Mecklenburg-Vorpommern Zentralabitur 2006

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Mecklenburg-Vorpommern
Zentralabitur 2006
Gemeinschaftskunde
Grundkurs
Aufgaben
Abitur 2006 Gemeinschaftskunde Gk
Seite 2
Hinweise für Schüler
Aufgabenauswahl:
Überprüfen Sie die Aufgabenstellungen auf Vollständigkeit!
Sie erhalten zwei Aufgaben zur Wahl, von denen eine
vollständig zu lösen ist.
(Aufgabe 1 – vier Teilaufgaben, S. 3 - 9)
(Aufgabe 2 – drei Teilaufgaben, S. 10 - 16)
Bearbeitungszeit:
240 Minuten (zuzüglich 30 Minuten zur Wahl der Aufgabe)
Hilfsmittel:
Duden
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
(unkommentierte Ausgabe)
Hinweis:
Nummerieren Sie die Seiten.
Es wird nur die Reinschrift bewertet.
Abitur 2006 Gemeinschaftskunde Gk
Seite 3
Aufgabe 1
Jugend zwischen Engagement, Anpassung und Widerstand
1.
Reinhard Mohn, Stifter und Mitglied des Kuratoriums der Bertelsmann Stiftung, äußerte
in einem Gastkommentar im Handelsblatt am 11.07.2005:
„Die nachwachsende Generation ist unser Kapital von morgen.“
Ordnen Sie unter diesem Aspekt Jugendbilder den verschiedenen Gesellschaften und
politischen Systemen zu. Arbeiten Sie Unterschiede heraus und bewerten Sie diese
(Quellen 1, 2 und 3).
2.
Setzen Sie sich mit den in den Quellen 4, 5 und 6 zum Ausdruck kommenden
Verhaltensmustern junger Menschen kritisch auseinander.
3.
Untersuchen Sie die Lebenshaltung Jugendlicher in den Quellen 7 und 8.
Vergleichen Sie diese mit Verhaltensmustern in Teilaufgabe zwei unter
Berücksichtigung des Themas:„Jugend zwischen Engagement, Anpassung und
Widerstand“.
4.
Diskutieren Sie die von Paul-Josef Raue in Quelle 9 aufgeworfene Problemstellung:
„Wollt Ihr mitspielen oder wollt Ihr nur zuschauen?“
Formulieren Sie thesenartig zukunftsfähige Lebenshaltungen für unsere Gesellschaft.
Bewertung der einzelnen Aufgabenteile:
Teilaufgabe
Anforderungsbereiche
Gewichtung
1
2
3
4
I/II
II/III
II/III
III
20 %
25 %
25 %
30 %
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Seite 4
Quellen zu Aufgabe 1
Quelle 1:
„Meine Pädagogik ist hart. Das Schwache muß weggehämmert werden. In meinen
Ordensburgen wird eine Jugend heranwachsen, vor der sich die Welt erschrecken wird. Eine
gewalttätige, herrische, unerschrockene, grausame Jugend will ich ... Schmerzen muß sie
ertragen. Es darf nichts Schwaches und Zärtliches an ihr sein. Das freie, herrliche Raubtier
muß erst wieder aus ihren Augen blitzen. Stark und schön will ich meine Jugend. Ich werde
sie in allen Leibesübungen ausbilden lassen. Ich will eine athletische Jugend. Das ist das Erste
und Wichtigste. So merze ich die Tausende von Jahren der menschlichen Domestikation aus.
