Tagungsband 31.08.2012 final - Akademie für Tiergesundheit

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Infektionskrankheiten des Rindes –
Neues und Wichtiges für die tierärztliche Praxis
07./08. September 2012
Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover
Akademie für Tiergesundheit e. V.
Vorwort
Das Tätigkeitsfeld des Rinderpraktikers hat sich in den zurückliegenden Dekaden erheblich verändert. Noch in der zweiten Hälfte des zurückliegenden Jahrhunderts gehörten die klassischen monokausalen Infektionskrankheiten im Hinblick auf die Diagnostik klinisch erkrankter Tiere wie auch die Bekämpfungsmaßnahmen zur täglichen Routine. Mit der Eradikation von Geißeln der Rinderpopulation wie MKS, Brucellose, Leukose und Tuberkulose verlagerte sich dann
der fachliche Fokus zunehmend zu den nicht-infektiösen Erkrankungen – nicht
zuletzt im Rahmen der Bestandsmedizin, bei der die Tierärzte in Fragen der
Fütterung und des Haltungsmanagements zunehmend in Konkurrenz zu der
häufig von Landwirten organisierten und getragenen Spezialberatung stehen.
Zwar sind im Praxisalltag auch weiterhin Infektionskrankheiten wichtig, allerdings stehen mehr und mehr Faktorenerkrankungen wie z. B. Mastitiden und
Atemwegserkrankungen im Vordergrund. In früheren Jahren relativ häufige Erkrankungen von Rindern mit einer pathognomischen klinischen Symptomatik
sind heute sehr selten – ganze Jahrgänge von Studierenden haben in der Klinik
für Rinder mittlerweile in den klinischen Demonstrationen keine Patienten mehr
mit Aujeszky, BKF, Tollwut oder Leukose gesehen. Es wird vermutlich nicht
mehr lange dauern, bis auch das häufig eindrucksvolle Bild eines Jungrindes
mit MD nur noch anhand von Powerpoint-Folien erläutert werden kann. Damit
einhergehend wächst die Gefahr, dass die für die Diagnostik und die Prävention
von Infektionskrankheiten erforderliche klinische Expertise bei den Rindertierärzten abnimmt. Und das wäre fatal, da die Bedrohung der Bestände durch
hierzulande getilgte Erkrankungen heute größer ist denn je – angesichts eines
dramatisch zunehmenden Personen- und Warenverkehrs in der modernen globalisierten Welt. Ein weiteres Problem ergibt sich durch Infektionen mit Erregern
wie Leptospiren, Chlamydien und Coxiellen: diese führen häufig zu subklinischen oder chronischen Erkrankungen, die zwar geringere ökonomische Relevanz haben, dafür aber als Zoonosen erhebliches Gefährdungspotential für
Landwirte, ihre Familien und natürlich auch Tierärzte bergen.
Nach wie vor muss die Erkennung von spezifischen Infektionskrankheiten eine
absolute Kernkompetenz des Rinderpraktikers bleiben, die für die Landwirtschaft unverzichtbar ist. Vor diesem Hintergrund ist es das erklärte Ziel der
diesjährigen Fortbildungsveranstaltung an der Stiftung Tierärztliche Hochschule
Hannover, diese Kernkompetenz zu erweitern. Dabei soll der aktuelle Wissensstand zu verschiedenen Infektionskrankheiten subsumiert werden, es sollen
neue Erkenntnisse zur Diagnostik, Therapie und Prävention vorgestellt und
Konsequenzen für die tägliche Arbeit in der Praxis abgeleitet werden. Experten
aus den verschiedensten Bereichen der Tierseuchendiagnostik und –
bekämpfung werden zudem in ihren Referaten die aktuelle Situation im Hinblick
auf alte und neue Infektionen vorstellen und so profundes Hintergrundwissen
vermitteln, das in der Kommunikation mit den Tierhaltern unverzichtbar ist.
Unser besonderer Dank gilt entsprechend zu allererst den Referenten, die sich
zur Übernahme der Referate und der Abfassung von erweiterten Zusammenfassungen bereit erklärten.
Allen Teilnehmern dieser Fortbildung wünschen wir eine erfolgreiche Tagung,
viele Anregungen und „Get home messages“ für die weitere Praxisarbeit, stimulierende Diskussionen und nicht zuletzt ausreichend Zeit für entspannte Gespräche mit Kollegen in Pausen und im Rahmen der Abendveranstaltung!
( Martin Kaske )
( Volker Moennig )
Programm
Infektionskrankheiten des Rindes
- Neues und Wichtiges für die tierärztliche Praxis
Freitag, 07. September 2012
Zeit
Referent/in
Thema
13:00-13:15
Greif
Kaske
Begrüßung
13:15-13:45
Surborg
Infektionskrankheiten in der Rinderpraxis aus Sicht
des Praktikers: gestern – heute – morgen
Seite
1
Allgemeine Aspekte zur Diagnostik
13:45-14:15
Gaede
Der Nachweis viraler und bakterieller Erreger:
Perspektiven und Probeleme aus Sicht des
Diagnostikers
17
14:15-14:45
Böttcher
Serologische Untersuchungen:
Möglichkeiten und Grenzen
33
14:45-15:00
Böttcher
Bestandsmilch für die serologische Diagnostik
viraler und bakterieller Infektionen – überschätzt
oder unterfordert?
51
15:00-15:30
Fragen und Diskussion
16:00-16:30
Döhling
Die Sektion als Tool in der Diagnostik
59
16:30-17:00
Müller
„Biosecurity“ für den Rinderpraktiker:
was man tun und was man lassen sollte
63
Aktuelle Probleme I
17:00-17:15
König
BHV-1: Perspektiven der Eradikation
69
17:15-17:30
Reinhold
Chlamydien beim Rind: die Essentials
77
17:30-18:00
Pavlik
Paratuberkulose: diagnostische Optionen und
Bedeutung der Prävalenz für die BekämpfungsStrategie
83
18:00-18:30
Fragen und Diskussion
Samstag, 08. September 2012
Zeit
Referent/in
Thema
Seite
Aktuelle Probelme II
08:30-08:45
Schirrmeier
Die BVD-Bekämpfung nach Einführung der
BVD-VO: aktueller Stand
97
08:45-09:15
Schares
Bovine Neosporose:
Diagnostik, Epidemiologie und Prävention
105
09:15-09:45
Ryan
Leptospirose beim Rind:
ein verborgenes Problem?!
111
09:45-10:10
Runge
Q-Fieber: eine Herausforderung für Tierarzt
(und Humanmediziner) …
133
10:10-10:40
Köhler
Tuberkulose des Rindes:
wieder ein Thema?!
143
10:40-11:00
Fragen und Diskussion
„Worst case“-Szenarien
11:30-12:00
Methner
Salmonellose beim Rind: was kann der
Praktiker tun?
151
12:00-12:40
Haas
MKS: klinische Bild und Diagnostik
159
12:40-13:00
MeindlBöhmer
Task Force Veterinärwesen:
was steckt dahinter?
169
13:00-13:30
Fragen und Diskussion
Zeit
Referent/in
Thema
Seite
Falldiskussionen
14:45-15:00
Doll
BFK
175
15:00-15:15
Proios
Stomatitis papulosa
181
15:15-15:45
Peters
Gehäufte Aborte beim Rind: was tun?
189
15:45-16:00
Heppelmann Deckinfektionen – heute noch ein Thema?
193
16:00-16:15
Schunn
Tankmilch für die parasitologische Diagnostik:
was geht und was geht nicht?
199
16:15-16:30
Rehage
Mortellaro: eine klassische Infektionskrankheit?
207
16:30-17:00
Fragen und Diskussion
Aktuelle Probleme III
17:30-17:45
Holsteg
Schmallenberg: klinische Aspekte
211
17:45-18:00
Beer
Schmallenberg: diagnostische und
epidemiologische Aspekte
215
18:00-18:30
Hoedemaker Chronischer Botulismus: eine Tierseuche?
18:30-18:50
Fragen und Diskussion
18:50-19:00
Schlusswort
221
Seite 1
Infektionskrankheiten in der Rinderpraxis
aus der Sicht des Praktikers:
gestern – heute – morgen
Helmut Surborg
Tierarztpraxis Dres. Surborg, Betzhorn-Apfelstr. 6,
D-29399 Wahrenholz
[email protected]
Einleitung
Die Infektionskrankheiten spielen nach wie vor die wichtigste Rolle in der Rinderpraxis, obwohl in Deutschland schon sehr früh die auch für den Menschen
gefährlichen Seuchen wie Brucellose (Abortus Bang) und Tuberkulose, aber
auch die Leukose, kostenträchtig in mühevoller Arbeit getilgt wurden. Nach
Skandinavien und den Alpenländern sind nun auch in Deutschland viele Gebiete frei vom Bovinen Herpes Virus 1, welches die Infektiöse Bovine Rhinotracheitis (IBR) verursacht. Die Untersuchung der Neugeborenen auf das Vorhandensein des Bovinen Virusdiarrhoe Virus (BVDV) mittels Ohrstanzprobe ist seit
zwei Jahren Pflicht. Trotz aller Bemühungen sind die bakteriell bedingten
Krankheiten wie Euterentzündungen oder Klauenleiden in der modernen Milchviehhaltung nicht weniger geworden und Grund für viele frühzeitige Abgänge.
Durchfallerkrankungen und Bronchopneumonien bei der Jungtieraufzucht sind
in vielen Betrieben ein stetig anzutreffendes Problem. Der erste BSE Fall in
Deutschland und von Tierärzten ausgelöste Medikamentenskandale brachten
zur Jahrtausendwende einschneidende Veränderungen für die Rinderpraktiker,
die seitdem umfangreiche Dokumentationen ihrer Arbeit erfordern. In den letzten Jahren sind plötzlich bis dahin in Deutschland unbekannte Seuchenerreger
wie das Blauzungen- und das Schmallenbergvirus aufgetreten.
Für den praktischen Tierarzt hatte die amtliche Tätigkeit in der Seuchenbekämpfung auch eine herausragende finanzielle Bedeutung. So mussten bis in
die 90er Jahre hinein von allen Rindern Blutproben zur Untersuchung auf Leukose und Brucellose entnommen werden. Jährlich stand die flächendeckende
Impfung gegen Maul- und Klauenseuche an. Die Milchkühe wurden in dreijährigem Abstand auf Tuberkulose untersucht. Heute sind die staatlich angeordneten Maßnahmen zur Überwachung von Tierkrankheiten in BHV-1 sanierten
Praxen finanziell uninteressant, da sie nur Mutterkuhherden umfassen und somit einen großen zeitlichen und auch körperlichen Einsatz erfordern. Milchkuhherden werden durch die Tankmilchuntersuchung überprüft.
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Großartige Leistungen unserer Vorfahren
Seuchen wie die Rinderpest, bei denen bis zu 90 % der Tiere starben, bedeuteten in früheren Jahrhunderten immer auch Elend und Hungersnot für die Menschen. So waren diese vor über 200 Jahren auch der Anlass für die Gründung
der ersten Tierärztlichen Bildungsstätten. Vor 100 Jahren gelang es Friedrich
Loeffler, die Ursache für die Maul- und Klauenseuche zu beschreiben. Nach
dieser Geburtsstunde der Virologie konnte auch mit der Entwicklung eines effektiven Impfstoffes begonnen werden.
In der Nachkriegszeit ist es in unserem Land gelungen, trotz widrigster Umstände (über 1,5 Mio. Milchviehhalter, unzulängliche Haltungsbedingungen, unzulängliche Tierkennzeichnung, keine Kontrolle des Tierhandels) und der damals vorherrschenden Lebensmittelknappheit den Rinderbestand von den weitverbreiteten und für den Menschen gefährlichen Infektionskrankheiten Abortus
Bang und Tuberkulose zu sanieren. Durch pragmatisches Vorgehen konnten
diese Seuchen getilgt werden, ohne die derzeit angespannte Versorgung der
Bevölkerung zu gefährden oder die betroffenen Betriebe in den Ruin zu treiben.
Leukose (BLV)
In den 60er Jahren wurde mit der Sanierung der Bovinen Leukose begonnen.
Die Ursache dieser Krankheit war derzeit noch nicht genügend erforscht. Klinisch kann das Leiden durch mehr oder weniger stark vergrößerte Lymphknoten und Geschwulstbildungen diagnostiziert werden. Bevor es mit zunehmendem Alter zur Ausbildung dieser Veränderungen kommt, steigt die Zahl der
Leukozyten an. Dieses Phänomen wurde für die Labordiagnostik durch Zählung der Lymphozyten und Beurteilung nach einem amtlichen Leukoseschlüssel
genutzt. Nach anfänglich freiwilligem Verfahren wurde später die Untersuchung
zur Pflicht. Die jährliche Entnahme von Blutproben galt auch als erste Verdienstmöglichkeit der Tiermedizinstudenten nach dem Physikum und junger
Tierärzte (sog. Massentätigkeiten). Die Blutproben wurden aus der V. jugularis
oder der V. subcutanea abdominis mit mehrmals zu benutzenden Kanülen oder
dem "Blutentnahmegerät nach Prof. Witte" entnommen. Die Diagnostik war mit
erheblichen Unsicherheiten behaftet, sodass die Ausrottung der Krankheit in
Deutschland erst nach Einführung moderner serologischer Verfahren (AGIDT,
ELISA) ab 1978 schnelle Fortschritte machte. Es ist im Nachhinein betrachtet
verwunderlich, dass die Sanierung der Betriebe der besonders in Norddeutschland weitverbreiteten Leukose unter diesen Umständen gelang, zumal sich später herausstellte, dass bereits geringe Mengen von virusbehafteten Leukozyten
eine Ansteckung ermöglicht. Die Entnahme von Blutproben aus der Schwanzvene mittels steriler Einmalkanüle wurde erst 1980 in die Praxis eingeführt. Ihre
Brauchbarkeit wurde in den ersten Jahren noch angezweifelt und in manchen
Landkreisen sogar für amtliche Tätigkeiten untersagt. In Amerika ist die Leukose mit zunehmender Tendenz weit verbreitet. Es kommt allerdings aufgrund des
geringen Durchschnittsalters von 4,2 Jahren bei den Holstein-Friesian kaum zu
klinischen Erscheinungen.
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Maul- und Klauenseuche (MKS)
In Deutschland gab es jedes Jahr Ausbrüche von Maul- und Klauenseuche.
Seit 1966 wurden alle über vier Monate alten Rinder jährlich einmal mit einem
trivalenten Impfstoff gegen MKS geimpft und die Krankheit daraufhin sehr
schnell zurückgedrängt. Für die Impfung wurden verschiedene automatische
Spritzen entwickelt, die später zusammen mit dem Impfstab ein rasches und für
den Anwender weniger gefährliches Impfen ermöglichten. Ein Kanülenwechsel
fand allenfalls zwischen den Betrieben statt.
So blieben wir von der Seuche verschont, bis 1988 im Raum Burgwedel bei
Hannover plötzlich in sechs Rinder- und Schweinebeständen die Maul- und
Klauenseuche festgestellt wurde. Einer der Hobbybestände war weder gemeldet, noch war er seiner Impfpflicht nachgekommen. Da diese Höfe in unmittelbarer Nähe eines Impfstoffwerks lagen, konnte der Serotyp schnell bestimmt
und Vermutungen über die Ursache des Ausbruchs angestellt werden. Durch
Einrichtung eines Sperrbezirkes im Radius von 3 km und eines sich anschließenden Beobachtungsgebietes von 10 km, umgehende Keulung der betroffenen Herden und erneute Impfung aller Klauentiere (auch der Schweine) im Beobachtungsgebiet konnte eine Ausbreitung verhindert werden. In den angrenzenden Landkreisen wurde die jährliche Schutzimpfung vorgezogen und war
innerhalb kürzester Zeit erledigt. Die Seuchenbekämpfung lief in einer ziemlichen Unaufgeregtheit ab, zumal es keinerlei Handelsbeschränkungen durch die
Impfung gab. Nachdem kein weiterer Erkrankungsfall aufgetreten war, bekam
die Bundesrepublik schon einen Monat später den Status MKS-frei, und alle
Schutzmaßnahmen konnten wieder aufgehoben werden. 1992 wurden die
Schutzimpfungen auf EU-Beschluss (mit Zustimmung Deutschlands!) verboten.
2001 kam es dann in Großbritannien zu einem MKS-Ausbruch unvorstellbaren
Ausmaßes: die vermutlich durch kontaminierte Speiseabfälle verursachte und
erst nach acht Wochen amtlich festgestellte Epidemie breitete sich besonders
durch den Tierhandel schnell über die gesamte Insel aus und erreichte über
den Export von Schafen auch das Festland. Erstaunlicherweise variieren die
Zahlen der getöteten Tiere von 4,2 über 6 bis hin zu 10 Mio. Tiere, je nachdem,
ob auch Säuglinge mitgezählt wurden. Dabei entstand allein ein direkter Schaden von 13 Mrd. €. Der Gesamtschaden wird auf 30 Mrd. € geschätzt. Die Entschädigung der Farmer durch die EU wird auf 1,3 Mrd. € beziffert. In den Niederlanden wurde zur Eindämmung des Seuchengeschehens geimpft. Weil die
geimpften, gesunden Tiere nicht vermarktungsfähig waren und der "seuchenfrei
ohne Vakzination"-Status schnell wieder erreicht werden sollte, mussten
300.000 Tiere zur "geordneten Entsorgung" getötet werden. Insgesamt konnte
bei 25 Tieren das MKS-Virus nachgewiesen werden. Anzumerken ist, dass die
EU zur gleichen Zeit Fleisch von MKS geimpften Rindern aus Südamerika einführte und auch heute noch einführt.
Maul- und Klauenseuche ist in vielen Ländern dieser Erde weit verbreitet. In
Europa gab es 2011 den letzten Ausbruch in Bulgarien, in einem Gebiet, in dem
auch viele Deutsche ihren Urlaub verbringen. Es wird vermutet, dass dort das
Virus von Wildschweinen eingeschleppt und verbreitet wurde. Die klinischen
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Erscheinungen sind bei den Wildschweinen ähnlich denen der Hausschweine,
jedoch für einen Jäger kaum zu erkennen. Wildschweine könnten auch bei uns
zur großen Gefahr für die Verbreitung des Virus werden, zumal sie wie die
Hausschweine 3000fach mehr Virus ausscheiden als ein Rind. Wildschweine
könnten sich leicht an weggeworfenen, kontaminierten Lebensmitteln infizieren.
Tollwut
In den 80er Jahren war die Wildtollwut noch weit verbreitet. Jährlich wurden
allein in Deutschland fast 10.000 Fälle gemeldet. In erster Linie verursachten
kranke Füchse die Infektion von Hausrindern. Ein diagnostizierter Tollwutfall
hatte weitreichende Konsequenzen für Personen, die mit diesen Tieren Umgang hatten. Nicht geimpfte Hofhunde mussten in Quarantäne oder eingeschläfert werden. Die Verdachtsdiagnose war nach Ausbruch der klinischen Erscheinungen wie Unruhe, Brüllen, Tenesmus und Lähmungserscheinungen schnell
gestellt, spätestens 1-2 Tage nach einem Anfangsverdacht, da die Symptome
immer eindeutiger wurden. Alle Kontaktpersonen mussten zur Impfung.
Während früher die Tollwutimpfung beim Menschen durch wiederholte Injektionen in die Bauchdecke nicht ganz ungefährlich war und sogar Todesfälle zu
beklagen waren, ist der in den 80er Jahren entwickelte Impfstoff sehr gut verträglich und bietet einen lang anhaltenden Impfschutz. Ein Zurückdrängen der
Tollwut durch intensiven Abschuss von Füchsen und die Begasung von Fuchsbauen schlug fehl. Ende der 80er Jahre kam die Tollwut durch orale Impfung
von Füchsen schnell zum Erliegen, nachdem anfangs durch Jäger, später durch
Flugzeuge, mit attenuierter Lebendvakzine versehene Köder ausgebracht wurden.
Weltweit ist die Tollwut allerdings noch weit verbreitet. Jährlich sterben mindestens 55.000 Menschen, vorwiegend Kinder, an dieser unheilbaren Krankheit.
Die letzten Tollwutfälle in Mitteleuropa sind durch illegal eingeführte infizierte
Hunde verursacht worden.
Bovine Spongiforme Encephalitis (BSE)
Mitte der 80er Jahre kamen die ersten Berichte über eine neuartige Krankheit
("Mad Cow Disease") aus England. Als Ursache wurde die Verfütterung von
kontaminiertem Tierkörpermehl an die Wiederkäuer ermittelt. Das Tierkörpermehl wurde daraufhin in Großbritannien mit einem Bann belegt, jedoch weiterhin in viele Staaten der Erde als billiges Tierfutter exportiert. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass zu diesem frühen Zeitpunkt Behörden und
das Landwirtschaftsministerium von Rinderpraktikern eindringlich und wiederholt auf die Gefahr für unser Land hingewiesen wurden, zumal es (trotz Verbots) auch bei uns Empfehlungen gab, Tierkörpermehl dem Rinderfutter zur
Leistungssteigerung einzumischen.
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Als in England beim Menschen eine neue Variante der Creutzfeldt-JakobKrankheit auftrat, die auf den Verzehr von BSE Erreger behaftetem Fleisch zurückgeführt wurde, brach eine regelrechte Panik aus: Vom Gesundheitsministerium wurden bis zu 500.000 Opfer vorhergesagt; die renommierte Zeitung "Independent" sprach gar von 10 Mio. Opfern bis 2010. Durch den starken Rückgang des Rindfleischkonsums entschloss sich die Europäische Kommission,
für neugeborene männliche Kälber eine Prämie von etwa 230 DM zu zahlen,
sofern sie getötet wurden. Der Prämie fielen in den Jahren 1996 bis 2000 etwa
3 Mio. gesunde Kälber zum Opfer. Aus Gründen des Tierschutzes durfte diese
sogenannte Herodes-Prämie in Deutschland nicht in Anspruch genommen werden. Das führte anfänglich zu einem "Kälbertourismus", weil die Kälberpreise
bei uns bis auf 50 DM fielen. Da die Verkaufspreise für Schlachttiere nicht mehr
die Aufzuchtkosten deckten, wurde auch den Mästern eine Prämie gezahlt.
Erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang, dass die Zahlung dieser
"Bullenprämie" davon abhing, ob den zum Teil schon ausgewachsenen Tieren
ein 1,5 cm großes Loch in die Ohrmuschel gestanzt worden war; je nach Jahr
entweder ins linke oder ins rechte Ohr. Eine Anwendung von Schmerzmitteln
wurde dabei nicht diskutiert und selbst von der Tierärzteschaft wurde nicht hinterfragt, ob es sich hierbei um einen vernünftigen Grund für das Zufügen von
Schmerzen handelte.
Einen riesigen medialen Aufruhr verursachte der erste BSE Fall in Deutschland
Ende 2000. Zusammen mit Chloramphenicolfunden in aus Asien importierten
Shrimps und dem bis dahin größten Tierarzneimittelskandal entstand eine Verängstigung der Bevölkerung, die Ministerrücktritte forderte und die sogenannte
Agrarwende einleitete. Versicherungsgesellschaften boten spezielle BSEErtragsausfallversicherungen für landwirtschaftliche Betriebe an. Für die praktizierenden Tierärzte bedeutete es in erster Linie einen immensen Mehraufwand
an Dokumentation ihrer Arbeit und vergleichsweise unangemessene Kontrollen
im Regelfall. Die in der EU festgesetzte Untersuchungspflicht ab einem Alter
von 30 Monaten wurde in Deutschland auf 24 Monate verkürzt. Diese Diskrepanz hatte zur Folge, dass Schlachttiere aus Deutschland in andere EU Länder
transportiert wurden, um die Kosten für die dort bei jenen Tieren nicht notwendige Untersuchung zu sparen. Vom 1. Januar 2001 bis zum 31. Mai 2012 erfolgte in Deutschland die Untersuchung von 21.766.758 Rinder auf BSE. Insgesamt entstanden Untersuchungskosten von mehr als 2 Mrd. €. Betroffen waren
u. a. auch in der tierärztlichen Fleischuntersuchung tätige Praktiker, die bei der
amtlichen Vergütung von 4,60 € für die Entnahme der zur Untersuchung notwendigen Stammhirnprobe zuständig waren. Mit Verpackung und dem Verwaltungsprocedere dauerte das knapp eine halbe Stunde. Erst nach mehreren Gerichtsurteilen konnte später eine kostendeckende Vergütung für die BSEUntersuchung eingefordert werden. In Deutschland waren insgesamt 406 der
untersuchten Proben positiv. Für das Vorkommen in Deutschland wurden mit
tierischen Fetten versetzte Milchaustauscher verantwortlich gemacht. Erkrankungen eines Menschen an der vCJD hat es nicht gegeben.
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Infektiöse Bovine Rhinotracheitis (BHV-1)
In den 70er Jahren kam es durch Handel und andere Tierkontakte zu einer rasanten Ausbreitung des Bovinen Herpesvirus 1. Einmal angesteckt verbleibt es
lebenslang im Körper und kann bei einer Schwächung der Immunabwehr oder
bei Stress ausgeschieden werden. Während die meisten Infektionen inapparent
verliefen oder allenfalls an hohem Fieber und geröteter Nasenschleimhaut mit
anfangs serösem Nasenausfluss zu erkennen waren, hatten wir in unserer Praxis auch schwerwiegende Erkrankungen mit hochgradiger Störung des Allgemeinbefindens und Todesfällen. Es kam zu Verkalbungen. Einige Milchkühe
erkrankten so schwer, dass sogar die Tränkeaufnahme sistierte. Ende der 70er
Jahre durchgeführte Versuche, die Ansteckung durch einen Paramunitätsinducer (PindAvi und Bayferon) zu verhindern oder den Krankheitsverlauf zu beeinflussen, schlugen fehl. Später beteiligten wir uns in der Praxis an Vorversuchen
nach dem von Forschner vorgestellten Sanierungsverfahren. Die Überlegung
war, durch wiederkehrende Impfungen die Immunabwehr so zu boostern, dass
die Impflinge kein Virus mehr ausschieden und nachwachsende Herdenmitglieder nicht angesteckt werden konnten. Da in dieser Zeit von der Tierseuchenkasse nur die Labor- und Impfstoffkosten getragen wurden, und BHV1 Antikörper positive Tiere noch keiner Restriktion beim Zuchtviehverkauf unterlagen,
wurde in den ersten Betrieben nach Statuserhebung alle im Milchviehstall vorhandenen und die zur Remontierung eingestallten Rinder so lange mit dem zur
Verfügung stehenden Todimpfstoff geimpft, bis die letzte anfangs als Feldvirus
positiv befundete Kuh den Bestand verlassen hatte. Im Jungviehstall wurde
nicht geimpft. Es gab unterschiedliche Empfehlungen, ob die Kühe ein oder
zweimal jährlich geimpft werden mussten (so berichtete 2012 ein Impfstoffhersteller, dass eine einmalige Impfung zur Grundimmunisierung reicht; „Wiederholungsimpfungen können in Intervallen von sechs Monaten oder einem Jahr
durchgeführt werden"). Die Bestände konnten mit diesem Verfahren saniert
werden. Der damalige Impfstoff war allerdings so potent, dass auch bei den
zuletzt eingestallten Tieren bis zu ihrem Lebensende Antikörper sogar noch in
der Tankmilchprobe nachweisbar waren, obwohl sie jahrelang nicht mehr geimpft worden waren. Eine Unterscheidung zwischen Impfantikörper und Feldvirusantikörper war nicht möglich, sodass immer Zweifel bestanden, ob die positiven Tiere nicht doch das BHV-1 Virus in sich trugen. Klinische Erscheinungen
hat es nie mehr gegeben. Dieses Verfahren hatte für den Landwirt einen finanziellen Vorteil, weil Arbeit und die Kosten für die Blutprobenentnahmen entfielen. Bei dem später eingeführten Sanierungsverfahren wurden nach Statuserhebung die positiven Tiere halbjährlich geimpft, während die seronegativen Tiere beprobt wurden, um eine eventuelle zwischenzeitliche Ansteckung zu diagnostizieren. Dieses Impfschema erforderte exakte Aufzeichnungen, damit nicht
versehentlich freie Tiere geimpft wurden und fortan als positiv eingestuft werden
mussten, da die Unterscheidung zwischen Impf- und Feldvirus-induzierten Antikörpern nicht möglich war. Aus diesem Grunde sollten später alle positiven Tiere mit einer zusätzlichen grünen Ohrmarke gekennzeichnet werden. Diese Vorgehensweise hatte allerdings den großen Nachteil, dass in den Sanierungsbetrieben die serologisch BHV-1 freien Tiere für Neuinfektionen voll empfänglich
waren und somit ein eventueller Viruseintrag die Sanierungsbemühungen innerhalb kurzer Zeit zunichte machen konnte. So hatten wir einen Bestand über
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die Jahre durch jährliche Impfung der verbliebenen positiven Tiere und serologische Überwachung der Herde bis auf die 14 Jahre alte Kuh "Agathe" frei. Dieser letzte Impfling wurde schon längere Zeit nicht mehr gemolken und sollte nur
noch abkalben. In der Trockenzeit entwickelte sich bei der Kuh eine schwere
Mastitis apostematosa, sie verkalbte und musste aufgrund ihres schlechten Zustandes eingeschläfert werden. Völlig überraschend reagierte dann bei der Abschlussuntersuchung die gesamte Kuhherde positiv. Vermutlich hatte dieses
schwerkranke Tier, trotz jahrelanger Impfung, vor seinem Ableben noch Virus
ausgeschieden und andere Herdenmitglieder angesteckt. Klinische Symptome
wurden zu keiner Zeit bemerkt. Nach Einführung der Marker-Impfstoffe konnten
in unserer Praxis die wenigen verbliebenen positiven Bestände problemlos
durch die wiederholte Impfung aller Rinder saniert werden. Weil durch diese
Impfung die BHV-1 Freiheit jedoch noch nicht durch eine Sammelmilchprobe
festgestellt werden konnte, mussten von den Impflingen bis zu ihrem Abgang
Blutproben für die Laboruntersuchung genommen werden, um den Status aufrecht zu erhalten. Die Niedersächsische Tierseuchenkasse entschied sich in
dieser Zeit ohne Wissen der Haustierärzte zu einem landesweiten Screening
von Tankmilchproben, die in den sanierten Impfbetrieben naturgemäß alle positiv sein mussten, was nicht nur zu unnötigen Kosten, sondern auch für erhebliche Verwirrung sorgte.
In den Niederlanden wurde 1998 die IBR Sanierung durch die großflächige Impfung der infizierten Bestände mit markiertem Lebendimpfstoff in Angriff genommen. Nach anfänglich sehr guten Erfolgen kam es dann bedauerlicherweise
durch BVDV Typ 2-verunreinigten Impfstoff zu zahlreichen Todesfällen bei den
Impflingen und somit zur Diskreditierung und zum Aussetzen dieses Verfahrens.
BVD/MD
Lange Zeit wurde der Bovinen Virusdiarrhoe nicht die notwendige Aufmerksamkeit gewidmet. Während bei den aus unserer Gegend zahlreich verkauften
Zuchtrindern beim Export von einigen Ländern schon ein Nachweis der Virusfreiheit verlangt wurde, konnten diese Färsen ohne Untersuchung sogar auf den
Zuchtviehauktionen verkauft werden. Die Problematik, dass dort aufgetriebene
PI-Tiere direkt und indirekt viele andere Tiere ansteckten, die dann wiederum,
transient infiziert, das Virus in ihren neuen Ställen verbreiteten, wurde nicht berücksichtigt.
Im Jahre 2000 konnten die Verantwortlichen endlich von der Wichtigkeit eines
Ausschlusses von Virämikern auf Zuchtviehauktionen überzeugt werden. Zuchtrinder waren von nun an untersuchungspflichtig. Dennoch war danach noch die
Virusverschleppung durch sogenannte Trojaner möglich: das tragend gekaufte
Tier war zwar negativ getestet; sein später geborenes Kalb aber ein PI Tier mit
allen Konsequenzen für den Bestand, sofern seine neuen Stallgenossen serologisch negativ waren. Da sich Symptome der MD erst später einstellten, wurde
oftmals die Ursache des Viruseintrages verkannt. Eine dann angeordnete kurzzeitige Impfung konnte naturgemäß keinen Erfolg haben.
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In einem meiner Hochzuchtbetriebe kam es zur Jahreswende 1996 plötzlich zu
hochgradigen, teils blutigen Durchfällen bei den Milchkühen, die zum Festliegen
kamen und teilweise trotz Intensivtherapie verendeten. Bakteriologische Untersuchungen brachten keine Aufklärung; eine Futtermittelvergiftung war epidemiologisch unwahrscheinlich. Virologische Untersuchungen auf IBR verliefen
negativ, eine Untersuchung auf BVD-Virus wurde nicht durchgeführt. Einige
Tiere mussten später wegen mangelhafter Leistung verwertet werden, während
sich der Rest der Herde erholte. Die Ursache dieser Erkrankung blieb verborgen, bis nach etwa einem Jahr die ersten Jungrinder Anzeichen einer Virusdiarrhoe zeigten. Bei den darauf folgenden Untersuchungen waren alle Altersgenossen Virämiker, die sich während des Krankheitsgeschehens im Mutterleib
angesteckt haben mussten, sodass der Verdacht nahelag, dass es sich derzeit
im Milchviehbestand um eine BVD Infektion Typ 2 gehandelt haben könnte.
Dieser Landwirt setzte tiefgefrorenes Sperma aus Kanada ein. In der Zeitschrift
Howards Dairyman wurde ein Krankheitsbild aus Kanada beschrieben, welches
exakt auf diese Herde zutraf. Allerdings verendeten nicht so viele Kühe.
Eine über 10 Jahre lang autochthon im Platendorfer Moor lebende Herde von
Heckrindern wurde auf BVDV-Antikörper untersucht. In keinem Fall konnten
Antikörper nachgewiesen werden. Die beschriebene Möglichkeit eines Viruseintrags durch Wildtiere, Schafe und Ziegen, mit denen diese Herde reichlich Kontakt hat, konnte hier nicht beobachtet werden. Seit nunmehr zwei Jahren wird
die BVD amtlich bekämpft: die beim Einziehen spezieller Ohrmarken anfallenden Gewebsstücke werden auf das Vorhandensein von BVD-Antigen untersucht. Bei positivem Befund müssen die Kälber getötet werden. Der Landwirt
bekommt dafür von der Tierseuchenkasse eine finanzielle Beihilfe. Falls diese
Ohrstanzprobe nicht zu untersuchen ist oder Zweifel am Untersuchungsergebnis bestehen, kann jederzeit eine weitere Ohrstanzprobe mithilfe einer handelsüblichen Lochzange entnommen werden. Bei versuchsweise durchgeführten 15
Nachuntersuchungen dieser Proben stimmte das zweite Ergebnis ausnahmslos
mit dem Befund der Ohrstanzprobe überein. Solange in Deutschland noch bis
zu 80 % der Rinder Antikörper gegen das BVD-Virus aufweisen, ist die Gefahr
einer unheilvollen Krankheitsverschleppung nicht so groß. Diese Gefahr wird
sich aber mit der durch das Sanierungsverfahren zunehmenden Antikörperfreiheit stark erhöhen, sodass Biosicherheitsmaßnahmen noch wichtiger werden: z.
B. scheiden persistent infizierte Neugeborene mit 1 g Nasensekret Virusmengen aus, die theoretisch zur Infektion von 20.000 Tieren ausreichen. Beim Einschläfern der PI-Kälber ist die Box durch Kot und Harn dieser Tiere hochgradig
kontaminiert. Das Virus befindet sich aber auch massenhaft im Fruchtwasser
ihrer Mütter oder in der Nachgeburt und kann so bei Unachtsamkeit auch iatrogen leicht verschleppt werden. In einer BVD-freien Ammenkuhherde wurden
durch die Geburt eines PI-Kalbes (Trojaner) auf der Weide im nachfolgenden
Jahr drei von vier Kälbern als Virämiker geboren.
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Tuberkulose
Bis 1997 wurden unsere Milchkühe in dreijährigem Abstand tuberkulinisiert.
Deutschland hat den Status der Tuberkulosefreiheit. Eventuell auftretende Tuberkulosefälle sollen bei der tierärztlichen Fleischuntersuchung erkannt werden.
Dennoch hatten wir 2004 bei einer amtlich angeordneten Tuberkulinisierung in
unserer Praxis in einem Hochzuchtbetrieb mit 75 Milchkühen und weiblicher
Nachzucht bei zwei aus einem nahegelegenen Hochzuchtbetrieb zugekauften
Tieren positive Befunde. Die beiden klinisch vollkommen gesunden Kühe mit
einer überdurchschnittlichen Leistung wurden getötet. Bei diesen Tieren konnten granulomatöse Entzündungen in den Mesenterial- und Bifurkationslymphknoten diagnostiziert werden. Die mikroskopische Untersuchung zeigte
säurefeste Stäbchen, die als Mykobakterium bovis identifiziert wurden. Die amtlich anerkannte Tuberkulosefreiheit erlosch, was eine Bestandssperre einschließlich Verbot der Milchablieferung nach sich zog. Eine Keulung des gesamten Bestandes konnte nur verhindert werden, weil sich eine regionale Molkerei bereit erklärte, die anfallende Milch für ein Jahr gesondert abzuholen und
zu verarbeiten. Es wurden umfangreiche Desinfektionsmaßnahmen angeordnet. Die Nachzucht durfte nicht mehr verkauft werden, die Schlachttierverwertungwar nur unter bestimmten Auflagen möglich, Weidegang blieb untersagt.
Die Bestandssperre dauerte ein Jahr und erforderte bis zur erneuten Anerkennung als tuberkulosefreier Betrieb die Durchführung von vier weiteren Tuberkulinisierungen des gesamten Bestandes mit negativem Ausgang. Nach Abzug
der Entschädigung durch die Niedersächsische Tierseuchenkasse inHöhe von
7.706,00 € verblieb dem Landwirt ein Schaden von 36.851,00 €. Tuberkulinisierungskosten, eigene Arbeitskraft und Aufwand für Hilfskräfte wurden nicht mit in
die Berechnung einbezogen. Als Alternativlösung wurde dem Landwirt die Keulung seines Bestandes anheim gestellt. Dies wäre unausweichlich gewesen,
sofern sich keine Molkerei bereit erklärt hätte, die Milch gesondert abzuholen.
Die Kalkulation der Kosten für einen Neuanfang mit der Milchviehhaltung stellte
eine Zucht- und Vermarktungsorganisation mithilfe vorhandener Daten zur Verfügung: bei einer Gesamtschadenssumme von 257.713,70 € wäre dem Landwirt nach Abzug der Leistungen durch die Tierseuchenkasse ein Schaden von
100.123,00 € geblieben. In EU-Ländern mit endemischer Tuberkulose wie
Großbritannien oder Irland wird die staatliche Tuberkulosebekämpfung so gehandhabt, dass sich für einen ähnlich gelagerten Fall die Schadenssumme auf
der Grundlage unserer Berechnung auf maximal 3.000 € beliefe. Nach Entfernung der Reagenten würde hier der Betrieb nach zwei weiteren Untersuchungen mit negativem Ergebnis nach vier Monaten den Status "tuberkulosefrei"
wiedererlangen, wie das früher auch in Deutschland der Fall war. Eine besondere Behandlung der Milch ist hier nicht vorgesehen. In Irland werden besonders Dachse für die Verbreitung von Tuberkulose bei Weiderindern verantwortlich gemacht. Beim Ausgangsbetrieb der Tuberkulose in unserem Landkreis
handelte es sich um einen Hochzuchtbetrieb mit Weidegang. So wurden fünf
der auch in unserer Gegend zunehmend Verbreitung findenden Dachse seziert.
In keinem Fall konnten Veränderungen gefunden werden, die einen Verdacht
auf das Vorhandensein von Tuberkulose begründeten. Auch eine Untersuchung
der Menschen, die mit den Reagenten Umgang hatten, verlief ausnahmslos
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negativ. Auf dem Ursprungsbetrieb arbeiteten regelmäßig Erntehelfer aus Osteuropa. Diese konnten nicht mehr in epidemiologische Untersuchungen einbezogen werden, sodass die Herkunft des Tuberkuloseerregers ungeklärt blieb.
Anzumerken wäre noch, dass aus diesem Betrieb im Laufe des vermuteten Infektionszeitraumes weit über 100 Tiere geschlachtet wurden, ohne dass eines
bei der amtlichen Fleischbeschau beanstandet wurde. Erst bei einem nach Holland verkauften Zuchtrind stellte man dort bei dessen Schlachtung tuberkulös
veränderte Lymphknoten fest und wies den Erreger nach.
World Buiatrics Congress 2012
Auf dem Kongress befassten sich mehrere Vorträge mit der Rolle des Tierarztes in der modernen Milchwirtschaft. In einem Symposium über die Stellung der
Rindermedizin in der zukünftigen Ernährungswirtschaft wurde gefordert, dass
sich die Buiatriker nicht so sehr um die 2 % kranken Tiere als vielmehr um die
98 % gesunden Tiere einer Herde kümmern sollten; der Tierarzt müsse mehr
die Aufgabe eines "Consultant" in allen Fragen von Krankheitsvorbeuge bis hin
zur Betriebswirtschaft übernehmen. Haben wir wirklich nur noch 2 % kranke
Tiere in unseren Herden? Diese Auffassung war bei den 1.117 Vorträgen und
Posterbeiträgen, die sich überwiegend mit Krankheiten beschäftigten, überraschend. Die meisten dieser, teilweise beängstigenden, Krankheiten treten zwar
nicht in Mitteleuropa auf, dennoch haben sich auch hier die Probleme in der
modernen Milchviehhaltung eher noch vergrößert. Das durchschnittliche Lebensalter der HF-Kühe ist in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich zurückgegangen, Klauenkrankheiten und Fruchtbarkeitsprobleme haben zugenommen.
Ein Grund liegt neben den gestiegenen Qualitätsanforderungen sicherlich auch
in der enormen Leistungssteigerung der Rinder und der stetigen Vergrößerung
der verbliebenen Betriebe. Dabei hat sich die Betreuungszeit des einzelnen Tieres durch den Menschen in den letzten Jahren halbiert.
Infektionskrankheiten in der eigenen Praxis
Im Gegensatz zur Forderung auf dem WBC haben wir in unserer Praxis die klare Arbeitsteilung aufrecht erhalten: der Landwirt ist für das Wohlergehen seines
Betriebes und seiner Rinder verantwortlich - der Tierarzt ist auf Anforderung für
die kranken Tiere zuständig, was Prophylaxe und Überlegungen zur Wirtschaftlichkeit beinhaltet. Die frühe Sanierung unserer Zuchtrinderbestände von IBR
und BVD brachte spürbare Fortschritte in der Tiergesundheit. Dennoch sind
viele Probleme geblieben, wobei es durchaus große Unterschiede zwischen
den einzelnen Betrieben gibt. Trotz aller Professionalität der Milchviehhalter
kann es zu Auffälligkeiten in der Eutergesundheit kommen und immer wieder zu
allen Formen der klinischen Mastitis. Bei unseren überschaubaren Herdengrößen ist es möglich, durch Klinik, Kenntnis des Betriebes und zur Überprüfung
Laboruntersuchungen ein optimales Antibiotikum für eine Mastitisbehandlung
zu finden. Erleichtert wird der Behandlungserfolg durch eine nach wie vor gute
Resistenzlage und schnelles und intensives Eingreifen.
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Es schleichen sich Hautkrankheiten wie die Trichophytie in die Herde ein; Parasitosen wie Schwanzräude und selbst der Befall mit Haarlingen treten sporadisch auf und bedürfen einer schnellen Bearbeitung, um das Tierwohl nicht unnötig zu beeinträchtigen. Die Klauenerkrankungen sind ein permanentes und
ungelöstes Problem. Ein höheres Durchschnittsalter einer Milchviehherde, wie
es bei uns angestrebt wird, bedingt auch einen intensiveren tierärztlichen Einsatz. In einem Biobetrieb wurden im Frühjahr dieses Jahres bei der tierärztlichen Fleischuntersuchung Leberegel gefunden. Als ich dies Herrn Prof.
Schnieder vom hiesigen Institut für Parasitologie mitteilte, schrieb er: "Wir haben in den letzten zwei Jahren viele Tankmilchuntersuchungen auf Fasciolose
gemacht und haben in Niedersachsen und Schleswig-Holstein regelmäßig recht
hohe Prävalenzen. Auch wenn die Betriebe darüber informiert wurden, im Jahr
darauf hat sich nichts verändert. Ist ein bisschen aus der Mode gekommen, dieser Parasit.". Bei der bekannten Reduzierung der Leistungsfähigkeit einer
Milchkuh durch Leberegel sollten andere Maßnahmen in der Herdenbetreuung
nachrangig sein.
Trotz aller Anstrengungen in der Jungtieraufzucht (Außenställe, Kälberhütten,
automatische Tränken) gibt es bei den Jungtieren nach wie vor die bekannten
Krankheiten, sodass die Behandlungshäufigkeit in unserer Praxis in den vergangenen Jahren nur wenig abgenommen hat. Auch bei diesen bakteriell bedingten Krankheiten ist die Resistenzsituation günstig, sodass bei der Behandlung erkrankter Tiere auf die "modernen Antibiotika" weitgehend verzichtet werden kann. Wichtig ist auch hier ein schnelles Eingreifen.
In den letzten Jahren sind völlig neue Herausforderungen wie die Blauzungenkrankheit und die Auswirkungen der Schmallenberg Virusinfektionen auf den
Praktiker zugekommen. Längst in Vergessenheit geratene Krankheiten wie Botulismus oder erst jüngst Anthrax können bei Unachtsamkeit ganze Herden dahinraffen.
Biosicherheit
Maßnahmen zur Biosicherheit auf den Betrieben werden immer wichtiger und
sind immer wieder anzumahnen. Wenn in einer Herde beispielsweise noch 80
% der Tiere Antikörper gegen das BVD Virus haben, hat ein erneuter Eintrag
des Virus nur geringe Auswirkungen. Wenn unsere Herden aber saniert sind
und im Laufe der Zeit auch serologisch negativ werden, dann birgt ein erneuter
Viruskontakt immense Risiken. Ein Kuhstall ist jedoch nicht so einfach zu sichern wie z. B. eine Hühnerfarm. Bei der Vielzahl der Personen, die auf einem
Milchviehbetrieb zu tun haben, sind die erforderlichen Maßnahem nur schwer
einzuhalten. In unserer Gegend sind überregional arbeitende Klauenpfleger
(sogar aus Holland) mit ihren Zwangsständen anzutreffen.
Betriebliche Maßnahmen zum Schutz vor Infektionen werden jedoch nicht ausreichen, wenn sie nicht von landesweiten Sicherheitsvorkehrungen flankiert
werden. So gibt es an unseren EU-Außengrenzen im Gegensatz zu den Ankündigungen von Frau Kommissarin Vassiliou auf dem bpt Kongress 2008
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überhaupt keinen Schutz. Einreisende werden, anders als in Ländern wie Australien oder Neuseeland, nicht einmal darüber informiert, dass sie keine Lebensmittel mitbringen dürfen. Selbst bei Flugzeugen, die uns aus Ländern mit
angezeigter Maul- und Klauenseuche erreichen, werden keine Kontrollen
durchgeführt oder die Reisenden auf die Gefahren aufmerksam gemacht, die
durch mitgebrachte Lebensmittel für unseren Nutztierbestand ausgehen. Durch
die enormen Transportmengen von Vieh und sogar von Mist quer durch Europa
werden sich nicht erkannte Seuchen- und andere Krankheitserreger besonders
schnell ausbreiten können. Gelegenheitsarbeiter aus Osteuropa auf den Bauernhöfen unterliegen keiner Untersuchungspflicht auf übertragbare Krankheiten
wie beispielsweise Tuberkulose. Darüber hinaus darf auch Bioterrorismus nicht
außer Acht gelassen werden.
Blauzungenkrankheit
2008 trat plötzlich das bis dahin in Mitteleuropa unbekannte Blauzungenvirus in
Erscheinung, welches aus Afrika eingeschleppt wurde und große Schäden,
besonders in den Schafhaltungen, verursachte.
Das Virus verbreitete sich rasant schnell über den Kontinent, weil als Vektoren
heimische Gnitzen dienten. 2009 wurde die Erkrankung durch einen in sehr
kurzer Zeit entwickelten und zur Anwendung freigegebenen Impfstoff zurückgedrängt. In diesem Zusammenhang sollte auch die Leistung der praktizierenden
Tierärzte Erwähnung finden, die diese zusätzliche Arbeit termingerecht erledigten. Diese Impfkampagne war insofern eine Herausforderung, weil die Rinderbestände nicht nur geimpft werden mussten, sondern diese Impfung auch umfangreiche Dokumentationen einschließlich des Eintrags in die HIT Datenbank
erforderte. Im Rückblick auf frühere MKS-Impfkampagnen war der bürokratische Aufwand bei der BT-Impfung trotz aller modernen Technologien um ein
Vielfaches höher. Erschwerend kam hinzu, dass nur begrenzte Impfstoffmengen ausgeteilt wurden und sich die Impf- oder Nachimpftermine bis in die Weidezeit erstreckten. Impfpflicht bestand aber auch für viele kleine HobbySchafhaltungen, was einen erheblichen zeitlichen Aufwand erforderte. In einigen Gegenden Deutschlands formierte sich sogar Widerstand gegen die Impfung.
Schmallenberg-Virus
In diesem Jahr wurden wir in Deutschland erneut von einer zuvor unbekannten
Krankheit überrascht. Auch hier erwiesen sich heimische Mücken als Überträger des neu benannten Schmallenbergvirus. Im Friedrich-Loeffler-Institut gelang
es mit Hilfe des neuartigen Metagenomic-Verfahrens ungewöhnlich schnell, das
Virus zu beschreiben und einen Bluttest herzustellen. Da eine Infektion in einer
bestimmten Trächtigkeitsphase bei Schafen und bei Rindern zu Missbildungen
führen kann, traten im Frühjahr vermehrt Geburtsschwierigkeiten auf. Bei einigen dieser Geburten musste sogar die heute nur noch wenig gebräuchliche Fetotomie angewendet werden.
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Zukünftige Herausforderungen
Auf dem WBC 2012 gab es Prognosen, dass sich der Verbrauch von Milch bis
zum Jahre 2050 vervierfacht. Prognosen aus den USA besagen, dass bereits
im Jahre 2022 fast 70 % der Milchkühe in Herden mit über 1.000 Tieren gehalten werden. Auch in Deutschland kommt es zu einer fortwährenden Konzentration der Milchwirtschaft in die norddeutschen und süddeutschen Grünlandgebiete mit immer größeren Herden.
In den nächsten Jahrzehnten wird es zu nie dagewesenen Veränderungen auf
unserer Erde kommen: Die Bevölkerung wächst unaufhörlich auf über 9 Mrd.
Menschen bis zum Jahre 2050 einhergehend mit einer Abnahme der landwirtschaftlichen Nutzfläche durch Zersiedelung und Deserfikation. In Deutschland
sind es nach wie vor täglich 100 ha. Obendrein werden immer mehr Ackerflächen zur Energieerzeugung verwendet (z. B. Biogasanlagen). Durch Ressourcenverknappung, Wassermangel und Klimaänderungen kann es in vielen Regionen der Erde zu nennenswerten Ertragseinbußen kommen. Das Bevölkerungswachstum findet fast ausschließlich in der so genannten Dritten Welt und
in urbanen Ballungszentren statt, sodass sich die Warenströme auf dieser Erde
stark verändern. Durch Zunahme der Kaufkraft im asiatischen Raum verändern
sich auch die Verzehrsgewohnheiten hin zu hochwertigeren Nahrungsmitteln
wie Fleisch, sodass es auch dort zu einer dramatischen Ausweitung der Nutztierhaltung kommt. Als Beispiel sei hier die pakistanische Metropole Karatschi
mit über 13 Mio. Einwohnern genannt: In einem breiten Gürtel um dieses Konglomerat werden zur Versorgung der Bevölkerung jetzt schon über 1 Mio. Büffelkühe unter für uns unvorstellbaren Bedingungen zum Abmelken und anschließendem Verzehr gehalten. Diese Herden mit einer Unzahl von potenziellen
Krankheitserregern sind nur wenige Flugstunden von uns entfernt, und es gibt
keine Sicherheitsmaßnahmen zur Verhinderung von Tierkrankheiten an den
Außengrenzen der EU.
Europa hat sich mittlerweile vom ehemaligen Fleischexportland zum größten
Nettoimporteur der Erde entwickelt. In den Industriestaaten nimmt die Laienbehandlung erkrankter Rinder immer erschreckendere Ausmaße an. Dabei ist die
schnellstmögliche Erkennung von Tierseuchen ausschlaggebend für den Bekämpfungserfolg. Jarvis (2001) berechnete den Schaden, der durch einen
Ausbruch von Maul- und Klauenseuche in Kalifornien entsteht, auf 7 Mrd. USD,
sofern die Krankheit in der ersten Woche erkannt wird. Bei einer Erkennung in
der zweiten Woche würde sich der berechnete Schaden bereits verdoppeln
und 800.000 Tieren das Leben kosten. Es muss sehr bezweifelt werden, ob ein
Seuchenausbruch oder gar ein völlig neues Krankheitsgeschehen vom Laien
überhaupt erkannt werden kann und ob er sich über die Bedeutung des alles
Entscheidenden sofortigen "stand still" im Klaren sein kann. Beim MKS Ausbruch 2001 im Vereinigten Königreich betrug die „high risk“-Periode vom vermuteten Eintrag des Virus bis zur Seuchenerkennung acht Wochen. Bei dem
Schweinepestgeschehen 2006 in Deutschland wurde die Seuche erst nach 10
Wochen amtlich festgestellt. Bei einem Maul- und Klauenseuche Ausbruch in
unserem Lande wäre eine Reaktion erst nach so langer Zeit vernichtend. Die
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großen Bemühungen von Generationen im Aufbau eines leistungsfähigen und
von den vermeidbaren Infektionskrankheiten freien Rinderbestandes wären
vergebens gewesen.
Zusammenfassung
In der tierärztlichen Praxis nimmt die Erkennung und Behandlung von Infektionskrankheiten trotz aller Vorbeugemaßnahmen und erfolgreicher Bekämpfung
von Tierseuchen auch heute noch einen breiten Raum ein. Trotz Erweiterung
unseres Wissens, enormen Fortschritts in der Labordiagnostik, neuerer Medikamente und Impfstoffe ist die Krankheitsinzidenz unserer Rinder nicht reduziert geworden und das Durchschnittsalter der Milchviehherden weiter gesunken. Nach der Bekämpfung der endemischen Krankheiten wie IBR und BVD
werden unsere Herden zunehmend seronegativ. Ein erneuter Eintrag des Erregers hat somit viel dramatischere Folgen als sie bislang auftraten. Daher wird
die Einhaltung von Maßnahmen zur Biosicherheit immer vordringlicher. In einer
sich rasch ändernden Welt mit einer starken Zunahme des Personen- und Warenverkehrs wird der Krankheitsdruck von Außen ansteigen und völlig neue Infektionskrankheiten können in Erscheinung treten. Daher müssen wir jederzeit
mit dem Ausbruch altbekannter Seuchen und mit dem Auftreten neuartiger Infektionskrankheiten rechnen. Zur schnellstmöglichen Erkennung ist es unabdingbar, dass in den Rinderbeständen kompetente Tierärzte für die Untersuchung und Behandlung kranker Rinder zuständig sind.
Literatur
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TiHo Hannover, 09.12.2011
bpt Kongress 2008: European Veterinary Week: Die neue EU-Tiergesundheitsstrategie. Hannover, 14.11.
dafa Fachforum Nutztiere (2011): TiHo Hannover 4. und 5. 10.
Forschner, E. (1988): IBR/IPV-Infektion: Sanierung infizierter Bestände in der
Bundesrepublik Deutschland. Vet. Med. Nachr. 59, 139-151.
Mettenleiter, T. et al. (2012): Study abroad 18. und 19.06., Friedrich-LoefflerInstitut, Insel Riems.
Müller, A. (2010): Feeding a growing world population under condition of climate
change - what are the relevant animal health aspects? bpt Kongress,
Hannover 21.10.
Surborg, H. (2000): Infektiöse Bovine Rhinotracheitis (IBR) - Erfahrungen mit
der Bestandssanierung. Mitteilungsblatt des Landesverbandes Nds. im
BpT, Heft 1.
Seite 15
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Surborg, H. (2006): Advantage of systemic uterine treatment during the late puerperal period in cows of a high producting herd. World Buiatrics Congress, Nice
Surborg, H. (2008): eLearning für den Tierseuchenkrisenfall. bpt Mitteilungsblatt
für den ganzen Norden 4, 27–30.
Surborg, H. (2011): Bedeutung der Antibiose beim Rind: gestern-heute–
morgen. Tagungsband Antibiotikatherapie beim Rind, Hannover 21./ 22.
10.2011.
Surborg, H., Surborg, I. (2012): Retrospective analysis of the treatment of placental retention through careful manual removal one day post partum.
World Buiatrics Congress, Lisboa
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Seite 17
Der Nachweis viraler und bakterieller Erreger:
Perspektiven und Probleme aus Sicht des Diagnostikers
Wolfgang Gaede
Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt,
Fachbereich Veterinärmedizin in Stendal,
Dezernat 42 - Virologische Tierseuchendiagnostik
[email protected]
1.
Einleitung und methodische Aspekte der Erregerdiagnostik
Bei der Diagnostik von Infektionskrankheiten wird der auf der Anwesenheit des
Krankheitserregers basierende direkte Erregernachweis überwiegend zur Ursachenabklärung bei klinisch manifesten Problemen der Tiergesundheit eingesetzt. Dabei ist der Erregernachweis ein Element neben klinischer, epidemiologischer und pathomorphologischer Diagnostik. Seine Einbindung in Überwachungsprogramme ist dagegen nur selten sinnvoll, da dies eine längere Präsenz des Erregers im Tier erfordert. Das klassische Beispiel hierfür ist die BVDVirämikerdiagnostik (Abb. 1).
Abb. 1:
Einsatz von direkten und indirekten Erregernachweisen
in Abhängigkeit von der Zielstellung
Für den Kliniker relevante Probleme beim Erregernachweis sind
• die Geschwindigkeit der Untersuchung insbesondere im Hinblick auf therapeutisch oder prophylaktisch wichtige Informationen sowie ggf. auch
tierseuchenrechtliche Konsequenzen,
• die Genauigkeit der Nachweisverfahren (Sensitivität und Spezifität),
Seite 18
•
•
•
die Beurteilung der Kausalität der nachgewiesenen Erreger für klinische
Symptomatik oder subklinische Erkrankungen (z. B. Chlamydien bei
Pneumonien),
die begrenzte Dauer der direkten Nachweisbarkeit bzw. der Erregerausscheidung (z.B. Schmallenberg-Virus max. 6 Tage) sowie
die Kosten der Diagnostik.
Eine Übersicht über zur Verfügung stehenden Untersuchungstechniken soll die
folgende Tabelle liefern, ohne dabei den Anspruch auf Vollständigkeit erheben
zu wollen. Eine unfassende Übersicht ist enthalten in Selbitz et al. (2011). In
das hier dargestellte Schema lassen sich grundsätzlich auch zukünftige Verfahren integrieren. Wesentliches Kriterium für die Unterscheidung der Untersuchungstechniken und die Interpretation der mit ihnen erzielten Ergebnisse ist
die Frage der nachgewiesenen Merkmalskategorie. Klassische Verfahren weisen ausschließlich phänotypische Merkmale, d. h. die „Ist"-Ausprägung des Erregers, nach. Der Nachweis des Genotyps umfasst neben der „Ist“- auch die
potentielle Ausprägung eines Erregers.
Tab. 1: Methodenübersicht zum direkten Erregernachweis
Merkmalskategorie
Untersuchungsprinzip
Phänotyp
Mikroskopie
("Ist"-Ausprägung
(Licht- und Elektronenmikroskop)
Erregers)
kulturelle Erregerisolierung und -vermehrung (!)
