Ausblick 2016. Made in Germany. Grund zur Besonnenheit.

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Ausblick 2016. Made in Germany.
Grund zur Besonnenheit.
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Sehr geehrte
Leserinnen und Leser,
wir freuen uns, Ihnen hiermit
einen Ausblick über die von
uns erwartete Entwicklung der
Konjunktur und der Märkte im
kommenden Jahr überreichen
zu können.
Impressum
Redaktion:
Landesbank Baden-Württemberg
Research
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Redaktionsschluss: 09.11.2015
Fotoquellen: ThinkStock, Landesbank Baden-Württemberg
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Einhaltung gesetzlicher Pflichten durch Mitarbeiter der Compliance-Stelle. Aktuelle Angaben gemäß § 5 Abs. 4 Nr. 3 FinAnV
finden sie unter http://www.LBBW.de/finanzanalyseverordnung.
Inhalt.
1 Editorial
4
2 Konjunkturausblick
2.1 Weltkonjunktur – Prognose
Sonderthema: Welthandel und Globalisierung
2.2 Eurozone
2.3 USA
2.4 China
2.5 Emerging Markets
2.6 UK
2.7 Schweiz
Kalender – wichtige Ereignisse im Jahr 2016
6
10
11
14
16
21
23
28
29
30
3 Deutschland
3.1 Deutschland – Konjunktur
3.2 Exkurs zum Thema Flüchtlingskrise
32
34
40
4 Die Risiken
Die sechs größten Risiken von 2016
Risiko 1: Der multipolare Stellvertreterkrieg in Syrien
Risiko 2: Chinas Wachstumsfalle
Risiko 3: Schwellenländer: Fließt Auslandskapital ab?
Risiko 4: Droht ein Crash am US-Rentenmarkt à la 1994?
Risiko 5: Das »Japan-Szenario«
Risiko 6: Kapitalmärkte trocknen aus
42
44
46
48
50
54
59
62
5 Unsere Prognosen für 2016
Wachstumsprognosen
5.1 Zinsen/Spreads
5.2 Währungen
5.3 Rohstoffmarkt
5.4 Aktien
64
66
67
71
73
77
6 Fazit
Zusammenschau Cross Asset
82
84
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
3
1 Editorial.
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
Sie halten die
nun schon dritte Ausgabe des
Jahresausblicks
des LBBW Research
in Händen. Wir
schauen auf das
kommende Jahr 2016 unter dem
Motto »Grund zur Besonnenheit«,
nachdem wir für 2015 »Grund zum
Handeln« sahen. Handlungsbedarf
gab es in extrem volatilen Märkten
dieses Jahr sicherlich genug, und
natürlich wird uns auch das nächste
Jahr mitunter zu mutigem Handeln
zwingen. Aktuell ist die Lage von
starker Unsicherheit der Finanzakteure bei der Einschätzung der Konjunktur geprägt, was m. E. zuweilen
zu hektischen Überreaktionen führt
und damit neue Risiken kreiert.
Daher liegt unsere Betonung dieses
Jahr auf dem besonnenen Handeln.
Der Euroraum und insbesondere
Deutschland haben sich in 2015
konjunkturell deutlich besser
entwickelt als von uns vor einem
Jahr schon optimistisch erwartet,
und unser Konjunkturausblick
bleibt insgesamt von Optimismus
geprägt. Wir sehen allerdings
eine leichte Verschiebung der
Wachstumsdynamik – weg von
4
den Emerging Markets hin zu den
entwickelten Volkswirtschaften.
Spannend wird bleiben, wie Politik
und Wirtschaft in Europa und
insbesondere in Deutschland auf
die Flüchtlingswanderung reagieren. Wird es zu einem Auseinanderdriften der Länder, Staaten und
Regionen kommen, verbunden
mit einer Abschottung zwischen
den Wirtschaftsräumen? Dies wäre
bestimmt negativ für die Wachstumsaussichten. Oder werden die
vielfältigen Herausforderungen der
Zuwanderung erfolgreich gemeistert und die sich damit bietenden
Chancen auch wirtschaftlich als
positiver Impuls genutzt? Wir widmen dieser Frage einen Exkurs und
empfehlen auch hier Besonnenheit.
Der Kapitalmarktausblick wird
wesentlich davon bestimmt, wie die
US-Notenbank Fed ihre Zinspolitik
gestaltet. Wir erwarten den ersten
Zinsschritt der Fed seit der letzten
Senkung im Jahr 2008 zum letztmöglichen Zeitpunkt in diesem Jahr,
bei der Sitzung am 16. Dezember.
Gleichzeitig öffnet die EZB die Geldschleusen noch weiter und noch
länger. Das heißt, für 2016 erwarten wir ein komplexes Gemisch von
den Zinstrend bestimmenden
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
Faktoren, letztlich aber steigende
Renditen. Erschwerend für alle
kommt die abnehmende Marktliquidität infolge (i) der Zentralbankaktivitäten und (ii) der das Market Making
beschränkenden Regulatorik hinzu.
Gut unterstützt durch die Liquidität
und die insgesamt stabile Konjunktur bleibt meiner Ansicht nach der
Aktienmarkt, insbesondere in Europa
gibt es noch viel Potenzial nach
oben, obwohl die Hochstimmung,
die noch im ersten Halbjahr dieses
Jahres bei Aktienanlegern vorherrschte, zwischenzeitlich einer großen
Unsicherheit gewichen ist. Die
Themen VW, China, Schwellenländer
etc. bleiben für Volatilität gut.
In einer vernetzten und volatiler
werdenden Welt prasseln auf
den Menschen zunehmend mehr
Informationen ein, die es zu
verarbeiten gilt. Mehr denn je ist
es daher erforderlich, bei den Anlageentscheidungen »einen Schritt
zurückzutreten«, sich auf die Fundamentalanalyse zu besinnen und
das Chance-Risiko-Verhältnis, aber
auch die Marktliquidität im Blick zu
halten. Grund zur Besonnenheit!
Dieser Leitsatz dürfte 2016 daher
sowohl Investoren als auch den
Notenbanken gut zu Gesicht stehen
und zu gewinnbringenden Entscheidungen führen.
Ihr
Uwe Burkert
Chefvolkswirt und
Leiter des Bereichs Research
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
5
2 Konjunkturausblick.
Die Industrienationen dürften
nächstes Jahr relativ solide wachsen, sowohl die USA als auch der
Euroraum sind im Aufschwung.
Der Großteil des Wachstums
entsteht allerdings 2016 erneut
in den Schwellenländern. Einige
Länder wie Russland und Brasilien haben nicht zuletzt aufgrund
des Ölpreisverfalls ein relativ
hartes Jahr hinter sich, im nächsten Jahr sollte sich die Lage für
Brasilien und Russland etwas
verbessern. Die Bedeutung der
Belastungsfaktoren wird abnehmen, die frühere Dynamik in den
Schwellenländern wird jedoch in
den nächsten Jahren insbesondere
in China nicht wieder erreicht.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
7
Wirtschaftswachstum 2016:
Schwellenländer als Motor.
< 0%
zwischen 0% und +2%
zwischen 2% und +4%
zwischen 4% und +6%
mehr als 6%
nicht verfügbar
8
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
Quelle: IWF
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
9
2.1 Weltkonjunktur – Prognose.
Zusammenfassende Prognoseübersicht.
BIP-Prognosen:
2015: 3,2 %
2016: 3,6 %
Matthias Krieger
Auf Grundlage der in den folgenden
Beiträgen im Einzelnen skizzierten
wirtschaftlichen Trends und Entwicklungen haben wir in der nachfolgenden Tabelle unsere Prognosen
für das BIP-Wachstum der wichtigsten Volkswirtschaften bzw. Regionen im kommenden Jahr zusammenfassend dargestellt. Bei den
voraussichtlichen Wachstumsra-
ten der Emerging Markets ohne
China stützen wir uns dabei auf
die Schätzungen, die der IWF in
seinem jüngsten »World Economic
Outlook« vom Oktober 2015 veröffentlicht hat. Für die Weltwirtschaft
insgesamt leiten wir auf dieser
Basis für 2016 ein Wachstum von
3,6 % ab. Die Wachstumsrate läge
damit um rund 0,5 %-Punkte höher
als im zu Ende gehenden Jahr. Im
historischen Kontext bedeutet dies
eine weiterhin recht anämische
konjunkturelle Dynamik, immerhin
scheint die Talsohle aber durchschritten zu sein.
Daten & Prognosen
2013
2014
Welt (LBBW)
BIP-Wachstum (%)
3,3
3,4
2015 p
3,2
2016 p
3,6
USA (LBBW)
1,5
2,4
2,5
2,8
6,5
China (LBBW)
7,7
7,3
6,8
Japan (LBBW)
1,6
–0,1
0,8
1,2
Großbritannien (LBBW)
1,7
3,0
2,4
2,2
1,5
Euroraum (LBBW)
–0,3
0,9
1,4
Deutschland (LBBW)
0,4
1,6
1,6
1,7
Developing Asia (IWF)
7,0
6,8
6,5
6,4
0,8
Lateinamerika (IWF)
2,9
1,3
–0,3
Emerging Europe (IWF)
2,9
2,8
3,0
3,0
GUS (IWF)
2,2
1,0
–2,7
0,5
3,3
3,3
3,2
4,1
Welthandelsvolumen (%) (IWF)
Quelle: LBBW Research, IWF World Economic Outlook 10/2015 (p =Prognose)
10
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
Sonderthema: Globalisierung –
Verschnaufpause oder vor dem Ende?
Während die Weltwirtschaft nach
wie vor positive BIP-Wachstumsraten aufweist, wartet der Welthandel
gerechnet in USD schon seit 2012
mit auf Jahresbasis rückläufigen bis
negativen Wachstumsraten auf. In
den letzten Monaten lag das Welthandelsvolumen im Schnitt 10 % unter den Vorjahreswerten. Bereinigt
um Preis- und Wechselkurseffekte
fiel das Wachstumstempo lediglich
auf Werte von z. T. nahe 0 %. Das
Welthandelsvolumen wuchs bis 2008
schneller als das Welt-BIP. Seit 2012
steigt es jedoch nur noch unterproportional, der Faktor sank inzwischen auf 0,7.
Denkbar wäre, dass sich die internationalen Wertschöpfungsketten
geändert haben, weil z. B. Staaten
wie China weniger Vorleistungen
aus dem Ausland beziehen und
diese zunehmend selbst produzieren. Dies würde erklären, warum
die Exporte der Schwellenländer im
Trend weiter ordentlich wachsen,
während diejenigen der entwickelten
Länder ein verlangsamtes Wachstumstempo aufweisen. Sicher gibt
es solche Effekte, wenn Staaten in
der Wertschöpfungskette aufsteigen. Andererseits sind diese dann
auch in der Lage, höherwertige
Produkte zu exportieren. Der
Welthandel muss deswegen nicht
langsamer wachsen. Und wenn in
einem Schwellenland das Lohnniveau gestiegen ist, steigt hier der
Anreiz, Vorprodukte aus anderen
Schwellenländern mit niedrigeren
Produktionskosten zu beziehen.
Das Argument, die Fähigkeit, auch
höherwertige Güter herstellen zu
können, sei Grund für die nachlassende Dynamik des Welthandels,
überzeugt nicht wirklich.
Auch die Annahme, dies sei der
Grund für die nachlassende Exportdynamik, zumindest der entwickelten Länder, ist wenig plausibel.
Dies belegt z. B. die Historie der EU.
Die Schaffung des Binnenmarkts
belebt hier den Austausch von
Gütern zwischen ähnlich hoch entwickelten Staaten. Ein gestiegener
Lebensstandard in Schwellenländern
eröffnet Industrieländern Exportchancen in Form von höherwertigen
Konsum- und Investitionsgütern.
Die Exporte Deutschlands z. B. nach
China nehmen mit dort ansteigendem BIP pro Kopf zu und nicht ab.
Am Anfang der »Globalisierung«
stand aber, dass Unternehmen begannen, Kostenvorteile in anderen
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
11
Ländern zu Produktionszwecken zu
nutzen. Steigen nun Länder in der
Wertschöpfungskette auf, wechseln
sie allmählich die Seiten. Sie exportieren dann selbst höherwertige
Komponenten und importieren
zunehmend einfache Produkte. Der
fulminante Ausbau der Zulieferbeziehungen gerade in Ostasien
belegt dies. Hier ist nicht nur ein
enger Vorleistungsbezug zwischen
Schwellen- und Industrieländern,
sondern auch zwischen Schwellenländern entstanden. Eine allgemeine Sättigung beim Austausch von
Vorleistungen könnte es nur geben,
wenn die komparativen Kostenvorteile verschwinden würden. Dazu
aber müsste es eine Konvergenz
aller Schwellenländer und einen
unveränderbaren Kreis der an den
Produktionsketten beteiligten Staaten geben. Nach wie vor bestehende große Unterschiede zwischen
den einzelnen Emerging Markets
sowie die zunehmende Einbeziehung z. B. von Vietnam, Indonesien, den Philippinen, Myanmar,
Kambodscha in die internationalen
Wertschöpfungsketten sprechen
aber gegen diese These.
Eine andere Erklärung wäre, dass
die Kapitalmobilität und der Güter12
austausch eingeschränkt werden.
In der Tat lebten nach Ausbruch der
Krise 2008/09 protektionistische
Tendenzen wieder auf. Brasilien
z. B. führte Beschränkungen bei Importen von Industriegütern ein. Im
Handel mit Russland beschränken
Sanktionen die Exporte dorthin und
auch in anderen ost-europäischen
Schwellenländern, die unter dem
Ukraine-Russland-Konflikt leiden,
fielen die Importe. Ebenso war in
den ASEAN-Staaten in den letzten
Jahren eine Zunahme nicht-tarifärer
Handelshemmnisse festzustellen.
Im Vorfeld der Verwirklichung des
ASEAN-Binnenmarkts zum Jahresende 2015 haben einige Staaten
»versteckte« Schutzmaßnahmen
(»non-tariff-barriers«) zugunsten
ihrer Unternehmen eingeführt, um
das Risiko eines Schocks beim Start
des Binnenmarkts zu minimieren.
Auf längere Sicht dürfte der Binnenmarkt hier aber zu einer Zunahme des Güteraustauschs führen.
Ähnlich sollte sich die Schaffung
großer Freihandelsräume in Asien/
Pazifik (TPP, RCEP, AEC) auswirken
und zwischen Europa und den
USA ist mit TTIP ein ähnliches
Projekt in Planung. Zunehmender
Protektionismus ist u. E. derzeit
ein Grund für die nachlassende
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
nen in Schwellenländern und damit
z. B. den Export von Ausrüstungen
in die Emerging Markets.
Elastizität zwischen Welthandel
und BIP in den letzten Jahren. Vor
dem Hintergrund der Bemühungen
um die Schaffung neuer, großer
Freihandelsräume weltweit ist dies
u. E. aber temporär und keine Abkehr vom Freihandel und damit der
»Globalisierung«.
Fazit: Das nachlassende Tempo
beim Wachstum des Welthandels
betrifft vor allem die Exporte der
Industrieländer. Hintergrund sind
zum einen vorübergehende protektionistische Tendenzen in einigen
Schwellenländern. Zum anderen
wirken zyklische Faktoren dämpfend. Längerfristig sollten Letztere
nachlassen und in Verbindung mit
der Integration weiterer Schwellenländer in die Wertschöpfungsketten sowie der Schaffung großer
Freihandelsräume den Welthandel
wieder beflügeln.
Aber auch zyklische Gründe wie
die konjunkturell bedingt sinkende
Importnachfrage Chinas oder die
weltweit gestiegene Risikoaversion
drücken die Wachstumsraten des
Welthandels. Geopolitische Unsicherheiten sowie ein schwaches
weltwirtschaftliches Umfeld dämpfen seit 2014 die Bereitschaft der
Unternehmen zu Direktinvestitio-
Welthandelsvolumen mit MAV 5 Jahre (% Y/Y)
25
20
15
10
5
0
–5
–10
Quelle: Thomson
Reuters, LBBW
–15
–20
Welthandel (Volumen; % Y/Y)
MAV 5 Jahre (% Y/Y)
–25
00
01
02
03
04
05
06
07
08
09
10
11
12
13
14
15
Source: Thomson Reuters Datastream
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
13
2.2 Eurozone.
Solides Wachstum trotz politischer Abkühlung.
BIP-Prognosen:
2015: 1,4 %
2016: 1,5 %
Anleihekaufprogramms über den
September 2016 hinaus. Dies dürfte
insbesondere dann erfolgen, wenn
die Inflationsraten weiterhin niedrig
bleiben.
Julian Trahorsch
Sieben Jahre hat es gedauert
bis der Euroraum wieder die
Wirtschaftsleistung von vor der
Krise erreicht hat. Es waren sieben
schwierige und manchmal auch
schlechte Jahre, vor allem für die
Staaten der Peripherie. Stehen
uns nun sieben gute Jahre bevor? Das kommt wohl darauf an,
welche Maßstäbe man anwendet.
Wir gehen davon aus, dass sich
der Aufschwung im nächsten Jahr
fortsetzen wird. Die meisten Länder
werden sogar etwas schneller
wachsen. Bereits 2015 war trotz
großer Griechenland-Krise insgesamt ein gutes Jahr, auch weil viele
stützende Faktoren gewirkt haben.