So habe ich das reine, edle Material der Natur vor mir. So kann ich das Neue schaffen. Ich
will keine intellektuelle Erziehung. Mit Wissen verderbe ich mir die Jugend ... Aber
Beherrschung müssen sie lernen. Sie sollen mir in den schwierigsten Proben die Todesfurcht
besiegen lernen. Das ist die Stufe der heroischen Jugend. Aus ihr wächst die Stufe des Freien,
des Menschen, der Maß und Mitte der Welt ist, des schaffenden Menschen, des Gottmenschen
...“
Aus: Hofer, W.: Der Nationalsozialismus, Frankfurt 1957, S. 88
Quelle 2:
„Die Freie Deutsche Jugend ist der sozialistische Jugendverband der Deutschen
Demokratischen Republik. Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands unterstützt die
Freie Deutsche Jugend als aktiven Helfer und als Kampfreserve der Partei. Sie sieht die
wichtigste Aufgabe des sozialistischen Jugendverbandes darin, klassenbewußte Kämpfer für
den gesellschaftlichen Fortschritt heranzubilden und dafür zu wirken, daß alle Jugendlichen
die Möglichkeiten nutzen, Arbeit, Studium und Freizeit, ihr gesamtes Leben sinnvoll zu
gestalten, daß sie zu aktiven Erbauern und standhaften Verteidigern des Sozialismus und
Kommunismus werden.“
Aus: Programm der SED, Dietz Verlag, Berlin 1976, S. 60
Abitur 2006 Gemeinschaftskunde Gk
Seite 5
Quelle 3:
„Die jungen Menschen selbst müssen lernen, dass sie Mitverantwortung dafür tragen, was aus
ihnen wird. Gute Lösungsansätze stärken daher die Eigeninitiative junger Menschen und
fördern vorhandene Potenziale- insbesondere dort, wo der Einstieg und die Integration in das
Erwerbsleben aus eigenen Anstrengungen nicht gelingen will. Auch die Eltern sind mit in der
Pflicht. Sie müssen ihren Kindern wieder stärker berufliche Orientierung und Werte
vermitteln. Denn was im Elternhaus versäumt wird, können weder Schule noch staatliche
Förderprogramme ausgleichen. Die Politik hat dafür Sorge zu tragen, dass die
Rahmenbedingungen die Integration der jungen Menschen in die Arbeitswelt ermöglichen.
Hiermit meine ich nicht nur eine Erhöhung der Flexibilität der Berufsausbildung, auch die
Reform des Schulsystems muss energisch vorangetrieben werden.
Der Staat allein kann die drängenden gesellschaftlichen Probleme nicht bewältigen, weder im
Bereich der Bildung noch beim Arbeitsmarkt. Vielmehr kommt es darauf an, dass wir alle,
und insbesondere diejenigen, die Verantwortung in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft
tragen, uns diesen Herausforderungen stellen, denn unsere Demokratie muss wieder von der
Initiative ihrer Bürger leben. Nur gemeinsam können wir unsere Gesellschaft zukunftsfähig
machen!“
Aus: Mohn, R.: Junge Menschen brauchen eine Chance, aus: Junge Generation und Arbeit,
Bertelsmann Stiftung, Gütersloh 2005, S. 5
Abitur 2006 Gemeinschaftskunde Gk
Quelle 4a:
Aus: Information zur politischen Bildung, 243, 1994, S. 40
Seite 6
Abitur 2006 Gemeinschaftskunde Gk
Seite 7
Quelle 4b:
„Die Jungvolk-Aktivitäten beschränkten sich nicht auf Sport, Zeltlager, Geländeübungen,
Marschieren und Singen, sondern umfassten auch Schulungen, Jugendfilmvorführungen,
Ferienprogramme und später Sonderaufgaben. Bei den Schulungen und Filmvorführungen
behandelte man häufig die Geschichte Deutschlands und der NSDAP.
Über die ‹Bewegung› wurden zahlreiche Vorträge gehalten. Allerdings kann ich mich nur an
einen über die Rassenlehre des Dritten Reiches erinnern. Der Text stammte von einem
Professor aus Breslau, und eine Tafel sollte anhand von Menschenköpfen Rassenmerkmale
veranschaulichen. Jeder aus unserem Zug musste nach vorn treten und der Gruppe sein Profil
zeigen...
Ich glaubte weiterhin an Hitler und seine ‹Mission›, Deutschland zu Größe zu verhelfen. Und
ich war davon überzeugt, dass wir seinen Erwartungen gerecht werden mussten. Wir waren
‹seine› Jugend, und wie die meisten Angehörigen meiner Altersgruppe hatte man mich
gelehrt, ihm und seinen Fähigkeiten als Oberbefehlshaber der Nation unerschütterliches
Vertrauen entgegenzubringen...
Den ganzen Krieg über hatte ich ein Held werden wollen, den man für seine Tapferkeit und
Selbstlosigkeit im Dienst für das Vaterland auszeichnete...
Oft hatte ich gehört, dass Gott auf Deutschlands Seite stehe und unseren Führer beschütze.