(feste u. flüssige Medien; Brutei, Zellkulturen)
Spezifizierung durch
Färbungen ("z.B. Gram"),
Immunfärbungen
Färbungen ("z.B. Gram"),
Immunfärbungen
serologischer Nachweis spezifischer
Antigene und Toxine
Biochemische Differenzierung
MALDI-TOF Massenspektrometrie
Antibiogramm
direkter (serologischer) Nachweis spezifischer
Antigene und Toxine im Probenmaterial
Genotyp
("Ist-" und
potentielle
Ausprägung
des Erregers)
direkter molekularbiologischer Nachweis
spezifischer Gensequenzen in der Probe
Nachweis spezifischer Gensequenzen nach
Amplifikation (vor allem durch PCR)
Gensonden (real-time PCR,
Microarray … )
Sequenzierung
ungezielte molekularbiologische Untersuchung
(Metagenomanalyse)
Die Sensitivität (Empfindlichkeit) der Nachweisverfahren wird gesteigert, wenn
die jeweils nachgewiesenen Strukturen vermehrt werden und das möglichst
exponentiell. Dies wird traditionell durch die kulturelle Erregerisolierung mit
–vermehrung erreicht. Bei den genetischen Nachweisverfahren wird fast ausschließlich die PCR zur exponentiellen DNA-Vervielfältigung (Amplifikation) eingesetzt.
Die erforderliche Spezifität der Erregerdiagnostik wird durch eine Vielzahl ergänzender Methoden und Methodenschritte realisiert. Klassisch sind hierbei
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verschiedenen Färbungen, die biochemischen Differenzierungen, der serologische Nachweis spezifischer Antigene und Toxine und die Erstellung von Antibiogrammen. In den letzten Jahren beginnt in der Bakteriologie die MALDI-TOF
Massenspektrometrie Einzug zu halten für die schnelle Bakteriendifferenzierung. Bei den genetischen Untersuchungsverfahren zählen die real-time PCR
und die Sequenzierung inzwischen zu den Standardverfahren. Am Beginn seines Einsatzes steht der Microarray.
Nachfolgend sollen die Aussagefähigkeit sowie bestimmte Vor- und Nachteile
von Untersuchungsverfahren aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Zuerst geht es um die Frage der unterschiedlichen Aussagekraft genotypischer und kultureller Untersuchungsverfahren im Hinblick auf Lebens- und
Vermehrungsfähigkeit der Erreger (Tab. 2). Während kulturell nur lebende und
vermehrungsfähige Keime erfasst werden, sind genetisch auch tote und inaktivierte Keime nachweisbar. Welcher methodische Ansatz vorteilhaft ist, hängt
von den konkreten Bedingungen und Fragestellungen ab (Tab. 2). Gleiches gilt
für die Bildung bakterieller Toxine.
In Tabelle 3 sind Vor- und Nachteile amplifizierender und nicht-amplifizierender
Untersuchungsverfahren vergleichend gegenübergestellt. Die amplifizierenden
Untersuchungsverfahren erhöhen die Sensitivität des Erregernachweises. Außerdem können mit der PCR und insbesondere mit der real-time PCR schnelle
Ergebnisse erhalten werden. Dem steht als Nachteil die lange Untersuchungsdauer zahlreicher kultureller Nachweise von Bakterien und Viren gegenüber.
Als Problem aller amplifizierenden Verfahren muss die Gefahr falsch-positiver
Ergebnisse infolge Kontamination von Proben betrachtet werden. Der Eintrag
möglicher Kontaminationen kann dabei auf allen Ebenen der Diagnostik, also
angefangen bei der Probennahme bis hin zum Labor, erfolgen. Die Vermeidung
von Kontaminationen setzt neben technischen (Filterspitzen u. a.) und methodischen Verbesserungen (Ersatz der nested PCR durch andere sensitive Protokolle) vor allem eine saubere Arbeitsweise voraus.
Die ideale Herangehensweise bei der kausalen Diagnostik von Gesundheitsstörungen ist der sogenannte „offene Blick“ für alle in Frage kommenden Ursachen. Das schließt einen „offenen Blick“ für alle Infektionserreger ein. In der
praktischen Labordiagnostik wird dies vor allem durch die kulturellen Untersuchungen gewährleistet. Vor allem in der Bakteriologie wird hiermit ein breites
Erregerspektrum hinreichend sensitiv nachgewiesen. Zur Sicherung dieser diagnostischen Breite müssen allerdings mehrere Kulturen parallel angesetzt werden. Eine optimale omnipotente Kultur gibt es weder für die bakteriologische
noch für die virologische Erregerisolierung (Tab. 3).
Seite 20
Tab. 2:
Eigenschaft
Aussagefähigkeit von kulturellen und genetischen Untersuchungsverfahren im Hinblick auf die Lebensfähigkeit von Erregern und ihre Toxinbildung
Erregernachweise auf der Basis:
Phänotyp / Kultur
Lebensfähigkeit nur lebende und
vermehrungsfähige
Keime werden
erfasst
Bewertung des diagnostischen Prinzips
Genotyp
auch tote und
inaktivierte
Keime werden
erfasst
Nachweis auch von inaktivierten Keimen ist von Vorteil,
wenn Lebens- und Vermehrungsfähigkeit eingeschränkt
sind durch:
→ geringe Tenazität außerhalb des Körpers
(Mycoplasmen)
→ Antibiotika (z.B. Chlamydien, Mastitis)
→ Antikörper, auch maternal (BVD) oder Impfantikörper
→ schlechte Probenqualität (Verunreinigungen, massive
Begleitflora, Autolyse, lange Lagerung oder Transport)
Der ausschließliche Nachweis von lebenden Keimen ist
von Vorteil, wenn der Erfolg von Therapie / Prophylaxe
(Antibiotika) überwacht werden sollen.
Das Toxinbildungsvermögen ist von Vorteil, wenn in vitro
kein Toxin gebildet wird (z.B. APP: ApxIV-Toxin)
Nachweis der tatsächlichen Toxinbildung ist von Vorteil,
wenn sie in vivo nur unter bestimmten Bedingungen erfolgt
(z.B. Anaerobier)
Toxinbildung
nur tatasächlich
gebildetes Toxin
wird erfasst
Tab. 3:
Vergleich amplifizierender und nicht-amplifizierender Untersuchungsverfahren
Verfahrenstyp
Verfahren
Toxinbildungsvermögen wird
erfasst
Vorteile:
Nachteile:
Amplifizierende Verfahren
(mit exponetieller Vermehrung des Targets)
→ kulturelle Verfahren
→ PCR, real-time PCR
→ (Metagenomanalyse)
· hohe Sensitivität
· schnell (PCR)
· Kontaminationsrisiko bei Probenahme
und im Labor
(Gefahr falsch-positiver Ergebnisse)
· Kultur oft zeitaufwendig
· schnell
· praktisch keine
Kontaminationen
· geringere Sensitivität
Nicht amplifizierende Verfahren
(keine Vermehrung des Targets)
→ (Licht-) Mikroskopie
→ Elektronenmikroskopie
→ Antigen-ELISA
→ Hybridisierungstechniken
(ohne Amplifikation)
Die Verfahren zum gezielten Nachweis einzelner Erreger erlauben deren sehr
schnellen, spezifischen und sensitiven Nachweis. Für den Nachweis verschiedener Erreger müssen die Einzelnachweise jedoch mit viel Aufwand optimal
miteinander kombiniert werden.
Seite 21
Abb. 2:
2.
Vergleich ungerichteter und gezielter Erregernachweise
Funktionsweise und Aussagefähigkeit von konventioneller PCR und
real-time PCR
Neben den klassischen Untersuchungsverfahren nehmen in der gegenwärtigen
Erregerdiagnostik die PCR und infolge wesentlicher Vorteile vor allem die realtime PCR einen immer größeren Raum ein. Daher sollen das methodische
Prinzip und die Aussagefähigkeit beider Techniken vergleichend dargestellt
werden.
Abb. 3:
Schematischer Ablauf der Untersuchung mittels
PCR und real-time PCR
Seite 22
Der am Beginn jeder Untersuchung stehende Materialaufschluss richtet sich
wie die nachfolgende Isolierung der Nukleinsäuren nach der Probenmatrix und
der jeweiligen Beschaffenheit des Erregers (Aufbau von Membranen und Zellwänden, Nukleinsäuretyp u. a.) und kann für die Sensitivität des Gesamtprozesses bei schwer zu „knackenden“ Erregern (MAP) oder instabiler Nukleinsäure (ungeschützte virale RNA) entscheidend sein.
Bei der nachfolgenden Amplifikation erfolgt die eigentliche exponentielle Kopie
der spezifischen Target-DNA. Das Ergebnis der Reaktion, d. h. die Bildung von
PCR-Produkten als Maß für ein positives Ergebnis, wird bei der konventionellen
PCR im 4. Arbeitsschritt elektrophoretisch nachgewiesen. Bei der real-time
PCR sind die Schritte 3 und 4 zusammengefasst. Die Detektion der Amplifikate
wird in Echtzeit sichtbar. Dazu kann bereits dem Reaktionsgemisch ein intercalierender Farbstoff („SybrGreen“) zugesetzt werden, der die Bildung von doppelsträngiger DNA anzeigt.
Verbreiteter ist die Zugabe eine DNA-Sonde. Dabei handelt es sich um ein Primer-ähnliches, kurzes Oligonukleotid, dass seinerseits mit speziellen Farbstoffen markiert ist. In Verlauf der real-time PCR werden von den Sonden Fluoreszenzsignale bei Bildung von Amplifikaten emittiert, welche die „positiven“ Reaktionen anzeigen. Je nach Art der Markierung und der Funktionsweise unterscheidet man verschiedene Sondenformate, von denen das sogenannte TaqMan-Format am meisten verbreitet ist.
Werden verschiedene Farbstoffe (z. B. FAM, HEX, ROX, Cy5), die Fluoreszenzlicht in unterschiedlicher Wellenlänge emittieren, zur Markierung von Sonden eingesetzt, können mehrere Nachweise in einer Multiplex-Reaktion miteinander kombiniert werden.
Die daraus resultierenden Vorteile der real-time PCR gegenüber der konventionellen PCR entstehen zu einen durch den Wegfall der Elektrophorese. Daraus
resultieren ein wesentlich reduzierter Zeitbedarf sowie ein erheblich geringeres
Kontaminationsrisiko. Der Diagnostiker erhält bei jeder Analyse einen quantitativer Eindruck über die Konzentration des Erregers in der Probe! Darüber hinaus ist bei entsprechender Eichung eine quantitative Analyse möglich. Prinzipiell kann mit der ral-time PCR auch eine höhere Spezifität erreicht werden.
3.
Beispiele für die Anwendung der real-time PCR in der Routinediagnostik
Die bisher beschriebenen allgemeinen Vorteile in der Aussagefähigkeit der realtime PCR werden nachfolgend exemplarisch anhand von ausgewählten Infektionskrankheiten von Rindern beschrieben.
Seite 23
•
BRSV (Gaede et al. 2006)
Das BRSV ist nach wie vor einer der wichtigsten Pneumonieerreger. Die
schnelle Klärung der kausalen Beteiligung von BRSV an klinischen Erkrankungen ist insbesondere im Hinblick auf Entscheidung über eine prophylaktische
bzw. metaphylaktische Impfung wichtig. Klassische diagnostische Verfahren
sind für die Fragestellung zu wenig sensitiv (direkte Immunfluoreszenz, kulturelle Isolierung) und zu zeitaufwendig (insbesondere Kultur).
Eichkurve
Abb. 4:
•
Beispiel für die BRSV real-time PCR. Linke Seite: Das BRSVspezifische Signal wird bei hoher Viruskonzentration früh (bei
niedrigen Zykluszahlen, weiter links) sichtbar.
Pestiviren
Bei Nutztieren relevante Pestivirusspezies sind BVDV1 und BVDV2 beim Rind,
KSPV (Klassische Schweinepest) beim Schwein sowie BDV (Border Disease)
beim Schaf. Diese Virusspezies sind nur für die jeweilige Wirtspezies pathogen,
können aber die anderen Spezies infizieren. Die einzusetzenden Nachweisverfahren sollen den spezifischen Nachweis einzelner Pesti-Spezies (KSP,
BVDV2, BDV) ermöglichen oder aber eine große diagnostische Breite zum sicheren Nachweis aller relevanten Spezies und Typen (BVDV1 und BVDV2)
aufweisen.
Tabelle 4 zeigt, dass ein spezifischer Nachweis von KSP, BVDV2, BDV möglich
ist (Gaede et al. 2005). Damit gelingt ebenso die Unterscheidung von BVDV1
und BVDV2. Die Abgrenzung von BVDV1 gegenüber KSPV und BDV ist allerdings nur mit Sonden für die beiden letztgenannten Virusspezies möglich. Die
klassischen Pestiviren lassen sich außerdem von neuen atypischen Isolaten
differenzieren.
Im Hinblick auf die BVD-Diagnostik kann sowohl für die PI-Eradikation als auch
für die Falldiagnostik ein sicherer speziesübergreifender Nachweis von BVD1
und BVDV2 mit Pan-Pesti-Sonden (und Primern) gewährleistet werden. Darüber hinaus ermöglicht die real-time PCR die Unabhängigkeit von der Probenmatrix, d. h. für den Virusnachweis sind Blut, Organe (einschl. Ohrstanzproben),
Seite 24
Tab. 4:
Differenzierung von Pestiviren mit der real-time PCR
Virusspezies
Ergebnisse mit folgenden TaqMan-Sonden
Pan-Pesti*
KSPV (Feldvirus Hausschwein)
positiv
BVDV 1 (Feldvirus Virämiker)
positiv
BVDV 2 (Feldvirus München)
positiv
BDV Moredun
positiv
"Hobi" (atyp. BVD-Isolat, FLI)
positiv
*) Reiting, 2001; **) McGoldrick et al., 1999
KSPV**
positiv
negativ
negativ
negativ
negativ
BDV**
negativ
negativ
negativ
positiv
negativ
BVDV 2**
negativ
negativ
positiv
negativ
negativ
Pesti 1**
positiv
positiv
negativ
positiv
negativ
Milch, Tupfer, Sperma etc. einsetzbar. Zudem ermöglicht die hohe Sensitivität
kostengünstige Pooluntersuchungen (Ohrstanzproben, Blut, Milch). Der Nachweis von BVD-Virämikern ist unabhängig von Alter und Kolostrumaufnahme
möglich, da das Verfahren relativ unbeeinflusst von maternalen Antikörpern ist.
•
Chlamydien
Chlamydien treten beim Rind im Zusammenhang mit Erkrankungen der Atemwege bzw. des Genitaltraktes auf. Ihr fast ubiquitäres Auftreten erschwert bei
klinisch manifesten Erkrankungen die kausale Bewertung von Nachweisen. Da
Chlamydien obligat intrazelluläre Erreger darstellen, erfordert ihre Isolierung
lebende Zellen (Zellkulturen, Brutei), z. B. für die Herstellung bestandsspezifischer Vakzinen. In der Diagnostik sind Zellkulturen dagegen zu wenig sensitiv.
Gleiches gilt z. T. für Antigen-ELISA-Tests. Andererseits sind diese AntigenELISA häufig zu unspezifisch (Gaede et al. 2005, Sachse et al. 2009). Daher ist
die PCR / real-time PCR das Diagnostikum der Wahl. Ein weitere Vorteil ist, das
in die real-time PCR sehr einfach der Nachweis eines wirtsspezifischen Housekeeping-Gens zur Kontrolle der Probenqualität integriert werden kann. Damit
lässt sich leicht die essentielle Anwesenheit von wirtseigenen Körperzellen z. B.
in Tupfern kontrollieren.
Als Hinweis auf eine kausale Beteiligung kann eine sehr hohe Chlamydiendichte in Untersuchungsmaterial von Rindern angesehen werden. Üblicherweise ist
diese im Vergleich zu den klassischen Wirtsspezies Geflügel und Schaf sehr
gering. Abb. 5 zeigt die vergleichende Analyse eines Rinder- und eines Schafabortes. In beiden Feten ist die Konzentration der Chlamydien gleich hoch. Eine
Kontamination durch ubiquitär im Rinderdarm vorhandene C. pecorum oder ein
Zufallsfund sind bei dieser Erregerdichte eher unwahrscheinlich.
Ein weiteres Beispiel zeigt den Nachweis von C. abortus in Nasentupfern
pneumoniekranker Jungrinder (Abb. 6). Hier liegt die Chlamydiendichte zwar in
dem für Rinderproben zu erwartenden niedrigeren Bereich. Der Nachweis in 7
von 8 Tupfern ist jedoch ungewöhnlich und legt die kausale Beteiligung der
Chlamydien zumindest als Co-Faktoren nahe (Gaede et al. 2005). Dieser Verdacht wurde letztlich durch den erfolgreichen Einsatz einer bestandsspezifischen Vakzine, die aus diesen Proben isoliert werden konnte, bestätigt.
Seite 25
Abb. 5:
Nachweis von Chlamydien bei einem Rinderabort
Abb. 6:
Nachweis von Chlamydien in Nasentupfern von Jungrindern
•
Paratuberkulose
Der Erreger der Paratuberkulose (Mycobacterium avium subspecies paratuberculosis, MAP) ist in Deutschland regional sehr unterschiedlich verbreitet und
kann in betroffenen Herden hohe Verluste verursachen. Für die Einzeltierdiagnostik wie auch für Sanierungsprogramme besitzt der Erregernachweis Vorteile gegenüber der Serologie. Dabei kommt es vor allem darauf an, sog. Supershedder sicher zu identifizieren. Diagnostische Verfahren mit hinreichender
Sensitivität sind die kulturelle Isolierung und potentiell auch die real-time PCR.
Da die Kotkultur ist mit bis zu 12 Wochen wesentlich zu langwierig ist, gewinnt
der direkte MAP-Nachweis insbesondere aus Kot an Bedeutung. Voraussetzung ist jedoch, dass mit einem effizienten Verfahren eine äquivalente Sensitivität erreicht wird. Dazu sind der Aufschluss der Proben (MAP-Zellen), die inhibitorfreie DNA-Isolierung und die effiziente DNA-Amplifikation optimal aufeinander abzustimmen. Abb. 7 demonstriert, dass diese Abstimmung für gering bis
Seite 26
hochgradig MAP-haltige Kotproben nur bei Probenaufbereitung mit einer modifizierten Anwendung eines DNA-Isolierungskits von Roche erreicht werden
konnte. Bei den anderen Probenaufbereitungen gab es vor allem bei gering
MAP-haltigen Proben falsch-negative Ergebnisse (Selim and Gaede, 2012).
Abb. 7:
Sensitivität des MAP-Nachweises in Kotproben in Abhängigkeit
von der Erregerkonzentration und dem Verfahren zur Probenaufbereitung
In einem aktuellen Versuch sollte geprüft werden, ob der MAP-Nachweis ebenfalls in gepoolten Kotproben möglich ist. Dazu wurde 15 Proben Rinderkot mit
bekanntem kulturellen MAP-Status in MAP-negativem Kot im Verhältnis 1:10
verdünnt. Verdünnte und unverdünnte Proben wurden vergleichend analysiert.
Bis auf ein nicht sicher reproduzierbares Ergebnis bei einer Probe mit geringer
MAP-Konzentration wurden alle positiven Kotproben auch im Pool sicher positiv
detektiert (Abb. 8).
ct-Mittelwerte für 15 Kotproben
ct-Wert
40
30
20
10
0
hoch
gering
IS900
unverdünnt
Abb. 8:
hoch
gering
ISMAV2
gespiked
MAP-Nachweis in gepoolten Kotproben
Seite 27
•
Multiplex-PCR
Bei der konventionellen wie auch bei der real-time PCR besteht die Möglichkeit,
die Nachweise verschiedener Erreger miteinander zu kombinieren. Dabei muss
durch eine aufwendige Validierung gesichert werden, dass die nötige Sensitivität für jeden der nachzuweisenden Erreger erreicht wird.
Ein Beispiel für eine konventionelle Multiplex-PCR ist die Nonaplex-PCR zum
Nachweis von Pneumonieerregern beim Schwein (Harder und Hübert, 2004).
Die Differenzierung wird hier anhand der unterschiedlichen PCR-Produktgrößen
vorgenommen.
Beispiele für die Anwendung von Multiplex real-time PCR sind:
Triplex-Nachweis von Chlamydien, Coxiella burnetii und Neospora caninum bei Aborten sowie Chlamydien, BHV1 und Mycoplasma bovis bei
Pneumonien (Reisberg et al., 2012);
Multiplex RT-qPCR Screening Rind für 6 Pathogene (Wernike et al.,
2012): BVD (Kanal 1), BTV und SBV (Kanal 2) sowie Maul-und Klauenseuche-Virus (FMDV), Virus der Epizootischen Hämorrhagie der Hirsche
(EHDV) und Rifttalfieber-Virus (RVFV) als „Rotes Telefon“ (Kanal 3)
MEDI-Test (Mastitis-Erreger-DNA-Identifikation);
- PathoProof Mastitis Major-3 Kit
(Mycoplasma bovis, Staphylococcus aureus und Streptococcus
agalactiae)
- PathoProof Mastitis Complete-12 Kit (mit 11 Erregern +
PPenicillin-Resistenz bei Staphylokokken (Koskinen et al. 2009,
www.thermoscientifi c.com/finnzymes)
4. Weitergehende genetische Spezifizierung durch Sequenzierung und
Microarray
Weitergehende Spezifizierungen auf der Basis der DNA sind durch Analyse der
Basensequenz in einem längeren Gensegment (Sequenzierung) oder Microarray-Technologie (Hybridisierung der amplifizierten Proben-DNA mit einer Vielzahl von Sonden an einem DNA-Chip = Microarray) möglich.
In zwei Fallbeispielen aus der eigenen Routine deutete eine Übersichts-PCR
bei Rindern mit schwerer Keratokunjunctivitis auf eine hohe Besiedlung mit der
Gattung Mycoplasma hin. Die anschließende spezifische PCR für Mycoplasma
bovis blieb negativ. Im ersten Fall erfolgte zunächst die Sequenzierung des
PCR-Produkts (Abb. 8).
Der nachfolgende Abgleich der erhaltenen Sequenz in Genebank auf ähnliche
Strukturen ergab den Nachweis von Mycoplasma bovoculi. Der Erreger wird in
der Literatur häufig in Mischinfektionen bei schweren Keratokonjunktivitiden
beschrieben (z.B. Levisohn et al. 2004).
Seite 28
Abb. 8:
Chromatogramm einer Sequenzanalyse
In einem klinisch ähnlich verlaufenden, aktuellen Geschehen wurde die Spezifizierung der Mycoplasmenspezies mittels Microarray durchgeführt und ergab
wiederum das Vorliegen von Mycoplasma bovoculi (Abb. 9, Sachse, 2012).
Abb. 9:
5.
Nachweis von M. bovoculi mit Microarray
Neue methodische Ansätze zur phänotypischen Typisierung von
Bakterien
Neben den beschriebenen genetischen Verfahren gibt es neue methodische
Ansätze zur phänotypischen Typisierung bzw. zur schnellen Spezifizierung von
Erregern. Ein Beispiel dafür ist die Identifizierung uns Typisierung von Bakterien
mittels MALDI-TOF ( = Matrix Assisted Laser Desorption Ionisation-Time Of
Flight). Hierbei werden gewachsene Reinkulturen massenspektrometrisch untersucht. Das Massenspektrum der Biomoleküle eines Erregers ergibt quasi
einen molekularen (phänotypischen) Fingerabdruck. Die Identifizierung erfolgt
anhand von Referenzspektren, die in Datenbanken hinterlegt sind (Abb. 10).
Der größte Vorteil der Methode liegt in der Untersuchungsdauer für die Bakterienisolate von nur wenigen Minuten. Probleme bestehen noch bei Umfang und
Sicherheit der Datenbanken für Referenzspektren, die ausgebaut und weiter
validiert werden müssen.
Seite 29
Abb. 10:
Massenspektrum von Pseudomonas aeruginosa (Schubert und
Wieser, 2010)
6. Spezielle Probleme aus Sicht des Diagnostikers
•
Probleme im Zusammenhang mit Untersuchungsverfahren
Bei der Entwicklung, Validierung, Einführung und routinemäßigen Anwendung
von Untersuchungsverfahren ist ein immer höherer Aufwand für das Qualitätsmanagement zu leisten. Insbesondere bei Untersuchungen mit geringem Probenaufkommen sind die Grenzen der Wirtschaftlichkeit und (in amtlichen Labors) des verantwortungsbewussten Umgangs mit Steuergeldern oft schnell
erreicht.
Die Anwendung zugelassener Tests (sofern verfügbar) bietet den Vorteil, dass
insbesondere FLI-zugelassene Testkits qualitätsgesichert sind. Probleme entstehen, wenn nicht alle Labors diese Tests anwenden oder wenn Neuzulassungen etablierte Verfahren aushebeln.
Bei neuen Technologien liegt zwangsläufig eine Begrenztheit der verfügbaren
Daten vor. Das erfordert eine dynamische Pflege und Erweiterung der bestehenden Datenbanken (z. B. Genbank für genetische Daten und Sequenzen,
Referenzbanken für MALDI-TOF-Spektren).
•
Probleme im Zusammenhang mit konkreten Proben und Untersuchungsaufträgen
Die nach wie vor größten Probleme bestehen in fehlenden oder unzureichenden Vorberichten zu Klinik, Epidemiologie und bisherigen Therapien (insbesondere Antibiotika) bei eingesandten Proben.
Seite 30
Daneben sind die Eignung und Qualität der Proben oft mangelhaft. Beispiele
sind u. a. die Einsendung von Blut zur Erregerdiagnostik bei Kälberdurchfall, die
zu späte Probennahme (kausaler Erreger ist durch Immunreaktion, Antibiose
etc. eliminiert; primärer Virusinfekt ist durch bakterielle Sekundärinfektionen
überlagert) und Verschmutzungen (z. B. Genitaltupfer durch Kot).
7.
Zusammenfassung
In der direkten Erregerdiagnostik finden klassische und moderne Verfahren
gleichberechtigt Anwendung. Die optimale Verfahrenswahl oder –kombination
wird dabei von der jeweiligen Fragestellung bestimmt. Wege zur Kostenreduktion sind Poolproben und Multiplex-Assays.
Untersuchungsverfahren, die mit einer exponentiellen Vermehrung der Zielstrukturen verbunden sind, verfügen prinzipiell über eine höhere Sensitivität
(kulturelle Isolierung, PCR).
Neue Technologien werden auch in Zukunft die diagnostischen Möglichkeiten
qualitativ erweitern und die Untersuchungszeiten weiter verkürzen. Auch damit
bleibt auf absehbare Zeit ein Methodenmix im diagnostischen Alltag bestehen.
Die Diagnostik kann nicht besser als die übergebenen Materialien sein (Probe,
Vorbericht).
Der Dreh- und Angelpunkt bleibt die Interpretation der Laborergebnisse, die
speziell beim Nachweis fakultativ pathogener Erreger letztendlich nicht beim
Infektionsdiagnostiker liegen kann.
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Seite 33
Serologische Untersuchungen:
Möglichkeiten und Grenzen
Jens Böttcher und Armin Gangl
Zentralinstitut des Tiergesundheitsdienstes Bayern e.V.
[email protected]
Einleitung
Der vorliegende Beitrag skizziert die Serologie in fünf Abschnitten: (1) Anzeigeund (2) meldepflichtige Tierseuchen, (3) Infektionsdiagnostik, (4) Immunitätsdiagnostik und (5) Differenzierung maternaler und aktiver Antikörper.
Die serologische Diagnostik der anzeigepflichtigen Tierseuchen ist einfach: Es
ist eine ja/nein- bzw. schwarz/weiß-Entscheidung, die durch Messwerte und
Interpretationsvorgaben der Testsysteme diktiert wird. Aber bereits bei den
meldepflichtigen Infektionen (z.B. Paratuberkulose, Q-Fieber, Leptospirose und
Chlamydien-Infektionen) lassen sich die diagnostischen Fragestellungen nicht
mehr mit einer einfachen ja/nein-Aussage beantworten. Noch komplexer stellt
sich die Situation bei den nicht-gesetzlich geregelten Infektionen (z.B. BRSV,
PI-3-Virus, E. coli, M. haemolytica, P. multocida, M. bovis) dar: Hier wären maternale, schützende, Infektions- und Impfantikörper sinnvollerweise zu differenzieren. Ist ein Jungtier durch maternale Antikörper geschützt? Ist es aufgrund
der maternalen Antikörper impfwürdig? Führte eine BVDV-Impfung zu einem
hinreichenden Immunitätsniveau? Für derartige Fragestellungen wird im Folgenden der Begriff „Immunitätsdiagnostik“ verwendet. Die Verfügbarkeit kommerzieller Diagnostika nimmt mit zunehmender Komplexität der diagnostischen
Fragestellung ab; der Validierungsaufwand ist im Verhältnis zum Marktvolumen
zu hoch. So bleiben wichtige Anforderungen wie die angeführte Differenzierung
von Antikörpern bzw. die Immunitätsdiagnostik ein bislang unerfüllter Wunsch,
die entsprechenden Abschnitte skizzieren Möglichkeiten.
Die serologische Diagnostik ist in der Masse auf die Anwendung von ELISA
ausgerichtet. Sie sind gut automatisierbar, robust und von i. d. R. homogener
Qualität. Klassische serologische Tests wie z.B. die Komplementbindungsreaktion (KBR), der Hämagglutinationshemmungs- (HAH), der Neutralisations- (NT),
der Agargelimmundiffusions- (AGID), der Serumlangsamagglutinations- (SLA),
der Rose-Bengal-Test (RBT) und die Mikroagglutinationsreaktion (MAT) treten
in den Hintergrund bzw. bleiben speziellen Fragestellungen vorbehalten.
Anzeigepflichtige Tierseuchen: „schwarz/weiß-Serologie“
Die serologische Untersuchung folgt bei anzeigepflichtigen Tierseuchen zwei
grundsätzlichen Ausrichtungen: im Falle der Brucellose, Tuberkulose, enzooti-
Seite 34
schen bovinen Leukose (EBL) und der BoHV1-Infektion liegen persistente bzw.
latente Infektionen vor, also gelten seropositive Tiere als grundsätzlich infiziert.
Die Serologie ist also bereits während der Bekämpfung ein aktives Instrument,
denn Reagenten werden gemaßregelt. Unabhängig hiervon kann die Serologie
im Anschluss an die Bekämpfung zur Kontrolle der Freiheit herangezogen werden, dies gilt für die erstgenannten Infektionen aber auch für BTV und BVDV.
DIVA-Konzepte (differentiation of infected from vaccinated animals) verknüpfen
die Impfung mit sinnvoller Diagnostik. Die Bekämpfung der Aujeszky‘schen
Krankheit des Schweines mit Hilfe des DIVA-Ansatzes ist neben der Bekämpfung der Tuberkulose, Brucellose und EBL eine weitere Erfolgsgeschichte der
Tierseuchenbekämpfung in Deutschland. Es war sinnvoll, diesen Ansatz auf
das Rind zu übertragen (siehe hierzu BoHV1, MKS).
Serologische Tests werden an den Qualitätsparametern Sensitivität, Spezifität,
positiver und negativer prädiktiver Wert gemessen. Hohe Sensitivitäten werden
vielfach als besonderes Qualitätsmerkmal beworben, aber ein Blick ins letzte
Jahrhundert zeigt, dass auch mit weniger sensitiven Tests große Erfolge erzielt
wurden: Brucellose, Tuberkulose und die EBL des Rindes wurden maßgeblich
in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts bekämpft. Selbitz und Bisping
(1995) fassten die Erfolgsgeschichte der Tuberkulose-Bekämpfung mit folgenden Zahlen zusammen: „Die Ausgangssituation stellte sich wahrlich nicht günstig dar. 1952 waren 38,5 % der 11,5 Millionen Rinder in Westdeutschland verseucht, nur 9,9 % aller Bestände waren tuberkulosefrei. … ,1961 waren 99,7 %
(der Bestände; Anm. d. Verf.) erreicht, nur noch 0,25 % der damals annähernd
12,7 Mio. Rinder waren tuberkulinpositiv.“ Die Diagnostik basierte damals auf
dem Tuberkulin-Hauttest (Tuberkulose), der SLA und der KBR (Brucellose)
bzw. dem AGID (EBL). Über ein halbes Jahrhundert hat sich hieran nur wenig
geändert. In den 80er Jahren kamen zwar ELISA für Brucellose und EBL auf
den Markt, in den letzten Jahren wurde der erste Tbc-Interferon-γ-Test
Tab. 1:
Test
negativ
Test
positiv
Σ
Abhängigkeit des negativen (NPW) und positiven prädiktiven Wertes (PPW) von der Prävalenz der Infektion: ein Test hat eine Sensitivität und Spezifität von jeweils 99 %. Für 100.000 Tiere ergäben sich die folgenden Werte für eine Prävalenz der Infektion von
10 % bzw. 0.1 % (in Klammern).
nicht-infiziert
infiziert
Σ
Prädiktive Werte
89.100
100
89200
99,9%
(99.001)
(1)
(99.002)
(>99,99%) (NPW)
900
9900
10.800
91,7%
(999)
(99)
(1.098)
(9,0%) (PPW)
90.000
10.000
100.000
(99.900)
(100)
(100.000)
Seite 35
(Bovigam®) zugelassen und in diesem Jahr wurde ein Tuberkulose-AntikörperELISA (Idexx) durch das OIE anerkannt, aber keines dieser „neuen“ Produkte
konnte die alten Tests ersetzen, sie ergänzten die bestehende Diagnostik lediglich.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ergebnis richtig ist, gibt der positive bzw. negative prädiktive Wert wider. Beide Werte hängen von der Prävalenz einer Infektion ab, dies soll das folgende Beispiel verdeutlichen (Tab. 1): Hat ein serologisches Testsystem eine Sensitivität und Spezifität von jeweils 99 % und beträgt die Prävalenz einer Infektion 10 %, so werden mit diesem Test in einer
Population von 100.000 Rindern 10.800 positive Ergebnisse erzielt, von denen
900 falsch positiv sind, d. h. 91,7 % der positiven Resultate sind wahr. Umgekehrt werden 89.200 Tiere negativ bewertet, diese Gruppe umfasst 100 infizierte, falsch negative Tiere, die man erst später finden wird. Sie verzögern die Bekämpfung. Im Zuge der erfolgreichen Maßnahmen sinkt die Prävalenz der Infektion nun auf 0,1 %. Von 100.000 Tieren sind jetzt nur noch 100 infiziert. Das
gleiche Testsystem wird aber 1.098 Tiere (999 falsch positive und 99 wahr positive) als positiv ausweisen. Subjektiv hat sich der Test verschlechtert, denn nur
noch 9 % der positiven Resultate sind wahr. Interessanterweise erkennt man
diese scheinbare Verschlechterung. Es treten Einzelreagenten auf, die man
epidemiologisch nicht erklären kann. Aber: jeder Einzelreagent könnte schließlich auch der Beginn eines neuen Ausbruchs sein!
Kreuzreaktionen mit anderen Erregern können Probleme bereiten. So können
Antikörper gegen Y. enterocolitica O6 und O9 zu falsch-positiven BrucelloseReaktionen führen. Zwar sind SLA, RBT bzw. KBR nicht frei von Kreuzreaktionen, aber sie sind spezifischer als der ELISA. Treten dennoch Einzelreaktionen
auf, so versucht man das Problem mit Hilfe von Kreuzabsorptionen mehr oder
weniger erfolgreich in den Griff zu bekommen.
In den 90er Jahren wurden falsch-positive EBL-Ergebnisse im ELISA beobachtet (Beier und Conraths, 1996). Man führte sie auf BVDV-Impfungen zurück
(Kreuzreaktionen mit Zellkulturbestandteilen). Auch hier punktete der spezifische aber weniger sensitive AGID gegenüber dem ELISA.
Der BoHV1-gE-Test (DIVA-Konzept, s. o.) hat eine geringere Sensitivität als die
Vollvirus- bzw. gB-Tests. Die Bildung von gE-Antikörpern in geimpften Tieren ist
gegenüber nicht-geimpften Rindern verzögert; eine Folge des Impfschutzes.
Trotz der geringeren Sensitivität werden auch im gE-ELISA Einzelreagenten
beobachtet. Ein Blick auf die Häufigkeitsverteilungen negativer und BoHV1Marker-geimpfter und nicht-infizierter Rinder über ELISA-Reaktionsklassen
zeigt, dass die Verteilungen beider Populationen nicht deckungsgleich sind
(Abb. 1): die Verteilung der geimpften Population ist zum Grenzwert, d. h. zur
positiven Seite, hin verschoben. Damit ist das Risiko eines Grenzübertritts für
geimpfte Tiere per se erhöht. Der gE-ELISA hat keine 100%ige Spezifität. Bei
einer angenommenen Spezifität von 99,9 % wäre statistisch bei jeder 1000.
Probe aus negativen/geimpften Beständen mit einem falsch-positiven Resultat
zu rechnen. Ein gE-Einzelreagent wird aufgrund seines Messwertes und der
Beurteilungskriterien positiv bewertet.
Seite 36
2,6
2,4
Hitzeinaktivierung
ja
nein
2,2
2,0
1,8
gE (S/N)
1,6
1,4
1,2
1,0
0,8
0,6
0,4
0,2
0,0
BoHV1
Abb. 1:
NK
X
Y
Die Häufigkeitsverteilungen zweier BoHV1-infizierter Bestände
(BoHV1; Beachte: Nicht alle Tiere sind infiziert!), BoHV1-freier Bestände (NK) und zweier BoHV1-Marker-geimfter Bestände (X und
Y) für den HerdChek gE-ELISA der Fa. Idexx sind dargestellt.
Blutproben der geimpften Bestände wurden jeweils vor und nach
Hitzeinaktivierung getestet (Wasserbad, 56°C, 20 Mi n.). Man beachte die unterschiedlichen Häufigkeitsverteilungen der geimpften
Bestände im Vergleich zu NK und den Effekt der Hitzeinaktivierung. Ausreißer wurden als volle Kreise bzw. Dreiecke dargestellt.
Die horizontale Linie kennzeichnet den oberen Cut-off (> 0,7 = negativ).
Die BoHV1-Marker-Impfung war in Bayern die Ausnahme. BoHV1Einzelreagenten verzögerten die Anerkennung der BoHV1-Freiheit maßgeblich.
Derartige Einzelreagenten waren in allen verfügbaren gB-Tests positiv, im gEELISA waren sie aber immer negativ. Eine Impfung mit gE-deletiertem Markerimpfstoff konnte anhand epidemiologischer Abklärungen ausgeschlossen werden. Schließlich wurde das Problem auf Kreuzreaktionen mit BoHV2, dem Virus
der Herpesvirus Mammilitis zurückgeführt. Eine hohe BoHV2-Seroprävalenz
erhöht das Risiko, BoHV1-Einzelreagenten zu finden. Der Grenzwert des gEELISA wurde zur Abklärung derartiger epidemiologisch nicht plausibler Einzelreagenten angepasst („modifizierter gE-ELISA“), indem er für BoHV1-
Seite 37
ungeimpfte Rinder auf 0,95 angehoben wurde (normal 0,6-0,7, wobei >0,7 negativ). Damit hatte der gE-ELISA eine zum gB-ELISA vergleichbare Sensitivität,
aber alle ungeklärten Einzelreagenten wurden dennoch negativ bewertet (Abbildung 2; Böttcher et al., 2012). Es ist nicht unerheblich zu erwähnen: Der
Nachweis von BoHV2-Antikörpern schließt eine BoHV1-Infektion nicht aus.
1,70
1,60
1,50
1,40
1,30
1,20
1,10
gE S/N
1,00
0,90
0,80
0,70
0,60
BoHV1 infizierter Bestand
0,50
Bestände mit Einzelreagenten
0,40
negative Kontrollbestände
0,30
SSSR
0,20
0,10
0,00
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
110
gB (1-S/N)%
Abb. 2:
Die Werte für den HerdChek gB und gE-ELISA wurden dargestellt
für zwei BoHV1-infizierte Bestände, für Bestände mit Einzelreagenten im Allgäu, für negative Kontrollbestände und einzeln zur
Wiederholung eingesandten Einzelreagenten (SSSR). Durchgezogene Linien kennzeichnen die zugelassenen Grenzwerte für
den gB- bzw. gE-ELISA. Die unterbrochene Linie kennzeichnet
den Grenzwert (0,95) für den modifizierten gE-Test.
Sensitivität und Spezifität sitzen einander auf einer Schaukel gegenüber: 100%
Sensitivität und Spezifität gibt es nur in Hochglanzbroschüren, ansonsten gilt
das Highlander-Prinzip: „Es kann nur einen geben“. Die Bekämpfung der Brucellose, Tuberkulose und EBL war trotz der – nach heutigen Maßstäben – wenig sensitiven aber hoch spezifischen Methoden sehr erfolgreich, d.h. die konsequente Umsetzung einfacher Maßnahmen war entscheidend. Letztendlich
schadet ein zu häufig ausgelöster Fehlalarm der Glaubwürdigkeit eines Bekämpfungsverfahrens.
Die BoHV1-Infektion einer freien, ungeimpften Herde führt innerhalb kurzer Zeit
zu einer massiven Serokonversion, die auf Herdenebene auch mit wenig sensitiven Methoden einfach zu diagnostizieren ist. Sollen die infizierten Tiere dieser
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Herde anschließend eliminiert werden, so steht man vor dem Problem, dass der
zwar hoch spezifische aber wenig sensitive Test nicht alle infizierten Einzeltiere
anzeigt. Hier liegt die eigentliche Stärke der hoch sensitiven Tests: „Sie kehren
den Stall gründlicher aus“. Hoch sensitive Tests sind an dieser Stelle sehr wirkungsvoll. Eine breite Anwendung hoch sensitiver Tests ist aufgrund der möglichen Kollateralschäden sorgfältig abzuwägen; sie sollten also mit Bedacht eingesetzt werden.
Meldepflichtige Tierseuchen: „Serologie in der Grauzone“
Seropositive Befunde, die sich nicht reproduzieren lassen, sind für Landwirte
und Tierärzte nicht akzeptabel. Man ist in derartigen Fällen allzu leicht geneigt,
den wechselhaften Befund dem Labor anzulasten. Aber schwankende Antikörperreaktionen kennzeichnen Infektionen mit Chlamydien, C. burnetii und Mycobacterium avium ssp. paratuberculosis (MAP).
In einer Verlaufsuntersuchung bei Kühen (4 Blutentnahmen im Zeitraum von 1
½ Jahren) auf Chlamydien-Antikörper (ELISA) wechselten 50 % der positiven
Tiere auf negativ, und 50 % der negativen Kühe wurden positiv. Dieses Bild
wiederholte sich bei den nächsten Entnahmedaten. In einer serologischen
MAP-Verlaufsuntersuchung mit zwei MAP-ELISA wurden weniger als 50 % der
positiven Befunde der Einzeltests bei der nächsten Untersuchung bestätigt.
Schwankende serologische Bewertungen wurden auch für einen Q-FieberELISA beobachtet.
Die Infektionsbiologie der Paratuberkulose erklärt derartige Beobachtungen:
Kälber werden intrauterin, peripartal oder in den ersten Lebensmonaten mit
MAP infiziert. Sie bleiben i.d.R. persistent infiziert. Sie können den intrazellulären Erreger aber mit Hilfe einer zellulären Immunantwort recht gut kontrollieren,
so dass der Erreger allenfalls sporadisch ausgeschieden wird. Es kann nicht
ausgeschlossen werden, dass manche Tiere den Erreger sogar vollständig eliminieren. Mit zunehmendem Alter bricht die zelluläre Immunantwort bei einzelnen Tieren aus unbekannten Gründen zusammen. Die unzureichende immunologische Kontrolle führt zu einer vermehrten Erregerausscheidung. Da die zelluläre und humorale Immunantwort gegenläufig reguliert sind, steigen die Antikörper bei abnehmender zellulärer Reaktion an. Die starke Antikörperreaktion
ist also das sichtbare Zeichen, dass die spezifische Immunantwort eines Tieres
entgleist ist. Der Weg hin zur Entgleisung des Immunsystems ist ein langsamer
kontinuierlicher Prozess, der mit wechselnden Antikörperreaktionen und sporadischer Ausscheidung einhergeht.
Auch für Q-Fieber werden schwankende Antikörperreaktionen beobachtet. Im
Falle von Aborten werden i. d. R. starke Antikörperreaktionen vorgefunden, die
dann auch in der ansonsten wenig sensitiven, aber hoch spezifischen KBR
nachgewiesen werden können. Kühe scheiden Coxiellen durchaus auch bei
Normalgeburten, sporadisch mit der Milch, mit Vaginalschleim oder Nasensekret aus. Antikörper sind bei diesen Tieren aber nicht immer regelmäßig nachweisbar. Also darf ein serologisch-negatives Ergebnis nicht dahin gehend inter-
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pretiert werden, dass ein Tier keinen Kontakt zu C. burnetii hatte. Dies gilt
wahrscheinlich auch für Jungrinder: Die Masse der Jungrinder reagiert im
kommerziellen Q-Fieber-ELISA und der KBR negativ, nur 5-10 % der Jungrinder haben schwache Phase II-Antikörpertiter. Interessanterweise reagierten
ELISA-Antikörper-negative Jungrinder in einem endemisch infizierten Rinderbestand nach in-vitro Stimulation mit Coxiellen-Antigen im Interferon-γ-Test positiv. Dieser Befund deutet auf eine zelluläre Immunreaktion trotz nicht nachweisbarer Antikörper bei Jungtieren hin.
Es gibt außerdem bemerkenswerte Sonderfälle: im Regelfall werden nach Coxiellen-Aborten KBR- bzw. ELISA-Antikörper festgestellt, aber in einem Rinderbestand wurden nach einer Serie von Totgeburten bei primiparen Kühen, die
nachweislich auf Infektionen mit C. burnetii zurückzuführen waren (Mösenfechtel und Peters 2011, pers. Mitteilung), bei den primiparen Kühen weder KBRnoch ELISA-Antikörper festgestellt. Antikörper-negative Befunde können auf
eine mangelhafte Sensitivität des Tests hindeuten, sie können im Rahmen der
Biologie einer Infektion aber auch ganz normal sein, eben in solchen Fällen, in
denen eine ausreichende zelluläre Immunantwort für die Kontrolle der Infektion
vorliegt. Schlägt die „gute“ zelluläre Immunität zu, so kann es zu einer Plazentitis und in der Folge zum Abort bzw. zur Totgeburt eines Kalbes kommen. Eine
chronische Coxiellen-Infektion lässt die Antikörpertiter insbesondere gegen
Phase I-Antigen sehr stark ansteigen, es besteht hierin eine auffallende Parallele zur Paratuberkulose.
Die Situation für Paratuberkulose und Q-Fieber ist komplex, wie kann man sie
beherrschen? Wie bekommt man die schwankenden Resultate in den Griff?
Zunächst einmal ist der Wechsel von negativ auf positiv nicht in jedem Fall
gleichbedeutend mit einer Serokonversion nach Erstinfektion! Verabschiedet
man sich von der strikten ja/nein-Aussage, akzeptiert man neben
schwarz/weiss auch Grautöne, so kann man die Serologie dennoch sinnvoll
nutzen.
Ein Ausweg besteht in der Quantifizierung der Antikörperkonzentration mit Hilfe
einer Titration. Antikörpertiter werden z. B. standardmäßig für Leptospiren ermittelt. Ein vierfacher Titeranstieg wird als signifikant betrachtet. Niemand ist
verwundert, wenn ein Titer von 50 im Verlauf verschwindet, hohe Titer sind hingegen wertvolle Entscheidungshilfen.
Der Q-Fieber-Antikörpertiter und der Antigengehalt in der Milch wurden im ELISA bzw. mit einer quantitativen PCR bestimmt: 40 % der Kühe mit hohen Phase
I-Titern in der Milch (> 500) waren chronische Ausscheider. Die Antikörpertiter
verhielten sich konstant, d. h. die Konstanz der Antikörperreaktion ist ein wertvolles Beurteilungskriterium (Böttcher et al., 2012). Eine milchserologische Untersuchung auf Phase I-Antikörper mit einem Grenzwerttiter von 500 ist ein
Screening auf chronische Ausscheider. Die gleiche Probe kann außerdem anschließend für den Erregernachweis (quantitative PCR) verwendet werden. Zur
Absicherung einer chronischen Ausscheidung ist die Untersuchung natürlich zu
wiederholen. Chronische Hochausscheider sollten aus der Herde entfernt wer-
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den, da die Impfung chronische Infektionen ohnehin nicht beeinflusst (Woernle
und Müller, 1986).
Antikörpertitrationen im ELISA sind kostspielig, da die Bestimmung von Titern
eine Verdünnungsreihe des Serums erfordert. Untersucht man gepaarte Proben, so sollte die Vorgehensweise vorab mit dem Labor abgestimmt werden
(Methode, Kosten, Lagerung der Erstproben). Die erste und zweite Probe sollten am gleichen Tag und auf der gleichen Testplatte titriert werden. Häufig werden ELISA-Reaktionen als Titer bezeichnet, dies ist falsch! OD%-Werte bzw.
S/P-Werte des ELISA sind keine Titer, bestenfalls Schätzwerte für einen wahren Titer. Definitionsgemäß ist der Titer der Kehrwert der Verdünnung, die ein
positives Ergebnis ergab; dessen ungeachtet werden Antikörpertiter in der Serologie häufig auch als Verdünnung angegeben.
Gute Erfahrungen wurden auch mit der semiquantitativen Bewertung von ELISA-Messwerten gemacht. Die ELISA-Reaktionen im CHEKIT-Q-Fever- bzw.
CHEKIT-Chlamydia-ELISA (beide Idexx, Bern) werden im Zentralinstitut des
TGD Bayern nach folgendem Schema eingestuft: OD% < 30, „negativ“, 30-40%
„grenzbereichswertig“, 40-75% „1+“, 76-100 „2+“, 101-150 „3+“ und >150 „4+“.
Vermutet man einen Zusammenhang zwischen einer Krankheitssymptomatik
und z. B. Chlamydien oder Coxiellen, so sollten Tiere mit Symptomatik (Fallgruppe) und Kontakttiere (Kontrollgruppe) in die Untersuchung einbezogen
werden. Eine Häufung von 3+/4+-Befunden für einen der Erreger in der Fallgruppe nicht aber in der Kontrollgruppe ist ein wichtiger Hinweis. Die gleichmäßige Verteilung diverser Reaktionen auf beide Gruppen spricht eher gegen einen Zusammenhang. Dieser lässt sich auch statistisch auf Signifikanz hin prüfen. Wichtig ist eine ausreichende Stichprobengröße: Mindestens 5 pro Gruppe.
Die Serologie liefert hier keine klare ja/nein-Aussage: Sie liefert eine Einschätzung, die der genaueren Prüfung z. B. mittels Sektion oder Erregernachweis
bedarf.
Eine ähnliche Einstufung von ELISA-Messwerten wurde für einen mittlerweile
nicht mehr verfügbaren Paratuberkulose-ELISA (Idexx) in den USA etabliert.
Starke Reaktionen waren ein Indikator für die finale Phase der Infektion (Collins
2002).
Als weitere Alternative zur Titration oder der semiquantitativen Angabe von Befunden kann man mehrere Tests kombinieren: Die sequentielle MAP-Serologie,
kurz SMAPS, ist hier anzuführen (Böttcher und Gangl, 2004; Böttcher et al.,
2005). Derzeit werden alle Serumproben in einem Paratuberkulose-ELISA (IDVet, Montpellier, Cut-off 25 %) mit hoher Sensitivität (Screening-Test) untersucht, reaktive Proben werden anschließend im Pourquier ELISA (Idexx, Bern)
und im Prionics-ELISA (Prionics, Zürich) nachuntersucht (Bestätigungstests).
Eine Probe, die in allen drei Tests positiv reagiert, wird mit „3+“ bewertet, reagiert neben dem Screening-Test nur der Pourquier- bzw. Prionics-ELISA, so
ergibt sich ein „2+“, sind beide Bestätigungstests negativ, der Wert des IDVetELISA liegt aber über 60 % (Test-Cut-off), so bleibt ein „1+“ und Werte zwischen 25 % und 60 % im IDVet-ELISA werden als „(+)“ eingestuft. Tabelle 2
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Tab. 2:
Sequentielle MAP Serologie (SMAPS) und die Bewertung der Ergebnisse. Die Einzelergebnisse der Tests werden mit Punkten
bewertet, die Punktsumme ist eineindeutig, aus ihr kann die Testkombination abgelesen werden.
IdVet (Punkte)
Pourquier (Punk-
Prionics (Punk-
Punkte
gbw = 25-60%
te)
te)
∑
Ergebnis
neg
0
neg
0
neg
0
0
neg
gbw
1
neg
0
neg
0
1
(+)
pos
3
neg
0
neg
0
3
+
gbw
1
pos
7
neg
0
8
++
pos
3
pos
7
neg
0
10
++
gbw
1
neg
0
pos
11
12
++
pos
3
neg
0
pos
11
14
++
gbw
1
pos
7
pos
11
19
+++
pos
3
pos
7
pos
11
21
+++
fasst das Schema zusammen. Die Ergebnisse wurden mit Punkten bewertet,
anhand der Punktsumme ist erkennbar, welche Tests positive oder fragliche
(gbw) Ergebnisse lieferten. Der Vergleich mit Kotkulturen ergab bei einer Prävalenz positiver Kotproben von 5 % (prädiktive Werte sind immer nur für eine gegebene Prävalenz gültig, siehe oben!) positive prädiktive Werte von 69% für
„3+“, 33% für „2+“ (IDVet x Prionics positiv), 14 % für „2+“ (IDVet x Pourquier
positiv) und 8 % für „(+)“. Wichtig: „3+“-Bewertungen ließen sich in nahezu 90 %
der Fälle reproduzieren, während dies für „2+“-Bewertungen nur bei knapp 50
% der Tiere der Fall war.
Seit über einem Jahrzehnt wird ein möglicher Zoonosecharakter von MAP diskutiert, aber nach derzeitiger Einschätzung ist die Paratuberkulose immer noch
keine Zoonose. Sicher ist, dass ein ökonomischer Schaden vorliegt. Soll die
Paratuberkulose im Sinne einer anzeigepflichtigen Tierseuche mit dem Ziel der
Freiheit bekämpft werden, oder genügt die Kontrolle der Infektion mit dem Ziel
den Schaden zu vermeiden? Anlässlich des Stendaler Symposiums 2012 wurden zwei Extrempositionen vorgestellt: Dünser (2012) stellte die diagnostischen
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Maßnahmen in Oberösterreich für die Paratuberkulose dar: Bei einer Kuh mit
unstillbarem Durchfall wird eine Paratuberkulose-Diagnostik eingeleitet. Eine
sinnvolle Maßnahme auf Herdenebene, für den Landwirt kommt der Befund
sicherlich zu spät, weil der finanzielle Schaden bereits eingetreten ist. Im Gegensatz hierzu werden im Freistaat Thüringen Kühe in großem Stil kulturell auf
MAP untersucht (Donat et al., 2012). MAP-ausscheidende Kühe werden geschlachtet. Es sind Kühe, die im Zenit ihrer Leistung stehen, ob sie jemals an
Paratuberkulose erkrankt wären, wird man nicht mehr erfahren. Durch die Merzung entsteht ein ökonomischer Schaden, den man aber in Hinblick auf das Ziel
„Paratuberkulose-Freiheit“, in Kauf nimmt. Welche Rolle könnte die Serologie
zwischen diesen beiden Extrempositionen einnehmen? Der ökonomische
Schaden der Paratuberkulose ließe sich reduzieren, wenn Ausscheider rechtzeitig vor dem klinischen Zusammenbruch eliminiert würden. Die Antikörperreaktion kennzeichnet das Entgleisen der Immunreaktion, damit wäre sie ein interessanter Marker. Hierzu ein Beispiel: Ein MAP-infizierter Großbetrieb mit ca.
600 Kühen stieg 2005 mit SMAPS ein. Es wurden 10 % „3+“-Reagenten ermittelt. Die Maßnahmen zur Kontrolle der Paratuberkulose beschränkten sich auf
das folgende einfache Vorgehen: Ergab die serologische Untersuchung einer
trockengestellten Kuh ein „3+“-Resultat, so wurde die Kuh nicht wieder belegt,
sie wurde abgemolken. Das letzte Kalb wurde nicht remontiert (ein einfaches
stringentes Vorgehen). Der Gesamtbestand wurde 2011 erneut kontrolliert, lediglich drei „3+“-Reagenten wurden ermittelt. Auf diese Weise wurde die Erregerlast im Bestand sukzessive reduziert und der ökonomische Schaden aufgrund der Paratuberkulose-Klinik trat nicht mehr ein.
Die serologischen Tests für Chlamydien, Q-Fieber und Paratuberkulose haben
eine geringe Sensitivität, d. h. das negative Ergebnis ist mit einer Unsicherheit
behaftet. Ist eine komplette Risikogruppe negativ, z. B. im Falle der Paratuberkulose alle Kühe ab der 2. Laktation, oder der gesamte Bestand, so erhöht sich
die Sicherheit. Die Aussagesicherheit lässt sich auch über definierte Wiederholungsuntersuchung erhöhen.
Es ist nur konsequent, die nächsten Kapitel nach der schwarz/weiss-Serologie
und der Serologie der Grautöne mit dem Motto „Serologie der Farbpracht“ einzuleiten.
Infektionsdiagnostik: „Serologie kommt zu spät!“
Jenseits der anzeige- und meldepflichtigen Tierseuchen führt die serologische
Infektionsdiagnostik ein Schattendasein: Sie steht hier in unmittelbarer Konkurrenz zu den populären direkten Erregernachweisen. Direkte Infektionsnachweise, z.B. mit Hilfe der PCR, sind für die relevanten Infektionen etabliert, sie sind
in der akuten Phase aussagekräftiger. Ohnehin wären für die Beantwortung
dieser Fragestellung gepaarte Serumproben aus der akuten Phase und der Rekonvaleszenz erforderlich (s. o.); dieses Vorgehen wird in der Routine aber
nicht praktiziert. Der Vergleich von Fall- und Kontrollgruppen, wie er oben bereits beschrieben wurde, ist der Versuch, einen Zusammenhang zwischen klinischem Geschehen und Antikörperbefund herzustellen. M. bovis verursacht eine
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variable Klinik, sie reicht von Atemwegserkrankungen, Otitiden, Gelenkserkrankungen bis hin zu Mastitiden. Seroprävalenzen von ca. 30 % werden im Feld
beobachtet, sie steigen mit zunehmendem Alter. Daher ist es wichtig, den
Nachweis von Antikörpern gegen M. bovis für Fall- und Kontrollgruppen durchzuführen. Es gibt hierfür derzeit keine Interpretationshilfen. Ein kommerzieller
ELISA ist verfügbar, leider ist er in Deutschland nicht zugelassen.
In der Humanmedizin nutzt man IgM-Nachweise für die Infektionsdiagnostik. Es
ist hervorzuheben, dass sich ein ELISA für den Schmallenbergvirus (SBV)-IgMNachweis in der Entwicklung befindet, der Nachweis von IgM in einer Herde
gibt einen Hinweis auf ein akutes Geschehen (Pourquier et al. 2012).
Eine neue ELISA-Variante betrat die Bühne erstmalig für BTV (Ingenasa/Prionics). Mit diesem Test werden IgM-Antikörper bevorzugt nachgewiesen.
Antigen wird auf Testplatten beschichtet, Antikörper aus der Probe binden an
das Antigen, statt eines Anti-IgG-Peroxidase-Konjugates wie im indirekten ELISA wird ein Antigen-Peroxidase-Konjugat eingesetzt, das an die zweite freie
Antigen-Bindungsstelle des Serum-IgG- bzw. an die 9 (!) freien Bindungsstellen
des pentameren Serum-IgM-Moleküls bindet. Selbstverständlich werden auch
IgG-Antikörper nachgewiesen, aber mit dem Abfall der IgM-Antikörper im weiteren Verlauf der Infektion sinkt die Sensitivität dieses Tests leicht ab.
Im Grundsatz muss festgehalten werden, dass die serologische Infektionsdiagnose zu spät kommt: Eine Aussage ist immer erst möglich, wenn der akute Prozess vorbei ist und die Antikörperbildung eingesetzt hat. Eine Ausnahme bilden
chronische Infektionen.
Ein Sonderfall der Infektionsdiagnostik soll hier noch kurz erwähnt werden: Das
serologische Monitoring. Übersichtsuntersuchungen zur Verbreitung von Infektionen sind eine klassische Anwendung der Serologie. Die Verbreitung neuer
Infektionskrankheiten (z.B. SBV) lässt sich mit Hilfe der Serologie schnell erfassen. Die Serologie ist natürlich auch für retrospektive Untersuchungen geeignet.
Immunitätsdiagnostik: „Glaskugelserologie“
SBV hat den Weg nach Deutschland gefunden, die Verbreitung des Virus ist
kartiert. Wie wahrscheinlich ist das Auftreten einer klinischen Symptomatik in
der aktuellen Vektorsaison? Ein Blick in die Glaskugel, in die Zukunft, hilft, den
Bestand besser einzuschätzen.
