmot und Richard G. Wilkinson Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Michael Marmot – Vorsitzender der WHOKommission Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « 3 Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen These 2 Die Bedeutung der sozioökonomischen Herkunft für die Verteilung von Lebenschancen holt uns auf Grund eines neoliberalen Politikregimes auf allen denkbaren Ebenen wieder ein, vor allem im Bildungs- und im Gesundheitsbereich. Es gibt eine Fülle von Daten, die für alle Altersphasen den Zusammenhang von sozialer Ungleichheit und Gesundheit aufzeigen. Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « 4 Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Armutsgefährdungsquote Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « 5 Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Deutschland auf einem guten Weg? Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Quelle: BertelsmannStiftung (2012). KeckAtlas Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « 6 Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Quelle: BertelsmannStiftung (2012). KeckAtlas Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Quelle: BertelsmannStiftung (2012). KeckAtlas Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « 7 Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Quelle: BertelsmannStiftung (2012). KeckAtlas Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Quelle: BertelsmannStiftung (2012). KeckAtlas Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « 8 Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Quelle: BertelsmannStiftung (2012). KeckAtlas Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen These 3 Trotz aller alarmistischen Diskurse wachsen etwa 80 % der Kinder und Jugendlichen in Deutschland gut auf und es ist davon auszugehen, dass dafür ein gut funktionierendes lebensweltliches und sozialstaatliches System die Grundlage schafft. Dieses gilt es weiterhin zu sichern und auszubauen. Am wenigsten profitieren von diesen Strukturen Kinder, Jugendliche und ihre Familien, die von Armut, Migration oder besonderen Lebenslagen (wie Behinderung oder schwere psychische und körperliche Erkrankungen der Eltern) sowie von Exklusion betroffen sind. Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « 9 Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Elterneinschätzung: „Meinem Kind geht es sehr gut“ Quelle: Robert-Koch-Institut: KIGGS Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Probleme Befunde Emotionale Probleme (Ängste, depressive Verstimmung) Insgesamt: 13% Niedriger ST 18% > hoher ST 9,7% Verhaltensprobleme (aggressivdissoziales Verhalten.) Insgesamt: 35% Jungen 39,2% > Mädchen 30,6% Niedriger ST 43,8% > hoher ST 28,5% Hyperaktivitätsprobleme Insgesamt: 14,6% Jungen 17,1% > Mädchen 12,1% Niedriger ST 24,6% > hoher ST 6,5% Kinder mit MH 20% vs. Kinder ohne MH 13,6% Probleme im Umgang mit Gleichaltrigen Insgesamt: 20,5% Kinder mit MH 37,7% > Kinder ohne MH 17% Niedriger ST 31,8% > hoher ST 14,6% Grenzwertig bis auffälliges prosoziales Verhalten[1] Insgesamt: 10,7% Kinder mit MH: 14,5% > Kinder ohne MH: 9,9% Niedriger ST: 12,2% vs. hoher ST: 9,9% Psychische und Verhaltensauffälligkeiten bei 3- bis 6jährigen Kindern (Elternangaben) Quelle: KIGGS 2007 ST = sozialer Status MH = Migrationshintergrund Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « 10 Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Probleme Befunde Emotionale Probleme (Ängste, depressive Verstimmung) Gesamt: 15,6% Jungen: 12,6% Mädchen: 18,8% Mit MH: 18,0% Ohne MH: 15,2% 18,5% niedriger ST > 15,3% mittlerer ST > 12,5% hoher ST Verhaltensprobleme (aggressivdissoziales Verhalten) Gesamt: 27,5% Jungen: 30,9% Mädchen: 24,1% Mit MH: 30,6% Ohne MH: 27,0% 36,6% niedriger ST > 26,7% mittlerer ST > 19,7% hoher ST Hyperaktivitätsprobleme Gesamt: 9,2% Jungen: 12,7% Mädchen: 5,5% Mit MH: 10,2% Ohne MH: 9,1% 11,0% niedriger ST > 9,3% mittlerer ST > 7,3% hoher ST Probleme im Umgang mit Gleichaltrigen Gesamt: 22,4% Jungen: 23,9% Mädchen: 20,9% Mit MH: 32,8% Ohne MH: 20,6% 28,1% niedriger ST > 21,1% mittlerer ST > 18,1% hoher ST Mangel im Bereich prosoziales Verhalten[1] Gesamt: 12,5% Jungen: 16,0% Mädchen: 8,9% Mit MH: 13,1% Ohne MH: 12,4% 13,7% niedriger ST > 11,7% mittlerer ST < 12,6% hoher ST Psychische und Verhaltensauffälligkeiten bei 14- bis 17Jährigen Quelle: KIGGS 2007 ST = sozialer Status MH = Migrationshintergrund Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Quelle: KIGGS (2007) Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « 11 Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Psychosoziale Probleme und elterliche Einkommenssituation