Obwohl meine Eltern aus der Kirche ausgetreten waren, glaubte ich an einen allmächtigen
Gott. Meine Großmutter mütterlicherseits hatte mich davon überzeugt, dass man an seiner
Existenz nie zweifeln durfte. Nichts brachte mich von der Gewissheit ab, dass Hitlers Leben
und das Schicksal Deutschlands von einer höheren Macht begünstigt wurden. Er schien mir
der Messias unserer Zeit zu sein.“
Aus: Lehmann, Armin D.: Der letzte Befehl, Als Hitlers Botenjunge im Führerbunker, Lübbe
Verlag, Bergisch Gladbach 2005, Bd. 61568, S. 99 ff.
Abitur 2006 Gemeinschaftskunde Gk
Seite 8
Quelle 5a:
Karikatur von Heinz Behling
Titelbild von „Eulenspiegel. Wochenzeitung für Satire und Humor“, (DDR) 1986.
Quelle 5b:
„Eine 16-jährige Magdeburgerin schrieb an eine Brieffreundin in der Bundesrepublik:
Meine Wände in meinem Zimmer sind mit Bildern aus der ‚Bravo’ bestückt. Die meisten
habe ich von meiner Freundin aus Pinneberg bei Hamburg. Mir ihr schreibe ich mich schon
seit drei Jahren. Hörst du manchmal Radio Luxemburg? Siehst du Beat-Club? Ich sehr gerne.
In der FDJ bin ich, wie fast alle. Außerdem ist meine Klasse in der DSF (Gesellschaft für
deutsch-sowjetische Freundschaft). Man merkt nicht viel davon. Außer, wenn der Beitrag
kassiert wird. Und an Staatsfeiertagen ‚dürfen’ wir im einheitlichen blauen FDJ-Hemd
antanzen. Wirklich begeistert für die Interessen der FDJ sind nur die Funktionäre. Die meisten
sind nicht direkt für den Westen. Er stellt nur einen besonderen Reiz dar, etwas ‚Tolles’, wo
die Jugendlichen leben können, wie es ihnen passt, die ganz andere Möglichkeiten in Bezug
auf Freizeitgestaltung, Kleidung usw. haben. Die meisten wollen mal auf Besuch rüber ohne
für immer dort zu bleiben. Denn eine gesicherte Existenz (Arbeitsplatz, Bildung) hat man in
der DDR. Fanatisieren kann man die Jugend für den Sozialismus nicht. Jedenfalls die meisten
nicht.“
Aus: Baumgart, H. [Hrsg.]: Briefe aus einem anderen Land, Hamburg 1971, S. 287, 295
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Seite 9
Quelle 6:
„Er will später etwas ‚Vernünftiges’ machen, ‚etwas mit Natur oder so’, weiß aber zur Zeit
noch nicht so recht, was vernünftig ist. Er fängt viel an und hört damit auf, wenn es keinen
Spaß macht. Benjamin ist 15 Jahre alt und besucht die 9. Klasse einer integrierten
Gesamtschule in Frankfurt am Main. Seine Eltern, beide Psychotherapeuten, haben ihm das
gelassen, was er für sich fordert: Freiraum. Benjamin ist auf der Suche nach sich selbst: ‚Ich
genieße meine Jugend jetzt. Ich lebe sie jetzt aus.’
Zur Zeit ist er viel unterwegs: Hobbys wie Snowboardfahren und Tauchen (am liebsten mit
den Eltern in Thailand) haben Konjunktur, dazu kommen Diskos und Partys.“
Aus: Politische Zeitschrift Nr. 92, 1997, S. 16
Quelle 7:
„In einem Staat rücksichtsloser Knebelung jeder freien Meinungsäußerung sind wir
aufgewachsen. HJ, SA, SS haben uns in den fruchtbarsten Bildungsjahren unseres Lebens zu
uniformieren, zu revolutionieren, zu narkotisieren versucht. ‚Weltanschauliche Schulung’
hieß die verächtliche Methode, das aufkeimende Selbstdenken in einem Nebel leerer Phrasen
zu ersticken. Eine Führerauslese, wie sie teuflischer und bornierter zugleich nicht gedacht
werden kann, zieht ihre künftigen Parteibonzen auf Ordensburgen zu gottlosen, schamlosen
und gewissenlosen Ausbeutern und Mordbuben heran, zur blinden, stupiden
Führergefolgschaft. Wir ‚Arbeiter des Geistes’ wären gerade recht, dieser neuen
Herrenschicht den Knüppel zu machen. [...]