Hohe Seroprävalenzen in infizierten Beständen deuten eine Durchseuchung der
Bestände an, die Tiere sind damit aber nicht zwangsläufig immun. Für die Beurteilung ist es wichtig zu wissen, ob neutralisierende Antikörper gegen die Virushülle oder Antikörper gegen das Kapsid (z.B. ELISA) bestimmt werden. Ein positives Ergebnis im Neutralisationstest steht nicht per se für Schutz, es muss ein
ausreichend hoher Neutralisationstiter, der mit Schutz korreliert, vorliegen.
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Erst wenn eine gute Übereinstimmung zwischen Neutralisationstest (bei Anwendung des schützenden Neutralisationstiters!) und ELISA z. B. anhand einer
Vierfeldertafel vorliegt, darf auch für einen ELISA eine Aussage zum Schutz in
Erwägung gezogen werden.
ELISA für den BVDV-Antikörpernachweis sind interessanterweise weniger sensitiv als der Neutralisationstest, so werden in den gängigen BVDV-ELISAs erst
Proben mit Neutralisationstitern ab 40 sicher erfasst, eine Korrelation zwischen
beiden Tests bestand nicht (Alex et al. 2005). Neutralisierende Antikörper stehen für den humoralen Schenkel des Immunsystems, die zelluläre Immunantwort bleibt unberücksichtigt. Also ist eine Aussage anhand neutralisierender
Antikörper stets nur die Abschätzung eines Parameters der Immunität.
Am häufigsten in Vakzinen vertreten sind BoHV1 (178), BVDV (141) und PI-3Virus (112) (Valarcher und Hägglund, 2012). Im Vergleich hierzu sind die Werkzeuge, die Qualität der Impfmaßnahmen zu überprüfen, unterentwickelt, obwohl
der Neutralisationstest bis in die 80er Jahre ein verbreiteter Standard für die
genannten Erreger war. Abgesehen von BoHV1 liefert der Neutralisationstest
für BVDV und PI-3-Virus durchaus wichtige Informationen. Es ist ein Unterschied, ob fünf Tiere einer Stichprobe post vaccinationem im PI-3-ELISA positiv
reagieren oder Neutralisationstiter von z.B. 4, 32, 64, 128, 512 aufwiesen. Ist
eine Impfung von Kühen gegen BVDV notwendig, wenn 80% der Kühe einen
Neutralisationstiter von z. B. >16 haben? Positive ELISA-Ergebnisse für PI-3
oder BVDV sind aufgrund ihrer Häufigkeit nur sehr bedingt aussagekräftig;
Neutralisationstiter erlauben eine differenzierte Sicht, sei es im Vorfeld einer
Impfung oder im Rahmen der Kontrolle von Impfmaßnahmen.
Eine Immunglobulin-Isotyp-spezifische Serologie, ein Sonderfall ist der oben
angeführte IgM-Nachweis, könnte auch Vorteile bieten. Es bietet sich der
Nachweis von IgA im Nasensekret oder die Differenzierung nach IgG1 und
IgG2 an. IgA-Antikörper gegen BRSV waren mit Schutz assoziiert und es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen IgG2-Antikörpern gegen BRSV
und der zellulären Immunität (Hägglund et al. 2011). In der frühen Immunantwort erfolgt der Wechsel von IgM auf andere Immunglobulinsubklassen, er wird
durch T-Helferzellen unterstützt. Th2-Zellen (≥ humorale Immunreaktion Reaktion) favorisieren den Wechsel zu IgG1 und umgekehrt fördert eine Th1Reaktionslage (≥ zelluläre Immunreaktion) die Produktion von IgG2. Besser ist
es natürlich, die zelluläre Immunreaktion direkt zu bestimmen. So ist es naheliegend, das Repertoire der klassischen Serologie zukünftig durch andere immunologische Tests (z. B. IFN-γ-Nachweis) zu ergänzen, um die zelluläre Immunantwort des Rindes auch unter Routinebedingungen besser beschreiben zu
können. Sowohl für die Impfung als auch für die Diagnostik intrazellulärer Bakterien (z. B. Coxiellen, Chlamydien, MAP) ergeben sich interessante Anwendungen.
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Differenzierung maternaler und aktiver Antikörper
Neugeborene Kälber sind auf die Übertragung kolostraler Antikörper angewiesen. Mittlerweile ist bekannt, dass auch Leukozyten aus dem Kolostrum auf das
Kalb übertragen werden. Drei Fragestellungen der Serologie sind in Bezug auf
maternale Antikörper relevant: Erstens, handelt es sich bei den festgestellten
Antikörpern um maternale (passive) oder aktive Antikörper? Aufgrund dieser
Problematik werden Jungrinder erst ab 9 Monate in die BoHV1-Untersuchung
einbezogen. Zweitens, ist ein Kalb hinreichend geschützt? Die ImmunglobulinKonzentration kann im Kolostrum als auch im Blut des Neugeborenen bestimmt
werden. Aussagekräftiger wäre die Bestimmung spezifischer schützender Antikörpertiter, so dass auch eine Aussage über die Dauer des Schutzes gemacht
werden könnte. Drittens, ist ein Kalb aufgrund der vorliegenden maternalen Antikörper impffähig?
Die erste Fragestellung trat z. B. bei BoHV1-Ausbrüchen auf, wie verfährt man
mit den Antikörper-positiven Jungtieren? Geimpfte BoHV1-Reagenten übertragen zweifellos hohe Antikörpertiter auf ihre Nachkommen. Es sei angemerkt,
dass das Problem maternaler Antikörper sich im Vorfeld verhindern ließe, indem die Kälber Kolostrum BoHV1-negativer Kühe erhalten.
Maternale Antikörper haben eine Halbwertszeit, d. h. der Antikörpertiter fällt
über die Zeit ab. Die Halbwertszeit ist Isotyp-spezifisch, aber IgG1 dominiert im
Kolostrum (40-50 mg/ml gegenüber 3 mg/ml IgG2). Für IgG1 wurde eine Halbwertszeit von 10-22 Tagen ermittelt (Cervenak und Kacskovics, 2009). In eigenen Untersuchungen wurde die Halbwertzeit für BoHV1-Tests bestimmt, indem
10 Kälber von BoHV1-Marker-geimpften Kühen untersucht wurden (Böttcher et
al. 2010). Sie betrug für den Trachitest und gB-Test (beide Idexx) 17,5 (CI95%
11,9 - 32,5) bzw. 20,5 Tage (CI95% 13,0 - 47,3). Die Persistenz der maternalen
Antikörper lässt sich ganz leicht abschätzen: liegt in der zweiten Lebenswoche
ein Titer von 128 vor, so bildet man den Logarithmus zur Basis 2 (entspricht der
Halbierung) und erhält 7 Halbwertszeiten. Multipliziert man diesen Wert mit der
Halbwertszeit (t½=2-3 Wochen) und addiert das Lebensalter zum Zeitpunkt der
Erstuntersuchung (hier 2 Wochen) hinzu, so erhält man einen Schätzwert für
die Persistenz der maternalen Antikörper (t½= 2 Wochen 7x2+2=16 Wochen
bzw. für t½= 3 Wochen 7x3+2=23 Wochen). Es wird deutlich, dass die Persistenz maternaler Antikörper vom Ausgangstiter abhängig ist.
In infizierten Beständen wurden Jungrinder dreimal im Abstand von 4 und anschließend im Abstand von 3 Wochen untersucht. Die Seren wurden gleichzeitig titriert und ELISA-Titer wurden ermittelt. Eine deutliche Halbierung des Antikörpertiters wurde erst nach 7 Wochen vorgefunden, d. h. die doppelte Halbwertszeit ist als Untersuchungsintervall heranzuziehen.
Kolostrale Antikörper sind passive Antikörper, d. h. eine fehlende zelluläre Immunreaktion charakterisiert Kälber mit maternalen Antikörpern. Daher wurde
ein IFN-γ-Test für BoHV1 bei den oben vorgestellten Jungrindern durchgeführt.
Von 41 Rindern zeigten 34 einen deutlichen Abfall des Antikörpertiters innerhalb von 7 Wochen, sie waren im IFN-γ-Test negativ. Vierzehn Tiere zeigten
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keinen Abfall der Titer, die Titer blieben konstant oder stiegen an; diese Tiere
waren im IFN-γ-Test positiv. Drei Tiere zeigten abweichende Beurteilungen für
beide Methoden (1x IFN-γ negativ ohne Titerabfall; 2x IFN-γ positiv mit Titerabfall) und vier Tiere reagierten im IFN-γ-Test fraglich (1x ohne und 3x mit Titerabfall). Der Vergleich beider Tests anhand einer kappa-Statistik ergab einen sehr
guten Wert (κ = 0,862) für die Übereinstimmung. Es konnte gezeigt werden,
dass Titration und IFN-γ-Test Licht ins Dunkel der maternalen Antikörper bringen.
Die Frage nach maternalem Schutz bzw. mögliche Interaktionen zur Impfung
sind Erreger-spezifisch. Diese Fragestellung knüpft an den vorhergehenden
Abschnitt an. Im folgenden Beispiel führten Wiescher et al. (2009) Untersuchungen mit einem PI-3-Neutralisationstest und -IFN-γ-Test in einem Bestand
durch. Vom jüngsten Kalb bis zur ältesten Kuh wurden alle Tiere im PI-3Neutralisationstest und –IFN-γ-Test geprüft. Bis zum Alter von 6 Monaten wurden ausschließlich neutralisierende Antikörper nachgewiesen, ab 9 Monaten
waren beide Tests positiv, das Zeitfenster dazwischen (6-9 Monate) war durch
fehlende Neutralisationstiter aber starke IFN-γ-Reaktionen charakterisiert; es
kennzeichnet die aktive PI-3-Viruszirkulation in diesem Bestand. Die Kombination beider Tests, die Parameter des Schutzes messen, skizziert ein lebendiges
Bild der Infektionsdynamik innerhalb des Bestandes.
Virusneutralisationstests, Neutralisationstests für bakterielle Toxine bzw. Tests
für Antikörper gegen Anheftungsfaktoren von Bakterien sind hier gefordert, um
die Qualität der kolostralen Versorgung besser zu kontrollieren. Virusneutralisationstests sind machbar, sie erfordern lediglich eine funktionierende klassische
Virologie. Die Entwicklung serologischer Tests, die auf Parameter des Schutzes
ausgerichtet sind, ist sehr viel anspruchsvoller und daher leider für DiagnostikaHersteller unattraktiv.
Zusammenfassung
Für das Rind zugelassene ELISA liefern nur ja/nein-Resultate. Diese Bewertung
ist für die Überwachung anzeigepflichtiger Tierseuchen akzeptabel.
Einzelreagenten treten in freien Regionen in den Vordergrund, daher bedürfen
Laborbefunde einer epidemiologischen Plausibilitätskontrolle durch die zuständige Veterinärbehörde.
Tests mit hoher Spezifität sind für die Überwachung freier Herden innerhalb
einer Region geeignet; im Ausbruchsfall sollten hoch sensitive Tests innerhalb
der Herden eingesetzt werden.
Ja/nein-Resultate sind für nicht-anzeigepflichtige Infektionen unzureichend, dies
trifft auch für meldepflichtige Tierseuchen zu. Hier sollte die Anwendung der
Serologie auf die Beantwortung konkreter Fragestellungen ausgerichtet sein: z.
B. Freiheit, Zusammenhang zu einer Klinik, Kontrolle des ökonomischen Schadens einer chronischen Infektion, Impfentscheidung, -kontrolle, Differenzierung
Seite 47
maternaler Antikörper. Für die Beantwortung dieser Fragen sind geeignete Methoden auszuwählen.
Semiquantitative Angaben, Titrationen, kombinierte Testergebnisse erlauben
eine differenzierte Aussage, die aufgeführten Fragen lassen sich nicht anhand
nur eines Grenzwertes beantworten. Zugelassene ELISA sind bislang nicht für
die Beantwortung von Fragestellungen zur Immunität verfügbar; Neutralisationstests sind hier zu bevorzugen. Tests zur Ermittlung der zellulären Immunität
sind in Entwicklung. Der Aufwand der ELISA-Validierung für die Beantwortung
der angeführten vielfältigen Fragestellungen ist im Vergleich zum Marktvolumen
sehr hoch und damit finanziell unattraktiv.
Die Qualitätskontrolle der Impfung ist in der Geflügelwirtschaft etabliert und sie
befindet sich in der Schweineproduktion in der Entwicklung. Eine Erfolgskontrolle der Impfung sollte auch für Rinder in Erwägung gezogen werden.
Die serologische Diagnostik bietet vielfältige Möglichkeiten; die Methoden und
Möglichkeiten sind mit Blumen vergleichbar, richtig in einem Blumenstrauß arrangiert, ergeben sie ein faszinierendes Bild.
Danksagung
Diese Arbeit enthält Ergebnisse aus Projekten, die durch den Freistaat Bayern
und die Bayerische Tierseuchenkasse finanziell gefördert wurden.
Literatur
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Symposium zur BHV1-, BVDV- und Paratuberkulose-Bekämpfung. Stendal, 9.-11.3.2005.
Beier, D., F.J. Conraths (1996): Abklärung fraglicher und falsch-positiver Ergebnisse in einem Testbesteck zum Nachweis von Antikörpern gegen
das bovine Leukosevirus (BLV) und mögliche Zusammenhänge zu
BVD/MD-Impfungen. Mitteilungsblatt zur Tierseuchensituation der Bundesrepublik Deutschland I. Halbjahr 1996 der Bundesforschungsanstalt
für Viruskrankheiten der Tiere, Institut für Epidemiologie, Standort Wusterhausen; S. 7-12.
Böttcher, J., A. Gangl (2004): Mycobacterium avium ssp. paratuberculosis –
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Böttcher, J., D. Hoffmann, A. Gangl, P. Krabisch, S. Klees, N. Meier, G.
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Bestandsmilch für die serologische Diagnostik
viraler und bakterieller Infektionen
- überschätzt oder unterfordert?
Jens Böttcher und Armin Gangl
Zentralinstitut des Tiergesundheitsdienstes Bayern e.V.
[email protected]
Milch ist einfach zu gewinnen, sie ist nicht nur nahrhaft, sie enthält auch Antikörper, die man diagnostisch nutzen kann. Aufwendige Blutentnahmen entfallen. Einzelmilchproben im nächsten Schritt durch Tank- bzw. Bestandsmilch zu
ersetzen, lag nahe, schließlich geht es häufig um die Beurteilung eines Bestandes.
Unbestritten wird die Bestandsmilchuntersuchung (BMU) in keinem anderen
Land weltweit so intensiv genutzt wie in Deutschland. Sie hat, zumindest in
Deutschland, zwei Väter: Ernst Forschner, der ehemalige Leiter des staatlichen
Veterinäruntersuchungsamtes in Hannover und Gustav Wizigmann, der ehemalige Leiter des Zentralinstitutes des Tiergesundheitsdienstes Bayern in Grub.
Die Grundsätze der BMU, die von diesen Kollegen in den 80er Jahren im Arbeitskreis für veterinärmedizinische Infektionsdiagnostik (AVID) erarbeitet wurden, haben uneingeschränkt bis zum heutigen Tag Gültigkeit. Im folgenden Beitrag wird auf die Anwendung der BMU und ihre Aussagekraft eingegangen.
Das Probenmaterial Milch unterliegt Schwankungen z. B. aufgrund des Laktationsstadiums der Kühe und der Eutergesundheit. Die Milchuntersuchung ist also
lediglich eine Übersichtsuntersuchung („Screening“). Deshalb werden Milchproben auch häufig als „negativ“ oder „nicht-negativ“ bewertet. „Nicht-negativ“
drückt aus, dass eine Probe eben nicht zweifelsfrei negativ ist, sie könnte auch
positiv sein, und bedarf daher der Bestätigung durch eine Blutuntersuchung.
Die IgG1- und IgG2-Konzentration im Blut beträgt jeweils ca. 9-11 mg/ml, während in der Milch nur 0,58 mg/ml IgG1 und 0,05 mg/ml IgG2, also 1/20 bzw.
1/200 der jeweiligen Plasmakonzentration, enthalten sind. Serologische Milchtests müssen also sehr viel geringere Antikörperkonzentrationen nachweisen
als die jeweiligen Bluttests.
Es gibt zwei grundlegende Testprinzipien: indirekte und kompetitive ELISA.
Beim indirekten ELISA binden Serum- oder Milchantikörper an das Antigen,
anschließend werden die gebundenen Antikörper durch ein Anti-Rinder-IgGPeroxidase-Konjugat nachgewiesen. In indirekten ELISA werden Serumproben
1/10, 1/200 oder sogar 1/400 verdünnt, Milchproben werden ½ oder 1/5 verdünnt, d.h. der oben angeführte Konzentrationsunterschied der Antikörper in
Blut und Milch spiegelt sich in der Verdünnung wider. Farbreaktionen kennzeichnen den positiven Befund. Im Falle des kompetitiven ELISA ist ein Anti-
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gen-spezifischer monoklonaler Antikörper mit Peroxidase konjugiert. Er bindet
an sein Antigen z. B. das Glykoprotein E (gE) oder B (gB) des BoHV1. Sind Serum- oder Milchantikörper vorhanden, so konkurrieren (kompetitieren) sie mit
dem monoklonalen Antikörper um die Bindungsstelle. Wird der monoklonale
Antikörper verdrängt, so bleibt die Farbreaktion aus, dies kennzeichnet das positive Ergebnis im kompetitiven Test. Serum wird in kompetitiven Tests sehr viel
konzentrierter (meist 1/2) eingesetzt. Es liegt auf der Hand: die zwanzigfach
geringere IgG-Konzentration in Milchproben lässt sich hier nicht über eine niedrigere Verdünnung realisieren. Bei indirekten Tests kann die Reaktion über Modifikationen des Anti-Rind-IgG-Peroxidase-Konjugates verstärkt werden, dies ist
bei kompetitiven Tests nicht möglich. Aus diesen Gründen und aufgrund der
hohen Sensitivitätsanforderungen werden indirekte ELISA für die BMU verwendet.
Klassische Anwendungen der BMU sind die Überwachung der Brucellose, der
enzootischen bovinen Leukose (EBL) und der BoHV1-Infektion (Forschner et al.
1988). Aber: keine dieser Infektionen wurde mit der BMU bekämpft, die Sanierung infizierter Bestände erfolgte allein mit Hilfe der Blutserologie. In den 80er
Jahren kamen die ersten kommerziellen ELISA für Brucellose und EBL auf den
Markt. Sie hatten eine höhere Sensitivität als die bis dahin angewandten serologischen Tests (z. B. Serumlangsamagglutination und Komplementbindungsreaktion (KBR) für Brucellose bzw. der Agargelimmundiffusionstest für EBL),
ihre Spezifität war jedoch geringer. Aufgrund der hohen Sensitivität waren sie
als sogenannte Screening-Tests für die BMU geeignet. Es war das Ziel, die
Seuchenfreiheit der Bestände mit der BMU zu überprüfen. Das Sicherheitsbedürfnis war hoch, also wurde gefordert, dass ein schwach-positives Tier in einer
Bestandsmilch von z. B. 50 Kühen erkannt werden müsse. Ernst Forschner
trieb die Anforderungen an die Qualitätsprüfung der Tests auf die Spitze: eine
schwach-positive Kuh sei auch dann noch in einem Pool nachzuweisen, wenn
sie nur halb so viel Milch wie die anderen Kühe der Herde produziere. Diese
hohe Anforderung an die Testsensitivität war mit den damaligen Tests nicht zu
erfüllen. Also führte man eine Konzentrierung der Tankmilchprobe durch
(Forschner und Bünger, 1986): Casein wurde durch Labzugabe geronnen und
durch Zentrifugation vom Milchserum abgetrennt. Anschließend wurden die Antikörper im Milchserum durch Zugabe gesättigter Ammoniumsulfatlösung gefällt,
so wurden die Antikörper aus 25 ml Milch schließlich in 0,5 ml konzentriert. In
den folgenden Jahren wurden die Testsysteme besser, die maximale Tierzahl
stieg für EBL und Brucellose sukzessive auf 100 bis 250 pro Bestandsmilchprobe. Lediglich für BoHV1 konnte die Poolgröße nicht auf über 50 Tiere hinaus
ausgedehnt werden.
Aufgrund der hohen Sensitivitätsanforderungen sind Fehlalarme vorprogrammiert, diese werden aber aus Gründen der Sicherheit toleriert. Außerdem halten
sie sich in Grenzen: so lag der Anteil nicht-negativer Bestandsmilchproben in
Bayern 2011 für Brucellose bei 0,2 %, für EBL bei 0,03 % und für BoHV1 bei
0,7 %, d. h. deutlich mehr als 99 % der Bestände waren also negativ. Die hohen
Sensitivitätsanforderungen werden durch regelmäßige Ringversuche der nationalen Referenzlabore kontrolliert.
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Bestandsmilchproben werden vielfach direkt über den Tankmilchwagen gewonnen. Hier mussten Vorkehrungen getroffen werden, so dass es nicht zu einer
Probenverschleppung zwischen zwei Beständen kommt. In Bayern werden
nicht-negative Bestandsmilchproben daher durch eine manuell entnommene
Probe abgesichert. Hat ein Bestand mehr als 50 Tiere, so werden manuell mehrere Sammelmilchproben pro Bestand z.B. für die Untersuchung auf BoHV1
entnommen.
Bestandsmilchproben sind also für die Überwachung negativer Bestände sehr
gut geeignet, es ist ein engmaschiges und kostengünstiges Kontrollnetz. Der
Gesetzgeber legte in den Verordnungen fest, dass mindestens 30 % eines Bestandes aus laktierenden Tieren bestehen muss, nur dann ist eine BMU zulässig.
Die BMU wird halbjährlich durchgeführt: es könnte sein, dass die oben angeführte schwach-positive Kuh zum Zeitpunkt der Probenahme gerade trocken
steht. In diesem Fall würde sie ein halbes Jahr später aber sicher entdeckt werden. Mittlerweile wurden die Untersuchungsintervalle für Brucellose und Leukose auf 2 Jahre ausgedehnt, d. h. jedes zweite Jahr werden zwei Untersuchungen im Abstand von einem halben Jahr durchgeführt. Diese Erleichterung ist
aber an die Verpflichtung gebunden, dass z. B. jeder Abort auf Brucellose zu
untersuchen ist. Auf der anderen Seite wurde eine vierteljährliche BoHV1Untersuchung nach der Anerkennung der ersten freien Regierungsbezirke in
Bayern aus Sicherheitsgründen eingeführt, denn die BMU hat eine Schwachstelle: ½ Jahr, bis zur nächsten Untersuchung, gilt ein Bestand als BoHV1-frei
(im Falle der Brucellose/EBL sind es sogar 1½ Jahre). Eine Neuinfektion könnte
sich in diesem Zeitraum unbemerkt ausbreiten. Daher ist die Umsicht des Klinikers gefordert, die Anzeichen einer Infektion frühzeitig zu erkennen und ggf.
entsprechende Abklärungsuntersuchungen einzuleiten.
Die BMU ist leistungsstark, dies wurde bereits mit Zahlen dokumentiert: nur 0,7
% der Bestandsmilchproben waren in 2011 in Bayern BoHV1-nicht-negativ. Auffällig waren regionale Unterschiede, so betrug die Rate nicht-negativer Bestände im Allgäu ca. 3 %. Nachfolgende Blutuntersuchungen ergaben in 50 % der
nicht-negativen Bestände blutserologisch BoHV1-Einzelreagenten, die sich epidemiologisch nicht mit einer BoHV1-Infektion erklären ließen. Kreuzreaktionen
mit BoHV2 lagen vor (Böttcher et al. 2012). Die BoHV1-BMU stieß hier an ihre
Grenzen: der Test ist zwar auf den Nachweis einzelner infizierter Tiere ausgerichtet, nur die Vielzahl der Einzelreagenten, wie sie im Allgäu auftauchten, war
mit einer BoHV1-Infektion nicht mehr vereinbar. Weiterhin wurde eine auffallende Divergenz der Einzelmilch/Blutergebnisse pro Tier beobachtet: nicht alle Tiere, die in der Einzelmilch BoHV1-auffällig waren, wurden auch im Blut bestätigt.
Ist es sinnvoll, die Grenzwerte für die BoHV1-BMU anzuheben, um auf diese
Weise Einzelreagenten auszublenden? Argumente der Ökonomie und der Sicherheit sind hier gegeneinander abzuwägen. Die Rahmenbedingungen haben
sich mit der Anerkennung Bayerns als BoHV1-freie Region gemäß Artikel 10
EG 64/432 geändert. Folgendes Szenario lag der bisherigen Vorgehensweise
zu Grunde: eine freie Herde wird infiziert, sie durchseucht. Bis zur nächsten
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BMU bleibt dieser Fall unerkannt und aufgrund der letzten noch negativen Bestandsmilch gilt dieser Bestand als BoHV1-frei. Ein Rind aus diesem Bestand
dürfte als BoHV1-frei gehandelt und so in eine weitere freie Herde eingestellt
werden. Hier wird es als Einzelreagent wahrgenommen. Es ist gut, dass derartige Einzelreagenten bisher erkannt und entfernt wurden. Mit der Anerkennung
der BoHV1-Freiheit gilt jeder Bestand in der Region als frei. Die Kontrolle findet
jetzt an den Grenzen statt, es muss jedes „importierte“ Tier aus einer nichtBoHV1-freien Region untersucht werden, d.h. der Einzelreagent wird quasi an
der Landesgrenze abgewehrt. Innerhalb der freien Region sollten die Aktivitäten
auf das schnelle Aufspüren von BoHV1-Ausbrüchen ausgerichtet sein. Ein
BoHV1-Ausbruch ist auch mit wenig sensitiven Tests einfach zu diagnostizieren, da eine Neuinfektion mit einer massiven Serokonversion einhergeht: 80 %
Reagenten in einer Herde sind dann nicht ungewöhnlich. Eine höhere Spezifität, die die Einzelreagenten ausblendet, reduziert die Folgekosten (Blutentnahmen, blutserologische Einzeltieruntersuchungen, Sperren der Bestände), sichert das Vertrauen in das Verfahren, eine höhere Frequenz der Untersuchung
steht für die Sicherheit, einen Ausbruchsbestand frühzeitig zu erkennen.
Der BoHV1-gE-Test hat im Vergleich zum gB- oder indirekten Test bereits für
die Blutuntersuchung eine geringere Sensitivität. Aufgrund des kompetitiven
Testprinzips ist er für die Milchuntersuchung nicht geeignet und daher auch
nicht zugelassen. Trotz der mangelhaften Testsensitivität wird der gE-ELISA in
den Niederlanden für die BMU verwendet, die fehlende Sensitivität wird durch
häufigere (monatlich) Untersuchungen der Bestände ausgeglichen (De Witt und
Wellenberg, 1999, Graat et al. 2001). Einzelreagenten werden zwar nicht sicher
aber Ausbrüche mit einer hohen Rate an gE-Reagenten werden dennoch erkannt. In Deutschland versucht man die geringe Sensitivität des gE-ELISA für
die Milch mit Hilfe einer Aufkonzentrierung der Milch auszugleichen, aber dieses Prozedere ist noch recht kosten- und arbeitsintensiv (Schröder et al. 2011).
Es wäre durchaus denkbar die BoHV1-BMU auf ungeimpfte Jungkühe zu beschränken, diese Tiere hätten dann die Funktion von „Sentinel“-Tieren und man
könnte auf die bewährten indirekten Vollvirustests zurückgreifen. Dieser Lösungsansatz ist für Laufställe interessant, in denen der Kontakt der Tiere untereinander gewährleistet ist. Verknüpfte man die Untersuchung auf BoHV1 mit
einer auf BVDV, so ergäbe sich gar ein doppelter Nutzen.
Die BVDV-Bekämpfung in Skandinavien beruhte maßgeblich auf der BMU
(Niskanen et al. 1993). Aber die Rinder wurden nicht geimpft, und die epidemiologischen Rahmenbedingungen waren günstiger als beispielsweise in Deutschland. In Deutschland hat die BVDV-BMU die Impfung zu berücksichtigen, sie ist
außerdem auf die Erkennung persistenter Virämiker ausgerichtet (Böttcher et
al. 2003). Ohne Impfung ist die BVDV-Bekämpfung in Österreich, Südtirol und
der Schweiz bereits weit vorangeschritten, hier denkt man über eine serologische Fortsetzung der Kontrolle nach. BVDV wird mit der Milch ausgeschieden.
BVDV in Milch kann Antikörper abfangen, so dass es zu negativen Ergebnissen
kommt (Obritzhauser et al. 2002), aber es dürfte sich hier um ein eher seltenes
Ereignis handeln. Für andere Infektionen, deren Erreger in der Milch nachgewiesen wurden (z. B. Paratuberkulose und Q-Fieber) wurde dies noch nicht beschrieben.
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Bestandsmilchproben sind ein ideales Probenmaterial für MonitoringUntersuchungen. Die Verbreitung von BTV 8 in Bayern konnte mit Hilfe der
BMU noch vor der Einführung der Impfung elegant dargestellt werden. Zwar
wurden die TSN-Meldungen in Nordwest- und Südwestbayern mit den Ergebnissen des Bestandsmilch-Monitorings bestätigt, es wurden aber sehr viel mehr
positive Bestände in den genannten Regionen vorgefunden.
Die BMU ist ein sehr empfindliches „Screening“, die Kontrolle der Freiheit steht
im Vordergrund. Eine Bestätigung nicht-negativer Resultate ist aber zwingend
erforderlich. Eine gute Übereinstimmung zwischen Blut- und Milchproben wird
vorausgesetzt. Insofern ist die Feststellung wichtig, dass nicht jeder Test für die
Milchuntersuchung geeignet ist. Sind bereits die Bluttests aufgrund der Qualitätsparameter (Sensitivität, Spezifität etc.) unzureichend, so ist es doch fragwürdig, ob die Aussagesicherheit für Einzel- oder gar Bestandsmilchproben
besser wird (siehe z. B. Paratuberkulose/Chlamydien). Die Übereinstimmung
von Blut- und Einzelmilchproben für einen zugelassenen Q-Fieber-ELISA ist
sehr gut. Starke Antikörperreaktionen sind ein Hinweis auf chronische
Hochausscheider. Eine Stichprobe von Bestandsmilchproben wurde auf QFieber-Antikörper untersucht, die Reaktionen wurden entsprechend der Kuhzahl
ausgewertet: der Anteil seropositiver Bestandsmilchproben und die Reaktionsstärke der Bestandsmilch stiegen mit zunehmender Kuhzahl pro Bestand an.
Circa 70 % der Bestände mit 40-50 Kühen wiesen positive Bestandsmilchproben auf. Dieses Monitoring zeigte, dass Q-Fieber in erster Linie ein Problem
größerer Bestände ist. Diagnostisch liefert die BMU für den einzelnen Bestand
jedoch nur eine grobe Einschätzung der Situation, mehr nicht. Für die letztgenannten Infektionen wird die BMU sicherlich zur Zeit noch überschätzt.
Zusammenfassung
Die IgG1-Konzentration in der Milch beträgt 1/20 der Plasmakonzentration. Indirekte ELISA sind für die Milchdiagnostik geeignet, kompetitive Tests sind aufgrund des Testprinzips weniger sensitiv.
Die Bestandsmilchuntersuchung für die Überwachung anzeigepflichtiger Tierseuchen (Brucellose, EBL, BoHV1) ist auf das Erkennen eines schwach positiven Tieres in einem Pool von 50 (BoHV1), 100 (Brucellose) bzw. 250 (EBL) Tieren ausgerichtet.
Trotz dieser hohen Anforderung an die Sensitivität sind deutlich mehr als 99 %
der untersuchten Proben bzw. Bestände negativ (Bayern, 2011).
Es ist eine Überwachungsuntersuchung, daher sind nicht-negative Ergebnisse
über eine Blutuntersuchung zu bestätigen. Eine gute Übereinstimmung von
Blut- und Milchproben pro Tier ist daher notwendig. Nur gute Bluttests sind daher für die Milch geeignet.
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Danksagung
Diese Arbeit enthält Ergebnisse aus Projekten, die durch den Freistaat Bayern
und die Bayerische Tierseuchenkasse finanziell gefördert wurden.
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Die Sektion als Tool in der Diagnostik
Nicole Döhling
Tierärztliche Gemeinschaftspraxis Zeven / Selsingen
Dr. Uwe Holsten, Dr. Erich Heins, Dr. Christian von Holtum
[email protected]
Einleitung
Die Sektion in der Tierkörperbeseitigungsanstalt (TBA) ist eine Möglichkeit, ungeklärte Todesfälle zu untersuchen. In der TBA Mulmshorn im Landkreis Rotenburg/Wümme können Tierärzte eigene Patienten untersuchen oder eine
ortsansässige Praxis mit der Sektion beauftragen. Tierärzte, Landwirte und
auch Hobbytierhalter aus dem gesamten Einzugsgebiet der TBA melden Tiere
zur Sektion an.
Die Sektion in der TBA kann dazu dienen, Einzeltiererkrankungen von einem
Bestandsproblem zu unterscheiden. Todesfälle nach tierärztlichen Behandlungen oder Operationen können aufgeklärt werden. Darüber hinaus ist sie in versicherungstechnischen Fragen (z. B. Schadensersatz nach Blitzschlag) notwendig.
Durchführung
Zur Sektion kommen Tiere, die routinemäßig durch die TBA abgeholt wurden.
Aus tierseuchenhygienischen Gründen betreten die Tierärzte die Sektionshalle
der TBA nicht, sondern stehen räumlich getrennt und überwachen die Sektion
durch ein Fenster. Diese Vorgehensweise reduziert die erforderlichen Hygienemaßnahmen und ermöglicht es, die Sektion in den Arbeitsablauf eines praktizierenden Tierarztes zu integrieren.
Die Sektion wird von Mitarbeitern der TBA auf tierärztliche Anweisung hin
durchgeführt. Es erfolgt eine rein makroskopisch-anatomische Untersuchung
der Tierkörper, der großen Körperhöhlen und der inneren Organe. Nur in wenigen Verdachtsfällen werden Proben zur weiteren Diagnostik entnommen.
Auswertung
Im Zeitraum von Januar 2008 bis Juli 2012 wurden von unserer Praxis 1.106
Sektionen durchgeführt. Im Rahmen dieser Sektionen wurden 799 Rinder, 118
Pferde, 144 Schweine, 42 Schafe und Ziegen, 2 Kleintiere sowie 1 Stück Damwild untersucht. Hierbei konnten in 144 Fällen, meist aufgrund autolytischer
Prozesse, keine Todesursachen festgestellt werden.
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Die im Zeitraum von Januar 2008 bis Juli 2012 durchgeführten Sektionen der
799 Rinder ergaben in 232 Fällen Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes, in
162 Fällen Herz-/Kreislauferkrankungen, in 99 Fällen Erkrankungen des Atmungstraktes, in 62 Fällen Lebererkrankungen, in 48 Fällen war die Todesursache auf innere Blutungen zurückzuführen, 25 Rinder verendeten an Blitz- oder
Stromschlägen, in 18 Fällen waren Erkrankungen der Gebärmutter als Todesursache festzustellen, bei 12 Rindern Parasitosen, in 10 Fällen wurden Eutererkrankungen festgestellt, in 8 Fällen Erkrankungen des Harntraktes, des weiteren wurden 14 Einzelfälle unter der Kategorie sonstige Erkrankungen zusammengefasst und 109 Todesfälle blieben ungeklärt.
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Als Todesursache wurde jeweils die Hauptdiagnose angenommen. Oftmals lagen jedoch mehrere, teilweise einander bedingende, Erkrankungen vor. Zur
Vereinfachung wurden die exakten Diagnosen in den oben abgebildeten Kategorien stark zusammengefasst.
Fazit
Die Sektion in der TBA kann dazu beitragen, die Todesursache eines Tieres
festzustellen, erhebt allerdings aufgrund der eingeschränkten Untersuchungsmöglichkeiten keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie kann im Rahmen der
pathologisch-anatomischen Diagnose Hinweise liefern, die für weitere Untersuchungen bzw. gezielte Probenentnahmen im Herkunftsbestand genutzt werden
können.
Eine Probenentnahme für bakteriologische und virologische Untersuchungen ist
in der TBA aufgrund der großen Zeitspanne zwischen Verenden der Tiere und
Vorstellung zur Sektion wenig sinnvoll und wird nur in begründeten Ausnahmefällen durchgeführt (z. B. Tuberkuloseverdacht).
Bei dem Verdacht einer ansteckenden Tierseuche muss das zuständige Veterinäramt, das dann auch die Untersuchungen übernimmt, eingeschaltet werden.
In dem betrachteten Zeitraum konnte bei 86,4 % der sezierten Rinder die Todesursache festgestellt werden.
Bei eindeutigen Einzeltiererkrankungen, wie z. B. Fremdkörpern, inneren Blutungen, Darmverschlüssen, Geburtsverletzungen etc. ist eine weitere Diagnostik meistens unnötig. Andere Erkrankungen, wie z. B. Labmagenverlagerungen
oder Labmagengeschwüre machen Bestandskontrollen in Bezug auf Fütterung
und Medikamentengaben sinnvoll.
Bei Bestandserkrankungen, wie z. B. Leberegelbefall, der häufig als Nebenbefund festgestellt wird, kann eine sofortige Bestandsbehandlung angeraten werden. Bei Lungenerkrankungen wird eine weitere Diagnostik im Bestand angeraten (gepaarte Serumproben, Trachealspülproben). Ähnliches gilt für Kälberdurchfallerkrankungen (Kotprobenuntersuchungen z.B. via Schnelltests).
Todesfälle nach Behandlungen und Operationen können oftmals geklärt werden.
Das Tier sollte stets bei dem untersuchenden Tierarzt mit einem ausführlichen
Vorbericht (Todeszeitpunkt, vorliegende Untersuchungsergebnisse, Vorbehandlung, Verdachtsdiagnose, weitere Tiere im Bestand erkrankt) angemeldet werden.
Seite 62
Um aussagekräftige Untersuchungsergebnisse zu erhalten, ist es wichtig, das
Tier sofort bei der TBA anzumelden und bis zur Abholung kühl zu lagern (zumindest abgedeckt im Schatten). Häufig kann aufgrund fortgeschrittener Autolyse die Todesursache nicht mehr ermittelt werden.
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Biosecurity für den Rinderpraktiker
– was man tun und was man lassen sollte
Kerstin E. Müller, Klinik für Klauentiere,
Königsweg 65, 14163 Berlin
[email protected]
“Biosecurity is a strategic and integrated approach that encompasses the policy
and regulatory frameworks (including instruments and activities) that analyse
and manage risks in the sectors of food safety, animal life and health, and plant
life and health, including associated environmental risk. Biosecurity covers the
introduction of plant pests, animal pests and diseases, and zoonoses, the introduction and release of genetically modified organisms (GMOs) and their products, and the introduction and management of invasive alien species and genotypes. Biosecurity is a holistic concept of direct relevance to the sustainability of
agriculture, food safety, and the protection of the environment, including biodiversity”. (FAO)
Unter Biosicherheit (Biosecurity) im weiteren Sinne versteht man laut Centers
for Disease Control and Prevention die Disziplin, die sich mit der sicheren
Handhabung und Eindämmung von infektiösen Mikroorganismen und gefährlichen biologischen Materialien beschäftigt. Laut WHO fallen unter den Begriff
der Biosicherheit diejenigen Eindämmungsprinzipien, Technologien und Praktiken, die den Kontakt mit Pathogenen und Giften sowie deren Freisetzung verhindern sollen. Hierzu zählen auch Gefahren, die vom Bioterrorismus ausgehen.
In Bezug auf die Nutztierhaltung fallen unter den Begriff der Biosicherheit all
diejenigen Maßnahmen, die ein Tierhalter ergreifen kann, um eine beabsichtigte
oder unbeabsichtigte Einschleppung von Infektionserregern in seinen Betrieb zu
verhindern. Die Ausbrüche der Maul- und Klauenseuche und der Schweinepest
sind schon fast in Vergessenheit geraten. Das Damoklesschwert des Ausbruchs einer Tierseuche schwebt jedoch permanent über den landwirtschaftlichen Betrieben. In der Vergangenheit konnten einige der auf den Primärausbruch einer Tierseuche folgenden Ausbrüche auf Besucher zurückgeführt werden, die im Zusammenhang mit ihrer Berufsausübung an ein und demselben
Tag verschiedene landwirtschaftliche Betriebe aufgesucht und dabei den Erreger verschleppt hatten. Der Ausbruch der Schweinepest in Ostwestfalen hat
gezeigt, dass sich aus der Verschleppung von Tierseuchen Haftungsansprüche
in Millionenhöhe ergeben können.
Die Prinzipien der Biosicherheit gelten aber nicht nur für die sehr gefürchteten
Tierseuchen wie die MKS oder die Schweinepest, sondern auch für regelmäßig
auftretende Infektionskrankheiten beim Rind. Erreger können über den Zukauf
von Tieren, über Fahrzeuge, Instrumente und Material in den Betrieb eingeschleppt werden. Der Tierarzt gehört zu der Gruppe Personen mit hohem Ge-
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fährdungspotential für die Tierhaltung. Er stellt somit ein Risiko für den landwirtschaftlichen Betrieb dar. Berufsbedingt werden mehrere Betriebe am selben
Tag angefahren. Dabei können Erreger über das Fahrzeug, die Kleidung, die
Instrumente, die Tierarzneimittel und anderes Material von dem einen in den
anderen Betrieb verschleppt werden.
Im Zusammenhang mit der Biosicherheit kann das Gefährdungspotenzial für
landwirtschaftliche Betriebe (Stallings et al. 2002) von Quellen verschiedenster
Natur herrühren:
• biologisch: Bakterien Toxine, Viren Parasiten und Pilze
• chemisch: Kampfstoffe, Pestizide, Rodentizide, Schwermetalle
• physikalisch: Glass, Metall, Plastik, Strahlung
Qualitätssicherungssysteme haben sich in der lebensmittelverarbeitenden Industrie seit Jahren etabliert. Beim HACCP-Konzept (Hazard Analysis Critical
Control Points) handelt es sich laut von Borell et al. (2007) um ein betriebliches
Eigenkontrollsystem, welches durch die Lebensmittelhygieneverordnung vorgeschrieben ist und vor allem der Beherrschung des Produktionsprozesses von
Lebensmitteln dient. Der Prozess der Herstellung von Lebensmitteln soll beherrscht werden, indem im Vorfeld Schwachstellen identifiziert und Risiken definiert werden und geeignete Maßnahmen ergriffen werden um das Risiko einzudämmen. Während die Schweinehalter ihre Betriebe bereits seit Jahren
schützen und mit den Prinzipien des HACCP bestens vertraut sind, ist dieses
Bewusstsein bei Rinderhaltern eher weniger ausgeprägt. Die verschiedenen
Qualitätssicherungssysteme, denen sich Tierhalter mehr oder weniger freiwillig
unterwerfen, schließen das HACCP Prinzip ein, gehen aber im Detail über dessen Anforderungen hinaus. Während in der DDR den Besuchern von Tierhaltungen nicht ohne weiteres Zutritt gewährt wurde, sondern es zunächst einer
Anmeldung an der Pforte bedurfte und nach dem Betreten des Betriebsgeländes eine in Verfahrensvorschriften festgelegte Vorgehensweise befolgt werden
musste, hat man diese wünschenswerten Maßnahmen nach der Wende (aus
Kostengründen und weil es bequemer ist) in den meisten Tierhaltungen abgeschafft. Zäune und Tore sowie Desinfektionswannen, das Kadaverhaus und mit
Duschen ausgestattete Schleusen sind stumme Zeugen aus dieser Zeit.
Aufgrund des oben erwähnten Gefährdungspotenzials muss neben den anderen Besuchern auch der Tierarzt in solche Prozesse eingebunden werden.
Noch besser ist es, wenn Tierärzte dem Tierhalter in Zusammenhang mit Fragen zur Biosicherheit beratend zur Seite stehen. Dabei sollten die folgenden
Aspekte zur Sprache kommen:
•
Zukauf von Tieren: Der Zukauf von Tieren, das Verbringen zu Tiershows
und -kliniken stellt das größte Gefährdungspotenzial für einen Betrieb
dar. Trotz ausdrücklicher Warnungen überzeugen sich die wenigsten
Tierhalter vom Gesundheitsstatus der angekauften Tiere oder betreiben
einen Quarantänestall, denn das Melken und Versorgen der Tiere in solchen Stallabteilen ist arbeitsintensiv und daher lästig. Dennoch sollten
angesichts der vor allem im Nordwesten Deutschlands vorherrschenden
regen Bauaktivität neue Ställe mit einem Quarantänestall versehen wer-
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den. Die Tierhalter sollten darüber hinaus über die Gefahren informiert
werden, die von anderen Tierarten ausgehen, die mit ihren Rindern in
Kontakt kommen. Die Angewohnheit einiger Tierärzte, ihre Hunde anlässlich der Betriebsbesuche mitzuführen, führt immer wieder zu Klagen
seitens der Tierhalter und muss unterbleiben.
•
Zufahrtswege: Die Anzahl Zufahrten auf den landwirtschaftlichen Betrieben sollte auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Dazu bedarf es einer
Zufahrt, die kontrolliert werden kann (verschließbare Tore mit Videokamera, Zäune). Fahrzeuge, von denen eine Gefährdung ausgeht, sollten
außerhalb des Tierbereichs be- und entladen werden können.
•
Personenverkehr: Das betriebseigene Personal, benachbarte Tierhalter
sowie Repräsentanten verschiedenster Unternehmen, Berater, Besamungstechniker, Klauenpfleger und auch Tierärzte, die den Betrieb besuchen, sollten über Informationstafeln erfahren, was von ihnen bei Betreten des Betriebs erwartet wird. Dem Tierarzt sollte vom Tierhalter geeignete Bekleidung (Overalls, (Überzieh-) stiefel) zur Verfügung gestellt
werden, was jedoch in den wenigsten Fällen nachgelebt wird. Tierärzte,
die sich zuvor in Tierhaltungen im Ausland aufgehalten haben, sollten eine Karenzperiode einhalten, bis sie die zur Praxis gehörenden Betriebe
betreten. Extrem wichtig ist das Einrichten einer Hygieneschleuse durch
den Landwirt, denn schon aufgrund der Barrierefunktion wird der unkontrollierte Zutritt durch betriebsfremde Personen vermieden. Bedauerlicherweise sträuben sich viele Tierhalter nach wie vor ohne einen vernünftigen Grund dagegen, eine solche Schleuse einzurichten. Sieht der
Tierhalter - obschon er durch seinen Tierarzt auf die Notwendigkeit der
Einrichtung einer Schleuse hingewiesen wurde - keinen Handlungsbedarf, so hat der Tierarzt seinerseits entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um die Gefährdung möglichst gering zu halten. Verwendet er
Desinfektionsmittel, müssen diese für die Anwendung im Tierbereich
(DVG-Liste) gelistet sein und entsprechend der Hinweise durch den Hersteller angewendet werden.
•
Material: Krankheitserreger können nicht nur durch Menschen und Tiere,
sondern auch über Gebrauchsgüter, Werkzeuge und Produkte eingeschleppt werden, die von Betrieb zu Betrieb mitgeführt werden. Der Tierhalter sollte bestimmte Instrumente wie beispielsweise ein Thermometer,
Injektionspritzen und –kanülen, Material für die Behandlung von Klauenkrankheiten (Klötze, Verbandmaterial), Nasenbremsen sowie Material,
das für die einfache Geburtshilfe benötigt wird, unter hygienischen Bedingungen im Betrieb vorrätig halten. Dennoch ist es immer wieder notwendig. Material in den Tierbereich mitzunehmen. Angebrochene Arzneimittelflaschen, die zudem nach Anbruch nicht korrekt gelagert wurden, oder bei denen nicht die vom Hersteller angegebene Zeitraum zum
Aufbrauchen des Inhaltes eingehalten wurde (Cave! Gleich bei Anbruch
Datum auf der Flasche anbringen) bergen ungeahnte Risiken. Gleiches
gilt für die Herstellung von Infusionslösungen aus Grundsubstanzen unter Verwendung von Leitungswasser.
Seite 66
Immer wieder geben „Massentätigkeiten“ Anlass zu gerichtlichen Auseinandersetzungen. Als Beispiel sei an dieser Stelle die BHV-1 Impfung genannt, die in
den Niederlanden mit dem Ziel eingesetzt wurde, innerhalb weniger Jahre die
BHV-1 Freiheit zu erlangen. Einzelne Chargen der verwendeten Vakzine waren
mit dem BVDV kontaminiert. Nachdem die Quelle entdeckt, die geschädigten
Betriebe identifiziert und durch den Impfstoffhersteller abgefunden worden waren, blieben zahlreiche Betriebe zurück, deren Tierhalter der Meinung waren,
ihre Tiere hätten infolge der Impfung massive Gesundheitsstörungen entwickelt.
Weder die Verwendung der kontaminierten Chargen, noch der Nachweis des
BVD-Virus gelang in diesen Betrieben. Um in den Genuss einer Entschädigung
zu kommen, ließen die Tierhalter in verschiedenen Gerichtsverfahren überprüfen, ob die Modalitäten bei der Impfung korrekt eingehalten worden waren. Im
Einzelnen ging es um die Fragen, ob die Tierärzte kranke oder tragende Tiere
hätten impfen dürfen, ob die „Desinfektion“ an der Einstichstelle notwendig sei,
ob für jedes einzelne Tier eine neue Nadel verwendet werden muss.
Die Bilanz aus verschiedenen Prozessen war wie folgt: primär ist den Ausführungen des Herstellers in der Packungsbeilage Folge zu leisten. Wenn nicht
anders aufgeführt, kann pro epidemiologische Einheit (Stallabteilung) ein und
dieselbe Nadel verwendet werden. Eine chirurgische Vorbereitung der Einstichstelle ist dem Tierarzt nicht zuzumuten (selbst, wenn die Packungsbeilage die
Injektion unter sterilen Kautelen vorschreibt). Der Tierhalter sollte allerdings
dem Tierhalter die Wahl überlassen, ob eine Reinigung der Einstichstelle erfolgen soll und, ob für jedes Tier eine eigene Nadel verwendet werden soll. Dieses
muss selbstverständlich bei der Rechnungslegung entsprechend berücksichtigt
werden.
Schlussfolgerung
Die hohe Dichte von tierhaltenden landwirtschaftlichen Betrieben sowie die
Vergrößerung der einzelnen Tierbestände machen es notwendig, dass die Tierhalter Maßnahmen ergreifen, die verhindern, dass in ihre Betriebe Infektionserreger eingeschleppt werden. Darüber hinaus verlangen die verschiedenen Qualitätssicherungssysteme Maßnahmen bezüglich der Biosicherheit. Tierärzte sollten mit gutem Beispiel voran gehen und den Tierhalter bei der Bewältigung dieser Aufgabe beratend unterstützen.
Zur Information:
http://www.cals.ncsu.edu/an_sci/extension/dairy/Slenning%20handout.PDF
Literatur
Von Borrell, E., Herrmann, H.-J., Knierim, U., Müller, Chr., Richter, Th., Sanftleben, P., Schäffer, D., Schulze, V. und Sundrum, A. (2007): Kritische Kontrollpunkte (CCP) in der Rinderhaltung – ein Konzept zur betrieblichen
Seite 67
Eigenkontrolle für die Bereiche Tierschutz, Tiergesundheit und Management. Züchtungskunde 79, 329-338.
www.fao.org
Noordhuizen, J., Cannas da Silva, J., Boersema, S.-J., Vieira, A. (2008):
Applying HACCP-based Quality Risk Management on Dairy Farms.
Wageningen Academic Publishers, Wageingen, The Netherlands.
Stallings C. C., Gwazdauskas F. C., and Jones, G. M. (2002): Farm Security "Treat it Seriously," Security for Animal Agriculture: Prevention. Extension Specialists, Department of Dairy Science. Virginia Tech Publication
Number 445-001. 2002. http://www.ext.vt.edu/pubs/farmsecurity/445001/445-001.html
Seite 68
Seite 69
BHV-1: Perspektiven der Eradikation
Patricia König1, Detlef Höreth-Böntgen2, Martin Beer1
1-Friedrich-Loeffler-Institut, Institut für Virusdiagnostik, Greifswald-Insel Riems
2-Friedrich-Loeffler-Institut, Institut für Epidemiologie, Wusterhausen
[email protected]
Der Grundstein für die BHV-1 Bekämpfung in Deutschland wurde im Jahr 1986
gelegt, als in den ersten Bundesländern freiwillige Programme zur Kontrolle der
Infektion ins Leben gerufen wurden. Landwirtschaftsorganisationen, Zuchtverbände Rindergesundheitsdienste und Tierseuchenkassen initiierten die systematische Erhebung von Antikörperprävalenzen, Biosecurity- und Hygienemaßnahmen sowie Impfkampagnen.
Bis heute stützt sich die BHV-1 Bekämpfung auf zwei unterschiedlichen Strategien, die initial je nach Ausgangsprävalenz zum Einsatz kamen und in der Folge
dem aktuellen Fortschritt der Bekämpfung angepasst wurden: In Bundesländern, Regionen bis hin zu einzelnen Herden mit niedriger Seroprävalenz zielt
die sogenannte “konventionelle Bekämpfung” ohne den Einsatz von Impfstoffen
auf die Selektion Antikörper-negativer Tiere. In Gebieten mit hoher Seroprävalenz stützt sich die BHV-1 Eradikation dagegen in erster Linie auf die Verdrängung von Feldviren durch die Etablierung eines flächendeckenden Impfschutzes mittels Glykoprotein E- (gE-) deletierter Marker-Impfstoffe.
Im weiteren Verlauf der Eradikation wurde BHV-1 im Jahr 1997 durch den Erlass der “Verordnung zum Schutz der Rinder vor einer Infektion mit dem Bovinen Herpesvirus Typ 1” (BHV1-Verordnung) als anzeigepflichtige Erkrankung
klassifiziert. Seit 1998 sind stetig abnehmende Fallzahlen zu verzeichnen. Nach
den ersten Erfolgen wurde das Programm im Jahr 2001 zu einem offiziell von
der EU-Kommission anerkannten, verpflichtenden und deutschlandweiten Programm ausgebaut. Die BHV-1 Verordnung wurde inzwischen mehrmals überarbeitet, seit Dezember 2001 gilt neben der Anzeigepflicht auch die Untersuchungspflicht für alle weiblichen und männlichen zur Zucht vorgesehenen Rinder, die älter als 9 Monate sind. Seit November 2004 wurde die gezielte Bekämpfungspflicht (unverzügliche Selektion bzw. Impfung) der BHV-1 Reagenten
verbindlich festgelegt.
Stringenz und Erfolge der BHV-1 Kontrolle führten im Jahr 2004 zu Anerkennung des sogenannten “Artikel 9” Status nach EU-Richtlinie 64/432/EEC. Damit
werden Deutschland zusätzliche Handelsgarantien zugesprochen.
Dem langfristigen Ziel der BHV-1 Bekämpfung, dem Erreichen und der Anerkennung des Status der „Freiheit von BHV-1“ auf nationaler Ebene (sog. „Artikel
10 Status“ nach der EU-Richtlinie 64/432/EWG), ist die Bundesrepublik
Deutschland im letzten Jahr mit der „Artikel 10 Anerkennung“ für den gesamten
Seite 70
Freistaat Bayern im Oktober 2011 erheblich näher gekommen. Vorreiter waren
im Jahr 2007 zunächst die bayerischen Regierungsbezirke Oberpfalz und Oberfranken. Als mittelfristige Zielsetzungen bleiben die kontinuierliche Zunahme
BHV-1-freier Bestände sowie der Schutz bereits freier Bestände vor Neuinfektionen bestehen.
Die Analyse des Bekämpfungsfortschrittes verdeutlicht, dass nach dem von der
EU Kommission offiziell anerkannten BHV-1 freien Bayern besonders SachsenAnhalt, Brandenburg, Thüringen, Baden-Württemberg und die Stadtstaaten
sehr weit auf dem Weg der BHV-1 Eradikation fortgeschritten sind. Der Status
„BHV-1 Freiheit“ scheint für diese Länder in naher Zukunft erreichbar. Weitere
Länder haben inzwischen aufgeschlossen, einige müssen jedoch noch große
Anstrengungen unternehmen, um Deutschland dem Ziel des amtlich anerkannten Status als frei von BHV-1 näherzubringen. Dabei ist nach wie vor zwischen
Bundesländern, deren Rinderbestände ohne Impfung oder nach Abschluss von
Impfprogrammen nahezu frei sind oder Bundesländern, in denen nach jahrelanger Impfung mit Markerimpfstoffen nahezu alle Rinder gE-Antikörper-frei
sind, zu unterscheiden.
Labordiagnostische Untersuchungen
Im Jahr 2011 war ein erheblicher Rückgang der serologischen Untersuchungszahlen im Vergleich zum Vorjahr festzustellen, während das Probenaufkommen
der Bestandskontrollen über Sammelmilchproben erheblich zugenommen hat.
Die serologischen Untersuchungen von Blut- oder Einzelmilchproben der Landesuntersuchungsämter verringerten sich gegenüber dem Jahr 2010 um
183.018 Proben von 3,79 Millionen auf 3,61 Millionen Proben bei einer damit
einhergehenden Abnahme der gestesteten Bestände (70.037 im Jahr 2011 gegenüber 71.406 im Jahr 2010). Bei den Sammelmilchproben war die Zunahme
des Probenaufkommens mit einer Abnahme der beprobten Bestände gekoppelt.
Im Jahr 2011 wurden 67.919 Milch- und Mutterkuhbestände getestet, 705 Bestände weniger als im Vorjahr (68.624). Die Zunahme von Poolproben betrug
im Berichtszeitraum 7.440 Sammelmilch-Pools (304.283 im Jahr 2011 verglichen mit 293.909 im Jahr 2010).
Untersuchungen im Referenzlabor der Welttiergesundheitsorganisation
(OIE) und im Nationalen Referenzlabor
Im Jahr 2011 wurden dem OIE - und Nationalen Referenzlabor (NRL) für BHV-1
3.232 Blut- und Milchproben sowie sonstige Proben (Organ- oder Zellkulturmaterial, Nukleinsäurenextrakte) zur BHV-1-Abklärung im Zuge hoheitlicher Amtshilfe übersandt bzw. zu Forschungszwecken weitergeleitet. Die Schwerpunkte
lagen dabei auf Bestätigungsuntersuchungen zum Nachweis von gEspezifischen Antikörpern, denn im Berichtszeitraum kam es im Bereich der gEMarkerdiagnostik zu deutlichen Irritationen. Ein sensitiver und spezifischer
Nachweis einer Feldvirusinfektion in markergeimpften Tieren ist ausschließlich
durch den Einsatz von gE-blocking ELISA-Systemen möglich. Bedingt durch die
Seite 71
patentrechtliche Situation ist in Deutschland jedoch nur ein einziger kommerzieller gE-ELISA-Test zugelassen. Das bedeutet für die Praxis, dass gegenwärtig kein kommerzieller Bestätigungstest zur Verfügung steht.
Sofern unstimmige Untersuchungsergebnisse weder durch Testwiederholung
noch durch den Einsatz unterschiedlicher Testchargen abgeklärt werden können, sollte nach 3 - 4 Wochen eine Folgeprobe der betroffenen Tiere untersucht
werden. Gerade bei der Beurteilung grenzwertiger Proben kann die Verwendung unterschiedlich empfindlicher Testchargen zu widersprüchlichen Ergebnissen führen. Daher ist für die Bewertung der Testergebnisse immer die betriebsbezogene Überprüfung der epidemiologischen Plausibilität ausschlaggebend.
Im Herbst des Jahres 2011 wurde vom Testhersteller ein modifizierter Probenverdünnungspuffer (2. Generation) eingeführt, der sich im Vorfeld durch eine
Steigerung der Testspezifität ausgezeichnet hatte. Erst bei der breiten Anwendung offenbarten sich Probleme im Hinblick auf die Spezifität bei der Testung
frischer Proben, wie sie insbesondere für Exportuntersuchungen herangezogen
werden. Durch Aufbewahrung der Proben über 3 bis 5 Tage oder durch einen
„Gefrier-/ Auftau-Zyklus“ mit anschließender Hitzeinaktivierung (30 min bei
56°C) zur Eliminierung von unspezifischen Matrixeff ekten in Serumproben
konnten die teilweise erheblichen unspezifischen Reaktionen beseitigt werden.
Eine erneute Umstellung des Probenverdünnungspuffers (3. Generation) führte
dann zur Lösung des „Frischeproblems“ und erzielte darüber hinaus die angestrebte Erhöhung der Spezifität des gE-Tests.