Ein niedriger Ölpreis, ein schwacher
Euro und die lockere Geldpolitik der
EZB haben den Unternehmen und
Verbrauchern geholfen. Diese positiven Effekte dürften auch nächstes
Jahr noch wirken. Die EZB legt u. E.
dieses Jahr sogar nochmal nach,
wir erwarten für die Ratssitzung
im Dezember eine Ausweitung des
14
Die niedrigen Inflationsraten haben
jedoch realwirtschaftlich gesehen
auch einen großen Vorteil, sie
entlasten die Verbraucher. Bereits
dieses Jahr dürften die deutschen
Reallöhne wohl um fast 3 % steigen
und somit den privaten Haushalten
zusätzlichen Konsum ermöglichen. Wir erwarten daher, dass
der Binnenkonsum im nächsten
Jahr erneut kräftig zum Wachstum
beitragen wird. Ein zusätzlicher
Impuls könnte auch von Seiten
der Staaten selbst kommen. Zwar
sollte der Sparkurs beibehalten
werden, trotzdem könnten die
Staatsausgaben 2016 angesichts
der Flüchtlingskrise steigen. Diese
Mehrausgaben zur Unterbringung
und Versorgung werden ihren
Weg sehr schnell in die Wirtschaft
finden. Neue Wohnungen müssen
gebaut werden, Essen und Nahrung gekauft, zusätzliche Stellen
müssen geschaffen werden, um
die Flüchtlinge zu betreuen und zu
koordinieren.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
Zahlreiche ungelöste politische
Probleme in Europa
2016 wird ein Spießrutenlauf für
Europas Politiker. Nicht nur große
Themen wie die faire Verteilung
der Flüchtlinge und der Verbleib
Großbritanniens in der EU werden
die politische Debatte in Brüssel bestimmen. Auch auf Länderebene
steht ein anstrengendes politisches
Jahr bevor. In Spanien wird kurz vor
Weihnachten ein neues Parlament
gewählt, die absolute Mehrheit dürfte
die Regierung Rajoy wohl verlieren.
Eine neue Regierung muss dann im
nächsten Jahr sowohl die wachsende Popularität der Protestpartei
Podemos berücksichtigen als auch
der Unabhängigkeitsbewegung in
Katalonien entgegenkommen. Auch
in Italien könnten 2016 Neuwahlen
anstehen, denn Ministerpräsident
Renzi plant die Verfassungsreform
bis Sommer 2016 zu verabschieden.
Durch eine Entmachtung des Senats
sollen Mehrheiten in Italien zukünftig einfacher zustande kommen, die
Senatoren müssen ihrer Entmachtung jedoch noch zustimmen. Durch
eine Wahl im Vorfeld der Abstimmung könnte sich Renzi vom Wahlvolk den Rücken stärken lassen.
Auch eine Wahl nach der Abstimmung ist denkbar, denn die neue
Verfassung wäre erst nach Neuwahlen gültig. Bis zur regulären Wahl
im Jahr 2018 müsste sich Renzi also
mit den sich gegenseitig blockierenden Kammern des Parlaments
arrangieren, dies passt aber nicht
zum Bild des ungeduldigen dynamischen Reformers. Zudem wird
2016 wohl auch wieder über und
mit Griechenland diskutiert werden
müssen. Griechenland ist faktisch
zahlungsunfähig, an dieser Tatsache hat auch das dritte Hilfspaket
in Folge nichts geändert.
In Summe ergibt sich das Bild eines
heterogenen und verstrittenen Wirtschaftsraums, in dem viele Länder
noch mit eigenen Problemen beschäftigt sind, dem aber wohl dennoch ein
wirtschaftlich gutes Jahr bevorsteht.
Wir erwarten ein Wachstum des Euroraums von 1,5 % im nächsten Jahr
und gehen davon aus, dass für die
meisten Probleme ein Kompromiss
zwischen den Staaten ausgehandelt
werden dürfte.
LBBW Research
2015
2016
Euroraum
1,4 %
1,5 %
Deutschland
1,6 %
1,7 %
Frankreich
0,9 %
1,2 %
Italien
0,7 %
1,0 %
Spanien
3,2 %
2,5 %
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
15
2.3 USA.
Mit robustem Wachstum in die Zinswende.
BIP-Prognosen:
2015: 2,5 %
2016: 2,8 %
Dirk Chlench
Die US-Wirtschaft ist mit wenig
Schwung in das laufende Jahr
gestartet. Das BIP legte im ersten
Quartal 2015 mit einer auf das Jahr
hochgerechneten Rate (Jahresrate)
von lediglich 0,6 % gegenüber dem
Vorquartal zu. Diese Stagnation der
gesamtwirtschaftlichen Leistung
war auf eine Reihe von Sonderfaktoren zurückzuführen. Hier sind der
außergewöhnlich strenge Winter,
der »Bummelstreik« an den Häfen
der Westküste sowie der Einbruch
der Investitionen der Ölindustrie zu
nennen. Im zweiten Quartal 2015
folgte schließlich eine Gegenbewegung. Die Wirtschaftsleistung
schnellte mit einer Jahresrate von
3,9 % empor. Hauptwachstumsträger im zweiten Quartal war der persönliche Verbrauch, welcher dank
der Erholung am Arbeitsmarkt und
eines Rückgangs der persönlichen
Sparquote mit einer Jahresrate von
3,6 % wuchs. Die Unternehmen hielten sich indes im Frühsommer mit
Investitionen zurück. Während die
16
Unternehmen ihre Investitionstätigkeit für Wirtschaftsbauten mit einer
Jahresrate von gut 6 % hochfuhren,
stagnierten die Ausrüstungsinvestitionen nahezu. Das Defizit im
Außenhandel verringerte sich im
zweiten Quartal geringfügig. Im
Ergebnis ist die US-Wirtschaft in der
ersten Jahreshälfte 2015 mit einer
Jahresrate von 2,3 % gewachsen.
Nach der Vorab-Meldung und daher
noch revisionsanfälligen Schätzung
des Wirtschaftsministeriums legte
die US-Wirtschaft im dritten Quartal
mit einer Jahresrate von 1,5 % zu.
Die heimische, private Endnachfrage – eine Art Kern-BIP – stieg indes
mit einer robusten Jahresrate von
3,2 % an.
Das Expansionstempo der USWirtschaft dürfte in den nächsten
Quartalen etwas an Fahrt gewinnen. Hierfür spricht zunächst,
dass sich der Rückgang der Zahl
der genutzten US-Bohranlagen
spürbar verlangsamt hat. Dies
spricht wiederum dafür, dass die
Bauinvestitionen der US-Ölindustrie
ihre Talsohle bald erreicht haben
sollten. Im ersten Halbjahr stürzten
die Bauinvestitionen nach unserer
Berechnung mit einer Jahresrate
von 46 % ab und dämpften damit
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
das Wirtschaftswachstum um rund
0,5 %-Punkte. Diese Belastung dürfte somit in den nächsten Quartalen
wegfallen. Die Verbraucher profitieren indes vom Verfall der Rohölpreise. Nach unserer Schätzung
wird die Benzinrechnung der USVerbraucher im laufenden Jahr um
rund 85 Mrd. USD niedriger ausfallen als im Vorjahr. Weitere Einspa-
rungen durch Preisrückgänge bei
anderen Energieträgern kommen
noch hinzu. Da die Tankstellenverkaufspreise für Kraftstoffe bereits
seit Oktober letzten Jahres unter
der Marke von 3 USD pro Gallone
verharren, dürften die Verbraucher
die Einsparungen zunehmend als
dauerhaft erachten.
4,5
450.000
4,0
400.000
3,5
350.000
3,0
300.000
2,5
250.000
200.000
2,0
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
Persönliche Ausgaben für Kraft- und Schmierstoffe (in Mio. USD)
Tankstellenverkaufspreis für eine Gallone Kraftstoff (rechte Skala)
Dies sollte wiederum die Neigung,
ihre Ersparnis zu verausgaben, fördern. Dies gilt umso mehr, da das
Konsumentenvertrauen auf erhöhtem Niveau liegt. Der Verbraucher
sollte indes nicht die einzige Stütze
der US-Konjunktur bleiben. Im zweiten Quartal 2015 fuhr der Staat
seine Ausgaben für Konsum und
2012
2013
2014
2015
2016
1,5
Quelle: Bloomberg,
LBBW Research
Investitionen mit einer Jahresrate
von 2,6 % hoch. Die Staatsausgaben
sollten dieses Wachstumstempo in
den nächsten Quartalen angesichts
der verbesserten Haushaltslage,
insbesondere auf Ebene des Zentralstaats, in etwa beibehalten. Im
Ergebnis sollten die Staatsausgaben
im Jahr 2015 daher erstmalig nach
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
17
vier Minusjahren in Folge wieder
zulegen. Neben der beschriebenen
Fiskalpolitik sprechen eine noch
nie erlebte Vielzahl an weiteren,
eher strukturellen Faktoren für
eine beschleunigte Fortsetzung
des Aufschwungs.
Vielzahl an Argumenten für ein
robustes Wachstum der US-Wirtschaft
Die Fiskalpolitik nimmt den Fuß
von der Bremse.
Die politische Unsicherheit hat
abgenommen. Die Staatsschuldenobergrenze wurde bis März
2017 ausgesetzt. Damit ist das
Risiko eines Zahlungsausfalls der
Vereinigten Staaten vorerst vom
Tisch.
Die Unternehmen verfügen über
hohe Mittelzuflüsse und sind somit in der Lage, Investitionen zu
großen Teilen aus Eigenmitteln
zu finanzieren.
Die Banken lockern ihre Kreditvergabekriterien und unterstützen somit die Investitions- und
Konsumtätigkeit.
Die Renditen von Unternehmensanleihen liegen noch immer auf
niedrigen Niveaus.
18
Der Prozess des sogenannten
»Deleveraging« ist weit vorangeschritten, das Verhältnis von
Schuldendienst zu Verfügbaren
Einkommen ist auf ein historisches Tief gefallen. Die Konsumentenverschuldung steigt
wieder an.
Das Nettovermögen der Verbraucher ist dank einer Erholung der
Immobilienpreise angestiegen
und sollte somit die Konsumlaune befeuern.
Durch im internationalen
Vergleich niedrige Gaspreise
hat sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der US-Industrie
verbessert.
Die Aufwertung des US-Dollar sollte
im Verbund mit der Konjunkturabkühlung in China die Entwicklung
der Nettoexporte dämpfen. Da der
Offenheitsgrad der US-Wirtschaft
in den letzten Jahrzehnten zwar
gestiegen, aber im internationalen
Vergleich immer noch gering ist,
sollte die Belastung der Gesamtwirtschaft durch die Beeinträchtigung des außenwirtschaftlichen
Umfelds durch eine rege Inlandskonjunktur überkompensiert wer-
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
den. Die Asienkrise in den Jahren
1996 bis 1998 liefert eine Vorlage,
diese Krise ging damals an der USGesamtwirtschaft spurlos vorbei.
Zusammenfassend gehen wir daher
davon aus, dass sich das Expansionstempo der US-Wirtschaft von
2,4 % im Jahr 2014 leicht auf 2,5 %
im Jahr 2015 und 2,8 % im Jahr 2016
beschleunigen wird.
Die Veränderungsrate des Konsumentenpreisindex gegenüber
dem Vorjahresmonat schwankt
seit Beginn dieses Jahres um die
Nullmarke. Diese Stagnation des
Preisauftriebs ist in erster Linie auf
die Entwicklung der Energiepreise
zurückzuführen. Die Komponente
Energie des Konsumentenpreisindex fiel im September 2015 um
18,5 % im Vergleich zum gleichen
Monat des Vorjahres. Die entsprechend, ohne Energie- und
Nahrungsmittelpreise berechnete
Inflationsrate belief sich hingegen
im selben Zeitraum auf 1,9 %, nach
einer Rate von 1,8 % im August.
In den nächsten Monaten sollte sich
der Preisauftrieb beschleunigen.
Hierfür spricht in erster Linie, dass
Anfang 2016 die in der zweiten
Jahreshälfte 2014 verzeichneten
höheren Energiepreise aus dem
Vorjahresvergleich herausfallen
werden und somit ein sogenannter
Basiseffekt eintreten wird, in dessen Zuge die Inflationsrate in Richtung der 2 %-Marke emporschnellen
sollte. Davon abgesehen hat sich
nach unseren Berechnungen die
Produktionslücke in den letzten
Quartalen geschlossen. In der Vergangenheit folgte auf ein Schließen
der Produktionslücke mit geringer
zeitlicher Verzögerung ein Anziehen der Kerninflationsrate. Ferner
spricht die fallende Leerstandsquote bei Wohnimmobilien dafür,
dass die Komponente Wohnen
des Konsumentenpreisindex ihren
Aufwärtstrend fortsetzen sollte. Im
Ergebnis sollte die Teuerungsrate
auf Endverbraucherebene von 0,2 %
im Jahresdurchschnitt 2015 auf
2,1 % im Jahresdurchschnitt 2016
anziehen.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
19
Der Offenmarktausschuss der
Federal Reserve (Fed) beschloss auf
seiner Sitzung vom 27./28. Oktober
2015, sein Zielband für den Tagesgeldsatz bei 0,00 % bis 0,25 % zu
belassen. Auf der vorangegangenen
Sitzung im September wurden die
Sitzungsteilnehmer turnusmäßig
nach dem ihrer Meinung nach
angemessenen Zeitpunkt für eine
Normalisierung der US-Geldpolitik
befragt. 13 von 17 Ausschussteilnehmern nannten das laufende
Jahr als angemessenen Zeitpunkt.
Diese faktische Selbstbindung
spricht dafür, dass die Fed auf
ihrer letzten Sitzung im laufenden
Jahr, am 15./16. Dezember, die
Leitzinswende einläuten wird. Der
Stellenaufbau verlangsamte sich in
den letzten Monaten zwar spürbar,
die Arbeitslosenquote verharrte
20
indes bei rund 5 % und liegt damit
weiterhin innerhalb des Bands der
Projektionen der Ausschussteilnehmer für die »natürliche« Arbeitslosenquote, welches sich von 4,9 %
bis 5,2 % erstreckt. Eine Verschiebung der für Dezember avisierten
Leitzinswende würde daher mit
einem Reputationsverlust der USNotenbank einhergehen. Im nächsten Jahr dürfte die Fed ihr Leitzinsband in kleinen Schritten von je
25 Basispunkten heraufschrauben;
ihr Zielband für den Tagesgeldsatz
wird u. E. am Jahresende 2016 auf
1,00 % bis 1,25 % lauten. Diese
Leitzinsprognose entspricht in
etwa der Median-Projektion der
Ausschussteilnehmer, die Marktteilnehmer antizipieren jedoch einen
noch flacheren Anstiegspfad für die
Leitzinsen.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
2.4 China.
Abbau von Überkapazitäten
wird auf Jahre belasten.
BIP-Prognosen:
2015: 6,8 %
2016: 6,5 %
Julian Trahorsch
China hat in der Vergangenheit so
viel investiert wie kaum ein anderes
Land. Leider auch in Projekte, die
sich oft nicht lohnten. Besonders
am Immobilienmarkt sind viele
Projekte über das Ziel hinausgeschossen. Es wird laut Internationalem Währungsfonds noch bis 2020
dauern, bis die vielen leerstehenden Häuser verkauft sind. Die Überkapazitäten bestehen hauptsächlich
in den mittelgroßen und kleineren
Städten. In Peking und Shanghai
steigen die Preise dagegen seit
einigen Monaten bereits wieder,
dies dürfte sich so schnell auch
nicht ändern.
Li-Keqiang-Index
30
25
20
15
10
5
0
6
6
7
8
2
9
4
1
3
9
4
1
5
5
7
2
0
8
3
0
00 00 00 00 00 00 00 00 00 01 01 201 201 01 201 201 01 201 201 201
t. 2 Apr. 2Okt. 2 pr. 2Okt. 2 Apr. 2 kt. 2Apr. 2Okt. 2 Apr. 2Okt. 2 Apr. Okt. Apr. 2Okt. Apr. Okt. 2Apr. Okt. Apr.
A
O
Ok
Li-Keqiang-Index
Quelle: Thomson Reuters, LBBW Research
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
21
Der Li-Keqiang-Index spiegelt
diesen Abbau der Überkapazitäten
und die allgemeine Schwäche des
Immobilienmarkts wider. Der Index
basiert auf der Aussage des Premierministers, dass er den offiziellen
BIP-Zahlen nur bedingt vertraue. Er
setzt sich aus der Kreditvergabe,
der Elektrizitätsproduktion und dem
Eisenbahnfrachtvolumen zusammen. Zuletzt stieg der Mittelwert
dieser drei Indikatoren um lediglich
3 % und damit deutlich geringer als
die von der Regierung bekanntgegebenen BIP-Wachstumsraten von
rund 7 %.
Wie kommt diese Diskrepanz
zustande?
Die Schlussfolgerung, dass die
offiziellen Zahlen manipuliert seien,
stimmt wohl nur z. T., denn der
Index gibt Aufschluss über die
Leistung des Industriesektors. Die
Wirtschaft setzt sich allerdings nur
zu 43 % aus dem Industriesektor
und zu 48 % aus dem Dienstleistungssektor zusammen. Wird z. B.
ein großes Stahlwerk geschlossen
und eine Versicherung gegründet,
22
kann dies insgesamt positiv für das
Wachstum sein. Die neue Versicherung benötigt allerdings weniger
Strom, Rohstoffe und Kredite als
ein neues Stahlwerk. Aussagen wie,
die Wirtschaft wachse tatsächlich
nur um 3 %, zeichnen daher wohl
ein zu negatives Bild von einer Wirtschaft, deren Schwerpunkt sich von
der Industrie zu Dienstleistungen
verschiebt.
Wir erwarten in Summe ein
Wachstum von 6,5 % im nächsten
Jahr. China ist aktuell nicht in einer
vorübergehenden Wachstumsdelle, sondern auf dem Weg in eine
»Neue Normalität«, die durch einen
wachsenden Dienstleistungssektor
und einen auf Jahre hin belasteten
Industriesektor gekennzeichnet ist.
Den begonnenen Transformationsprozess begleitet die Regierung mit
Leitzinssenkungen, Steuererleichterungen und einer schrittweisen
Öffnung des Kapitalmarkts. Diese
Maßnahmen dürften das Risiko
einer »harten Landung« deutlich
reduzieren.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
2.5 Emerging Markets.
Schwellenländer – nicht länger
Motor der Weltwirtschaft?