Es gibt für uns nur eine Parole: Kampf gegen die Partei! Heraus aus den Parteigliederungen,
in denen man uns weiter politisch mundtot halten will! Heraus aus den Hörsälen der SSUnter- und –Oberführer und Parteikriecher! Es geht uns um wahre Wissenschaft und echte
Geistesfreiheit! Kein Drohmittel kann uns schrecken, auch nicht die Schließung unserer
Hochschulen. Es gilt den Kampf jedes einzelnen von uns um unsere Zukunft, unsere Freiheit
und Ehre in einem seiner sittlichen Verantwortung bewußten Staatswesen.“
Aus: Auszug aus dem letzten Flugblatt der Weißen Rose vom Februar 1943, a. a. O., S. 41
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Quelle 8:
„Der Fall Ossietzky-Schule
‚Lebenslänglich kein Abitur’, bedeutete einen Ausschluß aus der Schule für Jugendliche in
der DDR. Im Herbst 1988 werden Schülerinnen und Schüler der Erweiterten Oberschule
(EOS) ‚Carl von Ossietzky’ in Ost-Berlin aus der Schule ausgeschlossen (relegiert). Der
Anlaß: Sie haben kritische Artikel verfaßt und sie an einer von der Schulleitung genehmigten
Wandzeitung veröffentlicht. Hinzu kommt eine spontan durchgeführte
Unterschriftensammlung. Zwei Wochen später werden sie relegiert, weil, wie man im
Ministerium für Volksbildung meint, ihr Ziel darin bestanden habe, ‚durch Verbreiten
gegnerischer Auffassungen eine Opposition zum Staat und zu seinen Beschlüssen innerhalb
der Schülerschaft der EOS zu formieren’. [...]
Was genau ist im Herbst 1988 an der Oberschule in Berlin-Pankow passiert?
Die Institutionalisierung eines öffentlichen Meinungsforums in der EOS ‚Carl von Ossietzky’
ging auf einen Vorschlag der FDJ an der Schule zurück. Der Direktor und die Parteileitung
stimmten zu...
Im September 1988 stellt einer der ausgehängten Diskussionsbeiträge den Sinn von
Militärparaden in Frage. Der Autor, ein Schüler der 11. Klasse, reicht seinen Artikel nach
positiven Reaktionen, die sowohl aus Teilen der Schüler- wie auch der Lehrerschaft kommen,
als Unterschriftenliste in der Schule herum. Eine Genehmigung des Schulleiters hat er nicht
eingeholt. Der Text wird von 38 der insgesamt etwa 160 Schülerinnen und Schüler spontan
unterschrieben. Auf Druck der Schulleitung ziehen 30 ihre Unterschrift wenige Tage später
wieder zurück. Von den übrigen acht werden auf Anweisung des Ministeriums für
Volksbildung unter Mitwirkung von Partei, Lehrern, Eltern und FDJ vier relegiert, zwei
werden umgeschult und zwei erhalten Verweise.“
Aus: Grammels, T./Zühlke, A.: Ein Schulkonflikt in der DDR. Leitfaden zum
Dokumentenband. Arbeitshilfen für die politische Bildung, hrsg. von der Bundeszentrale für
politische Bildung, Bonn o. J., S. 7
Quelle 9:
„Wollt Ihr mitspielen...oder wollt Ihr nur zuschauen? Das Gute, das Vernünftige setzt sich
nicht von alleine durch – und wer anderes behauptet, der führt in den Wahnsinn der
Ideologen, die genau wissen, wie die Menschen zu beglücken sind. Glaubt nicht, daß es
einfach sei, sich zu engagieren. Aber es geht! Ihr müßt Euch wappnen gegen das Mittelmaß,
die Dummheit und die Intrigen – auch wenn sie so schwer zu ertragen sind. Ein Rezept? Gibt
es ebensowenig wie die freie Fahrt für junge Leute und für Idealisten; selbst die Vernunft
muß in der Demokratie verdammt oft warten (nur, bitteschön, wer bestimmt, was vernünftig
ist?). Geduld, Zähigkeit und ein wenig Glück – die Ratschläge schmecken so fade wie
abgestandenes Bier.“
Aus: Bundeszentrale für politische Bildung [Hrsg.], Politische Zeitschrift, Nr. 92 a. a. O.,
S. 28
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Aufgabe 2
„Parteien sind ein verfassungsrechtlich notwendiger Bestandteil der freiheitlichen
demokratischen Grundordnung“
(§ 1, Parteiengesetz der Bundesrepublik Deutschland)
1.
Geben Sie mit Hilfe der Quelle 1 einen Überblick zu den politischen Grundrichtungen
im Parteienspektrum des Deutschen Kaiserreiches.