Stand der BHV-1 Bekämpfung in Deutschland
Bundesebene
Der Trend der letzten Jahre hat sich auch im Jahr 2011 fortgesetzt. Der kontinuierlichen Zunahme freier Bestände steht eine deutschlandweite stetige Abnahme Rinder haltender Betriebe gegenüber. Die Auswertung der Meldungen der
Bundesländer zur BHV-1 Sanierung ergibt für das Jahr 2011 für den Milch- und
Mutterkuhbereich und deren weibliche Nachzucht folgenden Stand:
92,3 % oder 132.592 Bestände waren BHV-1 frei (oder BHV-1-gEAntikörper-frei), dies entsprach einer Zunahme der freien Bestände um
2,0% gegenüber dem Vorjahr, bei einem Rückgang Rinder haltender Betriebe um 2.694;
5,0 % oder 7.118 Bestände befanden sich in der Sanierung, dies war ein
weiterer Rückgang von 1,3 % gegenüber dem Jahr 2010. Dabei haben die
in der Sanierung befindlichen Bestände um 24,2 %, von 9.393 auf jetzt
7.118 Betriebe, abgenommen;
2,7 % oder 3.902 Betriebe fielen nach wie vor unter die Kategorie „Sonstige nicht BHV-1 freie Bestände“, ein deutlicher Rückgang um 0,7 % im
Vergleich zum Vorjahr.
Die Rinderzahlen für den gleichen Zeitraum stellen sich wie folgt dar:
Seite 72
Der bei den Rinderhaltungen beobachtete Rückgang hat sich auch bei den
Tierzahlen niedergeschlagen. Die Rinderzahlen im Milch- und Mutterkuhbereich haben im Vergleich zum Jahr 2010 um weitere 212.503 Tiere abgenommen. Nach Auswertung der Ländermeldungen betrug der Rinderbestand im Milch- und Mutterkuhbereich unter Einschluss der Nachzucht
und der speziellen Jungrinderaufzucht 10,94 Millionen Rinder (11,15 Mio.
im Jahr 2010) verteilt auf 143.612 Betriebe gegenüber 149.693 Betriebe
im Vorjahr;
87,8 % oder 9,6 Mio. Rinder befanden sich im Jahr 2011 in BHV-1-freien
oder BHV-1-gE-Antikörper freien Beständen; ein Sanierungsfortschritt von
3,0 % gegenüber dem Jahr 2010;
10,5 % oder 1,15 Mio. Rinder waren in Sanierungsbeständen, eine Abnahme um 2,5 % verglichen mit dem Vorjahr;
1,7 % oder 190.194 Rinder wurden der Kategorie „Sonstige Bestände“ zugeordnet, ein deutlicher Fortschritt im Sanierungsprozess, denn im Vergleich zum Vorjahr haben in diesem Bereich nicht nur die Bestandszahlen
abgenommen (s. o.), sondern auch die absoluten Tierzahlen, nämlich um
22,5 % oder um 55.316 Tiere.
Tab. 1:
Festgestellte Neuausbrüche von BHV-1 Infektionen in Deutschland
(Quelle: TSN, Stand: 03.05.2012)
Neue
Ausbrüche
Jahr der Meldung
98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11
285 232 21 127 113 125 70 52 31 32 25 41 38 28
Der Bekämpfungsfortschritt im Zeitraum von Ende Dezember 2010 bis Ende
Dezember 2011 ist in Abbildung 1 dargestellt.
Länderebene
Auf Ebene der Bundesländer hat sich der Trend der letzten Jahre fortgesetzt.
Die Flächenländer mit dem höchsten Anteil freier Bestände und freier Rinder
nach Bayern sind Sachsen-Anhalt (98,76 / 97,30%), Brandenburg (96,90 /
95,40%) und Baden-Württemberg (92,73 / 91,65%). Zu Bayern (99,09 /
99,38%) ist festzuhalten, dass die Artikel 10 Anerkennung 2011 unter Einrechnung der Freiheit bei den Mastbeständen erfolgt ist. Die Zahlenwerte in der
Klammer beziehen sich nur auf die Milch- und Mutterkühe, inklusive deren
Nachzucht und der spezialisierten weiblichen Jungrinderaufzucht. Man kann
und muss inzwischen davon ausgehen, dass in Bayern jetzt eine vollständige
BHV-1 Freiheit (100%) erreicht ist. Sachsen (93,14 / 80,11%), Thüringen (92,50
/ 76,01%), Niedersachsen (90,37 / 85,82%) und Mecklenburg-Vorpommern
(90,13 / 84,80%) haben bei den freien Beständen und freien Tieren erheblich
aufgeholt. In den Ländern Hessen (86,41 / 87,05%), Rheinland-Pfalz (85,48 /
82,78%) und Nordrhein-Westfalen (85,59 / 78,37%) ist die Sanierung ebenfalls
deutlich fortgeschritten. Die drei Stadtstaaten Hamburg (98,98 / 96,43%), Bre-
Seite 73
men (97,78 / 98,04%) und Berlin (63,64 / 97,91%) stellen mit ihren wenigen Beständen Sonderfälle dar.
Anteil Rinder in BHV1-Kategorien
Stand: 31.12.2010
n = 11.147.933
Anteil Bestände in BHV1-Kategorien
Stand: 31.12.2010
n = 149.693
90,4%
84,8%
13,0%
6,3%
BHV1-frei
3,4%
Stand:
2,2%
in Sanierung
31.12.2011
n = 143.612
sonstige Bestände
Stand:
31.12.2011
n = 10.935.430
92,3%
87,8%
10,5%
5,0%
2,7%
Abb. 1:
1,7%
Stand der BHV-1 Bekämpfung bei Milch- und Mutterkühen inklusive Nachzucht und spezialisierter weiblicher Jungrinderaufzucht
(ohne Mastbestände und Masttiere) Deutschlands zu unterschiedlichen Zeitpunkten
Der Schwerpunkt der BHV-1 Bekämpfung liegt nun bei Schleswig-Holstein
(76,79 / 69,15%) und dem Saarland (76,53 / 75,40%).
Es bleibt positiv festzuhalten, dass alle Länder mit Ausnahme von Berlin im
Jahr 2011 mehr oder weniger erhebliche Fortschritte in der BHV-1 Sanierung zu
verzeichnen haben.
Unverändert bestehen folgende Problemfelder der BHV-1 Bekämpfung:
unzureichende zeitnahe Merzung von Reagenten nach der positiven Befundung;
unzureichender und nicht konsequenter Impfstoffeinsatz in Betrieben und
Gebieten mit hoher BHV-1 Prävalenz (keine zeitnahe Impfung nach positiver Testung, Beschränkung nur auf Reagenten- oder Teilbestandsimpfung);
diagnostische Defizite (hoher Untersuchungsaufwand für geimpfte Tiere;
Einzelblutproben zum Nachweis von gE-Antikörper, kein ausreichend
sensitiver und spezifischer gE-Antikörpertest für Milchproben, kein Bestätigungstest für den gE-AK Nachweis, Verfügbarkeit eines einzigen
kommerziellen gE-Tests);
Seite 74
76,8
53,2 + 36,9
65,5 + 11,3
90,1
99,0
99,0 + 0
97,8
90,0 + 7,8
90,4
63,6 63,6 + 0
81,4 + 9,0
97,4 + 1,4
98,8
96,9
93,3 + 3,6
85,6
83,7 + 9,5
77,2 + 8,4
76,3 + 18,2
86,4
93,1
92,5
84,1 + 2,3
≥ 60,0 %
≥ 80,0 %
≥ 90,0 %
84,3 + 1,2
85,5
blaue Zahlen = frei ohne Impfung
rote Zahlen = frei mit Impfung
76,5
76,1 + 0,4
99,1
92,7
99,0 + 0,0
91,0 + 1,8
Abb. 2:
Übersicht über BHV-1-freier Bestände nach Bundesländern mit
Anteilen geimpfter und ungeimpfter Bestände bezogen auf Gesamtzahl am Sanierungsprogramm beteiligter Bestände (Stand
31.12.2011)
Häufigkeit falsch positiver Testergebnisse nimmt mit zunehmender BHV1-Freiheit bei unveränderter Spezifität der Testsysteme zu. Hier bleibt
daher nur die Prüfung der epidemiologischen Plausibilität als zusätzliche
Maßnahme der Status-Bewertung eines BHV-1-Impfbetriebes;
„Pseudoimpflinge“ z. B. durch unspezifische Reaktionen, Kreuzreaktionen mit anderen Herpesviren oder durch kontaminiertes Impfbesteck
(Makoschey und Beer, 2004). In Bayern wurde daher ein neues Konzept
zur Untersuchung und Beurteilung von epidemiologisch unplausiblen
Einzelreagenten in Artikel 10 Gebieten entwickelt. Nach eingehender
Prüfung und Beurteilung können die zuständigen Veterinärbehörden
beim Auftreten von nicht negativen konventionellen Antikörpertests (Voll-
Seite 75
virus-/gB-ELISA), die sich epidemiologisch nicht erklären lassen, eine
zusätzliche Untersuchung im BHV-1 gE-blocking ELISA anordnen. Bei
der Beurteilung des Testergebnisses wird der geringeren Sensitivität des
gE-Tests Rechnung getragen, indem ein deutlich erhöhter Cut-off von
P/Nk (Ratio Probe zu Negativkontrolle): 0,95 statt 0,60 angesetzt wird.
Statuserhalt freier Betriebe in „nicht freien“ Regionen
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass trotz aller bestehenden Probleme
bei der BHV-1 Bekämpfung ein kontinuierlicher Fortschritt erzielt worden ist, der
auch für weitere Länder eine baldige Erreichbarkeit des „BHV-1 freien Status“ in
Aussicht stellt (Impfausstieg in Sachsen-Anhalt, Reagentenselektion in Thüringen). Eine bundesweite Erreichung dieses Zieles erfordert die konsequente
Umsetzung der in den letzten Jahren gewonnenen Erfahrungen und deren Weiterentwicklung.
Literatur
Höreth-Böntgen, D., Kämer, D., König, P., Beer, M. (2012): Bovine Herpesvirus
Typ 1-Infektion (alle Formen) – Infectious Bovine Rhinotracheitis. Tiergesundheitsjahresbericht 2011; Friedrich-Loeffler-Institut; Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit.
European Commission – DG Health & Consumers (2011) – 2009 Annual report
on notifiable diseases of bovine animals and swine (within the framework
of Article 8 of Council Directive 64/432/EEC). Directorate D – Animal
Health and Welfare, D1 – Animal Health and Standing Committees,
Chapter 3, Table 3.4 Infectious Bovine Rhinotracheitis, pages 21-22.
European Commission – DG Health & Consumers (2009) – 2008 Annual report
on notifiable diseases of bovine animals and swine (within the framework
of Article 8 of Council Directive 64/432/EEC). Directorate D – Animal
Health and Welfare, D1 – Animal Health and Standing Committees,
Chapter 3, Table 3.4 Infectious Bovine Rhinotracheitis, pages 21-22.
Makoschey B., M. Beer (2004): Assessment of the risk of transmission of vaccine viruses by using insufficiently cleaned injection devices. Vet. Rec.
155, 563-564.
Seite 76
Seite 77
Chlamydien beim Rind – die Essentials
Petra Reinhold
Institut für molekulare Pathogenese im Friedrich-Loeffler-Institut (FLI), Jena
[email protected]
Erreger
Chlamydien sind gram-negative Bakterien, die ein breites Wirtsspektrum aufweisen und sowohl bei Tieren als auch beim Menschen mit einer Vielzahl von
Erkrankungen der unterschiedlichsten Organsysteme assoziiert sind. Da sie
außerdem über ein zoonotisches Potenzial verfügen können, sind sie sowohl
für die Human- als auch für die Veterinärmedizin von großer epidemiologischer
Bedeutung.
Als obligat intrazelluläre Bakterien vermehren sich Chlamydien ausschließlich
innerhalb einer Wirtszelle. Für ihren Lebenszyklus sind sie deshalb auf Substrate der Wirtszelle angewiesen, beeinflussen aber auch ihre Wirtszellen hinsichtlich Zellzyklus, Stoffwechsel und Antigenpräsentation. Der 2 bis 3 Tage andauernde Entwicklungszyklus von Chlamydien ist zweistufig. Außerhalb der Wirtszellen existieren sie als Elementarkörperchen (EK) von ca. 0,2 bis 0,4 µm
Durchmesser. Diese infektiösen, aber metabolisch inaktiven, kokkoiden Elementarkörper dringen in die Wirtszelle ein. Nach Aufnahme bilden sich in der
Zelle vakuolenartige Einschlüsse (inclusions), in denen sich die EK in Retikularkörperchen (RK) umwandeln. Die pleomorphen Retikularkörper besitzen einen
aktiven Stoffwechsel und vermehren sich intrazellulär durch Zweiteilung, sind
aber nicht infektiös. Zum Abschluss eines Zyklus bzw. vor dem Tod der Wirtszelle wandeln sich die RK wieder in EK um, die nach Ruptur des Einschlusses
frei werden und neue Zellen infizieren können.
Prävalenz und Erregernachweis im Bestand
Serologische Untersuchungen in Rinderbeständen offenbarten Prävalenzen
zwischen 50 – 100 % und belegten somit ein nahezu ubiquitäres Vorkommen
chlamydialer Infektionen beim Rind (Reinhold et al. 2011). Die bisher beim Rind
diagnostizierten Chlamydia (C.) spp. umfassen C. pecorum, C. abortus,
C. psittaci sowie C. suis. Mischinfektionen mit mindestens zwei chlamydialen
Spezies innerhalb einer Herde und selbst innerhalb eines Tieres sind keine Seltenheit.
Im Herdendurchschnitt nehmen mit zunehmendem Alter der Tiere die Antikörpernachweise im Serum zu, während bei Jungtieren positive PCR-Befunde
überwiegen. Dennoch sind weder mit serologischen Methoden noch mit direkten Erregernachweisen alle infizierten Tiere sicher zu detektieren!
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•
•
Hierfür ist unter anderem die intermittierende Ausscheidung des Erregers
verantwortlich (positive Serologie bei negativem Erregernachweis).
Wiederholte positive Antigennachweise bei anhaltend negativer Serologie hingegen erklären sich einerseits aus der Fähigkeit von Chlamydien,
die humorale Wirtsantwort zu unterlaufen, und andererseits aus Mängeln
in der diagnostischen Sicherheit der zurzeit verfügbaren serologischen
Tests.
Klinisches Bild (traditionelle Betrachtung)
Im klassischen Schrifttum gelten Chlamydien-Infektionen des Rindes als seltene Ereignisse mit imposanter klinischer Manifestation. Akute klinische Krankheitsbilder mit schweren Verlaufsformen sind am häufigsten als sporadische
Aborte bei Kühen und Polyarthritiden bei Kälbern benannt.
Da Chlamydien prinzipiell in der Lage sind, nahezu jedes Organsystem zu infizieren, werden auch Enzephalomyelitiden, Keratokonjunktivitiden, Pneumonien,
Enteritiden, Vaginitiden oder Endometritiden mit den Erregern in Verbindung
gebracht. Die individuelle Empfänglichkeit des betroffenen Wirtes scheint bei
der Organmanifestation eine nicht zu unterschätzende Rolle zu spielen.
Pathogenetische und ökonomische Bedeutung (aktuelle Betrachtung)
Da die häufigen Nachweisraten chlamydialer Infektionen in Rinderbeständen im
klaren Missverhältnis zu den selten vorkommenden o. g. akut verlaufenden Erkrankungen stehen, bedarf die Bewertung der ätiologischen und pathogenetischen Bedeutung von Chlamydien im Rind einer Revision.
Gezielte Feldstudien wie auch experimentelle Untersuchungen der letzten 5 10 Jahre haben gezeigt, dass die Mehrzahl der Fälle boviner chlamydialer Infektionen als chronisch-persistierende Erkrankungen infolge rekurrierender Infektionen oder Reaktivierungen vorhandener Infektionen anzusehen sind, die in
ihrer klinischen Ausprägung wenig prominent erscheinen. Trotz klinischer Inapparenz vollziehen sich jedoch in den Organsystemen mit chlamydialer Besiedlung diverse strukturelle und funktionelle Veränderungen, die den allgemeinen
Gesundheitsstatus der betroffenen Tiere nachhaltig beeinträchtigen. Typische
Beispiele hierfür sind subklinische Mastitiden und Fruchtbarkeitsstörungen bei
Milchkühen oder Beeinträchtigungen von Lungen- und KörpermasseEntwicklung bei Kälbern (De Graves et al. 2004, Biesenkamp-Uhe et al. 2007,
Jaeger et al. 2007, Reinhold et al. 2008).
Chlamydiale Infektionen in Rinderherden manifestieren sich demzufolge selten
als Einzeltiererkrankungen, beeinträchtigen aber nachhaltig das allgemeine
Leistungspotenzial der Herde. Direkte Vergleiche zwischen Chlamydienpositiven und Chlamydien-negativen Herden offenbarten, dass die Präsenz
chlamydialer Infektionen im Bestand unter anderem mit einer signifikant verminderten durchschnittlichen Milchleistung, weniger Laktationsperioden pro Kuh
Seite 79
sowie erhöhten Raten an Aborten, Frühgeburten und perinatalen Kälberverlusten assoziiert sind (Kemmerling et al. 2009). Demzufolge haben chlamydiale
Infektionen in Rinderbeständen eine größere ökonomische Bedeutung als bislang angenommen.
Diagnostik
Direkter Erregernachweis
Anzucht
Auf normalen Nährmedien sind Chlamydien nicht anzüchtbar, weshalb sie in
einer bakteriologischen Routineuntersuchung nicht erfasst werden. Die traditionelle Anzüchtung mit Hilfe von Zellkulturen wird nur in Speziallaboratorien mit
entsprechenden Erfahrungen durchgeführt.
Molekularbiologischer Nachweis
Erst nach dem Einzug DNA-basierter Nachweismethoden in den neunziger Jahren eröffneten sich Möglichkeiten für schnelle Direktnachweise aus klinischem
Probenmaterial. Zusätzlich zu PCR-Techniken erfuhr die Chlamydiendiagnostik
eine Weiterentwicklung in Form von DNA-Mikroarraytests. Mit deren Hilfe ist
nicht nur der Nachweis, sondern auch die gleichzeitige Differenzierung von
Chlamydien möglich (Erkennung von Mischinfektionen mit zwei oder mehr unterschiedlichen Chlamydienspezies).
Nachweis von Antikörpern gegen Chlamydien
Serologische Testsysteme (Antigen-ELISAs) erfassen die gesamte Familie der
Chlamydiaceae, erlauben aber derzeit noch keine Differenzierung zwischen
chlamydialen Spezies. In Sensitivität und Spezifität sind sie sowohl dem kulturellen Nachweis als auch der PCR unterlegen. Sie sind mit Einschränkungen
zum Screening von Herden – aber kaum für die Einzeltierdiagnostik – geeignet.
Spezies-spezifische Testverfahren stehen bislang kommerziell nicht zur Verfügung.
Fazit: Der sichere Nachweis von Chlamydieninfektionen ist nicht trivial. Bei unklaren Befunden wird empfohlen, Kontakt zum Referenzlabor (FLI, Jena) aufzunehmen.
Seite 80
Bekämpfung
Antimikrobielle Behandlung
Chlamydien können unter dem Einfluss antimikrobieller Substanzen in einen so
genannten ‚persistenten’ Zustand überwechseln, welcher durch eine abberante
(vergrößerte) Morphologie der Retikularkörper gekennzeichnet ist. Es wird angenommen, dass diese Modifikation im Entwicklungszyklus der Chlamydien das
langfristige Überleben im Wirtsorganismus sichert (Gefahr von chronischpersistierenden Infektionen infolge ‚phänotypischer Resistenz’!). Die Bekämpfung chlamydialer Infektionen mit Antibiotika sollte deshalb nur im begründeten
Ausnahmefall – z. B. zur Therapie akuter Infektionen bei Einzeltieren – in Betracht gezogen werden. Makrolide, Tetrazykline oder Chinolone sind dann hoch
dosiert und ausreichend lange zu verabreichten.
Management
Faktoren des Herdenmanagements haben einen signifikanten Einfluss auf das
Risiko von Chlamydien-Infektionen in Rinderbeständen (Tabelle 1). Die Anhebung des allgemeinen Hygienestatus und der Sauberkeit im Betrieb sind deshalb essentielle Bestandteile jeglicher Bekämpfungskonzepte.
Tab. 1:
Faktoren, die signifikant mit dem Vorkommen von Chlamydien
n Rinderbeständen assoziierte sind (Jee et al. 2004, Kemmerling
et al. 2007)
Managementfaktoren im Bestand
Organisation
Hygienemängel
Tiergesundheit
Populationsdichte
Infektionsdruck
Zukauf von Tieren (extern)
Zuchtbullen statt künstl. Besamung
Fehlen separater Abkalbeboxen
Einstreu/Liegeflächen ↓↓
Treibwege ↓↓
Sauberkeit der Tiere ↓↓
Sauberkeit des Vaginalbereiches ↓↓
Klauen- und Gliedmaßenprobleme
Gelenkprobleme
Kälber: ‚Crowding‘ Effekt
(Gruppengröße ↑↑)
Prozent infizierter Tiere im Bestand
chlamydiale Genome / Tier ↑↑
Risiko für
Chlamydien
2,3 fach
2,6 fach
erhöht
erhöht
erhöht
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Vakzinierung
Die klassische Prophylaxe durch Vakzinierung – mit dem Ziel der Eliminierung
des Erregers aus dem Bestand bzw. des Schutzes der Tiere vor Infektion mit
dem jeweiligen Erreger – steht für Chlamydien nicht zur Verfügung. Zwar belegen Studien, dass mittels ‚therapeutischer Impfung’ der Gesundheitszustand in
betroffenen Herden verbessert und die ökonomischen Verluste reduziert werden können, jedoch ist derzeit kein Impfstoff zur Anwendung am Rind zugelassen.
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young cattle. Vet. J. 175, 202-211.
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chain reaction prevalence, disease association, and risk factors identified
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calves. J. Clin. Microbiol. 42, 5664-5672.
Seite 82
Seite 83
Paratuberculosis control: diagnostic possibilities
and the impact of the prevalence
Ivo Pavlik1, Petr Kriz1, Lucie Hasonova1,2
1
Veterinary Research Institute, Brno, Czech Republic,
Faculty of Agriculture, University of South Bohemia,
Ceske Budejovice, Czech Republic
2
[email protected]
1. Introduction
The control of paratuberculosis in a herd is a long and exacting process limited
by a long incubation period of the disease and some features of the causative
agent of the disease Mycobacterium avium subsp. paratuberculosis (MAP);
e.g., the ability of MAP to survive in the environment for a long time, its slow
growth and complete inability of some MAP strains to grow on culture media in
vitro. Another complicating factor is a wide range of hosts among both ruminants and other vertebrates (e.g. wild rabbits) in addition to cattle. Last but not
least, the whole process of MAP control in cattle is complicated due to low sensitivity and specificity of diagnostic tests, their laboriousness and above all high
cost.
The control of paratuberculosis should not be underestimated due to prolonged
duration of the subclinical stage of the disease; the losses arising from this disease can be masked (Ayele et al., 2001). Then it is difficult to substantiate the
costly control programmes and such programmes are not attractive for many
herd owners (Kennedy and Benedictus, 2001) even though the financial losses
in herds subclinically infected with MAP are often considerable and hardly expressible in numbers (Hasonova and Pavlik, 2006).
Optimizing the overall economic benefit from a paratuberculosis control programme depends on many factors – within herd prevalence, cost of the diagnostic test, accuracy of the diagnostic test, action taken by the producer based
on test results, level of sanitation on the farm (calf rearing hygiene in particular)
and the economic state of the dairy industry: milk price, cull cow price and cost
of herd replacements (Dorshorst et al., 2006).
2.
Control programmes
Since MAP discovery in 1895 a great effort was made in different countries to
reduce the prevalence of paratuberculosis in cattle herds (Johne and Frothingham, 1895; Table 1). The initiative began first in France in the 1920s using vaccination strategies (Kennedy and Benedictus, 2001). During the past twenty
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years, control programmes for paratuberculosis were launched in different
countries.
Table 1:
Control programmes in different countries
Country
Year ofAnimals Certification Diagnostics
launch
References
Austria
2006
C
no
ELISA, PCR
Anon. (2006), Khol
et al. (2007)
Czech Rep.
1997
C
no
FC, TC
Pavlik et al. (2000a)
Denmark
2006
C
no
ELISA
Nielsen (2007)
Luxembourg
2005
C
no
ELISA, PCR
Bormann (2006)
Netherlands
1998
C
yes
Norway
1996
C
no
Sweden
1998
C
no
Israel
2003
C
yes
Japan
1997
C
no
USA
2002
C
yes
Australia
1995
C, S, G,
D, Cam
yes
Benedictus et al.
(2000), Franken
(2005)
Djonne et al. (2001),
ELISA, FC, TC
Kampen et al. (2006)
Holmstrom et al.
FC, TC, PCR
(2003), Sternberg
and Viske (2003)
Koren et al. (2005),
ELISA, FC
Koren (2007)
ELISA, FC,
Yokomizo (1999),
TC, Z-N, CFT, Kobayashi et al.
JID
(2007)
ELISA, FC,
Collins et al. (2006),
TC, EC, AGID,
Carter (2007)
CFT, PCR
FC, TC, ELISA, AGID,
Anon. (2003)
PCR
ELISA, FC
AGID = Agar-gel immunodiffusion; C = Cattle; Cam = Camelids; CFT = Complement fixation test; D = Deer; EC = Culture of faecal samples from environment; ELISA = Enzyme-linked immunosorbent assay; FC = Faecal culture; G =
Goats; PCR = Polymerase chain reaction; S = Sheep; TC Tissues culture; Z-N
= Ziehl-Nielsen staining
Seite 85
•
The “test and-cull” method
The paratuberculosis control strategies are based on prevention of MAP transmission to susceptible animals by culling the infected ones (Gay and Sherman,
1992). Infected herds should be tested annually and positive cows should be
culled. The culling of strongly infected cases should be given priority. The immediate culling of clinical cases will prevent contamination of the environment
(McCaughan, 1989), because the amount of MAP shed in faeces of animals
with clinical signs may be very high (Chiodini et al., 1984).
A combination of appropriate and available diagnostic procedures and changes
in the farm management designated as “farm management changes” (Kreeger,
1991) is always important for efficiency of the control programme. Diagnosis of
the disease poses problems because the tests available lack sensitivity, specificity, or both (Koets et al., 2000; Table 2).
Table 2:
Theoretical costs and time required for paratuberculosis eradication in a cattle herd with 60 animals by use of different diagnostic
tests and zoohygienic measures in test-and-cull program (modified
according to Collins and Sockett, 1993)
Test
Sensitivity
(%)
Specifity Costs per test to Years to
Costs
(%)
owner (USD)
eradication* (USD)
ELISA
45.5
99.7
4.36
11
2 878
HEYM+ELISA
60.8
99.7
11.62
8
5 578
CFT
26.6
100.0
5.50
18
5 940
HEYM
45.1
100.0
9.26
11
6 112
AGID
26.6
100.0
8.11
18
8 759
PCR
33.5
100.0
26.78
15
24 102
CFT = Complement fixation test; AGID = Agar-gel immunodiffusion; HEY =
Herrold’s egg yolk medium; PCR = Polymerase chain reaction; * Paratuberculosis prevalence at initiation of the eradication program was set at 10% (eradication was defined as prevalence < 0.5 %), the number of years to achieve this
prevalence was calculated from the simulation model
Test-and-cull programmes should be used only in conjunction with management
measures to halt transmission of the infection on the farm (Gay and Sherman,
1992; Collins and Sockett, 1993). For herds with existing MAP infection withinherd prevalence can be associated with environmental conditions, care of new-
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born and growing calves, management of pregnant heifers and manurehandling practices (Goodger et al., 1996).
The cost-effectiveness of the test-and-cull programme and the time necessary
for eradication of the infection from herds depend on various factors, particularly
on the infection prevalence level and the herd size (Table 2). With respect to the
above mentioned drawbacks of the currently available tests, it is difficult to estimate the actual prevalence of infection in a herd. Regarding the herd size, it is
possible that dairy men owning 50 cattle or less are in a better position to detect
and cull early clinical cases and thereby eliminate or reduce herd infection
(Abbas et al., 1983).
•
MAP excretion in semen
The isolation of MAP from accessory sex glands and bull semen has been reported (Larsen et al., 1981; Ayele et al., 2004; Buergelt et al., 2004; Herthnek et
al., 2006; Khol et al., 2010). Even though potential transmission of MAP through
the uterine wall has not been thoroughly investigated yet (Eppleston and Whittington, 2001), artificial insemination might constitute a potential risk for MAP
transmission to a herd with negative infection status. Accordingly, the use of
bulls from MAP-free herds is recommended for artificial insemination, but the
semen from bulls with clinical signs of paratuberculosis should be avoided (Gay
and Sherman, 1992; Sockett, 1996). However, the fact that clinically healthy
bulls may be MAP carriers and their semen may be infected with MAP remains
a problem (Herthnek et al., 2006). Natural transmission from the semen to cows
via the vaginal route has not been documented (Buergelt et al., 2004).
•
Risks by embryo transfer
It follows from three studies dealing with the risk of MAP transmission through
embryo transfer practices that the contribution from this route to MAP spread is
very low (Kruip et al., 2003; Bielanski et al., 2006; Perry et al., 2006). The
greatest potential for transmission of MAP through embryo transfer is by use of
recipients of unknown paratuberculosis status. Only cattle within the certified
herd or from a herd of equal or higher paratuberculosis certification level should
be used as embryo recipients (Sockett, 1996).
3.
Herd management and management of risk factors
Herd management practices constitute a series of steps and measures which
lead to reduction of MAP occurrence in the environment, prevention of water
and feed contamination resulting in limitation or prevention of its transmission.
Each control programme incorporates the essential herd management practices
recommended for prevention of paratuberculosis. They directly influence the
degree of MAP transmission in a herd and hence, their change or improvement
should become preferential in the control programme for every herd (Dorshorst
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et al., 2006). Harris and Barletta (2001) consider management to be the most
useful tool for controlling paratuberculosis within domestic livestock herds.
•
Calf management
Calf management is crucial to paratuberculosis control. Management strategies
include the implementation of good animal husbandry practices during calving.
The use of clean disinfected maternity pens must be observed. It is necessary
to separate the calves from their mothers as soon as possible. Feeding calves
with pooled colostrum and milk is highly risky. Calves should be fed colostrum
from non-infected dams. In the milk nutrition phase, milk replacers are the best
solution to the problem (Hayton, 2007).
Considering the pathogenesis of paratuberculosis, it is necessary to take into
account the possibility that a calf individually fed with colostrum and milk from
its mother could have also been infected in utero. Therefore, in some control
programmes the offspring of infected cows are culled as well as their dams
(Gay and Sherman, 1992; Pavlik et al., 2000a).
Maternity pens and open air pens for calves should be situated in a separate
section of the farm, apart from the roads used for manure transport and corridors where adult animals move (corridors, along which the animals move to
pastures, in particular). It is necessary to prevent both direct and indirect contact of calves with older animals. It is very important to avoid using the same
equipment for feeding the calves and for handling manure and other materials
that may be contaminated with MAP from faeces.
•
Environment
The environment, feeds and water contaminated with faeces from infected individuals are the most common sources of MAP. Clinically ill animals may shed
1 000 000 to 1 000 000 000 CFU/g of MAP in faeces and thus highly contaminate the environment. Accordingly, it is necessary to prevent potential contamination of feed and water and reduce the spread of MAP through faeces to the
environment with susceptible animals (Whittington and Sergeant, 2001).
McCaughan (1989) listed the measures which could be adopted for reduction of
environmental contamination:
exposure of contaminated places to solar radiation,
deep ploughing which helps dilution of MAP in the soil profile,
drainage of stationary water,
clearing of all footwear,
regular and continuous disinfection.
It is generally recommended to avoid grazing of animals on pastures contaminated with MAP for at least 12 months. Manure should not be scattered around
the pastures for at least one year before grazing young cattle or before feeding
forage grown in such regions (Gay and Sherman, 1992). In Australia, sheep are
Seite 88
not allowed to graze the pastures for two years after MAP contamination (Emery and Whittington, 2004).
•
Purchase of animals
For herds free of paratuberculosis, a primary prevention method is to avoid introduction of MAP infected cattle by maintaining a completely closed herd or by
carefully screening purchased cattle (Wells and Wagner, 2000). It follows from
the above mentioned facts that it is important to use herd turnover (Collins et
al., 1994). The closed herd turnover is most suitable and generally recommended (McCaughan, 1989; Sockett, 1996; Pavlik et al., 2000a; Wells and
Wagner, 2000).
•
Free-living ruminants
The populations of free-living and farmed ruminants can also be infected with
MAP. Cetinkaya et al. (1997) reported presence of farmed red deer on pastures
together with dairy cattle as a factor increasing the risk of MAP occurrence in
dairy cattle. The other game animals can likewise become sources of the MAP
for cattle (Pavlik et al., 2000b; Beard et al., 2001; Machackova et al., 2004; Raizman et al., 2005). The MAP strains detected in red deer from farms in New
Zealand were identical with those isolated from cattle and sheep, previously
kept on pastures, where the above mentioned farms were later formed (DeLisle
et al., 1993). Transmission of MAP of the same genotype from the infected cattle to wild boars (Machackova et al., 2003; Trcka et al., 2006) and wild rabbits
was documented (Greig et al., 1999). It follows from the presented results that
grazing cattle are at risk for MAP transmission from free ranging ruminants and
vice versa.
•
Impact of nutrition
The importance of an adequate diet especially in early life has long been emphasized, and improved standards of nutrition have been reported to be of
some help in reducing the incidence of paratuberculosis (Doyle, 1956; Julian,
1975; McCaughan, 1989). Cetinkaya et al. (1997) found association between
the presence of clinical disease and some concentrate feeds. Purchased coarse
mix was significantly associated with a decreased risk of disease.
4.
Genetic variation of susceptibility to causal agent of paratuberculosis
The existence of genetic factors responsible for susceptibility or resistance to
MAP is assumed. The development and application of genetic tools, along with
other control methods, could be instrumental in the eradication of paratuberculosis. The focus of several studies was to estimate the heritability of paratuberculosis susceptibility. The results varied with the diagnostic test. Koets et al.
Seite 89
(2000) evaluated heritability in 3 020 Dutch dairy cattle based on post mortem
diagnosis. The estimated heritability of susceptibility to MAP infection was 0.06
for the overall population.
Even though the post mortem diagnostic method is more accurate, it is unpractical for routine diagnostic purposes. Mortensen et al. (2004) estimated heritability of susceptibility to MAP according to the immune response level – production
of anti-MAP antibodies. The level of antibodies was assessed by the milk ELISA
method. The estimated heritability was 0.102 in 11 535 Danish Holsteins from
99 herds. Gonda et al. (2006) assessed heritability of infection by serum ELISA,
faecal culture and combination of both the methods in US Holsteins (4 603
cows from 238 herds and 46 sires). Heritability of infection based on the faecal
culture test was 0.153. Heritability with the ELISA was 0.159 with a linear model
and 0.091 with an ordered threshold model (accordingly, the resulting heritability estimates can also depend on the used statistical model). Heritability of the
combined tests was 0.102.
5.
Summary
The control of paratuberculosis in a herd is a long, frustrating process because
of the insidious nature of the infection, the long period of latency, and the expense or limited performance of current diagnostic tests.
A paratuberculosis control programme requires deliberate selection and strict
observance. The calf rearing management and cautious purchase of animals
are the most critical points. The risk of MAP transmission through semen and
embryo transfer is low.
The ability of MAP to survive in the environment for a long time constitutes the
main problem in paratuberculosis control. This risk should be eliminated by deliberate application of best management practices, outlined in the present article. Another problem is the poor sensitivity of diagnostic tests for identifying infected animals. Accordingly, a number of laboratories research into improved
diagnosis of paratuberculosis.
Paratuberculosis is an incurable disease where vaccination cannot be applied
as a means of standard control strategies.
A possible link between MAP disease in animals and Crohn’s disease in man is
considered. The expectation of the herd owners and veterinarians that paratuberculosis should be controlled in infected herds increases.
New diagnostic methods including MAP detection and quantification by real
time qPCR technique (Slana et al., 2008; Kralik et al., 2011) can force the
knowledge of pathogenesis and can open new approaches to control the disease.
Seite 90
Acknowledgement
We would like to thank to Neysan Donnelly (Aberdeen University, Scotland) for
the critical grammatical checking of the article. Partially supported by the grants
Nos. MZE 0002716202 and QH81065 of Ministry of Agriculture of the Czech
Republic and AdmireVet (CZ.1.05/2.1.00/01.0006-ED 0006/01/01) of the Ministry of Education, Youth and Sports of the Czech Republic.
6.
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Die BVD-Bekämpfung nach Einführung
der BVD-Verordnung: aktueller Stand
Horst Schirrmeier
Institut für Virusdiagnostik, Friedrich-Loeffler-Institut Insel Riems,
Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit
[email protected]
1.
Allgemeines
Die Bovine Virusdiarrhoe/Mucosal Disease (BVD/MD) gehört zu den wirtschaftlich bedeutendsten Infektionskrankheiten bei Rindern. Berechnungen
in verschiedenen Ländern haben ergeben, dass Kosten zwischen 8 und
100 € je geborenem Kalb und Jahr entstehen, das sind für Deutschland bei
ca. 4,8 Mio. Abkalbungen im Jahre 2011 zwischen 38 und 480 Mio. € insgesamt.
2.
Erreger und Infektion
BVD/MD wird durch ein 40-60 nm großes einsträngiges RNA-Virus des Genus Pestivirus, dem außerdem das Virus der Klassischen Schweinepest
(KSPV), das Border Disease Virus (BDV) sowie atypischen Pestiviren („Giraffe“, „HoBi“ „Pronghorn“, Bungowannah“) angehören, verursacht. Man unterscheidet weiterhin zwei Genotypen (BVDV-1 und BVDV-2) sowie eine
ständig größer werdende Zahl von Subtypen. Nach dem Verhalten in Zellkulturen werden Virusstämme als cytopathogen (cp) und nicht-cytopathogen
(ncp) bezeichnet.
Infektionen seronegativer Kälber und nicht tragender Kühe führen zu transienten Infektionen, bei denen Virus bzw. Virusgenom über einige Tage bis
wenige Wochen (abhängig von der Nachweismethode) im Blut nachweisbar
ist und auch für 4-8 Tage in geringen Mengen ausgeschieden wird. Klinische
Symptome sind kaum ausgeprägt – leichtes Fieber, mitunter Rückgang der
Milchleistung. In Kälberaufzucht- und –mastbetrieben kann eine BVDVbedingte Immunsuppression andere Erkrankungen begünstigen.
Wirtschaftlich weitaus bedeutsamer sind die Folgen von Infektionen tragender Tiere, die in Abhängigkeit vom Trächtigkeitszustand zu Fruchtretentionen, Aborten, Missbildungen oder zur Entstehung von persistent infizierten
(PI) Kälbern führen. PI-Kälber scheiden lebenslang große Mengen Virus aus
und sind für die Aufrechterhaltung der Infektketten im Bestand und für die
Verschleppung der Infektion in andere Betriebe, in erster Linie über den
Tierhandel, verantwortlich. Ihre Erkennung und unverzügliche Entfernung
sind daher vordringliches Ziel der Bekämpfung. Eine diagnostische Heraus-
Seite 98
forderung stellt dabei ein Zeitraum dar, während dem sich das Virus der
Feststellung im Blut durch Maskierung mit maternalen Antikörpern entzieht,
zudem werden durch opsonierende Antikörper virusinfizierte Leuzyten eliminiert („diagnostische Lücke“). Geborene PI-Kälber können kümmern, aber
sich auch normal entwickeln. Etwa die Hälfte von ihnen erkrankt innerhalb
des ersten Lebensjahres an Mucosal Disease (MD, Schleimhauterkrankung), weitere später. Schleimhautschäden im Maulbereich, unstillbarer,
meist blutiger, mit Schleimhautfetzen durchsetzter Durchfall und Hautschäden im Zwischenklauenspalt sind klinische Anzeichen für MD. Sie endet
immer tödlich und ist, wie die BVD, anzeigepflichtig. PI-Tiere werden ausschließlich durch ncp BVDV induziert, das bedeutet auch, das BVDLebendimpfstoffe dazu nicht in der Lage sind.
3.
Legislative Grundlagen und Ziele der BVD-Bekämpfung in
Deutschland
Die BVD/MD unterliegt seit dem 03.11.2004 der Anzeigepflicht. Anzeigepflichtig ist die Feststellung eines PI-Tieres. Voraussetzungen für die Feststellung eines Falles nach den „Falldefinitionen für anzeigepflichtige Tierseuchen und meldepflichtige Tierkrankheiten, Stand April 2010“ sind:
•
zwei positive Erregernachweise im Abstand von maximal 60 Tagen (persistent infiziertes Rind),
oder
•
Erregernachweis, ohne dass eine Wiederholungsuntersuchung
stattgefunden hat,
oder
•
ein an Mucosal Disease erkranktes Rind,
sowie
•
die Nachkommen eines persistent BVD infizierten Rindes
Seit Dezember 2008 sind mit der „Verordnung zum Schutz der Rinder vor
einer Infektion mit dem Bovinen Virusdiarrhoe Virus“ (BVD-VO) die Grundsätze einer bundeseinheitlichen Bekämpfung der BVD auf verpflichtender
Grundlage geregelt. Kernpunkt ist eine Untersuchungsverpflichtung für alle
geborenen Kälber bis zum 6. Lebensmonat, bzw. für alle Rinder vor dem
Verbringen auf Vorhandensein von BVD-Virus, die anzuwendenden Methoden sind in einer amtlichen Methodensammlung festgeschrieben. Die Zeit
zwischen der Bekanntmachung und dem Inkrafttreten der VO am
01.01.2011 wurde in den meisten Bundesländern in vorbildlicher Weise genutzt, um durch technische und methodische Auswahlverfahren, wissenschaftliche Studien und vorbereitende Rechtssetzungsverfahren die Voraus-
Seite 99
setzungen zu schaffen, dass das ausgewiesene Ziel der Verordnung,
„Rinderbestände, die frei von persistent mit BVDV infizierten Tieren sind, vor
einer Infektion durch das Einstellen von bisher nicht erkrankten Rindern, die
persistent BVDV infiziert sind, zu schützen“, bundesweit zügig in Angriff genommen werden konnte.
4.
Diagnostik
Diagnostisches Target ist das PI-Tier, welches es so früh wie möglich zu erkennen und zu eliminieren gilt. Für die Diagnostik stehen eine Reihe von
Methoden und zugelassenen Testverfahren für den Antigen- bzw. Genomachweis zur Verfügung. Als diagnostisches Analyt werden mittlerweile
überwiegend Ohrstanzproben, für Nachuntersuchungen und bei Erstuntersuchung in späterem Lebensalter auch Blutproben genutzt. Anzuwendende
Methoden sind in einer Amtlichen Methodensammlung dargelegt und berücksichtigen die geschilderte eingeschränkte Nachweisbarkeit der Virus in
der diagnostischen Lücke (Tab. 1)
In Deutschland werden gegenwärtig RT-PCR und Antigen-ELISA nach Entscheidungen der Länder zu etwa gleiche Teilen eingesetzt. Beide Testmethoden haben Vor- und Nachteile und Untersuchungslabore sind gehalten,
sowohl PCR als auch ELISA in das methodische Repertoire einzubeziehen.
Grundsätzlich sind PCR und ELISA aber nicht an derselben Ohrstanzprobe
einsetzbar, da die Aufarbeitungsverfahren (Lyse) für das jeweils andere Verfahren hinderlich sind. Die Verfahrensweise in Niedersachsen, wie auch in
einigen anderen Bundesländern, grundsätzlich zwei Ohrstanzproben zu entnehmen, so dass bei Notwendigkeit eine Gegenprüfung im alternativen
Testverfahren durchgeführt werden kann, hat sich daher bewährt.
Untersuchungen auf BVD-Antikörper sind nicht ausgewiesener Bestandteil
der BVD-Verordnung, was dazu geführt hat, dass in etlichen Bundesländern
keine finanzielle Kompensation erfolgt. Sie sind jedoch unabdingbar für die
Kontrolle des Bekämpfungserfolges und Indikator für Neuinfektionen.
Grundsätzlich kann dies über die Milch (nur wenn nicht geimpft wird) oder
über eine diagnostische Stichprobe („Jungtierfenster“) erfolgen. Auf die
Möglichkeit, in Einzelfällen auch ein negatives Ergebnis im Antigen-ELISA in
der diagnostischen Lücke als valide einzuordnen, wenn eine gleichzeitig
durchgeführte Antikörperuntersuchung negativ verläuft, sei an dieser Stelle
hingewiesen.
Seite 100
Tabelle 1:
Methode
ERNSAntigenELISA
NS3-AgELISA
Virusisolierung
Durchflusszytometrie
RT-PCR
5.
BVDV-Nachweisverfahren nach Methodensammlung
Untersuchungsmaterial
Serum, Plasma, EDTA-Blut
Diagnostische
Lücke
< 60.Tag
Ohrstanzproben
Blutleukozyten,
Zellkulturen
keine
Blutleukozyten
7. - 40. Tag
Blutleukozyten
3. - 90. Tag
Serum, Plasma, EDTA-Blut,
Leukozyten
Poolproben
7.-40. Tag
keine diagn. Lücke
bei Einzelproben
Organe, Milch,
Ohrstanzproben
keine diagn. Lücke
3. - 90.Tag
Zugelassene
Diagnostika
BVD_Ag Serum/plus,
IDEXX
P80-Ag-ELISA, Synbiotics
(zwei weitere zugelassen, aber nicht am deutschen Markt erhältlich)
ADIAVET®BVD REAL
TIME, AES Chemunex
BoVir-SL®BVDV AnDiaTec
VIROTYPE®BVDV, LDL
Cador BVDV,PCR, Qiagen
Cador BVDV Type 1/2
RT-PCR Kit , Qiagen
PrioCHECK®
BVDV
Prionics
Virella BVD, Gerbion
Aktuelle Situation
Im Jahre 2011 wurden in Deutschland mehr als 6 Mio. Tests auf BVDAntigen/-Genom durchgeführt. Insgesamt wurden im Verlauf des Jahres
24.125 PI-Tiere diagnostiziert und eliminiert, davon 17.410 in 2011 geborene Kälber (Angaben aus HI-Tier). Das entspricht einem Anteil von 0,5 % bezogen auf die Anzahl der geborenen Kälber. Die Abbildung 1 spiegelt die
Schwankungen zwischen den Bundesländern wider.
In 6.595 Betrieben wurde mindestens ein PI-Tier gefunden, das entspricht
4,5 % der Betriebe. Ab September 2011 bis zum Jahresende nahm die Zahl
detektierter PI-Tiere ab, was sicher auf die effektive Erkennung und Entfernung von PI-Tieren im Frühjahr zurückgeführt werden kann; allerdings lag
für viele der zum Jahresende geborenen Kälber auch noch kein Status vor.
In mehreren Bundesländern (u. a. Sachsen-Anhalt, Schleswig Holstein,
Seite 101
Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Thüringen), darunter also auch
solchen mit bereits fortgeschrittenen Sanierungserfolg, waren z. T. massive
Neuinfektionen im Sommer 2012 zu verzeichnen. Dies zeigt, dass die Erkennung und Abschaffung von PI-Tieren von intensiven Bemühungen zum
Schutz vor einem Wiedereintrag von Virus begleitet sein müssen. Ab Beginn der Jahres 2012 erfolgte erneut ein Anstieg der registrierten Fälle. Bis
31.07.2012 wurden insgesamt bereits wieder 7.655 Rinder mit einem PIStatus versehen, das entspricht einem Anteil von 0,27 % bezogen auf die in
diesem Zeitraum geborenen Kälber.
1
0,9
0,8
0,73
2011
0,72
0,68
0,7
0,6
0,51
0,5
0,46
0,43
0,41
0,36
0,4
0,35
0,29
0,26
0,3
0,23
0,17
0,2
0,16
0,1
0,04
0
0
SH
HH
NI
HB
NW
HE
RP
BW
BY
SL Berlin BB
MV
SN
ST
TH
1
0,9
1.1.2012-31.7.2012
0,8
0,7
0,6
0,50
0,5
0,4
0,33
0,30
0,29
0,25
0,3
0,22
0,18
0,2
0,07
0,05
0,1
0,17
0,16
0,12
0,02
0,00
0,05
0
SH
Abb. 1:
HH
NI
HB
NW
HE
RP
BW
BY
SL Berlin BB
MV
SN
ST
TH
Kumulative Prävalenz von PI-Tieren in den Bundesländern 2011
(oben) und für den Zeitraum 01.01.–31.07.2012 (unten), jeweils in
Prozent zur Anzahl der geborenen Kälber
Seite 102
Bemerkenswert ist der relativ hohe Anteil von älteren PI-Tieren, was sich
auch 2012 fortsetzt. So sind z. B. 15,7 % der im Zeitraum 01.01.2012 bis
31.07.2012 in Niedersachsen festgestellten PI-Tiere älter als 12 Monate,
das älteste Tier war 5 Jahre alt. Auch findet man in der Datenbank durchaus
ältere Tiere mit dem Status U35, das bedeutet Mutter eines PI-Tieres, welches aber noch nicht untersucht ist und munter weiter Virus streut. Nur in
Einzelfällen wurden Tiere, die den Status unverdächtig hatten, bei einer aus
welchem Grund auch immer durchgeführten Nachuntersuchung positiv getestet, was zeigt, dass die durchgeführte Diagnostik auf einem hohen Niveau ist. Auf einige diagnostische Auffälligkeiten wird im Vortrag eingegangen.
6.
Charakterisierung von Virusstämmen
Phylogenetische Analysen an insgesamt 445 BVD-Virusisolaten aus
Deutschland ergaben, dass die BVDV-Subtypen 1b und 1d mehr als 75 %
der Virusstämme repräsentieren. Außerdem wurden BVDV-1f (8,8%) BVDV1e (3.5 %), BVDV-1h (2.9 %), BVDV-1g (0.7 %), und BVDV-1k (0.2 %) festgestellt. Der Anteil von BVDV-2 betrug 5,1 %. Aus Niedersachsen wurden
106 Virusstämme charakterisiert, am häufigsten wurde BVDV-1b nachgewiesen (49 %), gefolgt von 1d (25 %), dem z.B. in der Schweiz sehr präsent
vorkommenden Subtyp 1e (13 %), 1f (12 %) und 1h (1 %). Das BVDV-1h
Isolat stammt von einem Tier, das aus Bayern importiert wurde, wo dieser
Subtyp einen Anteil von fast 10 % ausmacht. Mit Hilfe solcher Analysen lassen sich also auch u. a. die „Wege des Virus übers Land“ verfolgen.
7.
Zusammenfassung
Das auf einer zügigen Erkennung und Eliminierung von persistent infizierten
(PI) Tieren gerichtete Bekämpfungsprogramm in Deutschland basiert, im
Gegensatz zu einigen in anderen Ländern praktizierten Verfahren, ausschließlich auf dem direkten Nachweis von Virusantigen bzw. Virusgenom
bei jungen Kälbern. Serologische Untersuchungsverfahren sollten jedoch,
auch wenn in der VO praktisch nicht erwähnt, zur Überwachung und Kontrolle der Effizienz der gewählten Strategie als inhärenter Bestandteil der
BVD-Labordiagnostik angesehen und gepflegt werden.
Sowohl für den Virus- als auch für den Antikörpernachweis stehen etablierte
diagnostische Verfahren und zugelassene Testsysteme in hoher Qualität zur
Verfügung. Das System der Zulassungs- und Chargenprüfungen unterliegt
einer ständigen Anpassung und erfordert einen beträchtlichen Aufwand des
Prüflabors.
Die Untersuchung von Ohrstanzproben ermöglicht eine frühzeitige Diagnostik, die insbesondere in Bundesländern mit ausgeprägtem Kälberhandel für
einen Ausschluss nicht untersuchter Kälber vom Handel als wesentliche
Quelle der Infektionsverbreitung unabdingbar ist. Allerdings sind damit auch
Seite 103
neue logistische Probleme, Investitionen und Adaptierungen an eine notwendige Massendiagnostik verbunden. Die Feststellung und Elimination von
mehr als 24.000 PI-Tieren ist als Erfolg des Programms zu bewerten und
entspricht dem ausgewiesenen Ziel der BVD-Verordnung, die kursierende
Virusmenge zu reduzieren und damit die Gefahr von Neuinfektionen zu senken. Neben der Erkennung und Eliminierung von PI-Tieren gewinnt der
Schutz vor Neuinfektion als dritte Säule der Bekämpfung insbesondere mit
der Absenkung der PI-Prävalenz und der Zunahme der Zahl voll empfänglicher Herden und Regionen an Bedeutung. Wesentlichste Maßnahme hierfür
ist der Einsatz von Impfstoffen. Auch hier gibt es Unterschiede zu Bekämpfungsverfahren in anderen Ländern, die z. T. auf Impfstoffeinsatz verzichten
oder ihn gar untersagen.
Seite 104
Seite 105
Bovine Neosporose: Diagnostik, Epidemiologie und Prävention
Gereon Schares
Friedrich-Loeffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, Institut
für Epidemiologie, Seestrasse 55, 16868 Wusterhausen
[email protected]
1.
Einleitung
Neospora caninum, ein mit Toxoplasma gondii eng verwandter einzelliger Parasit, kann beim Rind Verkalbungen, Totgeburten oder die Geburt lebensschwacher Kälber auslösen. Die Infektion mit N. caninum gehört weltweit zu den am
häufigsten nachgewiesenen infektiösen Abortursachen beim Rind. Studien in
den Niederlanden und im Vereinigten Königreich ergaben, dass N. caninum
dort die wichtigste infektiöse Abortursache beim Rind darstellt. In Belgien und
dem Vereinigten Königreich kann die Neosporose mit rund 12 % der Rinderaborte in Verbindung gebracht werden. Sowohl akute Primärinfektionen als
auch chronisch persistente Infektionen mit N. caninum können zu Rinderaborten führen (zusammengefasst bei Dubey et al. 2007).
1.
Übertragungswege
•
Horizontale Übertragung
Obwohl sich die Mehrzahl der N. caninum-infizierten Rinder in Deutschland
nicht horizontal, sondern vertikal infiziert haben dürfte, spielen horizontale Übertragungswege neben dem Zukauf infizierter Rinder für den Eintrag der Infektion
in naïve Tiergruppen eine wichtige Rolle. Dabei hat die Kontamination des Futters oder des Trinkwassers der Tiere mit N. caninum-Oozysten wahrscheinlich
die weitaus größte Bedeutung. Nur die Endwirte des Parasiten sind in der Lage,
über ihre Fäzes Oozysten auszuscheiden. Hund, Kojote und Wolf sind derzeit
die einzigen Tierarten, bei denen gesichert ist, dass sie N. caninum als Endwirte dienen. In Felduntersuchungen im Osten Kanadas wurde allerdings in zwei
mikroskopisch Oozysten-positiven Kotproben, die von Rotfüchsen stammten, N.
caninum-DNA nachgewiesen. Der experimentelle Beweis, dass auch Rotfüchse
Endwirte von N. caninum sein können, steht noch aus.
Hunde können wenige Tage, nachdem sie Körpergewebe infizierter Zwischenwirte (z. B. vom Rind, Schaf oder Ziege) gefressen haben (Abb. 1A), Oozysten
im Kot ausscheiden (Abb. 1B). Hunde scheiden nach experimenteller Infektion
nur vorübergehend Oozysten aus. Die Ausscheidungsphase dauert meist nicht
länger als ein bis zwei Wochen. Nur ein Teil der Hunde, die bereits einmal Oozysten ausgeschieden haben, scheidet nach erneuter Infektion wieder Oozysten aus. Nach einer mehrere Tage dauernden Reifungsphase (Sporulation)
Seite 106
sind N. caninum-Oozysten infektiös. Werden sie oral aufgenommen, sind sie in
der Lage, Zwischenwirte (wie z. B. Rinder) zu infizieren (Abb. 1B). Oozysten
können wahrscheinlich mehrere Wochen bis Monate im Futter oder im Wasser
überleben.
Bislang gibt es aber keine Hinweise dafür, dass andere Übertragungswege
(über Kolostrum oder Bullensperma, durch Plazentophagie) im Feld eine nennenswerte Rolle spielen.
Abb. 1:
•
Schematische Darstellung der Übertragungswege von Neospora
caninum
Vertikale Übertragung
Infizieren sich tragende Tiere, kann N. caninum zu Entzündungen in den Geweben des ungeborenen Kalbes oder in der Plazenta führen und so direkt oder
indirekt ein Verkalben auslösen (Abb. 1C). Meistens überlebt das pränatal infizierte Kalb die Infektion jedoch, da es bereits ab dem 5. Trächtigkeitsmonat
über eine Körperabwehr verfügt, auch wenn diese noch nicht ausgereift ist. Auf
diese Weise werden dann gesunde, aber lebenslang mit dem Parasiten infizierte Tiere geboren (Abb. 1D). Werden diese persistent infizieren weiblichen Tiere
zur Zucht verwendet, so geben sie die Infektion fast bei jeder Trächtigkeit an
ihre Nachkommen weiter (Abb. 1E) – Felduntersuchungen zeigen eine Übertragungseffizienz von 73 – 100 %. Einmal infizierte Zuchtlinien bleiben durch die
hohe Übertragungseffizienz für mehrere Generationen infiziert. Persistent infizierte Zuchttiere können aufgrund ihrer Infektion abortieren (Abb. 1F). Sie haben ein erhöhtes Abortrisiko.
Man kann davon ausgehen, dass sich die Mehrzahl der Rinder in Deutschland
vertikal infiziert, d. h. bereits pränatal durch diaplazentare Übertragung. Das
Seite 107
Auftreten seuchenhafter Abortgeschehen zeigt aber, dass auch postnatale Infektionen durch die orale Aufnahme von Oozysten eine gewisse Rolle spielen.
Weltweit liegen allerdings keine Daten vor, die es erlauben, die Inzidenz vertikaler und horizontaler Infektionen mit N. caninum getrennt mit ausreichender Genauigkeit zu schätzen.
3.
Pathogenese N. caninum-assoziierter Aborte
Grundsätzlich scheinen zwei Mechanismen dafür verantwortlich zu sein, dass
es bei einem N. caninum-infizierten tragenden Rind zum Absterben des Fötus
kommt:
•
•
durch direkte Schäden, die das Protozoon bei seiner Vermehrung durch den
Untergang der befallenen Zellen verursacht, und durch die daraus resultierenden herdförmigen Entzündungen und Nekrosen,
durch eine Veränderung des immunologischen Gleichgewichts in der fötoplazentaren Einheit. Sowohl nicht-tragende als auch tragende Rinder entwickeln nach einer N. caninum-Infektion eine zelluläre Immunantwort vom
Th1-Typ, die mit einer verstärkten Bildung entzündungsfördernder Zytokine
einhergeht. Während erfolgreicher Trächtigkeiten scheint es bei mehreren
Tierarten und auch bei der Schwangerschaft der Frau regelmäßig zu einer
Verschiebung des immunologischen Gleichgewichts hin zu einer Immunantwort vom Th2-Typ zu kommen. Dies verhindert, dass Entzündungserscheinungen und zytolytische Reaktionen die Integrität der materno-fötalen
Barriere zerstören. Eindringende Erreger, so auch N. caninum, können offenbar die Verschiebung zum Th2-Typ wieder aufheben und so zum Abort
führen.
Aborte durch akute, postnatal erworbene Infektionen
Bei der Infektion naïver tragender Tiere ist sowohl die Infektionsdosis als auch
das Trächtigkeitsstadium entscheidend dafür, ob es zum Abort kommt oder
nicht. Bei Primärinfektionen ist die Abortwahrscheinlichkeit im ersten Drittel der
Trächtigkeit offenbar am höchsten, während der diaplazentare Übergang der
Infektion auf den Fötus im zweiten Drittel häufiger eintritt als im ersten Drittel
und von der Höhe der Infektionsdosis abhängt. Offenbar führt die fortschreitende Reifung des fötalen Immunsystems dazu, dass es im letzten Drittel der
Trächtigkeit trotz der vertikalen Übertragung des Erregers seltener zum Abort
kommt.
