Zentrum für Medizinische Ethik MEDIZINETHISCHE MATERIALIEN Heft 164 KLINISCHE ETHIKKOMITEES UND KLINISCHE ETHIKBERATUNG IM KRANKENHAUS Ein Praxisleitfaden über Strukturen, Aufgaben, Modelle und Implementierungsschritte Jochen Vollmann Januar 2006 7. Auflage November 2006 Professor Dr. med. Dr. phil. Jochen Vollmann, geb. 1963, ist Direktor des Instituts für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin, Medizinische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum. Nach dem Studium der Medizin und Philosophie absolvierte er von 1989-1994 eine klinische Weiterbildung zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und habilitierte sich 1998 für das Fach “Ethik in der Medizin” an der FU Berlin. 2001-2005 war der Professor für Ethik in der Medizin an der Universität Erlangen-Nürnberg und wurde zum WS 2005/2006 auf den Lehrstuhl für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin der Ruhr-Universität Bochum berufen.1994/95 war Prof. Vollmann Visiting Fellow am Kennedy Institute of Ethics der Georgetown University Washington, DC und hatte Gastprofessuren an der University of California at San Francisco School of Medicine (UCSF) und an der Mount Sinai School of Medicine, New York (1999/2000), am Institute for the Medical Humanities UTMB (2001) sowie am Centre for Values, Ethics and the Law in Medicine, University of Sydney (2004) inne. Er erhielt 1999 den „Preis für Hirnforschung in der Geriatrie“ der Universität Witten/Herdecke und 2001 einen „Stehr-Boldt-Preis“ der Universität Zürich. Inhaltsverzeichnis 1. 2. 3. 3.1 3.2 3.3 4. 4.1 4.2 4.3 5. 5.1 5.2 5.3 5.4 6. ENTWICKLUNG STRUKTUR AUFGABEN KLINISCHE ETHIKBERATUNG LEITLINIENENTWICKLUNG FORT- UND WEITERBILDUNG MODELLE AUS DER PRAXIS KLINIKUM NÜRNBERG UNIVERSITÄTSKLINIKUM ERLANGEN ZUKUNFTSPERSPEKTIVE: HUB AND SPOKES STRATEGY MODEL (TORONTO) EINWÄNDE GEGEN KLINISCHE ETHIKKOMOTEES ZEITMANGEL STÖRUNG EINER VERTRAUENSVOLLEN ARZT-PATIENTEN-BEZIEHUNG NICHT NOCH MEHR BÜROKRATIE IM KRANKENHAUS DAS WILL DOCH NUR DIE VERWALTUNG! IMPLEMENTIERUNGSSCHRITTE 1 3 8 8 13 14 17 17 21 24 26 26 27 27 27 28 Herausgeber: Prof. Dr. phil. Hans-Martin Sass, Prof. Dr. med. Dr. phil. Jochen Vollmann Prof. Dr. med. Michael Zenz Zentrum für Medizinische Ethik Bochum, Ruhr-Universität Bochum, Gebäude GA 3/53,44780 Bochum, TEL (0234) 32-22749/50, FAX +49 234 3214-598 Email: [email protected] Internet: http://www.medizinethik-bochum.de Der Inhalt der veröffentlichten Beiträge deckt sich nicht immer mit der Auffassung des ZENTRUMS FÜR MEDIZINISCHE ETHIK BOCHUM. Er wird allein von den Autoren verantwortet. Das Copyright liegt beim Autor. © Jochen Vollmann Januar 2006, 7. Aufl. November 2006 Schutzgebühr: € 6,00 Bankverbindung: Sparkasse Bochum Kto.-Nr. 133 189 035 BLZ: 430 500 00 ISBN:3-931993-45-0 KLINISCHE ETHIKKOMITEES UND KLINISCHE ETHIKBERATUNG IM KRANKENHAUS Ein Praxisleitfaden über Strukturen, Aufgaben, Modelle und Implementierungsschritte Jochen Vollmann EINLEITUNG Seit den 1990er Jahren haben sich an deutschen Krankenhäusern zahlreiche Formen von klinischer Ethikberatung entwickelt. Die in der Praxis am häufigsten realisierte Form sind Klinische Ethikkomitees (KEK), die zum Teil sehr unterschiedlich arbeiten und in einzelnen Einrichtungen auch Ethik-Rat, Ethik-Ausschuss, Ethik-Forum etc. heißen. Gegenwärtig bestehen die meisten KEK in Krankenhäusern, sie können aber auch in Pflegeheimen, Einrichtungen der Behindertenhilfe, teilstationären und ambulanten Einrichtungen des Gesundheitswesens, wie z.B. regionalen Ärzte-Netzwerken, Qualitätszirkeln etc. gegründet werden. Die unterschiedlichen Werthaltungen in unserer Gesellschaft (Wertepluralismus) und die zunehmenden Möglichkeiten der modernen Medizin (medizinischer Fortschritt) sowie die durch ökonomische Veränderung entstehenden neuen Strukturen im Gesundheitswesen machen professionelle Ethikstrukturen in Krankenhäusern und Pflegeheimen zunehmend erforderlich. Zahlreiche Zertifizierungsverfahren im Rahmen der Qualitätssicherung von Institutionen im Gesundheitswesen berücksichtigen diese Merkmale als qualitätsfördernde Faktoren. Um jedoch nicht nur eine formale Zertifizierungserfordernis zu erfüllen, sondern EthikStrukturen in Institutionen des Gesundheitswesens mit Leben zu erfüllen, müssen verschiedene Faktoren bedacht werden, die im vorliegenden Praxisleitfaden erläutert werden. 1. ENTWICKLUNG Während Ethikkommissionen in Deutschland seit den 1970er Jahren ethische Voten zu medizinischen Forschungsuntersuchungen am Menschen abgeben, sind Klinische Ethikkomitees neue Einrichtungen in der medizinischen Ethik. Diese wurden als Foren für ethische Probleme in der täglichen Behandlung von Patienten im Krankenhaus und in Pflegeheimen gegründet. Neben fallbezogener ethischer Beratung von Ärzten und Pflegepersonal erarbeiten sie ethische Leitlinien und bieten Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen an. KEK werden von der Krankenhausleitung berufen und beraten bei schwierigen ethischen Fragen, ohne die Entscheidungsbefugnis und Verantwortung der behandelnden Ärzte einzuschränken. KEK setzen sich aus Mitgliedern der verschiedenen Berufsgruppen im Krankenhaus zusammen, wobei zusätzlich externe Mitglieder vertreten sein können. 1 Ethikkommission Klinisches Ethikkomitee Gründung 1970er Jahre 1990er Jahre Aufgaben Medizinische Forschung Klinische Versorgung Institution Medizinische Fakultät Krankenhaus Landesärztekammer Pflegeheim Forschende Ärzte Ärzte, Pflege, Seelsorge, Jurist, Biometriker Verwaltung Arzneimittelgesetz keine Rechtsgrundlage Medizinproduktegesetz Zertifizierungsverfahren Mitglieder rechtliche Grundlage Berufsordnung Tabelle 1: Vergleich Ethikkommission und Klinisches Ethikkomitee In den USA wurden in den letzten drei Jahrzehnten Klinische Ethikkomitees an Krankenhäusern und Pflegeheimen als Beratungs- und Diskussionseinrichtungen für ethische Probleme in der klinischen Praxis entwickelt. Heute müssen alle amerikanischen Krankenhäuser für ihre Akkreditierung eine Struktur zur Handhabung ethischer Konflikte nachweisen, was in der Praxis in der Regel durch ein KEK gewährleistet wird. In Deutschland sind KEK seit den 1990er Jahren insbesondere in Krankenhäusern mit konfessioneller Trägerschaft entstanden. Den wesentlichen Anstoß zu deren Gründung haben dabei die beiden christlichen Krankenhausverbände gegeben, die 1997 ihre Krankenhäuser zur Gründung von KEK nach amerikanischem Vorbild aufgerufen haben (Deutscher Evangelischer Krankenhausverband und Katholischer Krankenhausverband Deutschlands e.V. 1997). Eine Umfrage unter allen ca. 800 konfessionellen Krankenhäusern im Jahre 2000 ergab, dass 30 Krankenhäuser ein KEK gegründet hatten (Simon 2000). Seitdem ist deren Zahl in deutschen Krankenhäusern weiter gestiegen, so dass man gegenwärtig von ca. 70-100 KEK ausgehen kann. Die Ergebnisse einer kürzlich vom Zentrum für Gesundheitsethik Hannover durchgeführten Befragung aller deutschen Krankenhäuser über Klinische Ethikkomitees stehen noch aus. 2 Jahr Institutionalisierung 1992 Prognosekomitee „Erlanger Fall“ 1997 Empfehlung der konfessionellen Krankenhausträger 1999 erste Erfahrungsberichte 2000 30 Klinische Ethikkomitees 2003 59 Klinische Ethikkomitees 2004 ca. 70-100 Klinische Ethikkomitees 2005 ca. 140 Klinische Ethikkomitees Tabelle 2: Klinische Ethikkomitees – Entwicklung in Deutschland Eine aktuelle Befragung aller Ärztlichen Direktoren und Pflegedirektoren an deutschen Universitätskliniken ergab, dass bisher nur wenige Klinische Ethikkomitees und andere Ethikstrukturen an deutschen Universitätskliniken eingerichtet wurden (Vollmann et al. 2004). Viel mehr handelt es sich um eine nicht primär akademisch-wissenschaftlich entstandene Institutionalisierung, sondern um dezentrale Einzelinitiativen an kleineren Krankenhäusern, die sich häufig in kirchlicher Trägerschaft befinden. Erst in den vergangenen Jahren wurde damit begonnen den Bereich ethischer Strukturen in Krankenhäusern durch Vernetzungen, Fortbildungsmaßnahmen etc. zu professionalisieren. In Deutschland muss davon ausgegangen werden, dass weiterhin ein hoher Informationsbedarf über Klinische Ethikkomitees als Einrichtungen in Krankenhäusern und anderen Institutionen des Gesundheitswesens besteht. Die Aufgaben, Arbeitsweisen und Entwicklungspotentiale dieser neuen Institutionalisierungsformen klinischer Ethik sind an deutschen Krankenhäusern und Pflegeheimen bisher kaum bekannt bzw. genutzt. 2.STRUKTUR In der Praxis findet sich eine Vielzahl von unterschiedlichen Formen, klinisch-ethische Strukturen in Krankenhäusern und Pflegeheimen zu institutionalisieren. Jede Organisation muss ihre eigene Struktur und ihren eigenen Arbeitsstil finden, um vor Ort einen bestmöglichen Beitrag leisten zu können. Daher gibt es kein Standardmodell für ein Klinisches Ethikkomitee. Im Folgenden werden daher idealtypische und allgemeine Angaben gemacht, an denen sich der Leser orientieren kann. 3 Bei der Zusammensetzung des Klinischen Ethikkomitees ist darauf zu achten, dass das Gremium auf der einen Seite die Vielfalt der unterschiedlichen Arbeitsbereiche und Berufsgruppen einer Institution widerspiegelt, auf der anderen Seite jedoch nicht zu groß wird, um seine Arbeitsfähigkeit zu erhalten. In der Praxis hat sich eine Größe von 7-20 Mitgliedern als sinnvoll erwiesen. Die Mitglieder sollen ein möglichst breites Spektrum der Arbeitsfelder und Berufsgruppen widerspiegeln ohne sich als Interessenvertreter einzelner Berufsgruppen zu verstehen. Im Krankenhaus gehören dazu neben Ärztinnen und Ärzten und den Pflegenden auch andere Gesundheitsberufe, wie medizinisch-technische Assistentinnen, Krankengymnastinnen, Logopädinnen, Psychologen und Sozialarbeiter, die Klinikseelsorge, Mitarbeiter der Verwaltung etc. Für eine ergänzende Expertise kann auch die Berufung eines externen Mitglieds, wie z.B. eines Juristen, eines Bürgervertreters oder einer anderen bereichernden Persönlichkeit hilfreich sein. Innerhalb der einzelnen Berufsgruppen sollen auch die unterschiedlichen Hierarchiestufen und Tätigkeitsmerkmale berücksichtigt werden. Die Mitglieder des Klinischen Ethikkomitees werden offiziell von der Krankenhausleitung (Geschäftsführung) berufen. Aus dem Kreis der berufenen Mitglieder sollte ein Vorsitzender und gegebenenfalls ein Stellvertreter gewählt werden. Zur eindeutigen Festlegung von Aufgabe und Arbeitsweise sollte sich das Gremium eine Geschäftsordnung bzw. Satzung geben und langfristig feste Sitzungstermine (z.B. einen monatlichen jour fix) geben. Die Krankenhausleitung muss die Arbeit des ehrenamtlichen KEK durch das Zur-Verfügung-Stellen notwendiger Räume, Sachmittel, z.B. zur Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen mit externen Referenten etc., unterstützen. Die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit des Gremiums muss durch die personelle Zusammensetzung und die organisatorische Stellung innerhalb der Institution gewährleistet werden. Durch breite Vernetzung und Akzeptanz kann in der Praxis wirkungsvoll deutlich gemacht werden, dass es sich bei der Implementierung von Ethik-Strukturen nicht um die Delegierung von ethischer Verantwortung an ein „Fachgremium“ handelt, sondern dass durch die Arbeit eines KEK die ethische Sensibilisierung und Kompetenz aller Mitarbeiter gefördert werden soll. 4 Struktur Klinischer Ethikkomitees: • 7-20 Mitglieder • Berufung durch Krankenhausleitung • 2-3 Jahre Amtszeit • Wahl eines Vorsitzenden u. ggf. Stellvertreters • Geschäftsordnung / Satzung • feste monatliche