Untersuchen Sie die Zielstellung und Rolle einer Partei und beurteilen Sie mit Hilfe der
Karikatur und der Bismarck-Rede die Haltung des „Eisernen Kanzlers“ zu den Parteien
im Staat. (Quellen 2 und 3).
2.
Welche Stellung weisen verschiedene deutsche Verfassungen oder Gesetze den Parteien
in demokratischen und antidemokratischen Regierungssystemen des 20. Jahrhunderts
zu? Ziehen Sie Schlussfolgerungen in Bezug auf den politischen Einfluss der Parteien in
der Realität des jeweiligen Herrschaftssystems. (Quellen 4, 5 ,6 und 7).
3.
Diskutieren Sie auf Grundlage der Quellen und eigener Vorstellungen und Erfahrungen
Probleme der Parteiendemokratie in der Bundesrepublik Deutschland und zeigen Sie
Entwicklungsmöglichkeiten auf. (Quellen 8und9).
Bewertung der einzelnen Aufgabenteile:
Teilaufgabe
Anforderungsbereiche
Gewichtung
1
I / II
25 %
2
II / III
35 %
3
II / III
40 %
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Quellen zu Aufgabe 2
Quelle 1:
5
10
15
20
25
30
35
40
45
„Parteienspektrum
Die Parlamentarier (...) verteilten sich auf sechs große Parteigruppierungen sowie auf eine
Anzahl Splittergruppen, welche die polnische Bevölkerung Posens, die Dänen von
Nordschleswig und das eroberte Elsaß-Lothringen repräsentierten. Auf der äußersten Rechten
befand sich die Deutsche Konservative Partei, Partei des Preußentums, der Aristokratie und
des Großgrundbesitzes mit starkem Rückhalt vor allem in den ostelbischen Gebieten. Zu jener
Zeit desorganisiert und ohne wirkliche Führungspersönlichkeiten, stellte sie im Reichstag von
1871 keine starke Kraft dar, wenngleich ihre Schwäche nur eine scheinbare war, weil sie ihre
eigentliche Hochburg immer im preußischen Abgeordnetenhaus hatte. Ein Ableger dieser
Partei war die sogenannte Reichspartei (in Preußen die ‚Freikonservativen’ genannt), die, mit
einer aus landwirtschaftlichem Grundeigentum und industriellem Unternehmertum
zusammengesetzten Mitgliederschaft, nicht so ausschließlich auf den agrarischen Standpunkt
festgelegt war und in den ersten Friedensjahren Bismarck weniger kritisch gegenüberstand als
die Konservativen. Die Freikonservativen wurden in der Tat sogar die Bismarckpartei sans
phrase [= ohne Umschweife] genannt, da sie seine nationale Politik vorbehaltlos unterstützten
und aus ihren Reihen viele Beamte für seine Ministerien kamen.
Stärker als diese beiden Parteien und in seinem politischen Einzugsbereich breiter war das
katholische Zentrum, eine erklärtermaßen konfessionelle Partei, die 1870 mit dem Ziel
gegründet worden war, die Rechte der Katholiken in einem überwiegend protestantischen
Land zu wahren. Dessen ungeachtet schloß das Zentrum immer auch Personen und Gruppen
unterschiedlicher politischer und sozialer Färbung ein – mit der Folge, daß es, wenn nicht
gerade die Selbständigkeit der katholischen Kirche, die Freiheit der religiösen Erziehung oder
das bundesstaatliche Prinzip auf dem Spiel standen, in der Regel eine größere
Handlungsfreiheit als andere Parteien an den Tag legen konnte und sich entsprechend oft dem
Vorwurf des Opportunismus ausgesetzt sah. Aber die Politik des Zentrums wies eine innere
Folgerichtigkeit auf. Einerseits war sie überwiegend konservativ in bezug auf die Bewahrung
der Tradition, auf die Vorrechte der Krone und auf die hierarchische Struktur der
Gesellschaft; ebenso auch in bezug auf alle Fragen der gesellschaftlichen Moral. Andererseits
stand sie politischen Reformen wohlwollend gegenüber – solange diese nicht zu stärkerer
Zentralisierung beitrugen – und neigte in der Frage sozialer Reformen der fortschrittlichen
katholischen Soziallehre zu, die in den 40er Jahren von Adolf Kolping begründet und von
Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler weitergeführt worden war. Bischof Ketteler
predigte von 1850 bis zu seinem Tod 1877 die Notwendigkeit, durch die Gründung von
Arbeitergenossenschaften und christlichen Gewerkschaften sowie durch andere Maßnahmen
die Auswüchse des Kapitalismus zu bekämpfen und den Lebensstandard der Armen zu heben.