Aborte bei Rindern, die eine persistente Infektion aufweisen
Bei persistent infizierten Rindern tritt offenbar regelmäßig im zweiten Drittel der
Trächtigkeit einer Reaktivierung der Infektion ein. Die Ursachen für diese Reaktivierung sind nicht bekannt; sie könnten mit den oben beschrieben Veränderungen im Immunsystem des tragenden Tiers in Zusammenhang stehen. Im
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Zuge der Reaktivierung kommt es meist zur vertikalen Übertragung des Parasiten auf die Föten und teilweise auch zum Abort. Persistent infizierte, seropositive Rinder haben ein etwa 2- bis 7,5-fach erhöhtes Verkalbungsrisiko gegenüber
seronegativen Rindern. Das Verkalbungsrisiko scheint während der ersten
Trächtigkeit eines persistent infizierten Tiers am höchsten zu sein. Die Möglichkeit, dass weitere Faktoren das Auftreten von Aborten bei persistent infizierten
Tieren begünstigen, wurde vielfach diskutiert. Beispielsweise wurden Mykotoxine im Futter und BVD-Virus-Infektionen als mögliche begünstigende Faktoren
genannt; sie sind als solche allerdings bislang nicht bestätigt.
4.
Diagnose
Es wird empfohlen, möglichst viele der abortierten Kälber sowie Serumproben
der Rinder, die von Verkalbungen betroffen waren, untersuchen zu lassen. Findet man bei der Untersuchung der Föten Anzeichen für eine N. caninumInfektion (DNA-Nachweis; typische pathohistologische Befunde; Antikörper in
fötalen Flüssigkeiten), liegt der Verdacht nahe, dass N. caninum die Ursache
der Verkalbungen war. Dies gilt auch, wenn bei den Abortrindern Antikörper
gegen N. caninum nachgewiesen werden (Dubey & Schares, 2006).
Um diesen Verdacht abzusichern, sollte eine serologische Untersuchung bei
allen Tieren durchgeführt werden, die während des Abortgeschehens tragend
waren, d. h. dem Risiko eines Aborts ausgesetzt waren. Die Untersuchungsergebnisse sind darauf zu prüfen, ob in der Gruppe der Aborttiere signifikant häufiger Antikörper gegen N. caninum angetroffen werden können als bei Tieren
ohne Abort. Ist dies der Fall, kann mit einiger Sicherheit davon ausgegangen
werden, dass N. caninum am Auftreten der Aborte beteiligt war.
5.
Risikofaktoren – Möglichkeiten der Prävention
Eine ganze Reihe epidemiologischer Studien deutet darauf hin, dass das Halten
von Hofhunden einen wichtigen Risikofaktor sowohl für die Infektion mit N. caninum als auch für das Auftreten N. caninum-assoziierter Rinderaborten darstellt (zusammengefasst bei Dubey et al., 2007; Von Blumröder et al., 2006).
Eine Studie in Rheinland-Pfalz zeigte, dass zwei Drittel der Rinderhalter selbst
Hunde besaß (Schares et al. 2004). Daher scheint in der Haltung von Hofhunden ein wichtiger Grund für das Auftreten von N. caninum-Infektionen in
Rinderbeständen zu bestehen. Unwahrscheinlich ist, dass die nur selten zu beobachtende Oozysten-Ausscheidung von „Nicht-Hofhunden“ (Schares et al.,
2005) direkt mit N. caninum-Aborten bei Rindern in Verbindung steht, wie eine
am
Friedrich-Loeffler-Institut
durchgeführte
Risikobewertung
ergab
(http://www.fli.bund.de/uploads/media/RIBEW_HUND_050726.pdf).
Es ist wichtig, hygienische Maßnahmen zu ergreifen, die das Verschmutzen des
Futters oder Trinkwassers mit Hundekot verhindern (Conraths & Schares 1999;
Dubey et al., 2007). Hier sollte insbesondere an die Gefahr der Kontamination
Seite 109
durch den eigenen Hofhund gedacht werden. Außerdem sollte beim Zukauf von
Rindern darauf geachtet werden, dass diese Tiere nicht mit N. caninum infiziert
sind. Dies kann durch eine Untersuchung auf Antikörper gegen N. caninum erreicht werden.
6.
Kontrollmaßnahmen
Die Möglichkeiten, gegen N. caninum-Infektionen in Rinderbeständen vorzugehen, sind nach wie vor begrenzt. Zurzeit gibt es in Deutschland weder zugelassene Impfstoffe noch Wirkstoffe, die den Erreger im Rind abtöten oder ihn an
seiner Vermehrung hindern könnten. Die Wirksamkeit eines außerhalb der EU
angebotener Impfstoffs (NeoGuardTM, Merck) ist umstritten. Da dieser Impfstoff
nicht markiert ist, kann nicht zwischen geimpften und infizierten Tieren unterschieden werden. Somit werden serologische Untersuchungen, z. B. zur Herdendiagnostik erschwert oder sogar unmöglich (Dubey et al. 2007).
Die einzige Möglichkeit, die Infektion wieder aus dem Bestand zu entfernen,
besteht hierzulande derzeit darin, die betroffenen Tiere zu merzen oder ihre
Nachkommen nicht weiter zur Zucht zu verwenden. Nachkommen genetisch
wertvoller infizierter weiblicher Tiere können durch Embryotransfer in eine N.
caninum-freie Rezipienten-Kuh vor der Infektion bewahrt werden. Diese Möglichkeiten sind natürlich nur dann wirtschaftlich vertretbar, wenn nur wenige Tiere im Bestand von der Infektion betroffen sind.
7.
Literatur
Conraths FJ, Schares G (1999): Diagnostik und Epidemiologie Neosporacaninum-assoziierter Aborte beim Rind. Tierärztl. Praxis 27, 145-153.
Dubey JP, Buxton D, Wouda W (2006): Pathogenesis of bovine neosporosis. J.
Comp Pathol. 134, 267-289.
Dubey JP, Schares G, Ortega LM (2007): Epidemiology and control of neosporosis and Neospora caninum. Clin. Microbiol. Rev. 20, 323-367.
Schares G, Bärwald A, Staubach C, Ziller M, Klöss D, Schröder R, Labohm R,
Dräger K, Fasen W, Hess RG, Conraths FJ (2004): Potential risk factors for
bovine Neospora caninum infection in Germany are not under the control of
the farmers. Parasitology 129, 301-309.
Schares G, Pantchev N, Barutzki D, Heydorn AO, Bauer C, Conraths FJ (2005):
Oocysts of Neospora caninum, Hammondia heydorni, Toxoplasma gondii
and Hammondia hammondi in faeces collected from dogs in Germany. Int. J.
Parasitol. 35, 1525-1537.
von Blumröder D, Stambusch R, Labohm R, Klawonn W, Dräger K, Fasen W,
Conraths FJ, Schares G (2006): Potentielle Risikofaktoren für den serologi-
Seite 110
schen Nachweis von Neospora caninum-Infektionen in Rinderherden in
Rheinland-Pfalz, Tierärztl. Prax. 34 (G), 141-147.
Seite 111
Leptospirosis in cattle – a hidden problem?
Eoin Ryan
School of Veterinary Medicine, University College Dublin,
Republic of Ireland
[email protected]
Leptospirosis is a well-recognised disease of cattle worldwide (AlonsoAndicoberry et al, 2001; Bolin 2001; Elder et al, 1985; Ellis 1980, 1984; Langoni
et al, 1999; Pritchard 1986). It has been recognised as an economically significant source of disease in the Irish and UK cattle populations for over 20 years.
Similarly in North and South America, Australia, New Zealand and many countries in Europe, it considered to be a significant infectious cause of reproductive
loss in cattle.
Maintenance hosts
In particular regions, different leptospiral serovars are prevalent and are associated with one or more maintenance host(s), which serve as reservoirs of infection. A maintenance host is described as one
• which has a highly susceptibility to infection by the particular serovar (i.e.
low infective dose);
• which has long-term kidney infection relative to the bacteraemic phase of
infection, with excretion of leptospires in urine for a prolonged period
(relative to the systemic phase of infection), and
• which has natural transmission within the host species and without the
requirement of another host species (Hathaway 1981).
Transmission of the infection among maintenance hosts is efficient and the incidence of infection is relatively high. Incidental hosts are not important reservoirs
of infection and the incidence of transmission is low. Transmission of the infection from one incidental host to another is relatively uncommon. Transmission
among maintenance hosts is often direct and involves contact with infected
urine, placental fluids, or milk. In addition, the infection can be transmitted venereally or transplacentally (Bolin and Alt, 1999). Infection of incidental hosts is
more commonly indirect, by contact with areas contaminated with urine of maintenance hosts. Environmental conditions are critical in determining the frequency of indirect transmission. Survival of leptospires is favoured by moisture,
moderately warm temperatures (optimal around 28°C), and neutral or mildly
stagnant water; survival is brief in dry soil or at temperatures less than 10°C or
more than 34 °C. Therefore, leptospirosis occurs mo st commonly in the spring,
autumn and early winter in temperate climates (Bolin, 2005).
Seite 112
Cattle are the maintenance hosts for serovar Hardjo (Blackmore 1976; Ellis et
al, 1981a). These leptospires are well adapted to cattle and the kidney tubules
of cattle have been described as their ecological niche (Little 1986). Infection of
cattle with serovar Hardjo appears to be now virtually worldwide (Ellis et al,
1976a; Robertson 1964; Roth 1960; Sullivan 1969). The clinical epidemiology of
the disease has also evolved over the last 30 years, and in countries where
epidemics of the disease occurred in herds previously free of Hardjo infection
(Ellis et al, 1976b; Hathaway and Little 1983; Higgins et al, 1980), the disease
now appears to have become endemic (Ellis 1990; Leonard et al, 2004).
Leptospira Hardjo
The most common cause of leptospirosis among cattle in Europe and worldwide
is infection with leptospires belonging to serovar Hardjo. Two species of Hardjo
leptospires are associated with disease: Leptospira interrogans serovar Hardjo
and Leptospira borgpetersenii serovar Hardjo. Whilst there are genetic, epidemiological and pathogenic differences between the two species, the two microorganisms are indistinguishable by serological tests (Ellis et al, 1986d) (Ellis
1986, 1990). Collectively, both species can be referred to as Leptospira Hardjo.
Leptospira borgpetersenii serovar Hardjo is common in cattle populations
throughout the world; Leptospira interrogans serovar Hardjo is isolated primarily
from cattle in the United Kingdom and Ireland.
Recently, there has been research into the Hardjo genome and other Leptospira
serovars. The Hardjo genome is much smaller than many other serovars such
as Copenhagenii (Bulach and others 2006). This is largely due to the loss of
redundant house-keeping genes thought to be necessary for survival outside
the host, which consequently limits host range and gives rise to much greater
dependence on host to host transmission (Bulach and others 2006). The Leptospira borgpeterseii serovar Hardjo genome is ≈700 kb smaller and has a lower
coding density than Leptospira interrogans serovar Copenhagenii, indicating it
is decaying through a process of insertion sequence-mediated genome reduction (Bulach and others 2006). Loss of gene function is not random but is centred on impairment of environmental sensing and metabolite transport and utilization. These features distinguish L. borgpetersenii from L. interrogans, a species with minimal genetic decay and that survives extended passage in acquatic
environments encountering a mammalian host. This indicates that L.
borgpetersenii is evolving toward dependence on a strict host-to-host transmission cycle involving cattle (Bulach and others 2006).
According to Ellis, strains such as Hardjo that are adapted to and maintained by
cow-to-cow transmission are independent of region and rainfall (Ellis, 1984). It
is most likely then, that the high herd and animal seroprevalence in countries
such as Ireland, the UK and the US is related to the high level of carrier animals
(Wikse et al, 2007) and standard farming practices that facilitate transmission of
the disease, for example housing of cows and calves together over the winter
period (Ryan et al, 2012). In an Irish context, it appears that calves, reared
alongside carrier cows, are exposed to Hardjo at a young age and are already
Seite 113
seropositive prior to 12 months of age. This is in contrast to findings in epidemiological studies in dairy herds where heifers are much more likely to be immunologically naïve on entering the milking herd (Pritchard et al, 1989).
Clinical signs associated with Hardjo
Leptospira Hardjo mainly causes reproductive disease, i.e. abortion, mumification, stillbirth, premature and term birth of weak calves (Ellis 1994; Ellis et al,
1986a; Ellis et al, 1985a; Ellis et al, 1986b), as well as causing milk drop syndrome in dairy herds (Ellis et al, 1976; Pearson et al, 1980). Cattle act as a
maintenance host for Leptospira Hardjo (Ellis et al, 1981), and shed leptospires
in both urine and discharges from the genital tract (Dhaliwal et al, 1996a; Dhaliwal et al, 1996c; Ellis 1987; Ellis et al, 1985b; Leonard et al, 1992, 1993).
Many leptospiral infections are subclinical, particularly in nonpregnant and
nonlactating animals, and are detected only by the presence of antibodies or
lesions of interstitial nephritis at slaughter. Acute or subacute leptospirosis is
most commonly associated with incidental host infections and occurs during the
leptospiraemic phase of infection. Clinical signs associated with chronic infections are usually associated with reproductive loss through abortion and stillbirth. Chronic infection of the female genital tract also may be associated with
infertility in cattle infected with serovar Hardjo.
The most common form of the acute disease occurs in dairy cows as transient
pyrexia with a marked drop in milk production lasting for two to ten days. In this
acute “milk drop syndrome”, the milk has the consistency of colostrum, with
thick clots, yellow staining, and high somatic cell count, and the udder has a
uniformly soft texture (Bolin 1998; Ellis 1986b). This condition occurs most
commonly with Leptospira interrogans serovar Hardjo infection but may be
caused by infection with Leptospira borgpetersenii serovar Hardjo as well
(Bolin, 2005). Leptospiral “milk drop syndrome” varies from an epizootic infection in a previously unexposed herd, involving over half the herd over a period
of one to two months, to a more common endemic infection affecting cows in
their first or second lactation. Recovery is usually in 10 days, without treatment,
although cows in late lactation may dry off. A subclinical form of this “milk drop
syndrome” may occur in Hardjo-infected lactating cows in the absence of other
clinical evidence of infection. Currently, due to the endemic nature of Hardjo
infection in Ireland and the UK, acute “milk drop syndrome” due to Hardjo is extremely rare. In Ireland, approximately 80 % of both suckler and dairy herds are
seropositive to serovar Hardjo (Leonard et al, 2004; Ryan et al, 2012).
The chronic form of disease, most commonly associated with serovar Hardjo, is
associated with foetal infection in pregnant cows presenting as abortion, stillbirth, or birth of premature and weak infected calves. Infected but healthy calves
also may be born. Abortion or stillbirth is commonly the only manifestation of
infection but may sometimes be related to an episode of illness up to 12 weeks
earlier (Ellis, 1994).
Seite 114
Infertility, which has responded to vaccination and treatment, has been described in Hardjo-infected herds. Such infertility which is characterised by increased services per conception and prolonged calving intervals follows localisation of leptospires in the uterus and oviduct of Hardjo-infected cattle (Bolin,
2005).
Leptospirosis can also be of major significance in naive beef/suckler herds. In
this case it is the reproductive disease manifestations associated with leptospirosis that are important, i.e. abortions, stillbirths, infertility and the birth of weak
calves, as previously mentioned. A large number of abortions or stillbirths or the
loss of weak calves shortly after birth can have dramatic economic consequences for the affected herds.
Endemic infection with Hardjo
Leptospirosis is considered an endemic disease of many countries worldwide
and based on recent studies it should be considered an endemic infection in
Germany also. An endemic disease is one which is widespread through a cattle
population and where a balance exists between infection and immunity. In naïve
herds all animals are at risk of developing infection and disease if leptospirosis
is introduced into the herd. In the UK, it is estimated that there is on average
one new herd infection for every 10 endemic herd infections per year (Bennett,
2004). The incidence of abortion can sometimes be high (more than 20 %) following the introduction of Hardjo into a susceptible group of cattle, but most
commonly, there is an insidious loss of 3 to 6 % of pregnancies per year, with
peaks occurring every 4 to 7 years (Ellis, 1990). Infertility in terms of delayed
breeding, early embryonic death and reabsorbed embryos may also occur, with
a resultant increase in culling rates due to infertility. In the subsequent years
post-introduction, the level and economic significance of disease due to leptospirosis in the herd will decrease annually due the development of immunity
within the herd. Indeed, it is likely that new infections are most likely to occur in
the replacement heifers in these herds. The manifestations of disease will then
depend on the timing of exposure and infection among these young animals.
Risk factors for Leptospirosis
Herd-level risk factors for leptospirosis due to L. Hardjo in dairy herds include:
larger herd size; co-grazing with infected cattle or sheep; access of cattle to
contaminated water courses; use of a stock bull; inadequate husbandry practices and purchase of replacement breeding animals (Alonso-Andicoberry et al,
2001; Ellis, 1994; Ellis and Michna, 1976a,b; Pritchard et al, 1989; Lilenbaum et
al, 2009). In an Irish study of unvaccinated dairy herds, Leonard et al, 2004,
both the probability of a herd being seropositive and the antibody level in the
herd milk sample were affected by the province and the herd size category.
Larger herds were significantly more likely to have positive reactions and higher
mean concentrations of bulk milk antibody. In a recent Irish study examining the
risk factors for leptospirosis in Irish suckler/beef herds, herd size was identified
Seite 115
as the only statistically significant risk factor for leptospirosis due to Hardjo with
larger herds have a much higher risk of seropositivity (Ryan et al, 2012).
Introduction
Purchase of infected cattle
Purchase or hire of an infected bull
Access to water course
Transmission
Intensive husbandry practices
Common grazing with infected cattle or sheep
Risk Factors for Leptospirosis
Maintenance
Herd size
Precipitation/rainfall
Soil Type
Figure 1:
Risk factors for Leptospiral infection in cattle herds
NB: Infected carrier cattle are the main risk for Hardjo introduction
into a herd and they are the means by which infection is maintained within the herd.
Zoonosis
Leptospirosis is recognised as a significant zoonotic disease of farmers, farm
workers and workers involved in the agricultural industry worldwide (Belmaker
et al, 2004; Bharti et al, 2003; Ellis-Iversen et al, 2010; Levett 2004). Disease
due to L. Hardjo is usually subclinical, with 90 % cases presenting as a flu-like
illness (Pate et al, 2000). A survey from Northern Ireland in 1990 looking at the
exposure of farmers to zoonotic infections showed that 8.1 % of farmers had
evidence of exposure to L. Hardjo (Stanford et al, 1990). The same zoonotic
risk does not apply in a suckler herd compared to a dairy herd. Dairy farmers
are at most risk from urine splashing in the parlour. However, suckler farmers
and veterinary practitioners must continue to take correct precautions when
calving suckler cows and when dealing with vaginal discharges.
Seite 116
Economic costs of Leptospirosis due to Hardjo
The main source of costs incurred during an outbreak of leptospirosis relate to
abortion, reduction in milk yield and infertility. Infertility refers to the observed
decline in first service conception rates during or following an outbreak of leptospirosis. The main criteria that determine cost include milk price, calf price and
cost of a day open (> 365 day calving interval).
In endemically infected herds, the cost of Leptospira Hardjo infection has been
estimated to be approximately € 55 per cow (Esslemont and Kossaibati, 2002).
It is likely that cost per herd is serotype dependent (more clinical disease is associated with Leptospira interrogans serovar Hardjo) and that biosecurity status
and herd immunity (naïve vs. endemic) mean that the cost is likely to be considerably less in most herds. The cost will steadily decline in endemically infected herds following the initial introduction of infection into the herd, even in
the absence of vaccination (Bennett, 1993).
Table 1:
Annual losses due to leptospirosis infection for a 100-cow dairy
herd as simulated by the dynamic model for particular default values assuming an increase in disease dissemination rate during
year 5 (R. M. Bennett, 1993).
Year
Estimated cost (€)
1
8984.70
2
3157.31
3
2175.40
4
3225.85
5
4967.66
6
2017.46
7
2828.02
Diagnosis of Leptospirosis
Diagnosis of leptospirosis is dependent on a good clinical and vaccination history and the availability of diagnostic testing at a laboratory with experience in
the diagnosis of leptospirosis. Coordination between the diagnostic laboratory
and the veterinarian is required to maximise the chances of making an accurate
diagnosis. It is advisable to contact the diagnostic laboratory prior to submission
of samples to assure the appropriate samples are collected and that the sam-
Seite 117
ples arrive at the diagnostic laboratory in suitable condition. In addition, in problem situations, it may be necessary to consult reference diagnostic laboratories,
which have expertise in the diagnosis of this infection.
Diagnostic tests for leptospirosis can be separated into those designed to detect
antibodies against the organism and those designed to detect the organism or
it’s DNA in tissues or body fluids of animals. Each of the diagnostic procedures,
for detection of the organism or for antibodies directed against the organisms,
has a number of advantages and disadvantages. Some of the assays suffer
from a lack of sensitivity and others are prone to specificity problems. Therefore, no single technique can be recommended for use in each clinical situation.
Use of a combination of tests allows maximum sensitivity and specificity in establishing the diagnosis. Serological testing is recommended in each case,
combined with one or more techniques to identify the organism in tissue or body
fluids.
Serological tests
Serological assays are the most commonly used technique for diagnosing leptospirosis in animals. The microscopic agglutination test (MAT) and various enzyme-immunoassays (ELISA’s) are the serological tests most frequently used.
Serology is inexpensive, reasonably sensitive, and widely available (Bolin,
2005).
The MAT is available worldwide and involves mixing appropriate dilutions of
serum with live leptospires of serovars prevalent within the region. The presence of antibodies is indicated by the agglutination of the leptospires (O’Keefe,
2002).
ELISA’s have been developed using a number of different antigen preparations
and assay protocols. These assays are sensitive and specific and have been
used extensively in Europe on both serum and milk. However, ELISA tests are
of little value in areas of the world where vaccination is common.
Detection of high titres of antibody in animals with a disease consistent with leptospirosis may be sufficient to establish the diagnosis. This is particularly true in
the investigation of abortions caused by incidental host infections in which the
dam’s agglutinating antibody titre is ≥1600. However, in maintenance host infections, particularly Hardjo in cattle, infected animals often have a poor agglutinating antibody response to infection. Often, at the time of abortion, antibody titres
may be quite low or negative in the maintenance host. In these cases, the herd
serological response to infection is often more helpful than is the individual’s
response in establishing the diagnosis. In abortion or stillbirth, it is often useful
to do serological testing on foetal serum, but dilutions should start at 1:10, in
contrast to adult studies in which the usual starting diution is 1:100.
Widespread vaccination of cattle with leptospiral vaccines in many parts of the
world complicates the interpretation of leptospiral serology. In general, cattle
Seite 118
develop relatively low agglutinating antibody titres (100 to 400) in response to
vaccination and these titres persist for one to three months after vaccination.
However, some animals develop high titres after vaccination and although these
high vaccination titres decrease with time, they may persist for six months or
more after vaccination (Bolin, 2005).
Another complication of interpretation of leptospiral serological testing is caused
by a lack of consensus as to what titre is “significant” for the diagnosis of leptospiral infection. An agglutinating antibody titre of >100 is considered significant
by many. However, this cut-off level may be exceeded in vaccinated animals
and may not be reached in Hardjo infections. Therefore, the diagnosis of leptospirosis based on a single serum sample must be made with caution and with
consideration of the clinical picture and vaccination history. In cases of acute
leptospirosis, a fourfold rise in antibody titre is often observed in paired serum
samples. However, maintenance hosts are commonly actively infected and
shedding leptospires with antibody titres ≤100. Therefore, a low antibody titre
does not necessarily rule out a diagnosis of leptospirosis. Antibody titres can
persist for many months following infection and recovery, although there is usually a gradual decline in the antibody titre with time (Bolin, 2005).
Detection of Leptospires
Other techniques available for the diagnosis of leptospirosis in livestock involve
procedures to detect leptospires or leptospiral DNA in tissues or body fluids.
These techniques include: darkfield microscopy, immunofluorescence, culture,
histopathology with special stains, and polymerase-chain-reaction (PCR) assays. Each of these assays is useful in the diagnosis of leptospirosis and each
presents special advantages and disadvantages for routine use.
Darkfield microscopy has been used as a rapid screening tool to identify leptospires in the urine of animals. The advantage of darkfield microscopy is speed;
disadvantages include low specificity and sensitivity. Direct visualisation of the
organisms is problematical, even for experienced personnel. Artifacts present in
body fluids are difficult to distinguish from leptospires, even by experienced observers. The sensitivity of darkfield microscopy is low; approximately 105 leptospires/ml of urine must be present to be detected. It is also important to remember that leptospires are present in the urine to varying degrees with different
serovars and are not usually present in urine in the early stages of acute disease. In general, darkfield microscopy, in experienced hands, can be useful to
make a preliminary positive diagnosis of leptospirosis but should not be relied
on to make a definitive diagnosis or to eliminate leptospirosis from the differential diagnosis (O’Keefe, 2002).
Immunofluorescence can be used to identify leptospires in tissues, blood, or
urine sediment. The availability of this test is increasing, and the test is rapid,
has good sensitivity, and can be used on frozen samples. Interpretation of immunofluorescence tests may be difficult and requires a skilled laboratory technician. The fluorescent antibody conjugate currently available for general use is
Seite 119
not serovar-specific; serological examination of the animal is still required to
identify the infecting serovar.
Bacteriological culture of blood, urine, or tissue specimens is the definitive
method for the diagnosis of leptospirosis. Leptospiraemia occurs early in the
clinical course of leptospirosis and is usually of short duration and low level.
Therefore, blood is only useful for culture in the first few days of clinical illness
and prior to antibiotic therapy. Leptospires are usually present in the urine of
animals 10 days after the onset of clinical signs. Urine for culture should be collected after injection of furosemide. Furosemide increases the glomerular filtration rate and “flushes” more leptospires into the urine and produces dilute urine,
which enhances survival of the leptospires. Urine, blood, and tissue samples for
culture should be diluted in 1 % bovine serum albumin transport medium as
soon as possible after collection. Culture of leptospires is difficult, timeconsuming, and requires specialised culture medium. However, isolation of the
organism from the animal allows definitive identification of the infecting serovar.
Diagnostic laboratories rarely culture specimens for the presence of leptospires.
However, a few laboratories with a particular interest in leptospirosis can conduct such testing and may be consulted if leptospiral culture is required
(O’Keefe, 2002).
The use of special stains in histopathology can be effective for identification of
leptospires in animal tissues. This common diagnostic technique is the only one
that can be used on formalin-fixed tissues. Tissues to be examined include kidney in adults and placenta, lung, liver, and kidney in the case of abortions. Leptospires are not visible in tissues using routine stains, but characteristic inflammation can be observed in affected kidneys; hepatic lesions are less specific.
Application of silver stains or immunohistochemical stains to tissue sections will
allow detection of leptospires or leptospiral antigens in the renal tubules and
interstitium of the kidney, liver, lung, or placenta. Low sensitivity is a disadvantage of this diagnostic technique. Leptospires are often present in small numbers in affected tissues, particularly in chronic leptospirosis. The infecting serovar cannot be determined by histopathology; serological studies must also be
conducted.
Techniques have been developed recently that allow detection of leptospiral
DNA in clinical samples. These tests rely on the PCR amplification of DNA in
tissues or body fluids (Bomfim et al, 2008). A number of PCR procedures are
available and each laboratory running the test may select a slightly different
procedure that works well for them. In general, PCR testing of urine is more difficult and tissues often contain inhibitors to the amplification reaction and, therefore, may cause false-negative results. Most PCR assays are able to detect the
presence of leptospires but are not able to determine the infecting serovar. PCR
can be a sensitive and specific technique for the diagnosis of leptospirosis. Unfortunately, the process is complex and exquisitely sensitive to contamination
with exogenous leptospiral DNA and, therefore, may be prone to false-positive
reactions. It is very important that PCR results be interpreted with full knowledge of the quality control procedures used in the laboratory.
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Treatment
Animals with acute leptospirosis can be treated with tetracycline (10 to 15
mg/kg twice daily for three to five days) (Bolin, 2005). Leptospires are also
highly susceptible to tylosin and other macrolides but these antibiotics cannot
be relied upon to remove the renal carrier state. Injectable, long-acting tetracycline at a dose of 20mg/kg has been shown to be effective in eliminating shedding in cattle infected with serovar Hardjo. In a US study (Alt et al, 2001), the
following antibiotic treatments resulted in elimination of urinary shedding of leptospires: a single injection of oxytetracycline (20 mg/kg IM), tilmicosin (10 kg/kg
SC), or a combination product that contained dihydrostreptomycin-penicillin G
(25 mg/kg IM) or multiple injections of ceftiofur sodium (2.2 or 5 mg/kg IM once
daily for 5 days, or 20 mg/kg IM once daily for 3 days). Bulls that are infected
with serovar Hardjo are difficult to treat as the organism persists in the seminal
vesicles as well as the kidney; few antimicrobials can be relied upon to penetrate the seminal vesicles (Bolin, 2005).
While an argument could be made for the antibiotic treatment of bulls and newly
purchased replacement breeding animals prior to the breeding season in order
to reduce urinary shedding from potentially high-risk carrier animals, it is not
recommended to rely on antibiotic therapy in the control of leptospirosis in cattle
herds. The prudent use of antibiotic therapies should be of paramount importance when all infectious diseases are considered. It should be noted also that a
recent study showed no improvement in reproductive performance in a beef
herd when a monovalent leptospiral vaccine against Leptospira borgpetersenii
serovar Hardjo was used in conjunction with the use of parenteral oxytetracycline (Kasimanickam et al, 2007).
Prevention and control of Leptospirosis
Control and prevention of leptospirosis in endemically infected areas is of great
importance for reasons of both animal and human health. Good husbandry
practices, antibiotic therapy and vaccination can all contribute to the control of
Hardjo infection (Leonard 1991).
Control of wildlife is not considered important in the control of Hardjo infection of
cattle. Prevention of contact between sheep and cattle may be necessary in the
prevention of spread of Hardjo because there is now strong evidence that
sheep can act as maintenance hosts for Hardjo (Cousins et al, 1989, Lilenbaum
et al, 2009).
In all cases, efforts should be made to limit direct and indirect contact between
non-infected cattle and carriers of leptospirosis, e.g. fencing swampy ground or
streams. In addition, adequate quarantine procedures should be undertaken to
prevent introduction of Hardjo into a herd through purchase of infected animals.
However, given the prevalence of serovar Hardjo infection in cattle (Ellis et al,
1986c; Leonard et al, 2004), prevention of all exposure to leptospirosis is virtually impossible in most dairy and beef operations. Therefore, vaccination is re-
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lied upon to enhance resistance of the animals to infection with Hardjo (Bolin
2003b). Traditionally, the majority of Irish and UK dairy farmers vaccinate their
breeding stock against leptospirosis.
Vaccination
A series of experimental studies from the United States showed that vaccination
with multivalent leptospiral vaccines and the older monovalent vaccines typical
of those available in the US, does not prevent renal infection, urinary shedding,
or foetal infection with serovar Hardjo isolates from the US (L. borgpetersenii
serovar Hardjo) (Bolin et al, 1991; Bolin et al, 1989; Bolin 1989). Many of these
Hardjo vaccines were licenced many years ago and were not subjected to rigorous efficacy trials using virulent strains of serovar Hardjo, routes of challenge
which mimic natural exposure, and modern methods of determining if challenged cattle became infected with serovar Hardjo (Bolin 2003b).
Recently, however, two serovar Hardjo vaccines have been extensively investigated using appropriate challenge strains and methods. In contrast to many
other serovar Hardjo vaccines, these two products were shown to provide excellent protection against infection and shedding of serovar Hardjo. The studies
establishing the efficacy of Leptavoid™-H (Intervet Schering-Plough) were reported by Dr. W. Ellis (Veterinary Sciences Division, Stormont, Northern Ireland)
and those regarding Spirovac™ (CSL, Inc.) were reported by Dr. C.A. Bolin
(Michigan State University, USA). Vaccination with Leptavoid™-H has been
shown to increase conception rates where leptospirosis is diagnosed as a
cause of infertility (Dhaliwal et al, 1996a; Williams 1996). Leptavoid™-H vaccine
contains inactivated Leptospira interrogans serovar Hardjo, and is licenced to
protect against both Leptospira strains. Spirovac™ is an inactivated Leptospira
borgpetersenii serovar Hardjo vaccine and is proven to prevent renal colonization and urinary shedding in cattle exposed to L. borgpetersenii serovar Hardjo
(Bolin and Alt 2001). Both of these vaccines require two doses 4 weeks apart,
given at least 2 weeks before the start of the breeding season for animals not
previously vaccinated. An annual booster is sufficient to boost immunity.
Differences in the efficacy of Hardjo vaccines among studies are likely to be
related to several factors, including differences in vaccine formulation, the challenge strain used, and the method of challenge (Bolin and Alt 2001). Most serovar Hardjo vaccines are formulated with isolates of L. interrogans serovar
Hardjo, and only 1 commercial vaccine contains L. borgpetersenii serovar
Hardjo. Other factors related to vaccine formulation that may influence vaccine
efficacy include leptospiral growth conditions (e.g. culture medium, fermentation
conditions), adjuvant content, and the number of serovars included in the vaccine (Bolin and Alt 2001). It has been through improvements in vaccine formulation and adjuvant efficacy that has led to the availability of good commercial
vaccines against L. Hardjo today.
Based on recent studies, it appears that Hardjo vaccines that do protect cattle
from serovar Hardjo induce a strong and long lasting cell-mediated immune re-
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sponse in vaccinated animals (Bolin 2003b). In 2001, a protective killed Leptospira borgpetersenii vaccine was shown to induce potent Th1 immunity comprising responses by CD4 and γδ T lymphocytes (Naiman et al, 2001). A followon study was carried out to evaluate the type 1 immune response in naïve and
vaccinated animals following challenge with Leptospira borgpetersenii serovar
Hardjo (Naiman et al, 2002). There was involvement of WC1+ γδ and CD4 T
cells in the type 1 immune response. However, it was suggested that the type 1
response was likely to be too weak to prevent the establishment of chronic infection. While cell-mediated immunity plays a key role in the efficacy of these
two Hardjo vaccines, it is still not entirely clear why they protect so well against
serovar Hardjo compared to other vaccines.
In terms of acute leptospirosis, control of “milk drop syndrome” due to Hardjo
infection is by vaccination. Once vaccination is carried out, further cases of milk
drop should not occur after four to seven days (Ellis 1986b). In an Australian
study, pregnant animals were treated with streptomycin and no abortions occurred following the cases of milk drop (Hoare 1972).
Leptospirosis in Germany
In 1986, an animal investigation program involving the testing of 11,081 cattle in
the Federal Republic of Germany found that 2.4 % of individual animals were
seropositive for Leptospira interrogans using the MAT test at a titre of ≥1:400.
The use of such a high titre for classification of a positive result means that this
was undoubtedly a conservative estimate of true Hardjo prevalence. Most of the
positive cases were found in southern Germany and 53 % of animals were positive to serovar Hardjo (Schonberg et al, 1986). Leptospira interrogans serovar
Hardjo (type hardjoprajitno) was isolated from catheter urine of cattle in Germany following an outbreak of disease where 18 of 31 cattle aborted (Brem et
al, 1987). High prevalences of serovar Hardjo have been reported in Germany
(Little 1986). A recent study of the prevalence of antibodies to Leptospira Hardjo
in bulk tank milk samples found that approximately one-third of herds in Germany (178/490: 36 %) were positive for L. Hardjo (Wiseman 2002). It is likely,
therefore, that leptospirosis is now an endemic disease in Germany. This
means that outbreaks of acute disease will be rare and most disease will be
subclinical manifesting as suboptimal reproductive performance in affected
cows, as well as a low herd-level of abortions and stillbirths/weak calves.
The economic cost of leptospirosis in German dairy and beef herds is difficult to
quantify. However, it must be remembered that Hardjo is a zoonosis and control
of this disease is important from a human health, as well as an animal health,
point of view. This consideration alone should be enough to advise dairy farmers, who are at significant risk of contracting disease from infected urine splashing in the milking parlour, to implement vaccination programmes. The efficacy of
current monovalent Hardjo vaccines, allied to their relatively low cost, means
that it is usually cost beneficial to vaccinate in endemically infected cattle populations.
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As with all infectious diseases, it is important to monitor for evidence of infection
prior to the implementation of control measures. This is easily carried out in
dairy herds through the use of bulk milk antibody testing. In beef/suckler herds,
the use of young stock serological screens as well as sampling of a cohort of
the adult herd is recommended. If the MAT is used, a titre of ≥ 1:400 is indicative of active/acute infection but a titre of ≥ 1:100 is indicative of exposure. Most
ELISA’s yield positive or negative results that are indicative of nothing more
than exposure to the organism and cannot be used to determine whether infection is active or not. Therefore, it is very important to test a number of cattle in
order to be able to realistically assess herd prevalence or freedom from disease. Another important aspect of disease monitoring is the serological testing
of cows post-abortion for evidence of leptospirosis, ideally using paired samples
one month apart using the MAT, as well as submitting stillborn calves and
aborted foetuses with placentae for laboratory analysis. Certainly, without good
surveillance, leptospirosis will remain a hidden disease in Germany. In Ireland,
where Leptospira Hardjo is endemic in the cattle population, 5 % of foetal carcasses submitted to the Department of Agriculture veterinary laboratories in the
Republic of Ireland and the equivalent in Northern Ireland in 2010 were positive
for Leptospira antigen using the FAT and antibody using the Immunocomb test
(All-island Animal Disease Surveillance Report, 2010). This is a high level of
abortion attributable to leptospirosis considering that more than 50 % of abortions remain undiagnosed. It is also worth noting that approximately 90 % of
Irish dairy herds vaccinate against Hardjo and 5-10 % of beef/suckler herds.
Summary
Leptospirosis is a widespread endemic disease of many cattle populations
worldwide. Disease due to leptospirosis can have significant economic consequences for individual farms. There are a number of risk factors which increase
the risk of a herd suffering from clinical disease. Leptospirosis can be effectively
prevented and/or controlled by the application of good management practices
and/or vaccination.
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Seite 133
Q-Fieber / Coxiellose:
eine Herausforderung für Tierarzt und Humanmediziner
Martin Runge1, Sabine Thielke1, Asmien Brix1,
Friederike Bothe2, Renate Eibach2 und Martin Ganter2
1
Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES), Lebensmittel- und Veterinärinstitut Braunschweig/Hannover
2
Klinik für kleine Klauentiere der Stiftung Tierärztliche Hochschule
[email protected]
Q-Fieber (Coxiellose) ist eine weltweit endemisch vorkommende Zoonose, die
durch Infektion mit dem obligat intrazellulären, unbeweglichen, gram-negativen
Bakterium Coxiella (C.) burnetii verursacht wird. Bislang wurde C. burnetii in die
Familie der Rickettsiaceae eingegliedert. Analysen des 16S rRNA-Gens und
später des kompletten Genoms zeigten jedoch, dass C. burnetii phylogenetisch
eng mit Legionella pneumophila verwandt ist (Stein et al. 1993, Seshadri et al.
2003). C. burnetii vermehrt sich in den Phagolysosomen von Monozyten und
Makrophagen und tritt in verschiedenen Zellformen auf, die als „large cell variants“, „small cell variants“ und „small dense cells“ bezeichnet werden. Insbesondere die „small dense cells“ weisen eine ausgeprägte Tenazität gegenüber
Stressfaktoren wie erhöhten Temperaturen, UV-Strahlung und Austrocknung
auf. Sie haben damit zwar z. T. ähnliche Eigenschaften wie Bakteriensporen,
unterscheiden sich von diesen aber aufgrund ihrer molekularen Struktur und
vieler anderer Merkmale (Maurin und Raoult 1999, 2002, Woldehiwet 2004). Bei
C. burnetii wurde auch eine Antigenvariabilität festgestellt. Coxiellen mit vollständigem Lipopolysaccharid, so genanntem Phase I-LPS, sind hoch virulent.
Bei Menschen und Tieren kann eine Infektionsdosis von ca. 10 Bakterien bereits klinische Symptome hervorrufen. Im Gegensatz dazu weisen Coxiellen mit
verkürztem Phase II-LPS eine geringere Virulenz auf (Woldehiwet, 2004, Arricau-Bouvery und Rodolakis 2005).
C. burnetii wurde in einer Vielzahl verschiedener Tierarten, von Arthropoden,
Vögeln, Wildsäugetieren bis hin zu Haus- und Nutztieren nachgewiesen. Bei
Rindern, Schafen und Ziegen können Infektionen klinisch inapparent oder auch
apparent verlaufen. Häufig werden bei Wiederkäuern im Uterus und Euter persistierende Infektionen nachgewiesen, die zu Endometritiden, Plazentiden und
Fruchtbarkeitsstörungen führen können. Gelegentlich treten Aborte, Totgeburten und die Geburt lebensschwacher Nachkommen auf, die als Leitsymptome
auf Q-Fieber hindeuten können. Bereits in früheren Untersuchungen mittels
KBR wurden in Niedersachsen in Milchviehbetrieben mit Fortpflanzungsstörungen zu 19,3 %, in Betrieben ohne Fruchtbarkeitsproblematik zu 9,6 % Antikörper gegen C. burnetii nachgewiesen. Dabei waren insbesondere Herden mit
großen Tierzahlen betroffen (Wittenbrink et al. 1993). In eigenen Untersuchungen der letzten Jahre wurden in Niedersachsen Coxiellen mittels PCR in durchschnittlich 10 % der Rinderbestände mit Abortproblematik festgestellt. In den
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meisten Fällen verläuft die Infektion mit C. burnetii bei Rindern jedoch asymptomatisch bzw. subklinisch (Maurin und Raoult 1999, Maurin und Raoult 2002,
Arricau-Bouvery und Rodolakis 2005).
Es können ein Wildtierreservoir und ein Nutz- bzw. Haustierreservoir unterschieden werden, in denen der Erreger zirkuliert. Das Bindeglied zwischen den
Reservoirwirten sind vermutlich Zecken, die C. burnetii vor allem durch kontaminierten Zeckenkot übertragen können. In Mitteleuropa und in Süddeutschland
ist der Hauptvektor die Schafzecke Dermacentor marginatus, in deren Kot Coxiellen massenhaft vorhanden sein können. C. burnetii konnte aber auch in
mehr als 40 weiteren Zeckenarten nachgewiesen werden (Sting et al. 2004,
Arricau-Bouvery und Rodolakis 2005). Von infizieren Wiederkäuern wird C. burnetii mit der Milch, dem Urin, Kot und in besonders großen Mengen beim Abkalben bzw. Ablammen mit der Plazenta, dem Fruchtwasser und dem Lochialsekret ausgeschieden. Die Hauptroute der Übertragung auf den Menschen ist
die Inhalation von kontaminierten Aerosolen oder Staubpartikeln, die nach Eintrocknen der erregerbelasteten Ausscheidungen durch Wind über weite Distanzen (bis über 18 km), durch kontaminierte Wolle, Kleidung oder den Transport
von Tieren oder Dung verbreitet werden können. Durch diesen Übertragungsmodus kommt es immer wieder zu räumlich begrenzten, epidemieartigen humanen Q-Fieber-Ausbrüchen. Die Infektion kann aber auch über direkten Kontakt mit infizierten Tieren oder Tierprodukten z. B. beim Schlachten und nicht
selten auch im Labor erfolgen (Hawker et al. 1998, Maurin und Raoult 1999,
Hatchette et al. 2001, Maurin und Raoult 2002, Brouqui et al. 2004, Sting et al.
2004, Tissot-Dupont et al. 2004). Die orale Infektion durch kontaminierte Rohbzw. Vorzugsmilch oder Milchprodukte repräsentiert ebenfalls einen potentiellen
Übertragungsweg, ist aber weitestgehend ungeklärt (Fishbein und Raoult 1992,
Anonymus 2010, Brouqui et al. 2004, Kloppert et al., 2004, Henning et al.
2007). Seit 2009 werden daher in Niedersachsen im Rahmen eines Projektes
Rohmilchproben mittels PCR auf C. burnetii untersucht. Dabei wurde eine
durchschnittliche Nachweisrate von 8 % ermittelt.
Auch beim Menschen verläuft ungefähr die Hälfte der C. burnetii-Infektionen
asymptomatisch. Der Erkrankungsfall ist durch einen akuten und chronischen
Verlauf charakterisiert. Die Inkubationszeit beträgt 2 bis 5 Wochen und ist abhängig von der Infektionsdosis (in der Regel 2-3 Wochen). Beim akuten Verlauf
ähneln die klinischen Symptome denen eines grippalen Infektes mit plötzlichem
Fieber (bis 40 °C), Schüttelfrost, Mattigkeit, Appe titlosigkeit und Husten. Begleitend werden Myalgien und Enteritiden diagnostiziert. Ein Teil der Patienten
entwickelt Pneumonien mit trockenem Husten und sehr heftigen retrobulbären
Kopfschmerzen, die häufig zu einer stationären Aufnahme in einem Krankenhaus führen. Die meisten Infektionen sind nach 1 bis 2 Wochen selbst limitierend. Der Erreger kann jedoch in die Organe absiedeln und dort über lange Zeit
persistieren. Weitere Symptome des akuten Q-Fiebers sind Hepatitis und seltener Myokarditis, Peri- oder Endokarditis und weitere neurologische Manifestationen, wie Verwirrtheit, Meningitis, Meningoenzephalitis u. a. (Maurin und Raoult
1999, 2002; Kofteridis et al. 2004, Woldehiwet 2004; Raoult et al. 2005).
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Bei ungefähr 5 % der Patienten entwickelt sich chronisches Q-Fieber. Beim
chronischen Verlauf dominiert bei Patienten mit Vorerkrankungen wie Valvulopathien oder Immundefekten eine Endokarditis, er kann aber auch zu Vasculitiden, Osteomyelitiden und granulomatösen Hepatitiden führen. Oft wird bei Patienten mit Endokarditis die Diagnose „Q-Fieber” erst nach Monaten oder Jahren
gestellt, wodurch aufgrund fehlerhafter Therapien eine vergleichsweise hohe
Mortalität zu verzeichnen ist. Bei Schwangeren kann es im akuten und chronischen Verlauf durch Placentitis zu Frühgeburten, spontanen Aborten und Tod
in utero kommen. Bei wiederholten Fehlgeburten ist chronisches Q-Fieber daher differentialdiagnostisch mit in Betracht zu ziehen (Maurin und Raoult 1999,
2002; Woldehiwet 2004). Volkswirtschaftlich am bedeutendsten ist in der Folge
eines Q-Fiebers das immer häufiger diagnostizierte „Chronic Fatique Syndrom“,
das zu oft monatelanger Arbeitsunfähigkeit führen kann (Keijmel et al. 2012).
In den meisten Fällen wird bei den humanen epidemieartigen Ausbrüchen der
Verdacht auf Q-Fieber nach einer ausführlichen Anamnese erfolgen. Wichtig für
die Erkennung wie auch die anschließende Bekämpfung ist insbesondere eine
enge Kooperation von Human- und Veterinärmedizinern und der verschiedenen
beteiligten Behörden. Bei sporadischen Erkrankungsfällen ist die Ursache der
Erkrankung oft schwer zu ermitteln und die Diagnose aufgrund der unspezifischen Symptomatik und der breiten Palette anderer möglicher Erreger nur
schwer zu stellen. Labordiagnostisch wird die Infektion des Menschen meist
indirekt über Antikörpernachweise mittels ELISA, indirektem Immunfluoreszenztest, KBR oder Mikroagglutination nachgewiesen. Beim akuten Q-Fieber dominieren Antikörper gegen Phase II-Antigen und sind meist ab der zweiten Krankheitswoche nachweisbar. Erhöhte Antikörperspiegel gegen Phase I-Antigen
weisen auf eine chronische Infektion hin. In Deutschland ist der direkte oder
indirekte Nachweis von C. burnetii beim Menschen nach § 7 des Infektionsschutzgesetzes meldepflichtig, wenn er auf eine akute Infektion hinweist. Akutes Q-Fieber kann beim Menschen mit Doxycyclin, Kombinationen aus
Erythromycin und Rifampicin oder bei neurologischen Symptomen mit Chinolonen behandelt werden. Bei chronischem Q-Fieber muss eine Langzeitbehandlung mit Rifampicin, Kombinationen aus Doxycyclin und Chinolonen, Doxycyclin
und Hydroxychloroquinen oder Rifampicin und Ciprofloxacin erfolgen, die mehrere Jahre andauern kann (Süss et al. 2004).
Beim Tier kann in der Routinediagnostik der Nachweis in einer Herde indirekt
über ELISA oder KBR erfolgen. Diese Tests eignen sich aber nicht für die Diagnostik bei einzelnen Tieren. Der Nachweis des Erregers kann mit der PCR
oder mit einer Kombination aus Stamp-Färbung, Antigen-ELISA und PCR
durchgeführt werden und ist nach dem Tierseuchenrecht meldepflichtig. Zellkulturen sind spezialisierten Laboratorien vorbehalten (Henning und Sting 2001).
Die Behandlung mit Tetracyclinen führt zwar nicht zur sicheren Eliminierung des
Erregers, aber zur Reduktion der Abortrate. Wegen der unspezifischen Symptomatik ist Q-Fieber bei Menschen und Tieren eine sicherlich zu selten diagnostizierte Erkrankung. Beim Menschen wird die Diagnose Q-Fieber oft erst im
Zusammenhang mit Ausbrüchen gestellt. Trotzdem dürfte wegen der vermutlich
weiten Verbreitung des Erregers die Dunkelziffer der Erkrankungen und damit
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der, trotz der vergleichsweise milden klinischen Symptome des akuten QFiebers, z. B. durch Arbeitsausfall verursachte volkswirtschaftliche Schaden
groß sein. Für Australien wurde eine durch Q-Fieber bedingte Arbeitsunfähigkeit von jährlich 1.700 Wochen kalkuliert (Garner et al. 1997).
Q-Fieber-Ausbrüche beim Menschen wurden aus vielen Ländern berichtet. In
Europa ereigneten sich größere Ausbrüche beispielsweise 1983 im schweizerischen Val de Bagnes mit 415 Fällen und 1989 im englischen Birmingham mit
149 Fällen (Dupuis et al. 1987, Marmion et al. 2004). In Deutschland wurden
zwischen 1947 und 2007 mehr als 50 räumlich begrenzte Q-Fieber-Ausbrüche
beim Menschen zumeist in den südlichen und südwestlichen Bundesländern
festgestellt. Schafe waren an ca. 30 Ausbrüchen ursächlich beteiligt. Die beiden
letzten großen Ausbrüche fanden jedoch 2003 in Bad Sassendorf/NordrheinWestfalen und 2005 in Jena/Thüringen statt (Robert-Koch-Institut 2003, Raoult
et al. 2005, Porten et al., 2006; Gilsdorf et al., 2008). Von der Infektion waren
jeweils ungefähr 300 Menschen betroffen. Beide Ereignisse waren auf offensichtlich klinisch gesunde Schafe zurückzuführen, die den Erreger beim
Ablammen ausschieden. Es scheint, dass sich C. burnetii nach Norden hin
ausbreitet. Schließlich kam es ausgehend von Milchziegenbeständen zwischen
2007-2010 in den Niederlanden zu dem weltweit größten humanen Q-FieberAusbruch mit mehr als 3.500 Erkrankten (van den Brom und Vellema 2009,
Conraths et al. 2010, Roest et al. 2010).
Da keine Daten zur Prävalenz von C. burnetii in Norddeutschland vorlagen,
wurde im Jahr 2004 vom Schaf- und Ziegengesundheitsdienst der Klinik für
kleine Klauentiere der Tierärztlichen Hochschule Hannover, dem Veterinärinstitut Hannover des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und
Lebensmittelsicherheit und der Laborabteilung Veterinärmedizin des Zentralen
Instituts des Sanitätsdienstes der Bundeswehr in Niedersachsen eine breit angelegte Sero- und Erregerprävalenzstudie in 95 niedersächsischen Schafherden gestartet. Hierbei konnte für Niedersachsen eine Seroprävalenz von 2,7 %
und eine Erregerprävalenz von lediglich 0,7 % festgestellt werden, es zeigte
sich aber, dass drei Wanderschafherden im südniedersächsischen Raum eine
stark erhöhte Intra-Herdenprävalenz von bis zu 48 % aufwiesen (Ganter et al.
2005, Runge et al. 2012). In weiterführenden Untersuchungen wurde zudem
festgestellt, dass der Erreger auch im Staub der Stallluft nachweisbar ist und
damit die potentielle Gefahr einer aerogenen Verbreitung und Infektion des
Menschen besteht (Schulz et al. 2005). Systematische Erhebungen zur Verbreitung bei Rindern in Niedersachsen stehen aus. Warum in Deutschland im Vergleich zu den kleinen Wiederkäuern verhältnismäßig häufig Coxiellen bei Rindern nachgewiesen werden, Rinder jedoch äußerst selten als Quelle für Humanerkrankungen identifiziert werden, ist nur teilweise durch die unterschiedlichen Haltungsbedingungen zu erklären.
Zur Prävention von Infektionen sollten vor allem Hygienemaßnahme in den
Tierbeständen erfolgen: Separation tragender Tiere von der Herde, Ablammen
bzw. Abkalben in geschlossenen Ställen in größtmöglicher Entfernung von Ansiedlungen, die umgehende fachgerechte Entsorgung von Plazenten und abortierten Feten, die regelmäßige Desinfektion der Ställe, die Kompostierung von
Dung und Einstreu unter Folienabdeckung oder mit Branntkalk über sechs Mo-
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nate, die Schafschur im Stall mit Staubmaske, keine Ausstellung von Tieren im
letzen Trächtigkeitsdrittel, nur Ausstellung zeckenfreier Tiere, die serologische
Untersuchung der Tiere vor Ausstellungen, Durchführung von Zeckenbädern
und die ausschließliche Verwendung pasteurisierter Milch wurden vorgeschlagen. Die Umsetzung solcher Maßnahmen ist im Einzelfall nicht zu gewährleisten und teilweise ist der Erfolg fragwürdig. Eine generelle Anwendung all dieser
Vorsichtsmaßnahmen in allen empfänglichen Nutztierbeständen ist nicht umzusetzen, was zum Beispiel mit Blick auf die Wanderschafhaltung sehr schnell
deutlich wird. Häufig werden infizierte Nutztierbestände erst aufgrund der Rückverfolgung nach Humanausbrüchen entdeckt.
Sinnvoller ist ein präventives Vorgehen, wie z. B. die Untersuchung empfänglicher Nutztierbestände und Impfung positiver Herden. Unser Wissen über die
Durchseuchung der Nutztierbestände ist jedoch z. Z. noch sehr lückenhaft. In
eigenen Untersuchungen wurde in einer Studie von Juli 2009 bis Dezember
2010 nach einem Q-Fieber-Ausbruch in einem Schafbestand (ca. 250 Muttertiere), der in einem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit Erkrankungen
beim Menschen stand und durch Aborte und lebensschwache Lämmer Tierverluste in Höhe von 18 % verursachte, die Herde sechs Wochen vor der Ablammung mit Coxevac® grundimmunisiert. Zudem wurden alle hochtragenden
Schafe bis zur Ablammung regelmäßig mit Oxytetracyclin behandelt. Die Seroprävalenz stieg nach erfolgter Grundimmunisierung von 39 % vor der Impfung
auf 98 %. Nach diesen Maßnahmen nahm die Bakteriämie und die Ausscheidung von C. burnetii signifikant ab, was darauf hindeutet, dass bei einem akuten Ausbruch Impfungen mit Coxevac® die Ausscheidung von C. burnetii deutlich reduzieren können, ungeachtet fehlender Zulassung beim Schaf und Einsatz in der Hochträchtigkeit. Bei Co-Infektionen mit Chlamydia abortus könnte
die antibiotische Behandlung zusätzlich von Nutzen sein, um durch Chlamydien
verursachte Verluste durch Aborte und lebensschwache Lämmer und die damit
einhergehende massive Ausscheidung beider Erregerarten zu reduzieren. Daher sollten diese beiden Maßnahmen bei einem Q-Fieber-Ausbruch in Erwägung gezogen werden, nicht zuletzt um den Infektionsdruck auf den Menschen
zu reduzieren (Eibach et al. 2012a, Eibach et al. 2012b). Der in der Studie verwendete Phase I-Impfstoff ist in der EU für Rinder und Ziegen seit September
2010 zugelassen (Arricau-Bouvery et al. 2005).
Trotz der Vielzahl an Ausbrüchen mit Hunderten von humanen Q-Fieber-Fällen
in den letzten Jahren sind Daten zur Epidemiologie bei Mensch und Reservoirtieren, zur Resistenzlage der zirkulierenden Stämme für Deutschland wie auch
weltweit nicht umfassend vorhanden. Grundlagenforschung an C. burnetii zur
Identifizierung von Virulenzfaktoren und der Interaktion von Wirt und Erreger auf
molekularer Basis zur Verbesserung von Diagnostik und Therapie werden
ebenfalls weltweit nur sehr eingeschränkt durchgeführt. Diese beiden Themenkomplexe, Epidemiologie und molekulare Pathogenese, werden im Rahmen der
Zoonoseinitiative der Bundesregierung vom Bundesministerium für Bildung und
Forschung in dem Verbund „Erforschung der molekularen Pathogenese des QFiebers und ihre Anwendung in der Diagnostik und Epidemiologie in Deutschland“ gefördert. An dem Verbund sind verschiedene Forschungseinrichtungen
der Human- und Veterinärmedizin sowie der Grundlagenforschung beteiligt (In-
Seite 138
stitut für bakterielle Infektionen und Zoonosen und Institut für Epidemiologie des
Friedrich-Loeffler-Instituts, Konsiliarlabor für C. burnetii im Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg, Institut für Medizinische Mikrobiologie der FriedrichSchiller-Universität in Jena, Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München, die Klinik für kleine Klauentiere der Tierärztlichen Hochschule Hannover
und das Veterinärinstitut Hannover des Niedersächsischen Landesamtes für
Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit). Die in dem Forschungsverbund
gewonnenen Erkenntnisse sollen zur Prävention von Q-Fieber-Ausbrüchen bei
Mensch und Tier, zu Sanierungsstrategien durchseuchter Wiederkäuerherden
und unmittelbar zur Entwicklung neuer molekularer und serologischer Diagnostika genutzt werden.
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Tuberkulose des Rindes: wieder ein Thema?!
Heike Köhler, Irmgard Moser, Christian Menge
Institut für molekulare Pathogenese,
Friedrich-Loeffler-Institut, Jena
[email protected]
1.
Einleitung
Die Rindertuberkulose (TB) ist eine chronische Infektionskrankheit, die durch
Mycobacterium bovis (M. bovis) und M. caprae, Erreger des Mycobacterium
(M.) tuberculosis-Komplexes (MTC), hervorgerufen wird. M. bovis und
M. caprae, letzteres bis 2003 taxonomisch als Subspezies von M. bovis eingeordnet, sind in Deutschland etwa zu gleichen Teilen für Tuberkulose-Infektionen
des Rindes verantwortlich. Beide Erreger besitzen ein breites Wirtsspektrum
einschließlich des Menschen. In Staaten mit hoher Prävalenz beim (Nutz-) Tier
und unzureichenden lebensmittelhygienischen Maßnahmen (z. B. Pasteurisierung) spielen M. bovis- und M. caprae-Infektionen eine Rolle im humanen TBGeschehen. Weltweit wird der Anteil „boviner TB“-Fälle des Menschen auf etwa
10 % geschätzt. Laut WHO gehört die bovine Tuberkulose zu den sieben wichtigsten vernachlässigten endemischen Zoonosen.
Infizierte Tiere bleiben über lange Zeit klinisch unauffällig. Leistungsrückgang
unklarer Genese, Abmagerung („Schwindsucht“) oder chronischer, therapieresistenter Husten können auf die Erkrankung hinweisen. Die Infektion erfolgt aerogen oder alimentär. Zunächst entwickelt sich eine granulomatöse Entzündung
mit knötchenförmigen Veränderungen (Tuberkel) an der Eintrittspforte und in
den regionären Lymphknoten (Primärkomplex). Die Veränderungen finden sich
je nach Infektionsweg an den Kopflymphknoten, im Respirations- oder im
Gastrointestinaltrakt (Abb. 1). Danach treten verschiedene Verlaufsformen auf.
Bei der Frühgeneralisation bilden sich granulomatöse Läsionen in verschiedenen Organen, u. a. in der Leber und der Niere sowie an den serösen Häuten
(Miliartuberkulose). Die chronische Organtuberkulose betrifft meist ein Organ,
z. B. die Lunge. In der terminalen Niederbruchsphase kann es zur Spätgeneralisation kommen.
Die Rindertuberkulose verursacht weltweit erhebliche volkswirtschaftliche
Schäden durch negative Auswirkungen auf die Tiergesundheit und
-produktivität und die erforderlichen Bekämpfungsmaßnahmen zum Schutz von
Mensch und Tier.
Seite 144
Abb. 1:
Tuberkulöse Veränderungen an Lunge (A), Lymphknoten (B, C) sowie Leber
und Peritoneum (D) natürlich
M. bovis-infizierter
Rinder (Quelle: E. LieblerTenorio, W. Maginot, FLI)
A
B
C
2.