BIP-Prognosen:
2015: 4,0 %
2016: 4,5 %
Matthias Krieger
Das BIP-Wachstum der Schwellenländer verliert an Dynamik. Ab dem
Jahr 2000 stieg deren Potenzialwachstumsrate auf 7,3 %, fällt aber
seit 2008 wieder und liegt nun bei
5 %. Bei einem Anteil am Welt-BIP
von über 50 % würde ein nachhaltig
langsameres Wachstum auch den
globalen Trend deutlich dämpfen.
Während des Rohstoffpreisbooms
zwischen 2001 und 2008 legte die
Trendwachstumsrate vieler Rohstoffe exportierender Schwellenländer
kräftig zu. Umgekehrt senkt der
Rückgang der Rohstoffpreise nun
deren Trendwachstumsrate. In
Ostasien, das in den vergangenen
10 bis15 Jahren ganz entscheidend
zum BIP-Wachstum der Weltwirtschaft
beigetragen hat, sind allerdings nur
Indonesien und Malaysia nennenswerte Rohstoffexporteure. Die meisten ostasiatischen Staaten profitieren
eher von fallenden Rohstoffpreisen.
Weshalb fällt dann auch deren Trendwachstumsrate? Die Frage ist falsch
gestellt. Denn die Rohstoffpreise
fallen vor allem, weil das Wachstum derjenigen Emerging Markets
gefallen ist, die am Weltmarkt in
großem Umfang Rohstoffe nachfragen (z. B. China). Sie sind die
eigentlichen Wachstumstreiber der
Weltwirtschaft.
Die Trendwachstumsrate von 3 %
bis 4 % p. a. während der 1980er
und 1990er Jahre war in vielen
Schwellenländern vor dem Hintergrund des Bevölkerungswachstums
zu gering, um den Rückstand gegenüber den entwickelten Staaten signifikant zu verringern. Der Anstieg
ab 2000 brachte dann aber in vielen
Staaten eine erhebliche Verbesserung
der Wirtschaftsleistung pro Kopf und
ist vor allem der »Asienkrise« von
1997/98 geschuldet. Deren Effekt
war ein einschneidender Reformkurs: Viele Staaten gaben ihre an
den USD gekoppelten Währungen
frei, reduzierten den Staatsanteil an
der Wirtschaft, konsolidierten Bankensektor und Staatsfinanzen, senkten
ihre Fremdwährungsverschuldung,
legten sich ein hohes Polster an
Devisenreserven zu und öffneten
ihre Märkte – u. a. für ausländische
Direktinvestitionen (FDI) und den
damit einhergehenden Technologie-
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
23
transfer. So stiegen zunächst die
Trendwachstumsraten derjenigen
Emerging Markets rasch an, die
keine Rohstoffe exportieren. Von
deren Wachstum – vor allem dem
Chinas – profitierten dann auch die
Rohstoffexporteure.
Der jüngste Rückgang der Rohstoffpreise ist vor allem eine Folge des
schwächeren Wachstums derjenigen
Schwellenländer, die Rohstoffe importieren (z. B. China). Dies belastet
das (Trend-)Wachstum der Rohstoffexporteure. Aber warum sinken
nicht nur die realisierten BIP-Wachstumsraten der Rohstoffimporteure,
was auch zyklische Ursachen wie
z. B. die konjunkturelle Schwäche
der Industrieländer haben könnte,
sondern auch deren Trend- oder
Potenzialwachstumsraten?
Viele Schwellenländer haben sich
nicht auf sich verändernde Rahmenbedingungen eingestellt. Früher
wirkten hier niedrige Lohnkosten,
niedrige Steuern und geringe
sonstige Kosten (Arbeits- und
Umweltschutzauflagen etc.) als
Investitions- und Wachstumstreiber.
Inzwischen hat sich viel verbessert.
Allerdings haben höhere Löhne etc.
ihren Preis: Auch die Kosten für die
24
Unternehmen sind gestiegen. Damit
lohnt sich die Produktion einfacher
Industriegüter oft nicht mehr. Um
weiter wachsen zu können, müssen
diese Staaten attraktiver werden für
höherwertige Produkte. Das Modell,
das z. B. Chinas BIP lange zweistellig wachsen ließ, funktioniert nur
noch eingeschränkt. Das Reich der
Mitte erzielte enorme Produktivitätsgewinne dadurch, dass in der
Landwirtschaft wenig produktive
Arbeitskräfte in die Städte abwanderten und an den Fließbändern
durch einfache Industriearbeit eine
viel höhere Produktivität entfalteten. Dies ist nur noch eingeschränkt möglich. Höherwertige
Produkte erfordern qualifiziertes
Personal und eine entsprechende
Infrastruktur. Auf Dauer kann ein
Land nur dann einen immer höheren Lebensstandard erreichen,
wenn es auch innovationsfähig ist.
Hier aber zeigen sich Defizite in
vielen Staaten, die zwar ein recht
hohes Pro-Kopf-Einkommen erreicht
haben, nun aber aufgrund des unzureichenden Qualifikationsniveaus bei
deutlich gestiegenen Löhnen »festsitzen«, d. h. den Sprung in die Klasse
der »High-Income«-Länder nicht
schaffen. Sie sind gefangen in der
sogenannten »Middle-Income Trap«.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
Trotzdem dürften die Schwellenländer weiter starken Einfluss auf
das Wachstum der Weltwirtschaft
haben, da andere Staaten sich in
einem dynamischen Universum der
Emerging Markets um den Einstieg
in Produktionsketten für einfache
Industrieprodukte bemühen (z. B.
Vietnam) – und Kapital ist sehr
mobil geworden.
Aufgrund seiner Größe und Bedeutung bleibt vor allem das Wachstum
Chinas von zentraler Bedeutung für
die Emerging Markets. Das Trendwachstum sinkt auch hier mit steigendem BIP pro Kopf. Der IWF hat
untersucht, wie sich das BIP-Wachstum hier weiter entwickeln könnte:
Im wahrscheinlichsten Szenario
fährt China einen reformorientierten Kurs und baut Überkapazitäten
ab. Kurzfristig sinkt so das Wachstum zwar, längerfristig kann China
dann aber ca. 6,5 % p. a. wachsen.
Vor dem Hintergrund des guten
Werts beim Global Competitiveness
Index (28), des recht hohen Anteils
von F&E am BIP (2 %) und seiner Attraktivität für FDI, sollte China u. E.
langfristig zu den »High-Income«Ländern aufschließen können.
Die BIP-Wachstumsraten in China
sinken zwar. Ein dauerhaftes reales
Wachstum von 6,5 % p. a. ist in USD
gerechnet preisbereinigt heute aber
mehr als ein zweistelliges Wachstum vor 10 Jahren. China dürfte
damit längerfristig eine Stütze
sowohl der Weltwirtschaft als auch
der Emerging Markets bleiben.
In Ostasien bleiben u. E. die längerfristigen Perspektiven generell
gut. Unter den Emerging Markets
und Ländern wie Japan, Südkorea, Taiwan und Singapur (unter
Einbeziehung der USA) hat sich hier
ein Netz von Zulieferbeziehungen
entwickelt. Dies fördert in- und
ausländische Investitionen und
damit den Technologietransfer. Die
Außenhandelsbeziehungen sind
eng, und weitere Freihandelsabkommen (TPP, RCEP etc.) dürften
diese noch intensivieren. Z. T. enge
Beziehungen gibt es auch in Europa
mit einigen dortigen Emerging
Markets. In Lateinamerika unterhält
dagegen bislang nur Mexiko enge
Zulieferbeziehungen (zu den USA).
Die Gefahr, sich in Isolationismus
und damit der »Middle-Income
Trap« zu verfangen, ist in Lateinamerika daher besonders hoch.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
25
Die Trendwachstumsrate der
Schwellenländer insgesamt ist in
den letzten Jahren von 7,3 % p. a.
um 2,3 %-Punkte auf 5 % gefallen
(ex China: ca. 4 %). Zum größten
Teil (1,3 %-Punkte) geht dies auf das
Konto Rohstoffe exportierender
Staaten. Deren BIP dürfte in den
kommenden Jahren eher unterdurchschnittlich (< 4 %) wachsen
– es sei denn, die Rohstoffpreise
erholen sich stark. Die übrigen
Emerging Markets trugen mit
0,6 %-Punkten weniger als die Rohstoffexporteure zum Rückgang der
Trendwachstumsrate der Emerging
Markets insgesamt bei. Hier wären
künftig Wachstumsraten von im
Mittel über 4 % zu erwarten. China
trug 0,4 %-Punkte zum Rückgang
der Trendwachstumsrate bei. Im
Reich der Mitte selbst liegt diese
nun bei 6 % bis 7 %.
Kurz- bis mittelfristiger Ausblick:
Derzeit dämpfen allerdings auch
rein zyklische Faktoren die Wachstumsdynamik der Schwellenländer.
Eine zyklische Erholung alleine
könnte deren Wachstum schon
um mehr als 1 %-Punkt steigern.
So haben z. B. die aktuelle Sorge
um die Konjunktur in China, die
gefallenen Rohstoffpreise, Ängste
26
im Zusammenhang mit dem USTapering sowie eine Reihe geopolitischer Unsicherheitsfaktoren die
Investitionsneigung gedämpft. Vor
diesem Hintergrund haben sich
auch die FDI in die Schwellenländer
verlangsamt.
Das BIP in »Developing Asia« dürfte
dennoch weiterhin über 6 % p. a. zulegen (IWF: 6,5 % 2015; 6,4 % 2016).
Die leichte Abschwächung reflektiert vor allem die Entwicklung in
China (IWF: 6,8 % 2015; 6,3 % 2016).
In Indien ist nach der WahlsiegEuphorie zwar etwas Ernüchterung
eingekehrt. Gleichwohl hat sich das
Investorenvertrauen verbessert.
Modi versucht, den bislang vor allem als Standort für das Dienstleistungsgewerbe bekannten Subkontinent auch als Produktionsstandort
für das Verarbeitende Gewerbe
attraktiv zu machen. Wunder sind
keine zu erwarten, Indien dürfte
laut IWF 2015 aber um 7,3 % und
2016 um 7,5 % wachsen.
In der GUS sollte sich nach der
Rezession in diesem Jahr 2016 eine
Erholung einstellen (IWF: –2,7 %
2015; 0,5 % 2016). Russland litt
2015 aufgrund fallender Rohstoffpreise und westlicher Sanktionen
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
unter einer schweren Rezession.
Wir erwarten hier 2016 einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um
mindestens 4 %, sofern der Ölpreis
sich nicht deutlich erholen sollte.
Lateinamerika durchlebt derzeit
eine Rezession (IWF: –0,3 % 2015)
und wird sich 2016 davon wohl
nur moderat erholen (IWF: 0,8 %).
Hintergrund ist vor allem die
Entwicklung in Brasilien. Wegen
gefallener Rohstoffpreise, aber vor
allem aufgrund hausgemachter
Faktoren steckt das Land in einer
schweren Rezession, die sich in
abgemilderter Form 2016 fortsetzen sollte (IWF: –3,0 % 2015; –1,0 %
2016). Vor allem der Verlust an
Glaubwürdigkeit der Regierung
infolge des Korruptionsskandals
um Petrobras und die damit ein-
hergehende politische Lähmung
wirken belastend. Brasilien braucht
einen politischen Neuanfang, um
sein Potenzial nutzen zu können.
Wesentlich besser präsentiert sich
Mexiko. Die Reformen u. a. im Energiesektor und die enge Verzahnung
mit der US-Wirtschaft dürften hier
für Wachstumsimpulse sorgen (IWF:
2,3 % 2015; 2,8 % 2016).
Insgesamt werden die Schwellenländer 2016 laut IWF um 4,5 % (2015:
4,0 %) wachsen, also etwas unter
der Trendwachstumsrate von 5 %.
Somit bestünde noch zyklisches
Erholungspotenzial in den Folgejahren. In einem weiterhin eher schwierigen weltwirtschaftlichen Umfeld
dürften Länder mit strukturellen
Defiziten aber noch länger unter
einer Wachstumsschwäche leiden.
Daten & Prognosen
2013
BIP Emerging Markets Y/Y (%)
2014
2015 p
2016 p
5,0
4,6
4,0
Asien (»Developing«) Y/Y (%)
7,0
6,8
6,5
6,4
GUS Y/Y (%)
2,2
1,0
–2,7
0,5
4,5
Lateinamerika Y/Y (%)
2,9
1,3
–0,3
0,8
Mittlerer Osten & Nordafrika Y/Y (%)
2,1
2,6
2,3
3,8
Mittel- & Osteuropa Y/Y (%)
2,9
2,8
3,0
3,0
Sub-Sahara Afrika Y/Y (%)
5,2
5,0
3,8
4,3
Quelle: LBBW Research, IWF World Economic Outlook 10/2015 (p =Prognose)
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
27
2.6 UK.
EU-Verbleib steht für uns außer Frage, das
Pfund zeigt sich dennoch belastet.
BIP-Prognosen:
2015: 2,4 %
2016: 2,2 %
Dirk Chlench
Die britische Wirtschaft expandierte
im Jahr 2014 mit einer Rate von
2,9 % und markierte damit die
höchste Wachstumsrate innerhalb
der G7-Staaten. Daran konnte die
Entwicklung im ersten Halbjahr
2015 mit einer Jahresrate von 2,1 %
nicht ganz anknüpfen. Dabei stellte
der private Verbrauch den Hauptwachstumsträger dar. Die Konsumlaune wird maßgeblich durch die
niedrige Inflationsrate und die steigenden Löhne befeuert. Die Industriestimmung hat sich indes zuletzt
verschlechtert. Diese Stimmungseintrübung dürfte jedoch eher der
Wachstumsverlangsamung in China
und der Pfund-Aufwertung als der
Unsicherheit über den Verbleib
Großbritanniens in der EU geschuldet sein. Premierminister Cameron
hat angekündigt, bis spätestens
Ende 2017 ein Referendum durchzuführen. Umfragen zufolge spricht
sich aktuell eine Mehrheit für einen
EU-Verbleib Großbritanniens aus,
sollte es dem Premierminister gelin28
gen, die Interessen Großbritanniens
in Verhandlungen mit der EU zu
schützen. In den nächsten Quartalen dürften die Pfund-Aufwertung
sowie eine restriktive Haushaltspolitik auf der Wirtschaftsentwicklung
lasten. Aus diesem Grund erwarten
wir eine Verlangsamung des Expansionstempos auf 2,4 % im Jahr 2015
und 2,2 % im Jahr 2016.
Die jährliche Teuerungsrate schwankt
in Großbritannien seit Jahresbeginn
um die Nullmarke und liegt damit
weit entfernt vom auf 2 % lautenden
Inflationsziel der Bank of England
(BoE). Die BoE hat angesichts dieser
Abweichung vom Inflationsziel
und der Wahrscheinlichkeit, dass
zumindest noch eine geringe Unterauslastung der Wirtschaft besteht,
bekundet, die Geldpolitik so zu
steuern, dass die restliche Unterauslastung verschwindet und sich
dadurch die Inflation wieder der
Zielmarke annähert. Nach unserer
Auffassung wird die BoE vor dem
Hintergrund eines basisbedingten
Ansteigens der Inflationsrate und
eines gestiegenen Preisaufwärtsdrucks durch anziehende Lohnsteigerungen im ersten Quartal 2016
die Leitzinswende einläuten.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
2.7 Schweiz.
Konjunktur im Zeichen des Frankenschocks.
BIP-Prognosen:
2015: 0,9 %
2016: 1,2 %
Dr. Katja Müller
Die Konjunkturentwicklung in der
Schweiz wurde 2015 von der überraschenden Aufgabe des Mindestwechselkurses von 1,20 Franken
je Euro durch die Schweizerische
Nationalbank (SNB) am 15. Januar
geprägt. Für die exportorientierte Schweizer Wirtschaft, deren
Hauptabsatzmarkt der Euroraum
ist, war dieses Ereignis ein Schock.
Der Franken hat zwar seit der
schlagartigen Aufwertung im Januar
zum Euro wieder abgewertet, ist
aber im historischen Vergleich immer noch sehr stark. Dies belastet
den Absatz eidgenössischer Waren
insbesondere in den Euroraum.
Auch der Tourismussektor leidet
unter der Frankenstärke. Dagegen
erwies sich die Binnennachfrage als
Konjunkturstütze. Bei der Interpretation der BIP-Daten gilt es zu
berücksichtigen, dass es sich um
reale, also preisbereinigte, Zahlen
handelt. Die Preisrückgänge fielen
z. T. ausgesprochen stark aus,
weshalb die realen Veränderungsraten positiver als die nominalen
waren. Dieser Effekt dürfte sich
zunächst weiter fortsetzen. Im
zweiten Halbjahr hat zudem die
leichte Abwertung des Franken die
Wirtschaft etwas entlastet, sodass
wir für 2015 mit einem Wachstum
von 0,9 % rechnen.
Im kommenden Jahr erwarten
wir eine Erholung der Schweizer
Wirtschaft. Gleichwohl dürfte diese
noch verhalten ausfallen, sodass
wir von einem BIP-Zuwachs von
1,2 % ausgehen. Die SNB dürfte
vorerst ihre Geldpolitik zur Schwächung des Franken beibehalten. Wir
prognostizieren eine Abwertung
des Franken gegenüber dem Euro
und dem US-Dollar, diese dürfte
aber nur eine leichte Entlastung der
Konjunktur darstellen. Außerdem
lässt die bislang noch robuste Entwicklung der Investitionen befürchten, dass der Frankenschock sich
noch nicht in vollem Ausmaß in der
Realwirtschaft niedergeschlagen
hat. Der private Konsum dürfte
hingegen das Wachstum ebenso
weiter stützen wie die zunehmende
Erholung des Euroraums.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
29
Kalender.
Wichtige Ereignisse im Jahr 2016.