Das größte Wählerpotential besaß die Partei in Süddeutschland, im Rheinland, in Schlesien
und in den polnischen Gebieten Preußens.
Es gab zwei liberale Parteien. Die Nationalliberalen stellten einen Zusammenschluß dar
zwischen dem Gros der preußischen Fortschrittspartei, die im Verfassungskonflikt gegen
Bismarck gefochten, sich 1866 dann allerdings der Unterstützung seiner Außenpolitik
verschrieben hatte, und einer in eben diesem Jahr von Rudolf von Bennigsen in Hannover
gegründeten nationalliberalen Partei. Als politische Vertreter des mittleren Bildungs- und
Besitzbürgertums und der gehobenen Beamtenschaft wiesen die Nationalliberalen, wie bereits
angedeutet, viele Ähnlichkeiten mit den liberalen Parteien anderer Länder auf: Sie traten für
Zentralisierung, für eine Wirtschaftspolitik des laisser-faire, für die Säkularisierung des
öffentlichen Lebens ein. Ihre stärksten Bastionen hatten sie in Sachsen, Hannover, Baden und
dem rheinischen Industrierevier. Die unverbesserlichen Linksliberalen von 1866 bildeten den
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Kern der Fortschrittspartei, die die meisten wirtschaftspolitischen Prinzipien der
Nationalliberalen teilte, jedoch sehr viel entschiedener für die Ausweitung der Rechte des
Parlaments eintrat, der Politik der Regierung ganz allgemein kritischer gegenüberstand und –
getreu der Tradition der Konfliktszeit – die Militärausgaben und die Heerespersonalpolitik
mit Mißtrauen verfolgte.
Und schließlich gab es noch – gerade erst am Beginn jener bemerkenswerten Entwicklung
stehend, die sie bis 1914 zur größten einzelnen politischen Kraft Deutschlands werden lassen
sollte – die Sozialdemokratische Partei¹. (...)“
Aus: Bahr-Banzhaf-Gölz-Rumpf: Grundkurse Geschichte, Winklers Verlag, Darmstadt 1984,
S. 172
Quelle 2:
Aus: Jäger, W./Keitz, Ch. [Hrsg.]: Kursbuch Geschichte, Cornelsen/Volk + Wissen Verlag,
Berlin 2001, S. 332
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Quelle 3:
„Bismarck in einer Rede im preußischen Herrenhaus über seine Gegner im neuen Deutschen
Reich (24. April 1873)
Ich verweise darauf, [...] dass der Staat in seinen Fundamenten bedroht und gefährdet ist von
zwei Parteien, die beide das gemeinsam haben, dass sie ihre Gegnerschaft gegen die nationale
Entwicklung in internationaler Weise betätigen, dass sie Nation und nationale Staatenbildung
bekämpfen. Gegen diese beiden Parteien müssen meines Erachtens alle diejenigen, denen die
Kräftigung des staatlichen Elements, die Wehrhaftigkeit des Staats am Herzen liegen, gegen
die, die ihn angreifen und bedrohen, zusammenstehen und deshalb müssen seiner
Verteidigung, teils gegen diejenigen, welche offen sagen, was sie an der Stelle des Staates
wollen, teils gegen diejenigen, welche einstweilen den Staat untergraben, sich aber noch
vorbehalten, was sie an seine Stelle setzen wollen – gegen diese Gegner müssen sich alle
treuen Anhänger des Königs, müssen sich alle treuen Anhänger des preußischen Staates, in
dem wir leben, zusammenscharen.“ )Bismarck, O.: Die gesammelten Werke, Bd. 11, Berlin
1929, S. 298)
Aus: Jäger, W./Keitz, Ch. [Hrsg.]: Kursbuch Geschichte, Cornelsen/Volk + Wissen Verlag,
Berlin 2001, S. 333
Quelle 4:
Verfassung des Deutschen Reiches (Weimarer Verfassung) vom 11.08.1919
„Artikel 124
Alle Deutschen haben das Recht, zu Zwecken, die den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen,
Vereine oder Gesellschaften zu bilden. Dies Recht kann nicht durch Vorbeugungsmaßregeln
beschränkt werden. Für religiöse Vereine und Gesellschaften gelten dieselben Bestimmungen.
