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Verhaltenstherapie:
Auch
hier
verändert
sich
die
Sicht
durch
wissenschaftstheoretische Kritik und empirische Forschung. Ursprünglich wurde die
Überlegenheit der VT damit begründet, dass sie aus Lerntheorie und experimentellen
Studien abgeleitet wurde (Eysenck, 1959). Diese Sichtweise wird dann jedoch in
frage gestellt (Breger und McGaugh (1965): Die Ableitung ist eher metaphorisch).
Manche verhaltenstherapeutische Erklärungen zu Entstehung und Behandlung
verschiedener Störungen stellen sich als zu einfach heraus (z.B. Wolpes (1958)
Erklärung der Neurosen) und die anfänglich ausgezeichneten Therapieerfolgsraten
(nach Wolpe 89,5%) werden angezweifelt.
Beobachtbares Verhalten wird durch vorgestellte Bilder und Kognitionen erweitert, es
folgt die Entwicklung der kognitiven VT (KVT). Die KVT hat auch schon wieder Kritik
erfahren (Zajonc, 1980): Kognitionen gehen Fühlen und Verhalten nicht voraus und
bestimmen es; Gefühle und Verhalten werden weitgehend von anderen
Nervenstrukturen encodiert und verarbeitet als Kognitionen.
Gesprächstherapie: macht auch Entwicklungen. Das Konzept des emphatischen
Verstehens und das Repertoire an therapeutischen Interventionsmöglichkeiten wird
erweitert.
All diese Entwicklungen bereiteten den Weg zu einer weniger schulenorientierten
Sichtweise. Gleichzeitig ( ist ein starkes Interessen an Pluralismus, Integration und
Eklektizismus (d.h. Theorie- und Methodenvielfalt) zu verzeichnen (sehr stark um
1980 herum).
Vertreter des Pluralismus wollen die Originalität der Systeme bewahren, ihre Stärken
aus- und ihre Schwächen abbauen. Eine Synthese der Systeme scheint ihnen weder
möglich noch wünschenswert (typische Frage hier: Was trennt Schulen?).
Eine zweite Einstellung bezieht sich auf die nicht-spezifischen, die gemeinsamen
Wirkfaktoren. Hier geht es um das Studium der Gemeinsamkeiten der Systeme, um
die Faktoren zu erkennen und zu maximieren, die die therapeutische Wirkung
hervorbringen (was haben Schulen gemeinsam?).
Eine dritte Perspektive geht der Frage nach: Welche Massnahmen durch welchen
Therapeuten wirken am besten bei welchem Patienten mit welchen Problemen?
Dieser „technische Eklektizismus“ scheint –wenn systematisch und kritisch
angewandt- für Klinik und Forschung am interessantesten, hat schon
Diagnostikforschung, Ergebnisforschung (z.B. Analyse des Wirkspektrums),
Prozessforschung
(z.B.
Mikroanalyse
der
Therapieprozesse)
und
Indikationsforschung neu belebt.
Heute ist also auch in der Praxis eine grösserer Offenheit und ein vermehrtes Interesse an
problemorientierten Behandlungspaketen zu verzeichnen. Nach Huber bedeutet das nicht, sich gleich
in vielen Schulen ausbilden zu lassen (man sollte auch einen eigenen Standpunkt haben) sondern, die
Augen für Bereicherungen aus anderen Bereichen zu öffnen und die empirisch abgestützten verfahren
zur Behandlung eines Problems zu kennen und anwenden zu können.
3. Kapitel: Wichtige Störungen und ihre Behandlung
l Angst, Agoraphobie und Panik
14
a) Der psychoanalytische Ansatz
Schon 1985 beschrieb FREUD die Angstneurose, die sich durch folgende
Symptome auszeichnete: 1. Allg. Reizbarkeit, 2. Ängstliche Erwartung, 3.
Angstanfälle, 4. Körperfunktionsstörungen, 5. Nächtliches Aufschrecken, 6.
Schwindel, 7. Entwicklung von Phobien, 8., Verdauungsstörungen, 9.
Parästhesien (Sensibilitätsstörungen und Missempfindungen) und 10.
Möglichkeit der Chronifizierung mehrerer Symptome.
Die Panikstörung beschreibt FREUD ziemlich zeitgenössisch. Er unterschied
drei Arten von Angst: frei schwebende oder Erwartungsangst, phobische oder
Situationsangst und Angstanfälle), in der starken und akuten Form nannte er
sie traumatische Angst und in der milderen Signalangst. Furcht und Angst
unterschied er in dem Masse, dass Angst auf eine innere Gefahr, einen
unbewussten Triebwunsch gerichtet ist. Im Laufe der psychosexuellen
Entwicklung ändert sich die Angst: 1) die Gefahr, das Liebesobjekt zu
verlieren, 2) die Gefahr, die Liebe des Objektes zu verlieren, 3)
Kastrationsangst, 4) Überichangst oder Schuldgefühle.
Ein Beispiel: Bei Agoraphobie handelt es sich nach FREUD um einen mit
unbewussten sex. Phantasien verbundenen Konflikt. Der mit der
Triebbefriedigung verbundene Angst wird auf den Raum projiziert – um sich
vor der Angst zu schützen, meidet der Patient den gefährlichen Ort. Nach
neuerer Auffassung geht man eher von einem Konflikt, der das Problem der
Trennung und der Individuation (autonom sein, ausbrechen) betrifft, aus.
Die Therapie hat zur Aufgabe, dem Patienten Einsicht in den Grundkonflikt zu
ermöglichen, ihn zu interpretieren und aufzulösen. Zum Wirkungsnachweis
liegen Fallgeschichten vor, systematische, kontrollierte empirische
Evaluationsstudien existieren keine.
b) Das biologische Modell von Agoraphobie und Panik
1959 machte KLEIN (1962) Versuche mit dem noch nicht auf dem Markt
erhältlichen Antidepressivum Imipramin. Nebst der positiven Wirkung bei
Depression konnte er feststellen, dass das Medikament auch Patienten mit
Angststörungen helfen konnte, bei denen weder intensive stationäre
Psychotherapie, noch Sedativa helfen konnten. Allerdings besserten sich nur
die Angstanfälle, nicht aber die allgemeine Ängstlichkeit. Dies veranlasste
KLEIN ein biolog. Modell zu erarbeiten, welches auf die Def. im DSM-lll-R
grossen Einfluss hatte.