Quelle: KIGGS (2007) Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Psychosoziale Probleme von Jugendlichen (11 – 17 J.) nach Schultypen Quelle: KIGGS (2007) Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « 12 Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Prävalenz von Essstörungen bei 11- bis 17-Jährigen (Selbstauskunft) Quelle: KIGGS (2007) Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Übergewicht und elterliche Einkommenssituation Quelle: KIGGS (2007) Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « 13 Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Körperlich-sportliche Inaktivität und elterliche Einkommenssituation Quelle: KIGGS (2007) Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Index gesunder Ernährung Quelle: KIGGS (2007) Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « 14 Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Heranwachsende aus sozial benachteiligten Familien bzw. mit Migrationshintergrund – auch sonst gesundheitlich benachteiligt: Sie sind motorisch weniger leistungsfähig sie ernähren sich ungesünder und bewegen sich weniger ihr Medienkonsum ist höher sie haben häufiger mehrere Gesundheitsprobleme und geringeres Wohlbefinden, sie verfügen über weniger persönliche, familiäre und soziale Ressourcen geschlechtsspezifische Differenzen ergeben sich verschärft sie zeigen häufiger Verhaltensauffälligkeiten (ADHS; v.a. Jungen), sie haben häufiger psychische Probleme und Essstörungen (v.a. Mädchen). (Quelle: KiGGS-Daten; nach Angaben der Eltern und der Jugendlichen) Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen These 4 Es geht darum, Ungleichheit mehrdimensional zu begreifen und nicht allein auf Armut zu reduzieren. Es geht um die zivilgesellschaftliche Vorstellung von sozialer Zugehörigkeit, Anerkennung und sozialen Rechten. Der Ungleichheitsdiskurs fokussiert deshalb auf Dimensionen wie „Ausgrenzung“ und „Teilhabe“ („Exklusion“ und „Inklusion“). Wir sind mit der Tatsache konfrontiert, dass sich ein wachsender Teil der Bevölkerung als ausgeschlossen erlebt, „verworfenes Leben“ nennt das Zygmunt Bauman. Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « 15 Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Dimensionen von Armut und sozialer Exklusion Armut Soziale Exklusion Grundlegende Annahme Ressourcenmangel (z.B. Niedrigeinkommen) als illegitime Form sozialer Ungleichheit Eingeschränkte individuelle Teilhabechancen (ökonomisch, politisch, sozial, kulturell) als Gefahr für die soziale Ordnung und Systemstabilität Bezugsrahmen Gleichheit/Ungleichheit Ressourcenverteilung Minimale Versorgungsstandards Hierarchische Sozialstruktur Zugehörigkeit/Ausschluss Partizipation/Integration Soziale Rechte Polarisierung in Rand- und Kernzonen Merkmale Eindimensional statisch Mehrdimensional Kumulation, Interdependenz, Dynamik Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Bedingungen der Teilhabe Einkommen und Vermögen stellen in jeder Geldwirtschaft die Voraussetzung für eine Vielfalt von Verwirklichungsmöglichkeiten dar. Einkommensarmut ist jedoch lediglich ein – wenngleich oft sehr wichtiges - Element für die Identifikation von Armut als Mangel an Verwirklichungschancen. Darüber hinaus haben auch nicht-materielle Ressourcen (wie zum Beispiel Bildung, Gesundheit und soziale Kompetenzen) maßgeblichen Einfluss auf die individuellen Verwirklichungschancen. Schließlich entscheiden gesellschaftlich bedingte Chancen darüber, welche Konsequenzen sich aus solch unterschiedlichen individuellen Potenzialen im Endeffekt tatsächlich ergeben. Quelle: Bundesregierung (2005). Lebenslagen in Deutschland. Der 2. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « 16 Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen These 5 Von besonderer Bedeutung für den Gesundheitsstatus einer Population ist das gesellschaftliche Gerechtigkeitsdefizit. Gesellschaften, in denen die Schere zwischen arm und reich groß ist und größer wird, weisen besonders negative Auswirkungen auf den durchschnittlichen psychosozialen und gesundheitlichen Status der jeweiligen Bevölkerung auf. Hier handelt es sich nicht nur ungleiche Zugänge zu materiellen Ressourcen, sondern auch um eine Bedrohung der Solidaritätsressourcen einer Gesellschaft. Diese makrosoziale Dimension verweist auf die Notwendigkeit gesamtgesellschaftlich wirksamer politischer Interventionen hin. Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Gesundheit und soziale Gerechtigkeit Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « 17 Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Soziale Gerechtigkeit und Gesundheit „Unter den entwickelten Ländern weisen nicht die reichsten den besten Gesundheitszustand auf, sondern jene, in denen die Einkommensunterschiede zwischen Reich und Arm am geringsten sind.