Winter 2015
Deutschland: Geplante Einführung der Maut
Russland: Auslaufen der EU-Sanktionen
Iran: Sanktionen (könnten) aufgehoben werden
USA: Super-Bowl
Frühling 2016
Italien: Entscheidende Abstimmung zur Parlamentsreform
30
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
Sommer 2016
Frankreich: Fußball-EM
Großbritannien: Referendum über den Verbleib in der EU?
Brasilien: Olympische Sommerspiele
Herbst 2016
China: IWF-Entscheidung – Yuan Weltreservewährung
Russland: Parlamentswahlen
USA: Wahl eines neuen US-Präsidenten
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
31
32
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
3 Deutschland.
Zur Jahreswende scheint das
deutsche BIP-Wachstum allen
Risiken zum Trotz stabil zu
bleiben. Weder die angedrohte
Zinswende in den USA noch die
befürchtete Wachstumsverlangsamung in China haben bislang
das deutsche BIP-Wachstum
merklich verlangsamt. Einer
der Gründe: Die Lage in den übrigen großen Staaten der EWU
verbessert sich schrittweise.
Die Folgen der EWU-Schuldenkrise werden allmählich überwunden und das hilft auch
Deutschland.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
33
3.1 Deutschland.
Konjunktur erweist sich als schockresistent.
BIP-Prognosen:
2015: 1,6 %
2016: 1,7 %
Dr. Jens-Oliver
Niklasch
Die deutschen Konjunkturhoffnungen ruhen auf der Binnennachfrage.
Der Blick über die Grenzen ist eher
mit Skepsis verbunden. Natürlich
ändern sich die Dinge selbst im
21. Jahrhundert nicht so schnell.
Deutschland wird eine »Exportnation« bleiben. Jedoch verschieben
sich die Akzente. Schon das Jahr
2015 stand im Zeichen der Erholung des privaten Konsums. Die
Ausfuhren werden von der Wachstumsschwäche der Emerging Markets belastet. Wobei Schwäche hier
relativ ist: Exportmärkte wie China
oder die USA werden weiterhin kräftig wachsen. Aber für China, das
seit 2008 für 23 % der deutschen
Exportzuwächse verantwortlich
34
war, sind die Zeiten zweistelliger
Wachstumsraten vorbei. Das Land
tritt in eine Reifephase ein. Der Rest
der Welt ist uneinheitlich. Während
Brasilien und Russland wohl zu den
großen wirtschaftlichen Enttäuschungen gezählt werden müssen,
gibt es eine Reihe von Staaten, mit
welchen noch oder wieder Wachstumsfantasien verbunden werden.
Dazu gehören Indien, der Iran oder
die Türkei. Staaten mit Potenzial,
das sich aus Bevölkerungswachstum, Reformen und – zumindest im
Fall des Irans – Ölreichtum speist,
aber auch mit großen politischen
Risiken.
Demgegenüber sind die Risiken
im Euroraum und in Deutschland
im abgelaufenen Jahr gesunken.
Für 2016 dürfte sich dieser Trend
fortsetzen. Wenn man Griechenland
als Sonderfall ausklammert, sieht
es im Euroraum heute freundlicher
aus als noch vor einem Jahr.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
Economic Sentiment Index in den vier größten Staaten der EWU
120
110
100
90
80
70
60
Jan
06
20
Jan
07
20
Deutschland
Jan
08
20
Jan
09
20
Frankreich
Jan
0
201
Italien
Italien macht Fortschritte in zentralen Bereichen, auch in Frankreich
verbessert sich die Konjunktur allmählich. In Spanien sind schon fast
wieder die Wachstumsraten der Vorkrisenzeit zu registrieren. Das wird
Deutschland in die Karten spielen,
wenngleich die Exportüberschüsse
zu den Partnerstaaten nicht mehr so
üppig ausfallen dürften wie zuvor.
Dort gab es Reformen, hierzulande
hat man sich auf den Lorbeeren des
Exportmeisters ausgeruht. In gewisser Weise ist das zu begrüßen, denn
der hohe deutsche Außenhandelsüberschuss hatte auf der politischen
Jan
1
201
Spanien
Jan
2
201
Jan
3
201
Jan
4
201
Jan
5
201
Quelle: Thomson Reuter Financial,
LBBW Research
Bühne für Spannungen gesorgt.
Das sollte nun etwas nachlassen,
ohne das Bild einer exportstarken
deutschen Wirtschaft zu erschüttern. Dazu kommen freundliche
Indikationen für die Binnenkonjunktur. Eindeutig positiv zu werten sind
die sinkenden Rohölnotierungen.
Die Energierechnung sinkt und das
verfügbare Einkommen der Haushalte steigt. Die Lage am Arbeitsmarkt
ist günstig. Die Zahl der Arbeitslosen ist mit 2,7 Mio. historisch
niedrig, die Zahl der Beschäftigten
hat die Marke 30,7 Mio. erreicht.
Für weitere Reallohnzuwächse und
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
35
eine stabile Konsumnachfrage ist
die Grundlage vorhanden. Zumal die
Inflationsrate zwar zulegen dürfte
(von 0,3 % in 2015 auf 1,5 % in 2016),
historisch gesehen aber moderat
bleibt. Unter Umständen wird 2016,
aktuell bedingt durch die aktuell hohen Flüchtlingszahlen, die Arbeitslosenquote leicht steigen.
onspotenzial entspricht. Dabei wird
die Schwäche im Verarbeitenden
Gewerbe durch den Dienstleistungssektor ausgeglichen. Alles in allem
dürfte das reale BIP im laufenden
Jahr um 1,8 % wachsen und 2016
ebenfalls. Unter Ausklammerung
des Kalendereffekts (die Zahl der
Arbeitstage liegt in beiden Jahren
über dem Durchschnitt) wäre dies
ein bereinigtes BIP-Wachstum von
1,6 % für 2015 und von 1,7 % im kommenden Jahr. Wachstumsmotor wird
der heimische private Verbrauch
sein. Das verfügbare reale Einkommen der privaten Haushalte wächst
derzeit mit einer Rate von rund 2,5 %
jährlich. Der private Konsum legt um
rund 2 % zu. Das sollte das Maß für
2016 sein.
Leichte Besonnenheit also ja, aber
für Pessimismus gibt es wenig Anlass. Die deutsche Konjunktur zeigt
ungeachtet aller Gefahren kaum
Ermüdung. Die Wachstumsraten des
BIP lagen im Durchschnitt bei 0,4 %
Q/Q pro Quartal seit Mitte 2014,
was nach den Berechnungen des
Herbstgutachtens der Konjunkturforschungsinstitute dem Produkti-
Deutschland: Verfügbares Einkommen und privater Konsum
4
3
2
1
0
Quelle:
Thomson
Reuter
Financial,
LBBW
Research
-1
-2
-3
99
00
01
02
03
04
05
06
07
Verfügbares Einkommen Y/Y abzgl. Inflationsrate
36
08
09
10
11
12
privater Konsum Y/Y
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
13
14
15
Es gibt zudem Gründe, für 2016
ein Anziehen der Investitionen zu
erwarten: Niedrige Zinsen, das
freundliche Klima an den Aktienmärkten, stabile Konjunkturperspektiven und ein gewisser Investitionsstau. Wobei letzterer vor allem
die öffentlichen Investitionen und
hier die Infrastruktur betrifft. Es
lassen sich aber auch Gründe fin-
den, die für eine Zurückhaltung der
Unternehmen sprechen. So sind in
realer Rechnung die Zinsen keineswegs niedrig. Erst recht nicht, wenn
man den Realzins an den Absatzpreisen der Unternehmen misst. In
dieser Rechnung sind die Renditen
sogar über dem historischen Mittelwert von 2,1% (vgl. Chart).
»Realer« Swapsatz (10 Jahre Swap abzgl. Steigerungsrate der
Erzeugerpreise zum Vorjahresmonat)
12
10
8
6
4
2
0
-2
-4
1999
2001
Realer Swapsatz
2003
2005
2007
2009
2011
2013
2015
Quelle: Thomson Reuter Financial, LBBW Research
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
37
Zudem ist die Gesamtnachfrage
im Euroraum ungenügend, in den
Unternehmen sind die Kapazitäten ungenügend ausgelastet. Im
deutschen Verarbeitenden Gewerbe lag die Kapazitätsauslastung
zur Jahresmitte bei rund 84 %.
Am Vorabend der Finanzkrise lag
dieser Wert bei 88 %. Auch das
spricht nicht für einen Boom bei
den Investitionen. Die Anlageinvestitionen sollten sich daher
durchschnittlich entwickeln. Bei
den Bauinvestitionen ist im Bereich
Wohnungsbau aufgrund des
Preisschubs bei Wohnimmobilien
in den Ballungsräumen und des
Zustroms der Flüchtlinge mit einer
überdurchschnittlichen Entwicklung
zu rechnen. Die Finanzpolitik ist
2016 expansiv ausgerichtet. Die
Forschungsinstitute haben in ihrem
Herbstgutachten einen expansiven
Fiskalimpuls in Höhe von 0,3 % des
BIP ermittelt, der sich aus verschiedenen Steuererleichterungen und
Transfererhöhungen speist. Zur
angestrebten »schwarzen Null« für
den Bundeshaushalt ist dies kein
Widerspruch, da die Steuereinnahmen reichlich wie nie sprudeln.
38
Allerdings stehen alle fiskalischen
Annahmen unter dem Vorbehalt der
Ausgabenentwicklung zur Meisterung des Flüchtlingszustroms.
Zum Schluss ein Blick auf die
Risiken. Neben der geopolitischen
Unsicherheit ausgehend von Syrien
und dem nahen Osten sind wir
Konjunkturbeobachter auf die Lage
in China und den übrigen Emerging
Markets fokussiert, die wir jeweils
in Kapitel 4 adressieren. Zudem hat
die Zinswende in den USA das Potenzial, größere Ausschläge an den
Märkten und im Konjunkturverlauf
zu verursachen. Dagegen hat die
Euro-Schuldenkrise an Brisanz verloren. Im zweiten Quartal 2015 ist
die Schuldenquote der Staaten im
Euroraum von 92,7 % auf 92,2 % des
BIP gesunken. In Deutschland ging
der Schuldenstand von 74,3 % auf
72,5 % des BIP zurück. Allerdings
ist angesichts des hohen Schuldenstands einiger Staaten eine Rückkehr des Misstrauens der Märkte
jederzeit möglich. Insbesondere
in Italien (136,0 %) und Frankreich
(97,7 %) bleibt der Konsolidierungsbedarf hoch. Wie sich die Dinge in
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
Griechenland entwickeln, ist offen.
Zwar haben die Ergebnisse der
Übereinkunft zwischen Griechenland und den Gläubigerstaaten vom
Sommer 2015 die Märkte beruhigt.
Die Erfahrungen der jüngeren Vergangenheit lassen jedoch befürchten, dass eine erneute Zuspitzung
droht. So wurde Ende Oktober
bekannt, dass Griechenland mit
der Umsetzung seiner Reformen
in Verzug geraten ist und sich die
Auszahlung der Hilfskredite verzögert. Hier ist ebenfalls Besonnenheit gefordert – in erster Linie von
den Verantwortlichen in Athen.
Kann die Konjunktur besser laufen
als gedacht? Wenn der Rückgang
der chinesischen BIP-Wachstumsraten knapp unterhalb von 7 %
aufgefangen wird – die staatlichen
Instanzen haben fiskalischen und
geldpolitischen Spielraum – und
wenn der Einstieg in die Zinswende
von der US-Notenbank gut kommuniziert und von den Märkten
verdaut wird, dann können wir von
der deutschen Konjunktur positiv
überrascht werden. Wachstumsraten von 2 % sind möglich. Mittel- bis
langfristig sollte man sich allerdings darauf einstellen, dass in
Deutschland nur ein Realwachstum
von rund 1,5 % erzielt wird. Was darüber hinausgeht, bedarf positiver
Sondereffekte. Es sollte sich von
selbst verstehen, dass mit moderatem Wachstum der Spielraum für
Umverteilung gering ist, auch wenn
die Versuchung mit Blick auf die
im übernächsten Jahr anstehende
Bundestagswahl größer wird.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
39
3.2 Exkurs zum Thema
Flüchtlingskrise.
Versuch einer Einordnung.
Das beherrschende Thema im
Herbst 2015 ist die Flüchtlingskrise.
Nach der offiziellen Prognose der
Bundesregierung werden im laufenden Jahr 800.000, wenn nicht sogar
1 Mio. Flüchtlinge erwartet. Humanitäre und rechtliche Aspekte ausgeblendet, drängt sich für uns als
Ökonomen die Frage auf, was eine
solche Zahl an Flüchtlingen für die
hiesige Wirtschaftsentwicklung
bedeutet. Kurzfristig ist es ein Konjunkturprogramm. Die ankommenden Menschen brauchen Kleidung,
Nahrung und Wohnraum. Länder
und Kommunen müssen Betreuung
und eine medizinische Grundversorgung bereitstellen. Die Schätzungen über diese Kosten schwanken erheblich, nach Schätzung des
ifo-Instituts ist mit mindestens
10 Mrd. EUR zu rechnen. Diese
Summe in Höhe von rund 0,35 %
des BIP wird indes nicht in dieser
Höhe nachfragewirksam, weil die
öffentliche Hand an anderer Stelle
die Ausgaben kürzen wird. Für ein
Zusatzplus im BIP von 0,25 % dürfte
es dennoch reichen. Das Gros dieses Effekts sollte sich im nächsten
40
Jahr 2016 materialisieren, aufgrund
der aktuellen Schätzunsicherheit
haben wir ihn aber (noch) nicht in
unsere BIP-Prognose übernommen.
Mittelfristig sind die Auswirkungen schwer zu kalkulieren. Die
ökonomische Chance der aktuellen Flüchtlingskrise besteht für
Deutschland in der Gewinnung von
Arbeitskräften, d. h. zur Umkehr
oder zumindest Abflachung des
negativen demografischen Trends.
Dies erfordert natürlich deren
Integration in den ersten Arbeitsmarkt. Fehlende Sprachkenntnis
und unzureichende Schulbildung
sind zwei der größten Beschäftigungshemmnisse überhaupt und
erfordern zusätzliche Investitionen
in Bildungs- und Integrationsmaßnahmen. Den aktuell in der Presse
vielfach debattierten Kosten-Nutzen-Rechnungen der Migration
wollen wir uns hier allerdings
nicht anschließen, da sie unseres
Erachtens von zu vielen unsicheren
Annahmen abhängen und damit
schnell unübersichtlich und leicht
politisiert werden.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
Geschätzte Bevölkerungsanzahl in Mio. in Europa, abhängig von der
Höhe der Zuwanderung
400
380
360
340
320
300
280
260
1990
2000
2010
steigende Zuwanderung
2020
keine Zuwanderung
2030
2040
2050
2060
moderate Zuwanderung
Quelle: Europe’s Long-Term Growth Prospects: With and Without Structural Reforms, Kieran
McQuinn/Karl Whelan, March 19, 2015
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
41
42
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
4 Die Risiken.
Unsere größten Risiken für das
Jahr 2016 sind eng miteinander
verbunden. Eine wirtschaftliche
Bruchlandung im Reich der Mitte hätte wohl sehr weitreichende
Folgen – nicht nur für die deutsche Wirtschaft. Eng verbunden
mit diesem Negativszenario ist
ein allgemeiner Vertrauensverlust in die Schwellenländer, eine
Kapitalflucht könnte die Folge
sein. Dies wiederum könnte
durch eine unerwartet starke
Straffung der US-Geldpolitik
ausgelöst werden.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
43
Wahrscheinlichkeit
Die sechs größten Risiken
von 2016.
1
6
3
2
5
4
Negative Auswirkungen bei
44
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
1 Geopolitische Unsicherheiten.
Zahlreiche Konfliktherde auf der Welt und die Flüchtlingskrise.
2 China stolpert in eine Wachstumsfalle.
Der Abbau von Überkapazitäten wird die Wirtschaft auf Jahre belasten, das Wachstum
bricht ein.
3 Kapitalflucht aus den Schwellenländern.
Börsencrash in China, Korruption in Brasilien und Sanktionen gegen Russland haben die
BRICS-Staaten nachhaltig beschädigt.
4 Crash am US-Rentenmarkt à la 1994.
Panische Reaktion der Fed auf Inflationsschock in den USA.
5 EZB steht Deflation machtlos gegenüber.
Niedrige Wachstums- und Preisdynamik kann von Zentralbanken nicht bekämpft
werden, strukturelle Faktoren sind verantwortlich.
6 Kapitalmärkte trocknen aus.
Regulierung und Anleihekaufprogramme führen zu einem Verschwinden von
Marktliquidität.
Eintreten
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
45
Risiko 1.
Der multipolare Stellvertreterkrieg in Syrien.
»Die geopolitische Lage wird
unklarer.«
Dr. Guido
Zimmermann
Ein Charakteristikum der »Neuen
Normalität« mit niedrigen Wachstumsraten, Inflationsraten und
Renditen ist eine große Verunsicherung der Marktteilnehmer.
Diese Unsicherheit bezieht sich auf
sehr unterschiedliche Faktoren:
Geopolitische Unsicherheit durch
die zahlreichen Konfliktherde auf
der Welt und die Flüchtlingskrise,
wirtschaftspolitische Unsicherheit
durch die Euro-Schuldenkrise sowie
die Unsicherheit in Bezug auf die
Gültigkeit von wirtschaftlichen und
politischen Erklärungsmustern.
Dies hat nicht zuletzt mit der immer unklarer werdenden geopolitischen Lage auf der Welt zu tun.
Insbesondere Syrien ist heute der
Ort eines multipolaren Stellvertreterkriegs geworden.