15
Zwischen der Panikstörung und der Agoraphobie besteht nicht nur ein
quantitativer, sondern auch ein qualitativer Unterschied: Die Panikstörung ist
gekennzeichnet durch ihr spontanes, anfallsartiges Auftreten, welches mit
starken körperlichen Symptomen einhergeht. Es handelt sich um eine primär
biologische Funktionsstörung mit genetischer Komponente. Die chronische
oder antizipatorische Angst ist Angst vor der Panik, also Erwartungsangst.
Argumente für die Panikstörung als primär biologisches Phänomen:
- spezifische Wirkung von Medikamenten: trizyklische Antidepressiva
(v.a. Imipramin) und MAO-Hemmer (v.a. Phenelzin). Beruhigende
Medikamente (z.B. Benzodiazepine) und Alkohol haben die umgekehrte
Wirkung.
- Auslösung der Panikattaken bei Patienten durch Infusion von
Natriumlaktat möglich (aber nicht bei gesunden Vp).
- Starke genetische Komponente
- Eine Anamnese kindlicher Trennungsangst findet sich bei ungefähr der
Hälfte der erwachsenen Panikpatienten. Dies könne, wie auch
Trennungsangst bei jungen Tieren, mit Imipramin behandelt werden.
Fast jeder Punkt dieser Argumente wird wegen mangelnden Beweisen und
Belegen kritisiert. Medikamentenstudien zur Wirksamkeit von Imipramin
ergaben eine verbesserte Wirksamkeit der Expositionstherapie, aber meist
nicht langfristig. Allerdings sind Abbrüche der Therapie wegen
Nebenwirkungen zu bemängeln. Auch gibt es mehr Rückfälle, als wenn eine
Exposition allein durchgeführt wird.
Es existieren Studien auch mit anderen Medikamenten. Zur Wirksamkeit von
Benzodiazepinen soll gesagt sein, dass sie zwar rasch wirken, es besteht
allerdings
eine
hohe
Rückfallquote
(bis
100%)
und
grosse
Abhängigkeitsgefahr.
c) Das psychophysiologische (verhaltenstherapeutische) Modell
Bei dieser Auffassung wird die Interaktion zwischen biologischen und
psychischen Prozessen unterstrichen. Der Panikanfall kommt nicht mehr
einfach „spontan“, sondern ist Resultat sich gegenseitig beeinflussender
Prozesse (primäre Körperempfinungen, affektiv-kognitive Prozesse und
Reaktionen des Patienten). Der Ursprung liegt in biologischen oder
psychischen Prozessen und kann unterschiedlich stark wahrgenommen
werden.
Viele
Variablen
(biolog.
Eigenart,
Lerngeschichte,
Bewältigungsstrategien, Situation) beeinflussen die Wahrscheinlichkeit, die Art
der Auslösung und den Ablauf.
16
Das Modell kann die Aufrechterhaltung gut erklären, nicht aber, wie und wann
es zum ersten Anfall kommt.
Bei der Behandlung soll gezielt an den Angstanfällen selbst angesetzt werden.
Es werden mehrere Behandlungsprogamme vorgeschlagen: Kombination von
Konfrontation
und
kognitiver
Umstrukturierung,
Einüben
von
Bewältigungsstrategien. In der diagnostischen Phase ist die Erfassung der
Auslöser und Begleitumstände wichtig. Dann wird ein individuelles
Erklärungsmodell erstellt.
Zur Wirkungsweise bestehen mehrere Studien, welche die gezielte
psychologische Behandlung über die nicht-spezifischen psychologischen und
pharmakologischen Behandlungsmethoden stellt.
d) Behandlungsempfehlungen
Antidepressiva, MAO-Hemmer und Benzodiazepine sind wirksam. Allerdings
verschwindet die Wirkung rasch, wenn keine Exposition stattgefunden hat.
ll Spezifische (einfache) Phobien
Die Angst/Panik wird durch einen gut identifizierbaren phobischen Reiz ausgelöst
und intensiviert sich mit Annäherung an den Reiz, bzw. vermindert sich mit der
Entfernung. Es kann auch Erwartungsangst bestehen. Es gibt alle möglichen Reize,
die Angst auslösen können, es scheint aber mit dem Alter zu tun zu haben, wann
sich die Störung ausbildet: So entsteht die Angst vor Tieren oder Blut eher im
Kindesalter, wobei die Angst vor geschlossenen Räumen, Höhen oder Fliegen eher
erst im vierten Lebensjahrzehnt entsteht.
17
Der Verlauf spezifischer Phobien ist unterschiedlich (kurz, verschwinden wieder bis
langandauernd ohne einer Neigung zur Spontanremission).
Hier soll nur die VT behandelt werden.
a) Entstehung und Aufrechterhaltung
Anfänglich erklärte man die Entstehung und Aufrechterhaltung durch das
Zwei-Faktoren-Modell, nach welchem die Angstreaktionen durch klassisches
Konditionieren entsteht (ein neutraler Reiz wird mit einer Angstreaktion
gekoppelt) und durch operante Konditionierung aufrechterhalten. Durch
Vermeidungsverhalten wird die Löschung verhindert. Nicht jeder Reiz kann
jedoch eine Angstreaktion auslösen, darum wurde das Modell mit der Theorie
der preparedness (SELIGMAN, 1970/71) ergänzt: Nur biologisch relevante
Reize („negative“) sind konditionierbar. Auch musste man das Erlernen der
Angst durch Informationen und Modelllernen hinzufügen, da Ängste vor
Situationen, in denen sich der Patient nie wirklich befunden hat, existieren
können. Weitere Ergänzungen kommen aus der kogn. Lerntheorie und der
kogn. Emotionstheorie.
b) Therapie spezifischer Phobien
Die Therapie folgt zwei Prinzipien: 1. Systematische Desensibilisierung (WOLPE, 1958):
schrittweise Konfrontation an die angstauslösende Situation in sensu oder in vivo. Zuerst lernt
der Patient eine Entspannungsmethode (z.B. progressive Muskelentspannung nach
JACOBSON), dann beginnt er sich der Situation in Gedanken oder real schrittweise
anzunähern. 2. Exposition und Reaktionsverhinderung: Da die Angst nach einer gewissen Zeit
wieder abklingt, geht es darum, dass der Patient lernt, die Situation auszuhalten.
c) Behandlungsempfehlungen
Die Exposition in vivo hat sich als am wirksamsten
Pharmakotherapie erzielt keine zusätzliche Wirkung.
erwiesen.
lll Soziale Phobien
= anhaltende Angst vor einer oder mehrerer Situationen, in denen die Person im
Mittelpunkt der Aufmerksamkeit anderer steht und befürchtet, etwas zu tun, was
demütigend oder peinlich sein könnte (in der Öffentlichkeit sprechen, schreiben oder
essen, Angst zu Erröten oder sich ungeschickt zu verhalten).
a) Das biologische Modell
Bei Patienten mit sozialer Phobie wird immer eine erhöhte autonome Erregung
beobachtet, die mit einer übermässigen Katecholaminerzeugung oder mit
einer erhöhten Empfindlichkeit für die normale Erhöhung dieses Botenstoffes
in Stresssituationen in Verbindung gebracht wird. Die Beruhigung der
autonomen Erregung wird durch Psychopharmaka erzielt.