Termine • Sachmittel In der Praxis werden KEK häufig auf Initiative der Geschäftsführung im Rahmen von Zertifizierungsprozessen gegründet, weil Strukturen klinischer Ethik in verschiedenen Zertifizierungsverfahren positiv bewertet werden. Diese Initiative „von oben“ (Top-down-Modell) hat den Vorteil, dass von verantwortlicher Stelle Strukturentscheidungen getroffen und zielorientiert umgesetzt werden. In anderen Fällen geht die Initiative primär von engagierten Mitarbeitern aus, die „von unten“ einen Bedarf an regelmäßigem Austausch über ethische Probleme im Arbeitsalltag sehen (Bottom-up-Modell). Dieser Weg hat den Vorteil, dass am Ort der ethischen Entscheidungsfindung bereits Aktivitäten und Kompetenz versammelt sind, die für die Akzeptanz und Lebendigkeit eines Klinischen Ethikkomitees von zentraler Bedeutung sind. Zu einer erfolgreichen Gründung eines Klinischen Ethikkomitees müssen beide Aspekte berücksichtigt werden: Ohne die Unterstützung der Geschäftsleitung wird kein KEK im Krankenhaus erfolgreich arbeiten können, ohne das Engagement und die Identifizierung der Mitarbeiter mit ihrem KEK wird es in der Realität des Krankenhausalltages keine wirkliche Rolle spielen. Institutionelle Ebenen klinischer Ethik: Organisationsebene • Corporate Identity • Qualitätsentwicklung (Zertifizierung) • Personal- und Organisationsentwicklung fallbezogene Ebene • bessere Patientenversorgung • Unterstützung von Mitarbeitern • „präventive Ethik“ 5 Zum richtigen Verständnis von Ziel und Struktur Klinischer Ethikkomitees ist es hilfreich, zwischen der Organisationsebene und der fallbezogenen Ebene zu unterscheiden, die im Klinischen Ethikkomitee zusammentreffen. Auf der fallbezogenen Ebene steht die Behandlung, Pflege und Versorgung des einzelnen Patienten im Mittelpunkt. Hier geht es um konkrete Entscheidungen und ethische Konflikte im Einzelfall, die von Ärzten, Pflegenden und anderen Gesundheitsberufen im Alltag auf Station zu bewältigen sind. Wenn über Ethik im Krankenhaus gesprochen wird, herrscht diese fallbezogene Ebene in der Regel in der Gruppe der Heil- und Gesundheitsberufe vor. Durch ethische Einzelfallberatung und Fallbesprechungen auf Station kann ein KEK hier einen wichtigen Beitrag leisten, um die Mitarbeiter zu unterstützen und die Patientenversorgung zu verbessern. Dagegen hat die Organisationsebene die Gesamtheit der Institutionen im Blick. Hierbei geht es in erster Linie um Strukturen, Organisations- und Personalentwicklung, ökonomische und juristische Fragen. Auf der Organisationsebene arbeiten die Krankenhausleitung, das Management, Juristen und Wirtschaftsberufe, die das Krankenhaus als Ganzes mit Corporate Identity und Qualitätssicherung im Blick haben und die Stellung des Krankenhauses im sich schnell ändernden Krankenhausmarkt in Deutschland sichern müssen. Entscheidungen auf der Organisationsebene haben im Krankenhaus häufig indirekten und starken Einfluss auf die Behandlungsmöglichkeiten von einzelnen Patientinnen und Patienten. Daher sind sie ethisch relevant und müssen bei der komplexen Struktur und Interaktion in einer Institution ausreichend berücksichtigt werden. Bei der Gründung eines KEK müssen daher Ziel und Aufgabenstellung festgelegt werden, denn ethische Fragestellungen entstehen auf allen Ebenen einer Institution und können sich auch indirekt auf die Patientenversorgung auswirken. In Deutschland hat es sich durchgesetzt, von Klinischen Ethikkomitees zu sprechen, wenn die Arbeitsaufgabe klar den Fokus auf unmittelbare klinische Fragestellungen hat. Hierzu gehören die unten aufgeführten Aufgabenbereiche Ethikberatung, Leitlinienentwicklung sowie Fort- und Weiterbildung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. In der Praxis treten zwar häufig Überschneidungen von ethischen Fragestellungen mit Kommunikationsproblemen und Konflikten zwischen Beteiligten auf. Trotzdem sollte der Fokus auf klinisch-ethische Fragestellungen gelegt werden, um einen „roten Faden“ für Arbeit und Zuständigkeit im Blick zu behalten. Ein KEK kann nicht Aufgaben von Personalrat, Mitarbeitervertretung, psychosozialer Beratung etc. übernehmen. Ethische Konflikte im Bereich des Arbeitsrechts, des Mobbings, Spannungen zwischen Geschäftsführung und Mitarbeitervertretung, Aspekte der übergeordneten Unternehmensentwicklung und des Managements sowie Fragen der Verteilungsgerechtigkeit auf Makro6 ebene gehören nicht zu den primären Aufgaben eines Klinischen Ethikkomitees. Hierfür werden in der Literatur Organisations-Ethikkomitees vorgeschlagen, die speziell in übergeordneten Fragen der Unternehmensentwicklung das Management und die in der Institution Verantwortlichen ethisch beraten und eine dieser Aufgabe entsprechende Legitimierung, Zusammensetzung und Arbeitsweise haben. Neben dem am häufigsten verwendeten Begriff Klinisches Ethikkomitee werden auch Bezeichnungen wie Gesamt-Ethikkomitee, Ethikkommission, Ethik-Ausschuss, Ethik-Rat, EthikForum etc. verwendet. Die uneinheitliche Begrifflichkeit spiegelt die dezentrale und noch nicht abgeschlossene Entwicklung in Deutschland wider: In den letzten Jahren sind zum Teil unabhängig voneinander Initiativen und Institutionalisierungsstrukturen meist an Krankenhäusern entstanden, in denen sich unterschiedliche Gremien, Arbeitsweisen und Begrifflichkeiten entwickelt haben. In der Praxis finden sich meist die Ebenen Komitee und aufsuchende Ethikberatung auf Station. Gremium Wirkungsebene Klinisches Ethikkomitee Krankenhaus aufsuchende, flexible Ethikberatung Station Tabelle 3: Zwei Ebenen klinisch-ethischer Institutionalisierung Insbesondere bei Krankenhausverbünden, die durch Zusammenschluss von früher selbstständigen Krankenhäusern entstanden sind, finden sich in der Praxis häufig drei Ebenen der Institutionalisierung. Auf der übergeordneten Trägerebene befindet sich ein GesamtEthikkomitee oder Ethik-Ausschuss oder Ethik-Forum, auf der Ebene des jeweiligen Krankenhausstandortes ein (Beratungs-)Ethikkomitee und für die aufsuchende Ethikberatung vor Ort eine aufsuchende bzw. mobile klinische Ethikberatung. Zur dezentralen Verfestigung ethischer Arbeit in einzelnen Stationen und Funktionseinheiten können bei aktiver Unterstützung von Leitung und Mitarbeitern vor Ort Ethik-Zirkel gegründet werden, die von Mitgliedern der mobilen Ethikberatung moderiert werden. Dadurch soll die Hemmschwelle für eine akute, fallbezogene Ethikberatung gesenkt werden und gleichzeitig, z.B. durch Besprechung zurückliegender komplexer und schwieriger Fälle, die ethische Fortbildung der Mitarbeiter gefördert werden (siehe Kap. 5.1). 7 Gremium Wirkungsebene Gesamt-Ethikkomitee/Ethik-Forum Klinikverbund Klinisches Ethikkomitee (einzelnes) Krankenhaus/Standort aufsuchende, flexible Ethikberatung Station Tabelle 4: Drei Ebenen klinisch-ethischer Institutionalisierung 3. AUFGABEN Zu den Aufgaben eines Klinischen Ethikkomitees gehören die klinische Ethikberatung im Einzelfall, die Leitlinienentwicklung sowie die Fort- und Weiterbildung der Mitarbeiter in klinischer Ethik. In der Praxis wird die Arbeit des KEK häufig auf die klinische Ethikberatung verengt und auf die beiden anderen Bereiche zu wenig Wert gelegt. Zwar kann durch die klinische Ethikberatung eine direkte und praxisrelevante Hilfestellung im Einzelfall gegeben werden. Mit klinischer Ethikberatung allein werden jedoch nur sehr wenige Einzelfälle im Krankenhaus erreicht. Daher ist es wichtig, neben der Einzelfallberatung auch Fortbildungsveranstaltungen und Leitlinienentwicklungen anzustreben, mit denen längerfristig, wenn auch indirekt, mehr Patienten und Mitarbeiter erreicht werden. Daher sollte ein KEK langfristig alle drei Aufgabenbereiche abdecken, die schrittweise aufgebaut und entwickelt werden müssen. Hierbei können entstehende Synergieeffekte genutzt und ein nachhaltiger Veränderungsprozess der „Kultur eines Krankenhauses“ erreicht werden. Die drei Aufgabenbereiche werden im Folgenden detailliert dargestellt. 3.1 KLINISCHE ETHIKBERATUNG 3.1.1 Arbeitsformen Die konkreten Arbeitsformen und Aufgabenstellungen eines KEK variieren in Abhängigkeit von Struktur und Nachfrage in den einzelnen Krankenhäusern. In der Praxis steht häufig die fallbezogene Ethikberatung bei schwierigen klinischen Entscheidungen im Vordergrund. Die Effektivität klinischer Ethikberatung konnte nicht nur durch zahlreiche Praxisberichte, sondern auch durch kontrollierte randomisierte Studien (Schneiderman et al. 2003) gezeigt werden. 8 Modelle Klinischer Ethikberatung • Klinisches Ethikkomitee • Arbeitsgruppe des KEK • Klinischer Ethikberater Eine klinische Ethikberatung kann vom Gesamtkomitee, einer Arbeitsgruppe des Komitees oder einem professionellen klinischen Ethikberater durchgeführt werden. Das letztere Modell wird in Deutschland von wenigen Universitätskliniken angeboten, die hauptberufliche Medizinethiker für den Bereich Forschung, Lehre und Dienstleistungen beschäftigen. Der professionelle Medizinethiker stellt in der Ethikberatung seine ethische Fachexpertise zur Verfügung und kann als Außenstehender die klinische Ethikberatung moderieren. Dabei erhält das anfragende Stationsteam durch einen Ethikexperten direkte und möglichst zeitnahe Unterstützung. Die durch einen Medizinethiker moderierten Fallbesprechungen auf Station können auch einen Fort- und Weiterbildungseffekt im Krankenhaus haben. In der Regel beschränken sie sich jedoch auf Einzelfallberatungen, ohne dass weitergehende klinisch-ethische Strukturen im Krankenhaus aufgebaut werden (s. hierzu: Lehrbriefe Ethikberatung). Klinisches Ethikkomitee Klinischer Ethikberater Moralische Kompetenz eines multipro- professionelle Qualifikation fessionellen Gremiums Organisationsebene fallbezogene Ebene ehrenamtlich hauptberuflich Monatliche Treffen flexible Termine konfessionelle Krankenhäuser Universitätskliniken Tabelle 5: Formen Klinischer Ethikberatung In der ursprünglichen Form der Ethikberatung durch ein Klinisches Ethikkomitee bringen die Mitglieder des Behandlungsteams eine konflikthafte ethische Entscheidungssituation vor das Klinische Ethikkomitee ihres Krankenhauses. Nach Schilderung des Falles und gemeinsamer Diskussion formuliert das Klinische Ethikkomitee für den vorliegenden Fall ein ethisches Votum. Diese klinische Einzelfallberatung durch das Gesamt-Komitee hat den Vorteil, dass eine Vielzahl von unterschiedlichen moralischen Perspektiven der ver- 9 schiedenen KEK-Mitglieder, aus unterschiedlichen Berufsgruppen, in den Beratungsprozess einfließen können. In der Praxis hat es sich jedoch als großer Nachteil erwiesen, dass diese Form von Beratung aufgrund der Größe des Komitees häufig nicht zeitnah durchgeführt werden kann. In der klinischen Praxis müssen Behandlungsentscheidungen häufig kurzfristig getroffen werden, so dass der nächste Sitzungstermin des Klinischen Ethikkomitees nicht abgewartet werden kann. Weiterhin tagt das Klinische Ethikkomitee in einem Sitzungsraum örtlich getrennt von der Station als Entscheidungsort, so dass nur wenige Team-Mitglieder an der KEK-Sitzung teilnehmen können. Auch symbolisch ist es ein Unterschied, ob die klinischen Ethikberater auf Station kommen oder sich die Teammitglieder vor einem größeren Gremium „rechtfertigen“ müssen. Dieses kann zum falschen Eindruck eines ethisch besser wissenden „Tribunals“ führen, was in der Praxis zu zahlreichen Missverständnissen geführt hat. Jede Form von Ethikberatung, auch durch ein Klinisches Ethikkomitee, findet nur auf Wunsch der Betroffenen statt. Klinische Ethikberatung soll