D
Diagnostik
Zur in vivo-Diagnostik der Rindertuberkulose ist die Tuberkulinprobe (Hauttest)
nach wie vor das wesentliche Diagnostikverfahren. Sie kann als einfacher oder
simultaner Test durchgeführt werden. Beim einfachen Hauttest wird dem Tier
Rindertuberkulin (eine Antigenpräparation aus M. bovis) intrakutan appliziert
und nach 72 Stunden die Hautdickenzunahme an der Injektionsstelle ermittelt.
Eine Hautdickenzunahme von 4 mm oder mehr weist auf Rindertuberkulose hin.
Seite 145
Beim simultanen Hauttest werden dem Tier Rindertuberkulin und Geflügeltuberkulin (eine Antigenpräparation aus M. avium) an verschiedenen Stellen intrakutan injiziert und nach 72 Stunden die Hautdickenzunahmen an beiden Injektionsstellen verglichen. Das Geflügeltuberkulin dient dabei zur Abgrenzung
von Infektionen mit atypischen Mykobakterien.
Rindertuberkulose liegt vor, wenn die Haut an der Injektionsstelle des Rindertuberkulins 4 mm oder mehr dicker ist als an der Injektionsstelle des Geflügeltuberkulins. Neben der aufwendigen Testdurchführung führt aber auch die relativ
subjektive Testauswertung zur schwindenden Akzeptanz dieses Tests.
Aufgrund guter Erfahrungen aus Staaten mit hoher TB-Prävalenz wird in der
Richtlinie 64/432/EG der Gamma-Interferon-Test als unterstützender Test (ancillary test) zur Tuberkulinprobe mit dem Ziel der Erhöhung der Sensitivität in
TB-positiven Beständen empfohlen. Für Deutschland mit einer niedrigen TBPrävalenz, aber weiter Verbreitung der Paratuberkulose in Rinderbeständen, ist
jedoch die Spezifität des Tests von herausragender Bedeutung. Der einzige
derzeit zugelassene Gamma-Interferon-Test (BOVIGAM, Prionics) weist nach
unseren Erfahrungen bei TB-unverdächtigen, aber Paratuberkulose-positiven
Rindern eine hohe Spezifität auf und ist zur Abklärung fraglicher Resultate der
Tuberkulinprobe geeignet.
Postmortal erfolgt die Diagnostik der Rindertuberkulose direkt durch den kulturellen Erregernachweis aus Gewebeproben oder durch Genomnachweis in diesen Proben mittels real-time PCR. Der Vorteil des kulturellen Nachweises liegt
in seiner hohen Sensitivität, als Nachteil erweist sich die lange Kultivierungszeit,
die bis zu acht Wochen dauern kann. Die real-time PCR, die bereits innerhalb
von 2-3 Tagen zum Ergebnis führt, ist im Vergleich zum kulturellen Nachweis
durch eine geringere Sensitivität gekennzeichnet.
3.
Aktuelle Seuchensituation bei landwirtschaftlichen Nutztieren in
Deutschland
Deutschland besitzt gemäß Entscheidung der Kommission 97/76/EG den Status „amtlich frei von Rindertuberkulose“, d. h. über 99,9 % der Rinderbestände
sind TB-frei. Bis 1997 wurden alle Bestände regelmäßig mit der Tuberkulinprobe untersucht. Danach war es nach Auffassung des Gesetzgebers vertretbar,
auf ein Überwachungssystem mit ungleich geringerem Aufwand auf Basis der
amtlichen Fleischuntersuchung in Verbindung mit epizootiologischen Nachforschungen überzugehen. Allerdings wurde die Seuche in Deutschland nicht vollständig getilgt. Seit 1995 waren mit Ausnahme von 2008 und 2009 jährlich zwischen 2 und 12 Ausbrüche zu verzeichnen, die vor allem in Gebieten mit hoher
Rinderdichte auftraten (Abb. 2).
Es ist offensichtlich, dass selbst bei der heute günstigen infektionsepidemiologischen Situation in Deutschland Neuinfektionen nicht völlig ausgeschlossen
werden können. Auch unter Einsatz moderner diagnostischer Verfahren kann
die Tuberkulose in einem Rinderbestand längere Zeit unerkannt bleiben und der
Seite 146
Erreger von den Tieren ausgeschieden werden. Bei engem Kontakt mit solchen
Tieren sind Infektionen des Menschen möglich. Auch der Konsum von Rohmilch kann unerkannt zu Infektionen führen, die bei dem heutigen guten allgemeinen Gesundheitsstatus der Menschen in Deutschland eventuell erst viele
Jahre später zum Ausbruch einer Erkrankung führen.
Im Jahre 2008 wies ein TB-Ausbruch in Niedersachsen auf mögliche Schwachpunkte der gegenwärtigen Überwachung hin. Bei der Hausschlachtung eines
Rindes wurde der Schlachtkörper wegen erheblicher sinnfälliger Veränderungen als untauglich beurteilt. Labordiagnostisch konnte M. bovis nachgewiesen
werden. Bei der nachfolgenden Tuberkulinisierung des Gesamtbestandes reagierten ca. 60 % der Rinder positiv. Im Rahmen der epidemiologischen Rückverfolgung wurden 11 Kontaktbetriebe mit Hauttest-positiven Tieren identifiziert.
Die Verschleppung der Infektion erfolgte mit hoher Wahrscheinlichkeit durch
Tierhandel, bei zwei Beständen konnten Weidekontakte als Einschleppungsweg
nicht ausgeschlossen werden. Die Handelskontakte, die zu der Verschleppung
führten, lagen bis in das Jahr 2002 zurück. Die Infektion wurde jedoch bis Februar 2008 weder im „mutmaßlichen Indexbetrieb“ noch in Betrieben, die Sekundärausbrüche zu verzeichnen hatten, erkannt (Probst et al. 2011).
Abb. 2:
4.
Rindertuberkulose-Fälle in Deutschland von 1995 – 2011 (Quelle:
TSN)
Bekämpfung der Rindertuberkulose in Deutschland
Rindertuberkulose, hervorgerufen durch M. bovis oder M. caprae, unterliegt in
Deutschland der Anzeigepflicht. Ihre Bekämpfung ist durch die TuberkuloseVerordnung i. d. F. vom 17. Juni 2009 geregelt.
Seite 147
Werden bei Rindern anlässlich der Fleischuntersuchung pathologischanatomische Veränderungen festgestellt, die auf Tuberkulose hindeuten, hat
die zuständige Behörde sicher zu stellen, dass diese Veränderungen labordiagnostisch auf Tuberkulose untersucht werden und dass ihr das Ergebnis dieser
Untersuchung mitgeteilt wird. Bei positivem Untersuchungsergebnis von Proben
des Schlachtkörpers sind im Herkunftsbestand des Tieres alle über 6 Wochen
alten Rinder unverzüglich mittels simultanem Hauttest zu untersuchen. Bis zum
Vorliegen des Befundes dürfen Rinder aus dem Bestand nicht verbracht werden. Die Entscheidungskaskade, die sich anschließt, ist in Abb. 3 dargestellt.
Nach amtlicher Feststellung der bovinen Tuberkulose sind Schutzmaßregeln
einzuleiten. Sie beinhalten die Absonderung der Rinder des Bestandes im Stall
oder ggf. auf der Weide; ein Verbringungsverbot; die unschädliche Beseitigung
der Milch von Tieren, bei denen Tuberkulose festgestellt worden ist, sowie die
Reinigung und Desinfektion von Behältern, Gerätschaften und sonstigen Gegenständen, die in Ställen oder sonstigen Standorten des Bestandes benutzt
worden sind. Die Tötung der Tiere, bei denen Tuberkulose festgestellt wurde
oder TB-verdächtiger Tiere kann angeordnet werden.
Abb. 3:
Entscheidungskaskade bei Vorliegen eines positiven Schlachttierbefundes (Tuberkulose-VO i. d. F. vom 17. Juni 2009)
Seite 148
Wenn bovine Tuberkulose amtlich festgestellt wurde, sind zwei Tuberkulinisierungen mit dem intrakutanen Einzeltest durchzuführen, eine acht Wochen nach
der Tötung, Verendung oder Entfernung der seuchenkranken und seuchenverdächtigen Rinder aus dem Bestand und die zweite Tuberkulinisierung frühestens acht Wochen nach der ersten. Alternativ zum intrakutanen Einzeltest kann
ein intrakutaner Simultantest in Verbindung mit einem Gamma-Interferon-Test
durchgeführt werden. Ergeben diese Untersuchungen jeweils einen negativen
Befund, gilt die Tuberkulose als erloschen und der Bestand ist wieder „frei“.
Wenn nur ein Verdacht auf bovine Tuberkulose festgestellt wurde, erfolgt acht
Wochen später ein intrakutaner Einzeltest (alternativ ein Simultantest in Verbindung mit dem Interferon-Gamma-Test). Soweit im Rahmen dieser Untersuchung ausschließlich negative Ergebnisse erzielt wurden, hat sich der Verdacht
auf Tuberkulose als unbegründet erwiesen und der Bestand gilt wieder als frei.
5.
Vorkommen von Tuberkulose-Erregern bei Wildtieren in Deutschland
In Deutschland besteht nach heutigen Erkenntnissen kein epidemiologisch bedeutendes Wildreservoir für Rindertuberkulose. Über Nachweise von M. bovis
bei Wildtieren, wie sie z. B. im Südwesten Englands beim Dachs in großer Zahl
gefunden und für die dortigen Probleme bei der Bekämpfung der Rindertuberkulose verantwortlich gemacht werden, ist in Deutschland bisher kaum berichtet
worden. In einer Übersichtsuntersuchung mit Probenmaterial, das in den Jahren
2002 - 2006 von 1.022 Stück Reh-, Rot- und Damwild in Deutschland gewonnen wurde, wurden lediglich nicht tuberkulöse Mykobakterien, insbesondere
M. avium, nachgewiesen (Moser et al. 2011). Allerdings ist im Alpenraum Tuberkulose bei Rotwild regional zum Problem geworden und wurde auch in
grenznahen Gegenden in Bayern bei dieser Tierart sporadisch festgestellt.
6.
Fazit
Deutschland besitzt den Status „amtlich frei von Rindertuberkulose“, d. h. über
99,9 % der Rinderbestände sind TB-frei. Allerdings ist die Rindertuberkulose in
Deutschland nicht getilgt. Es besteht nach wie vor die Möglichkeit, dass sich die
Erkrankung unerkannt in betroffenen Beständen ausbreitet und über Tierhandel
oder Weidekontakte in weitere Bestände verschleppt wird. Bei Rindern mit
chronischen therapieresistenten respiratorischen Erkrankungen, schlechtem
Allgemeinzustand und Leistungseinbußen ist differentialdiagnostisch auch an
Rindertuberkulose zu denken.
Seite 149
7.
Literatur
Richtlinie 64/432/EWG des Rates vom 26. Juni 1964 zur Regelung viehseuchenrechtlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr
mit Rindern und Schweinen. ABl. 121 vom 29.7.1964, S. 1977–2012.
Probst, C., Freuling, C., Moser, I., Geue, L., Köhler, H., Conraths, F.J., Hotzel,
H., Liebler-Tenorio, E.M., Kramer, M. (2010): Bovine tuberculosis: making a case for effective surveillance. Epidemiol. Infect. 15, 1-8.
Tuberkulose-Verordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. März
1997 (BGBl. I S. 462), die durch Artikel 1 der Verordnung vom 17. Juni
2009 (BGBl. I S. 1337) geändert worden ist.
Moser, I., Schettler, E., Hotzel, H., Herzog, S., Frölich, K. (2011): Mycobacterial
infections in free-living cervids in Germany (2002-2006). J. Wildlife Dis.
47, 999-1004.
Seite 150
Seite 151
Salmonellose beim Rind: was kann der Praktiker tun?
Ulrich Methner
Friedrich-Loeffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit
Institut für bakterielle Infektionen und Zoonosen, Jena
NRL Salmonellose der Rinder
[email protected]
1.
Einleitung
Die Salmonellose der Rinder ist eine nach dem Tierseuchengesetz anzeigepflichtige Erkrankung. Die „Verordnung zum Schutz gegen die Salmonellose der
Rinder“ (Rinder-Salmonellose-Verordnung) in der Fassung der Bek. vom 14.
November 1991 (BGBl. I S. 2118), geändert durch Artikel 2 der „Zweiten Verordnung vom 18. Dezember 2009“ (BGBl. I S. 23939) definiert, wann ein Verdacht und wann eine amtliche Feststellung der Salmonellose in einem Rinderbestand auszusprechen sind und welche Maßnahmen eingeleitet werden müssen.
Salmonellosen der Rinder sind perakut bis chronisch oder symptomlos verlaufende Infektionskrankheiten, die meist bei Kolostral- und Tränkmilchkälbern sowie bei Kühen um den Zeitpunkt des Abkalbens auftreten. Als Krankheitserscheinungen werden Durchfallerkrankungen mit Todesfällen, fieberhafte Bronchopneumonien, Arthritiden sowie Aborte ab 7. Trächtigkeitsmonat beobachtet.
Der Hauptinfektionsweg ist die orale Aufnahme des Erregers durch den Wirt.
Der Krankheitsverlauf wird durch Faktoren des Wirtes und durch Faktoren des
Erregers bestimmt. Das Alter der Tiere zum Zeitpunkt der Infektion und prädisponierende Faktoren wie hohe Leistungen der Tiere, andere Erkrankungen oder
Infektionen, der Zeitpunkt des Abkalbens sowie das Stall- und Umgebungsklima
besitzen einen großen Einfluss auf den Schweregrad der Erkrankung. Faktoren
des Erregers, die den Verlauf der Erkrankung beeinflussen sind die Art der
Salmonella-Serovar, die Höhe der Infektionsdosis und die Virulenz des Salmonella-Stammes.
Die mehr als 2600 Salmonella-Serovaren können aus epidemiologischer und
pathogenetischer Sicht unterteilt werden. Die wirtsadaptierten Serovaren werden fast ausschließlich bei dem korrespondierenden Wirt isoliert und nur selten
bei anderen Wirten nachgewiesen (z.B. Salmonella (S.) Dublin beim Rind). In
der Gruppe der nicht-wirtsadaptierten Serovaren kann zwischen Serovaren, die
bei zahlreichen Wirten vorwiegend eine intestinale Besiedelung und keine systemische Ausbreitung hervorrufen (z. B. S. Infantis, S. Goldcoast) und Serovaren, die sowohl intestinale als auch systemsiche Infektionen auslösen (z.
B. S. Enteritidis, S. Typhimurium), unterschieden werden.
Seite 152
2.
Epidemiologische Situation der Rinder-Salmonellose in Deutschland
Eine Erfassung der amtlich festgestellten Ausbrüche an Salmonellose der Rinder erfolgt in der Bundesrepublik Deutschland über das Nationale Tierseuchennachrichtensystem (TSN) seit dem 01.01.1995. Obwohl die im Tierseuchennachrichtensystem erfassten Daten bestimmten Schwankungen unterliegen
können und man trotz Anzeigepflicht auch von einer nicht einzuschätzenden
Dunkelziffer von nicht gemeldeten bzw. nicht erfassten Ausbrüchen an RinderSalmonellose ausgehen muss, erlauben die erfassten Informationen Aussagen
über die Salmonellose-Situation in der Bundesrepublik Deutschland und den
Bundesländern (Methner, 2005). Eine Zusammenfassung der Situation der
Salmonellose der Rinder in Deutschland erfolgt in den jährlich veröffentlichten
Tiergesundheitsjahresberichten
des
Friedrich-Loeffler-Institutes
(www.fli.bund.de).
Die Anzahl der angezeigten Ausbrüche an Salmonellose der Rinder in Deutschland schwankte von 1995 bis 2003 um den Wert 220. Danach kam es zu einem
kontinuierlichen Rückgang der angezeigten Ausbrüche bis zum Jahr 2007 auf
99 Ausbrüche. Seitdem schwankt die Anzahl der jährlichen Ausbrüche um den
Wert 100. In einzelnen Bundesländern ist die Anzahl der jährlich angezeigten
Ausbrüche relativ konstant. Ein stärkerer Anstieg oder Rückgang der Anzahl
der Ausbrüche in einzelnen Jahren tritt in mehreren Bundesländern auf, eine
kontinuierliche Entwicklung über mehrere Jahre ist jedoch in keinem Bundesland nachweisbar.
Die zeitliche Verteilung der angezeigten Rinder-Salmonellose-Ausbrüche weist
in jedem Jahr einen ähnlichen Verlauf auf. Die geringste Zahl von Neuausbrüchen wird in den Monaten April/ Mai/ Juni festgestellt. Danach kommt es zu einem kontinuierlich erfolgenden Anstieg bis September/ Oktober. Anschließend
wird ein Rückgang der monatlichen Salmonellose-Ausbrüche beobachtet, der
sich bis April/ Mai des Folgejahres fortsetzt.
Während die Salmonella-Serovaren Typhimurium und Typhimurium variatio
copenhagen (serologische Minusvariante von S. Typhimurium) von 1995 bis
2002 mit einem Anteil von ca. 50 % an den angezeigten Ausbrüchen die
Hauptursache für die Salmonellose der Rinder in Deutschland waren, verringerte sich dieser Anteil in den nachfolgenden Jahren. Gegenwärtig werden relativ
konstant ca. 40 % aller Ausbrüche durch S. Typhimurium verursacht. Damit
bleibt S. Typhimurium die dominierende Serovar als Ursache für die Salmonellose der Rinder in Deutschland.
Die an das Rind adaptierte Serovar Salmonella Dublin wurde von 1995 bis 2000
bei ca. 15 % bis 20 % der angezeigten Ausbrüche nachgewiesen. Nach einem
kurzzeitigen Anstieg verringerte sich der Anteil der durch S. Dublin verursachten Ausbrüche wieder auf gegenwärtig ca. 20 %.
Im Vergleich zu S. Typhimurium gibt es beim Nachweis von S. Dublin erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern. Die Tatsache, dass
Seite 153
die an das Rind adaptierte Serovar Dublin in einigen Bundesländern nicht oder
nur sehr selten nachgewiesen wird und z. B. in Niedersachsen und besonders
Schleswig-Holstein den größten Anteil der gemeldeten Rinder-SalmonelloseAusbrüche verursacht, ist ein Hinweis darauf, dass diese Serovar in einigen
Bundesländern tatsächlich nur ausnahmsweise oder gar nicht vorkommt, speziell in diesen Bundesländern jedoch zumindest in bestimmten Landkreisen endemisch ist. Daher kann davon ausgegangen werden, dass Neu- oder Wiederausbrüche in diesen Regionen vermutlich eher durch eine Erregerpersistenz als
durch einen Erregereintrag aus anderen Gebieten verursacht werden.
Die Serovar S. Abony (frühere Bezeichnung S. Abortus-bovis) verursachte von
1995 bis 2003 in Deutschland 7 % bis 21 % der gemeldeten Ausbrüche. Die
Tatsache, dass S. Abony im Zeitraum von 1995 bis 2003 in den ostdeutschen
Bundesländern außer in Sachsen-Anhalt und Thüringen erstmals 1998 als Ursache von Rinder-Salmonellose-Ausbrüchen diagnostiziert wurde, könnte ein
Hinweis darauf sein, dass diese Serovar aus den westdeutschen in die ostdeutschen Bundesländer übertragen wurde (Methner, 2005).
Das wird auch dadurch unterstützt, dass S. Abony auf dem Gebiet der ostdeutschen Bundesländer von 1981 bis 1989 nicht nachgewiesen wurde (Anonym,
1981-1989). Die Zahl der durch S. Abony hervorgerufenen Ausbrüche verringerte sich ab 2005, gegenwärtig werden deutschlandweit ca. 10 % aller Ausbrüche an Rindersalmonellose durch diese Serovar verursacht.
S. Enteritidis verursachte von 1996 bis 2011 sehr konstant einen Anteil von
ca. 5 % bis maximal 10 % der gemeldeten Rinder-Salmonellosen. Eine wie z. B.
beim Geflügel nachgewiesene Ausbreitung dieser Serovar wird beim Rind nicht
beobachtet.
Die zusammengefasste Gruppe der Salmonella-Serovaren setzt sich aus allen
anderen ausbruchsverursachenden Serovaren zusammen, die jedoch jede für
sich nur einen sehr geringen Anteil der jährlich angezeigten RinderSalmonellose-Ausbrüche verursachen. In Deutschland werden nur durch sehr
wenige Serovaren dieser Gruppe in jedem Jahr Neuausbrüche hervorgerufen.
Insgesamt ist jedoch gegenwärtig ein geringer jährlicher Anstieg dieser Gruppe
insgesamt zu beobachten. Seit 2008 hat sich der Anteil dieser Gruppe an allen
Ausbrüchen von ca. 20 % auf ca. 25 % im Jahr 2011 erhöht. Es muss jedoch
betont werden, dass keine einzelne Serovar aus dieser Gruppe einen ansteigenden Trend aufweist. Es wird eher beobachtet, dass die Serovaren in dieser
Gruppe nahezu jährlich wechseln.
3.
Epidemiologie der Rinder-Salmonellose im Betrieb
Der Eintrag von Salmonellen aus der Umwelt in den Bestand ist auf jeder Produktionsebene möglich. Als Quellen kommen zahlreiche belebte und unbelebte
Fakoren in Betracht: alle Personen und Fahrzeuge, die Kontakt zu anderen Beständen haben, zugekaufte Tiere, Tiere aus der Aufzucht, andere Tiere im Betrieb, Personal, Schadnager, Wildvögel, Futtermittel, kontaminierte Weideflä-
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chen usw. WICHTIG: Es gibt kein Standard-Eintragsmuster, jeder Betrieb hat
sein „eigenes Infektionsmuster“.
Nach einem Salmonella-Eintrag in den Bestand findet ein Infektions-, Kontaminations-, Infektionskreislauf statt. Der Erreger zirkuliert oft unerkannt und über
längere Zeiträume im Betrieb. Die Übertragung auf andere Tiere des Bestandes
erfolgt durch Kontakt mit Kot von Salmonella-ausscheidenden Tieren, der in
irgendeiner Form Tränkmilch, Futtermittel oder Tränkwasser kontaminiert hat.
Bei Saug- und Tränkkälbern kann die Erregeraufnahme auch durch Lecken
oder Saugen an kontaminierten Gegenständen oder Stalleinrichtungen erfolgen.
Zahlreiche Vektoren wie infizierte Tiere, das Personal, Transportfahrzeuge aller
Art, Schadnager usw. können das Zirkulieren der Erreger im Bestand erleichtern. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass der Reproduktionsbereich eine zentrale Bedeutung für das Infektionsgeschehen in den Betrieben
besitzt. In diesem Bereich sind die Tiere (hochtragende Färsen und Kühe, neugeborene bzw. sehr junge Kälber) sehr empfänglich für eine SalmonellaInfektion und es findet oftmals eine starke Erregerausscheidung durch infizierte
Tiere statt, so dass man sehr häufig von einer in diesem Bereich permanenten
Erregerbelastung bzw. Erregerpersistenz ausgehen kann. Darüber hinaus gelangen Tiere, die sich in diesem Bereich infizieren nach kurzer Aufenthaltsdauer
entweder in den nachfolgenden Aufzuchtbereich oder in den Milchkuhbereich
und können dort zu einer weiteren Erregerausbreitung führen. Hervorzuheben
ist, dass es kein Standard-Ausbreitungsmuster gibt - jeder Betrieb hat sein „eigenes Ausbreitungsmuster“.
4.
Amtliche Feststellung der Rinder-Salmonellose im Betrieb – was
jetzt?
Die Rinder-Salmonellose-Verordnung definiert, wann ein Verdacht und wann
eine amtliche Feststellung der Salmonellose in einem Rinderbestand auszusprechen sind und welche Maßnahmen eingeleitet werden müssen. Nach amtlicher Feststellung der Rinder-Salmonellose in einem Bestand wird eine Bestandssperre ausgesprochen, um den möglichen Handel mit infizierten Tieren
und damit eine Erregerverbreitung zu verhindern.
Nicht nur die Rinder-Salmonellose-Verordnung, sondern auch viele andere
Verordnungen empfehlen zur Bekämpfung von Salmonella-Infektionen in Tierbeständen die Durchführung einer Bestandsanalyse zur Identifizierung der spezifischen Eintragsquellen und der Ausbreitungs- und Übertragungswege.
Im Rahmen der Datenerfassung im TSN sollen auch Angaben zu den Eintragsquellen aufgeführt werden. Es hat sich jedoch gezeigt, dass der Einschleppungsweg fast nie ermittelt und nur ausnahmsweise vermutet werden kann. Die
Hauptursache dafür besteht sicher darin, dass vom Zeitpunkt des Erregereintrags in den Bestand bis zur Feststellung der Salmonellose ein unterschiedlich
langer Zeitraum liegen kann. In dieser Zeit kann sich der Erreger, insbesondere
Seite 155
wenn er keine auffälligen klinischen Krankheitserscheinungen bei den Tieren
hervorruft, im gesamten Bestand unbemerkt ausbreiten. Da der Eintrag von
Salmonellen aus der Umwelt in den Bestand auf jeder Produktionsebene und
aus zahlreichen Quellen erfolgen kann, ist es nach einer Ausbreitung im Bestand oft sehr schwierig, die primäre Infektionsquelle zu identifizieren.
Um gezielte Bekämpfungsmaßnahmen nach der Feststellung der Salmonellose
einleiten zu können, ist es daher wichtiger, eine Bestandsanalyse zur Identifizierung der Ursachen für das Zirkulieren der Salmonellen im Bestand durchzuführen. Eine wirksame Bekämpfung der Salmonellose erfordert, dass der Infektions-Kontaminations-Infektions-Kreislauf unterbrochen wird. In eigenen Analysen hat sich gezeigt, dass der Reproduktionsbereich in den Betrieben eine besondere Bedeutung für die Salmonellenausbreitung besitzt, da in diesem Bereich die für eine Infektion empfänglichsten Tiere zusammentreffen und die Erreger sowohl in den Milchkuh- als auch den Kälberbereich weiter verbreitet
werden können. Daher sind effektive hygienische Verfahren zur Erregerverminderung und zur Erregerelimination in diesen Bereichen unerlässlich.
Zur Analyse der Ausbreitungs- und Übertragungswege sollten als erstes die
Bereiche mit „Salmonella-positiven Tieren“ identifiziert werden. Dazu muss von
allen Tieren des Bestandes eine bakteriologische Kotuntersuchung durchgeführt werden. Trotz der Grenzen dieser Untersuchungen (diskontinuierliche Erregerausscheidung beim Einzeltier, oft nur geringe Kotmengen bei Kottupferuntersuchungen) sind sie wichtig, um Salmonella-positive Tiere zu identifizieren.
Diese Informationen sind die Grundlage, um das Ausmaß der Infektion zu erfassen und um erste Rückschlüsse auf die Ausbreitungswege zu erhalten. Die
Aufgabe sowohl des betreuenden Tierarztes als auch des amtlichen Tierarztes
besteht darin, die Ergebnisse dieser Untersuchungen unter Berücksichtigung
der Betriebsabläufe zu bewerten. Bei der Analyse der Ausbreitungs- und Übertragungswege steht die Frage im Vordergrund, wo und wie können sich die Tiere des Bestandes infizieren. Dazu sind, nachdem man die Informationen zu den
Breichen mit Salmonella-positiven Tieren besitzt, die Betriebsabläufe kritisch zu
analysieren.
Bereits nach den ersten bakteriologischen Befunden sollten Maßnahmen zur
Verhinderung der weiteren Erregerverbreitung, z.B. durch die Trennung von
Salmonella-positiven und Salmonella-negativen Tieren, eingeleitet werden.
Um die Ausbreitung und das Zirkulieren der Salmonellen im Bestand einschätzen zu können, sollten nicht nur die Tiere, sondern auch die Bereiche im Betrieb beprobt werden, die als Infektionsquelle oder Vektoren in Betracht kommen. Dazu gehören Bereiche und Geräte im Reproduktionsbereich, Tränkeinrichtungen für Kälber/Jungtiere/Kühe, Wege zwischen Stallbereichen, Transportfahrzeuge aller Art, die in mehreren Bereichen eingesetzt werden, Kot von
Vögeln, Mäuse usw. Das Ziel dieser Untersuchungen besteht darin, die Salmonella-Belastung in den einzelnen Bereichen festzustellen, Punkte zu identifizieren, an denen der Infektionsweg unterbrochen werden kann/muss und die
Punkte zu finden, an denen verstärkt Reinigung und Desinfektion durchgeführt
werden muss.
Seite 156
5.
Etablierung von Maßnahmen zur Bekämpfung der Salmonellose
Grundlage für eine wirksame Bekämpfung von Salmonella-Infektionen ist die
Umsetzung eines hohen Hygienestandards in den Betrieben. Die Kernpunkte
eines effektiven Hygieneregimes umfassen erstens Maßnahmen zur Verhinderung der Einschleppung von Salmonellen in den Betrieb und zweitens Strategien zur Vermeidung der Ausbreitung von Salmonellen im Bestand.
Sowohl unbelebte als auch belebte Vektoren können Salmonellen aus der potenziell kontaminierten Umwelt in den Bestand einschleppen. Daher sollten Zugangsbeschränkungen für Fahrzeuge und Personen sowie Desinfektionswannen für Fahrzeuge etabliert sein. Bei Zukauf von Tieren sollten möglicherweise
bakteriologische Untersuchungen im Herkunftsbetrieb erfolgen, ein unkontrollierter Tierhandel sollte vermieden werden, die Bekämpfung von Schadnagern
und Maßnahmen zur Verhinderung des Eintritts von Wildvögeln sind anzustreben.
Zur Verhinderung der Ausbreitung von Salmonellen im Bestand sollten Hygienebarrieren eingerichtet werden. Eine ständige Reinigung und Desinfektion von
Tierbereichen, Fahrzeugen, Schuhwerk und allen potenziellen Vektoren führt
über eine Erregerverminderung zu einer Erregereliminierung.
Auf der Basis eines effektiven Hygieneregimes kann zusätzlich eine Immunisierung des Bestandes gegen Salmonellen durchgeführt werden (Meyer et al.,
1993; Holubek und Selbitz, 2002). Eine Immunisierung kann jedoch auf keinen
Fall die Etablierung des Hygieneregimes ersetzen.
Gegen die Serovaren S. Typhimurium und S. Dublin sind für den Einsatz bei
Kälbern bis zu einem Alter von 6 Wochen kommerzielle oral zu applizierende
Salmonella-Lebendimpfstoffe verfügbar. Darüber hinaus steht ein kommerzieller
parenteral zu verabreichender Salmonella-Typhimurium-Inaktivatimpfstoff für
den Einsatz bei älteren Tieren zur Verfügung. Beim Nachweis anderer Salmonella-Serovaren können stallspezifische Inaktivatimpfstoffe hergestellt und bei
Tieren über 6 Wochen parenteral verabreicht werden. Die induzierte Schutzwirkung durch Salmonella-Lebend- und Inaktivatimpfstoffe ist gegen die jeweils
homologe Salmonella-Serovar am stärksten ausgeprägt.
Die eigentliche Zielstellung der Immunisierung gegen Salmonella-Infektionen
des Rindes ist die prophylaktische Anwendung der Impfung. Gegenwärtig besteht jedoch eindeutig der Trend, dass eine Immunisierung des Bestandes erst
nach der Feststellung des Infektionsgeschehens erfolgt (Methner, 2005). Im Fall
des endemischen Auftretens von S. Dublin und S. Typhimurium in bestimmten
Regionen sollte jedoch der prophylaktischen Einsatz von Immunisierungen Anwendung finden.
Informationen zu den Möglichkeiten und Grenzen der Immunisierung des Rindes gegen eine Salmonella-Infektion sind wichtig, um deren Stellenwert im
Seite 157
Rahmen der Bekämpfung einordnen zu können. Oral über die Milch zu verabreichende Salmonella-Lebendimpfstoffe führen aufgrund der lokalen intestinalen Immunreaktion zu einer Verringerung der Besiedelung des Darmes durch
homologe Salmonella-Wildstämme. Darüber hinaus werden systemische Komponenten der Immunantwort induziert, die auch die Invasion in tiefere Schichten
des Darmes und eine systemische Ausbreitung von Salmonella-Wildstämmen
verringern. Serologische Antikörperreaktionen sind nach Applikation von Salmonella-Lebendimpfstoffen sehr gering. Eine Immunisierung der Kälber führt,
insbesondere bei höheren Infektionsdosen, nicht zu einer vollständigen Verhinderung der Salmonella-Infektion. Darüber hinaus sind SalmonellaLebendimpfstoffe nicht in der Lage, bereits mit einem Salmonella-Wildstamm
infizierte Tiere „frei-zu-impfen“.
Parenteral zu verabeichende Salmonella-Inaktivatimpfstoffe induzieren hohe
Antikörpertiter, die ein Indikator für die erfolgreiche Durchführung der Immunisierung und die Immunreaktion sind. Ein hoher Antikörpertiter nach einer Vakzinierung korreliert jedoch nicht notwendigerweise mit einer hohen Schutzwirkung
(Meyer et al., 1993). Nach einer parenteralen Immunisierung werden vornehmlich Komponenten der systemischen Immunantwort induziert, die auch das Auftreten von systemischen Erkrankungen und Todesfällen reduzieren. Es ist jedoch nur sehr wenig darüber bekannt, ob und inwieweit die parenteral zu applizierenden Inaktivatimpfstoffe die intestinale Salmonella-Besiedelung bei älteren
oder adulten Tieren beeinflussen können.
6.
Literatur
Anonym: Tiergesundheitsjahrbücher der DDR von 1981 bis 1989. Ministerium
für Land- Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft der DDR.
Holubek, R., Selbitz, H.-J. (2002): Immunprophylaktische Maßnahmen gegen
Rindersalmonellose. Der Prakt. Tierarzt 83, 70-78.
Methner, U. (2005): Die Situation der Salmonellose der Rinder in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1995-2003 nach der Datenlage des
Nationalen Tierseuchennachrichtensystems. Berl. Münch. Tierärztl.
Wschr. 118, 449-455.
Meyer, H., Koch, H., Methner, U., Steinbach, G. (1993): Vaccines in salmonellosis control in animals. Zbl. Bakt. 278, 407-415.
www.fli.bund.de. Tiergesundheitsjahresberichte des Friedrich-Loeffler-Institutes:
Methner U.: Salmonellose der Rinder.
Seite 158
Seite 159
Die Maul- und Klauenseuche: Klinik und Diagnostik
Bernd Haas
Friedrich-Loeffler-Institut, Insel Riems, Institut für Virusdiagnostik
[email protected]
Einleitung
Die Maul- und Klauenseuche (MKS; engl.: foot-and-mouth disease, FMD) ist
eine hochansteckende, fieberhafte virale Allgemeinerkrankung der Paarhufer,
die zur Bildung von Blasen (Vesikeln) und Erosionen an kutanen Schleimhäuten
und unbehaarten Teilen der Haut führt. Ende des 19. Jahrhunderts legten Friedrich Loeffler und Paul Frosch durch den Nachweis eines filtrierbaren Agens als
Erreger der MKS die Grundlagen für das Verständnis von Pathogenese und
Epidemiologie dieser bedeutenden Tierseuche und begründeten ein neues
Teilgebiet der Mikrobiologie, die Virologie. Ihre Arbeiten führten zur Gründung
des weltweit ersten virologischen Forschungsinstituts auf der Insel Riems.
Das Virus der MKS (MKSV) gehört zur Familie Picornaviridae, Genus Aphthovirus, besitzt ein einzelsträngiges RNA Genom positiver Polarität und zeichnet
sich durch eine sehr hohe Variabilität und antigene Vielfalt aus (Belsham,
1993). Das MKSV existiert in sieben Serotypen: O (Oise, Frankreich), A (Allemagne), C, Asia, SAT1, SAT2, SAT3 (SAT = Southern African Territories). Diese werden in insgesamt 46 Topotypen unterteilt welche jeweils mehr oder weniger geographisch gehäuft auftreten (Di Nardo et al., 2011).
Klauentiere, vor allem Rinder, Schafe, Ziegen, Büffel, Wildwiederkäuer und
Schweine bilden das typische Wirtsspektrum des MKSV. Unter den Zootieren
gelten u. a. Giraffen, Elefanten und Kamele als empfänglich. Insgesamt können
mehr als 70 Wildtierspezies an MKS erkranken. Experimentell lassen sich nach
entsprechender Virusadaptation aber auch Meerschweinchen und Mäuse infizieren. Trotz einiger historischer Berichte über Fälle von MKS beim Menschen
nach unmittelbarem Kontakt mit erkrankten Tieren bestünde für den Verbraucher jedoch selbst im Falle eines MKS-Seuchenzuges in Mitteleuropa keine
Gefahr. Auch das Pferd ist für das MKSV nicht empfänglich.
In Deutschland traten die letzten Fälle von MKS Anfang 1988 nordöstlich von
Hannover in der Nähe eines Impfstoffwerkes auf. Obwohl die MKS in Europa in
den 60iger bis 80iger Jahren des 20. Jahrhunderts getilgt wurde, gehört sie
doch wegen ihrer potentiell katastrophalen Auswirkungen auf die Landwirtschaft
und den Handel der Industrie- und fortgeschrittenen Schwellenländer auch heute noch zu den wirtschaftlich bedeutsamsten Tierseuchen. Ihre verheerenden
Folgen beruhen im Wesentlichen auf ihrer extremen Kontagiosität und den zu
ihrer Bekämpfung erforderlichen weiträumigen Verbringungsverboten und Handelsrestriktionen sowie den in Industrieländern zur raschen Tilgung unvermeid-
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lichen Keulungsmaßnahmen. Durch die Zunahme, Beschleunigung und Liberalisierung des internationalen Handels und Reiseverkehrs sind die Bedingungen
für eine Einschleppung nach Europa jederzeit gegeben. Aus der heutigen arbeitsteiligen Struktur der Landwirtschaft resultiert eine so große Zahl von Kontaktbetrieben, dass sich die Seuche nach einer Einschleppung explosionsartig
in Europa ausbreiten könnte.
In Afrika und vielen Staaten Asiens (insbesondere in Arabien und dem Iran sowie in Indien, Afghanistan, Pakistan, China und Indochina), in Teilen Südamerikas sowie in der Türkei ist die MKS endemisch (OIE). Wichtige Beispiele für die
Wiedereinschleppungen des Erregers aus solchen Gebieten in normalerweise
MKS-freie Länder mit hochentwickelter Landwirtschaf sind die verheerenden
Seuchenzüge von 2001 in Europa sowie 2010/2011 in Japan und Südkorea
(Davis, 2002, Nishiura and Omori, 2010; Yoon et al., 2012). In Europa erfasste
der im Jahr 2001 durch den Serotyp O hervorgerufene Seuchenzug über 2000
Bestände, überwiegend im Vereinigten Königreich, aber auch in Irland, den
Niederlanden und Frankreich. Dies erzwang die Tötung von über 6 Millionen
Klauentieren und richtete einen volkswirtschaftlichen Schaden von über 10 Mrd.
Euro an. Im Jahre 2007 kam es in Großbritannien erneut zu einem MKSAusbruch in Südengland, der seine Ursache in dem Entweichen des MKSV aus
dem Impfstoffwerk oder dem Forschungslabor in Pirbright hatte (Cottam et al.,
2008). In Japan verursachte ein Ausbruch des Serotyps O im Jahre 2010 große
wirtschaftliche Schäden, obwohl die Seuche auf ein relativ kleines Gebiet begrenzt blieb. In Südkorea gab es 2010/2011 drei MKS-Seuchenzüge (Serotypen
A und O), deren letzter nahezu das gesamte Land erfasste und zur Tötung von
etwa 3,5 Mio. Tieren führte. Sowohl in Japan als auch in Südkorea wurde die
Seuche durch eine Kombination aus konsequenten Sperr- und Tötungsmaßnahmen sowie Impfung zum Stillstand gebracht. Der wirtschaftliche Schaden
wird jeweils auf mehrere Milliarden US Dollar geschätzt. Ein Grund dafür sind
die langdauernden Handelssperren, welche teilweise durch die Existenz von
Virusdauerausscheidern (Carriern) bei Klauentieren bedingt sind. Beim Rind
kann der Carrier-Status bis zu 3,5 Jahre andauern (Alexanderson et al., 2002).
Im Januar 2011 trat die MKS auch in der EU wieder auf. In Bulgarien wurde sie
zunächst bei Wildschweinen nahe der türkischen Grenze und dann bis in den
April 2011 hinein bei zahlreichen Haustieren in der Region Burgas festgestellt
(Valdazo-Gonzalez et al. 2011). Aufgrund des dort extensiven Charakters der
Landwirtschaft kam es aber nicht zu einer weiträumigen Ausbreitung der MKS.
Bei einer Einschleppung in Gebiete mit intensiver Landwirtschaft, einer dichteren Wildschweinpopulation und Verbringung von Tieren und tierischen Produkten in andere Teile der Gemeinschaft wären die Konsequenzen weitaus
schwerwiegender gewesen. Aktuell sind seit Februar 2012 Teile des Nahen
Ostens (Ägypten, Libyen, Gaza) von einem verheerenden Ausbruch der Maulund Klauenseuche (Serotyp SAT2) betroffen (OIE).
Klinische Symptomatik
Die Einschleppung der MKS erfolgt meist durch infizierte Tiere, jedoch spielt
wegen der geringen minimalen Infektionsdosis und der hohen Stabilität des Er-
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regers auch die indirekte Verschleppung mit Personen, Fahrzeugen und sonstigen Gegenständen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die wichtigste Ansteckungsroute, insbesondere beim Rind, ist die respiratorische, aber auch über
Hautläsionen und oral ist eine Ansteckung möglich. Beim Rind ist nach meist 2
bis 7 Tagen, selten bis 14 Tagen Inkubationszeit Fieber das erste Krankheitszeichen. Weil die Inkubationszeit von der Infektionsdosis abhängig ist, werden
bei Verschleppungen zwischen Beständen oft längere Inkubationszeiten als bei
der Ausbreitung innerhalb eines Bestandes beobachtet. Das Fieber (meist um
die 40 °C, gelegentlich über 41 °C) hält gewöhnlich 1 bis 3 Tage an und geht
nach dem Platzen der Aphthen zurück, kann aber aufgrund von Sekundärinfektionen später wieder ansteigen. Als weiteres Frühsymptom ist ggf. ein Abfall der
Milchleistung zu beobachten. Viele befallene Rinder speicheln stark und bei
angebundenen Tieren finden sich manchmal große Fladen von Speichel am
Boden; bei einigen Tieren hört man auch ein deutliches Schmatzen. Die Futteraufnahme geht zurück. Insbesondere auf der Zunge, aber auch an Gaumen
und Zahnfleisch, manchmal auch außen auf dem Flotzmaul und in den Nasenöffnungen finden sich Blasen, die auf unpigmentierten Hautstellen aufgehellt
erscheinen. Sie fühlen sich elastisch an und die Haut ist kurz vor dem Platzen
der Aphthe verschieblich. Die Aphthen im Maul sind Erbsen- bis Ei-groß, auf
der Zunge manchmal sogar noch größer und lassen sich leicht mit dem Fingernagel unter Ablösung eines Hautfetzens zu zerreißen. Hierbei tritt meist eine
seröse Aphthenflüssigkeit aus und insbesondere am Wundrand treten Blutungen auf. Der Blasengrund ist zwar kräftig rot, aber meist ohne deutliche Blutung. Es ist aber zu bedenken, dass der Tierarzt in vielen Fällen die Tiere erst
etwa einen Tag später in einem Stadium zu sehen bekommt, in dem die
Aphthen bereits geplatzt sind. In der Regel wird er also geplatzte Aphthen mit
rotem Grund vorfinden oder, nach einem weiteren Tag, bedeckt mit fibrinösen
Belägen. In Einzelfällen hängt einem erkrankten Rind für ein oder zwei Tage die
geschwollene Zunge aus dem Maul weil das Zurückziehen zu schmerzhaft ist.
Die Re-Epithelisierung läuft im Maul meist so zügig ab, so dass man nach etwa
einer Woche schon Probleme hat, die befallenen Stellen noch eindeutig zu
identifizieren. Zu diesem Zeitpunkt fällt oft nur noch die sehr glatte strukturlose
Zungenoberfläche auf. Klauenaphthen findet man oft erst etwa einen Tag nach
dem Auftreten der Maulaphthen. Aufgrund der Schmerzen bleiben die Tiere oft
nach Möglichkeit liegen. Im Stand fällt manchmal ein Trippeln auf oder ein
Schütteln von Klauen weil die Tiere versuchen die schmerzenden Klauen zu
entlasten oder eine Missempfindung abzustellen. Klauenaphthen treten insbesondere im Zwischenklauenspalt auf und sind auf Höhepunkt der Ausprägung
manchmal auch von vorne und hinten sichtbar während die seitlichen Klauensäume meist unauffällig sind. Die Heilung der Klauenaphthen ist gegenüber den
Maulaphthen verzögert, bedingt u. a. durch bakterielle Sekundärinfektionen.
Aphthen können auch am Euter auftreten, gelegentlich an anderen unbehaarten
Hautstellen. Zusätzlich zu den vorgenannten Symptomen treten manchmal
auch Aborte auf. Die MKS verläuft bei adulten Tieren im Allgemeinen nicht tödlich, jedoch bleiben die Tiere für lange Zeit leistungsgemindert. Bei Milchrindern
sind die klinischen Erscheinungen meist stärker ausgeprägt als bei Mastrindern
und Kälbern und die Seuche breitet sich tendenziell schneller aus. Insbesondere bei Kälbern wird jedoch eine myokardiale Form mit u.U. perakut tödlichem
Verlauf beschrieben. Bei manchen Epidemien wurde diese Form auch bei älte-
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ren Tieren vermehrt beobachtet („sog. bösartige MKS“). Da das Rind im Vergleich zu anderen Spezies i.d.R. die deutlichsten Krankheitszeichen ausbildet,
ist es gewissermaßen die Indikatorspezies für die MKS.
Beim Schaf sind die Veränderungen insbesondere an der Mundschleimhaut,
aber auch an den Klauen meist schwächer ausgeprägt als beim Rind und können sogar gänzlich fehlen (Kitching and Hughes, 2002). Daher sind möglichst
viele Tiere oberhalb des Ballenhorns, am Kronsaum und im Zwischenklauenspalt zu untersuchen. Zu achten ist dabei auch auf Fieber, Inappetenz, Aborte
und Verluste bei Lämmern (myokardiale Form). Trotz der schwachen Krankheitszeichen kann das Schaf epidemiologisch eine große Rolle spielen wie man
2001 im Vereinigten Königreich erkennen musste. Bei extensiver Haltung und
geringem Kontakt der Schafe zu anderen Spezies kann die MKS im Schaf aber
auch m.o.w. von alleine zum Stillstand kommen. Bei der Ziege verläuft die MKS
meist gutartig und ohne Allgemeinstörungen. Es finden sich schnell rupturierende Aphthen in der Mundschleimhaut, die dann zu Erosionen führen. Eine Rhinitis kann ebenfalls auftreten.
Beim Schwein treten nach einer Inkubationszeit von meist 1 bis 3 Tagen, bei
geringer Infektionsdosis bis zu 11 Tagen, Blasen vorwiegend an den Sohlenballen, im Klauenspalt und am Kronsaum auf (Kitching and Alexandersen, 2002).
Das Fieber kann in einigen Fällen 42 °C erreichen, liegt aber meist bei 39 bis 40
°C und auch Verlaufsformen mit geringem Fieber wurd en beschrieben. Die Tiere zeigen zunächst oft eine gewisse Lethargie, dann milde und später oft sehr
deutliche Lahmheitserscheinungen, die sich durch "klammen Gang" bis hin zu
höchstgradiger Schonung der Gliedmaßen äußern. Die Schweine bewegen sich
häufig aufgrund der starken Schmerzen nur noch rutschend auf den Karpalund Tarsalgelenken. Die Entzündung an Kronsaum und Sohlenballen kann
schließlich zum Verlust des Klauenhorns („Ausschuhen“) führen. Kommt es zur
Ausheilung der Erkrankung, nimmt das neugebildete Klauenhorn u. U. eine
klumpenartige Struktur an. Auf der Rüsselscheibe, in der Mundhöhle sowie an
den Zitzen säugender Sauen können ebenfalls Vesikel auftreten. Häufig sind
diese Läsionen zum Zeitpunkt der Untersuchung nur noch als Schorf erkennbar. Durch die myokardiale Form werden schwere Verluste bei Saugferkeln ohne Veränderungen an den Schleimhäuten hervorgerufen. Es können auch nur
wenige Tiere eines Bestandes betroffen sein. Deshalb ist eine intensive Bestandskontrolle erforderlich. Das Schwein kann u. U. wesentlich höhere Virusdosen ausscheiden als Wiederkäuer, insbesondere mit der Atemluft. Das Wildschwein wurde bisher nicht als relevanter Reservoirwirt für die MKS angesehen.
Nach einer experimentellen Infektion von Wildschweinen mit dem bulgarischen
Isolat (O/BUL/1/2010) zeigten die Tiere typische klinische Erscheinungen und
konnten Hausschweine über Kontakt infizieren. Interessant ist, dass die Wildschweine trotz massiver Läsionen an den Klauen weder Lahmheiten noch Bewegungsunlust oder verminderter Appetit zeigten (Breithaupt et al., 2012).
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Differenzialdiagnosen
Entzündungen der Mundhöhle (Stomatitis) und an den Klauen (Pododermatitis)
können auch zahlreiche andere Ursachen als MKS haben. Vesikel, Erosionen
und Nekrosen an der Mundschleimhaut bzw. im Klauenbereich können durch
mechanische und traumatische Einwirkungen, Verbrühungen, Verätzungen,
Vergiftungen oder Photodermatitis sowie durch bakterielle Ursachen ausgelöst
werden. Im Folgenden wird, wegen ihrer Bedeutung im Ausbruchsfall, auf die
wichtigsten viralen Differentialdiagnosen eingegangen (Teifke et al. 2012).
Die der MKS klinisch sehr ähnliche vesikuläre Stomatitis (VS) wird durch Viren
aus der Familie Rhabdoviridae verursacht (Serotypen Indiana und New Jersey).
Die VS kommt endemisch in Mittel- und Südamerika und sporadisch in Nordamerika vor. Empfänglich sind sowohl Wiederkäuer wie Schweine und Pferde.
Der Erreger der bovinen Virusdiarrhö (BVD)/Mucosal Disease (MD) ist ein
Pestivirus aus der Familie Flaviviridae. Die MD tritt am häufigsten bei Tieren
zwischen 8 Monaten und 2 Jahren auf und führt zu erosiv-ulzerativen Veränderungen an der Zungenschleimhaut, der Gingiva, am harten Gaumen, an
Ösophagus, Pansen, Abomasum und den Kronsäumen oder im Zwischenklauenspalt, welche unter Umständen Sekundärläsionen der MKS ähnlich sehen.
Das bösartige Katarrhalfieber (BKF) wird durch eine speziesübergreifende Infektion mit zellassoziierten lymphotropen Herpesviren verursacht und kommt
bei Haus- und Wildrindern, Zerviden sowie sehr selten bei Hausschweinen vor.
Während die Infektion mit diesen Viren in ihren physiologischen Wirten (Schaf
bzw. Wildebeest) inapparent verläuft, beträgt die Mortalität bei Rindern nahezu
100%. Neben dem perakut tödlichen Verlauf der BKF lassen sich eine akute
intestinale Form mit katarrhalischer Enteritis und eine subakute Kopf-AugenForm unterscheiden. Typisch für die Kopf-Augen-Form ist eine opake Hornhauttrübung, die gelegentlich in eine Keratokonjunktivitis übergeht. Durch eine Laminitis ist ein Ausschuhen möglich. Vesikel und Aphthen sind jedoch niemals
Teilbild des BKF.
Die bovine Stomatitis papulosa wird durch das Parapoxvirus bovis 1 verursacht
und ist durch Papeln an Nasenausgängen, dem Flotzmaul, der Gingiva, in der
Backenhöhle, am Gaumen und an der Zunge gekennzeichnet. Ähnliche beetartig erhabene Läsionen kommen auch an der Schleimhaut von Ösophagus,
Pansen und Blättermagen vor. Stomatitis papulosa tritt insbesondere bei immunsupprimierten Kälbern auf, etwa in Folge einer persistenten Infektion mit
dem bovinen Virusdiarrhö-Virus.
Als Differenzialdiagnose bei Schaf und Ziege ist der ansteckende Lippengrind,
Ekthyma contagiosum oder Orf, ausgelöst durch Parapoxvirus ovis zu erwähnen. Hierbei treten Papeln und verschorfte Pusteln an den Lippenwinkeln, in der
Mundhöhle einschließlich der Zunge, am Euter, an den Zitzen sowie manchmal
an den Kronsäumen und perianal auf.
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Bei der Blauzungenkrankheit (engl. blue tongue, BT) handelt es sich um eine
nicht ansteckende, durch Stechmücken (Gnitzen) übertragene Infektionskrankheit der Wiederkäuer. Der Erreger, ein Orbivirus der Familie Reoviridae, kommt
in mindestens 24 Serotypen vor. Das erstmals 2006 in Deutschland gefundene
BT-Virus (BTV) gehört zum Serotyp 8. Mit Wirkung vom 15.02.2012 hat sich
Deutschland wieder als frei von Blauzungenkrankheit erklärt. Klinisch tritt die BT
in unterschiedlich schweren Verlaufsformen auf, wobei die Schafe tendenziell
deutlichere Symptome bis hin zum Tod zeigen. Bei Rindern reichen die Krankheitszeichen von teils hämorrhagischen Nekrosen im Bereich des Flotzmauls,
am Euter und an den Zitzen, Konjunktivitis mit verstärktem Tränenfluss, Kronsaumschwellungen, zum Teil in Verbindung mit Lahmheit, Deckunlust, Rückgang der Milchleistung und Fieber bis zum Festliegen. Mit der BT ätiologisch
und klinisch verwandt ist die epizootische Hämorrhagie der Hirsche (EHD), welche in den USA, Kanada, Australien, Japan und Afrika vorkommt und hauptsächlich Hirsche, gelegentlich aber auch Rinder befällt.
Die der MKS klinisch ähnliche vesikuläre Schweinekrankheit, (engl. „swine vesicular disease“, SVD) wird durch ein Enterovirus hervorgerufen und in Europa
regelmäßig in Mittel- und Süditalien diagnostiziert. Sie dringt sporadisch nach
Norditalien und in andere Länder vor und dürfte auch in Asien unerkannt vorkommen. Sie kann durch Tierkontakt, die Verfütterung von Speiseabfällen oder
über kontaminierte Ställe oder Fahrzeuge übertragen werden.
Labordiagnostik
Wegen der Schwierigkeit, Stomatitiden differenzialdiagnostisch aufgrund der
Klinik und Pathomorphologie zu unterscheiden muss die definitive Diagnose
vielfach mit Verfahren der Labordiagnostik gestellt werden. Sowohl im Verdachtsfall als auch bei Ex- und Importuntersuchungen ist die Anwendung dieser
Verfahren staatlichen Einrichtungen vorbehalten. In Deutschland sendet der
Amtstierarzt im Verdachtsfall Proben schnellstmöglich per Kurier an das am
Friedrich-Loeffler-Institut, Südufer 10, 17493 Greifswald-Insel Riems angesiedelte Nationale Referenzlabor für MKS und andere vesikuläre anzeigepflichtige
Tierseuchen. Dessen wichtigste Aufgabe ist es, klinische Verdachtsfälle so
rasch wie möglich abzuklären. In Deutschland darf nur im „L3+“ Hochsicherheitslaboratorium des FLI sowie in einem Hochsicherheitsgebäude eines Impfstoffherstellers in Köln mit infektionsfähigem MKSV gearbeitet werden. Nur diese Einrichtungen entsprechen den Sicherheitsanforderungen nach Artikel 65(d)
und Anhang XII der Richtlinie des Rates 2003/85/EC.
Je früher ein Ausbruch entdeckt und labordiagnostisch bestätigt wird, desto
größer ist die Chance, eine großflächige Epidemie zu verhindern. Behördlich
angeordnete Verbringungsverbote und Transportbeschränkungen im Umkreis
ansteckungsverdächtiger Bestände sind die entscheidenden Bekämpfungsmechanismen, zusammen mit der Keulung befallener und ansteckungsverdächtiger Bestände. Diese Maßnahme sind durch den Einsatz inaktivierter Impfstoffe
zu unterstützen (Richtlinie des Rates 2003/85/EC, MKS-Verordnung).
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Die wichtigsten Proben sind bei der MKS frische Aphthen (dort findet sich das
meiste Virus) sowie Blutproben bzw. Serum (Röhrchen ohne Gerinnungshemmer, insbesondere ohne Heparin verwenden). Falls keine Aphthen zu gewinnen
sind, eignen sich Speichelproben oder ersatzweise Nasenschleimproben um
das Virus nachzuweisen. Die Probenahme und Einsendung ist Sache des Amtstierarztes. Rachenschleimproben (Probangproben) dienen in Spezialfällen
dem Nachweis des Carrierstatus.
Die MKS kann labordiagnostisch über den Nachweis des Erregers (Virusnachweis in Zellkultur, Antigennachweis im ELISA, Genomnachweis in der real-time
RT-PCR) oder von Antikörpern bestätigt werden. Aus Zeitgründen und wegen
ihrer hohen Sensitivität ist heute die PCR die erste und wichtigste Methode, um
einen Verdachtsfall abzuklären. Jedoch ist auch weiterhin eine Virusanzüchtung
und –charak-terisierung erforderlich, insbesondere um Empfehlungen zu einem
möglicherweise geeigneten Impfstoff abgeben zu können. Der ersten vorläufigen Feststellung des Serotyps dient der Antigen-ELISA. Er funktioniert nur mit
Aphthenmaterial oder Zellkulturüberständen. Eine Bestätigung und Verfeinerung der ersten Charakterisierung des Virus erfolgt mittels Sequenzierung sowie mit speziellen vergleichenden zweidimensionalen Neutralisationstests sowie ggf. mit monoklonalen Antikörpern.
Die Serologie zeigt u. a. Infektionen an, die zunächst übersehen worden sind
(„Tracing back“). Die 5-8 Tage nach einer Impfung oder Infektion auftretenden
Antikörper gegen die serotypspezifischen Strukturproteine können in bestimmten ELISAs (i.d.R. in-house ELISAs der Hochsicherheitslaboratorien) sowie im
Neutralisationstest (Bestätigungstest, nur im Hochsicherheitslabor) nachgewiesen werden. Weitere Anwendungen der Serologie sind Aufhebungs- und
Verbringungsuntersuchungen bei denen nach einem größeren Seuchenzug
Millionen von Proben mit einem Durchsatz von mehreren Hunderttausend von
Proben pro Woche zu untersuchen wären. Dies ist nur durch Einbindung der
Untersuchungsämter möglich. In diesem Fall würde man deren Einbindung unter Gesichtspunkten des Bio-Riskmanagements akzeptieren. Das von einem
unerkannten Ausbruch ausgehende Risiko ist viel höher als das, welches von
einem korrekt arbeitenden „normalen“ Labor ausgeht. Die Untersuchungsämter
würden hauptsächlich den Priocheck FMDV-NS ELISA einsetzen, welcher serotyp-übergreifende Antikörper erkennt; diese sind bei allen sieben Serotypen
m.o.w. gleich. Bei der Darstellung der serologischen Diagnostik der MKS muss
auch auf die Impfung eingegangen werden. Heutige MKS-Impfstoffe enthalten
Viren, die in Zellkultur vermehrt und dann inaktiviert wurden. Das Lysat der infizierten Zellen enthält sowohl die Strukturproteine, welche das virale Kapsid bilden, wie auch die Nicht-Strukturproteine (z. B. viruskodierte Enzyme). Diese
werden heute aber bei der Reinigung des Antigens weitgehend entfernt. Tiere,
welche nur wenige Male mit modernen MKS-Impfstoffen geimpft wurden, bilden
daher nur Antikörper gegen die Strukturproteine, nicht jedoch Antiköper gegen
Nicht-Strukturproteine (NSP). Solche finden sich nur in infizierten Tieren. Daher
erfüllen moderne gereinigte inaktivierte Vakzinen im Prinzip die Voraussetzungen zur Unterscheidung von infizierten von lediglich vakzinierten Tieren im
Rahmen einer „DIVA-Diagnostik“ (NSP als Negativmarker). Es gibt dabei aber
eine Einschränkung. Während die Serokonversion gegen NSP bei ungeimpften
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Tieren praktisch immer stattfindet kann sie bei einigen geimpften und dann infizierten ausbleiben. Daher ist eine DIVA-Testung mittels spezieller ELISA, insbesondere dem o.g. Priocheck FMDV-NS, bei der MKS nur zur Herdendiagnostik möglich (Uttenthal et al., 2010), nicht auf der Ebene des einzelnen Tieres.