MAO-Hemmer: Studien von LIEBOWITZ (1984/86/88) ergaben eine gute
Wirkung von Phenelzin.
Beta-(Adrenergic) Blocker: Zu Betablockern bestehen drei Studien. FALLOON
et al. (1981) fand keine Unterschiede in der Wirkungsweise zwischen
Propanolol und Placebo. GORMAN et al. (1985) stellte fest, dass Atenolol bei
50% der Patienten eine fast vollständige Besserung der Symptome, 40% eine
mässige Besserung bewirkte. LIEBOWITZ et al. (1988) konnte nur bei einem
drittel der Patienten eine Besserung erkennen, dies unterschied sich aber
nicht von der Wirkung des Placebos. Diese unterschiedlichen Ergebnisse
müssen weiter untersucht werden.
18
Trizyklische Antidepressiva und Benzodiazepine: Hier sind die Ergebnisse
unklar. Es liegen Studien zu Clomipramin und Imipramin vor. Auch Diazepam
und Alpazolam (Benzos) wurden mit inkonsistenten Ergebnissen untersucht.
Alprazolam zeigte eine gute Wirkung, die aber nach dem Absetzen der
Medikamente verschwand.
b) Das Modell der kognitiven VT
Soziale Phobien entstehen auf dem Boden einer biologischen und
psychologischen Veranlagung zu Angstreaktionen. Das Modell von
HEIMBERG&BARLOW (1988) konzentriert sich auf das Verhalten in sozialen
Situationen (weniger auf biolog. und entwicklungsgesch. Bedingungen): Auf
soziale Anforderungen wird mit neg. Gefühlen reagiert, die Aufmerksamkeit
auf sich, anstatt auf die Aufgaben gelenkt. Somit wird die anfängliche milde
körperl. Reaktion gesteigert und somit auch die Angst. Vermeidungsverhalten
entwickelt sich.
Die Behandlung erfolgt durch Exposition und kogn. Umstrukturierung.
HEIMBERG hat ein Behandlungsprogramm für Gruppen (5-6 P.) entwickelt:
- Erklärung zu Entstehung und Behandlung sozialer Phobien
- Strukturierte Übungen zum Aufbau von Fertigkeiten zum Auffinden und
kritischen Analysieren problematischer Kognitionen
- Konfrontation
- Verfahren kogn. Umstrukturierung erlernen
- Verfahren rationaler Selbstanalyse erlernen, um die neg.
Selbstbewertung zu ersetzen
- Hausaufgaben
- Routineverfahren mit kogn. Umstrukturierung erlernen
Die Wirksamkeit kognitiver Verhaltenstherapie ist durch mehrere Studien gut
belegt.
c) Behandlungsempfehlungen
MAO-Hemmer (Phenelzin) haben sich als wirksam erwiesen, Beta Blocker
(Atenolol) scheint bei Ängsten wie Lampenfieber wirksam zu sein. Alprazolam
erzielt starke Besserungen, die aber nach dem Absetzen wieder
verschwinden. Bei der Behandlung mit Medikamenten soll aber gleichzeitig
Exposition stattfinden. Die kognitive VT ist von den psychotherapeutischen
Verfahren am besten.
lV Generalisierte Angststörung
Hauptmerkmal dieser Störung ist die unrealistische oder übertriebene Angst und
Besorgnis (Erwartungsangst) bezügl. zweier oder mehrerer Lebensumstände (Sorge,
dem Kind könnte etwas zustossen, Geldsorgen) mind. 6 Monate lang. Motorische
Angespanntheit, vegetative Übererregtheit mit Überwachheit und ständigem
Überprüfen der Umgebung. Im DSM-III-R werden 18 Symptome in drei Gruppen
beschrieben:
1. Motorische Spannung: Zittern, Zucken oder Beben; Muskelspannung, Schmerzen
oder Empfindlichkeit; Ruhelosigkeit; leichte Ermüdbarkeit.
2. Vegetative Übererregbarkeit: Atemnot oder Beklemmungsgefühle; Palpitationen
(Herzklopfen) oder beschleunigter Herzschlag (Tachykardie); Schwitzen oder kaltfeuchte Hände; Mundtrockenheit; Benommenheit oder Schwindel; Übelkeit,
Durchfall
oder
andere
abdomidale
Beschwerden
19
(Bauchschmerzen/Unterleibsschmerzen); Hitzewallungen und Kälteschauer;
häufiges Wasserlassen; Schluckbeschwerden.
3. Hypervigilanz und erhöhte Aufmerksamkeit: sich angespannt fühlen oder ständig
„auf
dem
Sprung“
sein;
übermässige
Schreckhaftigkeit;
Konzentrationsschwierigkeitn
oder
Blackout
aus
Angst;
Einoder
Durchschlafstörungen; Reizbarkeit.
a) der biologische Ansatz
Der Störung soll eine Stoffwechselstörung im Gehirn zu grunde liegen.
Allerdings gibt es keine biologische Marker oder genetische Hinweise.
Benzodiazepine helfen in der akuten Phase, sind aber wegen der
Abhängigkeitsgefahr und den Nebenwirkung nicht optimal. Je weniger
Depressivität und zwischenmenschliche Konflikte bestehen, um so besser
wirken sie. Bei längerer Behandlung empfehlen sich trizykl. Antidepressiva.
Neuerdings wurde Buspiron, ein Anxiolytikum, gefunden, welches gut wirkt
ohne die Nachteile eines Benzodiazepins.
b) der psychophysiologische (VT) Ansatz
Diesem Ansatz zu Folge wird die Angststörung von negativen
Lebensereignissen bewirkt. Diese rufen bei einer verwundbaren Person
neurobiologische Reaktionen hervor, die mit Stress verbunden sind.
Unangemessene Wahrnehmung und Interpretation führt zu Angst.
Die
Behandlung
kann
bei
unterschiedlichen
Punkten
des
Entstehungsprozesses
ansetzen
(somatisch,
kognitiv).