Wer sind hier die Beteiligten dieses
Stellvertreterkriegs? Saudi-Arabien
unterstützt sunnitische Gruppen
in Syrien, weil es Angst hat, dass
der schiitische Iran durch seine
46
Unterstützung des Assad-Regimes
weiter in der Region an Boden
gewinnt. Russland fürchtet vor dem
Hintergrund ölpreisbedingt wegbrechender Staatseinnahmen und dem
Ukraine-Konflikt, dass es im Nahen
Osten aus russischer Sicht zu
einem Regime-Wechsel zugunsten
der USA kommt. Die USA fürchten,
dass Russland verstärkt an Präsenz
im Nahen Osten und Mittelmeer gewinnt. Die Türkei fürchtet, dass die
Kurden, die über die Länder Türkei,
Irak und Syrien verstreut leben, mit
zunehmenden Geländegewinnen in
Syrien und Irak auch Ansprüche auf
türkisches Territorium erheben. Es
ist nicht davon auszugehen, dass
sich der Syrien-Konflikt in absehbarer Zeit auflöst.
Welche Risiken gehen aus ökonomischer Sicht aus diesem Konflikt
hervor? Zu fürchten ist, dass aus
dem Stellvertreterkrieg zwischen
Saudi-Arabien und dem Iran ein
direkter Krieg zwischen den beiden
Ländern entsteht. Eine solche
Eskalationsstufe bliebe naturgemäß
nicht ohne Effekt auf die Ölpreise.
Zu fürchten ist, dass die Unterstützung extremistischer sunnitischer
Gruppen in Syrien durch SaudiArabien schlussendlich auf das
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
Königshaus Saudi-Arabiens selbst
zurückfällt und dieses verstärkt
unter terroristischen Bedrohungen
ebendieser Gruppen leidet.
Zu fürchten ist auch, dass Russland
mehr, als ursprünglich geplant, in
den Syrien-Krieg hineingezogen
wird und durch seine Unterstützung des Assad-Regimes schon
jetzt bestehende islamistische
Tendenzen in seinen Kaukasusregionen verstärkt.
Die Syrien-Krise dürfte die Flüchtlingsströme nach Europa nicht
abreißen lassen, wenn die EU hier
nicht der Türkei politisch und
finanziell im Gegenzug für das
Management der Flüchtlingsströme
auf dem Boden der Türkei entgegenkommt. Gleichzeitig besteht aus
Sicht der Ukraine die Gefahr, dass
die EU den Ukraine-Konflikt für
politisch weniger bedeutsam hält
als die Drosselung der Flüchtlings-
ströme von Syrien nach Europa.
Zu fürchten ist auch, dass die
geopolitischen Spannungen dazu
führen, dass vermehrt protektionistische Maßnahmen eingeführt werden. Dies würde den sowieso schon
beunruhigenden Rückgang des
Welthandelsvolumens verstärken,
der seit dem Beginn der Finanzkrise
2008 zu beobachten ist.
In einem positiven Szenario wäre
es dagegen möglich, dass die
Sanktionen gegen Russland alsbald
aufgehoben werden, die Groß- und
Regionalmächte sich an einen Tisch
setzen, um das Syrien-Chaos abzustellen, die EU Zugeständnisse und
Finanzhilfen an die Türkei liefert,
sodass die Türkei ein Interesse hat,
die Flüchtlingsströme nach Europa
aufzuhalten, und dass die aufgehobenen Wirtschaftssanktionen gegen
den Iran ebendiesen in regionalpolitischer Sicht konzilianter gegenüber
Saudi-Arabien werden lassen.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
47
Risiko 2.
Chinas Wachstumsfalle und wie der Staat
versucht, sie zu umgehen.
»Im Wirtschaftsboom wurden
Risiken aufgebaut.«
Julian Trahorsch
Früher hieß es: »Wenn die USA
hustet, bekommt die Welt den
Schnupfen«. China räuspert sich
gerade und die Märkte werden sich
der Gefahr bewusst, dass auch China für eine ordentliche Erkältung
der Weltwirtschaft sorgen könnte.
Deutschland ist sicher der europäische Staat, der China wirtschaftlich
am nächsten steht, nicht zuletzt
wegen unserer engen Handelsbeziehungen und der wichtigen
Rolle, die China als Absatzmarkt
für unsere Autos und Maschinen
einnimmt. Die boomenden Jahre in
China haben das Risikopotenzial
überdeckt, dass China zur größten
Volkswirtschaft der Welt aufgestiegen ist. Mit Chinas Größe kommt
eben auch das Potenzial die Welt
nicht nur mit nach oben zu ziehen,
sondern auch nach unten. Zwei
Faktoren könnten einzeln oder
gemeinsam zu einer sogenannten
»harten Landung« Chinas führen.
Zu nennen wären einerseits eine
48
drohende Wachstumsfalle, sodass
Chinas Aufholjagd mit den Industrienationen auf einem niedrigen
Wohlstandsniveau zu Ende geht,
und andererseits die bestehenden
Überkapazitäten in der Industrie
und am Immobilienmarkt.
China profitierte jahrzehntelang
vom Zuzug armer Landarbeiter in
die Städte und ihre Fabriken. Die
»Werkbank der Welt« nutzte diese
armen Landarbeiter, um einfache
Produkte herzustellen. Diese waren
zwar von teilweise niedriger Qualität, aber eben günstig und konnten
sich so am Markt behaupten. Dies
fällt den einfachen Unternehmen
in den letzten Jahren zunehmend
schwerer, denn Unternehmen
lassen heutzutage in anderen billigeren Schwellenländern produzieren. Unternehmen müssen heute
deutlich höhere Löhne zahlen, weil
die Arbeiter nicht mehr einfach
ausgetauscht werden können.
Der Zustrom billiger Arbeitskräfte
flaut etwas ab, man muss sich
also mit dem bestehenden Personal arrangieren. Auch werden die
Tätigkeiten zunehmend komplizierter, weil China statt Kleidung nun
auch Motoren und Handys herstellt.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
Diese Arbeitsprozesse kann man
einem ungelernten Landarbeiter
nicht ohne Weiteres anvertrauen.
Wachstum kann entweder durch
mehr Arbeit, mehr Investitionen
oder eine höhere Produktivität
entstehen. Chinas Wachstum wurde
lange von den Faktoren Arbeit und
Kapital (Investitionen) getrieben.
Das neue Wachstumsmodell muss
dagegen auf einer Steigerung der
Produktivität und einer innovationsfreundlichen Kultur basieren. Genau
das ist allerdings nur den allerwenigsten Schwellenländern (Japan,
Südkorea) gelungen, denn hierfür
müssen sich die Institutionen und
die Gesellschaft weiterentwickeln.
China könnte die Produktivität
durch eine Öffnung der Wirtschaft
und eine Privatisierung der riesigen
Staatsbetriebe erhöhen, das wird
allerdings zahlreiche Arbeitsplätze kosten und die Beliebtheit der
Kommunistischen Partei mindern.
Für Innovationen bedarf es einer
soliden betrieblichen oder universitären Ausbildung und einer Kultur,
in der Dinge kritisch hinterfragt
werden dürfen, dieser Kulturwandel
dürfte in einem Einparteiensystem
besonders schwerfallen.
Die Partei hat daher einen anderen Weg gewählt: den Zukauf von
Know-how im Ausland. Unternehmen wurden angewiesen, in gewissen Branchen strategische Übernahmen durchzuführen, um sich
Patente und Lizenzen zu sichern.
Auch zahlreiche ausländische Unternehmen, die in China aktiv sein
wollen, müssen Know-how nach
China transferieren. China geht
angesichts der drohenden Wachstumsfalle seinen eigenen Weg. Dass
die bisher eingeschlagenen Reformen zum Erfolg führen, ist unwahrscheinlich, dies bedeutet allerdings
nicht, dass wir von einet »harten
Landung« ausgehen. Viel eher steht
die chinesische Wirtschaftspolitik vor der Mammutaufgabe den
riesigen Tanker auf neuen Kurs zu
setzen. Dies wird Jahre dauern und
große Wellen schlagen.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
49
Risiko 3.
Schwellenländer – Fließt Auslandskapital wegen
gestiegener Risikoversion nun ab?
»Flüchtige PFI
reagieren unmittelbar.«
Matthias Krieger
Das Wachstum der Schwellenländer
kann u. a. durch eine gestiegene
Risikoaversion belastet werden.
Unsicherheit senkt die Investitionsbereitschaft und erhöht die
Risikoprämien z. B. auf Bonds,
lässt also die Finanzierungskosten
steigen. So stellt sich die Frage, ob
vor dem Hintergrund der Abkühlung in China, der US-Zinswende
sowie geopolitischer Risiken ausländische Direktinvestitionen (FDI)
derzeit ausbleiben und Portfolioinvestitionen (PFI) vielleicht sogar
abgezogen werden.
Zwar haben sich die FDI laut
UNCTAD weltweit von 1,47 Bio. USD
im Jahr 2013 auf 1,23 Bio. USD im
Jahr 2014 verringert. Negativ hat
sich aber vor allem der Zufluss in
die Industrieländer entwickelt. Hier
gaben die FDI-Zuflüsse um 28 % auf
499 Mrd. USD nach. Der Zufluss
in die Schwellenländer insgesamt
ist 2014 dagegen um 2 % auf ein
50
neues historisches Hoch von 681
Mrd. USD gestiegen. Damit haben
sich die FDI wieder einmal als recht
robuste Größe erwiesen, die eher
längerfristigen strategischen Zielen
folgt. Allerdings reagieren auch
die FDI auf aktuelle Entwicklungen.
Dies zeigt z. B. der Umstand, dass
die separat geführten osteuropäischen »Transition Economies« vor
dem Hintergrund des Konflikts um
die Ukraine 2014 einen Einbruch
um 52 % auf 48 Mrd. USD verkraften
mussten. Auch innerhalb der Gruppe
der Schwellenländer verlief die Entwicklung regional unterschiedlich.
Während der FDI-Zufluss nach »Developing Asia« von 428 Mrd. USD 2013
auf 465 Mrd. USD 2014 stieg, fielen
die Zuflüsse nach Lateinamerika von
186 Mrd. USD auf 159 Mrd. USD.
Nach Afrika flossen 2013 und 2014
konstant je 54 Mrd. USD.
Trotz aller Sorgen um die chinesische Konjunktur ist die Region »Developing Asia« offenbar weiterhin
hoch attraktiv für FDI. Und selbst
das konjunkturell derzeit eher zur
Schwäche neigende China konnte
2014 mit 129 Mrd. USD um 4 % höhere Zuflüsse verbuchen. Vor dem
Hintergrund des gerade in dieser
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
Region anhaltenden Ausbaus interregionaler Wertschöpfungsketten
und sich abzeichnender weiterer
Freihandelsabkommen (z. B. TPP,
RCEP, AEC, ASEAN Economic Community) sollte sich an diesem Trend
wenig ändern. Lateinamerika dürfte dagegen aufgrund hausgemachter Probleme im Vergleich zu den
Vorjahren weiterhin eher schwächere FDI-Zuflüsse verbuchen. Brasilien
leidet unter einer nachlassenden
Wettbewerbsfähigkeit bei anhaltender politischer Lähmung, Argentinien bleibt vorerst vom internationalen Kapitalmarkt ausgeschlossen
und gegenüber den Regierungen
in Venezuela, Bolivien und Ecuador
fehlt den ausländischen Unternehmen oft schlicht das Vertrauen.
Mexiko sollte allerdings von seinen
Reformen und der engen Verzahnung mit der US-Wirtschaft profitieren. Afrika dürfte – von niedrigem
Niveau kommend – bei den FDI-Zuflüssen aufgrund der positiven Entwicklung in zumindest einigen Staaten etwas Nachholpotenzial haben.
Insgesamt schätzt die UNCTAD
im World Investment Report (Juni
2015), dass sich die FDI-Zuflüsse
in Schwellenländer 2015 um rund
4 % und 2016 dann um ca. 16 % erhöhen werden. Die »Transition Economies« sollten nach dem starken
Einbruch 2014 im laufenden Jahr
um rund 5 % und 2016 um ca. 12 %
höhere FDI-Zuflüsse verbuchen.
Es gibt aber auch noch »flüchtige«
PFI und diese reagieren unmittelbar
auf Veränderungen der Stimmungslage an den Finanzmärkten. Hier
war in den Monaten Juli bis September laut IIF tatsächlich ein Abfluss
festzustellen. Insgesamt flossen in
diesen drei Monaten netto rund 40
Mrd. USD aus den Schwellenländern
ab. Im Oktober drehte der Trend
allerdings schon wieder nach oben.
Im Gesamtjahr 2015 wies »Developing Asia« trotz der jüngsten
Abflüsse einen Netto-Zufluss von
50,5 Mrd. USD und Lateinamerika
von 49,7 Mrd. USD auf. Lediglich
»Emerging Europe« musste 2015
wegen der Ukraine-Krise bislang
einen Netto-Abfluss von 29 Mrd.
USD hinnehmen.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
51
Netto-Zuflüsse Portfolioinvestitionen (Mrd. USD)
50
40
30
20
10
0
–10
–20
No
v. 2
De
013
z. 2
013
Jan
.2
014
Feb
.2
014
Mä
r. 2
014
Ap
r. 2
014
Ma
i 20
14
Jun
.2
014
Jul.
201
4
Au
g.
201
4
Sep
.2
014
Ok
t. 2
014
No
v. 2
014
De
z. 2
014
Jan
.2
015
Feb
.2
015
Mä
r. 2
015
Ap
r. 2
015
Ma
i 20
15
Jun
.2
015
Jul.
201
5
Au
g.
201
5
Sep
.2
015
Ok
t. 2
015
–30
»Emerging Asia« (Mrd. USD)
»Emerging Europe« (Mrd. USD)
52
Lateinamerika (Mrd. USD)
Afrika & Mittlerer Osten (Mrd. USD)
Quelle: IIF, LBBW
Von einer für die Schwellenländer
insgesamt bedrohlichen Situation
kann angesichts des im Vergleich
zum erwarteten FDI-Zufluss 2015/16
bisher eher moderaten PFI-Abflusses u. E. noch nicht gesprochen
werden. Aufgrund der durchaus
normalen Volatilität in beide
Richtungen kann der Trend bei den
PFI rasch und kräftig umschlagen,
wenn sich die Risikoaversion etwas
legen sollte.
hohen Anteil notleidender Kredite
am Gesamtkreditvolumen ist
die Situation in einigen Ländern
»Emerging Europes« u. E. aber
deutlich angespannter als in den
übrigen Regionen. In den großen
Schwellenländern Ostasiens und
Lateinamerikas sowie in Südafrika
decken i. d. R. hohe Devisenreserven zumindest die kurzfristige
FX-Verschuldung vollständig ab und
der Bankensektor ist solider.
In Verbindung mit einer relativ
hohen Auslands- bzw. Fremdwährungsverschuldung und einem
Wachstumseinbußen aufgrund
eines raschen Abzugs bzw. verringerten Zuflusses von PFI sind
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
aber möglich. Hier wären vor allem
Länder betroffen, die ein Leistungsbilanzdefizit aufweisen, also
einen Teil ihrer Investitionen durch
ausländisches Kapital finanzieren,
und zudem diese »Spar-Investitions-Lücke« nicht vollständig durch
»robuste« FDI decken, sondern
teilweise durch »flüchtige« PFI.
FDI plus Leistungsbilanzsaldo (% BIP)
(= durch PFI finanzierte Investitionen in % des BIP)
5%
4%
3%
2%
1%
0%
–1%
–2%
–3%
–4%
–5%
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Ch n
in
a
–6%
Ausländ. Direktinvestitionen (netto; % BIP) + Leistungsbilanzsaldo (% BIP) (Mittelwert 3 Jahre)
Quelle: Thomson Reuters, LBBW
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
53
Risiko 4.
Droht ein Crash am US-Rentenmarkt à la 1994?
»Die Fed hätte
schon lange die
Leitzinswende
einläuten sollen.«
Dirk Chlench
Sollte die Federal Reserve wider unserer Erwartung das Einläuten der
Leitzinswende im Dezember 2015
weiter in die Zukunft verschieben,
so läuft die US-Notenbank damit
Gefahr, einen Inflationsprozess
auszulösen, welcher später nur
noch mit aggressiven Leitzinserhöhungen einzufangen ist. Die Anleger am US-Rentenmarkt würden
angesichts des äußerst flachen am
Markt eskomptierten Leitzinserhöhungspfads auf dramatische Weise
auf dem falschen Fuß erwischt. In
der Folge wäre mit einem Emporschnellen der US-Langfristzinsen zu
rechnen, ähnlich der Entwicklung
im Jahr 1994, als die Renditen
10-jähriger Staatsanleihen im
Jahresverlauf um 2 %-Punkte in die
Höhe schossen.
54
Die US-Notenbank ist – im Gegensatz zu vielen anderen wichtigen
Zentralbanken – nicht vorrangig
der Wahrung der Preisstabilität verpflichtet, sondern hat den Auftrag,
maximale Beschäftigung, stabile
Preise und moderate Langfristzinsen zu fördern. Es besteht im Hinblick auf das Ziel einer maximalen
Beschäftigung allerdings kein breiter Konsens über dessen Definition.
Die Arbeitslosenquote wurde von
Janet L. Yellen im März 2013 noch
als »best single indicator of current
labor market conditions« bezeichnet und ist seitdem weiter kräftig
gefallen. Im September 2015 belief
sich die Arbeitslosenquote auf nur
noch 5,1 % und verzeichnete damit
nicht nur ihr geringstes Niveau seit
April 2008, sondern liegt nunmehr
auch innerhalb des Bands der FedSchätzungen für das »natürliche«
Niveau der Arbeitslosenquote.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
US-Arbeitslosenquote und »natürliche« Arbeitslosenquote
11
10
9
8
7
6
5
4
2008
2009
Arbeitslosenquote
2010
2011
2012
2013
2014
2015
Projektionen der FOMC-Teilnehmer für die natürliche Arbeitslosenquote
Quelle: Thomson Reuters, Federal Reserve, LBBW Research
Gleichwohl hat die US-Notenbank
noch nicht einmal begonnen, ihren
Tagesgeldzielsatz nach oben zu
schleusen. Janet Yellen wies in der
genannten Rede jedoch auch darauf
hin, dass die Arbeitslosenquote als
Indikator für die Arbeitsmarktlage
Schwachstellen habe. Sie könne
allein deshalb sinken, weil Arbeitslose aus Enttäuschung die Suche
nach einem Arbeitsplatz aufgegeben haben und damit aus dem
Kreis der Erwerbspersonen fallen.