eine Unterstützung bei moralischen Konflikten im Einzelfall darstellen, wobei die Berufsgruppen immer ihre Verantwortung und ihre Entscheidungsfreiheit behalten. Daher ist auch das Votum eines Klinischen Ethikkomitees nur ein Beratungsergebnis, aber niemals eine Handlungsanweisung. Ethische Verantwortung und Entscheidungsbefugnis der behandelnden Ärzte kann nicht an Dritte, auch nicht an ein Beratungsgremium delegiert werden. In diesem Modell haben Ärzte häufig das Gefühl, sich vor einem „ethischen Gericht“ oder „Tribunal“ für ihre Entscheidung und ihr ärztliches Handeln rechtfertigen zu müssen (Tribunalmissverständnis). Daher hat sich in der Praxis die klinische Ethikberatung durch eine feste Arbeitsgruppe des Klinischen Ethikkomitees bewährt. Dabei bildet das Klinische Ethikkomitee aus seinen Mitgliedern eine feste, interdisziplinär zusammengesetzte Arbeitsgruppe von ca. fünf Mitgliedern, die für einen festgelegten Zeitraum die klinische Ethikberatung vor Ort im Auftrag des Klinischen Ethikkomitees zeit- und ortsnah durchführt. Dieses Vorgehen hat den Vorteil, dass eine kleine und konstante Anzahl von Ethikberatern, die gleichzeitig Mitglieder des KEK sind, flexibel und kontinuierlich eingesetzt werden und dabei selbst Erfahrungen sammeln können. Bei dieser Arbeitsweise steht auch nicht ein formales Votum eines Komitees im Vordergrund, sondern der gleichberechtigte Diskussions- und Entscheidungsfindungsprozess, der von den verantwortlichen Gesundheitsberufen „vor Ort“ mit Hilfe der Moderatoren der Ethikberatung selber geleistet wird. Hierbei übernimmt ein Mitglied der Arbeitsgruppe Ethikberatung des KEK die Moderation der Fallbesprechung auf Station, ein anderes in der Regel die Co-Moderation bzw. die Protokollführung. Da in der Praxis meistens zwei bis drei Mitglieder der Arbeitsgruppe an einer Fallbesprechung teilnehmen, werden unter10 schiedliche interdisziplinäre Perspektiven von außen eingebracht, ohne den ehrenamtlichen und in der Regel nicht professionellen Ethikberater zu überlasten. Moderation und Protokoll können von unterschiedlichen Mitgliedern der beratenden Arbeitsgruppe übernommen werden. Am Ende einer klinischen Ethikberatung kann ein Votum formuliert werden, das den Verantwortlichen als ethische Orientierungs- und Entscheidungshilfe dienen kann, ohne dass dadurch deren professionelle Verantwortung und Entscheidungsbefugnis eingeschränkt werden soll. In der Praxis wird häufig kein formales Votum formuliert, sondern die Ethikberater fördern zusammen mit dem Behandlungsteam durch Moderation und Ethikexpertise den Beratungs- und Entscheidungsprozess. Häufig handelt es sich um komplexe und längerfristige Krankheitsverläufe und Entscheidungskonflikte, die unmöglich innerhalb einer Ethikberatung von 45-60 Minuten „gelöst“ werden können. Hierzu sind mehrere Ethikberatungen erforderlich, die stets angeboten werden sollen. Doch auch eine punktuelle Diskussions- und Entscheidungshilfe während einer Einzelberatung kann für das Behandlungsteam hilfreich sein. Die Arbeitsgruppe Ethikberatung berichtet in den regelmäßigen Sitzungen des KEK über ihre Arbeit. Dieses Vorgehen entspricht z.B. der Arbeitsweise des Erlanger Klinischen Ethikkomitees (siehe Kap. 5; Vollmann und Weidtmann 2003, Wernstedt und Vollmann 2005) und dem Nijmegener klinisch-ethischen Interaktionsmodell mit ethischen Fallbesprechungen auf Station (Steinkamp und Gordijn 2003). Zusammenfassend handelt es sich bei jeder Form von Ethikberatung um ein freiwilliges Beratungsangebot, das auf Wunsch der Betroffenen eine Unterstützung bei der Entscheidungsfindung in ethischen Konfliktsituationen bietet. Dabei behalten die Berufsgruppen aus dem Gesundheitswesen sowohl ihre Verantwortung als auch ihre Entscheidungsbefugnis. Ethikberatung kann zur ethischen Problemanalyse und ethischen Argumentation einen wichtigen fachlichen Beitrag leisten. Dabei können Erfahrungen aus früheren Ethikberatungen mit ähnlichen Fragestellungen Orientierungshilfe bieten. Da der Ethikberater dem Behandlungsteam nicht angehört, kann er durch Neutralität und Distanz zum Entscheidungskonflikt sowie eine gute Moderation der Ethikberatung zur guten ethischen Entscheidungsfindung beitragen. Der Entscheidungsfindungsprozess sollte schriftlich dokumentiert werden. Dagegen kann klinische Ethikberatung keine Patentlösungen anbieten oder als das „ethische Gremium“ dem Behandlungsteam die Verantwortung und Entscheidungsbefugnis abnehmen. In der Praxis kann klinische Ethikberatung auch begrenzt zur Lösung von Kommunikationsblockaden und Teamkonflikten einen Beitrag leisten. Alle Beteiligten unterliegen bei der Ethikberatung der Schweigepflicht. Da während einer Ethikberatung patientenbezogene Informationen diskutiert werden, ist es empfehlenswert, den Patienten über die Ethikberatung 11 zu informieren und seine Einwilligung einzuholen. Ob dieses ethisch und rechtlich notwendig ist, wird gegenwärtig kontrovers diskutiert. 3.1.2 Abgrenzung zur psychosomatischen und psychiatrischen Konsiliar-/Liäsondiensten In der klinischen Praxis wird in medizinethischen Konfliktsituationen häufig ein Konsiliar/Liäson-Psychiater konsultiert, da von ihm als Vertreter einer biopsychosozialen Medizin im Gegensatz zum oftmals rein biologischen Modell der somatischen Fächer ein ganzheitlicher Zugang zum Patienten erwartet wird. Weiterhin ist es häufig aus Verfahrensgründen notwendig, dass im Fall von ethischen Konfliktsituationen, wie z. B. beim Behandlungsabbruch am Lebensende oder bei der Ablehnung einer dringlichen Therapie, der Psychiater hinzugezogen wird, um psychische Störungen auszuschließen oder die Einwilligungsfähigkeit zu beurteilen. Trotz der offensichtlichen Überlappungen ist eine fehlende Differenzierung von ethischen und psychiatrischen Fragestellungen mit der Gefahr verbunden, dass ein primär ethisches Problem maskiert und psychiatrisiert oder das Vorliegen einer behandelbaren psychischen Störung als ethische Konfliktsituation verkannt wird. Gemeinsamkeiten mit dem psychiatrischen Konsiliar-/Liäsondienst liegen darin, dass sich beide Fächer als Antwort auf eine sich zunehmend technisierende und spezialisierende Medizin entwickelt haben. Sowohl die Konsiliar-Psychiatrie als auch die klinische Ethik ergänzen den modernen, primär naturwissenschaftlich-technisch ausgerichteten Medizinbetrieb um psychosoziale und ethische Dimensionen. Die Interdisziplinarität fordert sowohl von klinischen Ethikern als auch von Konsiliar-Psychiatern Kommunikationskompetenz und Vermittlungsfähigkeit. Die von den Stationen kommenden Konsilanforderungen können meist nicht auf einfache Weise beantwortet werden, sondern die Konsiliare sehen sich neben den Erwartungen des Patienten oft noch denen eines größeren Personenkreises mit zum Teil divergierenden Interessen (Angehörige, Ärzte, Pflegepersonal, Sozialarbeiter etc.) gegenüber. Hilfreich für beide Berufsgruppen ist somit die Ausbildung in Kommunikation und Konfliktlösung. Hierbei ist sowohl der klinische Ethiker als auch der Psychiater primär dem Patienten verpflichtet. Neben diesen Gemeinsamkeiten müssen unterschiedliche professionelle Rollen und Aufgaben beachtet werden: Ein Psychiater besitzt, als Facharzt, diagnostische, therapeutische und prognostische Kompetenz und trägt hierfür persönlich die ärztliche Verantwortung. Dem gegenüber liegt die Aufgabe eines klinischen Ethikers in der Identifizierung und Analyse von ethischen Fragen und Konflikten, die im Umfeld der Patientenversorgung entstehen. Hierzu benötigt er eine professionelle Ausbildung, in philosophischen und medizinethischen Grund12 lagen und ihrer Anwendung in konkreten Situationen sowie Kommunikations- und Moderationskompetenz. Aufgrund des normativen Charakters einer ethischen Konfliktsituation kann die Verantwortung für die zu treffende Entscheidung allerdings nicht auf den klinischen Ethiker übertragen werden, sondern sie verbleibt bei den für die Behandlung Verantwortlichen (Bauer und Vollmann 2004). 3.2 LEITLINIENENTWICKLUNG Bei wiederholten klinischen Ethikberatungen zum selben Problemfeld und zu übergeordneten ethischen Fragestellungen im Krankenhaus kann es sinnvoll sein, Leitlinien für das Krankenhaus zu erarbeiten. Diese werden in der Regel von einer dafür eingesetzten thematischen Arbeitsgruppe des KEK formuliert, an der auch fachkundige Personen teilnehmen können, die nicht dem KEK angehören. Die Leitlinien müssen sehr praxisnah und konkret auf die Verhältnisse in der eigenen Institution zugeschnitten sein und konkretisieren damit die gesetzlichen Bestimmungen und Richtlinien z.B. der Bundesärztekammer sowie wissenschaftlicher Fachgesellschaften. Neben dem Leitlinientext soll eine in der Praxis umsetzbare Form der Dokumentation (Dokumentationsbogen, Spalte im, Patientenkardex oder im Aufnahmebogen) als praxisrelevante Arbeitshilfe erarbeitet werden. Häufige Themenbereiche von Leitlinien Klinischer Ethikkomitees sind der Verzicht auf Herz-Lungen-Wiederbelebung, Therapieabbruch auf Intensivstationen, Sterben im Krankenhaus, der Umgang mit Patientenverfügungen und PEG-Sonden. Die Erarbeitung von Leitlinien stellt einen zeit- und kraftaufwändigen Prozess dar, bei dem nicht nur der Entwicklungsprozess des Textes, sondern auch die Kommunikation mit den betroffenen Berufsgruppen im Krankenhaus und anderen Stellen (z.B. Rechtsabteilung, Qualitätsmanagement, Beschwerdemanagement) bedacht werden muss. Wegen des hohen Aufwands sollten Leitlinien nur bei realem Praxisbedarf und in einem fortgeschrittenen Stadium der Etablierung von klinisch-ethischen Strukturen im Krankenhaus begonnen werden. Ohne gute Sachkenntnis und kontinuierliche Einbeziehung der beteiligten Berufsgruppen und Stellen werden gut gemeinte ethische Leitlinien keine praktische Relevanz entfalten. Bereits während des Entwicklungsprozesses und nach Einführung der Leitlinien sollen durch krankenhausweite Information (Betriebsversammlung, Informationsveranstaltung, Bericht in der Krankenhauszeitung) Transparenz und Mitsprache ermöglicht werden. Außerdem wird durch die transparente Arbeitsweise sichergestellt, dass möglichst viele Mitarbeiter informiert und motiviert werden können. Alle Leitlinien müssen vom Klinischen Ethikkomitee verab- schiedet und von der Geschäftsführung des Krankenhauses in Kraft gesetzt werden. Sie gelten 13 dann als Leitlinie für alle Berufsgruppen im Krankenhaus und alle Beteiligten können sich darauf berufen. Letztendliches Ziel ethischer Leitlinienentwicklung ist eine Verbesserung der Patientenversorgung. (Für konkrete Beispiele siehe Kapitel 5.) 