Entspannungstechniken werden empfohlen, es gibt aber keinen Nachweis der
Wirksamkeit für diese Methoden. Kombinierte Verfahren sind sinnvoll, z.B.
kognitive und Entspannungsverfahren. Biofeedback, Stressimpfungstrainigs.
V Zwangsstörungen
Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen verursachen erhebliches Leiden, sind
zeitraubend und beeinträchtigen den normalen Tagesablauf, die beruflichen
Leistungen oder die üblichen sozialen Aktivitäten. Die Person erkennt – im Falle der
Zwangsgedanken – dass diese von ihr selbst ausgehen (also nicht eingegeben
werden) und sie versucht diese zu ignorieren oder zu unterdrücken. Es handelt sich
oft um Gedanken des Sich-Infiszieren-Könnens, Verschmutzung, Angst, man könnte
das eigene Kind umbringen, etc. Zwangshandlungen sind wiederholte, zielgerichtete
und beabsichtigte Handlungen, die auf einen Zwangsgedanken hin ritualisiert
durchgeführt werden (Kontrollieren, Händewaschen, Zählen oder Berühren). Die
Zwangsstörung gehört zur viert oder fünfthäufigsten Störung und werden häufig von
Angst oder Depression begleitet.
20
a) Die psychoanalytische Auffassung
Die Zwangsstörung ist Folge einer nicht geglückten Abwehr und Verarbeitung
der unbewussten sadistischen und feindlichen Impulse des Patienten. Die für
diese
Patienten
typischen
Abwehrmechanismen
sind:
Isolation,
Ungeschehenmachen, Verschiebung und Reaktionsbildung. Zur Behandlung
werden die unbewussten Konflikte bewusst gemacht und aufgearbeitet. Es
gibt allerdings noch keinen gültigen Nachweis für die Wirksamkeit der
Therapie. Der Psychoanalytiker MALAN (1979) behauptet sogar, dass er
keinen Fall kenne, der durch PA geheilt worden sei und empfiehlt VT. Als
Begleittherapie mag sie in gewissen Fällen jedoch sinnvoll sein.
b) Das biologische Modell der Zwangsstörung
Da Anxiolytika bei Zwangsstörungen wirkungslos sind, kann man davon
ausgehen, dass die Basis der Zwangsstörung nicht Angst ist, sondern ein
anderes biochemisches System: Mehrere Medikamtenstudien haben ergeben,
dass hier das Serotoninsystem geschädigt ist, was durch Medikamente wie
Clomipramin und Fluvoxamin gebessert werden kann. Allerdings ist eine
gleichzeitige VT ratsam, weil sonst die Gefahr besteht, dass die Symptome
wiederkommen.
Auch Antidepressiva können hilfreich sein.
c) Zwangsstörung aus der Sicht der VT
Zwei Theorien versuchen die Entstehung und Aufrechterhaltung der
Zwangsstörung zu erklären. Die erste geht von MOWRERS Zwei-FaktorenTheorie (1939) aus: ein neutraler Reiz wird in Verbindung mit einer
Angstreaktion selbst zu einem aversivem Reiz (erster Faktor). Dieser wird in
der zweiten Phase gemieden und somit verstärkt (zweiter Faktor).
Zwangsstörungen
werden
somit
zu
einem
instrumentellen
Vermeidungsverhalten. Das Problem der Theorie ist, dass sie nichts über die
biologische Bedeutsamkeit aussagt (siehe... Seligman weiter oben), auch
kann man den ursprünglichen aversiven Reiz der ersten Phase kaum
zuordnen. Weiter fehlen Aussagen über kognitive Komponenten. Dies
versucht die zweite Theorie, die kognitive Theorie miteinzubeziehen:
Zwangspatienten leben in einer Welt der Unsicherheiten und des Zweifels mit
abnorm hoher Erwartung negativer Ereignisse (CARR, 1974). Allerdings
macht die Theorie keine Aussage über den Ursprung der Unsicherheiten und
irrigen Überzeugungssysteme.
Zur Behandlung: Die VT schreibt der Angst/Erregung und deren Vermeidung
bei der Entstehung und Aufrechterhaltung der Zwangsstörungen eine zentrale
Rolle zu. Dementsprechend wird die Behandlung ausgerichtet. Vorab muss
jedoch eine eingehende Verhaltensanalyse durchgeführt werden, um die
konkreten Bedingungsfaktoren und ihre Vernetzung genau herauszuarbeiten.
Wichtig ist auch, dass mit dem Patienten ein Kausalkonzept erarbeitet wird,
dass mit seinen Vorstellungen übereinstimmt. Ist dieses verständlich und
plausibel, kann die Motivation zur Therapie erheblich gesteigert werden.
Exposition und Reaktionsverhinderung, die sich direkt auf die Angst/Erregungskomponenten
und
die
Reaktions-/Handlungskomponenten
beziehen, sind zentral in der Therapie. Die Gewissheit, die Probleme selber
meistern zu können, führt bei den Patienten zu Erleichterung.
21
Zwangsgedanken sind schwieriger zu behandeln. Sie lassen sich nicht nach
dem Angst-Reduktions-Modell erklären, da Gedankenzwänge nicht Reduktion,
sondern Induktion (Erzeugung) der Angst zur Folge haben.
Da Zwangspatienten oft zusätzliche psychiatrische Probleme haben, müssen
diese oft mitbehandelt werden, um gute therapeutische Erfolge zu erzielen.
Zur Wirksamkeit: VT ist gut belegt. FOA et al. (1985) analysierte 18 Studien
und kam zu dem Schluss, dass 51% der Patienten nach der Behandlung
symptomfrei oder sehr gebessert, 39% mässig gebessert waren. 10%
sprechen gar nicht auf die Therapie an.
d) Behandlungsempfehlungen
Psychoanalytische Methoden kann man als unwirksam bezeichnen, es sei
denn, der Therapeut arbeitet direktiver. Pharmakotherapie: Chlomipramin ist
wirksam. Am besten ist die VT, eventuell mit einer Kombination von
Psychopharmaka.
22
Vl Depressionen
Depressive Störungsbilder weisen eine grosse Zahl verschiedener psychischer und
körperlicher Symptome auf, die verschieden miteinander kombiniert sein können und
manchmal schwer zu erkennen sind, v.a. die larvierten, somatisierten Formen. Tab.
17 zeigt die häufigsten Symptome.