Der Erwerb der Rechtsfähigkeit steht jedem Vereine gemäß den Vorschriften des bürgerlichen
Rechts frei. Er darf einem Vereine nicht aus dem Grunde versagt werden, daß er einen
politischen, sozialpolitischen oder religiösen Zweck verfolgt.“
Aus: Hildebrandt, H. [Hrsg.]: Die deutschen Verfassungen des 19. und 20. Jahrhunderts,
Schöningh-Verlag, Paderborn 1975, S. 99
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Quelle 5a:
„Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz
von Volk und Staat vom 28. Februar 1933
Auf Grund des Artikels 48 Absatz 2 der Reichsverfassung wird zur Abwehr kommunistischer
staatsgefährdender Gewaltakte folgendes verordnet:
§ 1 Die Artikel 114, 115, 117, 118, 123, 124 und 153 der Verfassung des Deutschen Reiches
werden bis auf weiteres außer Kraft gesetzt. Es sind daher Beschränkungen der persönlichen
Freiheit, des Rechtes der freien Meinungsäußerung, einschließlich der Pressefreiheit, des
Vereins- und Versammlungsrechtes, Eingriffe in das Brief-, Post-, Telegraphen- und
Fernsprechgeheimnis, Anordnungen von Haussuchungen und von Beschlagnahme sowie
Beschränkungen des Eigentums auch außerhalb der sonst hierfür bestimmten Grenzen
zulässig.“
Aus: Hildebrandt, H. [Hrsg.]: a. a. O., S. 111
Quelle 5b:
„Gesetz gegen die Neubildung von Parteien vom 14. Juli 1933
§ 1 In Deutschland besteht als einzige politische Partei die Nationalsozialistische Deutsche
Arbeiter-Partei.
§ 2 Wer es unternimmt, den organisatorischen Zusammenhalt einer anderen politischen Partei
aufrechtzuerhalten oder eine neue politische Partei zu bilden, wird, sofern nicht die Tat nach
anderen Vorschriften mit einer höheren Strafe bedroht ist, mit Zuchthaus bis zu drei Jahren
oder mit Gefängnis von sechs Monaten bis zu drei Jahren bestraft.“
Aus: Hildebrandt, H. [Hrsg.]: a. a. O., S. 113
Quelle 6:
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23.05.1949
„Artikel 21
(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist
frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über
die Herkunft ihrer Mittel öffentlich Rechenschaft geben.
(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen,
die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder
den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig. Über
die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht.
(3) Das Nähere regeln Bundesgesetze.“
Aus: Hildebrandt, H. [Hrsg.]: a. a. O., S. 125
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Seite 16
Quelle 7:
Verfassung der DDR vom 07.10.1974
„Artikel 1¹
Die Deutsche Demokratische Republik ist ein sozialistischer Staat der Arbeit und Bauern. Sie
ist die politische Organisation der Werktätigen in Stadt und Land unter Führung der
Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei. ¹...
Artikel 29
Die Bürger der Deutschen Demokratischen Republik haben das Recht auf Vereinigung, um
durch gemeinsames Handeln in politischen Parteien, gesellschaftlichen Organisationen,
Vereinigungen und Kollektiven ihre Interessen in Übereinstimmung mit den Grundsätzen und
Zielen der Verfassung zu verwirklichen.“
Aus: Hildebrandt, H. [Hrsg.]: a. a. O., S. 233/247
Quelle 8:
„Die deutschen Parteien: Defizite und Reformideen
5
10
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20
25
Parteien sind nicht das Ganze, doch sie erwecken oft diesen Eindruck. Die politischen
Parteien gehören im Verfassungsstaat zum politischen System. Aber sie sind nicht das
politische System, sondern ein Teil davon. Die Parteien sind schon gar nicht das Volk. In
Wahlen erhalten sie von diesem die Legitimation zur Teilhabe an der politischen
Willensbildung auf Zeit. Je mehr Wählerstimmen Parteien auf sich vereinigen, desto größer
ist ihr politischer Einfluss. Wenn Parteien die Mehrheit erhalten oder sich dazu
zusammenschließen, können sie regieren, wodurch sie befristet über erhebliche Macht
verfügen und große Verantwortung tragen. Die Parteien sind umso mächtiger, je breiter ihre
Verankerung in der Bevölkerung ist. Ein Indikator für diese Verwurzelung sind die
Wahlergebnisse, ein anderer der Organisationsgrad.