3.3 FORT- UND WEITERBILDUNG 3.3.1 Grundsätze Eine in der Praxis häufig unterschätzte Bedeutung für die klinisch-ethischen Strukturen im Krankenhaus haben Fort- und Weiterbildungsangebote zu ethischen Themen für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Da in der Ausbildung der Gesundheitsberufe Ethik häufig nur am Rande eine Rolle spielt, besteht hier ein großer Fortbildungsbedarf. Dieses gilt nicht nur für die Mitglieder des KEK selbst, sondern für alle Mitarbeiter des Krankenhauses bzw. Pflegeheims. Durch regelmäßige Veranstaltungen wie z.B. Ethiktag, Ethik-Cafe, Vortragsund Diskussionsveranstaltungen sowie Mitarbeiterworkshops kann ein wichtiger Beitrag zur ethischen Sensibilisierung und Fortbildung geleistet werden. Daneben können ethische Themenangebote in bestehende Fortbildungsstrukturen der einzelnen Berufsgruppen im Krankenhaus, wie z.B. die ärztlichen Weiter- und Fortbildungstermine oder das Fortbildungsprogramm der Pflege, integriert werden. Mitglieder des KEK können selbst als Multiplikatoren für ethische Fragestellungen im Krankenhaus wirken. Dadurch erhöhen sie gleichzeitig den Bekanntheitsgrad sowie die Akzeptanz und Glaubwürdigkeit des KEK und machen deutlich, dass Ethik alle Mitarbeiter angeht und nicht an ein Komitee delegiert werden kann und soll. Die Durchführung von ethischen Fallbesprechungen im Rahmen von klinischen Ethikberatungen auf Station stellen neben der aktuellen Problemlösung gleichzeitig eine praxisnahe Fortbildung für die Beteiligten dar. Insbesondere retrospektive Fallbesprechungen auf Station eignen sich nicht nur zum Start eines Ethikberatungsangebotes (s.o.), sondern auch als praxisnahe und bedürfnisorientierte Ethikfortbildung vor Ort. Bei diesen Fallbesprechungen können sowohl Erfahrungen in der Fallmoderation als auch in der ethischen Problemanalyse gemacht werden, was Beratern und Beratenen zugute kommt. Diese Synergieeffekte werden z.B. in dezentralen Ethik-Zirkeln genutzt (siehe Kapitel 5.1). Die unterschiedlichen Formen der Fortbildungen lassen sich zum einen in klinikumsinterne und klinikumsexterne Veranstaltungen einteilen, zum anderen in einmalige Veranstaltungen und solche, die regelmäßig als Teil bestehender Fortbildungsangebote stattfinden. 14 3.3.2 Interne Fortbildung 3.3.2.1 Berufsgruppenspezifische Angebote Fast jede Klinik bietet regelmäßige Ärztefortbildungen an, in die auch medizinethische Themen integriert werden können. Diese Fortbildungen dauern ca. 45-90 Minuten und sind meistens gut besucht. Hier geht es eher formell zu, da meistens die Chef- und viele Oberärzte teilnehmen, die – je nach ihrem Führungsstil – die anschließenden Diskussionen mehr oder minder dominieren. Dennoch lassen sich häufig gute Diskussionen erzielen. Eine mehr informelle Möglichkeit zur Fortbildung sind Stationsbesprechungen um die Mittagszeit, weil sich dann die beiden Schichten der Pflege treffen und auch die Ärzte kommen können. Bei diesen Gelegenheiten ergibt sich schnell Kontakt zu den Mitarbeitern, und es kommt zu Nachfragen und Nennung von Fallbeispielen aus der täglichen Praxis. Aus- und Fachweiterbildung in der Pflege bieten die Möglichkeit, ethische Themen im Rahmen bestehender Fortbildungsstrukturen durchzuführen. Bei allen ethischen Fortbildungsveranstaltungen soll ein reiner Frontalunterricht vermieden werden und ausreichend Zeit für Fragen, Diskussion und Kleingruppenarbeit eingeplant werden. 3.3.2.2 Ethik-Cafe/Ethik-Salon In regelmäßigen Abständen, z.B. alle zwei Monate, findet nachmittags in einem Zeitrahmen von ungefähr anderthalb Stunden ein Ethik-Cafe im Krankenhaus statt. Es dient dem informellen Beisammensein von Mitarbeitern, die sich informieren, oder ethische Fragen aus ihrem Alltag besprechen möchten. Bei Tee und Kaffee wird in lockerer Runde die jeweils vorher angekündigte Thematik in Form eines kurzen Referates erläutert und anschließend diskutiert. Das Gespräch wird durch den Veranstalter zurückhaltend moderiert, um den Teilnehmern viel Raum zur Wortäußerung und Diskussion zu geben, gleichzeitig aber auch die Strukturen eines ethischen Gespräches bewusst zu machen und einzuüben. Werden die Termine in den frühen Abend gelegt, ändern sich die äußeren Rahmenbedingungen und man spricht von einem Ethik-Salon. 3.3.2.3 Ethiktag Mit der Veranstaltung eines Ethiktages stellt das KEK jährlich die Arbeit des Ethikkomitees und der Arbeitsgruppen der klinikumsinternen Öffentlichkeit vor. Diese ganz- oder halbtägige Veranstaltung sollte von der Geschäftsleitung und dem Vorsitzenden des KEK eröffnet werden und kann neben Informationsvorträgen mit Diskussion auch kurze Rollenspiele und szenische Darstellungen von ethischen Problemen aus der Praxis beinhalten. Für 15 Fragen und Diskussionen wird ausreichend Zeit eingeplant, die lange Kaffeepause ist für den informellen Austausch und das gegenseitige Kennen lernen der Mitarbeiter wichtig. Bei einer ganztägigen Veranstaltung sollte in der zweiten Tageshälfte die Möglichkeit zur aktiven Teilnahme mittels Kleingruppen, Arbeitskreisen oder Workshops ermöglicht werden. 3.3.2.4 Krankenhauszeitung Die Klinikumszeitschrift eignet sich sowohl für Veranstaltungsankündigungen als auch zur Darstellung verschiedener Themen wie z.B. Patientenverfügungen oder zur Vorstellung einer Fallanalyse in einer Rubrik „Medizinethik“. Diese Rubrik kann auch interaktiv als „Wie würden Sie entscheiden?“ -Fallvorstellung gestaltet werden, beim dem die Leser die Möglichkeit haben, einen anonymisierten Fallbericht zu kommentieren. 3.3.2.5 „Ethikordner“ Auf den Stationen des Krankenhauses können Aktenordner verteilt werden, die neben Informationen über das KEK und die Ethikberatung sowie die ethischen Leitlinien und Merkblätter des jeweiligen Krankenhauses auch relevante Leitlinien der Bundesärztekammer und der jeweiligen medizinischen Fachgesellschaften sowie Muster für Patientenverfügungen enthalten. Die Ethikordner sollen als Loseblattsammlungen laufend aktualisiert werden und auf die Bedürfnisse der einzelnen Stationen und Fachgebiete zugeschnitten sein. Zur besseren auch überregionalen Verfügbarkeit kann ein Muster-Ethikordner auf die Homepage bzw. ins Intranet des Krankenhauses gestellt werden (z.B.: www.gesch.med.uni- erlangen.de/eth/projekte/Klin_Eth/Ethik_Ordner/ethikordner_inhalt.htm). 3.3.3 Externe Fortbildung Für die Ärzte können in Kooperation mit den zuständigen Landesärztekammern zertifizierte Einführungskurse „Klinische Medizinethik“ angeboten werden, die sich sowohl als Einzelveranstaltungen als auch als Veranstaltungsreihe bewährt haben. Themenschwerpunkte können Grundlagen der Medizinethik, Therapiebegrenzung und -abbruch, Patientenverfügungen, PEG-Sonden, Aufklärung und Einwilligung sowie Kommunikation („Wahrheit am Krankenbett“ / „Breaking bad news“) sein. Für örtliche bzw. regionale externe Fortbildungsveranstaltungen für alle Berufsgruppen bietet sich die Kooperation mit lokalen Hospizvereinen, Palliativakademien, evangelischen bzw. katholischen Akademien, Kirchengemeinden und kommunalen Stellen an. 16 4. MODELLE AUS DER PRAXIS 4.1 KLINIKUM NÜRNBERG 4.1.1 Ethik-Projekt Das Klinikum Nürnberg ist eines der größten kommunalen Krankenhäuser in Deutschland. Es umfasst zwei Standorte mit 37 Kliniken und Instituten und 2500 Betten. 5200 Mitarbeiter behandeln ca. 80 000 Patienten pro Jahr. Im Sommer 1999, startete das Klinikum Nürnberg mithilfe eines externen Ethikberaters das Ethik-Projekt. Grund hierfür waren u.a. die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen sowie die einschneidenden Veränderungen im deutschen Gesundheitswesen, die die Krankenhäuser – weit mehr als bisher – mit ethischen Problemen konfrontierten. Nach Auffassung des Nürnberger Klinikumsvorstands stellt die ethische Positionierung des Klinikums einen wichtigen Eckpunkt für seine weitere Entwicklung dar. Dabei müssen die klassischen und berufsgruppenspezifischen Fragen der Medizin- und Pflegeethik um moderne Aspekte der Organisationsethik und Unternehmenskultur erweitert werden. Ohne professionelle Führung, Kommunikation, Personalentwicklung und Transparenz, können ethische Strukturen im Krankenhaus nicht erfolgreich arbeiten. Auf der Grundlage des von einem externen Ethikberater erarbeiteten Berichtes wurde ein Maßnahmenpaket für das Klinikum Nürnberg beschlossen und umgesetzt (siehe: www.klinikumnuernberg.de). 4.1.2 Ethik-Code Kernstück des Maßnahmenpaketes ist der Ethik-Code, der eine generelle Richtschnur für das Handeln im Klinikum Nürnberg darstellt. Jede Entscheidung, ob medizinisch, pflegerisch oder ökonomisch, muss sich an diesem Ethik-Code messen lassen. Auf Grundlage des Ethik-Codes wurde ein Verhaltenskodex für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Klinikums entwickelt, der mittlerweile fester Bestandteil des Arbeitsvertrages ist. Weiterhin verabschiedeten Vorstand und Personalvertretung eine Vereinbarung zur Konfliktvermeidung und – regulierung mit dem Ziel, ein gutes Betriebsklima zu fördern. Unvermeidbare Konflikte sollen fair, tolerant und sachlich ausgetragen werden. Detaillierte Regelungen helfen, eine faire Streitkultur zu pflegen. Dieses Selbstverständnis von Unternehmenskultur, Kommunikation und Konfliktregelung stellt im klinischen Alltag eine wesentliche Voraussetzung für gelungene ethische Kommunikation und Entscheidungsfindung dar. Gegenwärtig bestehen am Klinikum Nürnberg die folgenden Ethik-Einrichtungen. 17 Organisation der Ethik im Klinikum Nürnberg: • Ethik-Forum • Zentrale Mobile Ethikberatung (ZME) • Ethik-Zirkel • Ethik-Kreise • Fernlehrgang 4.1.3 Ethik-Forum Um die o.g. Vereinbarungen und Reglungen mit Leben zu füllen, und sie für alle Mitarbeiter im Alltag erlebbar werden zu lassen, wurde nach Ablauf des Ethik-Projektes im Jahre 2002 ein Ethik-Forum als zentrales Ethikkomitee des Klinikums Nürnberg gegründet. Dieses soll nicht nur die erarbeiteten Vereinbarungen weiterentwickeln, sondern vor allen Dingen mit konkreten Aktivitäten in alle Bereiche des Klinikums hineinwirken. Dieses unabhängige Gremium begleitet und fördert die weitere Entwicklung einer Unternehmensethik. 15 Mitglieder aus unterschiedlichen Bereichen und Berufsgruppen des Klinikums werden vom Vorstand für zwei Jahre berufen und wählen aus ihrer Mitte einen ersten und einen zweiten Vorsitzenden. Das Ethik-Forum stellt das Herzstück des ethischen Netzwerkes im Klinikum Nürnberg dar (Abb. 1), berichtet dem Vorstand jährlich über seine Arbeit und hat folgende Aufgaben: Aufgaben des Ethik-Forums: • Organisation der Ethik • Ethische Unternehmensentwicklung (Beratung) • Ethische Empfehlungen • Fortbildung • Einrichtung von Ethik-Zirkeln in Kliniken 4.1.4 CeKIB Die Geschäftsführung des Ethik-Forums übernimmt das Centrum für Kommunikation, Information und Bildung (CeKIB) des Nürnberger Klinikums, das auch die anderen Ethikstrukturen im Klinikum unterstützt. Diese zentrale Dienstleistungseinheit stellt eine wichtige organisatorische Voraussetzung für die professionelle Unterstützung der ehrenamtlichen Mitglieder des Ethik-Forums und der anderen Ethikstrukturen dar. Ohne diese hauptamtliche 18 Förderung können die ehrenamtlich getragenen Ethikstrukturen im Krankenhaus in der Regel nicht so schnell und erfolgreich arbeiten. Das CeKIB organisiert in Kooperation mit auswärtigen Partnern darüber hinaus den ersten deutschen Fernlehrgang (Berater-/in für Ethik im Gesundheitswesen) der seit dem Jahre 2005 angeboten wird (www.cekib.de). Klinikum Nürnberg 2 Standorte, 37 Kliniken und Institute, 2500 Betten, 5200 Mitarbeiter, 80.000 Patienten/Jahr Vorstand Vorsitzende Berufung auf 2 Jahre berichtet jährlich Wahl Ethik-Forum Geschäftsführung (Zentrales Ethikkomitee) (n=15) Centrum für Kommunikation, Information, Bildung (CeKIB) Zentrale Mobile Ethikberatung (ZME) Organisation 11 Ethik-Zirkel Fortbildungen Fernlehrgang in Kliniken und Instituten intern Berater für Ethik im Gesundheitswesen extern Abb. 1: Organigramm Klinikum Nürnberg 4.1.5 Zentrale mobile Ethikberatung Das Ethik-Forum als zentrales Ethikkomitee für dass Gesamtklinikum hat mit Unterstützung des CeKIB mehrere interne und öffentliche Ethikfortbildungen durchgeführt und ethische Empfehlungen zum Umgang mit Schwerkranken sowie zum Umgang mit Patientenverfügungen im klinischen Alltag erarbeitet. Weiterhin wurde eine Zentrale Mobile Ethikberatung (ZME) eingerichtet, die sei 2004 für alle Behandlungsteams in den 38 Kliniken und Instituten des Klinikums Nürnberg klinische Ethikberatung vor