23
Biologische/Medizinische Faktoren müssen vor einer psychologischen Behandlung
genauestens abgeklärt werden, da diese womöglich die Verursacher der Depression
sind.
a) Biologische Modelle
Für ein biologisches Modell sprechen folgende Beobachtungen: Die
Depression wird oft von natürlichen körperlichen Veränderungen begleitet: vor
der Menstruation, nach der Schwangerschaft oder die Wechseljahre. Die
Symptome ähneln sich grösstenteils, unabhängig vom Alter, Geschlecht,
Kultur oder Rasse des Patienten. Psychopharmaka und Elektrokrampftherapie
sind wirksame Behandlungen. Auch kann eine Depression als Nebenwirkung
von Medikamenten (z.B. Reserpin) auftreten. Die Depression geht mit einer
erhöhten Vererblichkeit einher: V.a. die bipolaren Störungen (manischdepressiv). Eineiige Zwillinge weisen eine Konkordanz von 69% auf (zweieiige
nur 19%). Es existiert eine Katecholamin- und eine Serotoninhypothese, die
durch die Wirkung bestimmter Psychopharmaka bestätigt wird. Auch kann
man z.T. neuronale Veränderungen (im limb. System oder Locus coeruleus)
feststellen. Die Störung ist vermutlich nicht rein biologischen Ursprungs – man
geht eher von einem integrativen Modell aus.
Abb.3 veranschaulicht ein integratives Erklärungsmodell.
24
Trizyklische Antidepressiva (Tofranil, Tryptizol) und MAO-Hemmer (Parnab,
Nardil) zeigen gute Wirkungen, allerdings haben MAO-Hemmer viele
Nebenwirkungen. Trotz des schlechten Rufs der Elektrokrampftherapie zeigt
sie v.a. bei endogen Depressionen gute Erfolge.
b) Psychologische Modelle zur Entstehung und Behandlung
1. LEWINSOHNs (1974) Modell zur Depressionsentstehung geht von
Skinners operanter Lerntheorie aus. Die charakteristischen Symptome von
Verhaltensreduktion (Interesseverlust, Passivität und Antriebsmangel)
werden auf verhaltensbezogene Verstärkungsverluste zurückgeführt. Da
dem Patienten eine zeitlang kaum Verstärkung für Aktivitäten und soziales
Verhalten zukommt, verarmt sein Verhalten. Durch negative äussere
Ereignisse können die möglichen positiven Verstärker vermindert werden
oder die Kontrolle über die Verstärkungsmöglichkeiten gehen verloren. Das
sich so entwickelnde depressive Verhalten kann durch eventuell folgende
soziale Zuwendung aufrechterhalten werden (!). Es ist aber auch möglich,
dass daraus soziale Abwendung resultiert, was die Depression
verschlimmert.
In
der
Therapie
geht
es
darum,
die
unangemessenen
Verstärkerbedingungen zu verändern. Selbstsicherheit uns soziale
Fertigkeiten werden trainiert, mehr Aktivitäten eingeplant. Neuerdings
werden kognitive Verfahren zur Verarbeitung von Umweltreizen und
Stressbewältigungstechniken hinzugefügt.
2. BECKs Modell gehört zu den kognitiven Modellen. Die Entstehung der
Depression ist v.a. kogn. Strukturen und Prozessen zuzuschreiben. Die
kognitiven Schemata eines Patienten verzerren die Wirklichkeit. In
sogenannten kognitiven Triaden hat der Patient eine negative Sicht von
sich selbst, seiner Umwelt und der Zukunft. Negative Ereignisse werden
immer auf sich selbst bezogen, in der Umwelt negative Ereignisse selektiv
wahrgenommen und von der Zukunft auch nichts besseres erwartet. Die
Aktivierung der kogn. Denkmuster führt zu Angst, Traurigkeit, Passivität
und Ärger. Typische Denkfehler kommen hinzu. Diese kognitive
Verhaltenstherapie, welche dann versucht, die kogn. Schemata zu ändern,
ist eine der besten Therapien für Depressive. Mindestens ebenso wirksam
wie Antidepressiva mit dem Vorteil, geringere Rückfallquoten aufzuweisen.
3. SELIGMANs Depressionsmodell (1974) gehört zu den kognitiven
Modellen: Die Depression wird durch eine Erwartung eines negativen
Ereignisses ausgelöst, auf dessen Eintreten kein Einfluss ausgeübt werden
kann (das Modell ist aus der Beobachtung mit Hunden entstanden 
Konzept der erlernten Hilflosigkeit). Das Konzept wurde durch
attributionstheoretische Hypothesen (Ursachenzuschreibung) erweitert. In
der Therapie geht es darum, die erlernte Hilflosigkeit abzubauen und
angemessene Kontrollüberzeugungen aufzubauen mit Hilfe der kognitiven
und der VT.
4. REHMs
(1977)
Selbstkontrollhypothese
wurde
aus
KANFERs
Selbstkontrolltheorie (1970/71) entwickelt: die Depression tritt in Folge
eines Selbstkontrolldefizits auf. Aufgabe der Therapie ist es, diese
Fähigkeiten aufzubauen.
25
5. McLEAN (1976) legte ein Stressbewältigungsmodell vor: Eine Depression
entsteht, wenn eine Person zur Verarbeitung ungünstiger Ereignisse und
belastender
Lebenssituationen
keine
wirksamen
sozialen
Bewältigungsfertigkeiten einsetzen kann. Diese Fertigkeiten sollen in der
Therapie aufgebaut werden. Dazu werden Bezugspersonen in die Therapie
miteinbezogen.
6. KLERMAN & WEISSMAN (1982) haben die interpersonelle Therapie (IPT)
entwickelt. Sie betont die Bedeutung sozialer Interaktion und geht von A.
MEYERs psychobiologischer Auffassung der Psychiatrie, von H.S.
SULLIVANS Theorie der Interpersonellen Beziehungen und von der emp.
Forschung der Sozialtheorie aus. Sie stützt sich auch auf die Attachment
Theorie: Enge zwischenmenschliche Beziehungen (Intimacy) spielen bei
der Vorbeugung depr. Störungen eine wichtige Rolle. Verluste und
Probleme in diesen Beziehungen tragen zur Depressionsentwicklung bei,
sind aber nicht deren Ursache.
VII Zusammenfassung der Behandlungsempfehlungen siehe Tab.19
26
4. Schlafstörungen,
funktionelle
Partnerschaftsstörungen
Sexualstörungen
und
Ehe-
und
I Schlafstörungen
Die Klassifikation orientiert sich an der ASDC (Association of Sleep Disorder Centers,
1979).
a) Formen von Schlafstörungen
Es werden vier grosse Störungsformen des Schlafs unterschieden:
1. Insomnien: Betreffen Einschlafen und Durchschlafen und bringen
Schlafmangel mit sich. In dieser Gruppe ist die Beteiligung psychologischer
Faktoren am deutlichsten, deswegen wird in der Folge bei Huber nur noch
diese Störungsgruppe diskutiert (siehe unten).
