Impfungen - infekt.ch

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Editorial1
Impfungen
Eine andauernde Erfolgsgeschichte
Der englische Arzt Edward Jenner wird als Begründer der
Vakzinologie angesehen. Er zeigte 1796, also vor 220 Jahren, dass die Impfung mit Kuhpocken eine Immunität gegen die Pocken erzeugte und damit den ersten Schutz vor
dieser entstellenden und akut lebensbedrohlichen Infektion bot. Ohne die Pockenimpfung wäre die Eradikation der
Pocken nicht möglich gewesen [1]. Die Pocken wurden als
bisher erste und einzige humane Infektionskrankheit 1979
für ausgerottet erklärt. Seit Jenner haben Impfungen einen
beispiellosen Siegeszug angetreten. Insbesondere haben
Impfungen gegen gefürchtete Virusinfektionen wie Tollwut, Masern, Poliomyelitis und Gelbfieber, die oftmals lebensbedrohlich verlaufen und medikamentös nicht therapierbar sind, diesen Erkrankungen ihren früheren
Schrecken genommen. Impfungen gegen bakterielle Infektionen wie Pertussis, Typhus, Haemophilus influenzae
und Pneumokokken führten nicht nur zur Reduktion dieser Infektionen, die durch eine hohe Letalität und teilweise auch schwere neurologischen Residuen gekennzeichnet
sind, sondern auch zu einer Reduktion des Antibiotikagebrauchs und weniger Antibiotikaresistenzen. Laut einem
aktuellen Bericht aus Grossbritannien könnten 47% aller
Antibiotika eingespart werden, wenn alle Kinder gegen
Pneumokokken geimpft wären (http://amr-review.org/sites/default/files/Vaccines%20and%20alternatives_v4_
LR.pdf). Die Einführung von Impfungen im Kindes- und
Erwachsenenalter hat nicht nur zu grossartigen gesundheitlichen, sondern auch zu enormen gesellschaftlichen
und ökonomischen Verbesserungen geführt.
Den heute verfügbaren, hervorragend wirksamen und
sicheren Impfungen steht leider vorwiegend in der entwickelten Welt eine Impfmüdigkeit bis hin zur aktiven Verweigerung von Impfungen durch eine lautstark agierende
Anti-Impf-Lobby gegenüber. In dieser Ausgabe der Therapeutischen Umschau werden wichtige Themen rund um
das Impfen beleuchtet.
Die beiden wichtigsten Erreger akuter Atemwegsinfektionen sind Influenzaviren und Pneumokokken, die beide
impfverhütbar sind. Obwohl diese Erreger Erkrankungen
mit hoher Morbidität und Mortalität verursachen, werden
deren Impfungen sowohl von Patienten als auch manchen
Ärzten als wenig wichtig wahrgenommen. Am Beispiel der
Influenzaimpfung beleuchtet Pietro Vernazza das Problem, dass die für Influenza anfälligsten Bevölkerungsgruppen gleichzeitig auch den geringsten immunologischen
Schutz durch eine Impfung erhalten [2] ((ref-Vernazza)).
Dies ist ein wichtiges Argument, einen Herdenschutz
durch Gesunde aufzubauen, um wirklich Gefährdete zu
schützen. Auch in dem Artikel zur Pneumokokkenimpfung spielt der Herdenschutz eine wichtige Rolle wie auch
die kürzlich geänderten Empfehlungen für Erwachsene [3]
((ref-Albrich)).
© 2016 Hogrefe Eine mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnete
Erkenntnis war der Zusammenhang zwischen humanen
Papillomaviren und Zervixkarzinom. Verschiedene Impfstoffe stehen zu dessen Prävention zur Verfügung. Über
ihre Impferfolge, Sicherheit und wichtige praktische Informationen, z.B. bezüglich weiterer gynäkologische Vorsorgen und Urteilsfähigkeit der jugendlichen Impflinge berichten Susanne Stronski Huwiler und Anne Spaar [4]
((ref-Stronski)).
Das Varizella-Zoster Virus verursacht als Erstmanifestation die Windpocken und bei abnehmender Immunität als
Reaktivierung den Herpes zoster. Zur Verhinderung dieser
beiden Manifestationen stehen unterschiedliche Impfstoffe Verfügung. Vor- und Nachteile sowie aktuelle Indikationen der Varizellen- und Zoster-Impfung beleuchtet ein
Artikel von Nadine Eckert und Virginie Masserey Spicher
[5] ((ref-Eckert)).