Ort anbietet. Hierdurch soll die Förderung der „ethischen Qualität“ z.B. bei Entscheidungen im Rahmen medizinischer und pflegerischer Dienstleistungen verbessert werden. Ziel der mobilen Ethikberatung ist es, durch Moderation und Analyse zur Lösung ethischer Konflikte im konkreten Einzelfall beizutragen. Die ZME dokumentiert die wesentlichen ethischen Aspekte der Entscheidungen. Diese Dokumentation kann der Patientenakte beigefügt werden. Bisher wurden 12 große dokumentierte Ethikberatungen durchgeführt. Hinzu kommen zahlreiche Einzelgespräche mit 19 Patienten, Angehörigen und Mitarbeitern in schwierigen Entscheidungssituationen. Alle Mitarbeiter der ZME erhalten eine Schulung in Ethik im Gesundheitswesen sowie in Moderationstechnik, die durch eine externe Medizinethikerin im Klinikum durchgeführt wird. 4.1.6 Ethik-Zirkel Neben der oben genannten prospektiven klinischen Ethikberatung moderieren die Mitglieder der ZME, derzeit elf dezentrale Ethik-Zirkel im Klinikum Nürnberg. Ziel dieser Ethik-Zirkel ist es, vor Ort die Diskussion von ethischen Themen, die sich aus der Arbeit mit Patienten und Angehörigen ergeben, zu fördern. Die ethische Reflexion der Arbeit in den Kliniken soll zu einer Steigerung der Qualität und letztlich einer besseren Patientenversorgung führen. Die Teilnahme an den dezentral organisierten Ethik-Zirkeln ist zunächst offen. Sie werden von jeweils zwei Mitgliedern der Zentralen Mobilen Ethikberatung moderiert und treffen sich je nach Bedarf in einem ca. sechs- bis zwölfwöchigen regelmäßigen Rhythmus vor Ort. Der Erfolg dieser Arbeit hängt sowohl von der aktiven Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch von der Förderung durch die Klinikleitung ab. Im Mittelpunkt der Arbeit der dezentralen Ethik-Zirkel stehen ethische Fallbesprechungen, die durch die Mitglieder der Zentralen Mobilen Ethikberatung moderiert werden. Hierbei handelt es sich um aktuelle ethische Problemfälle, wobei die Arbeit in den Ethik-Zirkeln einer Ethikberatung entspricht. Es können auch retrospektive Fallbesprechungen durchgeführt werden, bei denen zwar kein aktueller Handlungsbedarf mehr besteht, die sich jedoch sehr gut zur praxisnahen ethischen Fortbildung eignen. Das jeweilige Behandlungsteam kann daraus Erkenntnisse und Vereinbarungen für seine zukünftige Arbeit mit Patienten und Angehörigen gewinnen. Die besprochenen Fälle können dokumentiert und – falls gewünscht – der Patientenakte beigefügt werden. Ein weiteres Merkmal der Ethik-Zirkel ist ihre interdisziplinäre Zusammensetzung. Ohne die jeweilige Entscheidungsbefugnis und Verantwortung der Berufsgruppen aufzuheben, wird die gemeinsame Verantwortung aller Mitglieder im Behandlungsteam zur guten Entscheidungsfindung im Einzelfall betont. Denn in der Praxis wird eine gute ethische Entscheidung besonders in schwierigen Entscheidungs- und Grenzsituationen durch eine gute Kommunikation zwischen den beteiligten Berufsgruppen, vor allen Dingen den Ärzten und der Pflege, gefördert. Für alle Mitglieder der Ethik-Zirkel gilt die Schweigepflicht. Durch dieses dezentrale Beratungs- und Fortbildungsmodell wird nicht nur die ethische Kompetenz aller Beteiligten erhöht, sondern auch ein Beitrag zur Kulturveränderung im Krankenhaus – 20 also eine wesentliche institutionelle Aufgabe – geleistet. Zusammenfassend zeichnet sich die Arbeit der Nürnberger Ethik-Zirkel durch die folgenden Faktoren aus. Ethik-Zirkel am Klinikum Nürnberg: • Diskussion von ethischen Problemen aus der Arbeit mit Patienten und Angehörigen • Moderation und Beratung „vor Ort“ • Moderation durch zwei Mitglieder der ZME • Einverständnis der Klinikleitung • regelmäßiger Sitzungsrhythmus • Teilnahme für Mitarbeiter zunächst offen • aktuelle und retrospektive Fallbesprechungen • Dokumentation der Fallbesprechung • Interdisziplinäre Zusammensetzung der Teilnehmer • Gemeinsame Verantwortung der Mitglieder im Behandlungsteam und • Einzelverantwortung der Berufsgruppen • Schweigepflicht • Ziel: Ethische Reflexion der Arbeit führt zur Steigerung der Qualität und Patientenorientierung Weiterhin arbeitet seit vielen Jahren ein selbst organisierter Ethik-Kreis in der Nephrologischen Klinik des Nürnberger Klinikums. 4.2 UNIVERSITÄTSKLINIKUM ERLANGEN Das Universitätsklinikum Erlangen ist mit seinen 33 Kliniken und Abteilungen, 1500 Betten und 5.300 Mitarbeitern ein medizinisches Zentrum der Maximalversorgung und ein Ort der Forschung und Lehre. Aus dem im Jahre 2001 gegründeten Arbeitskreis „Ethik im Krankenhaus“ wurde im Jahre 2002 ein Klinisches Ethikkomitee, in das der Klinikumsvorstand 19 Mitglieder für die Dauer von drei Jahren berief. 21 Universitätsklinikum Erlangen 33 Kliniken und Abteilungen, 1500 Betten, 5300 Mitarbeiter Klinikumsvorstand Vorsitzender Finanzierung von Personalund Sachkosten Berufung auf 3 Jahre nach Nominierungsvorschlag des KEK Wahl Klinisches Ethikkomitee (n=19) Geschäftsführung und Moderation Professur für Ethik in der Medizin fachliche Beratung und Organisation AG AG AG AG AG AG Therapiebegrenzung Sterbebegleitung PGD Palliativmedizin Aufklärung und Einwilligung Ethikberatung Abb. 2: Organigramm Universitätsklinikum Erlangen Im interdisziplinär zusammengesetzten Klinischen Ethikkomitee arbeiten neben Ärzten und Pflegenden unterschiedlicher Bereiche und Hierarchie-Stufen auch Vertreter der Klinikseelsorge, der Verwaltung, des technischen Personals sowie ein Patientenfürsprecher und externe Fachleute aus den Bereichen Philosophie, Theologie, Medizingeschichte und Medizinethik mit. Die Geschäftsführung des Klinischen Ethikkomitees erfolgt durch die Professur für Ethik in der Medizin der Medizinischen Fakultät. Zur effizienten Arbeit hat das Klinische Ethikkomitee verschiedene thematische Arbeitsgruppen gebildet (s. Abb. 2). Die Arbeitsgruppe Ethikberatung führt mit fachlicher Unterstützung der Professur für Ethik in der Medizin die klinische Ethikberatung auf Station durch. Bisher wurden 36 Einzelfallberatungen zu den in Tabelle 6 angegebenen Themen durchgeführt. 22 Abteilung Zahl der Anfragen Fragestellung Frauenklinik 17 Später Schwangerschaftsabbruch Kinderklinik 09 Abbruch einer Intensivtherapie Unterlassung von Maßnahmen MedizinischeKliniken 06 Unterlassung von Maßnahmen Neurologie Legen einer PEG-Sonde 02 Unterlassung von Maßnahmen Chirurgie 02 Gesamt 36 Abbruch einer Intensivtherapie Tabelle 6: Ethikberatung – Fachgebiete und Fragestellungen (Stand: 30.04.2005) Nach knapp eineinhalbjähriger Arbeit der Arbeitsgruppe „Therapiebegrenzung“ wurde ähnlich amerikanischer „Do-not-resucitate-(DNR-)Orders eine „Empfehlung für die Anordnung eines Verzichts auf Wiederbelebung“ (VaW-Anordnung) mit Dokumentationsbogen für das Erlanger Universitätsklinikum erarbeitet (www.gesch.med.uni- erlangen.de/eth/projekte/Klin_Eth/Ethik_Ordner/Leitlinien.htm). Diese Empfehlung wurde vom klinischen Ethikkomitee, dem Vorstand des Klinikums und der Klinikumskonferenz verabschiedet und soll auf den Stationen umgesetzt werden. Zur Implementierung wurden Fortbildungsveranstaltungen, das Ethik-Cafe, die Klinikumszeitschrift, der Ethiktag und die Homepage genutzt. Inzwischen findet die Empfehlung in einigen Abteilungen des Universitätsklinikums Anwendung, was durch Mitarbeiterberichte und eine E-Mail-Umfrage unter den Klinikdirektoren und Pflegedienstleitungen belegt ist. Der Implementierungsprozess stellt eine Herausforderung dar, der einen großen Kommunikations- und Evaluierungsaufwand erfordert. Als zweite Leitlinie erarbeite die Arbeitsgruppe „Empfehlungen zur Therapiebegrenzung auf Intensivstationen“ für das Erlanger Universitätsklinikum, da während der Entwicklung der VaW-Anordnung deutlich wurde, dass auf Intensivstationen die Anordnung zum Verzicht auf Wiederbelebung fließend in weitere Therapiebegrenzung übergeht. Außerdem wurde auf Stationsbesprechungen der Intensivstationen ein Bedarf an einer solchen Leitlinie geäußert. Auch die neonatologische Intensivstation der Kinderklinik möchte in Kooperation mit dem KEK eine Leitlinie zum Umgang mit extrem frühgeborenen bzw. schwer fehlgebildeten Neugeborenen entwickeln. 23 4.3 ZUKUNFTSPERSPEKTIVE: HUB AND SPOKES STRATEGY MODEL (TORONTO) Das Problem der Integration und längerfristigen Aufrechterhaltung von und Verant- wortlichkeit für Ethik-Strukturen im Krankenhaus haben klinische Bioethiker des Zentrums für Bioethik der Universität Toronto in Kanada unlängst untersucht (MacRae et al. 2005): In vielen Kliniken Nordamerikas arbeiten mittlerweile hauptberufliche Bioethiker und Klinische Ethikkomitees wurden implementiert. Aufgrund der Zunahme des medizinischen Fortschritts, des Wertepluralismus der Gesellschaft und der Ressourcenprobleme im Gesundheitswesen gehen die Forscher davon aus, dass die Anforderungen an klinische Ethikberatung in Zukunft größer werden. Mit dem Trend zu Krankenhausfusionen mit komplexen Strukturen und unterschiedlichen Standorten werden die ethischen Probleme im klinischen Alltag vielschichtiger. Daher wird befürchtet, dass weder einzeln arbeitende Ethikberater noch ehrenamtlich organisierte Ethikkomitees die optimale Organisationsform von Ethik im Krankenhaus der Zukunft darstellen. Ein einzelner Bioethiker befindet sich insbesondere in großen Krankenhausverbünden mit unterschiedlichen Standorten nicht selten auf einem einsamen und verlorenen Posten. Auch ein KEK für ein Gesamtklinikum kann die ethischen Probleme vor Ort weder kennen noch sinnvoll moderieren und zu einer praxisnahen Regelung beitragen. Diese Distanzierung und fehlende Integration führt in der Praxis oftmals dazu, dass die positiven Ansätze zur Verbesserung der ethischen Kultur durch Ethikberater bzw. Ethikkomitee nicht in der Breite des Krankenhauses ausstrahlen und vor Ort nicht ankommen. Dadurch bleibt Ethik auf den Bioethiker oder ein Komitee beschränkt, ohne dauerhaft die Kultur der Institution zu verändern. In diesen Strukturen hängt Ethik außerdem von der Initiative Einzelner ab, ohne institutionell verankert zu werden. Beim Ausscheiden dieser Mitarbeiter findet die Ethikarbeit oftmals ein Ende, so dass viele Einzelinitiativen zeitlich begrenzt und örtlich isoliert sind. Die Zuständigkeit und Verantwortlichkeit für Ethikberatung im Krankenhaus ist dabei nicht eindeutig geklärt und institutionell geregelt. Den bestehenden Modellen von Ethikberater und KEK setzen die Bioethiker aus Toronto eine dezentrale Struktur klinischer Ethik im Krankenhaus entgegen, die sie mit dem Bild des Rades (Hub and Spokes Strategy Model) veranschaulichen. Im Mittelpunkt, der Radnabe, steht der klinische Ethiker als Koordinator und Organisator, der auf möglichst viele Bereiche des Krankenhauses mittels dezentraler Ethikprogramme (Speichen des Rades) einwirkt (Abb. 3). 