Zusätzlich zu den Daten über
Beschäftigung und Arbeitslosigkeit
wird daher die Entwicklung von
Bruttogrößen des Arbeitsmarkts
verfolgt, wie z. B. die Anzahl der
offenen Stellen. Diese Zahl schoss
im Juli 2015 auf 5,7 Mio. nach oben
und markierte damit ein Allzeithoch. Im August folgte ein kleiner
Rücksetzer.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
55
US-Leitzins und offene Stellen
6.000
7
6
5.000
5
4
4.000
3
2
3.000
1
2.000
0
2000
2002
2004
2006
2008
Tagesgeldzielsatz (ab 16.12.08 oberer Rand des Zielbandes)
2010
2012
2014
Offene Stellen (in Tsd., rechte Skala)
Quelle: Thomson Reuters
Nimmt man die Politik der Federal
Reserve in der vorangegangenen
Zinserhöhungsphase als Maßstab,
hätten die Währungshüter angesichts der steilen Aufwärtsentwicklung bei der Anzahl der offenen
Stellen an und für sich schon vor
geraumer Zeit die Leitzinswende
einläuten sollen.
Die Fed-Präsidentin relativiert die
Aussagekraft der Arbeitslosenquote
jedoch auch wiederholt durch den
Hinweis, dass viele Arbeitnehmer
notgedrungen einer Teilzeitbe56
schäftigung nachgehen, aber eine
Vollzeitbeschäftigung suchen. Die
US-Notenbank veröffentlichte im
Mai 2014 erstmalig einen Sammelindex für den Arbeitsmarkt,
in welchen auch der Anteil der
unfreiwillig Teilzeitbeschäftigten
an den Erwerbspersonen eingeht,
um die nicht selten widersprüchlichen Signale der verschiedenen
Arbeitsmarktindikatoren in einem
Gesamtindikator zu bündeln. Einige
Skeptiker unkten damals jedoch,
dass die Berechnung des Sammelindikators lediglich dazu dienen
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
sollte, der Federal Reserve ein
Argument an die Hand zu liefern,
trotz der rasch fallenden Arbeitslosenquote an ihrem ultra-expansiven
geldpolitischen Kurs festhalten zu
können. Auch dieser Sammelindikator deutet seit geraumer Zeit
darauf hin, dass die Kapazitäten am
Arbeitsmarkt weitgehend ausgeschöpft sind: Im September 2015
lag er nach unseren Berechnungen
mit 97 Indexpunkten nahe der
Niveaus der vorangegangenen vier
zyklischen Hochs. In der Vergangenheit ging in Erholungsphasen
ein Indexstand von 97 Punkten
allerdings mit einen Tagesgeldzielsatz von durchschnittlich 5,8 %
einher.
US-Leitzins und Sammelindikator für den Arbeitsmarkt
20
200
18
150
16
100
14
50
12
0
10
–50
–100
8
7,31
6,75
–150
6
5,00
4,00
4
–200
–250
2
0,25
–300
0
1976
1980
1984
1988
1992
Tagesgeldzielsatz (ab Ende 2008: oberer Rand des Zielbandes)
1996
2000
2004
2008
2012
Fed-Arbeitsmarktindikator
Quelle: Thomson Reuters, LBBW Research
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
57
Die Tauben im Offenmarktausschuss dürften indes argumentieren, dass die geringe Inflationsrate
der Federal Reserve die Möglichkeit
verschafft, durch ein Festhalten am
ultra-expansiven Kurs der gesetzlichen Zielvorgabe einer maximalen Beschäftigung noch näher zu
kommen. Die Veränderungsrate
des Deflators des persönlichen
Verbrauchs – die von der Federal
Reserve bevorzugte Messgröße für
die Inflation – lag im August 2015
zwar lediglich bei 0,3 % und damit
deutlich unterhalb des Fed-Zielwerts
von 2 %. Diese niedrige Inflationsrate ist jedoch vor allem dem Verfall
der Energiepreise geschuldet. Da
die niedrigen Energiepreise um
den Jahreswechsel 2014/2015 in
den nächsten Monaten aus dem
Vorjahresvergleich herausfallen
werden, ist für die nächsten Monate
58
ein Emporschnellen der Inflation zu
erwarten. Dies gilt umso mehr, da
nach Berechnungen der Federal Reserve Bank of Dallas der getrimmte
Mittelwert der gewichteten Preisveränderungen über zwölf Monate
– ein Maß für die unterliegende
Inflation – von 1,6 % im Juli auf
1,7 % im August anzog. Angesichts
dessen könnten die Währungshüter
Anfang des nächsten Jahres eine
Wirtschaftslage vorfinden, welche
durch eine Inflationsrate von größer
als 2 % und einer Arbeitslosenquote von unter 5 % gekennzeichnet
sein wird. Setzt man diese Zahlen
in eine Variante der Taylor-Regel,
welche der Präsident der Federal
Reserve Bank of St. Louis James
Bullard im November 2014 präsentiert hatte, ein, so ergibt sich ein
dafür angemessener Tagesgeldsatz
von über 4 %.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
Risiko 5.
Das »Japan-Szenario«: Bedroht eine Deflation den
Aufschwung der Industrieländer?
»Die Inflation
ist derzeit
ungewöhnlich
niedrig.«
Matthias Krieger
Unter dem »Japan-Szenario« versteht man eine von anhaltender
Deflation und stagnierendem
Wachstum gekennzeichnete Phase.
Die Inflationsraten im Euroraum
und in den USA liegen in der Tat
nahe 0 %. Entspannter ist die Lage,
wenn man die gefallenen Rohstoffbzw. Ölpreise berücksichtigt. »Ex
Energy« liegen die Preissteigerungsraten in den USA bei 1,9 %, im Euroraum bei 1,0 %. Da bei den Ölpreisen
aber seit Anfang 2015 eine Bodenbildung zu beobachten ist, dürften
sich die Inflationsraten 2016 den
Raten »Ex Energy« annähern. Gleichwohl: die Inflation ist derzeit ungewöhnlich niedrig.
Eine ähnliche Entwicklung wie
im Japan der 1990er und frühen
2000er Jahre lässt sich bei den
»Non Performing Loans« (NPL) erkennen. In Japan lagen diese in der
Spitze bei 10 % des Kreditvolumens.
Im Euroraum hat die NPL-Quote
8 % überschritten. Wenn Banken
keine Kredite mehr vergeben, um
zusätzliche Risiken zu vermeiden,
oder aus regulatorischen Gründen, könnte ein »Credit Crunch«
wie in Japan in Abschwung und
Deflation münden. In den USA und
in Großbritannien existiert diese
Parallele nicht. Der Bankensektor
wurde dort rasch konsolidiert und
die NPL-Quote liegt unter 2 %. Aber
auch die Entwicklung der Kreditvergabe im Euroraum spricht gegen
einen »Credit Crunch«. Nach drei
Jahren mit Rückgängen ist die
Kreditvergabe seit 2015 ansteigend.
Im Unterschied zu Japan gibt es im
Euroraum zudem große Länder, die
kein Bankenproblem haben (z. B.
Deutschland) und folglich nicht nur
als Konjunkturmotoren fungieren,
sondern deren Banken innerhalb
des Euroraums auch als Kreditgeber auftreten können. Gleichwohl
könnte eine Deflation in Staaten mit
hohen NPL-Quoten (Griechenland,
Zypern, Irland, Italien, Spanien)
auftreten. Allerdings gibt es dort
auch gute Gründe für einen Rückgang des Preisniveaus, denn diese
Staaten haben ein Problem mit ihrer
Wettbewerbsfähigkeit. Sinkende
Preise würden letztere verbessern
und diese Länder attraktiver für
Investitionen machen. Der Aufbau
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
59
einer leistungsfähigen Industrie
erfordert hier ein günstigeres
Kostenniveau.
Aber zwingt eine Deflation die Wirtschaft nicht in die Knie, weil Verbraucher auf sinkende Preise warten und den Konsum reduzieren?
Diese Sicht ist von der Depression
der 1930er Jahre und vom Japan
der 1990er Jahre geprägt. Die Bank
für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) hat Deflationsphasen
in 38 Ländern im Zeitraum 1870
bis 2013 untersucht und kommt zu
einem anderen Ergebnis. Deflationsphasen gehen nicht öfter mit
einem schwachen BIP-Wachstum
einher als Inflationsphasen. Um den
Anstieg des Wohlstands zu bestimmen, muss der Zuwachs des realen
BIP pro Kopf gemessen werden. In
Japan schrumpft die Bevölkerung
aber. Real und pro Kopf ist das BIP
in Japan zwischen 2000 und 2013
fast so schnell gestiegen wie in den
USA. Nach dem 2. Weltkrieg lag bei
den untersuchten 38 Staaten das
reale Wachstum pro Kopf in Deflationsphasen bei im Mittel 3,2 %, in
Inflationsphasen nur bei 2,7 %.
60
Was den privaten Konsum und die
Investitionen anbelangt, ist eine Deflation ambivalent. Fallende Preise
haben auch positive Effekte, sofern
die Deflation »angebotsgetrieben«
ist. Wenn z. B. durch hohe Produktivitätssteigerungen oder fallende
Input-Preise (z. B. Öl oder Löhne)
die Produktionskosten sinken,
können auch die Güterpreise fallen,
was den Konsum nicht dämpft,
sondern belebt. Diesen Effekt kennt
man z. B. aus der IT-Branche. Trotz
fallender Preise steigen dort auch
die Investitionen. Generell sind
Investitionen attraktiv, solange die
Kosten stärker fallen als die Preise.
Vor allem Exporteure profitieren
hier, weil sich so deren internationale Wettbewerbsfähigkeit verbessert. Sind bei geringer Produktivitätssteigerung und fallenden
Preisen aber z. B. die Löhne starr,
steigen auch die Lohnstückkosten.
In diesem Falle bewirkt Deflation
ein niedrigeres reales Wachstum.
Wichtig ist also, dass kriselnde
Euro-Staaten für Flexibilität bei den
Kosten sorgen. Steigende Löhne
wären in einer Deflation sonst Gift.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
Auch auf der Vermögensseite ist
Deflation nicht eindeutig. Bei fallenden Preisen steigt zwar die reale
Schuldenlast der Kreditnehmer,
das reale Vermögen der Gläubiger
nimmt aber zu und die Kaufkraft
von Sparvermögen und gezahlten Löhne steigt. Ob mehr oder
weniger konsumiert wird, hat in
einer milden Deflation eher mit den
gefühlten Zukunftsperspektiven zu
tun als mit um vielleicht 1 % p. a.
fallenden Preisen. Zwangsläufig ist
ein schwächeres Wachstum nicht.
Dies zeigt das Beispiel Spanien.
Während die Preise fallen (September –1,2 % Y/Y), dürfte das Land
2016 mit 2,5 % stärker wachsen als
der Euroraum (1,5 %).
Eindeutig negativ ist allerdings eine
nachhaltige Assetpreis-Deflation,
wie sie in der Depression der
1930er Jahre und in Japan auftrat.
Bei einem kräftigen, dauerhaften
Fall von Aktien- und Immobilienpreisen gibt es nur Verlierer. Der
Reichtum eines Landes sinkt – alle
werden ärmer. Dies hat negative
Auswirkungen auf den privaten
Konsum und die Investitionen.
Kommt es zu steigenden Insolven-
zen und waren die Kredite nahezu
ausschließlich durch Immobilien
besichert wie in Japan (im Euroraum
nur z. T.), kann deren Wertverfall zu
einer lang andauernden Bilanzrezession mit Deflation führen.
Im Euroraum gab es unterschiedlich
kräftige Rückgänge der Immobilienpreise, die aber alle geringer
ausfielen als in Japan (Japan: – 59 %
laut Japan Real Estate Institute;
Euroraum insgesamt: – 8 % laut
OECD). Im Aggregat steigen die
Immobilienpreise im Euroraum seit
Anfang 2014 wieder langsam an
und die Aktienkurse haben sich
hier im Gegensatz zum Japan der
1990er Jahre signifikant erholt.
Die von einer Assetpreis-Deflation
ausgehenden Gefahren sind also
erheblich geringer und länderspezifisch wie die NPL-Quote und
die Wettbewerbsfähigkeit. Wichtig
ist, wo nötig die Bankensanierung
voranzubringen und im Falle einer
milden Deflation die Kostenfaktoren (z. B. Löhne) flexibel zu halten.
Dann ist eine Deflation eine Chance, verlorene Wettbewerbsfähigkeit
zurückzugewinnen.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
61
Risiko 6.
Kapitalmärkte trocknen aus.
»Bond-Dealer
halten weniger
Anleihebestände.«
Das Handelsvolumen ist hierbei
nach der Finanzkrise – analog zum
US-Treasury-Markt – deutlich eingebrochen, bei gleichzeitig gestiegenem ausstehendem Volumen.
Thomas Klee
Während die großen Notenbanken
der Welt sich in den vergangenen
Jahren in einer beispiellos lockeren
Geldpolitik versuchen und damit
die Märkte mit Liquidität geradezu
geflutet haben bzw. dies aktuell
weiterhin tun, wird gleichzeitig
über eine mangelnde Marktliquidität diskutiert.
Ein deutlicher Trend wird beispielsweise bei der längerfristigen Betrachtung des Handelsvolumens bei
den US-Treasuries ersichtlich. Setzt
man dieses in Relation zum spürbar
angestiegenen ausstehenden Nominal von US-Staatstiteln, so ist eine
deutlich gesunkene Umschlagshäufigkeit erkennbar.
Und auch der Blick auf den europäischen Markt lässt ein ähnliches
Muster erkennen (Bund-Future als
Indikator für das Handelsvolumen).
62
Was waren also mögliche Auslöser
für die geringere Liquidität an den
Märkten? Ein wesentliches Element
hierbei dürften deutlich gestiegene
regulatorische Anforderungen infolge der Finanzkrise gewesen sein.
Strengere Regulierungsvorgaben
haben dazu geführt, dass BondDealer nicht mehr wie im gewohnten Umfang Anleihebestände halten
und der Handel – vor allem auch
untereinander – deutlich abgenommen hat.
Zudem dürfte sicherlich auch die
expansive Geldpolitik der Fed und
jetzt auch der EZB einen gewichtigen Anteil gehabt haben. Beide
Notenbanken haben ihre Bilanzsummen im Rahmen der QE-Maßnahmen massiv ausgeweitet und
halten hohe Bestände, die dementsprechend nicht im Umlauf sind.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
Welche Empfehlung leitet sich hieraus für den Anleger nun ab? Aktive
Handlungsmöglichkeiten bieten
sich kaum. Legt man als Investor
Wert auf eine höchstmögliche
Liquidität im Fixed-Income-Bereich,
so bleibt nur die konsequente
Ausrichtung auf die liquidesten
Subsegmente (insbesondere USTreasuries und Anleihen der großen
europäischen Sovereign-Emittenten). Doch auch diese sind – wie
oben dargestellt – nicht von der
abnehmenden Liquidität und deren
Auswirkungen verschont, wenn
auch sicherlich insgesamt weiterhin
weniger betroffen als beispielsweise Corporate-Bonds. Letztere
gelten ohnehin als weniger liquides
Segment des Fixed-Income-Markts,
etwas das sich in den letzten
Jahren nochmals verschlechtert hat.
Anleger sollten hier auf möglichst
»frische« Emissionen mit hohem
Emissionsvolumen setzen, wenn Liquidität ein wichtiger Faktor bei der
Anlageentscheidung ist. Allerdings
erfordert diese Strategie häufiges
Umschichten, da die Liquidität über
die Laufzeit rapide abnimmt. Des
Weiteren bezahlt man hierbei auch
in Form einer geringeren Liquiditätsprämie. Für Anleger mit langem
Atem bieten sich dadurch jedoch
Chancen. Wer in der komfortablen
Situation ist, auf Marktschwankungen während der Laufzeit nur
wenig achten zu müssen, und nur
an der pünktlichen und vollumfänglichen Zins- und Tilgungsleistung
interessiert ist, der kann gezielt
Kaufgelegenheiten bei weniger
liquiden Titeln wahrnehmen und
die Liquiditätsprämie zusätzlich
vereinnahmen.
Ansonsten bleibt zu sagen, dass
das Wissen um diese Situation in
Phasen hoher Kursschwankungen
dazu beitragen soll, einen ruhigen Kopf zu bewahren. Oftmals
könnten diese Ausschläge nämlich
fundamental nicht in dem Ausmaß
gerechtfertigt sein, welches sich
zunächst einstellt; ein Einpendeln
auf einem »normaleren« Niveau ist
dann dennoch wahrscheinlich, aber
womöglich langwieriger, als es auf
einem idealtypischen Markt der Fall
wäre.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
63
64
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
5 Unsere Prognosen für 2016.
Zinsanstieg in den USA kommt
mit Verzögerung zum Jahresende 2015; erweitertes EZB-Programm hält Bundrenditen sehr
niedrig; längere Bodenbildungsphase steht bevor; Bonitätsrisiken weiterhin gegenüber Durationsrisiken bevorzugen; Euro
verliert zum US-Dollar weiter
an Boden, bleibt aber über der
Parität; Rohstoffpreise in einer Bodenbildung; Goldpreise
dürften wieder anziehen; DAX
erreicht zum Jahresende 2016
wieder fast sein Allzeithoch.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
65
Wachstumsprognosen.
66
1,5 %
Unsere Wachstumsprognose
für die Eurozone 2016
1,7 %
Unsere Wachstumsprognose
für Deutschland 2016
2,8 %
Unsere Wachstumsprognose
für USA 2016
3,6 %
Unsere Wachstumsprognose
für die Welt 2016
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
5.1 Zinsen/Spreads.
Elmar Völker
Wann kommt die
Leitzinswende der
US-Notenbank?