“ Quelle: Richard G. Wilkinson (2001). Kranke Gesellschaften. Soziales Gleichgewicht und Gesundheit. Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Gesundheit und soziale Gerechtigkeit Quelle: Wilkinson, R. & Pickett, K. (2010). Gleichheit ist Glück. Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « 18 Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Gesundheit und soziale Gerechtigkeit Quelle: Wilkinson, R. & Pickett, K. (2010). Gleichheit ist Glück. Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Gesundheit und soziale Gerechtigkeit Wilkinsons These „Gesunde, egalitäre Gesellschaften verfügen über einen größeren sozialen Zusammenhalt. Das gemeinschaftliche Leben ist stärker ausgeprägt und nicht so leicht zu erschüttern. (…) Größere Ungleichheit bedeutet eine psychologische Last, die das Wohlbefinden der gesamten Gesellschaft beeinträchtigt. Aus den Verbreitungsmustern der modernen Krankheiten geht hervor, dass der entscheidende Punkt in diesem Zusammenhang nicht mehr länger der materielle Lebensstandard ist. Heute geht es vielmehr um die psychosoziale Lebensqualität, die durch materielle Gleichheit unterstützt werden muss.“ Quelle: Richard G. Wilkinson (2001). Kranke Gesellschaften. Soziales Gleichgewicht und Gesundheit. Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « 19 Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Im Vergleich mit 31 OECD-Staaten liegt Deutschland mit Platz 15 lediglich im Mittelfeld. Das zeigt eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung. Unter die Lupe genommen wurden die Politikfelder Armutsvermeidung, Bildungszugang, Arbeitsmarkt, sozialer Zusammenhalt und Gleichheit sowie Generationengerechtigkeit. Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen These 6 Eine gesellschaftliche Initiative zur Überwindung von Ungleichheit sollte sich als konzeptuelle Basis den Ansatz der „Verwirklichungschancen“ (capability) von Amartya Sen als Grundlage wählen, der eine gedankliche Verknüpfung zum Empowerment-Konzept nahe legt. Das Konzept versteht unter Verwirklichungschancen die Möglichkeiten oder umfassenden Fähigkeiten („capabilities“) von Menschen, ein Leben führen zu können, für das sie sich mit guten Gründen entscheiden konnten und das die Grundlagen der Selbstachtung nicht in Frage stellt. Die Basis dafür sind materielle, aber auch soziale, psychische und symbolische Ressourcen. Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « 20 Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen BegründerInnen des Befähigungs-(Capability)-Ansatzes: Amartya Sen und Martha C. Nussbaum Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Unter Verwirklichungschancen versteht Amartya Sen die Möglichkeit von Menschen, „bestimmte Dinge zu tun und über die Freiheit zu verfügen, ein von ihnen mit Gründen für erstrebenswert gehaltenes Leben zu führen.“ Amartya Sen (2000). Ökonomie für den Menschen Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « 21 Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Der Entwicklungsbegriff von Amartya Sen „Entwicklung lässt sich ... als Prozess der Erweiterung realer Freiheiten verstehen, die den Menschen zukommen.“ Quelle: Amartya Sen (2000). Ökonomie für den Menschen. Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « 22 Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen These 7 Gesundheitsförderung und Prävention bei Heranwachsenden müssen am Ziel der „Befähigungsgerechtigkeit“ orientiert werden. Eine Politik der Inklusion im umfassenden Sinne ist dafür die Voraussetzung. Nur so kann das wachsende Gerechtigkeitsdefizit überwunden werden. Die Gesundheits- und Bildungschancen für Heranwachsende sozialstrukturell höchst unterschiedlich verteilt sind. Wenn Gesundheit als Fähigkeit zur Selbstsorge verstanden wird, dann stellt sich die Frage, wie alle Kinder und Jugendlichen die Chance bekommen können, diese Fähigkeit zu erwerben. Für die Jugendhilfe bedeutet dies die Herausforderung, wie sie durch ihre settings und Angebote einen Beitrag zur Befähigungsgerechtigkeit leisten kann. Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Empfehlungen des 13. KJB Besonderer Förderungsbedarf bei Aufwachsen in Armutslage Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen Kindern von psychisch, sucht- und chronisch erkrankten Eltern Traumatisierte Kinder und Jugendliche Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « 23 Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Empfehlungen des 13.KJB Arbeitsfeldübergreifende Herausforderungen Strategien kommunaler Armutsbekämpfung Die Lebenslagen von Armut betroffenen Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen können nur durch abgestimmte kommunale Strategien der Armutsbekämpfung aussichtsreich verbessert werden. In betroffenen Stadtteilen und strukturschwachen ländlichen Regionen bedarf es dazu eines Ausbaus der Infrastruktur an gesundheitsförderlichen Betreuungs-, Bildungs- und Freizeitangeboten für Kinder und Jugendliche sowie an zielgruppenbezogenen Versorgungsangeboten im Gesundheitsbereich. Die Schule kann gesundheitliche Ungleichheit verstärken oder aber im positiven Sinne durch Einbeziehung von Angeboten schulbezogener Jugendhilfe einen Beitrag zum Abbau ungleicher Lebenschancen leisten. Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Empfehlungen des 13. KJB Arbeitsfeldübergreifende Herausforderungen Strategien kommunaler Inklusion Im Sinne von „Disability mainstreaming“ sollten kommunalen Infrastruktursangebote auf die individuellen Fördernotwendigkeiten der Kinder und Jugendlichen, die mit unterschiedlichen Behinderungen und Beeinträchtigungen, aber auch mit verschiedenen Ressourcen und Lebensstilen aufwachsen, abgestimmt sein, wobei ihre Kompetenz zur Selbsthilfe wertzuschätzen ist. Erforderlich ist eine Navigationshilfe durch das Strukturdickicht verschiedener Leistungsansprüche, Leistungsgesetze und Hilfeangebote, die vor allem auch individuelle Leistungsansprüche steuerbar macht. Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « 24 Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Empfehlungen des 13. KJB Herausforderungen an die Politik (Bund, Land, Kommune) Verringerung ungleicher Gesundheitschancen als vorrangiges nationales Gesundheitsziel Verbesserung von Voraussetzungen für Netzwerkbildung und von deren Absicherung Gesetzesfolgenabschätzung und Prüfaufträge Verbesserung der Voraussetzungen für die Kooperation mit der Schule Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Es gehört zu den professionellen Aufgaben der psychosozialen Berufe, Armut und Exklusion zu bekämpfen. Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « 25 Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Verwirklichungschancen von Anfang an Kindertageszentrum (KiTZ): Angebotspalette 22.11.2012 Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « 52 26 Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Verwirklichungschancen von Anfang an Kindertageszentrum (KiTZ): Kooperationsangebote 22.11.2012 Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « 53 Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Verwirklichungschancen von Anfang an Potentiale von Kindertageszentren Unterstützung gegen Kinderarmut Zentren der frühen Förderung Ausgleich von Benachteiligung Integration von Migrantenkindern „Kinderbetreuung PLUS Fachliche Herausforderung KiTZe rechnen sich 22.11.2012 Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « 54 27 Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Herausforderungen I 22.11.2012 Die 2008 von der Bundesregierung vorgelegte „Strategie zur Förderung der Kindergesundheit“ sollte unter Einbeziehung der Empfehlungen des 13. KJB weiterentwickelt werden. Wir brauchen dringend ein Präventionsgesetz, besser noch ein Gesundheitsförderungsgesetz. Die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung muss intensiviert werden. Hier ist ein besonders dringlicher Ansatz für Gesundheitförderung und gesundheitsbezogene Prävention (z.B. durch eine Kindergrundsicherung). In den Feldern der Jugendhilfe bedeutet Inklusion geschlechts-, herkunfts- und migrationssensibel zu arbeiten. Der Kinderschutz muss mit einer umfassenden Förderperspektive der frühen Entwicklungspotentiale verbunden werden. Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Und die im Dunkeln sieht man nicht: Die Folgen von Armut für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Herausforderungen II 22.11.2012 Da die gesundheitsrelevanten Belastungswerte im Schulalter besonders dramatisch sind, müssen gesundheitsförderliche Kooperationen der Kinder- und Jugendhilfe mit der Schule strukturell verbessert werden. Die gesellschaftliche und politische Ignoranz gegenüber den zunehmenden psychosozialen Problemen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen muss überwunden werden. Die Förderung verbindlicher kooperativer Netzwerkstrukturen zwischen den Systemen der Jugend-, Gesundheits- und Eingliederungshilfe bedürfen einer strukturellen Absicherung und Förderung. Die größte „Baustelle“ entsteht durch die Inklusion, sowohl durch die sog. „Große Lösung“ als auch durch die Realisierung inklusiver Schulen. Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « 28