24 University of Toronto Joint-Centre for Bioethics Dezentrales Rad-Modell EthikAnsprechPartner EthikAnsprechPartner EthikAnsprechPartner EthikAnsprechPartner Klinischer Ethiker EthikAnsprechPartner EthikAnsprechPartner EthikAnsprechPartner Abb. 3: Dezentrales Rad-Modell von Ethik-Strukturen im Krankenhaus (modifiziert nachMacRae et al. 2005) Die Stärke dieser Hub and Spokes Strategy ist die dezentrale und multiprofessionelle Integration von ethischen Dienstleistungen in einer Organisation. Hierzu werden in den dezentralen Bereichen einzelne Ethik-Ansprechpartner (Ethics Ressource Leader) benannt und fortgebildet. Diese sind mit Unterstützung der Krankenhausleitung für die Mitarbeiter in ihrem Bereich Ansprechpartner für ethische Fragen. Um diesen Ansprechpartner kann sich z.B. ein dezentrales klinisches Ethikberatungsteam entwickeln oder es können dezentrale Fortbildungen auf Station durchgeführt werden. Bei fachlichen wie organisatorischen Problemen werden die örtlichen Ansprechpartner durch den hauptberuflichen klinischen Ethiker unterstützt. Durch die Vernetzung verschiedener Krankenhausbereiche können z.B. Leitlinienentwicklung, Fortbildungen und Öffentlichkeitsarbeit effizient durchgeführt werden. Vorteil dieses Modells ist eine professionelle Institutionalisierung von Ethik im Krankenhaus, die dezentral ethische Fragen aus der klinischen Praxis aufgreift, diskutiert und dort ethische Ressourcen zur besseren Problemlösung zur Verfügung stellt. Voraussetzung für dieses dezentrale organisatorische Modell ist die Unterstützung der Krankenhausleitung, die die Strukturen unterstützen und finanziell absichern muss. Die entscheidende Rolle spielen dabei die dezentralen Ansprechpartner für Ethik, die häufig durch ihre hauptberuflichen Aufgaben voll 25 eingespannt sind. Daher ist nicht nur eine angemessene Fortbildung in Ethik und Moderation für diesen Personenkreis erforderlich, sondern auch die teilweise Freistellung von Dienstaufgaben zur Durchführung der zeit- und kraftintensiven Arbeit als Ethik-Ansprechpartner. Aufgaben in der Ethik sollen daher bei der Arbeitsplatzbeschreibung berücksichtigt werden. Dadurch können die Integration und Nachhaltigkeit von und die Verantwortlichkeit für Ethikstrukturen im Krankenhaus deutlich verbessert werden. Zusammenfassend haben die bisherigen Modelle des hauptberuflichen Einzelberaters oder eines zentralen ehrenamtlich besetzten Klinischen Ethikkomitees die Nachteile, dass Ethikberatung, Leitlinienentwicklung sowie Fortbildung in einer großen Distanz zum Arbeitsbereich der Mitarbeiter im Krankenhaus stehen. Zur Überbrückung dieser Distanz ist ein dezentrales Modell mit zentral koordinierendem hauptamtlichem klinischem Ethiker und dezentralen Ansprechpartnern vorzuziehen, was die professionelle und dauerhafte Integration von klinischer Ethik – orientiert an den Bedürfnissen der Mitarbeiter – im Alltag sicherstellt (Vgl. auch Kap. 5.1. Nürnberger Ethik-Zirkel). 5. EINWÄNDE GEGEN KLINISCHE ETHIKKOMOTEES 5.1 ZEITMANGEL „Wir haben jetzt schon kaum Zeit,“ ist sicherlich einer der häufigsten Einwände gegen die Einrichtung eines KEK im Krankenhausalltag. Und sicherlich ist zutreffend, dass der Aufbau und die Arbeit von KEK und klinischer Ethikberatung zeitaufwändig ist. Eine klinische Ethikberatung dauert in der Regel 45-60 Minuten und ist kaum kürzer durchzuführen. Doch bei genauerer Betrachtung steckt hinter dem Zeitargument ein Prioritätenargument: Was uns bei unserer Arbeit wichtig ist, dafür haben wir meist auch Zeit! Es geht also nur vordergründig um Zeitmangel und hintergründig um die Frage, wie wichtig uns als Praktizierenden in Gesundheitsberufen, die ethische Reflexion unseres vielfältigen Handelns im Alltag ist. In der Praxis kann eine solche ethische Reflexion bisher ungeklärte Kommunikationsprobleme oder unterschwellige Konflikte transparent machen und zu einer Klärung beitragen. Da diese Blockaden im Alltag häufig unnötig Zeit und Kraft binden, kann Ethikberatung langfristig sogar zeiteffizient sein und zur Verbesserung von kollegialer Zusammenarbeit und Patientenversorgung beitragen. Gleiches gilt für die Leitlinienentwicklung und Fortbildungen in Ethik, die zwar zunächst zeit- und arbeitsaufwändig sind, aber längerfristig ethisch fragwürdige Reanimationen, intensivmedizinische Behandlungen etc. verhindern helfen. 26 5.2 STÖRUNG EINER VERTRAUENSVOLLEN ARZT-PATIENTEN-BEZIEHUNG Besonders von ärztlicher Seite wird mitunter befürchtet, dass durch ein KEK ihre persönliche Beziehung zum Patienten und ihre Therapiefreiheit beeinträchtigt würden. Für ihre ärztlich-ethischen Entscheidungen müssten sie sich fortan vor dem KEK rechtfertigen, das als Gremium die individuellen Besonderheiten des Einzelfalls gar nicht kennen könne. Diese verbreitete Befürchtung ist jedoch unbegründet und beruht häufig auf unzureichenden Kenntnissen über Aufgabe und Arbeitsweise von KEK. Jede Ethikberatung findet nur auf Anforderung der Betroffenen als Beratung statt, ohne die Verantwortung und Entscheidungsbefugnis des behandelnden Arztes einzuschränken (Vollmann 2001, Dörries 2003). In der Praxis finden zudem Ethikberatungen nur bei einem sehr kleinen Teil der Patienten statt. Meistens gibt ein KEK als praxisfernes Gremium kein Votum „vom grünen Tisch“ ab (Tribunalmissverständnis s.o.), sondern wenige KEK-Mitglieder suchen die Station auf und nehmen am Diskussionsprozess im Behandlungsteam teil. Allerdings sind dabei alle Beteiligten, auch die Ärzte gefordert, ihre Sicht mittels ethischer Argumente zu kommunizieren und anderen Berufsgruppen deutlich zu machen. Dass hierdurch die ärztliche Entscheidungsfreiheit oder eine vertrauensvolle Arzt-Patient-Beziehung beeinträchtigt wird, erscheint nicht überzeugend. 5.3 NICHT NOCH MEHR BÜROKRATIE IM KRANKENHAUS In den vergangenen Jahren sind Gesundheitsberufe mit zunehmenden Dokumentationsund Verwaltungsaufgaben belastet worden, die neben viel „Papierkrieg“ mit zusätzlichen Sitzungsterminen, Schulungen etc. verbunden ist. Daher ist eine allgemeine Aversion gegen neue „berufsfremde“ Tätigkeiten nachvollziehbar. Zwar bringen KEK, Leitlinienentwicklung etc. neue Sitzungstermine, Protokolle, Texte etc. mit sich, inhaltlich geht es jedoch um einen –häufig vernachlässigten – Kernbereich ärztlichen und pflegerischen Handelns, die ethischen Grundlagen. Deshalb muss bei der Arbeit im KEK darauf geachtet werden, dass stets ethische Inhalte und die Bedürfnisse der betroffenen Gesundheitsberufe im Mittelpunkt stehen und nicht formale Aspekte. Zur wirksamen Verankerung eines Forums für ethische Fragen im Krankenhaus lässt sich aber ein Minimum an Formalia nicht vermeiden. 5.4 DAS WILL DOCH NUR DIE VERWALTUNG! Wenn im Krankenhaus der Eindruck entsteht, dass ein KEK den Mitarbeitern „von oben“ verordnet wird, besteht meist ein Missverhältnis zwischen Initiative der Geschäftsleitung (Top-down-Model) und Bedürfnis, Akzeptanz und Glaubwürdigkeit auf Mitarbeiterseite (Bottom-up-Model) (siehe Kap. 3). In einer solchen Situation muss im Einzelfall geprüft wer- 27 den, warum sich die Mitarbeiter nicht mit einbezogen fühlen und warum Sie der Gründung eines KEK ablehnend gegenüber stehen. Praxiserfahrungen zeigen, dass KEK, die von der Geschäftsführung schnell im Rahmen von Zertifizierungsverfahren eingerichtet wurden, häufig keine Wirkung im Krankenhaus entfalten. Diese „Mogelpackungen auf Hochglanzpapier“ fördern vielmehr die Skepsis der Mitarbeiter und beeinträchtigen die Glaubwürdigkeit von KEK und Unternehmensleitung. Auf der anderen Seite gibt es positive Beispiele von KEK, die zwar im Rahmen von Zertifizierungsverfahren von der Geschäftsleitung angestoßen wurden, bei denen diese Initiative von Mitarbeitern glaubwürdig mit Leben gefüllt wurden, und die Bedürfnisse „von unten“ berücksichtigen. Unabdingbar für eine erfolgreiche Arbeit jedes KEK sind Glaubwürdigkeit, Akzeptanz, Kompetenz und Unabhängigkeit. 6. IMPLEMENTIERUNGSSCHRITTE Jedes Klinische Ethikkomitee hat seine eigene Entwicklungsgeschichte, Identität, Struktur und Arbeitsweise, die von den Mitgliedern und den Besonderheiten des jeweiligen Krankenhauses bzw. Pflegeheimes geprägt sind. Die folgenden Implementierungsschritte sind daher als Orientierungshilfe für die Neugründung von Klinischen Ethikkomitees gedacht und müssen auf jeden Einzelfall individuell angewendet werden. Hierbei kann es zu Modifikationen, Streichungen oder Erweiterungen kommen. 1. Schritt Krankenhausleitung: • Arbeitsauftrag • Zieldefinition • Koordinator benennen • Arbeitszeitregelung für Mitarbeiter • Sachmittel (Kopien, Literatur, externe Beratung) Bei der Gründung eines Klinischen Ethikkomitees bedarf es der aktiven Unterstützung durch die Krankenhausleitung. Die Geschäftsführung muss einen eindeutigen Arbeitsauftrag mit Zieldefinition erteilen, einen Koordinator oder Ansprechpartner benennen und durch klare Regelungen die Aufgabe der zukünftigen KEK-Mitglieder festlegen. Dazu gehört die Zusicherung der inhaltlich unabhängigen Arbeit in einem Klinischen Ethikkomitee, die in der Regel ehrenamtlich geleistet wird. In der Praxis liegen positive Erfahrungen vor, einen Teil 28 dieser ehrenamtlichen Arbeit auch während der Dienstzeit zu ermöglichen, um gerade in der Gründungsphase die Belastung der Mitarbeiter fair zu gestalten. Weiterhin muss die Krankenhausleitung die notwendigen räumlichen, kommunikativen und finanziellen Voraussetzungen für eine professionelle Aufbauarbeit zur Verfügung stellen. Die notwendigen Sachmittel, z.B. für Fachliteratur, Kopien und Honorare auswärtiger Referenten, sind gering und können problemlos aus dem Budget auch kleinerer Krankenhäuser finanziert werden. Dennoch gibt es in der Praxis an diesem Punkt vielfach Schwierigkeiten, was zu einer unnötigen Demotivierung und Entmutigung des ehrenamtlichen Engagements der Mitarbeiter führen kann. Häufig zeigt sich hier, wie ernsthaft die Krankenhausleitung an einer professionellen Einrichtung eines klinischen Ethikkomitees wirklich interessiert ist. 2. Schritt Koordinator: • informelle Gespräche • krankenhausinterne Bekanntmachung • Einbeziehen bestehender Strukturen • erstes Treffen Als erster Schritt initiiert der Koordinator durch informelle Gespräche und krankenhausinterne Bekanntmachung, z.B. in der klinikinternen Zeitung einen Arbeitskreis „Ethik im Krankenhaus“. Dabei ist eine gute interne Öffentlichkeitsarbeit von zentraler Bedeutung, denn alle Mitarbeiter des Krankenhauses müssen frühzeitig informiert werden und die Möglichkeit haben, sich aktiv zu beteiligen. Weiterhin muss darauf geachtet werden, bereits bestehende ethische Strukturen und Initiativen, wie z.B. Arbeitskreise, Krankenhausseelsorge etc., zu berücksichtigen und in den Gründungsprozess des neuen Klinischen Ethikkomitees mit einzubeziehen. Dies muss in einer transparenten, demokratischen und vertrauensbildenden Atmosphäre geschehen, um nicht unnötige Widerstände und Blockaden hervorzurufen. Dabei ist zu bedenken, dass es in jedem Gründungsprozess eines Klinischen Ethikkomitees Skepsis, Zurückhaltung und Ablehnung gibt. Besonders schwierig ist die verdeckte Ablehnung, häufig von leitenden Ärzten, die sich in ihrer ärztlichen Entscheidungskompetenz eingeschränkt oder kontrolliert fühlen. Umso wichtiger ist ein transparentes und von der Geschäftsführung vorgegebenes zielorientiertes Vorgehen. Im Gründungsprozess kann nicht darauf gewartet werden, auch den Letzten im Krankenhaus überzeugt zu haben. 