Dies war eine der
zentralen Fragen,
die den Rentenmarkt im Jahr 2015
bewegt hat. Unsere Prognose, dass
dieser Schritt bereits relativ früh
im laufenden Jahr erfolgen dürfte
und mithin ein Zeichen gesetzt
würde, dass der »Ausnahmezustand« von Zinsen nahe Null in
der industrialisierten Welt langsam
ausläuft, war für uns vor Jahresfrist ein zentrales Argument, um
von steigenden Langfristrenditen
sowohl bei US-Staatsanleihen als
auch (in moderaterem Umfang)
bei deutschen Bundesanleihen
auszugehen. Die Tatsache, dass
die Eingangsfrage bis jetzt noch
einer Antwort harrt, ist ein wesentlicher Grund dafür, dass Anleger
in sicheren Staatsanleihen statt
der von uns erwarteten Kursrückschläge im bisherigen Jahresverlauf
erneut positive Erträge verbuchen
konnten. Noch spärlicher erscheint
nunmehr gleichsam die Ausgangsbasis für künftige Erträge. Die im
Vorjahresvergleich nochmals leicht
niedrigeren Langfristrenditen bei
Euro-Staatsanleihen verdanken wir
allerdings auch der EZB, denn die
Euro-Währungshüter haben ein Anleihekaufprogramm gestartet, welches in seinem Umfang die meisten
Markterwartungen übertroffen hat.
Die Marktwirkung dieses ersten
QE-Programms im Euroraum war
aber auch ambivalent: Die Euphorie
der Rentenmarktteilnehmer war
vor allem im Vorfeld und in der
Anfangsphase des Programms
groß, als 10-jährige Bundesanleihen
zeitweise nur noch knapp über der
Nullmarke rentierten und selbst
italienische Langläufer lediglich
noch rund 1 % Rendite abwarfen.
Die folgenden Monate waren jedoch
durch teils heftige Kursausschläge
nach unten gekennzeichnet, die
sich von dem vorangegangenen
stetigen Kursaufwärtstrend scharf
abhoben. In stabileres Fahrwasser
kam der Staatsanleihemarkt dann
erst wieder im Herbst, als die EZB
in Aussicht stellte, die Dosierung
ihrer geldpolitischen Lockerungsmaßnahmen nochmals zu erhöhen
und damit den vor dem Start des
QE-Programms beobachteten Mechanismus der »Vorfreude« wieder
in Gang setzte. Für höherverzinsliche (Unternehmens-)Anleihen war
der Herbst indes zeitweise eine
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
67
schwierige Phase, da wachsende
Sorgen um die Konjunktur in China
und Hiobsbotschaften bei einzelnen
Namen für hohe Verunsicherung
gesorgt haben.
Die US-Notenbank hat zuletzt mit
dem Signal ihrer Bereitschaft zum
»Lift-Off« noch in diesem Jahr u. E.
demonstriert, dass sie sich durch
die Entwicklung in Asien oder
Europa nicht grundsätzlich von
ihrem Kurs abbringen lassen will.
Stabile Wachstumsaussichten für
die USA und den Euroraum lassen
es, für sich genommen, nicht
notwendig erscheinen, dass die
großen Notenbanken den geldpolitischen Unterstützungsgrad weiter
erhöhen oder von einem avisierten
vorsichtigen Entzug absehen. Sorge
vor verstärkten Turbulenzen an
den Finanzmärkten, die angesichts
lahmender Konjunktur und teils hoher Dollar-Verschuldung in einigen
Schwellenländern angstvoll nach
Washington blicken, erscheint allerdings als ein gewichtiger Faktor für
das bisherige Zögern. Der Handlungsspielraum der Fed auf der
Zinsseite wird hierdurch auch nach
vorne schauend eingeschränkt. Auf
der anderen Seite geht die Phase
extrem niedriger Inflationsraten,
68
die das laufende Jahr geprägt hat,
schon aufgrund von Basiseffekten zu Ende. In realer Rechnung
erwarten wir daher sinkende Zinsen
sowohl für kurze als auch für lange
Laufzeiten in den USA und im
Euroraum. In nominaler Rechnung
könnte bei der Zinsentwicklung
im kommenden Jahr manches in
der Tat ähnlich ablaufen wie 2015:
Die »EZB-Wette« trägt die Renditen
langlaufender Anleihen kurzfristig
noch weiter nach unten und sorgt
auch für eine erneute Einengung
der Risikoaufschläge am Anleihemarkt. Während eine Tendenz
zu sinkenden Risikoaufschlägen
auch von einigen fundamentalen
Argumenten (Reformen in den
Staaten der Euroraum-Peripherie,
moderate Ausfallraten im Unternehmenssektor) gestützt wird, dürften
viele spekulative Anleger aus der
»EZB-Wette« nach einer erfolgten
Ausweitung des QE-Programms
wieder aussteigen, um Gewinne
zu realisieren. Weitere volatile
Marktphasen mit empfindlichen
Renditeausschlägen nach oben
bei langlaufenden Bundesanleihen
wie im Sommer 2015 sind daher
wahrscheinlich. Sollte man solche
Renditeausschläge nach oben für
eine Verlängerung der Duration
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
in Anleiheportfolios nutzen? Wir
halten dies im Grundsatz bei höherverzinslichen Anleihen (Staatsanleihen der Euroraum-Peripherie,
High-Yield-Unternehmensanleihen)
für ratsam, sofern es die Marktliquidität zulässt. Interessant sind vor
dem Hintergrund relativ niedriger
am Markt eingepreister Inflationserwartungen in einem Umfeld
anziehender Inflationsraten auch
inflationsgeschützte Staatsanleihen.
Eine Anlage in US-Staatsanleihen
anstatt in deutsche Bundesanleihen
erscheint angesichts des hohen
Zinsvorteils der USD-Papiere auf
den ersten Blick attraktiv und hat
sich im laufenden Jahr in der Tat
bisher auch ausgezahlt. Es gilt
jedoch zu bedenken, dass die
Mehrzahl der Marktteilnehmer trotz
der zuletzt wieder hawkischeren
Signale davon ausgeht, dass die
US-Notenbank ihre Leitzinsen in
den kommenden Monaten nur in
homöopathischen Dosen anheben
wird. Da die USD-Zinskurve für eine
laufende Niedrigzinsphase bereits
relativ flach geworden ist, sehen wir
bei anziehenden Inflationsraten das
Risiko, dass langlaufende US-Staats-
anleihen im Zuge einer Kurvenversteilerung unter Druck geraten.
Impulse für steigende US-Langfristzinsen könnten zudem durch
fortgesetzte Verkäufe ausländischer
Staaten (insb. China) kommen, die
ihre Währungsreserven verstärkt
zur Stützung von heimischer
Wirtschaft und Währung benötigen.
10-jährige US-Treasuries erscheinen
bei Renditeniveaus um oder gar
unter 2 % indes aus fundamentaler
Sicht deutlich zu teuer. In diesem
Kontext sollte bereits der von uns
prognostizierte moderate Anstieg
des US-Leitzinses auf 1,25 % per
Jahresende 2016 ausreichen, um
das Marktgleichgewicht auf ein
Renditeniveau von 2,5 % bis 3 % zu
verschieben. Da sich die 10-jährige
Bundrendite mit EZB-Unterstützung
über weite Strecken des kommenden
Jahres innerhalb der im Jahr 2015
etablierten Bandbreite bewegen
sollte, halten wir unverändert eine
moderate Ausweitung der transatlantischen Renditedifferenz für
wahrscheinlich, sodass US-Staatsanleihen trotz Zinsvorsprung zu
relativer Schwäche (ohne Berücksichtigung von Wechselkursbewegungen) neigen sollten.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
69
LBBW-Prognosen (per Quartalsende)
31.12.14
EZB Hauptrefinanzierungssatz
EZB Einlagesatz
3M Euribor
31.10.15
Q4/15
Q2/16
Q4/16
0,05
0,05
0,05
0,05
0,05
–0,20
–0,20
–0,20
–0,20
–0,20
0,08
–0,07
–0,05
–0,05
0,00
2Y Bund
–0,10
–0,32
–0,25
–0,20
–0,10
5Y Bund
0,02
–0,07
–0,05
0,05
0,25
10Y Bund
0,54
0,53
0,50
0,75
1,00
2Y EUR-Swap
0,18
–0,02
0,05
0,10
0,20
5Y EUR-Swap
0,36
0,28
0,30
0,40
0,55
10Y EUR-Swap
0,81
0,91
0,90
1,15
1,35
US-Leitzins *
0,25
0,25
0,50
0,75
1,25
10Y US-Staat
2,17
2,16
2,25
2,50
2,80
* Obergrenze des Zielbands.
Das strukturelle Niedrigzinsumfeld
im Euroraum hält auch im Jahr 2016
weiter an: Eine erneute Runde der
geldpolitischen Lockerung durch
die EZB begrenzt das Aufwärtspotenzial für die Langfristzinsen,
70
nach einer Phase der Bodenbildung
dürften steigende US-Zinsen aber
dennoch für leichten Auftrieb und
eine Annäherung an die Obergrenze der jüngsten Handelsspanne
sorgen.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
5.2 Währungen.
Währungsturbulenzen bieten Chancen.
Martin Güth
Das Jahr 2015 begann für den Euro
sehr schwach. Doch
bereits ab Mitte
März konnte sich
die Gemeinschaftswährung wieder
stabilisieren. Nervöse Finanzmärkte
und fallende Rohstoffpreise ließen
zudem im dritten Quartal viele
höherverzinsliche und rohstoffabhängige Währungen ins Taumeln
geraten, sodass der Euro gegenüber
diesen Währungen inzwischen sogar
seit Jahresbeginn z. T. deutlich im
Plus ist.
Nach vorne blickend gehen wir
davon aus, dass die Euro-Erholung
der letzten Monate auslaufen
dürfte und das Jahr 2016 insgesamt
erneut ein eher schlechtes für den
Euro wird. Wirtschaftlich dürfte sich
der Euroraum zwar weiter erholen,
doch die Notenbanken werden
weiterhin einen dominierenden
Einfluss auf die Märkte ausüben.
So hat die EZB ihre Bereitschaft zu
einer weiteren Ausweitung ihrer
Bilanz klar signalisiert. Für einen
schwächeren Euro spricht, dass die
amerikanische und die britische
Notenbank u. E. schneller ihre
Leitzinsen erhöhen werden, als
dies derzeit eingepreist ist. Auch
hinsichtlich der US-Konjunktur
sind wir eher optimistisch. Wir
rechnen daher zur Mitte 2016 mit
einem EURUSD-Kurs von 1,05 und
zum Jahresende mit 1,08 EURUSD.
Mit der Konjunkturerholung im
Euroraum sollte das Argument der
Kaufkraftparität (aktuell bei 1,28
EURUSD) an Bedeutung gewinnen,
und auch die derzeit sehr optimistischen Positionierungen der Händler
sich erfahrungsgemäß früher oder
später wieder umkehren. Das
Britische Pfund, das aktuell einige
Parallelen zur Situation des USDollars aufweist, dürfte zum Euro
auf etwa 0,70 EURGBP zulegen.
Der Wirtschaftsaufschwung ist im
Königreich intakt und die Arbeitslosenquote hat ihr Vorkrisenniveau
bereits wieder erreicht.
Der Schweizer Franken sollte sich
nach dem Aufwertungsschock
im Januar 2015 im kommenden
Jahr in vergleichsweise ruhigen
Bahnen bewegen. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) trägt mit
– wohldosierten – Devisenmarktinterventionen offenbar immer noch
dazu bei, dass der Franken nicht
erneut aufwertet. Daneben macht
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
71
der deutlich negative Einlagenzins
der Notenbank von –0,75 % den
Franken unattraktiv. Eine weitere
Lockerung der Geldpolitik seitens
der EZB birgt zwar das Risiko
neuerlichen Aufwertungsdrucks
auf den Franken. Wir gehen aber
davon aus, dass die SNB im Zweifel
dagegenhalten wird. Deshalb und
aufgrund des hohen Bewertungsniveaus des Franken rechnen wir mit
einer leichten Franken-Abwertung
auf 1,12 EURCHF zum Jahresende
2016.
Auch für den Japanischen Yen
erwarten wir eine schwächere
Entwicklung, da uns die Reformen
der Regierung nicht überzeugen
und wir deshalb mit einer weiteren Lockerung der Geldpolitik
rechnen. Davon abgesehen sind
wir aber für eine ganze Reihe von
Währungen – neben dem schon
erwähnten US-Dollar und Britischen
Pfund – durchaus optimistisch. Die
72
rohstoffabhängigen Währungen wie
die Norwegische Krone oder der
Kanadische Dollar sollten von einer
gewissen Erholung des Ölpreises
profitieren. Bei diesen Währungen
ist aus unserer Sicht inzwischen ein
sehr negatives globales Konjunkturszenario eingepreist, das wir
in diesem Maß nicht teilen. Etwas
kühleren Kopf zu bewahren, könnte
sich auch im Fall der Türkischen
Lira bezahlt machen. Hier gibt es
zweifellos viele Negativschlagzeilen, doch sehen wir diese bereits
mehr als ausreichend im Wechselkurs berücksichtigt. Positiv dürften
sich 2016 auch die Schwedische
Krone, der Polnische Zloty und die
Tschechische Krone entwickeln.
In allen drei Ländern wächst die
Wirtschaft in einer Größenordnung
von ansehnlichen 3 % oder darüber. Anlegern bieten sich somit im
kommenden Jahr eine Reihe von
Opportunitäten, außerhalb des
Euroraums Erträge zu erzielen.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
5.3 Rohstoffmarkt.
2016: Trendwende erwartet.
dürfte der marktbreite Bloomberg
Commodity Index damit bereits im
fünften Jahr in Folge nachgeben.
Vor allem die Notierungen für Basismetalle und Energierohstoffe gingen in den letzten Monaten deutlich
zurück. So ging es 2015 beispielsweise für Erdöl, US-Erdgas, Nickel
und Aluminium bis Ende Oktober
um 25 % bis 30 % nach unten!
Dr. Frank
Schallenberger
Gesamtmarkt
Die Preise für Rohstoffe haben sich
auch im Jahr 2015
überwiegend ermäßigt. Sofern sich
das Preisniveau bis zum Jahresende nicht mehr gravierend ändert,
Bloomberg Rohstoff Index auf tiefstem Niveau seit 1999
240
220
200
180
160
140
120
100
80
60
96
97
98
99
00
01
02
03
04
Bloomberg Commodity Index (ER) in USD
Für den Gesamtmarkt bedeutet
dies, dass die Rohstoffpreise – gemessen am Bloomberg Commodity
Index (ER) – das niedrigste Niveau
05
06
07
08
09
10
11
12
13
14
15
Quelle: Thomson Reuters, LBBW Research
seit 1999 erreicht haben. Vor dem
Hintergrund dieses 16-Jahrestiefs
ist für die Akteure an den Rohstoffmärkten Besonnenheit mehr denn
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
73
je gefragt. Bei nüchterner Betrachtung ist für Rohstoffe von der Nachfrageseite tendenziell eine weitere
Zunahme zu erwarten. Sofern die
Weltwirtschaft auch 2016 relativ solide zulegt und insbesondere China
– als einer der wichtigsten Rohstoffnachfrager – konjunkturell keine
starken Einbrüche verzeichnet, wird
auch der weltweite Rohstoffbedarf
erneut ansteigen. Ganz anders
sieht jedoch die Angebotsseite aus.
Minenunternehmen und Ölförderer kürzen ihre Investitionen und
fahren die Produktion aufgrund
des niedrigen Preisniveaus und
der damit verbundenen unrentablen Förderung in vielen Fällen
zurück. Bei mehreren Basismetallen
zeichnet sich bereits für 2016 ein
Angebotsdefizit ab – und selbst der
immer noch stark überversorgte Ölmarkt sollte in den nächsten 12 bis
18 Monaten wieder ausgeglichen
sein. Das Fazit für den Rohstoffmarkt lautet daher: Der Boden bei
den Rohstoffpreisen dürfte erreicht
sein. Der Mix aus solider Nachfrage
und bröckelndem Angebot stellt
jetzt die Weichen für wieder steigende Rohstoffnotierungen.
74
Energie
Quizfrage: Wie hoch war der Ölpreis der Benchmark Brent im Jahr
2014? Antwort: Es kommt darauf
an! Im Jahresdurchschnitt bei 99 USD
je Barrel und zum Jahresende bei
55 USD. Nach dem OPEC-Meeting
im November 2014 wurde allmählich klar, dass Saudi-Arabien seine
Rolle als Swing-Produzent aufgibt
und Anbieter außerhalb des Kartells
aus dem Markt drängen möchte.
Die Förderpolitik der OPEC blieb
daher expansiv und im Jahresverlauf 2015 erreichte Saudi-Arabien
sogar neue Förderrekorde. Dies
führte naturgemäß zu einem
Überangebot an den Rohölmärkten,
was die Preise bis ins Jahr 2015
hinein kräftig unter Druck brachte.