In Deutschland ist seit den achtziger Jahren eine Abnahme der Wahlbeteiligung zu
beobachten. Bei Landtagswahlen beteiligt sich oft ein Drittel der Berechtigten nicht, bei
Europawahlen ist die Wahlenthaltung noch größer. Kritischer für die Parteien ist, dass
höchstens vier Prozent der Bürger Mitglied einer politischen Partei sind. Diese schmale
Mitgliederbasis wird als Folge und Ausdruck einer ‚Parteienverdrossenheit’ gesehen. Haben
sie genügend Wählerstimmen gewonnen, wollen die Parteien in der Politik alles bestimmen.
Aber mit ihrem geringen Organisationsgrad sind sie nur Ausschnitte der Gesellschaft. Auf
diesem Missverhältnis zwischen allgemeinem Machtanspruch und schmaler sozialer Basis
beruht die Parteienverdrossenheit. Dieses Unbehagen wird noch dadurch gesteigert, dass es
keine Alternative zur Parteienherrschaft gibt, wenn man nicht auf Demokratie und
Rechtsstaatlichkeit als Grundlagen des politischen Systems verzichten will.¹
...täten die Parteien etwas für ihre Zukunft, öffneten sie sich folgenden Reformvorschlägen:
Durch Wegfall der Sperrgrenze würde der Konkurrenzdruck auf die Parteiführung
erhöht. [bei Wahlkämpfen - die Verfasser]
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Die repräsentative Demokratie wird systematisch auf allen Ebenen der Politik durch
Elemente der plebiszitären Demokratie ergänzt. Die Dominanz der Parteien bei der
politischen Willensbildung würde dadurch gemindert werden.
In Vorwahlen werden Bürger, die nicht Parteimitglieder sind, an der Kandidatenauswahl
beteiligt. Die Macht der Hinterstübchen würde dadurch reduziert werden.
Bei der Zuweisung von Mandaten werden durch eine Netto-Brutto-Regelung anteilig
nur so viele Mandate vergeben wie die Parteien Stimmenanteile erhalten haben. Die
Parteien würden gezwungen, sich um die Nichtwähler zu kümmern.
Da die Politikereinkommen mittlerweile auskömmlich sind, werden sie festgeschrieben.
Die Politiker sollen nicht abheben vom Volk.
In Wahlkämpfen wird das Gebot der Personalisierung aufgegeben. Mit an Sachthemen
orientierten Wahlkämpfen gewönnen die Partei Vertrauen bei den Wählern zurück.
Die öffentlichen Zuschüsse für die Parteien und ihre Umfelder werden abgebaut. So
würden die Parteien gezwungen, auf die Ressourcen ihrer Mitglieder zurückzugreifen.
Das Funktionärsdenken würde an Bedeutung verlieren, und die Mitgliedschaft in
Parteien für mehr Bürger interessant werden.
Die Parteien müssen bei sich selber praktizieren, was sie von den Bürgern fordern:
Einschränkungen hinnehmen, und dies als Reform begreifen. Die Beschränkungen bei den
Parteien betreffen ihre Macht, ihre Präsentation und ihre Finanzen: Das ist bitter für sie. Aber
so kommen sie dem Volke näher. Denn wer selber tut, was er von anderen verlangt, gewinnt
Glaubwürdigkeit
Aus: Dittberner, J.: Die deutschen..., in: APuZ, Beilage aus dem Parlament, B 40/2004, S. 12,
18
Quelle 9:
„Politisches Interesse nach Alter
Altersgruppe
16 – 25 Jahre
26 – 35 Jahre
36 – 45 Jahre
46 – 55 Jahre
56 – 69 Jahre
sehr
mittel
wenig
19 %
31 %
30 %
40 %
43 %
55 %
53 %
57 %
46 %
43 %
26 %
16 %
13 %
14 %
14 %
Infratest dimap, aus: Ingo Leven, Jung wählen oder Jugendquote? Wie Jugendliche über
politische Beteiligung denken, Vortrag von Infratest Sozialforschung München am
26.11.2003 im Landtag NRW/Düsseldorf,
www.christianlindner.de/~lindner/Beteiligung/Kinder%20an%20die%20Macht.pdf,
(01.06.2005)
Aus: Bundeszentrale für politische Bildung [Hrsg.]: Bundestagswahl im Unterricht, Themen
und Materialien, Bonn 2005, S. 59
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