29 3. Schritt Arbeitskreis „Ethik im Krankenhaus“: • offener Arbeitskreis • Prozess der Mitgliedergewinnung • feste Termine, z.B. monatlich, nachmittags, 90 Minuten • „Probeethikberatungen“ • Entwicklung eines eigenen Arbeitsstils Nachdem der Koordinator aus den unterschiedlichen Bereichen und Berufsgruppen des Krankenhauses und gegebenenfalls auch externe mögliche Mitglieder angesprochen hat, findet ein erstes Treffen statt. In dieser Gründungsphase handelt es sich um einen offenen Arbeitskreis, d.h. es können auch in den folgenden Sitzungen interessierte Mitarbeiter hinzukommen bzw. ausscheiden. Auf der einen Seite soll der Arbeitskreis für alle interessierten Mitarbeiter offen sein, auf der anderen Seite muss die spätere Größe und interdisziplinäre Zusammensetzung des Klinischen Ethikkomitees bereits zu diesem Zeitpunkt als Ziel im Auge behalten werden. Dies bedeutet für den Koordinator, in Kooperation mit der Geschäftsleitung die schwierige, diplomatische Aufgabe, auf der einen Seite möglichst viele Mitarbeiter in den Gründungsprozess mit einzubeziehen, auf der anderen Seite aber ein arbeitsfähiges und kompetent zusammengesetztes Klinisches Ethikkomitee gründen zu wollen. In der Praxis wird diese Aufgabe häufig dadurch erleichtert, dass sich nur eine begrenzte Zahl von Mitarbeitern für das Ehrenamt eines KEK-Mitglieds zur Verfügung stellt. Zum frühestmöglichen Zeitpunkt sollen feste Sitzungstermine, z.B. monatlich an einem festen Wochentag, nachmittags, 90 Minuten, eingeführt werden, um von vornherein einen festen Sitzungsrhythmus einzuführen. Als erste inhaltliche Arbeitsschritte sind die Klärung des Arbeitsauftrages, die Information über Klinische Ethikkomitees und klinische Ethikberatung und inhaltliche ethische Fortbildungen durchzuführen. Dieses kann sowohl durch Referate der Arbeitskreismitglieder als auch durch auswärtige Referenten geschehen. Besteht in der Region bereits ein Klinisches Ethikkomitee an einem anderen Krankenhaus, ist eine frühzeitige Kontaktaufnahme mit Erfahrungsaustausch häufig hilfreich. Bereits in der Gründungsphase sollte mit inhaltlicher ethischer Arbeit begonnen werden, um nicht durch ausschließlich bürokratische und organisatorische Sitzungen die Mitglieder zu demotivieren. In der Praxis haben sich „Probeberatungen“ bewährt, bei denen entweder ein 30 retrospektiver realer Fall aus dem Krankenhaus oder hilfsweise auch Fallbeispiele aus der medizinethischen Literatur in der Arbeitsgruppe diskutiert werden. Dieser frühzeitige Beginn der praxisorientierten Ethikberatung hat den wichtigen Vorteil, dass die Mitglieder zügig und berufsnah einen Eindruck von der Aufgabenstellung und Arbeitsweise eines KEK erhalten. Dabei wird schnell der Fortbildungsbedarf im Bereich klinischer Ethik und Moderationstechnik deutlich und kann frühzeitig ermöglicht werden. Durch die gemeinsame Diskussion schwieriger ethischer Entscheidungen entwickelt sich außerdem ein offener Diskussionsstil und gegenseitiges Vertrauen, das zu einer frühzeitigen Entwicklung eines eigenen Arbeitsstils des späteren KEK positiv beitragen kann. 4. Schritt Klinisches Ethikkomitee: • Konstituierung des KEK • Berufung durch Krankenhausleitung für 2-3 Jahre • Wahl des Vorsitzenden • Geschäftsordnung/Satzung Nach dieser Vorbereitungsphase in einem offenen Arbeitskreis, die in der Regel ca. ein Jahr in Anspruch nimmt, soll das Klinische Ethikkomitee durch offizielle Berufung seiner Mitglieder durch die Krankenhausleitung formal konstituiert werden. Dabei hat sich eine Berufung auf zwei bis drei Jahre bewährt, da kürzere Amtsperioden für eine fundierte Mitarbeit nicht ausreichen, während viele Mitarbeiter für längere ehrenamtliche Verpflichtungen häufig nicht zur Verfügung stehen. Die Wiederbestellung von Mitgliedern für eine weitere Amtszeit ist möglich. Durch den Personalwechsel im Krankenhaus können Nachnominierung notwendig werden. In der Regel handelt es sich um eine ehrenamtliche Tätigkeit, wobei zumindest ein Teil der zu leistenden Arbeit als Arbeitszeit anerkannt werden sollte. Hierbei sind flexible und individuelle Regelungen vor Ort erforderlich, um unnötige Missverständnisse und Spannungen zu vermeiden. Die Wahl des Vorsitzenden und seines Stellvertreters soll aus dem Kreis der KEK-Mitglieder erfolgen und nicht durch Ernennung durch die Geschäftsführung. Bei der Berufung der Mitglieder des KEK ist neben der Interdisziplinarität und der Berücksichtigung unterschiedlicher Arbeitsbereiche des Krankenhauses auch auf eine ausgewogene Zusammensetzung im Hinblick auf Alter und Geschlecht zu achten. Das Klinische Ethikkomitee muss in seiner Zusammensetzung mit der Corporate Identity 31 und dem Leitbild des Krankenhauses kompatibel sein. Zum Beispiel wird bei Krankenhäusern in konfessioneller Trägerschaft ein Pfarrer oder Krankenhausseelsorger eine wichtige Rolle im Klinischen Ethikkomitee spielen. Durch die Mitarbeit leitenden Personals wie z.B. Chefärzten oder Pflegedirektorinnen wachsen Status und Ansehen des Klinischen Ethikkomitees innerhalb des Krankenhauses. Auf der anderen Seite muss sichergestellt werden, dass auch Krankenschwestern und Assistenzärzte ohne Angst vor Nachteilen ihre Meinung einbringen und gleichberechtigt zu Wort kommen können. Dies ist für die Glaubwürdigkeit und Akzeptanz des KEK durch die Mitarbeiter im Krankenhausalltag entscheidend. Nach praktischer Erfahrung ist die Herstellung einer gelungenen Balance nicht immer einfach und bedarf häufig auch einer gewissen Zeit, da die Kommunikationsüblichkeiten innerhalb des KEK sich von den häufig hierarchisch strukturierten Arbeitsabläufen im Krankenhaus unterscheiden. In der Praxis hat es sich als erfolgreich erwiesen, die Konstituierung des Klinischen Ethikkomitees mit einer klinikumsinternen Auftaktveranstaltung zu verbinden, in der von der Krankenhausleitung die Mitglieder des Klinischen Ethikkomitees vorgestellt werden und zu ethischen Themen Vorträge mit ausreichender Diskussionszeit durchgeführt werden. Im Einzelfall ist zu prüfen, ob zu diesem Zeitpunkt bereits die allgemeine Öffentlichkeit einschließlich der Presse (externe Öffentlichkeitsarbeit) eingeladen wird. Andere Krankenhäuser haben die Gründung des Klinischen Ethikkomitees mit einer Reihe von öffentlichen Vortragsveranstaltungen zu praxisrelevanten ethischen Themen wie z.B. Patientenverfügungen, Patientenselbstbestimmung oder PEG-Sonden kombiniert. Neben der offiziellen Berufung durch die Krankenhausleitung, einen Arbeitsauftrag, regelmäßige Termine und Protokollführung gehört eine Geschäftsordnung bzw. Satzung zu den Merkmalen eines professionell arbeitenden KEK. Eine Mustersatzung kann z.B. über die Homepage der Professur für Ethik in der Medizin der Universität Erlangen-Nürnberg (www.gesch.med.uni-erlangen.de) abgerufen werden. 5. Schritt Klinisches Ethikkomitee: • Arbeitsgruppen • Ethiktag • Leitlinienentwicklung • Fort- und Weiterbildung 32 Nach der erfolgreichen Gründung des Klinischen Ethikkomitees folgt die entscheidende Bewährungsprobe des neuen KEK im klinischen Alltag. Findet das KEK seinen eigenen Arbeitsstil, bei dem sich alle Mitglieder einbringen können? Entwickelt sich die inhaltliche und kommunikative Arbeit so, dass die Mitglieder selbst das Gefühl haben, gute Arbeit zu leisten? Dieser Aspekt kann in der Praxis kaum überschätzt werden, da ethische Analyse, Argumentation und Entscheidungsfindung von den Gesundheitsberufen zwar moralisch intuitiv alltäglich geleistet werden, eine ethische Reflexion und Argumentation aber weder zum Studium bzw. zur Ausbildung der Gesundheitsberufe noch zu deren Arbeitsalltag gehören. Vielmehr werden ethische Entscheidungen traditionell nicht transparent gemacht, sondern in der vertrauten eigenen Berufsgruppe getroffen, wobei häufig Berufserfahrung und hierarchische Stellung und nicht ethische Argumente die Entscheidung bestimmen. Eine weitere wichtige Herausforderung für das neu gegründete KEK besteht darin, mit den einzelnen Bereichen des Krankenhauses in Kontakt zu treten. Dieses ist einerseits dadurch möglich, dass die ehrenamtlichen Mitglieder aus unterschiedlichen Berufsgruppen und Arbeitsfeldern des Krankenhauses kommen und dort als Multiplikatoren wirken können. Darüber hinaus kann das KEK durch Informations-Flyer und Ethikordner, die ethische Leitlinien, Patientenverfügungen, Texte und Fortbildungsmaterial enthalten können, auf jeder Station präsent gehalten werden. Wichtig ist es, dass sich ein wechselseitiger Austausch zwischen KEK und den Mitarbeitern des Krankenhauses entwickelt. In der Praxis kann dies durch informelle Kontakte und kurze Fortbildungen auf Station verbessert und vertieft werden. Bei der hohen Arbeitsbelastung und dem großen Zeitdruck im Krankenhaus werden Mitarbeiter die Angebote des Klinischen Ethikkomitees nur dann in Anspruch nehmen, wenn sie selber dadurch für ihre alltägliche Arbeit einen Gewinn erwarten. Dies kann durch ethische Fallberatungen im Rahmen von kurzen Fortbildungen auf Station oder im Rahmen der Klinischen Ethikberatung geschehen. Nach unseren Erfahrungen dauert es ca. ein Jahr, bis die ersten Anfragen für klinische Ethikberatungen eintreffen. Diese Durststrecke kann in der Praxis dadurch verkürzt werden, dass die Mitglieder des Klinischen Ethikkomitees in ihren eigenen Bereichen die Durchführung der klinischen Ethikberatung anregen oder retrospektive Fälle, bei denen Ethikberatung sinnvoll gewesen wäre, im Rahmen von Fortbildungen auf Station besprechen. Dabei ist es sehr zu empfehlen, reale Fälle aus dem Arbeitsumfeld der jeweiligen Mitarbeiter zu besprechen. Zur vertiefenden inhaltlichen Arbeit z.B. bei der Entwicklung von Leitlinien oder eines Fort- und Weiterbildungskonzeptes kann das Bilden kleinerer Arbeitsgruppen empfohlen 33 werden, da diese in der Regel motivierter und schneller ein dem entsprechendes Arbeitsziel erreichen können. Hierbei können auch Nicht-KEK-Mitglieder einen wichtigen Beitrag leisten und gleichzeitig zur Vernetzung zwischen KEK und Mitarbeiterschaft im Krankenhaus beitragen. Beispiele hierfür sind die Entwicklung von ethischen Leitlinien für praxisrelevante Fragestellungen im Krankenhaus wie z.B. Verzicht auf Wiederbelebung, Therapiebegrenzung auf Intensivstationen, Sterbebegleitung, Umgang mit Patientenverfügungen oder PEG-Sonden. Da die Qualität der Arbeit des Klinischen Ethikkomitees von seinen ehrenamtlichen Mitgliedern abhängt, ist deren Fortbildung im Bereich klinischer Medizinethik von zentraler Bedeutung. Leider stellen die Krankenhäuser hierfür in der Praxis nicht immer ausreichend Ressourcen zur Verfügung. In der Regel profitieren die KEK-Mitglieder von praxisbezogenen Fortbildungen im Bereich von klinischer Ethik und Moderationstechnik. Dabei sind für den Bereich Klinische Ethikberatung im Krankenhaus konzeptionalisierte Fortbildungen, wie sie z.B. die Akademie für Ethik in der Medizin anbietet (www.aem-online.de/main.htm) allgemeinen Angeboten vorzuziehen. Ein allgemeines Moderationstraining oder ein allgemeiner Ethikvortrag können zwar Grundlagen legen, sind von der Bedürfnislage der praxisorientiert arbeitenden ehrenamtlichen KEK-Mitglieder jedoch häufig sehr weit entfernt. Ergänzend kann der Gründungs- und Implementierungsprozess eines Klinischen Ethikkomitees durch Beratung eines Klinischen Ethikers gefördert werden (z.B. www.gesch.med.uni- erlangen.de/eth/projekte/Klin_Eth/KEK_Ber.htm). 