Besonders im Fokus des Kartells:
Schieferöl in den USA, wo dank
innovativer Fracking-Technologie
die Produktion zuvor um jährlich
knapp eine Mio. Barrel pro Tag
gesteigert werden konnte. Zu den
nun tieferen Preisniveaus sollte
die Förderung unrentabel werden. Allerdings erwiesen sich die
Fracking-Unternehmen robuster als
erwartet: Die Produktion wurde auf
die ergiebigsten Felder konzentriert
und die gleichermaßen niedrigeren
Kosten für Ölausrüstung und -ser-
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
vice drückten auf die Break-EvenPreise. Erst seit Mitte des Jahres ist
die US-Förderung rückläufig. Die
Zykluskräfte wirken also allmählich,
auch außerhalb der USA, weil die
Investitionsbudgets der Ölkonzerne kräftig reduziert wurden. Auch
auf der Nachfrageseite sorgte das
niedrige Preisniveau bisher für eine
deutliche Belebung. Dennoch dürfte
das derzeitige Überangebot (im
Gesamtjahr 2015 dürften pro Tag
rund 1,5 Mio. Barrel in die globalen
Lager fließen) noch bis weit ins Jahr
2016 hinein erhalten bleiben – nicht
zuletzt auch weil der Iran nach der
historischen Einigung im Atomstreit
zurück an die Märkte drängt. Sobald sich jedoch in einem insgesamt freundlichen konjunkturellen
Umfeld das fundamentale Bild
an den Rohölmärkten allmählich
verbessert, dürfte der neue SwingProduzent USA mögliche stärkere
Preiserholungen jedoch abbremsen –
Schieferölprojekte können schnell
umgesetzt werden und die Förderung in den USA dann auch wieder
zulegen. Das Erholungspotenzial
für die Ölpreise bleibt daher vorerst
begrenzt und die günstigen Benzinund Heizölpreise dürften noch eine
Weile Bestand haben.
Basismetalle
Die Basismetalle haben im Jahr 2015
deutliche Preisrückgänge verzeichnet.
Eine geringere Wachstumsdynamik
in China führte zu rückläufigen Steigerungsraten auf der Nachfrageseite, während die Angebotsseite bislang nicht in entsprechendem Maße
auf diese Entwicklung reagierte.
Dies betrifft insbesondere Aluminium, wo das chinesische Angebot
trotz niedriger Preise weiter merklich zunimmt und damit Kapazitätsreduzierungen in anderen Teilen
der Welt mehr als kompensiert.
Aluminium und Nickel notieren
mittlerweile auf einem Niveau, das
zuletzt Ende 2008 bzw. Anfang
2009 auf dem Höhepunkt der
weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise herrschte. Bei Nickel mehren
sich jedoch die Anzeichen, dass
das Erzexportverbot Indonesiens
sich seinen Weg durch die Wertschöpfungskette bahnt und damit
auch das Angebot an raffiniertem
Nickel reduziert. Nachrichten über
geplante Kürzungen in der Minenförderung gab es zuletzt auf dem
Kupfermarkt. Insgesamt gehen wir
von einer Stabilisierung der Preise
aus. Inwieweit die Notierungen im
nächsten Jahr wieder steigen, hängt
nicht unwesentlich davon ab, wie
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
75
sich die Konjunktur in China, dem
mit Abstand größten Nachfrager,
entwickelt. Da wir nicht mit einem
sogenannten »hard landing« rechnen und die Investitionsprogramme
in die Infrastruktur tendenziell eher
hochgefahren werden, sind wir diesbezüglich optimistisch. Das größte
Potenzial für Preissteigerungen
sehen wir bei Nickel und Zink.
Edelmetalle
Die Goldpreisentwicklung verlief
auch 2015 über weite Strecken nicht
nach dem Geschmack der Anleger.
Zwar verteuerte sich das gelbe Edelmetall im Januar zunächst kräftig.
Getrieben wurden die Notierungen
von der Aussicht auf den dann
tatsächlich eingetretenen Wahlsieg
der Syriza-Partei in Griechenland
sowie den Beschluss der Europäischen Zentralbank zum Start eines
Anleihenkaufprogramms. Doch
vor allem in den Sommermonaten
brach der Goldpreis in der Erwartung einer Leitzinswende in den
USA bis auf 1.077 USD ein. Da der
erste Zinsschritt von der US-Noten-
76
bank zwar angekündigt, aber noch
nicht umgesetzt wurde, bedeutet
die Vorstellung demnächst wieder
merklicher Erträge für sichere
Anlagen weiterhin eine schwere
psychologische Bürde. Bekanntlich bringt der Edelmetallbesitz
keine laufenden Erträge ein. Das
Zinsniveau wird aber auch nicht
abrupt steigen, solange in Europa
und Japan die Geldpolitik weiter
expansiv bleibt. Daneben machen
sich auf dem niedrigen erreichten
Goldpreisniveau allmählich wieder
höhere Käufe in Indien und China,
den beiden weltweit wichtigsten
Märkten, bemerkbar. Wir rechnen
dort für 2016 mit einem Anstieg
der Nachfrage im Vergleich zu
diesem Jahr, zumal sich vor allem
chinesische Anleger zuletzt mit
Aktien die Finger verbrannt hatten.
Da auch die Notenbanken in den
Schwellenländern weiterhin Gold
kaufen dürften und das Goldangebot vermutlich eher stagnieren
sollte, rechnen wir mit einem Preisanstieg, den auch der kleine Bruder
Silber nachvollziehen sollte.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
5.4 Aktien.
Aktienhausse in der Reifephase.
Dr. Berndt Fernow
Die Hausse an den
weltweiten Aktienmärkten dürfte
– vom Tiefpunkt
der Finanzkrise aus
gerechnet – 2016 ihren siebten Geburtstag feiern, womit sie zweifellos in die Reifephase eintritt. Hieraus mit historischen Vergleichen
auf ihr bevorstehendes Ende zu
schließen, ist jedoch zu kurz gegriffen, da sich die geldpolitischen
Rahmenbedingungen gegenüber
den vergangenen Jahrzehnten stark
verändert haben. Die EZB wird die
Finanzmärkte das ganze kommende Jahr hindurch überreichlich mit
Liquidität versorgen. Dies drückt
die Renditen festverzinslicher
Anlagen und zwingt die institutionellen Anleger, nach Alternativen
zu suchen. Die von uns erwartete
Zinswende in den USA dürfte dieses
komfortable monetäre Umfeld
nicht substanziell verändern, denn
die Bewegung bleibt begrenzt und
wäre zugleich Ausdruck einer gesunden Normalisierung nach sieben
Jahren geldpolitischen Ausnahmezustands.
Aktienmärkte aus Sicht eines Euro-Anlegers seit Anfang 2009
350
300
250
200
150
100
70
2009
DAX
2010
Euro Stoxx 50
2011
2012
S&P 500
Nikkei
2013
2014
2015
MSCI Emerging Markets
Source: Thomson Reuters Datastream
Quelle: Thomson Reuters Datastream, LBBW Research
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
77
DAX Ende 2016 bei 12.000 Punkten fair bewertet
Basis der Kurse sind die Unternehmensgewinne, die 2016 im Rahmen
eines insgesamt positiven Umfelds
im mittleren einstelligen Bereich
zulegen dürften. Die Zugpferde
dürften aber im Vergleich zu den
Vorjahren wechseln: In einigen Exportbranchen sind die fetten Jahre
vorbei, denn weltweit belasten
Überkapazitäten, und die Kaufkraft
vieler Schwellenländer auf den
Weltmärkten ist gesunken. Auch
der Basiseffekt des schwächeren
Euro dürfte sich – unsere Prognose
unterstellt – 2016 erschöpfen. Gewinnwachstum muss also organisch
entstehen, und dies trauen wir vor
allem stärker binnenorientierten
oder weniger zyklischen Sektoren
zu. Aktuell wird an der Börse für
den DAX das 13-Fache der laufenden Gewinne bezahlt. Eine marginale Ausweitung dieser Bewertung
trauen wir ihm zu, womit er zum
Jahresende bei 12.000 Punkten
stehen würde. Diese Zahl weisen
auch unsere Bewertungsmodelle als
fairen Wert per Ende 2016 aus.
78
Größere Schwankungen
einkalkulieren
Der Weg von A nach B ist an der
Börse allerdings nie ein linearer,
denn zwischendurch werden
immer wieder Szenarien diskutiert,
deren Eintreten die Konjunkturund Gewinnperspektiven gehörig
durcheinanderbrächte. Kandidaten
hierfür gibt es genug: Eine stärkere Konjunkturschwäche in China,
hartnäckige deflationäre Tendenzen in Europa, das Gegenteil zu
starker Inflation mit geldpolitischer
Bremsung in den USA oder aber
wachsende politische Spannungen in Europa oder neuralgischen
Regionen der Welt – all dies würde
die Verlusttoleranz der Anleger auf
die Probe stellen. Für 2016 sollten
mindestens durchschnittlich starke
Schwankungen einkalkuliert werden
– eine Spanne von 25 % zwischen
Jahrestief und Jahreshoch wäre
keine Überraschung. In DAX-Punkte
umgerechnet könnte dies den
Bereich von 10.000 bis 12.500 bedeuten. Gerade wenn die allgemeine Stimmung Extreme von Euphorie
oder Pessimismus erreicht, wird
Besonnenheit gefordert sein.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
Abstand des DAX zwischen Jahrestief und Jahreshoch in Prozent
60%
40%
20%
0%
–20%
–40%
–60%
1988
1991
Jahreshoch in %
1994
1997
2000
Jahrestief in %
Wall Street im Wahlmodus
Während auf Kursbasis betrachtet,
2015 ein Jahr der europäischen Börsen war, dürfte sich im neuen Turnus
der Blick nach Übersee durchaus
lohnen. Die Wall Street wirkt zwar
optisch teurer, »Corporate America«
hatte allerdings auch mit besonderem Gegenwind von der Währungsseite und aus dem Ölpreisverfall zu
kämpfen. Inzwischen hat dort der
Trend der Gewinnrevisionen wieder
nach oben gedreht und stellt sich
besser dar als in der Alten Welt.
Dies erstaunt nicht unbedingt,
denn die größte Volkswirtschaft der
Welt hat die Krise längst hinter sich
gelassen und besitzt eine weit stär-
2003
2006
2009
2012
2015
Quelle: LBBW Research
kere Binnendynamik als die anderen
entwickelten Regionen. Die perspektivisch deutlich höhere Inflation eröffnet den Unternehmen auch mehr
Preiserhöhungsspielräume als hierzulande. Das große Thema werden
natürlich die Präsidentschaftswahlen bilden. Im Mittel sind Wahljahre
eher bessere Börsenjahre, wenngleich mit überdurchschnittlich
starken Schwankungen. Allerdings
gab es mit 2008 auch ein besonders
schlechtes. Im Ergebnis spielt die
Parteizugehörigkeit des späteren
Präsidenten übrigens keine große
Rolle, vielmehr scheint die Börse
einfach den Wegfall eines Unsicherheitsfaktors zu begrüßen.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
79
USA und Euroraum: Gewinnrevisionen versus relative
Börsenentwicklung
160
15
150
10
140
5
130
0
120
–5
110
–10
–15
100
2011
2012
2013
Gewinnrevisionen USA zu Euroraum (linke Skala)
2014
S&P 500/Euro Stoxx 50 (rechte Skala)
2015
90
Source: Thomson Reuters Datastream
Quelle: Thomson Reuters Datastream, LBBW Research
Selektive Chancen in den
Schwellenländern
Großer Verlierer der vergangenen
Jahre waren die Börsen der Schwellenländer. Der Verfall der Rohstoffpreise und die Verknappung
ausländischen Kapitals legten die
inneren Schwächen vieler Volkswirtschaften und politischer Systeme
offen. In den Indizes sind zudem
staatsnahe und rohstoffabhängige
Unternehmen hoch gewichtet, die
80
hierunter am stärksten litten. Entsprechend schwach stellt sich der
Ertragstrend der dortigen Konzerne
dar. Wenn die Nacht am dunkelsten scheint, naht aber schon der
Sonnenaufgang: Die internationalen
Großanleger haben sich von den
Emerging Markets zurückgezogen
und können dort nun eigentlich
nur noch als Käufer auftreten.
Die Bewertungsrelationen weisen
einen historisch hohen Abschlag zu
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
denen der entwickelten Länder auf.
Lässt der Strom negativer Nachrichten nach, so kann dies schon
genügen, um die Kurse zu treiben.
Inwieweit Länder wie beispielsweise
Brasilien oder Russland nun auch
ihre Strukturprobleme angehen und
damit die Basis für ein dauerhaft
höheres, nicht nur auf Rohstoffe
gegründetes Wachstum legen,
bleibt natürlich fraglich. Insofern
würden wir an den Schwellenbörsen
auch noch keine große Trendwende nach oben ausrufen, sondern
nur selektiv nach Opportunitäten
suchen.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
81
82
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
6 Fazit.
In unserem Hauptszenario erwarten wir auf globaler Ebene
eine Fortsetzung des stabilen
Wachstumspfads. Insgesamt
wird die Welt aber weiterhin von niedrigen Zinsen und
Wachstumsraten geprägt sein –
der »Neuen Normalität«. Die Risiken und Chancen sind an den
Märkten im nächsten Jahr fein
ausbalanciert und erfordern
daher ein besonnenes Auswählen und genaues Hinschauen.
Aktien sollten bessere Erträge
liefern als Zinsprodukte, der
Euro wird von der divergierenden Geldpolitik beiderseits des
Atlantiks bestimmt.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
83
6 Fazit.
Zusammenschau Cross Asset.
Dr. Markus Herrmann
Leiter der Abteilung
Strategy Research
In welchem Szenario
wird sich das nächste Jahr abspielen?
Bekommt der Zins- und Anleihemarkt
die Hauptrolle, spielt die Musik am
Aktienmarkt, oder wird es doch ein
Krisenjahr, das die Flucht in den
sicheren Hafen Gold erwarten lässt?
Letzteres erwarten wir nicht, und
ist auch nicht seriös prognostizierbar. In der Zusammenschau auf die
vorliegenden Analysen des LBBW
Research Teams zeigen sich m. E.
einige klare Leitlinien – Chancen
und Risiken – für das nächste Jahr.
In unserem Hauptszenario erwarten
wir auf globaler Ebene eine Fortsetzung des stabilen Wachstumspfads.
Im historischen Kontext erscheint
die Dynamik des Aufschwungs
bisher eher verhalten, die Talsohle
scheint aber durchschritten zu sein.
Die Impulse dafür kommen regional
selektiv, wir sehen die Industrieländer insgesamt sehr robust, Europa
dabei mit mehr Wachstumspotenzial
als die USA aufgrund der späteren
und langsameren Erholung nach
den Krisen der vergangenen Jahre.
84
Die EZB wird angesichts der Deflationsrisiken ihren ultra-expansiven
Kurs weiter fortsetzen, während in
den USA die Zinswende kommt. In
den aufstrebenden Ländern Asiens
und Lateinamerikas wird die Dynamik regional- und länderspezifisch
und von politischen Unsicherheiten
überlagert sein, und wir raten dort
zur Vorsicht.
Insgesamt wird die Welt weiterhin
von niedrigen Zinsen und Wachstumsraten geprägt sein – der »Neuen
Normalität«. Die in der Vergangenheit hohen Wachstumsraten
der aufstrebenden Märkte befinden sich u. E. auf einem säkular
abnehmenden Trend, getrieben von
der demografischen, kulturellen
und sozialen Annäherung dieser
Länder an die Verhältnisse in den
entwickelten Industrieländern. Und
in den Industrieländern sprechen
die Bemühungen um nachhaltiges
Wirtschaften, aber sicherlich auch
um den Abbau der historisch einmalig hohen Staatsschulden für ein
limitiertes Wachstum.
Dieser Hintergrund sollte uns
allerdings nicht dazu verleiten,
bei kleineren, lokalen Aussetzern
gleich das große Ganze in Frage zu
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
stellen. Hier liegt m. E. das größte
Risiko: Dass aus den verschiedenen, im Einzelnen durchaus
beherrschbaren Krisen ein globaler
Konjunkturpessimismus entsteht.
Die aktuelle Lage in Syrien, von uns
als Stellvertreterkrieg zwischen den
großen Blöcken eingeordnet, hat
dabei das größte Risikopotenzial.
Eine direkte, für uns alle spürbare
Folge ist die Flüchtlingskrise. Sie
polarisiert Regierung und Bevölkerung, bietet neben Kosten aber
doch auch Chancen. Grund zur
Besonnenheit!
Sicherlich sind die Risiken und
Chancen an den Märkten im
nächsten Jahr fein ausbalanciert
und erfordern daher ein besonnenes Auswählen und genaues
Hinschauen, um sich nicht von
kurzfristigen Marktschwankungen
und -übertreibungen mitreißen zu
lassen. Als klare Chance sehen wir
weiterhin den Aktienmarkt. Die
Gewinnentwicklung der Unternehmen wird durch den schwächeren
Euro unterstützt. Das niedrige
Zinsniveau und eine besonnen
wachsende Risikofreude lassen die
Aktienkurse weiter steigen. Aktien
sind als Assetklasse gerade auch
für traditionell auf festverzinsliche
Anlagen fokussierte Akteure wegen
ihrer relativ zum möglichen Kuponertrag hohen Dividendenrendite
aus unserer Sicht ein unverzichtbarer Portfoliobestandteil.
Am Zinsmarkt sind sich u. E. die
großen Notenbanken der potenziellen Schädlichkeit abrupter
Marktausschläge bewusst und
werden daher einiges daransetzen,
Bedingungen zu schaffen, die das
Risiko drastischer Kurseinbrüche
begrenzen. Die in den USA anstehende Normalisierung der Geldpolitik wird bestimmt nicht schmerzfrei
vonstattengehen, allerdings werden
die Zinsen auf einem im historischen Vergleich sehr flachen Pfad
ansteigen. Durationsrisiken sollten
trotzdem vermieden werden, Bonitätsrisiken bieten dagegen im Jahr
2016 gute Chancen.
Insgesamt sollte das Jahr 2016
die Chance für solides Wachstum
bieten und damit stabile Erträge für
Anleger und insgesamt verlässliche
Bedingungen für alle Akteure an
den Märkten.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2016
85
Sehr geehrte
Leserinnen und Leser,
wir freuen uns, Ihnen hiermit
einen Ausblick über die von
uns erwartete Entwicklung der
Konjunktur und der Märkte im
kommenden Jahr überreichen
zu können.
Impressum
Redaktion:
Landesbank Baden-Württemberg
Research
Am Hauptbahnhof 2
70173 Stuttgart
Redaktionsschluss: 09.11.2015
Fotoquellen: ThinkStock, Landesbank Baden-Württemberg
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