Impfung
Immer wieder wird in Diskussionen die Frage aufgeworfen, warum die MKSImpfung in Europa im Jahre 1991 eingestellt wurde. Dies erfolgte, weil sie ihre
Aufgabe, die Tilgung der einheimischen Stämme, erfüllt hatte und gegen neue
„exotische“ Stämme nur einen sehr begrenzten Schutz geboten hätte. Nach
dem Verbot prophylaktischer Impfungen wurden Impfstoffbanken (de facto: Antigenbanken) eingerichtet weil die Neuproduktion von Impfstoffantigen im Krisenfall viel zu lange dauern würde. Die Vorräte an Antigen reichen aber nur für
eine begrenzte Impfung aus, nicht für eine Flächenimpfung in einem großen
Mitgliedsland. Bei Vorliegen der recht komplexen Voraussetzungen für eine
MKS-Impfung (zu prüfen ist u. a. die räumliche Verteilung der Ausbrüche und
ob für den Feldstamm überhaupt ein passender Impfstoff existiert) würde in der
EU entweder eine Schutzimpfung (weitere Nutzung der geimpften Tiere) oder
eine Suppressivimpfung (Tötung der geimpften Tiere) durchgeführt. Die
Suppressivimpfung soll durch Verlangsamung der Seuchenausbreitung die
Möglichkeit zu einer geordneten Beseitigung der Tierkörper schaffen.
Schlussfolgerungen
Nur durch Schulung und ständige Wachsamkeit der Tierärzte und Landwirte
sowie die Anwendung strenger veterinärhygienischer Kontrollmaßnahmen, nicht
nur an den Grenzen der Europäischen Union, sondern in jedem einzelnen Betrieb, kann das Eindringen der Maul-und Klauenseuche in unsere Nutztierpopulationen verhindert werden. Touristen sollten sowohl in Ländern mit MKS Ausbrüchen wie nach ihrer Rückkehr aus solchen Ländern in Deutschland jeden
Kontakt zu Klauentieren vermeiden und das Verbots der Mitnahme von tierischen Produkten aus solchen Ländern strikt einhalten. Die Beschränkung des
Zugangs zu den Tierbeständen sowie die Beachtung des Verbots der Abfallverfütterung sind essentielle Maßnahmen, die jeder Landwirt selbst treffen kann
und muss. Je früher ein Ausbruch entdeckt und labordiagnostisch bestätigt
wird, desto größer ist die Chance, eine großflächige Epidemie mit verheerenden
Folgen zu verhindern.
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Task-Force Veterinärwesen – was steckt dahinter?
Alexandra Meindl-Böhmer
Task-Force Veterinärwesen
Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz
und Lebensmittelsicherheit
[email protected]
1.
Einleitung
Insbesondere die verheerenden Ausbrüchen der Maul- und Klauenseuche
(MKS) in Großbritannien im Jahr 2001 und deren Folgeausbrüche in Irland,
Frankreich und den Niederlanden zeigten, dass die Ausbreitung einer Tierseuche nicht nur zu gravierenden wirtschaftlichen Verlusten führt, sondern katastrophenähnliche Zustände auslösen und einen Einfluss auf das gesamte gesellschaftliche Leben haben kann (Moennig et al., 2010).
In der Aufarbeitung der MKS-Krise wurde offenbar, dass für eine erfolgreiche
Bekämpfung solch hoch infektiöser Seuchen unter dem enormen wirtschaftlichen und zeitlichen Druck folgende Voraussetzungen erfüllt sein müssen:
• professionelle Organisation der Tierseuchenkrisenzentren;
• Anwendung detaillierter und ständig aktualisierter Krisenpläne;
• Vorhandensein abgestimmter EDV-Programme;
• große Material- und Personalressourcen und zusätzliche Kapazitäten für
Diagnostik, Tötung und Beseitigung;
• hoher Fortbildungs- und Trainingsstand des eingesetzten Personals;
• konzeptionelle Weiterentwicklung der Bekämpfungsstrategie und
• Akzeptanz für die Bekämpfungsmaßnahmen.
Zwar gab es in Deutschland bereits eine Reihe von Erfahrungen mit der Bekämpfung größerer Seuchenzüge wie z.B. der Schweinepest, allerdings wurde
deutlich, dass das Krisenmanagement weiter auf- und ausgebaut werden musste, um den Anforderungen der Bekämpfungsvorgaben der Europäischen Union
und des Binnenmarktes nachkommen zu können.
2.
Task-Force Veterinärwesen in Niedersachsen
Um die Organisation und Effektivität des Seuchenbekämpfungsmanagements
zu verbessern, wurde deshalb von der Niedersächsischen Landesregierung in
2001 der Beschluss gefasst, die „Task-Force Veterinärwesen“ aufzubauen.
Diese Task-Force ist eingebunden in das Niedersächsische Landesamt für
Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) und kooperiert eng mit
dem Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung. Während die Zuständigkeit für die Tierseuchenbekämpfung auf kommunaler Ebene (Landkreise, kreisfreie Städte)
Seite 170
liegt, nimmt die Task-Force insbesondere Aufgaben der Koordination und Logistik wahr. Die Task-Force unterstützt nicht nur im Krisenfall die zuständigen
kommunalen Veterinärbehörden, sondern nutzt insbesondere „Friedenszeiten“
intensiv, um Konzepte zur Vorbeugung und Bekämpfung von Tierseuchen zu
entwickeln und umzusetzen.
•
Aufbau der Task-Force
Die Task-Force setzt sich aus insgesamt 19 Mitarbeitern zusammen, die auf die
Standorte Oldenburg (Tierseuchenbekämpfung und Schädlingsbekämpfung),
Hannover (Fischseuchenbekämpfung) und Stade (Schädlingsdiagnostik) verteilt
sind.
Sie hält besonders geschultes und spezialisiertes Personal bereit, das dazu
beiträgt, die Tierseuchenbekämpfung schnell, effektiv und gemäß den Vorgaben der EU zu gestalten
•
Arbeitsbereiche der Task-Force
Die Schwerpunkte der Arbeit der Task-Force liegen in der Beratung der kommunalen Veterinärbehörden in tierseuchen- und fischseuchenrechtlichen Fragen sowie in der Unterstützung der niedersächsischen Veterinärbehörden bei
der Tierseuchen- und Fischseuchenbekämpfung. Des Weiteren erarbeitet die
Task-Force Bekämpfungs- und Vorsorge-Strategien und kooperiert dabei mit
den Experten anderer Bundesländer und EU-Mitgliedstaaten. Ein wesentlicher
Aufgabenbereich liegt auch in der Weiterentwicklung und Redaktion des „Tierseuchenbekämpfungshandbuchs“. Im Tierseuchenkrisenfall wirken Experten
der Task-Force gemeinsam in Kooperation mit Tierschutzdienst und Technischen Sachverständigen mit, um eine unvermeidbare Tötung der Tiere tierschutzgerecht durchzuführen.
Regelmäßig werden von der Task-Force Tierseuchenübungen durchgeführt und
Fortbildungen auf dem Gebiet des Tierseuchenmanagements angeboten. Fortbildungen sind insbesondere deswegen von großer Bedeutung, da es sich um
bei der Seuchenbekämpfung um einen sehr speziellen Tätigkeitsbereich handelt, der sich von der täglichen Arbeit eines Amtstierarztes oder der Verwaltungsmitarbeiter stark unterscheidet. Im Rahmen der Schulungen werden u. a.
Themen wie Epidemiologie, Probenahme, Einsatz im Krisenzentrum oder auch
die Anwendung von EDV-Programmen (TSN, HIT und Schätzprogramme) aufgegriffen und behandelt. Zur Seuchenprävention werden Beratungen von
Landwirten z. B. zum Schutz vor Erregereinschleppung, zur Optimierung der
Betriebshygiene oder zu Fragen der Schädlingsbekämpfung durchgeführt.
Auf der Internetseite http://www.tierseucheninfo.niedersachsen.de werden wichtige Themen zur Information von Verbraucherinnen und Verbrauchern, betroffenen Wirtschaftsverbänden, praktizierenden Tierärzten, Behörden etc. dargestellt.
Seite 171
3.
Bund-Länder Task-Force
Auf nationaler Ebene wurde im Jahr 2002 die Bund-Länder Task-Force Tierseuchenbekämpfung gegründet, der das Bundesministerium für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz vorsteht und in der neben den Vertretern
der Länder auch das Friedrich-Loeffler-Institut sowie ein Veterinäroffizier der
Bundeswehr mitwirken. Dieses Gremium hat insbesondere folgende Aufgaben:
• Abgabe von Empfehlungen zur Bekämpfung hoch kontagiöser Tierseuchen;
• Sammlung und Bewertung epidemiologischer Erkenntnisse;
• Pflege und Fortschreibung der "Handbücher Tierseuchenbekämpfung";
• Einrichtung und Betrieb schneller, länderübergreifender Informationswege, auch im Hinblick auf Informationspflichten gegenüber der Europäischen Gemeinschaft, den Mitgliedstaaten und Drittländern und
• Koordination von Personal und diagnostischen Kapazitäten.
Durch die Einrichtung der Bund-Länder Task-Force wurde erreicht, dass auch
und insbesondere in Krisenzeiten schnelle Entscheidungen getroffen und ein
einheitliches Vorgehen sicher gestellt werden können.
4.
Krisenpläne
Um im Seuchenfall die notwendigen Maßnahmen möglichst schnell ergreifen zu
können, wurden in den Ländern - und inzwischen auch Länder übergreifend internetbasierte und auf Tier-Seuchen-Nachrichten (TSN) eingestellte Tierseuchenbekämpfungshandbücher entwickelt. Hier sind Informationen und Handlungsanweisungen zu allgemeinen Themen und speziellen Tierseuchenthemen
zusammengestellt, die im Ereignisfall als Entscheidungshilfe dienen.
Für die durchzuführenden Tätigkeiten sind im Tierseuchenkrisenfall verschiedene Berufsgruppen erforderlich. So bedarf es des Einsatzes von Amtstierärzten, Verwaltungsfachkräften, Katastrophenschutz-Organisationen, praktizierenden Tierärzte, Studierenden der Veterinärmedizin, landwirtschaftlichen Fachkräften sowie in der Tötung von Tieren geschultem Personal. In Niedersachsen
wurden Verträge geschlossen, mit denen die Bereitstellung des notwendigen
Fachpersonals abgesichert und der Weg zu dessen Anforderung festgelegt
werden soll.
5.
Akzeptanz
Die Bekämpfung hoch kontagiöser Tierseuchen kann nur dann wirksam erfolgen, wenn strikte Maßnahmen ergriffen und zügig umgesetzt werden. In den
Restriktionszonen werden Verbringungsverbote für empfängliche Tiere und deren Produkte verfügt. Insbesondere die Tötung infizierter und ansteckungsverdächtiger Tiere wird von den Betroffenen als starker Eingriff in die eigenen
Seite 172
Rechte empfunden (Jürgens, 2004). Die Akzeptanz der Maßnahmen ist jedoch
ein wichtiger Teil des Erfolgs der Bekämpfung.
Die Akzeptanz für die Bekämpfungsmaßnahmen ist jedoch Tierhaltern und
Verbrauchern dann nicht oder nur schwer zu vermitteln, wenn im Rahmen der
Seuchenbekämpfung auch eine Tötung gesunder, nicht infizierter Tiere ausschließlich aufgrund wirtschaftlicher Aspekte verfügt wird. Dies wurde z.B. während der Schweinepestausbrüche in Deutschland und aufgrund der Tötung gesunder, geimpfter Klauentiere nach den Ausbrüchen der Maul- und Klauenseuche im Jahr 2001 in den Niederlanden deutlich.
Die Entwicklung anderer Strategien, auch unter Einbeziehung der Impfung als
konzeptioneller Teil der Bekämpfungsmaßnahmen, wird deshalb vorangetrieben. Voraussetzung dafür ist jedoch die Akzeptanz von geimpften Tieren und
deren Produkten durch den Verbraucher und die Schaffung der handelspolitischen Voraussetzungen für die Vermarktung.
6.
Diskussion
Aus den Erfahrungen der Ausbrüche der Klassischen Schweinepest, der Aviären Influenza, der Blauzungenkrankheit und der Infektiösen Anämie der Einhufer in Deutschland und insbesondere unter dem Eindruck der großen Ausbrüche der Maul- und Klauenseuche in Großbritannien sowie der MKS und hoch
pathogenen Aviären Influenza in den Niederlanden hat sich die Tierseuchenbekämpfung in Deutschland in den letzten zehn Jahren stark gewandelt - sowohl
organisatorisch, technisch, materiell, personell als auch konzeptionell.
Durch die Entwicklung von Tierseuchen-Krisenplänen, die Einbindung der Tierseuchenbekämpfung in den Katastrophenschutz, die Schaffung spezieller, leistungsstarker Tierseuchen-Programme zur Datenverarbeitung im Krisenfall, die
Einrichtung von „Task Forces“ auf Ebene des Bundes und der Länder sowie
durch den Abschluss von Rahmenvereinbarungen und Verträgen zu „Friedenszeiten“ und die Einbindung aller betroffenen Personengruppen bereits im Vorfeld stehen heute im Vergleich zu früher deutlich erhöhte Ressourcen zur Verfügung. Dadurch ist es möglich, in der Tierseuchenbekämpfung schnellere Erfolge zu erzielen.
Jedoch darf dies kein Grund sein, die Aktivitäten zurück zu fahren, sondern
muss vielmehr ein Anreiz sein, weitere Verbesserungen durchzusetzen.
Schwerpunkte sind zukünftig u. a. weiter in den Bereichen Früherkennung, Biosicherheit und Risiko-Kommunikation zu setzen.
7.
Literatur
Jürgens, K. (2004): Tierseuchen in der Landwirtschaft. Die psychosozialen Folgen der Schweinepest für betroffene Familien – untersucht an Fallbeispielen in Nordwestdeutschland. In: Pollak D, Tyrell H, Wegner G, Zie-
Seite 173
mer J (Hrsg.): Buchreihe Religion in der Gesellschaft. Bd. 13. Ergon Verlag Würzburg.
Moennig, V., Mettenleiter, T. (2010): OIE – neuer Name, neue Aufgaben. Deutsches Tierärzteblatt 3/2010, S. 332.
Informationen zur Tierseuchenbekämpfung
http://www.tierseucheninfo.niedersachsen.de
Seite 174
Seite 175
Bösartiges Katarrhalfieber
Klaus Doll
Klinik für Wiederkäuer der Justus-Liebig-Universität Gießen
[email protected]
1.
Einleitung
Wie kaum noch bekannt, war das Bösartige Katarrhalfieber dafür verantwortlich,
dass - im Gegensatz zu den Verhältnissen an den anderen Tierärztlichen Bildungsstätten - die kleinen Wiederkäuer an der Tierärztlichen Hochschule nicht
zusammen mit den Rindern, sondern mit den Schweinen in einer eigenständigen Klinik untergebracht sind. Denn Richard Götze, von 1925 bis 1955 Direktor
der "Klinik für Geburtshilfe und Rinderkrankheiten" der Tierärztlichen Hochschule, welcher als erster anhand umfangreicher epidemiologischer und klinischer
Studien den Zusammenhang zwischen Schafkontakten und dem Auftreten dieser Erkrankung bei Rindern belegen konnte (Götze u. Ließ 1930), hatte seinerzeit befürchtet, dass sich seine Rinderpatienten über die Schafe infizieren.
Durch früher häufigere gemeinsame Haltung von Rindern und Schafen stellte
das Bösartige Katarrhalfieber damals ein wesentlich größeres Problem dar.
Nach Angaben von Götze (1932) erkrankten damals in Deutschland jährlich
etwa 1.000–1.500 Rinder. Mittlerweile ist die Zahl der Fälle deutlich zurückgegangen. Im Zeitraum 2006-2009 wurden in Deutschland jährlich nur noch 37 bis
57 BKF-Fälle bei Rindern gemeldet; dabei ist naturgemäß mit einer gewissen
Dunkelziffer zu rechnen. Aufgrund dieser geringen Morbiditätszahlen wurde das
Bösartige Katarrhalfieber im Jahre 2011 von der Liste der meldepflichtigen Tierkrankheiten gestrichen.
Die Bedrohung der Rinder, Bisons, Cerviden und verschiedener anderer Wildund Zootierarten durch latent infizierte Schafe, Ziegen und Gnus (Streifen,
Weißbart- und Weißschwanzgnus) ist aber nach wie vor vorhanden (Ackermann 2005, Goerik u. Merbach 2012). Infektionsmöglichkeiten ergeben sich
etwa im Rahmen von Landwirtschaftsfesten, Tierschauen oder in zoologischen
Gärten. Von weniger erfahrenen Untersuchern werden solche BKF-Fälle oft mit
Mucosal Disease, Blauzungenkrankheit, IBR oder sogar MKS verwechselt.
2.
Ätiologie und Epidemiologie
Unterschieden werden zwei Hauptformen des Bösartigen Katarrhalfiebers: zum
einen das in Afrika, seltener auch in zoologischen Gärten oder Wildtiergehegen
anderer Kontinente vorkommende „Gnu-assoziierte“ BKF („Snotsiekte“). Ursache hierfür ist die Infektion mit dem Alcelaphinen Herpesvirus 1 (AlHV-1). In
ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet ist ein Großteil der Gnus (Wildebeest) mit
Seite 176
diesem Virus latent infiziert, ohne jedoch daran zu erkranken. Bei erwachsenen
Tieren ist dieses Virus hauptsächlich zellgebunden und wird – außer in Belastungssituationen - kaum ausgeschieden. Die Infektion der anderen empfänglichen Wiederkäuer erfolgt hauptsächlich über die Kälber, welche zellfreies Virus
in großen Mengen ausscheiden. Außerhalb des Wirts wird dieses Virus jedoch
rasch inaktiviert.
Die andere Form, das sogenannte Schaf-assoziierte BKF, ist hingegen weltweit
verbreitet. Erreger ist das Ovine Herpesvirus-2 (OvHV-2). Es zählt ebenso wie
das AlHV-1 zur Subfamilie der Gammaherpesviren, Genus Macavirus (malignant catarrhal fever virus). Außer den seit langen bekannten OvHV-2 und
AlHV-1 sind inzwischen mindestens fünf weitere Vertreter der Unterfamilie
Gammaherpesvirinae als Auslöser von BKF nachgewiesen worden (Förster
2011). So scheint das 2011 parallel in den USA und in Deutschland entdeckte
Caprine Herpesvirus 2 (CpHV-2) in Ziegenbeständen weit verbreitet zu sein
(Chmielewicz et al. 2011, Li et al. 2011).
3.
Pathogenese und Wirtsspektrum
Schafe, Ziegen und Gnus sind die typischen Hauptwirte und Überträger (Carrier-Wirt) von Macaviren. Sie bleiben lebenslang damit infiziert, ohne daran zu
erkranken. Wenn das Virus aber auf die sogenannten Indikator- oder Fehlwirte
übergeht, kommt es bei diesen zum meist tödlich verlaufenden Bösartigen Katarrhalfieber. Folgende Indikatorwirte sind inzwischen bekannt: Rinder, Bisons,
verschiedene Hirscharten, aber auch Schweine und Ziegen (Abb. 1).
Bei den Indikatorwirten handelt es sich um sogenannte Endwirte (dead end
hosts), die das Virus in der Regel nicht auf andere Tiere übertragen. OHV-2 ist
für Rinder erheblich weniger infektiös als etwa für Bisons, so dass diese sich
fast nur bei direktem Schafkontakt anstecken können. Meist handelt es sich
dann auch um Einzeltiererkrankungen. In selteneren Fällen können aber über
ein Drittel der betreffenden Tiergruppe erkranken (Strohbücker et al. 2000). Bei
nur kurzfristigem Schafkontakt wird das Auftreten der Krankheit aufgrund der
langen Inkubationszeit von durchschnittlich etwa 3 bis 4 Monaten (2 Wochen
bis 9 Monate) oft nicht mehr mit dem in der Vergangenheit stattgefundenen Ereignis in Verbindung gebracht.
Seite 177
Abb. 1:
4.
Hauptwirte und Indikatorwirte mit dem jeweiligen Virus (nach Förster, 2011). OvHv-2 = Ovines Herpesvirus 2; AlHV-1 = Alcelaphines
Herpesvirus 1, CpHV-2 = Caprines Herpesvirus 2, WTD-MCFV =
White-tailed deer malignant catarrhal fever virus
Klinische Erscheinungen und Verlauf
Schon Götze (1932) hatte folgende Erscheinungsformen des BKF beschrieben:
• perakute Allgemeinerkrankung
• Kopf-Augenform
• Darmform
• leichtgradige Verlaufsformen
Zusätzlich wurden von ihm bei protrahierten Verlaufsformen gelegentlich auch
exanthemische Hautveränderungen beobachtet. Seit dieser Zeit gilt das Bösartige Katarrhalfieber als hochfieberhafte Allgemeinerkrankung, welche in den
meisten Fällen mit einer Entzündung aller Kopfschleimhäute und des Flotzmauls sowie deutlichen Augenveränderungen (Corneaödem, Uveitis) einhergeht. Charakteristisch sind weiterhin eine nichteitrige Enzephalitis sowie charakteristische Gefäßveränderungen im Sinne einer Perivaskulitis und Vaskulitis.
Bei BKF-Klinikpatienten konnten wir allerdings nur in der Hälfte der Fälle eine
Erhöhung der Körpertemperatur verzeichnen (Abb. 2), und noch wesentlich seltener ist Durchfall. Es ist daher nicht auszuschließen, dass in früherer Zeit mit
Durchfall einhergehende Fälle von Mucosal Disease fälschlicherweise als
„Darmform des BKF“ eingestuft wurden.
Die Letalität bewegt sich im Bereich von 90 %. Leichte und mittelschwere Erkrankungen können allerdings mitunter spontan abheilen (O´Toole et al. 1997,
Seite 178
Strohbücker et al. 2000), wobei oft bilaterale Leukome (infolge Zerstörung des
Kornea-Endothels) zurückbleiben.
5.
Diagnostik
Eine massive Entzündung der Kopfschleimhäute, in Verbindung mit den Augenveränderungen und einem leicht bis mäßig erhöhten Zellgehalt im Liquor
cerebrospinalis (10–100 kernhaltige Zellen/µl; überwiegend Lymphozyten, Monozyten und Makrophagen) spricht mit hoher Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen von BKF. Entsprechende Liquorveränderungen (aufgrund der nichteitrigen
Enzephalitis) finden sich auch bei den „milden Verlaufsformen“ mit ihren kaum
ausgeprägten Schleimhaut- und Hautveränderungen.
Der Virusnachweis erfolgt mittels PCR aus EDTA-Blut oder Organmaterial. Virusträger unter den Hauptwirten Schaf und Ziege können anhand einer Antikörperbestimmung (kompetitiver ELISA) erkannt werden (Förster 2011).
Abb. 2:
6.
Klinische Symptome bei 10 Klinikpatienten mit BKF
Differentialdiagnosen
Die klinische Unterscheidung von der Bovinen Virusdiarrhoe / Mucosal Disease
kann im Einzelfall erhebliche Schwierigkeiten bereiten, wenngleich bei der letztgenannten Krankheit in der Regel keine Augenveränderungen bestehen. Zu
berücksichtigen sind weiterhin die Blauzungenkrankheit, Infektiöse Keratokonjunktivitis, sonstige lokale Erkrankungen der Augen, die Infektiöse Bovine Rhinotracheitis (IBR) sowie die Maul- und Klauenseuche. Ähnliche Schleimhautund Augenveränderungen finden sich aber auch nach Verätzungen, etwa bei
unsachgemäßem Aufschluss von Futtergetreide mit Ätznatron, oder bei Photodermatitis.
Seite 179
7.
Therapie
Ein Behandlungsversuch ist aufgrund des hohen Aufwandes bei relativ schlechter Prognose nur bei wertvolleren Patienten und/oder leichtgradiger Verlaufsform indiziert. Die therapeutischen Bemühungen konzentrieren sich auf die Beeinflussung der bestehenden Entzündungsprozesse. Verschiedentlich wurde
hierzu Dexamethason eingesetzt, doch sind die Meinungen über die Effektivität
einer derartigen Therapie geteilt (Milne u. Reid 1990, Strohbücker et al. 2000).
Ähnliches gilt hinsichtlich der Anwendung von Levamisol als Immunmodulator;
auch hier bleibt die Wirkung mangels kontrollierter Studien spekulativ (Wiesner
1978, Hänichen et al. 1998). Zur Prophylaxe bakterieller Sekundärinfektionen
sind systemisch Antibiotika zu verabreichen. Hinzu kommt die tägliche Applikation von Augensalben.
8.
Prophylaxe
Aufgrund der weiten Verbreitung dieses Erregers in der Schaf- (incl. Mufflon)
und Ziegenpopulation beschränken sich die Prophylaxemaßnahmen bislang
immer noch darauf, Kontakte zwischen Rindern und Schafen zu vermeiden.
Dies gilt insbesondere für Zuchtbetriebe mit wertvollen Tieren, deren Besitzer
jedes Risiko einer derartigen Erkrankung vermeiden will. Durch Trennung der
Lämmer von OHV-2 infizierten - d. h. seropositiven - Mutterschafen bis Ende
des zweiten Lebensmonats könnten OHV-2 freie Schafherden aufgebaut werden. Dies dürfte vor allem in Wildgattern und in zoologischen Gärten eine Möglichkeit darstellen, wertvolle Tiere aus der Gruppe der „Indikatorspezies“ vor
einer derartigen Infektion zu schützen (Li et al. 1999).
9.
Literatur
Ackermann M. (2005): Virus im Schafspelz. Schweiz. Arch. Tierheilk. 147, 155164.
Chmielewicz, B., M. Goltz, B. Ehlers (2001): Detection and multigenic characterization of a novel gammaherpesvirus in goats. Virus Res. 75, 87-94.
Förster, C. (2011): Gammaherpesviren bei kleinen Wiederkäuern, Zoo- und
Wildtieren. Vet. med. Diss. Gießen.
Goerigk, D., S. Merbach (2012): Klinische, pathologisch-anatomische und histopathologische Befunde bei einem Alpaka mit Bösartigem Katarrhalfieber.
Tierärztl. Praxis 40 (G), 112-118.
Seite 180
Götze, R., J. Liess (1930): Untersuchungen über das bösartige Katarrhalfieber
des Rindes. Schafe als Überträger. II. Mitt.. Dtsch. Tierärztl. Wschr. 38,
194-200.
Götze, R. (1932): Bösartiges Katarrhalfieber. IV. Mitt.. Berl. Tierärztl. Wschr. 48,
849-855.
Hänichen, T., H. W. Reid, H. Wiesner, W. Hermanns (1998): Bösartiges Katarrhalfieber bei Zoowiederkäuern. Tierärztl. Praxis 26 (G), 294-300.
Li, H., G. Snowder, T. B. Crawford (1999): Production of malignant catarrhal
fever virus-free sheep. Vet. Microbiol. 65, 167-172.
Li, H., J. Keller, D.P. Knowles, T. B. Crawford (2001): Recognition of another
member of the malignant catarrhal fever virus group: an endemic gammaherpesvirus in domestic goats. J. Gen. Virol. 82, 227-232.
Milne, E.M., H. W. Reid (1990): Recovery of a cow from malignant catarrhal
fever. Vet. Rec. 126, 640-641.
O´Toole, D., H. Li, W.R. Williams, T.B. Crawford (1997): Chronic and recovered
cases of sheep-associated malignant catarrhal fever in cattle. Vet. Rec.
140, 519-524.
Strohbücker, S., M. König , H.J. Thiel, A. Nesseler, W. Baumgärtner, K. Doll
(2000): Gehäuftes Auftreten von Bösartigem Katarrhalfieber bei Färsen
nach einmaligem Schafkontakt. Tierärztl. Praxis 28 (G), 12-15.
Thies, K., B. Jacobsen, A. von Altrock, Ch. Förster, W. Baumgärtner, M. Ganter
(2008): Klinische Symptome bei Ziegen mit Läsionen wie beim Bösartigen Katarrhalfieber. Tierärztl. Praxis 36 (G): 20-26.
Wiesner, H. (1978): Versuche einer prophylaktischen Therapie bei bösartigem
Katarrhalfieber beim Gaur (Bos gaurus frontalis). Kleintierpraxis 23, 391394.
Seite 181
Stomatitis papulosa: ein Fallbericht
Ioannis Proios, Christine Bächlein, Martin Kaske
Klinik für Rinder, Institut für Virologie,
Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover
[email protected]
1.
Einleitung
Bei der Stomatitis papulosa handelt es sich um eine weltweit verbreitete, meist
mild verlaufende, kontagiöse Erkrankung der Rinder, die durch das Bovine papular stomatitis virus (frühere Bezeichnung: Parapoxvirus bovis 1) verursacht
wird (Cargnelutti et al. 2012). Es erkranken vorwiegend Kälber und Jungrinder.
Typisch sind lokale umschriebene, makulo-papulöse Läsionen und Erosionen
an Maulschleimhaut und Flotzmaul (de Sant'Ana et al. 2012). Gelegentlich werden auch Schleimhautveränderungen am oberen Verdauungstrakt (Ösophagus,
Pansen etc.) beobachtet (Bohac u. Yates 1980, Holliman 2005). Das Virus kann
- wenn auch selten - bei Kühe papulöse und erosive Veränderung an Zitzen
verursachen.
Bei Menschen mit intensivem Kontakt zu Rindern wurden Papeln oder Pusteln
an den Hände („Melkerknoten“) beschrieben (Holliman 2005, Dal Pozzo et al.
2011, de Sant'Ana et al. 2012). Der Ausbruch der Erkrankung im Betrieb wird i.
d. R. durch bereits bei der Geburt latent infizierte Tiere verursacht, wobei umweltbedingte Stressoren (z. B. Umstallung) später eine klinisch manifeste Erkrankung induzieren (Snider et al. 1982). Die Erkrankung verläuft meist ohne
wesentliche Störungen des Allgemeinbefindens; allenfalls ist die Futteraufnahme vorübergehend geringfügig reduziert, und es tritt moderates Fieber auf
(Yeruham et al. 1994).
Stomatitis papulosa ist seit 2011 nicht mehr meldepflichtig; in den Vorjahren
wurden lediglich 1-2 Fälle pro Jahr gemeldet, wobei offenbar die Dunkelziffer
sehr wahrscheinlich erheblich war.
2.
Diagnose
Bei Verdacht auf Stomatitis papulosa erfolgt die Abklärung mittels Elektronenmikroskopie oder PCR bzw. real time-PCR (Inoshima et al. 2000, Nitsche et al.
2006). Dazu ist verändertes Gewebe mit einem scharfen Löffel in ein steriles
Röhrchen zu überführen und unmittelbar an das Untersuchungslabor zu
versenden.
Die Differenzierung der verschiedenen Virusspezies setzt eine
Sequenzanalyse voraus (Essbauer et al. 2004, Dal Pozzo et al. 2011).
DNA-
Seite 182
3.
Differentialdiagnose
Differentialdiagnostisch muss die Stomatitis papulosa bovis von anderen infektiösen Erkrankungen abgegrenzt werden, die im Frühstadium teilweise durch m.
o. w. vergleichbare Alterationen der Maulschleimhaut gekennzeichnet sind (Tabelle 1). Obwohl das klinische Bild i. d. R. eindeutig ist, kann eine sekundäre
bakterielle Infektion die klinische Diagnose erschweren (Dirksen et al. 2002).
Neben infektiösen Erkrankungen können Erosionen und Stomatitiden auch
durch mechanische, thermische oder toxische Noxen verursacht werden; hier
ist insbesondere an zu heiß angebotene Tränke und die orale Aufnahme von
ätzenden Desinfektionsmitteln zu denken.
4.
Fallbericht
In einem Betrieb mit Fresseraufzucht in Mecklenburg-Vorpommern wurden 150
Bullenkälber (Deutsche Holstein) im Rahmen einer Fütterungsstudie eingesetzt.
Die Kälber wurden im Alter von 2-3 Wochen von einem Händler aus verschiedenen umliegenden Milchviehbetrieben aufgekauft und am 04.07.2011 aufgestallt.
Zum Zeitpunkt der Aufstallung waren die Kälber klinisch unauffällig. Die Aufstallung erfolgte in sechs Gruppenboxen mit jeweils 25 Tieren auf Stroh; die Boxen
wurden jeden zweiten Tag entmistet. Die Tränkung erfolgte über Tränkeautomaten; Wasser stand über Zungentränken zur Verfügung.
Nach der Aufstallung erhielten die Tiere über 10 Tage eine orale antibiotische
Einstallungsmetaphylaxe. Die Aufzucht der Kälber erfolgte mit Milchaustauschertränke; zusätzlich stand allen Kälbern Kälberstarter und Heu ad libitum zur
Verfügung.
Die Tiere wurden zwischen dem 05.07. und 31.08.2011 (Tag 1 bis 56) täglich
klinisch durch einen Tierarzt befundet. Dabei wurden stets Verhalten, Haltung,
Tränkeaufnahme, Rektaltemperatur und Kotkonsistenz erfasst. Jedes Tier mit
einer Rektaltemperatur > 39,5 °C wurde zudem ausfüh rlich klinisch untersucht
und standardisiert therapiert. Tiere mit Bronchopneumonie (> 39,9 °C, Tachypnoe, verschärfte inspiratorische Atemgeräusche) wurden in der Regel dreimal
im Abstand von 48 h behandelt (Florfenicol, 20 mg/kg, s. c.) und erhielten zudem parenteral zwei- bis dreimal im Abstand von 48 h ein nicht-steroidales Antiphlogistikum (Meloxicam, 0,5 mg/kg, s. c.).
Zwei Wochen nach der Aufstallung fielen erstmals bei einzelnen Kälbern einer
Gruppenbox Veränderungen insbesondere am Flotzmaul auf. Bei der sich anschließenden intensiven adspektorischen Untersuchung der Maulhöhle wurden
bei zahlreichen Tieren auch Läsionen am harten Gaumen und an der Unterfläche der Zunge festgestellt.
Seite 183
Tab. 1:
Krankheit
Stomatitis
papulosa
BVD/MD
BHV-1
Kälberdiphtheroid
Bösartiges Katarrhalfieber
Blauzungenkrankheit
Vesikuläre
Stomatitis
Maul- und Klauenseuche
Übersicht der infektiöse Erkrankungen, die differentialdiagnostisch von Stomatitis papulosa abgegrenzt
werden müssen (Dirksen et al. 2002).
Klinische Veränderungen
umgeschriebene makulo-papulose
Läsionen an Maulschleimhaut und
Flotzmaul
verkrustete und diffuse Erosionen an
der Maulschleimhaut, Durchfall, Abmagerung.
Nasenausfluss, hochrote Nasenschleimhaut, nekrotische Krusten an
den Naseneingängen
Schwellung im Backenbereich, ulzerative Stomatitis, Foetor ex ore, u. U.
Stridores.
hochfieberhaft , betrifft alle Kopfschleimhäute, Keratokonjuktivitis
geschwollene Zunge (blaurot), vermehrtes Speicheln, Epithelläsionen am
Maul und an der Nasenöffnung
Bläschen in Maul, an Zitzen und an
Klauen (klinisch nicht von MKS zu
unterscheiden).
Apthen im Maul, an Zitzen und im Zwischenklauenspalt
MorbidiLetaZoonose
tät
lität
Altersgruppe
Verbreitung
Tierarten
↑↑↑
ja
-
Kälber
Jungrinder
weltweit
Rind
variabel
nein
↑↑(↑)
Jungrinder
weltweit
Rind, Schaf, Ziege,
Hirsche
↑↑↑
nein
↑
alle
weltweit
Rind
↑
nein
↑(↑)
Kälber
weltweit
Rind
↑
nein
↑↑↑
2-3 Jahre
weltweit
Rind, Büffel,
Wildwiederkäuer,
Schwein,
subklinisch
nein
fast weltweit
Schaf, Rind
↑↑(↑)
ja
über 9 Monaten
Amerika
Rind, Pferd
Schwein, Schaf,
Ziege, Kameliden
alle
Afrika
Südamerika
Asien
Klauentiere
↑↑↑
nein
↑
↑(↑)
Seite 184
Es wurden bei drei Kälbern Proben mittels scharfem Löffel aus dem Übergangsbereich zwischen gesunder und veränderter Schleimhaut entnommen. Im
Rahmen der elektronenmikroskopischen Untersuchung (Negativkontrastierung)
wurden charakteristische Parapoxvirus-Partikel (ovoidformig, kreuzformig verdrillte innere Struktur) nachgewiesen (Abb. 1).
Abb. 1:
4.1.
Elektronenmikroskopische Darstellung der Viren aus einer
Schleimhautprobe mittels der Negativkontrastierungstechnik.
Klinische Befunde
Die Mehrzahl der betroffenen Kälber entwickelte einzelne ovale Erosionen mit
einem Durchmesser von 5-25 mm) oder linsenförmige, gerötete Flecken am
harten Gaumen. Außerdem waren makulo-papulöse Veränderungen am Flotzmaul, Lippen und Dentalplatten nachweisbar (Abb. 1-3). Bei einigen Tieren
wurden an der Zungenunterfläche knötchenformige Läsionen mit hyperämischem Rand und weißem, erhabenen Zentrum (Abb. 6) festgestellt, andere
Kälber entwickelten eine Gingivitis (Abb. 4). Die beschriebenen Läsionen traten
mit unterschiedlicher Häufigkeit bei den betroffenen Tieren auf (Abb. 2).
Die Abheilung der Stomatitis erfolgte i. d. R. innerhalb von 10-15 Tagen. Bei
Kälbern mit schwarz pigmentiertem Flotzmaul blieben häufig depigmentierte
umschriebene, narbenförmige Alterationen zurück (Bild 7); auf unpigmentierter
Schleimhaut blieben nach der Abheilung rötlich-braune Flecken.
Seite 185
Abb. 2:
Erosive Veränderung am harten
Gaumen und an der Oberlippe
Abb. 3:
Ausgeprägte Gingivitis im Bereich der Incisivi; zusätzlich papulöse
Veränderungen
am
Übergang zwischen Flotzmaul
und Oberlippe
Abb. 4:
Charakteristische
Flotzmaul.
Papel
am
Abb. 5:
Papulöse Effloreszenzen an der
Unterfläche der Zunge
Seite 186
Abb. 6:
Depigmentierte Stellen nach der
Abheilung der lokalen Läsionen
am Übergang zwischen Flotzmaul und Lippe
Hervorzuheben ist, dass die Stomatitis bei den meisten Kälber ausschließlich
durch Läsionen in der Maulhöhle charakterisiert war, die ohne explizite Adspektion häufig übersehen worden wären.
Hinsichtlich der Milchaufnahme wurde die vertränkte Menge und die Dauer jedes Besuchs am Tränkeautomat für jedes Kalb elektronisch gespeichert. Die
Auswertung dieser Daten zeigte, dass sich weder die Tränkeaufnahme noch die
Geschwindigkeit des Saufens zwischen den an Stomatitis papulosa erkrankten
und gesunden Kälbern unterschieden. Trotz frequenten Thermometrierens der
Kälber war Fieber im Zusammenhang mit dem klinischen Bild nicht nachweisbar.
Erkrankte Kälber
[N]
Häufigkeitsverteilung der auftretenen Läsionen
Anzahl der Kälber
120
100
80
60
40
20
0
FlotzFlotzmaul
maul
LipLippen
pen
GinGingiven
giva
Zunge
Zungeunterfläche
Anatomische Bereiche
Abb. 7:
Häufigkeitsverteilung der Läsionen
harter
harter
Gaumen
Gaumen
Seite 187
4.2.
Morbidität
Innerhalb der achtwöchigen Versuchsperiode entwickelten 143 der 150 Kälber
klinische Symptome in unterschiedlichem Umfang. In der Gruppenbox, in der
die ersten erkrankten Tiere auffielen, zeigten 88 % der Kälber innerhalb von
zwei Wochen klinische Symptome. Auffallend war die konsekutive allmähliche
Ausbreitung in dem Bestand über mehrere Wochen (Abb. 2).
4.3.
Therapie
1 5 0 K ä l b e r v e r t e il t in 6 B u c h t e n
Aufgrund des milden klinischen Verlaufs ohne Fieber bei ungestörtem Allgemeinbefinden erfolgte keine Behandlung der erkrankten Tiere; viele der Kälber
litten jedoch zudem an enzootischer Bronchopneumonie, die mit Antibiotika und
NSAID standardisiert behandelt wurde.
B1
Auftreten der klinischen Symptome
nach der Aufstallung
B2
bis zum 16. Tag
B3
17. Tag - 30.Tag
B4
31. Tag - 44.Tag
B5
45. Tag - 58.Tag
B6
0
erkrankte Kälber in jedem Bucht
Abb. 3:
5.
25
Krankheitsverbreitung durch den verschieden Buchten im Verlauf
der ersten 56 Aufstallungstage. Die ersten klinischen Erscheinigungen wurden bei Kälbern in der ersten Bucht beobachtet. Die
Morbidität lag bei 95 %.
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Seite 189
Gehäufte Aborte beim Rind: was tun?
Martin Peters
SVUA Arnsberg, Zur Taubeneiche 10-12, 59821 Arnsberg
[email protected]
Rinderaborte können sporadisch oder epizootisch in Form sogenannter
Abortstürme auftreten. Ihnen kann für den jeweiligen Bestand eine erhebliche
wirtschaftliche Bedeutung zukommen. Abortraten von bis zu 3 % werden als
„noch normal“ angesehen, während bei höheren Raten von einer Häufung gesprochen werden muss. In diesen Fällen geht es darum, die Ursache zu erkennen und nach Möglichkeit abzustellen. Dieses ist nur durch eine enge Zusammenarbeit zwischen Landwirt, betreuendem Tierarzt und Diagnostiker möglich.
Je besser der Informationsfluss und das Zusammenspiel klappt, umso größer
sind die Aussicht auf eine Ursachenklärung. Dabei erweist es sich als förderlich,
eine Vorstellung von Abläufen und den Grenzen bzw. Möglichkeiten der Diagnostik zu haben. Es fängt an bei der Wahl des Untersuchungsmaterials, den
Transportbedingungen und der Kenntnis über das Untersuchungsspektrum der
Untersuchungsstelle (hier gibt es Differenzen!) und mündet schließlich in der
Befundinterpretation und der Relevanz für den Bestand.
Langjährige Erfahrungen in der pathologischen und bakteriologischen Abortdiagnostik zeigen, dass die Landwirte und häufig auch die Praktiker sich nicht viel
von der Diagnostik am Abortmaterial versprechen. Der Aufwand und auch die
Kosten der Untersuchung (auch bei diesen gibt es teils erheblich Unterschiede
zwischen der Labors) scheinen häufig nicht durch den Endbefund gerechtfertigt.
So muss der Leidensdruck oft schon recht hoch sein, damit Abortmaterial überhaupt eingesendet wird. Dabei gibt es in Deutschland nach der BrucelloseVerordnung sogar eine Untersuchungspflicht für Spätaborte und deren Nachgeburten. Andererseits wird die Leistungsfähigkeit der Diagnostiklabore bisweilen auch überschätzt. Das Untersuchungsspektrum der Labore auf infektiöse
Abortursachen ist methodisch limitiert und die eingesetzten Methoden sind nicht
einheitlich. Das Erkennen „neuer“ Seuchen ist nicht Ziel der Routinediagnostik.
„Schlüssellochdiagnostik“ mittels Multiplex-PCR-Untersuchungen am Abortmaterial beim Rind befindet sich in der Entwicklung, ist aber noch nicht verbreitet.
Am SVUA Arnsberg fokussiert sich die Suche nach der Ursache eines Abortes
in erster Linie auf infektiöse Abortursachen. Andere, nicht infektiöse Ursachen
von Aborten entziehen sich häufig einer Klärung mittels Sektion und weitergehenden Untersuchungen. Liegen spezifische Missbildungen genetischer Ursache (z.B. Brachyspina-Syndrom, Arachnomelie etc.) vor, kann ihr Erkennen insbesondere für Zuchtbetriebe eine wertvolle Information sein. Hier ist eine Zusammenarbeit mit Tierzuchteinrichtungen bzw. Laboren, die Gentests etabliert
haben, angesagt.
Seite 190
Zur Abortdiagnostik sollten nach Möglichkeit der gesamte, uneröffnete Fetus
sowie Teile der Nachgeburt mit Kotyledonen eingesandt bzw. überbracht werden. Die alleinige Einsendung von Nachgeburtsteilen ohne Frucht ist zwar einfacher, limitiert aber die diagnostischen Möglichkeiten und letztlich auch die Befundinterpretation. Können nur Teile der Frucht eingesandt werden, ist es für
den Praktiker wichtig zu wissen, welche Proben diagnostisch sinnvoll sind. So
ist z. B. zur Diagnose eines durch den protozoären Erreger Neospora caninum
hervorgerufenen Abortes die Untersuchung des Gehirns (Kopf der Frucht
einsenden), der Leber, des Herzens und der Plazenta essentiell. Die Proben
sollten möglichst frisch, eventuell gekühlt, aber keinesfalls gefroren an der Untersuchungsstelle ankommen. Das Einfrieren erschwert die histologische Befundung erheblich.
Maternale Blutproben lassen mitunter einen indirekten (serologischen) Erregernachweis zu. Die Interpretation serologischer Befunde ist in Hinblick auf die
Abortursache beim Einzeltier allerdings problematisch. Ein Antikörpernachweis
belegt nur eine Auseinandersetzung der Kuh mit einem Erreger. Wann diese
Auseinandersetzung stattgefunden hat und ob der Erreger in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Abort steht, bleibt oft unklar. Bei den gängigen
automatisierten Antikörperuntersuchungen mittels ELISA werden die serologischen Ergebnisse in der Regel als positiv, fraglich oder negativ mitgeteilt. ODWerte werden in der Regel nicht angegeben. Eine Interpretation der Befunde an
einer gepaarten Serumprobe (4-facher Titeranstieg) ist ohne Rücksprache mit
dem Labor daher in der Regel nicht möglich. Die Untersuchung fetaler Körperflüssigkeiten auf Antikörper macht nur bei immunkompetenten Feten Sinn. Das
ist bei Rinderfeten ca. ab dem 120. Trächtigkeitstag der Fall.
Das Methodenspektrum der Abortdiagnostik beim Rind umfasst am SVUA
Arnsberg eine makroskopische und auch histologische Untersuchung. Selbst an
mumifizierten Feten finden sich bisweilen histologisch noch erkennbare Läsionen (z. B. Gehirnläsionen bei Neosporose). Weiterhin wird Abortmaterial
(Nachgeburt, Labmagen, Lunge und Leber) kulturell-bakteriologisch angelegt
und diese kulturelle Untersuchung durch PCR-Untersuchungen zum Nachweis
von Coxiellen und Chlamydien erweitert. Eine bakteriologische Untersuchung
von Mumien macht keinen Sinn. Virologisch wird mittels PCR auf BVD-V, SBV
und ggf. BTV sowie mittels Zellkultur auf BHV1 untersucht. Daneben wird eine
PCR zum Nachweis von Neospora caninum-DNA durchgeführt.
Zur Interpretation insbesondere bakteriologischer Befunde ist eine histologische
Untersuchung der Plazenta und/oder des fetalen Gewebes unverzichtbar. Eine
tatsächliche Infektion der Nachgeburt oder des Fetus kann nur anhand entzündlicher Gewebsreaktionen von einer bakteriellen Kontamination unterschieden
werden. Beim Nachweis fakultativ pathogener Erreger gerät ein Bakteriologe
ohne Kenntnis eventueller pathomorphologischer Veränderungen in Interpretationsschwierigkeiten. Der Nachweis von Coxiella burnetii in der Nachgeburt ohne pathomorphologische Läsionen ist zwar für den Betrieb bedeutsam, lässt
aber Zweifel an der ätiologischen Bedeutung für den Abortes aufkommen. Eine
Abort-relevante fetale Neosporose ist nur durch den Nachweis spezifischer Läsionen vor allem im ZNS, der Leber und dem Myokard des abortierten Kalbes
Seite 191
von einer diaplazentaren, klinisch inapparenten Neospora caninum-Infektion
eines Kalbes zu unterscheiden, welches aus einem anderen Grund abortiert
wurde.
Die ätiologischen Aufklärungsraten von Rinderaborten liegen nach Literaturangaben in Deutschland, Europa und den USA in der Regel zwischen 30 und 40
%. Am SVUA Arnsberg konnten wir in den letzten Jahren ebenfalls jeweils zwischen ca. 30 und 50 % der Aborte ätiologisch klären. Als häufigste Abortursachen konnten wir Infektionen mit Neospora caninum, Coxiella burnetii sowie bis
zum Jahr 2010 auch BVD-Virus nachweisen. Bakterielle und mykotische Infektionen spielen ferner eine nicht unerhebliche Rolle. Dabei verteilen sich die Erreger auf zahlreiche Erregerspezies (Abb. 1). Einige der Aborterreger (Coxiella
burnetii, Brucella abortus, Listeria monocytogenes, Salmonella ssp. u.a.) besitzen ein zoonotisches Potential. Daher ist beim Umgang mit Abortmaterial erhöhte Vorsicht geboten. Darüber sollte sich der Praktiker im Klaren sein und
auch den Landwirt darauf hinweisen.
Auch die Mitteilung, dass kein spezifischer Aborterreger nachgewiesen wurde
bzw. dass sich pathomorphologisch keine Anhaltspunkte für ein infektiöses
Abortgeschehen ergaben, kann die Einsendung von abortierten Feten und
Nachgeburten im Nachhinein ebenfalls rechtfertigen. Der Ball ist dann allerdings wieder beim Praktiker bzw. Landwirt, der sich im Betrieb nach anderen
nicht-infektiösen Faktoren (Management, Tierhaltung, Fütterung und Tränkewasser) oder fieberhaften nicht-Reproduktionstrakt-spezifischen infektiösen
Abortursachen umschauen muss.
Seite 192
Abb. 1:
Am SVUA Arnsberg nachgewiesene infektiöse Abortursachen bei
Rindern in den Jahren 2006 bis 2011 (Aborte mit Erregernachweis
/ Gesamtzahl untersuchter Aborte).
Seite 193
Deckinfektionen – heute noch ein Thema?
Maike Heppelmann
Klinik für Rinder, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover
[email protected]
1.
Einleitung
Der Einsatz von Deckbullen hat in den letzten Jahren wieder an Bedeutung gewonnen. Dies ist unter anderem an der Entwicklung der Besamungsdichte erkennbar. Im Jahr 1990 war die Besamungsdichte mit 94,1% am höchsten. Seitdem ist sie kontinuierlich abgefallen. So wurden 2005 nur noch 81,9% des
Rinderbestandes künstlich besamt (Busch und Waberski 2007). Auch die Anzahl an Erstbesamungen nimmt seit 1995 stetig ab. Hier ist besonders bei den
Fleischrassen ein starker Rückgang zu verzeichnen (ADR 2012). Der Trend
zum Bullen ist vor allem in ökologisch wirtschaftenden Betrieben zu verzeichnen, da der Natursprung den gestellten Richtlinien dort am ehesten entspricht
(Moosbauer et al. 2012).
Die Rinderhalter erhoffen sich von dem Einsatz eines Deckbullens eine Verminderung des Arbeitsaufwandes und Einsparungen bei den Besamungskosten. Ein weiterer Grund sind bessere Befruchtungsergebnisse; auch mehrmals
erfolglos künstlich besamte Kühe werden nach dem Natursprung wieder tragend. Häufig werden Bullen zum Decken von Jungtieren eingesetzt (Arlt et al.
2005; Warder 1997). Nachteile sind mangelnder Zuchtfortschritt und das Risiko
von genetischen Defekten bzw. Missbildungen, da die Zuchtbullen häufig aus
der eigenen Nachzucht ausgewählt werden. Auch der Platzbedarf für die Haltung des Bullens und die erhöhte Unfallgefahr, gerade bei älteren Tieren, dürfen
nicht außer Acht gelassen werden. Problematisch ist die Möglichkeit der
Verbreitung von Infektionskrankheiten durch den Deckakt (Lehnert 2004;
Moosbauer et al. 2012; Warder 1997). Hier stellen vor allem Bullen mit einem
ungeklärten Gesundheitsstatus ein Risiko dar.
2.
Einteilung und Bedeutung von Deckinfektionen
Deckinfektionen werden in klassische und sporadische Infektionen unterteilt. Zu
den klassischen Deckinfektionen zählen die Trichomoniasis (Trichomonadenseuche), die Campylobacteriosis (Vibrionenseuche) und das Exanthema coitale
vesiculosum (Bläschenausschlag, Infektiöse Pustuläre Vulvovaginitis (IPV), Infektiöse Balanoposthitis (IBP)). Die sporadischen Infektionen können durch Mykoplasmen, Clamydien und Haemophilus somnus verursacht werden. Auch die
Brucellose, die Tuberkulose, BVD/MD und Q-Fieber werden zu den sporadischen Infektionen gezählt. Bedingt pathogene Keime wie bspw. Staphylococcus
aureus, Trueperella pyogenes und Klebsiellen können ebenfalls genitale Infek-
Seite 194
tionen hervorrufen. Im weiteren Verlauf soll hier nur auf die klassischen Deckinfektionen eingegangen werden.
Mit der künstlichen Befruchtung sind die Deckseuchen in den letzten Jahrzehnten in Deutschland weitgehend zurückgegangen. Da Deckseuchen auch durch
Tiergefriersperma übertragen werden können, sind für die Bullen auf Besamungsstationen regelmäßige Untersuchungen vorgeschrieben (88-407-EWG).
In Gegenden, wo eine große Anzahl an Tieren im Natursprungverfahren gedeckt wird (USA, Australien und Südafrika), verursachen die Trichomoniasis
und die Campylobacteriosis große wirtschaftliche Verluste (Bondurant 2005;
Mshelia et al. 2010). Ein Vorkommen der Trichomonadenseuche wurde in
Deutschland zum letzten Mal 2004 gemeldet, allerdings tritt diese Erkrankungen
aktuell in einigen Ländern Westeuropas auf (Mendoza-Ibarra et al. 2012; Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE)). Die Campylobacteriosis trat bis 2007
noch als klinische Erkrankung in Deutschland auf und wird zurzeit in einigen
Ländern Westeuropas als Erkrankung gemeldet (Mshelia et al. 2010; van Bergen et al. 2005; OIE).
3.
Ätiologie und Erscheinungsbild von Deckinfektionen
Die Trichomonadenseuche wird durch den einzelligen Parasiten Tritrichomonas
(T.) foetus verursacht. Dieser ist ein birnenförmiger Flagellat mit undulierender
Membran und vier Geißeln. Der Erreger wird mechanisch beim Deckakt übertragen. Nach Infektion besiedelt er die Schleimhaut von Penis und Präputium
sowie die Harnröhre. Die Bullen zeigen überwiegend keine Symptome, in einigen Fällen können Balanoposthitiden auftreten. Infizierte Bullen bleiben lebenslang Träger und Ausscheider des Parasiten (BonDurant 1997; Busch 2001; FLI
2009b). Mit dem Alter des Tieres steigt die Wahrscheinlichkeit einer lebenslangen Infektion an (BonDurant 1997). Weibliche Tiere zeigen nach Infektion Endometritiden, embryonale Mortalität, Aborte und postkoitale Pyometren. Offensichtlicher vaginaler Ausfluss liegt nicht in jedem Fall vor. Nach zwei bis vier
Monaten kommt es bei den meisten Tieren zur Spontanheilung. In der Herde
fallen schlechte Trächtigkeitsraten, lange Zwischenkalbezeiten und verlängerte
Zyklen auf (BonDurant 1997).
Die Vibrionenseuche wird durch den Erreger Campylobacter (C.) fetus ssp. venerealis, ein gramnegatives Bakterium mit ausgeprägtem Tropismus für den
Genitalapparat, verursacht. C. fetus ssp. fetus kommt im Intestinaltrakt des Rindes vor und kann sporadische Aborte verursachen. Die Infektion erfolgt beim
Deckakt; Bullen können sich auch über kontaminierte Einstreu anstecken. Betroffene Bullen zeigen meist keine klinischen Symptome und bleiben lebenslang
infiziert. Bei weiblichen Tieren kommt es zu Endometritiden, embryonaler Mortalität und Aborten in jedem Trächtigkeitsstadium. Nach einigen Monaten geht
die Erkrankung in ein chronisches Stadium über. Die weiblichen Tiere entwickeln eine Immunität und erlangen ihre ursprüngliche Fertilität zurück. In der
Herde kommt es nach der ersten Infektion zu einem plötzlichen Rückgang der
Trächtigkeitsrate, weiterhin fallen verlängerte Brunstintervalle auf (Mshelia et al.
2010; FLI 2009c).
Seite 195
IPV/IBP werden durch das Bovine Herpesvirus Typ 1 (BHV-1) hervorgerufen.
Die Übertragung erfolgt durch den Deckakt oder aerogen durch Tröpfcheninfektion. Es kommt zu einer Rötung bzw. Schwellung der Genitalschleimhaut, die
mit schmerzhaftem Harndrang einhergehen kann. Später bilden sich kleine
Effloreszenzen und Pusteln, die sich zu ulzerativen Erosionen weiter entwickeln. Beim Bullen können hierdurch Phimosen bzw. Paraphimosen entstehen.
Bei weiblichen Tieren kann es vor allem zwischen dem 5. bis 8. Monat zu Aborten kommen. Infizierte Tiere bleiben lebenslang latent infiziert und können
durch Reaktivierung der Infektion durch Immunsuppression (z. B. Glukokortikoide) den Virus erneut ausscheiden (Busch 2001; FLI 2009a).
Abb. 1:
Balanoposthitis bei einem Bullen
Abb. 2:
Pustulöse Vestibulovaginitis bei einer Kuh
Seite 196
4.
Diagnostik von Deckinfektionen
Beim männlichen Tier wird zum Nachweis der Trichomonaden eine Präputialspülprobe entnommen. Für die Bestimmung von C. fetus ssp. venerealis
kann wahlweise auch Sperma verwendet werden. Für die Präputialspülprobe
werden von den einigen Laboren Spüllösungen angeboten, die entsprechend
zur Probennahme geeignet sind. Bei weiblichen Tieren können Genitalsekrete,
Eihäute und abgestoßene Feten eingesandt werden. Bei Trichomoniasis und
die Campylobacteriosis ist der schnelle Transport in das Labor wichtig. Dieser
sollte für den Nachweis von C. fetus ssp. venerealis nicht länger als sechs
Stunden dauern und die Proben sind kühl (4-30°C) un d lichtgeschützt zu verpacken. Es wird auch die Verwendung von Transportmedien empfohlen (FLI
2009c).
Der Nachweis von T. foetus erfolgt entweder durch den direkten mikroskopischen Nachweis oder nach Erregeranzüchtung aus den Spülproben. Die morphologische Unterscheidung von anderen Trichomonaden (z. B. aus dem Magen-Darm-Trakt) ist nur bedingt möglich, deswegen sollten positive Kulturresultate mittels PCR überprüft werden (Rinder). C. fetus ssp. venerealis ist ein anspruchsvoller Keim und wächst nur unter bestimmten Kulturbedingungen. Da
sich die Differenzierung von C. fetus ssp. fetus in der Kultur schwierig gestaltet,
kommt auch hier die PCR als Methodik zum Einsatz (Rinder). BHV-1 kann mittels Zellkultur bzw. PCR nachgewiesen werden. Wichtig ist hier vor allem der
Nachweis von Antikörpern im Serum mittels ELISA (FLI 2009a).
5.
Maßnahmen und Therapie bei Deckinfektionen
Das Vorliegen bzw. der Verdacht des Vorliegens einer Deckinfektion sind anzeigepflichtig. Das weitere Vorgehen der Veterinärbehörde wird durch die Rinder-Deckinfektion-Verordnung festgelegt. Im Falle einer IPV/IBP Infektion greift
zusätzlich die BHV-1 Verordnung. In der Regel wird eine Decksperre und künstliche Besamung angeordnet. Eine Behandlung der betroffenen Bullen kann nur
mit Zustimmung der zuständigen Behörde durchgeführt werden. Bei der Trichomoniasis kann die Penis- und Präputialschleimhaut des Bullens lokal mit
25%iger Silbernitratlösung touchiert werden. Allerdings zeigen 10% der Tiere
keinen Therapierfolg (Busch 2001). Nach Infektion mit C. fetus ssp. venerealis
ist eine parenterale und lokale Behandlung mit Streptomycin angezeigt. Betroffene Bullen müssen während des Zeitraumes von weiblichen Tieren abgesondert werden. Eine Deckinfektion gilt als erloschen, wenn Präputialspülproben
dreimal im Abstand von zehn Tagen negativ auf die Erreger getestet wurden.