2. Hypersomnien: Beinhalten eine unwiderstehliche Neigung zum Schlafen
ausserhalb der Hauptschlafzeiten, führt zu Schlafüberschuss. Beteiligung
psychologischer Faktoren bei der Verursachung wird quasi
ausgeschlossen.
3. Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus: Veränderungen dieses
Rhythmus im Vergleich mit der sozialen Umgebung, man kann nicht dann
schlafen, wenn man es braucht oder wünscht. Mögliche Ursachen:
organisch, Medikamente, Umstellung (Jet lag, Schichtarbeit).
4. Parasomnien: Abnorme Ereignisse, die während des Schlafes auftreten
(z.B. Alpträume oder Schlafwandeln).
b) Merkmale der Insomnien
Bezogen auf den Schlaf:
 Verlängerte Einschlafzeiten oder Wachzeiten. Diese Wachzeiten sind
unangenehm, oft von zwangsartigem Grübeln begleitet. Es gibt keine
objektiven Kriterien, ab wann eine Wachzeit Störungscharakter hat, als
Richtmass wurde eine Dauer von mehr als 30 Minuten eingesetzt.
 Unruhiger und oberflächlicher Schlaf, der morgens nicht zum Gefühl der
Erholung führt.
 Ungenügende Gesamtschlafdauer. Hier gibt’s wieder kein objektives
Kriterium, Richtwert ist weniger als 6,5 Std.
 Angst, Kontrolle über Schlaf zu verlieren, nicht mehr schlafen zu können.
Angst, der schlechte Schlaf könne die Gesundheit beeinträchtigen.
Dazu kommt dann Störungen des Befindens am Tag: Müdigkeit, Leistungsunfähigkeit (v.a.
subjektive), Unlust, Unzufriedenheit, Antriebslosigkeit und Depression.
c) Formen von Insomnien
1. Psychophysiologische oder primäre Insomnien: Sind durch emotionale
Erregung oder psychische Konflikte bedingt. Dauer der akuten Form:
weniger als drei Wochen. Bei längerer Dauer können sich
Erwartungsängste und dann eine chronische Schlafstörung entwickeln.
Machen 20% der Insomnien aus.
2. sekundäre Schlafstörungen im Zusammenhang mit psychiatrischen
Störungen (v.a. Depressionen). Machen 35% der Insomnien aus.
3. Insomnien
im
Zusammenhang
mit
Medikamenten
oder
Alkoholkonsum (10%). Chronischer Konsum von Alkohol und/oder
Barbituraten Verändern das Schlafmuster: REM-Schlaf und Tiefschlaf ist
verkürzt (oder weg).
27
4. Weitere Formen: schlafinduzierte Atmungsstörungen (5%), Myoklonus +
„restless legs“ (15%), bei körperlichen Erkrankungen (5%), Abweichungen
in der Schlafstruktur (5%), mit unbekannten Faktoren verbunden (5%).
d) Entstehungsbedingungen primärer Insomnien
Veranlagung: Personen mit Schlafstörungen haben oft schon in der Kindheit
einen empfindlichen Schlaf und fühlen sich generell körperlich und seelisch
weniger wohl. Möglicherweise führt eine vegetative Labilität dazu, dass sie für
vorübergehende Belastungen empfindlicher sind und darauf schneller mit
gestörtem Schlaf reagieren.
Ungelöste Probleme, belastende Situationen, unbewusste Konflikte, mit Schlaf
unverträgliches Verhalten und später auch Erwartungsängste können das
kognitive und/oder physiologische Erregungsniveau so weit erhöhen, dass es
das Einschlafen erschwert.
e) Zur Behandlung der Insomnien
Pharmakologische Behandlung: Früher Barbiturate (aber: Gefahren +
Nebenwirkungen), heute Benzodiazepine (=Tranquilizer). Aber da sie bei
längerer Einnahme die Schlafstruktur verändern, keinen erholsamen Schlaf
bringen und abhängig machen, ist nur kurzfristiger Einsatz sinnvoll.
Psychologische Behandlung: Symptomzentrierte Verfahren (enger) und
Konfliktund
problemzentrierte
Verfahren
(weiter).
Erst
zu
Symptomzentrierten Verfahren: Entspannungsmethoden: Autogenes
Training, progressive Entspannung oder Biofeedback. Möglicherweise erfolgt
hier die Wirkung gar nicht über eine Reduktion der körperlichen Spannung,
sondern indem die Aufmerksamkeit (durch Fokussieren auf Körperprozesse)
vom Sinnieren über die Schlafstörung abgewendet wird.
Paradoxe Intention: Nach Franke (1960): Schlafenwollen führt zu ängstlichen
Erwartungen und soll daher unterlassen werden: Der Patient soll versuchen,
wach zu bleiben und seine Körperreaktionen zu beobachten.
Stimulus- und Bettzeitkontrolle: Gründet auf operanter Analyse von Schlafund Schlafstörungen (Bootzin, 1972), Annahme ist hier, dass bei
Schlafstörungen keine starken Hinweisreize für Schlaf (der seinerseits als
Verstärker wirkt) vorhanden sind oder dass die vorhandenen Reize mit Schlaf
unvereinbar sind. Die Behandlung soll daher: Den Hinweisreiz für den Schlaf
(Bett) verstärken, den Hinweisreiz des Bettes für anderes Verhalten (lesen,
fernsehen, grübeln usw.) schwächen, einen festen Schlafrhythmus
herbeiführen. Dazu muss der Patient dann konsequent verschiedene Regeln
befolgen (u.a.: Nur ins Bett legen, wenn schläfrig, dort nicht anderes machen
(höchstens Sex), wenn man nach 10 min. Noch wach ist, wieder aufstehen,
jeden Morgen zur gleichen Zeit aufstehen (egal wie die Nacht war), nicht
tagsüber schlafen).
Konflikt- und problemzentrierte Verfahren:
Konfliktzentrierte Verfahren: Basieren auf der Annahme, dass Schlafstörung
Resultat eines Konfliktes ist. Es werden dann Psychoanalytische Verfahren
oder Gesprächspsychotherapie angewandt, aber von beiden Schulen ist bis
jetzt kein spezifisch für die Schlafstörung entwickeltes Verfahren vorgestellt
worden. Wirksamkeitsnachweise sind nicht vorhanden (PA) oder bescheiden
(GT).