6. Schritt Klinisches Ethikkomitee: • Vernetzung mit anderen KEK • Entwicklung spezieller Angebote für klinische Ethikberatung • Qualitätssicherung • wissenschaftliche Forschung • internationale Kooperation Als weitere Arbeitsschritte sind der Erfahrungsaustausch und die Vernetzung mit anderen Klinischen Ethikkomitees anzustreben, wobei wir in Deutschland erst am Anfang stehen. Bisher gibt es keine nationale Vernetzung Klinischer Ethikkomitees und auch die genaue Zahl der Klinischen Ethikkomitees in Deutschland ist unbekannt. Weiterhin ist die Effizienz und Effektivität dieser Institution bisher kaum wissenschaftlich erforscht, lediglich aus den USA liegen vereinzelte aussagefähige Untersuchungen vor (Schneiderman et al. 2003). In 34 Deutschland fehlen solche Untersuchungen bisher völlig. Zudem wissen wir zu wenig über den optimalen Implementierungsprozess, die Akzeptanz und die Wirksamkeit von ethischen Leitlinien in der Praxis. Trotz der methodischen Probleme bei der Erforschung dieser komplexen Zusammenhänge und des damit verbundenen großen Aufwands sollte diesen Forschungsfragen auch in Deutschland, gegebenenfalls im Rahmen internationaler Kooperationen nachgegangen werden. AG Arbeitsschwerpunkte Ergebnis Präimplantations ausführliche Diskussion der ethi- 2 Protokolle diagnostik schen Probleme um die PGD Präsentation im KEK mit Rollenspiel Ethikberatung Durchführung der Ethikberatung 33 Ethikberatungen Moderationstraining 2 interne Fortbildungen Therapie- Erarbeitung der „Empfehlungen 2 Leitlinien mit Do- begrenzung für die Anordnung zum Verzicht kumentationsbogen auf Wiederbelebung (VaW)“ Erarbeitung von „Empfehlungen zum Therapieverzicht auf Intensivstationen“ Palliativmedizin Verbesserung medizinischen der palliativ- Etablierungskonzept Versorgung und Infrastruktur im Klinikum Sterbebegleitung Wie kann Sterbebegleitung in der Bestandsaufnahme Praxis verbessert werden? Pilotbefragung Zwischenbericht Aufklärung Erarbeitung von Leitlinien zur Patientenaufklärung (Breaking bad news) Tabelle 7: Arbeitsgruppen des KEK (Stand: 30.04.2005) 35 Bisher wurden über 60 klinikumsinterne und externe Fortbildungsveranstaltungen durchgeführt, die sich an Ärzte, Pflegende, Klinikseelsorger, Hospizmitarbeiter und die allgemeine Öffentlichkeit richteten. Schwerpunktthemen waren Therapiebegrenzung, Patientenverfügungen, Sterbebegleitung, Sterbehilfe, späte Schwangerschaftsabbrüche sowie Ethikkomitees und Ethikberatung. In Kooperation mit der Akademie für ärztliche Fortbildungen der Landesärztekammer Bayern wurde ein zertifizierter Einführungskurs „Klinische Medizinethik“ an zwei Abenden mit je drei Zeitstunden durchgeführt. Weitere Fortbildungsangebote finden in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Hospizverein und der Erwachsenenbildung statt (Vollmann und Weidtmann 2003; Wernstedt und Vollmann 2005) Weiterhin werden in Erlangen aufgrund der steigenden Nachfrage die Fortbildungsund Beratungsangebote über klinische Ethik und die Institutionalisierung von KEK für auswärtige Krankenhäuser ausgebaut. Auswärtige Krankenhäuser, die ein KEK einrichten wollen, benötigen häufig inhaltliche und organisatorische Unterstützung bei der Einrichtung dieser in Deutschland neuen Form klinischer erlangen.de/eth/projekte/Klin_Eth/KEK_Ber.htm). 36 Ethik (www.gesch.med.uni- LITERATUR Bauer A, Vollmann J. Ethische Fragen in der Konsiliar- und Liaisonpsychiatrie. In: Arolt V, Diefenbacher A (Hrsg) Psychiatrie in der klinischen Medizin. Konsiliarpsychiatrie, psychosomatik und -psychotherapie. Steinkopff, Darmstadt 2004, S. 211-222. Deutscher Evangelischer Krankenhausverband und Katholischer Krankenhausverband Deutschlands e.V. 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Das Erlanger Klinische Ethikkomitee. Organisationsethik an einem deutschen Universitätsklinikum. Ethik in der Medizin 2005;17:44-51. 37 Zentrum für Medizinische Ethik Medizinethische Materialien Eine vollständige Hefteliste senden wir Ihnen auf Anfrage zu. Heft 132: Sass, Hans-Martin: Menschliche Ethik im Streit der Kulturen. März 2002. Heft 133: Knoepffler, Nikolaus: Menschenwürde als Konsensprinzip für bioethische Konfliktfälle in einer pluralistischen Gesellschaft. März 2002. Heft 134: Quante, Michael: Präimplantationsdiagnostik, Menschenwürde. März 2002. Stammzellforschung und Heft 135: Köchy, Kristian: Philosophische Grundlagenreflexion in der Bioethik. März 2002. Heft 136: Hengelbrock, Jürgen: Ideengeschichtliche Anmerkungen zu einer Ethik des Sterbens. Juli 2002. Heft 137: Schröder, Peter: Vom Sprechzimmer ins Internetcafé: Medizinische Informationen und ärztliche Beratung im 21. Jahrhundert. Juli 2002. Heft 138: Zühlsdorf, Michael T.; Kuhlmann, Jochen: Klinische und ethische Aspekte der Pharmakogenetik. August 2002. Heft 139: Frey, Christofer; Dabrock, Peter: Tun und Unterlassen beim klinischen Entscheidungskonfliktfall. Perspektiven einer (nicht nur) theologischen Identitätsethik. August 2002. Heft 140: Meyer, Frank P.: Placeboanwendung – die ethischen Perspektiven. März 2003. Heft 141: Putz, Wolfgang; Geißendörfer, Sylke; May, Arnd: Therapieentscheidung am Lebensende- Ein "Fall" für das Vormundschaftsgericht? 2. Auflage August 2003. Heft 142: Neumann, Herbert A.; Hellwig, Andreas: Ethische und praktische Überlegungen zur Einführung der Diagnosis Related Groups für die Finanzierung der Krankenhäuser. Januar 2003. Heft 143: Hartmann, Fritz: Der Beitrag erfahrungsgesicherter Therapie (EBM) zu einer ärztlichen Indikationen-Lehre. August 2003. Heft 144: Strätling, Meinolfus; Sedemund-Adib, Beate; Bax, Sönke; Scharf, Volker Edwin; Fieber, Ulrich; Schmucker, Peter: Entscheidungen am Lebensende in Deutschland. Zivilrechtliche Rahmenbedingungen, disziplinübergreifende Operationalisierung und transparente Umsetzung. August 2003. Heft 145: Hartmann, Fritz: Kranke als Gehilfen ihrer Ärzte. 2. Auflage Dezember 2003. Heft 146: Sass, Hans-Martin: Angewandte Ethik in der Pharmaforschung. Januar 2004. Heft 147: Joung, Phillan: Ethische Probleme der selektiven Abtreibung: Die Diskussion in Südkorea. Januar 2004. Heft 148: May, Arnd T; Brandenburg, Birgitta: Einstellungen medizinischer Laien zu Behandlungsverfügungen. Januar 2004. Heft 149: Hartmann, Fritz: Sterbens-Kunde als ärztliche Menschen-Kunde. Was heißt: In Würde sterben und Sterben-Lassen? Januar 2004. Heft 150: Reiter-Theil, Stella: Ethische Probleme der Beihilfe zum Suizid. Die Situation in der Schweiz im Lichte internationaler Perspektiven. Februar 2004. Heft 151: Sass, Hans-Martin: Ambiguities in Biopolitics of Stem Cell Resarch for Therapy. März 2004. Heft 152: Ilkilic, Ilhan: Gesundheitsverständnis und Gesundheitsmündigkeit in islamischen Traditionen. 3. Auflage März 2005. Heft 153: Omonzejele, Peter F.: African Concepts of Health, Disease and Treatment [A Future for Traditional Medicines and Spiritual Healings? A Postscript on Peter F Omonzeleje by Hans-Martin Sass]. April 2004. Heft 154: Lohmann, Ulrich: Die neuere standesethische und medizinrechtliche Entwicklung in Deutschland – Wandel des Menschenbildes? Mai 2004. Heft 155: Friebel, Henning; Krause, Dieter; Lohmann, Georg und Meyer, Frank P.: Verantwortungsethik. Interessenkonflikte um das Medikament - Wo steht das Medikament? Juni 2004. Heft 156: Kreß, Hartmut: Sterbehilfe - Geltung und Reichweite des Selbstbestimmungsrechts in ethischer und rechtspolitischer Sicht.1. Auflage September 2004, 3. Auflage März 2005. Heft 157: Fröhlich, Günter und Rogler, Gerhard: Das Regensburger Modell zur Ausbildung in klinischer Ethik. Dezember 2004. Heft 158: Ilkilic, Ilhan; Ince, Irfan und Pourgholam-Ernst, Azra: E-Health in muslimischen Kulturen. Dezember 2004. Heft 159: Lenk, Christian; Jakovljevic, Anna-Karina: Ethik und optimierende Eingriffe am Menschen. 2.Auflage Februar 2005. Heft 160: Ilkilic, Ilhan: Begegnung und Umgang mit muslimischen Patienten. Eine Handreichung für die Gesundheitsberufe. 1. Auflage Juli 2003 (Tübingen), 5. Auflage April 2005. Heft 161: Hartmann, Fritz: Vom Diktat der Menschenverachtung 1946 zur "Medizin ohne Menschlichkeit" 1960; Zur frühen Wirkungsgeschichte des Nürnberger Ärzteprozesses. 1. Auflage Februar 2005, 2. Auflage März 2005. Heft 162: Strätling, Meinolfus u.a.: Die gesetzliche Regelung der Patientenverfügung in Deutschland. Juni 2005. Heft 163: Sass, Hans- Martin: Abwägungsprinzipien zum Cloning menschlicher Zellen. Januar 2006. Heft 164: Vollmann, Jochen: Klinische Ethikkomitees und klinische Ethikberatung im Krankenhaus. Ein Praxisleitfaden über Strukturen, Aufgaben, Modellen und Implementierungsschritte. Januar 2006. Heft 165: Sass, Hans- Martin: Medizinische Ethik bei Notstand, Krieg und Terror. Verantwortungskulturen bei Triage, Endemien und Terror. Februar 2006. Heft 164: Vollmann, Jochen: Klinische Ethikkomitees und klinische Ethikberatung im Krankenhaus. Ein Praxisleitfaden über Strukturen, Aufgaben, Modellen und Implementierungsschritte. 1. Auflage Januar 2006, 4. Auflage April 2006. Heft 165: Sass, Hans- Martin: Medizinische Ethik bei Notstand, Krieg und Terror. Verantwortungskulturen bei Triage, Endemien und Terror. 1. Auflage Februar 2006, 3. Auflage März 2006. Heft 166: Sass, Hans-Martin: Gesundheitskulturen im Internet. E-Health-Möglichkeiten, Leistungen und Risiken. 1. Auflage Februar 2006, 2. Auflage März 2006. Heft 167: May, Arnd T.; Kohnen, Tanja: Körpermodifikation durch Piercing: Normalität, Subkultur oder Modetrend? Mai 2006 Heft 168: Anderweit, Sabine; Ilkilic, Ilhan; Meier-Allmendinger, Diana; Sass, Hans-Martin; Cheng-tek Tai, Michael: Checklisten in der klinisch-ethischen Konsultation. Mai 2006 Heft 169: Kielstein, Rita; Kutzer, Klaus; May, Arnd; Sass, Hans-Martin: Die Patientenverfügung in der ärztlichen Praxis. April 2006 Heft 170: Brenscheidt, Juliane; May, Arnd T.; May, Burkard; Kohnen, Tanja; Roovers, Anna; Sass, Hans-Martin: Zentrum für Medizinische Ethik Bochum 1986 – 2006. Heft 171: Dabrock, Peter; Schröder, Peter: Public Health Gen-Ethik. 1. Auflage August 2006. Bestellschein An das Zentrum für Medizinische Ethik Ruhr-Universität Bochum Gebäude GA 3/53 44780 Bochum Tel: (0234) 32 22749/50 FAX: (0234) 3214 598 Email: [email protected] Homepage: http://www.medizinethik-bochum.de Bankverbindung: Konto Nr. 133 189 035, BLZ 430 500 01 Sparkasse Bochum Name oder Institut: Adresse: ( ) Hiermit abonniere(n) wir/ich die Reihe MEDIZINETHISCHE MATERIALIEN zum Sonderpreis von € 4,00 pro Stück ab Heft Nr.____. Dieser Preis schließt die Portokosten mit ein. ( ) Hiermit bestelle(n) wir/ich die folgenden Einzelhefte der Reihe MEDIZINETHISCHE MATERIALIEN zum Preis von € 6,00 (bei Abnahme von 10 und mehr Exemplaren € 4,00 pro Stück). Hefte Nummer: _____________________________________________ Zusammenfassung Jochen Vollmann berichtet aufgrund praktischer Erfahrungen als Gründungsmitglied und Moderator des Klinischen Ethikkomitees des Universitätsklinikums Erlangen sowie als externer Berater zahlreicher Krankenhäuser im vorliegenden Praxisleitfaden über Strukturen, Aufgaben, Modelle und Implementierungsschritte von Klinischen Ethikkomitees und klinischer Ethikberatung. Während Ethikkommissionen in Deutschland seit den 1970er Jahren ethische Voten zu medizinischen Forschungsuntersuchungen am Menschen abgeben, sind Klinische Ethikkomitees (KEK’s) neue Einrichtungen in deutschen Krankenhäusern. Sie beraten auf Anfrage schwierige ethische Probleme bei der Behandlung und Pflege von Patienten. Empirische Untersuchungen und bisherige praktische Erfahrung belegen einen hohen Informationsbedarf über Klinische Ethikkomitees als neue Einrichtungen in Krankenhäusern und anderen Institutionen des Gesundheitswesens. Abstract Jochen Vollmann, based on personal experience as a founding member and moderator of the Clinical Ethics Committee of the Erlangen University Hospital as well as a consultant to many German hospitals, discusses in this Praxis Guide structures, tasks, models and steps to implement HEC and clinical ethics consultation. Whereas Research Ethics Committees (IRB’s) are well established institutions in Germany since the 1970ies, Clinical Ethics Committees/Health Care Ethics Committees (HEC’s) represent a new model of implementing clinical ethics in hospitals and nursing homes. These new committees consult on difficult ethical problems regarding the medical treatment and nursing care of a patient. Empirical data and practical experience show a high need of information about HEC as new institutions within the German health care system. ISBN 3-931993-45-0