Bei Behandlungsversuchen sollte vorab die Wirtschaftlichkeit abgeklärt werden,
hierbei sind die Decksperre und Untersuchungs- und Behandlungskosten in
Betracht zu ziehen. Eine Behandlung von Deckbullen, die mit BHV-1 infiziert
sind, ist nicht indiziert, da sie eine lebenslange Infektionsquelle darstellen.
Seite 197
6.
Fazit für die Praxis
Treten in einem Bestand mit Natursprung vermehrt Fertilitätsprobleme auf bzw.
zeigt ein Deckbulle klinische Anzeichen einer genitalen Infektion, dann sollte
nach Ausschluss anderer Ursachen eine Deckseuche in Betracht gezogen werden. Dies ist besonders angezeigt, wenn Bullen mit einem ungeklärten Gesundheitsstatus ausgewählt wurden. Vor der Diagnostik sollte mit einem entsprechenden Labor Rücksprache über Modalitäten der Aufbewahrung und des
Transports der Proben gehalten werden, um eine Verfälschung der Ergebnisse
zu vermeiden.
7.
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Seite 199
Tankmilch für die parasitologische Diagnostik:
was geht und was geht nicht?
Anne-Marie Schunn, Christina Strube
Institut für Parasitologie
Tierärztliche Hochschule Hannover
[email protected]
1.
Einleitung
In der parasitologischen Diagnostik spielen serologische Untersuchungsverfahren eine immer wichtigere Rolle. Mittels verschiedener ELISA-Testverfahren
(engl. Enzyme-Linked Immunosorbent Assay) können in Substraten wie Serum,
Einzeltiermilch oder Tankmilch Antikörper gegen den Rinderlungenwurm Dictyocaulus viviparus sowie gegen den Leberegel Fasciola hepatica nachgewiesen
werden.
Die Diagnose dieser Parasitosen in einer Rinderherde mittels Tankmilchprobe
stellt eine kostengünstige, sichere, schnelle und praktikable Nachweismethode
dar. Im Rahmen dieses Beitrages sollen zum einen der MSP-ELISA, der zur
serologischen Diagnostik eines Rinderlungenwurmbefalls verwendet wird und
auf rekombinant hergestelltem Major Sperm Protein (MSP) von D. viviparus
beruht, sowie der kommerziell erhältliche Pourquier-ELISA (Montpellier, Frankreich), der zur Diagnostik eines Befalls mit Leberegeln verwendet wird, vorgestellt werden.
Im Rahmen der Diagnostik der Dictyocaulose als auch der Fasciolose spielen
aber nach wie vor auch die bewährten und einfach durchzuführenden Kotuntersuchungsverfahren (Auswander- bzw. Sedimentationsverfahren) eine große
Rolle in der tierärztlichen Praxis.
2.
Überblick zur Dictyocaulose
Die durch den Rinderlungenwurm D. viviparus verursachte parasitäre Bronchitis
stellt eine der wichtigsten Weideparasitosen in den gemäßigten Klimazonen
dar. Die Dictyocaulose kann sowohl zu einer Erkrankung in Jungtieren als auch
adulten Rindern führen. Dabei können die ökonomischen Verluste durch eine
Infektion einer Herde erheblich sein (Woolley, 1997). Nach jüngeren Schätzungen verursacht ein Lungenwurmausbruch in einem durchschnittlichen Milchviehbetrieb einen Schaden von etwa 35.000 Euro.
Infektionen mit Lungenwurmlarven treten vor allem gegen Ende der Weidesaison auf. Je nach Wetterlage kann sich aber auch bereits im Frühsommer eine
Seite 200
große Zahl infektiöser 3. Larven auf der Weide angesammelt haben. Zur
Verbreitung nutzen die 3. Larven von D. viviparus die Fruchtträger von Pilzen
der Gattung Pilobolus. Diese Pilze wachsen auf den Kothaufen von Wiederkäuern und befördern die in die Pilzsporen eingedrungenen Larven beim Platzen
zusammen mit diesen fort. Aber auch andere Verbreitungsmechanismen wie
Regen, Vögel, Käfer oder eine mechanische Verbreitung des Kotes (z.B. durch
Zertreten des Kotfladens) spielen eine wichtige Rolle bei der Verbreitung der
infektiösen dritten Larven. Die Parasiten werden mit der Nahrung aufgenommen, bohren sich in die Darmschleimhaut ein und gelangen über den Blutkreislauf in die Bronchien der Rinder, wo sie schwere, oft tödliche Bronchopneumonien auslösen.
Normalerweise werden Lungenwurminfektionen von den Landwirten erst durch
klinische Ausbrüche der Dictyocaulose registriert. In einer Herde sind dabei
meist mehrere Tiere infiziert. Klinische Symptome sind Fieber, Husten, Naseausfluss, eine beschleunigte, erschwerte Atmung bis hin zur Maulatmung mit
Schaum vor dem Maul sowie Abmagerung und insgesamt eine Verschlechterung des Allgemeinbefindens bis hin zum Tod der Tiere.
Infektionen mit dem Rinderlungenwurm sollten zudem bei einem Rückgang der
Milchleistung, Gewichtsverlust sowie bei hustenden Kühen als eine Differentialdiagnose in Milchviehherden beachtet werden (Wapenaar et al., 2007).
Lungenwurminfektionen treten regelmäßig bei Kälbern und Jungrindern auf.
Seit den frühen neunziger Jahren ist in ganz Westeuropa ein beunruhigender
Anstieg von Dictyocauloseausbrüchen zu verzeichnen. In den letzten Jahren
nahmen auch bei erwachsenen Rindern die Probleme mit Lungenwürmern
mehr und mehr zu (Ploeger, 2002). Seit Mitte der 2000er Jahre in Großbritannien vom National Animal Disease Information Service (NADIS) erhobene Daten zeigen, dass etwa die Hälfte der gemeldeten Lungenwurmausbrüche adulte
Kühe betrifft (Wapenaar, 2011) und auch in dieser Altersgruppe zu Todesfällen
führt (Holzhauer et al., 2011; Wapenaar et al., 2007).
Nach serologischen Erhebungen sind in Niedersachsen etwa 40% aller größeren Rinderbestände, in den Niederlanden über 77% aller auf Weiden gehaltenen Kälbergruppen befallen. In der Schweiz und Österreich kommt Dictyocaulus-Befall vorwiegend regional im Mittelland und voralpinen Bergland, selten auf
hochgelegenen Almweiden vor. In Deutschland sind etwa 50 % der gesamten
Rinderpopulation ständig infektionsgefährdet. Die neuesten serologischen Erhebungen in Ostfriesland ergaben in Milchviehherden eine Seroprävalenzrate
von 21,1 % (Klewer et al., 2012).
Die Diagnose eines Lungenwurmbefalls erfolgt durch eine Kombination aus
dem Vorbericht des Tierhalters, den klinischen Erscheinungen sowie dem Erreger- bzw. Antikörpernachweis mittels einer Kotuntersuchung (Auswanderverfahrens nach Baermann) bzw. ELISA-Untersuchung einer Milch- oder Serumprobe.
Das Prinzip des Auswanderverfahrens nach Baermann besteht darin, dass die
Lungenwurmlarven aktiv aus der Kotprobe auswandern. Die erstmalige Ausscheidung von Lungenwurmlarven mit dem Kot erfolgt zwischen Tag 21 und 35
post infectionem. Die Sensitivität dieser Untersuchungsmethode ist abhängig
Seite 201
von der Anzahl der mit dem Kot ausgeschiedenen Lungenwurmlarven, der
Temperatur, der Auswanderdauer sowie dem Alter der Probe - je älter die Probe ist, desto schlechter wandern die Larven aus. Daher sollte eine zum Lungenwurmnachweis genommene Kotprobe noch am selben Tag verschickt werden.
3.
MSP-ELISA zur Lungenwurmdiagnostik
Zur serologischen Diagnose eines Rinderlungenwurmbefalls sowohl für Einzeltiere, einzelne Milchviehherden als auch für großangelegte epidemiologische
Erhebungen eignet sich der im Folgenden beschriebene MSP-ELISA. Zu diesem wie auch dem weiter unten aufgeführten Pourquier-ELISA, der zum Nachweis des großen Leberegels (Fasciola hepatica) dient, ist aber zunächst anzumerken, dass diese Antikörper gegen die jeweiligen Parasiten nachweisen. Es
muss also nicht zwingend auch eine aktuelle Infektion vorliegen, da Antikörper
in der Regel länger als der direkte antigene Stimulus bestehen. So persistieren
Antikörper gegen D. viviparus für einen Zeitraum von bis zu 6 Monaten (Fiedor
et al., 2009), während der Parasit nur eine Lebensdauer von ca. 2 Monaten hat.
Ebenso können auch Antikörper gegen F. hepatica noch einige Monate nach
Beseitigung der Wurmbürde nachweisbar sein.
Beim Lungenwurm-ELISA wird rekombinant hergestelltes Major Sperm Protein
(MSP) von adulten männlichen D. viviparus als diagnostisches Antigen verwendet. Daher ist der Nachweis patenter Infektionen ab Tag 25-41 post infectionem
möglich. Als Probenmaterial können sowohl Einzeltiermilch- oder Tankmilchproben sowie Serumproben untersucht werden. Die Messung des Antikörpertiters erfolgt über die OD-Bestimmung (optical density) bei 490 nm. Die anschließende Berechnung der ODR (OD-Ratio) relativiert die zu bestimmende Probe
auf eine Positivkontrolle.
Die Sensitivität bzw. Spezifität des Lungenwurm-MSP-ELISAs ist in nachfolgender Tabelle dargestellt (Fiedor et al., 2009; Schunn et al., 2012; von Holtum,
2006; von Holtum et al., 2008). Dabei muss bezüglich der Tankmilchuntersuchung gesagt werden, dass sich die ermittelten Werte auf eine Infektionsrate
innerhalb der Herde (Intra-Herden-Prävalenz) von mindestens 20 % beziehen.
Cut-off-Werte
Einzeltiermilch
0,573
Tankmilch
0,410
Serum
0,500
Sensitivität
100 %
100 %
100 %
Spezifität
100 %
97,32 %
100 %
Aufgrund einer Saisonalität im Antikörpertiterverlauf durch eine Lungenwurminfektion sind die Monate August und September für ein serologisches Herdensc-
Seite 202
reening mittels Tankmilch am besten geeignet. Werden „stille Trägertiere“ von
hypobiotischen Lungenwürmern erwartet, die nach Austrieb die Weiden kontaminieren, können diese durch einen Anstieg des Tankmilch-Antikörpertiters
zwischen Januar und April aufgedeckt werden (Schunn et al., 2012).
4.
Bekämpfung der Lungenwurmerkrankung
Die Bekämpfung der Dictyocaulose erfolgt durch weidetechnische Maßnahmen
sowie einen strategischen (metaphylaktischen) Einsatz von Anthelminthika. Zur
Anwendung bei Rindern sind verschiedene Wirkstoffe aus drei Wirkstoffklassen
zugelassen:
• Benzimidazole (Albendazol, Febantel, Fenbendazol, Oxfendazol),
• makrozyklische Laktone (Eprinomectin, Ivermectin, Doramectin)
• Imidazothiazole (Levamisol).
Das Ziel dieser Maßnahmen besteht in der Vermeidung wirtschaftlicher Verluste
durch eine weitgehende Unterbindung der Infektion oder, falls dies nicht möglich sein sollte, der Begrenzung auf ein subklinisches Niveau.
Eine Möglichkeit der Prophylaxe bietet ein Lebendimpfstoff, der in einigen europäischen Ländern verfügbar ist. Die Zulassung in Deutschland ist jedoch erloschen.
5.
Überblick zur Fasciolose
Die Fasciolose ist eine parasitäre Erkrankung herbivorer Tiere, die durch den
Trematoden Fasciola hepatica, den großen Leberegel, verursacht wird. Alle
Wiederkäuer, Schweine, Pferde, Esel, verschiedenste wildlebende Tiere und
auch der Mensch können von der Parasitose betroffen sein. Die Fasciolose ist
weltweit verbreitet und an Süßwasserschneckenhabitate gebunden, da der Parasit in seiner Entwicklung einen Zwischenwirt (z. B. die amphibische Schnecke
Galba (Lymnaea) truncatula) benötigt.
Die Infektion des Endwirtes erfolgt durch orale Aufnahme der Metazerkarien mit
den Weidepflanzen bzw. nicht ausreichend lange gelagerte Silage oder Heu
von kontaminierten Weiden. Des Weiteren kann die Infektion auch über kontaminierte Wasserstellen bzw. das Tränkewasser erfolgen. Im Verdauungstrakt
durchbohren die Jungegel die Dünndarmwand und gelangen in die Peritonealhöhle. Dann folgt eine somatische Wanderung zur Leber, wo die Jungegel für 68 Wochen im Parenchym herumwandern und dann als nahezu geschlechtsreife
Egel in die Gallengänge gelangen. Von den in den Gallengängen der Leber befindlichen adulten Egeln werden Eier abgegeben, die mit der Galle in den Darm
gelangen und mit dem Kot ausgeschieden werden. Dies erfolgt, je nach Alter
des Rindes, erstmalig 8-12 Wochen post infectionem. Bei Temperaturen von
16-20°C findet innerhalb von 10 bis 20 Tagen die En twicklung des Mirazidiums
(Wimpernlarve) im Ei statt. Das Mirazidium dringt in den Zwischenwirt, die amphibisch lebende Zwergschlammschnecke ein und entwickelt sich zur Sporozyste, in der sich eine oder mehrere Redien bilden, die ihrerseits Tochterredien
Seite 203
oder gleich Zerkarien (Schwanzlarven) gebären. Dieser Entwicklungsschritt
nimmt 8 bis 10 Wochen in Anspruch, bevor die Zerkarien aktiv die Schnecke
verlassen und sich zu Metazerkarien enzystieren. Werden diese wiederum vom
Endwirt oral aufgenommen, ist der Zyklus geschlossen.
Klinisch äußert sich die Fasciolose beim Rind fast immer in Form eines chronischen Krankheitsverlaufs. Der subakute Verlauf tritt nur selten auf und zeigt
sich klinisch in Form von Appetitmangel, Apathie, gelegentlichen Aborten und
Todesfällen, einer deutlichen Anämie, Ikterus, Aszites und erhöhten Leberwerten. Beim chronischen Verlauf der Fasciolose finden sich adulte Leberegel in
den Gallengängen der Leber und bedingen eine chronisch-proliferative Entzündung des Gallengangepithels mit Verkalkungen. Klinisch resultieren unspezifische Leistungsminderungen, welche sich in einer Milchviehherde durch einen
Rückgang der Milchleistung sowie Fruchtbarkeits- und Abortproblemen zeigen
können.
Wie auch beim Lungenwurmbefall lässt sich die Diagnose eines Leberegelbefalls aus einer Kombination aus Anamnese (Weiden mit Schneckenhabitaten,
Jahreszeit), sowie dem Erreger- bzw. Antikörpernachweis mittels einer Kotuntersuchung (Sedimentationsverfahren) bzw. ELISA-Untersuchung stellen. Auch
kann der Landwirt bzw. Tierarzt durch Rückmeldungen vom Schlachthof (Leberverwürfe) auf die Parasitose aufmerksam werden.
6. Pourquier-ELISA
Immunologische Testverfahren wie der kommerziell erhältliche PourquierELISA (Montpellier, Frankreich) weisen eine größere Sensitivität und Spezifität
im Vergleich zum Sedimentationsverfahren auf. Das Sedimentationsverfahren,
das die Eier des Leberegels nach einer Präpatenzzeit von 8-12 Wochen nachweist, besitzt eine Sensitivität von 64 % und eine Spezifität von 93 % (Charlier
et al., 2008), der Einachweis ist wegen der diskontinuierlichen Eiausscheidung
also relativ unsicher. Der Pourquier-ELISA weist dahingegen eine Sensitivität
als auch Spezifität von jeweils 100 % auf und dies bereits ab der 5. Woche post
infectionem (unveröffentlichte Ergebnisse). Aber auch noch früher im Infektionsverlauf, nämlich ab der 3. Woche post infectionem wird ein beträchtlicher
Teil infizierter Tiere seropositiv und damit vom Pourquier-ELISA erfasst. Dieser
ELISA, der sowohl für Serum- als auch für Milchproben beim Einzeltier und auf
Herdenbasis einsetzbar ist, nutzt dabei das f2-Antigen zur Antikörperdiagnostik,
das aus exkretorisch-sekretorischen Produkten von F. hepatica aufgereinigt
wird.
7. Bekämpfung der Leberegelerkrankung
Die Bekämpfung der Fasciolose beim Rind sollte eine Kombination aus weidetechnischen Maßnahmen zur Eliminierung des Zwischenwirtes sowie einen
strategischen Einsatz von Faszioliziden darstellen, um eine Tilgung der Egel zu
erreichen. Zur Anwendung bei Rindern sind in Deutschland folgende Anthelminthika zugelassen:
Seite 204
•
Albendazol (wirkt nur gegen adulte Egel, nicht gegen wandernde Jungegel!)
Albendazol ist der einzige Wirkstoff, der in Deutschland zur Anwendung bei Milch liefernden Rindern zugelassen ist!
•
Triclabendazol (wirkt sowohl gegen Jungegel als auch adulte Egel!)
•
Closantel (wirkt nur gegen adulte Egel, nicht gegen wandernde Jungegel!)
•
Clorsulon (wirkt nur gegen adulte Egel, nicht gegen wandernde Jungegel!)
Das Ziel der weidehygienischen Maßnahmen ist die Tilgung oder Eindämmung
des Zwischenwirtes sowie die Minderung der oralen Aufnahme von Metazerkarien durch die Wirtstiere. Dazu gehört das Fernhalten von Schneckenhabitaten
durch zum Beispiel Auszäunen von Primärhabitaten sowie die Beseitigung von
Sekundärhabitaten durch zum Beispiel Drainagen und Auffüllen von Senken.
Tränken sollten einen erhöhten Standort bekommen und Gras von mit Zwischenwirten verseuchten Weiden nur als Silage oder Heu (nach entsprechend
langer Lagerung) an die Tiere verfüttert werden.
8.
Probenmaterial für die Leberegel- bzw. Lungenwurmdiagnostik
Für eine Kotuntersuchung (Ei- bzw. Larvennachweis) muss 20 bis 30 g Nativkot
mit normaler Post eingesendet werden. Eine Untersuchung im hiesigen Institut
für Parasitologie der Tierärztlichen Hochschule Hannover kostet je Probe 8 €.
Hierbei muss jedoch gesagt werden, dass ein negatives Kotuntersuchungsergebnis nur dann wirklich aussagekräftig ist, wenn drei Kotproben von drei aufeinanderfolgenden Tagen untersucht wurden. Zur Lungenwurmdiagnostik sollten die Kotproben nach Möglichkeit noch am Tag der Probennahme versendet
werden, um altersbedingte falsch negative Ergebnisse auszuschließen.
Als Proben für die serologische Diagnostik (Antikörpernachweis) eignen sich
mindestens 1 ml Einzeltiermilch oder Tankmilch sowie 2-5 ml Blut oder 1 ml
Serum. Mit diesen Substraten kann sowohl ein Nachweis von D. viviparusAntikörpern als auch von F. hepatica-Antikörpern mittels der beschriebenen
ELISA-Testverfahren erfolgen. Die Versendung der Proben kann mit der normalen Post erfolgen. Eine Untersuchung im hiesigen Institut für Parasitologie kostet je Probe 12 €.
Zur Konservierung von Milchproben, die insbesondere in den Sommermonaten
vorteilhaft ist, eignen sich die folgenden Konservierungsmittel: Natriumazid,
Borsäure, Bronopol, Azidiol oder der Milchprobenstabilisator ExactoBac-L® mit
lyophilisiertem Bakteriostatikum. Die Proben sollten möglichst zu Beginn der
Woche genommen werden, damit eine längere Lagerung ohne Kühlung vermieden wird. Ansonsten können die Milchproben auch über das Wochenende
eingefroren und am folgenden Montag ins Labor gesendet werden.
Seite 205
Nicht konservierte Milchproben sollten unmittelbar versandt werden, um im besten Fall bereits am Folgetag für Untersuchungen zur Verfügung zu stehen.
9.
Schlussfolgerungen
Sowohl die Dictyocaulose als auch die Fasciolose können in Rinderbetrieben zu
schwerwiegenden wirtschaftlichen Verlusten führen. Eine zügige, sichere, praktikable und kostengünstige serologische Diagnose dieser Parasitosen zur Vermeidung von Verlusten wird durch die hier vorgestellten ELISA-Testverfahren
ermöglicht.
10.
Literatur
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serological techniques for the diagnosis of fasciolosis in cattle. Vet.
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Seite 207
Mortellaro: eine klassische Infektionskrankheit?
Jürgen Rehage
Klinik für Rinder, Tierärztliche Hochschule Hannover
[email protected]
Dermatitis digitalis (DD) wurde erstmalig von Cheli und Mortellaro (1974) beschrieben und kommt weltweit vor. Im Durchschnitt beträgt die Prävalenz in
Milchviehherden etwa 5 bis 10 %, sie kann in einzelnen Betrieben jedoch um
ein Mehrfaches höher liegen. Wirtschaftliche Bedeutung erlangt die Erkrankung
für Milchviehhalter durch verminderte Milch- und Reproduktionsleistung, vorzeitige Verwertung und Behandlungskosten betroffener Tiere.
Auch wenn die Ätiologie der Erkrankung bis heute nicht umfänglich verstanden
ist, spricht doch vieles für eine Beteiligung mikrobieller Erreger an der Entstehung. Bislang wurden verschiedene bakterielle Erreger, wie Prophyromonas
levii, Bacteroides spp., Mycoplasma spp., Campylobacter faecalis sowie Spirochaeten vom Genus Treponema, aber auch Papillomaviren ursächlich mit der
DD in Zusammenhang gebracht (Döpfer et al. 2012a, Döpfer et al. 2012b, Santos et al 2012). Unstrittig sind aber auch weitere Risikofaktoren, wie Laufstallhaltung, Spaltenboden, Frühlaktation, nasser und unhygienischer Boden sowie
Zukauf erkrankter Tiere, die zur Manifestation des Krankheitsbildes am Tier und
in Betrieben beitragen.
DD tritt in verschiedenen Stadien auf, die saisonal und periodisch einer erheblichen Dynamik unterliegen (Döpfer et al. 1997, Berry et al. 2012):
• Stadium M0:
nicht infizierte Kühe ohne Läsionen
• Stadium M1:
infizierte Kühe mit Läsionen im Frühstadium
• Stadium M2:
Kühe mit ulcerativen Läsionen
• Stadium M3:
Läsionen in Abheilung
• Stadium M4:
Läsionen im chronischen Stadium.
Insbesondere die akuten, ulcerativen Stadien, aber auch die chronischen Stadien sind bei betroffenen Kühen mit erheblichen Lahmheiten und damit Leiden
verbunden.
Wird ein von DD betroffenes Rind in eine bislang von DD freie Herde und damit
eine empfängliche Population verbracht, breitet sich die Erkrankung, abhängig
von den Umweltbedingungen, wie eine Infektionskrankheit aus. Neu erkrankte
Tiere bilden keine stabile Immunität aus, so dass wiederholte Erkrankungen
nicht ungewöhnlich sind (Döpfer et al. 2012b, Berry et al. 2012), und Impfversuche gegen DD bislang enttäuschend im Ergebnis verliefen.
Eine Bekämpfung der DD in betroffenen Betrieben basiert zunächst auf einer
Verbesserung der die Krankheit begünstigenden Faktoren. Hierzu zählen neben
Seite 208
geeigneter und sachkundiger Klauenpflege auch die Fütterung hinsichtlich des
Energiegehaltes sowie ausreichender Strukturwirksamkeit. Den Haltungsbedingungen kommt jedoch herausragende Bedeutung zu. Nasse und mit Kot verschmutzte Böden sowie Liegebereiche sind durch bauliche Maßnahmen (z. B.
Bodengestaltung, Schieber, Reinigung, ausreichende Belüftung) sowie Maßnahmen des Managements (z. B. Belegungsdichte, Kuh/Fressplatz-Verhältnis,
Kuh/Liegeplatz-Verhältniss) abzustellen (Holzhauer et al. 2006, Barker et al.
2009).
Die Verwendung von Fußbädern wird ebenfalls zur Kontrolle von DD in Milchviehbetrieben vorgeschlagen. Unterschiedliche Wirkstoffe sowie Anwendungsstrategien kommen zum Einsatz. So werden quaternäre Ammoniumverbindungen, Peroxide, Formalin (4 %), Glutaraldehyd (4 %), Kupfersulphat (5-10 %),
Natriumcarbonat (3 % Soda) und antibiotische Substanzen (z. B. Lincomycin,
OTC) vorgeschlagen. Anwendungen erfolgen teils einmal oder zweimal täglich,
einmal oder mehrmals wöchentlich oder in zwei wöchentlichen Abständen
(Döpfer et al. 2012b). Fußbäder werfen arzneimittelrechtliche Fragen auf. Durch
Deklaration als Klauendesinfektions- oder Pflegebad ohne heilende oder präventive Wirkung wird versucht, diese zu umgehen. Eine überzeugende Wirkung
von Klauenbädern auf das DD Infektionsgeschehen haben bisherige Studien
bislang nicht ergeben (Nuss 2006; Teixeira et al. 2010, Döpfer et al. 2012b).
Akute (M2) und chronische Stadien (M4) sind aus zwei Gründen von besonderer Bedeutung. Einerseits sind sie zumeist mit erheblichen Lahmheiten verbunden und erfordern damit eine frühzeitige Erkennung und umgehende Behandlung. Erkannt werden diese Stadien durch aufmerksame Beobachtung im Rahmen eines wöchentlichen Lahmheit-Scorings aller Herdenmitglieder sowie während der täglichen Melkvorgänge. Darüber hinaus spricht vieles dafür, dass Kühe mit M2 und M4 Stadien wesentlich zur Verbreitung der Krankheit in der Herde beitragen. Die Behandlung der M2 und M4 Stadien kann wirksam durch topische Behandlung mit Antibiotika (z. B. OTC) nach Reinigung und Trocknung
der Läsionen erfolgen. Bei M2 Stadien reicht oft eine einmalige Behandlung
aus, um eine rasche Besserung zu erzielen. Kühe mit M4 Stadien sind zudem
einer sorgsamen funktionellen Klauenpflege zu unterziehen, da sich die Veränderungen des Weichteilgewebes oft bereits unter den Hornschuh ausgebreitet
haben. Hier ist eine lokale topische Behandlung in der Regel unzureichend.
Auch anorganische Substanzen (z. B. Zinksulfat, Kupfersulfat, Peressigsäure)
sind bei täglicher Anwendung über eine Woche wirksam (Stevancevic et al.
2009).
Zusammenfassend ist für bislang DD freie Herden zur Vorbeuge der Einschleppung dringend ein geschlossenes System ratsam. Wenn dies nicht möglich ist,
sollten zugekaufte Tiere einer vierwöchigen Quarantäne mit wiederholten und
sorgsamen Untersuchungen auf Anzeichen von DD unterliegen. Tiere aus DD
betroffenen Betrieben sollten grundsätzlich nicht zugekauft werden. In Betrieben mit DD müssen akute Stadien der DD frühzeitig erkannt und umgehend
behandelt werden. Eine Quarantäne bis zur Ausheilung wäre wünschenswert.
Defizite in Haltung, Fütterung, Umwelt und Management von Kühen lassen sich
durch Fußbäder nicht kompensieren. Das Infektionsgeschehen der DD in Be-
Seite 209
trieben lässt sich hierdurch nach derzeitigem Kenntnisstand nicht nennenswert
beeinflussen.
Literatur
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Seite 210
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Seite 211
Das Schmallenberg-Virus:
klinische Aspekte
Mark Holsteg, Cordula Köß, Peter Heimberg
Tiergesundheitsdienst, Landwirtschaftskammer Nordrhein Westfalen,
Siebengebirgsstraße 200, 53229 Bonn
[email protected]
1.
Einleitung
Im Herbst 2011 häuften sich beim Rindergesundheitsdienst der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen zahlreiche Anfragen und Hinweise durch
Milchviehhalter und Tierärzte aus den Kreisen Wesel und Kleve in NordrheinWestfalen auf eine Erkrankung bei Milchkühen, die mit starkem Milchverlust
und Fieber einhergeht.
Gleichzeitig wurden ähnliche Beobachtungen in den Niederlanden gemacht,
wobei dort eine wässrige Diarrhoe im Vordergrund stand. Im Rahmen des TSKfinanzierten Tierseuchen-Frühwarnsystems in NRW wurden Betriebe mit akuter
Symptomatik durch den Rindergesundheitsdienst besucht und Blutproben von
betroffenen Tieren entnommen. Durch das Friedrich-Loeffler-Institut konnten
Infektionen mit Pestiviren, Blauzungen-Virus, Bovines Herspes Virus Typ 1,
Maul- und Klauenseuche, Enzootische Hämorrhagie der Hirsche, Rifttal-Fieber
und bovinem Ephemaral Fieber ausgeschlossen werden.
Im weiteren Verlauf wurde durch das FLI ein Orthobunyavirus aus dem Blut erkrankter Kühe isoliert (Hoffmann et al. 2011) und nach Herkunft des Probenmaterials vorläufig Schmallenberg-Virus (SBV) genannt.
2.
Klinik
2.1.
Adulte Rinder
Es wurden im betreffenden Zeitraum 5 Herden besucht und insgesamt 20 Blutproben gezogen. Durch das FLI konnte bei 7 Tieren aus 4 Herden das Schmallenberg-Virus mittels PCR nachgewiesen werden. Leitsymptome in diesen Herden waren ein starker Milchleistungseinbruch um 50-80% (Abb. 1), Fieber bei
Einzeltieren (bis zu 41 °C) über 3-5 Tage. Die Herd en waren inaktiv und einzelne Tiere stark abgeschlagen. Die Futteraufnahme der gesamten Herde war unverändert. Diarrhoe konnte vorberichtlich nur bei Einzeltieren festgestellt werden. Die Kühe waren laut Besitzer nach 3-5 Tagen wieder „fit“. Anhand der
Milchleistungsdaten aus zwei Betreiben mit AMS lässt sich eine Milchleistungsdepression von 12 – 17 Tagen feststellen. Aufgefallene Tiere zeigten auch nach
der Genesung eine verminderte Milchleistung bzw. wurden vorzeitig trockenge-
Seite 212
stellt. Serologische Tests zeigen, dass die Durchseuchung in den betroffenen
Herden bei ca. 80 % lag.
2.2.
Kälber
2.2.1.
Hydranenzephalie (HA, silly calves, dummy calves)
Für Viren aus dem AKABANE-Komplex ist bekannt, dass nach einer intrauterinen Infektion vermehrt Kälber mit Missbildungen des Gehirns oder Verhaltensauffälligkeiten geboren werden. Am Niederrhein wurden vereinzelt Fälle
von Verhaltensauffälligkeiten bei Kälbern dem TGD gemeldet. Klinische Symptome waren alle Formen des neonatalen Fehlanpassungssyndroms von Trinkschwäche bis Ataxie. Die meisten Kälber haben sich unter guter Pflege in den
ersten Tagen normal entwickelt. Bei einem Kalb mit Ataxie gelang der Nachweis von SBV.
2.2.2.
Arthrogypose (AG, curly calves)
Die häufigsten Meldungen betrafen Missbildungen an Gliedmaßen, Wirbelsäule
und Hals. Die Geburt des ersten Kalb mit AG war am 14.12.2011; der totgeborene Zwilling zu diesem Kalb wurde im Bauchhöhlenpunktat positiv auf SBV
getestet. Danach wurden erst ab Mitte Februar weitere Kälber mit Missbildungen geboren. Die meisten Kälber werden totgeboren oder müssen aufgrund der
schweren Missbildung euthanasiert werden. Die Variationen der Missbildungen
sind sehr vielfältig und mit denen des Schafes vergleichbar (s. u.).
2.3.
Schafe
Seit Mitte Dezember 2011 wurde in NRW vermehrt über die Geburt von missgebildeten Lämmern berichtet. Etwa 20 – 40 % der geborenen Lämmer in betroffenen Betrieben zeigten verschiedene Ausprägungen des ArthrogryposeHydranencephalie-Syndroms, d. h. Versteifungen einzelner Gelenke an Vorderund Hintergliedmaßen, Verkürzungen und Deformationen der Gliedmaßen und
der Wirbelsäule, Torticollis, Schädelverformungen, Missbildungen am Hirn mit
Hydrocephalus internus und teilweise. Augenmissbildungen.
Die Tiere waren zum größten Teil bei der Geburt vollständig entwickelt, aber tot.
Einige lebten, zeigten jedoch Veränderungen an einzelnen Gelenken und neurologische Störungen wie ataktischen Gang, Koordinationsstörungen und Orientierungslosigkeit. Solche Tiere verendeten selbst bei intensiver Pflege nach
spätestens sechs Wochen.
Bei den Müttern der Tiere waren keine oder nur milde Symptome wie unspezifische Mattigkeit oder Durchfall während der akuten Infektionen im Herbst sichtbar. Bei der Geburt hatten die Mütter solcher Tiere jedoch Probleme, die Lämmer zur Welt zu bringen, mitunter kam es zu gravierenden uterinen und vagina-
Seite 213
len Verletzungen bis hin zu Uterusperforationen, die in der Folge zum Exitus
führten. Teilweise war es notwendig, Fetotomien oder Sectiones caesareae
durchzuführen.
Abb. 1:
Milchleistung von drei Kühen, die retrospektiv am 07.09.2011 positiv auf SBV-Genom getestet wurden.
Milchleistung in der Zeit vom 13.8 bis zum 30.9.2011von SBV positiv getesteten Kühen Betrieb A
60,00
55,00
45,00
527
441
546
40,00
35,00
30,00
25,00
20,00
13
.0
8.
15 201
1
.0
8.
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1
.0
8.
19 201
1
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21 201
1
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8.
23 201
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25 201
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1
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8.
31 201
1
.0
8.
02 201
1
.0
9.
04 201
1
.0
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06 201
1
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9.
08 201
1
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9.
10 201
1
.0
9.
12 201
1
.0
9.
14 201
1
.0
9.
16 201
1
.0
9.
18 201
1
.0
9.
20 201
1
.0
9.
22 201
1
.0
9.
24 201
1
.0
9.
26 201
1
.0
9.
28 201
1
.0
9.
30 201
1
.0
9.
20
11
Tagesmilchleistung kg
50,00
Datum
Seite 214
Seite 215
Schmallenberg-Virus:
diagnostische und epidemiologische Aspekte
Martin Beer
Institut für Virusdiagnostik, Friedrich-Loeffler-Institut,
17493 Greifswald-Insel Riems
[email protected]
1.
Das Schmallenberg-Virus
Im Sommer und Herbst 2011 wurden vermehrt Proben von Milchkühen an das
Institut für Virusdiagnostik am Friedrich-Loeffler-Institut (FLI), Insel Riems, gesandt. Aufmerksame Hoftierärzte und Landwirte vermuteten die Rückkehr der
Blauzungenkrankheit. Zunächst konnte eine ganze Reihe von Erregern (z.B.
Virus der Blauzungenkrankheit, Virus der Bovinen Virusdiarrhoe, Bovines Herpesvirus Typ 1, Virus der Epizootischen Hämorrhagischen Krankheit der Hirsche, Rifttal-Fieber-Virus, Bovines Ephemeralfieber) ausgeschlossen werden.
In Rahmen weiterer Untersuchungen gelang schließlich mit Hilfe der sogenannten Metagenomanalyse der Nachweis eines neuen Orthobunyavirus aus der
Familie der Bunyaviridae (Hoffmann et al., 2012). Genomfragmente dieses Virus wurden erstmals in Blutproben von drei Milchkühen aus einem Bestand nahe der Stadt Schmallenberg nachgewiesen.
Der als „Schmallenberg-Virus“ (SBV) benannte Erreger gehört zur sogenannten
Simbu-Serogruppe innerhalb des Genus Orthobunyavirus. Aktuelle Analysen
der Verwandtschaft von SBV zu anderen Simbu-Viren haben gezeigt, dass SBV
wie das australische Douglas-Virus in die Spezies Sathuperi-Virus einzuordnen
ist. Dabei konnte eine Reassortierung mit anderen Spezies weitestgehend ausgeschlossen werden (Goller et al., 2012) Seine Verwandtschaft zu dieser Serogruppe, zu der neben mehr als 20 anderen Viren auch das ausgeprägt teratogen wirkende Akabane-Virus gehört, ließ befürchten, dass die eigentliche
Auswirkung der Infektionswelle des Sommers und Herbstes 2011 erst noch bevorsteht.
Rinder mit akuten Infektionen zeigen milde Symptome wie Milchrückgang, Fieber und Durchfall. Diese Symptome werden besonders während der Vektoraktiven Zeit (April bis November) beobachtet. Die Virämiephase ist sehr kurz (1
bis 6 Tage) und auch die klinische Symptomatik klingt innerhalb weniger Tage
ab. Von kleinen Wiederkäuern (Schafen, Ziegen) sind bisher keine Symptome
der akuten Infektion bekannt. Bei den bisherigen experimentellen Infektionen
wurden bisher keine oder ebenfalls nur sehr milde Symptome (Fieber, Durchfall) beobachtet (Hoffmann et al. 2012).
Eine besondere Rolle spielt die fetale Infektion. Kommt es in einem vulnerablen
Stadium der Trächtigkeit (in Analogie zu Akabane-Virus beim Schaf vermutlich
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in etwa während der vierten bis achten, beim Rind etwa während der achten bis
vierzehnten Trächtigkeitswoche) zur Infektion, kann das Virus den Fetus infizieren und zu schweren Schädigungen führen. Die Geburt missgebildeter Lämmer
und Kälber ist typisch. Darüber hinaus kann es auch zu Aborten und mumifizierten Feten, Tot- und Frühgeburten kommen. Häufigste Missbildungen sind
schwere Arthrogryposen, Torticollis, Hydranencephalie und Hydrocephalus (van
den Brom et al., 2012). Das zentrale Nervensystem kann schwerste Deformationen aufweisen (Gariglinany et al. 2012). Insgesamt ist das klinische Bild dem
von Infektionen mit dem Akabane-Virus sehr ähnlich. Die durch die Viren der
Simbu-Serogruppe induzierten Missbildungen werden als „ArthrogryposeHydranencephalie-Syndrom (AHS)“ bezeichnet. Seit Dezember 2011 und bis in
das Frühjahr 2012 hinein wurden missgebildete Lämmer und Kälber beobachtet, die Folge der Infektionen trächtiger Schafe und Rinder im Spätsommer und
Herbst 2011 darstellen. Seit März 2012 ist die Erkrankung in Deutschland meldepflichtig, und bisher wurden mehr als 1600 Fälle erfasst (Quelle: TSN, FLI
Wusterhausen).
Die genetische Verwandtschaft des Schmallenberg-Virus zu Sathuperi-, Ainound Akabane-Virus lässt den Schluss zu, dass hier ebenfalls nicht von einem
Risiko für den Menschen auszugehen ist. Untersuchungen des Robert KochInstituts in Deutschland und des RIVM in Holland bei Personen, die engen Kontakt zu infizierten Tieren hatten, ergaben keinerlei Hinweise auf eine Infektion.
Das Risiko für den Menschen ist daher nach derzeitigem Kenntnisstand vernachlässigbar und SBV ist kein Zoonoseerreger (siehe Stellungnahmen des
RKI, RIVM und ECDC; Ducomble et al., 2012).
In Analogie zu anderen Simbu-Viren, insbesondere Akabane-Virus, und als
Schlussfolgerungen aus den ersten experimentellen SBV-Infektionen kann angenommen werden, dass einmal akut infizierte Tiere eine belastbare Immunität
ausbilden und vor einer erneuten Infektion für längere Zeit geschützt sind. Ein
Impfstoff steht bisher nicht zur Verfügung. Erste Prototypen von inaktivierten
Impfstoffen befinden sich allerdings in der Erprobung.
2.
Diagnostik
In allen Fällen erfolgt der Erregernachweis am sichersten mit Hilfe der sogenannten real-time RT-PCR (Bilk et al. 2012; Factsheet des FLI). Die Virusanzucht ist möglich, aber weniger sensitiv und spielt nur in Sonderfällen z.B. für
die weitere Erregercharakterisierung eine Rolle. Geeignetes Material sind Serum- oder EDTA-Blutproben, die aufgrund der sehr kurzen Virämie während der
klinischen Phase (Fieber, Milchrückgang, Durchfall) entnommen werden müssen. Das Virus liegt frei im Serum/Plasma vor und ist nicht zellgebunden. Der
Erregernachweis bei Feten, Totgeburten sowie missgebildeten Tieren mit AHS
erfolgt vornehmlich aus Gehirnproben. Amnionflüssigkeit (z.B. aus Tupferproben des Fells missgebildeter Tiere) ist nach ersten vergleichenden Untersuchungen ebenfalls gut als Diagnostikmaterial geeignet (Bilk et al., 2012). Auch
in Mekonium kann SBV-RNA nachgewiesen werden, allerdings ist die Nachweisrate in diesem Material geringer.
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Der indirekte Nachweis einer SBV-Infektion über die Detektion von spezifischen
Antikörpern erfolgt seit Mai diesen Jahres vornehmlich mit einem zugelassenen
ELISA (Firma ID-Vet; Anonymus, 2012). Als weitere Methoden stehen die indirekte Immunfluoreszenz und der SBV-spezifische Neutralisationstest zur Verfügung. Probenmaterial der Wahl sind Serumproben, da EDTA-Blutproben für die
Untersuchung im Neutralisationstest weniger geeignet sind.
Die Standardmethoden zum direkten wie auch indirekten SBV-Nachweis sind
mittlerweile in den meisten Untersuchungseinrichtungen der Bundesländer
etabliert. Bestätigungsuntersuchungen und die weitere Charakterisierung von
Isolaten erfolgen am Friedrich-Loeffler-Institut (FLI).
3.
Verbreitung
Nach der Erstbeschreibung im November 2011 in Deutschland, wurde das Virus auch in den Niederlanden, in Belgien, Großbritannien, Frankreich, Italien,
Luxemburg, Spanien, Dänemark und mittlerweile auch in der Schweiz bei Rindern, Schafen und Ziegen festgestellt. Es wurden außerdem bei Bisons, Rehen,
Rothirschen und Muffelwild Antikörper gegen das Virus nachgewiesen (Schirrmeier et al. unpublizierte Daten).
In der Europäischen Union sind mit Stand August 2012 mehr als 5000 SBVFälle aufgetreten und nach der Welle der PCR-positiven missgebildeten Kälber
und Lämmer werden nun erste akute Infektionen aus der Schweiz, Frankreich,
Großbritannien und auch Deutschland berichtet. Im August 2012 sind dabei
auch die ersten akut infizierten, PCR-positiven, Rinder in Deutschland gemeldet
worden (Quelle: TSN, FLI Wusterhausen). Beim Auftreten der geschilderten
akuten Symptome (Milchrückgang, Fieber und Durchfall) bei Rindern in der
Vektor-aktiven Zeit sollten geeignete Proben zur Abklärung einer möglichen
Infektion mit Schmallenberg-Virus an die zuständigen Landesuntersuchungseinrichtungen weitergeleitet werden. Neue Isolate aus dem Jahr 2012 sollen
dabei mit den Viren aus dem Jahr 2011 verglichen werden.
In Deutschland haben serologische Untersuchungen bei Rindern und Schafen
gezeigt, dass in den Bundesländern im Westen und Nordwesten (z.B. Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen und Schleswig-Holstein) besonders
hohe Seroprävalenzen vorliegen. Dies gilt auch für die Niederlande (Elber et al.,
2012). Mehr als 80% der Betriebe weisen Antikörper auf. In vielen Betrieben in
diesen Regionen sind fast alle Tiere Antikörper-positiv. Die niedrigsten Prävalenzen wurden für Mecklenburg-Vorpommern und Bayern ermittelt. Hier ist noch
ein Großteil der Tiere empfänglich und es ist im Laufe des Spätsommers und
Herbstes 2012 mit Infektionen und einer raschen Ausbreitung zu rechnen.
Alle bisherigen Studien weisen auf einen Ersteintrag von SBV im Jahr 2011
oder kurz davor hin. Bisher gibt es keine Berichte über den Nachweis SBVspezifischer Antikörper in Proben, die vor dem Jahr 2011 gewonnen wurden.
Dies weist auf eine sehr schnelle Verbreitung von SBV hin, die nach den bishe-
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rigen Informationen deutlich schneller als die Ausbreitung von BTV-8 voranschreitet.
Die Übertragung von SBV erfolgt durch Insekten-Vektoren, wobei Gnitzen (Cullicoides spp.) eine besondere Rolle zukommt. So wurde beispielsweise in Belgien, Dänemark, Italien und Deutschland in verschiedenen Culicoides Spezies
SBV-RNA nachgewiesen (Rasmussen et al., 2012).
4.
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5.
Schlussfolgerungen
Ein neues Orthobunyavirus der Simbu-Serogruppe wurde in Deutschland
2011 vom FLI entdeckt und hat sich seitdem sehr schnell in Europa verbreitet.
Die Methode der Metagenomanalyse erlaubt als moderne Diagnostiktechnik
das Auffinden neuer Infektionserreger.
Die Pathogenese und Biologie des Erregers sind noch weitgehend unbekannt und sind in den nächsten Monaten das Ziel eingehender Untersuchungen und Forschungsprogramme.
Ein SBV-Impfstoff steht bisher nicht zur Verfügung, befindet sich aber in der
Entwicklung.
Nach BTV-8, -6 und -11 ist mit SBV ein weiterer, vormals exotischer, durch
Gnitzen übertragener Infektionserreger nach Mitteleuropa eingeschleppt
worden. Es muss davon ausgegangen werden, dass eine „offene Eintrittspforte“ existiert, die bisher nicht weiter definiert werden kann und welche die
Einschleppung weiterer Vektor-übertragener Erreger erwarten lässt.
Maßnahmen zur frühzeitigen Erkennung einer erneuten Einschleppung und
Verbreitung eines solches Infektionserregers sollten ergriffen werden: z.B.
ein dauerhaftes Vektormonitoring und die Auswahl von Sentinelbetrieben in
den Risikogebieten (z.B. NRW).
Bei Landwirten und praktizierenden Tierärzten ist auch weiterhin eine erhöhte Wachsamkeit notwendig. Im Verdachtsfall sollten Proben entnommen und
zeitnah einer Untersuchung zugeführt werden.
Literatur
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Diergeneeskd. 137: 106-111.
Seite 220
Seite 221
Chronischer Botulismus: eine Tierseuche?
Martina Hoedemaker
Arbeitsbereich für Bestandstiermedizin, Klinik für Rinder,
Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover
[email protected]
1.
Einleitung
Seit einigen Jahren wird von einem vermehrten Auftreten eines chronischen
Krankheitsgeschehens in Milchviehbetrieben berichtet, welches mit vielfältigen,
z.T. unspezifischen klinischen Symptomen insbesondere bei hochleistenden
Milchkühen in der Frühlaktation einhergeht. Letztendlich führt es zu chronischem Siechtum oder Tod der erkrankten Tiere und verursacht erhebliche wirtschaftliche Verluste in den betroffenen Betrieben. Da mit gängigen Untersuchungsprotokollen keine Klärung der Ursachen dieses chronischen Krankheitsbildes erzielt wurde, aber bei mikro-biologischen Untersuchungen Botulinumneurotoxin (BoNT) im Gastrointestinaltrakt und in den Organen erkrankter oder
gestorbener Tiere gefunden wurde, wurde eine Toxikoinfektion mit Clostridium
(Cl.) botulinum postuliert und die Krankheitssymptomatik mit der Toxinwirkung
in Zusammenhang gebracht. Das Krankheitsbild wurde als „chronischer“ oder
„viszeraler“ Botulismus bezeichnet und vom klassischen Botulismus abgegrenzt
(Böhnel et al. 2001). In den nachfolgenden Jahren wurde der Sachverhalt in
den betroffenen Berufsgruppen (Landwirte, Tierärzte, Wissenschaftler) äußerst
kontrovers diskutiert. Auch in Presse- und Fernsehberichten wurde die Thematik häufig und leider auch z. T. polemisierend dargestellt. Da es bisher aber keinen anerkannten wissenschaftlichen Beweis für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Cl. botulinum oder seinen BoNT und dem chronischen
Krankheitsgeschehen gibt, ist das Krankheitsbild des so genannten viszeralen
oder chronischen Botulismus als eine eigenständige Erkrankung bisher nicht
anerkannt. Von einer Gruppe von Landwirten, die davon überzeugt ist, dass
ihre Herden vom sog. chronischen Botulismus befallen waren, wird auf rechtlichem Wege versucht, die Anerkennung der Krankheit als eine Tierseuche mit
Anzeigepflicht zu erwirken, um auf diese Weise Entschädigungen für die entstandenen Verluste einfordern zu können. Hierzu fehlen aber zum jetzigen Zeitpunkt die wissenschaftlichen Grundlagen. Im Folgenden werden das Krankheitsbild und die Ursachen von Botulismus dargestellt. Des Weiteren werden
die beobachteten Symptome beim sog. chronischen Botulismus beschrieben
und auf die Problematik der Klärung ursächlicher Zusammenhänge eingegangen. Zum Schluss wird ein zurzeit laufendes Forschungsprojekt, in dem mögliche Assoziationen zwischen einem chronischen Krankheitsgeschehen und Cl.
botulinum untersucht werden, vorgestellt.
Seite 222
2.
Botulismus
Unter Botulismus versteht man eine durch die Neurotoxine (BoNT) des anaerob
wachsenden Sporenbildners Cl. botulinum hervorgerufene Erkrankung bei
Mensch und Tier. BoNT sind außerordentlich potente Gifte und hemmen die
Acetylcholin-freisetzung an den Synapsen der motorischen Endplatten. Hierdurch kommt es zu Lähmungserscheinungen, die oft zum Tod führen. Von den
verschiedenen Exotoxinen spielen die Typen C und D beim Rind die größte
Rolle, beim Menschen sind es die Typen A, B und E. Der Toxineintrag kann auf
der einen Seite durch die Aufnahme präformierten Toxins über kontaminierte
Nahrungs- und Futtermittel erfolgen (Intoxikation) oder nach Kolonisation des
Verdauungstraktes mit Sporen, die unter bestimmten Bedingungen in der Lage
sind, auszukeimen und Toxine zu bilden (Toxikoinfektion). Beim Menschen
werden entsprechend fünf verschiedene Formen des Botulismus beschrieben
(EFSA 2005):
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•
•
•
•
klassischer Botulismus (food born botulism, Intoxikation);
Säuglingsbotulismus (Toxikoinfektion nach Besiedlung des Darmes
mit Cl. botulinum, welche dort Toxin produzieren);
intestinaler Botulismus (Toxikoinfektion nach Dysbiose im Darm beim
Erwachsenen);
Wundbotulismus (extrem selten);
Inhalationsbotulismus (extrem selten).
Beim Rind ist das Krankheitsbild des klassischen Botulismus seit langem bekannt. Per definitionem handelt es sich dabei um eine Intoxikation mit BoNT. Cl.
botulinum ist ein ubiquitär vorkommendes Bakterium, welches seine Toxine besonders in fauligem, sich zersetzendem eiweißhaltigem Material (Tierkörper
und verdorbene eiweißreiche Futtermittel) bildet. Kommt es zu einer Kontamination von Futtermitteln (z. B. Silage) oder wird verdorbenes Material (z. B.
Biertreber) verfüttert, gelangt präformiertes Toxin in das Tier. Interessanterweise kann Cl. botulinum auch im Darmtrakt gesunder Rinder gefunden werden
(Dahlenborg et al. 2003). Aufgrund der Begleitflora und der dort herrschenden
Sauerstoffspannung beim gesunden lebenden Tier wird aber eine Toxinbildung
verhindert.
Das klinische Bild ist charakterisiert durch eine fortschreitende schlaffe Lähmung der Skelettmuskulatur. Diese betrifft den Bewegungsapparat, die Muskeln
am Kopf (Bulbärparalyse), die Bauch- und Schwanzmuskulatur und das
Zwerchfell. Schlüsselsymptome sind Festliegen, Schwanzlähmung, heraushängende Zunge aufgrund von Zungenlähmung, Unfähigkeit zu Schlucken und
starkes Speicheln, herabhängende Augenlider und Ohren und ein insgesamt
herabgesetzter Muskeltonus (Stöber 2002). Neben den akuten klassischen
Symptomen werden auch atypische oder mehr chronische Verläufe beschrieben mit allgemeiner Schwäche, Parese der Nachhand, Muskelsteife, Abmagerung und Festliegen, wobei das Schluckvermögen der Tiere nicht immer gestört
sein muss (Graham und Schwarze 1921). Möglicherweise werden diese unterschiedlichen Krankheitsverläufe durch eine unterschiedliche Expositionsdauer
und Toxindosen bedingt.
Seite 223
Die Diagnose „Botulismus“ ist i. d. R. eine klinische (Verdachts-)Diagnose unter
Berücksichtigung des epidemiologischen Kontextes (mehrere Tiere erkranken
bei klinischem oder laborklinischem Ausschluss anderer Erkrankungen). Der
Nachweis von BoNT bei erkrankten Tieren ist oft nicht möglich, da das Toxin
zum größten Teil an den Nervenendigungen gebunden ist (Kehler 2010).
3.
So genannter viszeraler oder chronischer Botulismus
Bei dem Krankheitsbild wird eine Toxikoinfektion mit Cl. botulinum analog dem
Säuglingsbotulismus oder dem intestinalen Botulismus beim Menschen postuliert. Die Tiere sollen hierbei Clostridiensporen aufnehmen, die unter bestimmten Bedingungen in der Lage sind, den Pansen und den Dünndarm zu passieren und in den Dickdarm zu gelangen. Nach Auskeimung werden dort kontinuierlich kleinste Toxinmengen freigesetzt, die dann nach Resorption für die verschiedensten Krankheitssymptome verantwortlich sind und letztendlich eine
chronische Krankheitssymptomatik hervorrufen (Böhnel et al. 2001). Bisher ist
noch nicht bekannt, welche Faktoren das Auskeimen und die Toxinbildung begünstigen. Die beschriebenen Krankheitssymptome sind in Tabelle 1 aufgeführt. Neben einer Beteiligung der Skelettmuskulatur wird die Symptomatik auch
auf eine Toxinwirkung an den cholinergen Synapsen des autonomen Nervensystems und einer Blockade der intestinalen Ca-Resorption zurückgeführt. Betroffen sind v.a. hochleistende Kühe in der Frühlaktation. Bisher haben die vorgestellten kausalen Zusammenhänge zwischen Cl. botulinum und dem chronischen Krankheitsgeschehen in Milchviehherden hypothetischen Charakter, da
nachhaltige und belastbare wissenschaftlichen Studien, die diese untermauern,
nicht vorgelegt wurden. Dies hat letztendlich dazu geführt, dass der sog. viszerale Botulismus bisher nicht als eigenständige Krankheit offiziell anerkannt wurde. Die wichtigsten Gründe hierfür sind:
•
•
•
Es fehlt eine klare Falldefinition aufgrund der vielen unspezifischen klinischen Symptome auf Tier- und Herdenebene. Daten über eine systematische Erhebung der Betriebsgegebenheiten in Verbindung mit einer
gründlichen Einzeltierdiagnostik in einer statistisch auswertbaren Größenordnung wurden bisher nicht publiziert.
Die Tatsache, dass Cl. botulinum sowohl im Darmtrakt von gesunden als
auch von kranken Tieren gefunden wird, führt zu Unsicherheiten in der
Bewertung von positiven mikrobiologischen Befunden. Bisher wurde
überwiegend nur in Problembetrieben auf Cl. botulinum untersucht, es
fehlen epidemiologische Daten aus unverdächtigen Betrieben und von
klinisch gesunden Tieren.
Für ein chronisches Krankheitsgeschehen in Milchviehbetrieben gibt es
mehr als 20 Differentialdiagnosen, die ausgeschlossen werden müssen.
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4.
Forschungsprojekt des BMELV/BLE
Um die Zusammenhänge zwischen dem chronischen Krankheitsgeschehen in
Milchviehbetrieben und Cl. botulinum oder seinen BoNT zu klären, wurde vom
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz unter
der Trägerschaft der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung ein Forschungsprojekt ausgeschrieben. Hierbei handelt es sich um eine epidemiologische Studie, die in Form einer Fall-Kontroll-Studie durchgeführt werden soll. Die
Aussagefähigkeit derartiger Studien hängt in großem Maße von einer klaren
Falldefinition ab, die in vorliegendem Fall aber nicht vorhanden ist. Aus diesem
Grunde werden Betriebe, in denen ein chronisches Krankheitsgeschehen anhand verschiedener nachprüfbarer Kriterien vorliegt, als Verdachtsfallbetriebe
einbezogen und mit Kontrollbetrieben, die keine der Einschlusskriterien erfüllen,
verglichen. Entsprechend der Ausschreibung der Studie sind Cl. botulinum oder
seine BoNT der Hauptexpositionsfaktor. Daneben werden auch auf andere
Clostridienspezies untersucht und eine umfassende Betriebsanalyse sowie
Herden- und Einzeltierdiagnostik durchgeführt, um andere Faktoren und die
wichtigsten Differentialdiagnosen zu berücksichtigen. Insgesamt sollen 50 Kontrollbetriebe und 100 Verdachtsfallbetriebe in die Studie aufgenommen werden.
Innerhalb eines Betriebes werden klinisch gesund erscheinende Tiere als Kontrolltiere und Tiere mit dem Habitus eines chronisch kranken Tieres und noch
mindestens einem weiteren Begleitsymptom (Tab. 1) als Verdachtsfalltiere untersucht.
Tab. 1:
Symptome beim sog. viszeralen Botulismus (mod. nach Schwagerick und Böhnel 2001)
„Herdensymptome“
•
•
•
Futteraufnahme ▼
Milchleistung ▼
Erhöhte Anfälligkeit für normale
Erkrankungen
Labmagenverlagerung
Euterentzündungen, hohe
Zellzahlen
Lahmheiten, Klauenrehe,
Klauengeschwüre
•
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Therapieresistenz
„träge, antriebslose Herde“
Plötzliche Todesfälle
Erhöhte Tierverluste
„Tiersymptome“
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•
Verdauungsstörung: Durchfall/Obstipation
Stehen mit aufgekrümmtem Rücken
und aufgezogenem Bauch
Dyspnoe
Kreislaufinsuffizienz, positiver Venenpuls
träger, steifer, unsicherer Gang,
schwankend, Einknicken in der Hinterhand, deutliche Außenrotation
Sensorische Störungen im Sinne
einer Bulbärparalyse
Milchfieberartiges Festliegen 10-12
Wochen p.p.
Trockene, kalte Geschwüre
Abmagerung
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Am Ende der Studie sollte die Frage beantwortet werden können, ob Assoziationen zwischen einem chronischen Krankheitsgeschehen in Milchviehbetrieben
und Cl. botulinum bestehen und welche begünstigenden Faktoren für das Zustandekommen der Problematik eventuell vorhanden sein müssen. Ziel ist es
auch, eine klare Falldefinition auf Tier- und Herdenebene zu erstellen. Das Projekt wird von der Tierärztlichen Hochschule Hannover sowie dem FriedrichLöffler-Institut Jena durchgeführt mit einer Laufzeit von zwei Jahren. Weitere
Informationen finden sich auf folgender Homepage: www.rinder-botulismus.de.
5.
Chronischer Botulismus: eine Tierseuche?
Die Frage, ob der sog. chronische oder viszerale Botulismus eine Tierseuche
ist, kann z. Z. wissenschaftlich nicht beantwortet werden. Ohne Zweifel ist, dass
chronische Krankheitsgeschehen in Milchviehbetrieben in den letzten 15 Jahren
vermehrt beobachtet wurden. Zunächst aber muss geklärt werden, ob diese
chronischen Krankheitsgeschehen in einem ursächlichen Zusammenhang zu
Cl. botulinum stehen. Falls sich dieses herausstellen sollte, muss geklärt werden, ob eine Übertragbarkeit von Tier zu Tier oder von Tieren auf den Menschen besteht und insoweit eine Tierseuche im Sinne des § 1 Absatz 2 Nummer 1 Tierseuchengesetz vorliegt. Selbst wenn sich dieses herausstellen sollte,
ergibt sich daraus immer noch nicht unbedingt eine Anzeigepflicht.
6.
Literatur
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Seite 226
Seite 227
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