Kognitiv-verhaltenstherapeutische Methoden: Setzt zuerst an der Störung
direkt an, geht jedoch in einer zweiten Phase darüber hinaus und bezieht
28
problemorientert die übrige Lebenssituation des Patienten mit ein. Bsp. ist ein
Breitbandprogramm von Hohenberg und Schindler (1984), dass auch
(erfolgreich) auf Wirksamkeit überprüft
f)
Behandlungsempfehlungen
Immer erst medizinische Abklärung. Dann sollte von einem in der Behandlung von
Schlafstörungen erfahrenen Therapeuten eine Therapie gewählt werden. Ausser den Konfliktund Problemorientierten Ansätzen werden von Huber alle eben aufgeführten psychologischen
Verfahren als Möglichkeiten aufgelistet.
II. Funktionelle Sexualstörungen
a) Beschreibung der Störungen
Wegen der engen Wechselwirkung zwischen sexuellen, individuellen und
partnerschaftlichen Problemen ist es fragwürdig, ob die getrennte Behandlung
von Beziehungsproblemen und Sexualstörungen Sinn macht. Hier werden die
Probleme gesondert behandelt, weil viele Patienten über sexuelle Probleme
klagen und weil die Behandlung hinsichtlich des Symptoms spezialisiert und
somit spezifisch für Sexualstörungen ist. Bedeutung der Begriffe (deutschspr.
Raum, Sigusch, 1980):
Sexuelle Dysfunktionen: organisch bedingte Funktionsstörungen
Funktionelle Sexualstörungen: hier werden psychische Ursachen
angenommen
Sexuelle Funktionsstörungen: fasst beide Gruppen zusammen
Im DSM-III-R werden die funktionellen Sexualstörungen in zwei Gruppen
eingeteilt:
1. Paraphilien: „Das Auftreten einer Erregung als Reaktion auf sexuelle
Objekte oder Situationen, die nicht den üblichen Aktivierungsmustern
entsprechen und die in unterschiedlichem Ausmass die Fähigkeit zur
wechselseitigen,
liebevollen
sexuellen
Akitivität
beeinträchtigt“.
Untergruppen: Exhibitionismus, Fetischismus, Frotteurismus, Pädophilie,
sexueller Masochismus, sex. Sadismus, transvestitischer Fetischismus,
Voyeurismus, nicht näher bezeichnete Paraphilie
2. (Psycho-)Sexuelle Dysfunktionen: „Hemmung des sexuellen Antriebs
oder der psychophysiologischen Veränderungen, die mit dem sexuellen
Reaktionszyklus einhergehen“.Untergruppen:Gehemmte Appetenz, geh.
Erregung, geh. weibl. Orgasmus, geh. männl. Orgasmus, Ejakulatio
Praecox,
Funktionelle
Dyspareunie
(Brennen,
Stechen
beim
Geschlechtsverkehr), Funktioneller Vaginismus (Scheidenkrampf), nicht
näher bezeichnete sex. Funktionsstörung.
Die Störungen werden hier auf den Ablauf des sexuellen Reaktionszyklus
(Appetenz, Erregung, Orgasmus, Entspannung) bezogen
Diagnose erfolgt nach expliziten Kriterien bzgl. Bedingungen/Umstände, Häufigkeit, Dauer,
Schweregrad.
b) Häufigkeit funktioneller Sexualstörungen
Die Zahlen sind mit Vorsicht zu geniessen und als „beste verfügbare
Schätzwerte“ zu interpretieren , da v.a. die älteren Studien z.T.
unterschiedliche Kriterien und andere methodische Mängel aufweisen.
Die meisten Menschen erleben Perioden sexueller Symptomatik (Männer
67%-87%, Frauen 48%-88%), die nicht zwingend mit grösserer
Unzufriedenheit einhergehen (eine Studie: 60% der Frauen in glücklichen
Ehen erwähnten ab+zu Symptome)
29
Chronische Probleme: Frauen: 13% erniedrigte Appetenz, 9% Probleme beim
Orgasmuserleben. Männer: 13% allgemeine Sexualprobleme.
In Arztpraxen (Schweiz): 4% der Patienten in den Arztpraxen kommen v.a.
wegen sexuellen Symptomen, 25% der Männer und 29% der Frauen leiden
unter sex. Symptomen. Untersuchung in Toronto: 8,6% der Patienten weisen
sexuelle Probleme auf.
Häufigkeit der Diagnosegruppen: Reanalyse von 22 Studien (Nathan, 1986):
gehemmter weibl. Orgasmus 5%-30%, gehemmter männlicher Orgasmus 5%,
Ejakulatio Praecox 35%, gehemmte sexuelle Appetenz 1%-15% (Männer) und
1%-15% (Frauen). Appetenzprobleme scheinen zuzunehmen.
c) Entstehung und Behandlung funktioneller Sexualstörungen
In vielen Schulen gibt es interessante Ansätze, hier wird eingegangen auf
Psychoanalytischen und Verhaltenstherapeutischen Ansatz (letzterer enthält
auch systemtheoretische Überlegungen)
Psychoanalytischer Ansatz: Entstehung der Störung:
Symptome sind – wie bei klassischen Neurosen auch – Ausdruck eines
tieferen, unbewussten Konflikt, der auf ungelöste Probleme der frühen
Kindheit zurückgeht. Je nach Entwicklungsphase drängt wurden, in der die
Probleme nicht gelöst werden konnten und v, gibt es dann verschiedene
Probleme.
Therapie der Störung: Erfolgt wie bei anderen neurotischen Symptomen
durch Interpretation und Durcharbeiten des Konfliktmaterials. Durch Auflösung
des unbewussten Grundkonflikts soll die Störung überflüssig gemacht werden.
Neben einer klassischen Analyse werden hier auch kürzere und aktivere
Verfahren vorgeschlagen.
Verhaltenstherapeutischer Ansatz:
Geht zurück auf Wolpe (1958) und Lazarus (1963) (Interesse an
Lernprozessen) und auf Master und Johnson (1970) (sexologische Klinik und
Physiologische Untersuchung des ungestörten Sexualverhaltens).
Entstehung der Störung: Durch Lerngeschichte mit klassischen, operanten
und kognitiven Lernprozessen. Ausserdem wird mit Hilfe systemtheoretischer
Modelle nach Ansatzpunkten in der partnerschaftlichen Interaktion gesucht.
Neben somatischen Faktoren gibt es zwei Gruppen von Bedingungen, die zu
Sexualstörungen führen können: Frühe Lernerfahrungen in Kindheit und
Adoleszenz können das Selbstbild, die Beziehungen zu anderen und das Bild
der Sexualität prägen. Wenn so negative Bilder entstehen und die nicht
korrigiert werden, können sie zu sexuellen Funktionsstörungen führen.