Die in Mitteleuropa wichtigste durch Zecken übertragene Viruserkrankung ist die mitunter sehr schwer verlaufende Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Auch
hier bieten Impfungen für die in den betroffenen Verteilungsgebieten lebenden Personen einen hervorragend
wirksamen und sicheren Schutz, wie Martin Krause und
Sabine Majer aufzeigen [6] ((ref-Krause)).
Die Tollwut fordert weltweit die meisten Todesopfer aller
Zoonosen. Der einzige Schutz vor dieser nach Ausbruch
stets tödlichen Erkrankung ist eine Prä- oder Postexpositionsprophylaxe. Das Wichtigste dazu einschliesslich neuer
Schnellimmunisierungsschemata wird von Tomas Jelinek
zusammengefasst [7] ((ref. Jelinek)).
Ein in unserer globalisierten Welt zunehmend bedeutendes Thema sind Reiseimpfungen. Für eine kompetente
Beratung sind hier verschiedene Informationen hinsichtlich genauer Reiseziele, Reiseart, Aufenthaltsdauer und
Intervall bis zur Abreise sowie bereits erfolgte Basisimpfungen oder Impfungen anlässlich früherer Reisen essentiell. Allgemeine Prinzipien und entscheidende Informationen zu den wichtigsten impfverhütbaren Erkrankungen
für Reisende fasst eine Übersicht von Susan De Crom und
Kollegen zusammen [8] ((ref – de Crom et al)).
Früher war man mit Impfungen in der Schwangerschaft
äusserst zurückhaltend. In letzter Zeit wurde jedoch erkannt, dass Schwangere ein hohes Risiko haben, an impfverhütbaren Infektionen schwer zu erkranken und
Totimpfstoffe in der Schwangerschaft risikoarm sind.
Empfehlungen und Kontrandikationen für Impfungen in
der Schwangerschaft werden von Anita Niederer-Loher
beschrieben [9] ((ref-Niederer)).
Zwei Artikel betreffen Impfungen bei Patienten mit Immunsuppression. Silja Bühler und Christoph Hatz legen den
Schwerpunkt auf Autoimmunerkrankungen [10] ((ref- Bühler)), während Cornelia Staehelin und Kollegen Impfungen
Therapeutische Umschau (2016), 73(5), 1–2
DOI 10.1024/0040-5930/a00xxxx
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bei Patienten mit Status nach Splenektomie, Organtransplantation sowie HIV-infizierte Personen zusammenfassen
[11] ((ref-Staehelin)). Deren Infektrisiko ist nicht nur aufgrund ihrer Grunderkrankung per se erhöht, sondern auch
durch zahlreiche neue potente Therapieoptionen. Gleichzeitig ist jedoch der Impfschutz sowohl durch die Grunderkrankung als auch durch ihre Therapie eingeschränkt. Daher
sind Impfindikationen und Kontraindikationen zu beachten
und insbesondere die Kontaktpersonen zu impfen. Diese
beiden Artikel schildern allgemeine Konzepte wie auch detaillierte Informationen zu konkreten Situationen.
Trotz der eingangs geschilderten Erfolge der Impfungen ist ein kleiner aber eher zunehmender Teil der Bevölkerung Impfungen gegenüber kritisch oder ablehnend eingestellt. Die Ursachen für impfkritische Haltungen sowie
Argumentationshilfen im Umgang mit «Impfzauderern»
werden von Svend Capol beleuchtet [12] ((ref – Capol)).
Tobias Burkhardt schildert zum Abschluss dieser Ausgabe seine positiven Erfahrungen mit dem elektronischen
Impfausweis auf der für Schweizer Ärzte und Apotheker
kostenlosen Webseite www.meineimpfungen.ch. Dort
werden gemäss den aktuellen Empfehlungen des Schweizerischen Bundesamts für Gesundheit individualisierte
Impfempfehlungen abgegeben [13] ((ref – Burkhardt)).
Therapeutische Umschau (2016), 73(5), 1–2
Referenzen
1. Greenwood B. The contribution of vaccination to global health:
past, present and future. Philos Trans R Soc Lond B Biol Sci.
2014;369(1645):20130433. Epub 2014/05/14.
PD Dr. Werner Albrich
Oberarzt mbF, Infektiologie / Spitalhygiene
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacherstrasse 95
9007 St. Gallen
Tel. +41 (0)71 494 26 53
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