Gegenwärtige Bedingungen betreffen Auslöser der sex. Erregung, Defizite im
Kontaktverhalten, mangelnde Aufklärung, unsichere Wertorientierung (was
darf und soll geschehen?), Partnerprobleme. (Liegen Erfahrungen von
sexuellem Missbrauch in der Kindheit oder Vergewaltigungserlebnisse vor,
sollte evtl. eine gesonderte Therapie erwogen werden.) Ein erstes
Störungserleben kann verarbeitet werden oder zu Erwartungsangst und somit
zu Weiterentwicklung der Störung führen.
Therapie der Störung: Weil Angst als konditionierte Reaktion auf sexuelle
reize eine zentrale Rolle spielt, können diese Störungen lerntheoretisch als
Phobien aufgefasst werden. Behandlung ist daher systematische
Desensibilisierung in sensu und in vivo (hier soll Patient immer nur soweit
gehen, wie es ihm angenehm und ohne Angst möglich ist). Erweiterung dieses
symptomzentrierten
Vorgehens
durch
Einbeziehung
interaktioneller
30
Sichtweisen (wie z.B. bei Masters & Johnson): „positiver Austausch im Paar“,
„sensate focus“ (Übungen zu Erreichung der Sensibilität für sinnliche
Wahrnehmungen, Sensualitätstraining), Ziele sind u.a. Leistungsängste
abbauen, Bedürfnisse des Partners kennenlernen, Kommunikation
verbessern. Masters & Johnson führten die Therapie ursprünglich stationär mir
zwei Co-Therapeuten (Mann+Frau) durch, sie ist aber auch ambulant, mit
einem Therapeut und in Gruppen wirksam. Neue Komponente ist „arousal
reconditioning“, wenn Abbau der Angst nicht reicht um positives Erlebnis der
Sexualität herbeizuführen, indem sexuelle Erregbarkeit und Lustempfinden
entwickelt werden.
Als Behandlungsmethode der Wahl weist Huber auf ein Psychodynamische
(Kaplan, 1974,1981) oder verhaltenstherapeutische (Arentewicz & Schmid, 1986)
Weiterentwicklung der Methode von Masters und Johnson hin.
III. Störungen der Beziehung und der Interaktion in Ehe und Partnerschaft
Kommen nicht als Kategorie in ICD-9 oder DSM-III-R vor, werden hier trotzdem
erläutert, weil sie häufig sind, Leid verursachen und bei vielen anderen Störungen
von Bedeutung sein können.
Zu Begriffen: Hier wird Ehe, Partnerschaft und Intime Beziehung identisch verwendet als
Beschreibung für eine Beziehung, die „Seele, Körper und Geist“ und das Erleben eines Wir-Gefühls
mit einschliesst.
d) Häufigkeit und Bedeutung
Es gibt keine repräsentativen Daten zum Ausmass der Unzufriedenheit, aber
vielen Arbeiten sind deutliche Hinweise dafür zu entnehmen, dass
Partnerprobleme sehr häufig sind: 80% der Ehepaare denken einmal an
Scheidung (USA), ca. jede 4. Ehe wird geschieden (BRD+Schweiz), 10% der
Frauen (15 bis 45 Jahre) in festen Partnerschaften gaben an in der Beziehung
unglücklich zu sein.
Beziehungsstörungen sind auch wichtig bei Depressionen, Suizidversuchen,
psychosomatischen Störungen.
b) Merkmale und Entstehung von Eheproblemen
Was unterscheidet glückliche von unglücklichen Paaren?
Ein „mehr“ oder „weniger“ an Ehequalität oder –Zufriedenheit. Ein Vergleich von
glücklichen Paaren und solchen, die in eine Therapie kamen zeigt, dass sie sich
in Art und Häufigkeit der Beziehungsprobleme deutlich unterscheiden. Glückliche
Paare sahen meist nur einen Bereich (z.B. Sexualität, Weltanschauung,
persönliche Gewohnheiten,...) als konfliktauslösend an, während bei den
unglücklichen Paaren im Schnitt 7,1 Bereiche angegeben wurden.
Ehequalität kann mit guten Instrumenten (z.B. Dyadic Adjustment Scale)
empirisch erfasst werden. Einflussfaktoren auf die Ehequalität werden seit den
30er Jahren in familiensoziologischen und seit den 70er Jahren in
psychologischen Studien untersucht. Die meisten Variablen erklären nur wenig
Varianz der Ehequalität, die klarsten Ergebnisse stammen aus Studien, die
gezielt die Transaktionen (=wechselseitigen Beeinflussungen) der Partner
untersuchen: Glückliche Partner sind in Diskussionen nonverbal zugewandter,
teilen sich mehr mit und vermitteln mehr Akzeptanz. In kritischen
Gesprächsabschnitten (Vorwürfe, Uneinigkeit, Kritik, Drohung) gelingt es
glücklichen Paaren nach kurzer Zeit die Eskalation abzukühlen und zu
unterbrechen. Unglückliche Paare sind unfähig, sich aus solchen negativen
31
Zirkeln zu lösen und die Atmosphäre (v.a. im nonverbalen Bereich) zu
entspannen.
Wie
kommt
es
zu
diesem
Mangel
an
Kommunikationsund
Problemlösefertigkeiten?
1) Psychoanalytische Annahmen zur Entwicklung der Partnerschaft
Partnerwahl sowie Art und Weise wie Erwartungen, Frustrationen und
Konflikte
in
Beziehungen
verarbeitet
werden
sind
durch
Kindheitserfahrungen der Partner, bzw. durch deren Beziehung zu Vater und
Mutter, bedingt (Moser, 1957). Willis (1975) Kollusionskonzept entwickelt
das Modell weiter und geht von der Annahme aus, dass sich Partner
aufgrund affektiver Grundmuster, die sich entsprechen, wählen. Günstig
wäre eine Bedürfniskomplementarität (=Ergänzung der Bedürfnisse). Nach
Willi gibt’s vier „Grundmuster des unbewussten Zusammenspiels der
Partner“, die grob den Themen der psychosexuellen Entwicklungsstufen
entsprechen (oral, anal, phallisch, narzistisch). Man wählt Partner auf der
gleichen Stufe, aber mit unterschiedlichen Bedürfnissen (z.B. auf der oralen
Entwicklungsstufe: Einer regressiv (will umsorgt werden), einer progressiv
(will umsorgen)). Konflikte gibt’s wenn man die Bedürfnisse des anderen
falsch einschätzt oder wenn sie sich ändern.
Forschungsergebnisse sind widersprüchlich.
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