Allgemeine Psychologie WS2014/15 30. Januar 2015 1 Inhaltsverzeichnis 1 Einführung AP1 3 2 Wahrnehmung 1 46 3 Wahrnehmung 2 84 4 Wahrnehmung 3 123 5 Wahrnehmung 4 168 6 Aufmerksamkeit 1 210 7 Aufmerksamkeit 2 252 8 Psychomotorik 1 296 9 Psychomotorik 2 326 10 Lernen 1 341 11 Lernen 2 365 12 Lernen 3 392 13 Gedächtnis 1 411 14 Gedächtnis 2 432 2 1 Einführung AP1 3 Herzlich Willkommen zur Vorlesung Allgemeine Psychologie I Donnerstags, 10:15-11:45, Külpe-Hörsaal, Röntgenring Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 1 1 Modul Allgemeine Psychologie I 1. Semester (gesamt 6 ECTS-Punkte) • Vorlesung Allgemeine Psychologie I • Übung zur Vorlesung Prüfung: 120 min Klausur über die Inhalte beider Veranstaltungen (voraussichtlich 26. Februar, 10:00-12:00) Anmeldung zur Klausur über sb@home im Januar 2015. 2. Semester (3 ECTS-Punkte) • Seminar Allgemeine Psychologie I Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 2 Modul Allgemeine Psychologie I Zugangsvoraussetzung zur Übung • Nur Studenten, die in den Studiengang Bachelor Psychologie eingeschrieben sind. • Personen die noch keiner Übung zugeordnet sind, melden sich bitte bei Andrea Kiesel [email protected] Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 3 Modul Allgemeine Psychologie I Die Folien werden im Internet in wuecampus zur Verfügung gestellt. Zugang: „Kuelpe“ Es existiert kein Skript zur Vorlesung. Für die Klausur reichen Besuch und Nacharbeitung von Vorlesung & Übung. Literatur zum Selbststudium wird angegeben. ASQ-Leistung (max. 10 Personen1) 2 CP für regelmäßige Teilnahme und zweiseitiges Protokoll einer beliebigen Vorlesungsstunde. 1 Platzvergabe nach Studienfortschritt, bei Gleichrangigkeit Los Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 4 Einführung Gliederung • Was ist Allgemeine Psychologie? • Wie arbeitet Allgemeine Psychologie? • Wie hängt Allgemeine Psychologie mit anderen Teildisziplinen zusammen? Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 5 Einführung Gliederung • Was ist Allgemeine Psychologie? • Wie arbeitet Allgemeine Psychologie? • Wie hängt Allgemeine Psychologie mit anderen Teildisziplinen zusammen? Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 6 Einführung Was ist Allgemeine Psychologie ? Psychologie ist die Wissenschaft vom Erleben und Verhalten. Die Allgemeine Psychologie beschäftigt sich mit allgemeingültigen Gesetzmäßigkeiten des Erlebens und Verhaltens. Also Gesetzmäßigkeiten, die für jeden Erwachsenen Menschen gültig sind (zumindest sein sollten). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 7 Einführung Was ist Allgemeine Psychologie ? Was sind das für Gesetzmäßigkeiten ? Es geht um unterschiedliche Funktionsbereiche des menschlichen Erlebens und Verhaltens. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 8 Einführung Funktionsbereiche Psychomotorik Lernen Aufmerksamkeit Gedächtnis Wahrnehmung Einige Beispiele... Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 9 Einführung Wahrnehmung Helligkeiten Formen Farben Objekte Raum Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 10 Einführung Wahrnehmung: Helligkeit zähle die Punkte ! Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 11 Einführung Wahrnehmung: Bewegung Johansson (1973) http://www.biomotionlab.ca/Demos/BMLwalker.html Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 12 Einführung Wahrnehmung: Sprache Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 13 Einführung Wahrnehmung: Nacheffekte http://dogfeathers.com/java/spirals.html Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 14 Einführung Aufmerksamkeit Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 15 Einführung Psychomotorik Ebbinghaus-Täuschung Aglioti, De Souza, & Goodale (1995) Motorik ist resistent gegen Wahrnehmungstäuschung Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 16 Einführung Psychomotorik: Bimanuelle Koppelung. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 17 Einführung Psychomotorik: Bimanuelle Koppelung. Asymmetrische Bewegung Symmetrische Bewegung Präferenz für symmetrische Bewegungen. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 18 Einführung Lernen Ivan P. Pavlov (1849-1936) Burrhus F. Skinnner (1904-1990) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 19 Einführung Gedächtnis Nennen Sie spontan • eine Farbe rot • ein Werkzeug Hammer oder Säge • ein Musikinstrument Geige Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 20 Einführung Gedächtnis Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 21 Einführung Gedächtnis der nie präsentierte Prototyp Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 22 Einführung Gedächtnis Gewisseheit, dass nie gesehener Prototyp da war ist am grössten ! Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 23 Einführung Was ist Allgemeine Psychologie ? Allgemeine Psychologie I Allgemeine Psychologie II Wahrnehmung Emotion Aufmerksamkeit Motivation Psychomotorik Lernen Gedächtnis Diese Aufteilung ist willkürlich. Allg.Psych I ist keine Voraussetzung für Allg.Psych II. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 24 Einführung Gliederung • Was ist Allgemeine Psychologie? • Wie arbeitet Allgemeine Psychologie? • Wie hängt Allgemeine Psychologie mit anderen Teildisziplinen zusammen? Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 25 Einführung Gliederung • Was ist Allgemeine Psychologie? • Wie arbeitet Allgemeine Psychologie? • Wie hängt Allgemeine Psychologie mit anderen Teildisziplinen zusammen? Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 26 Einführung Wie arbeitet Allgemeine Psychologie? Was die Allgem. Psychologie erforscht (Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis usw.) ist weder direkt von außen beobachtbar noch der Introspektion (Innenschau) zugänglich. Daher dienen Verhaltensmaße (Reaktionszeiten, Fehlerhäufigkeiten, Antworthäufigkeiten usw.) und physiologische Maße (EEG, fMRI usw.) als Indikatoren der zu untersuchenden Prozesse. Diese „Messbarmachung“ latenter Prozesse und Merkmale bezeichnet man als Operationalisierung. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 27 Einführung Wie arbeitet Allgemeine Psychologie? Die Methode der Wahl in der Allgemeinen Psychologie ist das Experiment. Im Experiment werden eine oder mehrere unabhängige Variable(n) (UV) gezielt variiert und deren Einfluss auf bestimmte abhängige Variablen (AV: z.B. Reaktionszeiten, Fehlerraten, EEG) unter Ausschluss von Störeinflüssen untersucht. Das erlaubt es, die Veränderungen der AV kausal auf die Variation der UV zurückzuführen (im Unterschied z.B. zur Korrelation). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 28 Einführung Wie arbeitet Allgemeine Psychologie? Ein Beispiel: Mentale Rotationen, Shepard & Metzler, 1973 5 4 AV 3 2 gleich oder ungleich? 1 0 0 40 80 120 160 Rotationswinkel (Grad) UV Linearer Anstieg der RTs vereinbar mit der Annahme mentaler Drehung der Figuren mit konstanter Geschwindigkeit. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 29 Einführung Gliederung • Was ist Allgemeine Psychologie? • Wie arbeitet Allgemeine Psychologie? • Wie hängt Allgemeine Psychologie mit anderen Teildisziplinen zusammen? Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 30 Einführung Gliederung • Was ist Allgemeine Psychologie? • Wie arbeitet Allgemeine Psychologie? • Wie hängt Allgemeine Psychologie mit anderen Teildisziplinen zusammen? Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 31 Einführung Einige Beispiele..... Allgemeine und Differentielle Psychologie Mentale Rotation und räumliches Vorstellungsvermögen Carpenter & Just (1985) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 32 Einführung Einige Beispiele..... Allgemeine und Neurospsychlogie Verständins von Ströungen sind Kenntnis ungesörter Funktion voraus. Beispiel Neglect-Störung der Steuerung visueller Aufmerksamkeit Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 33 Einführung Einige Beispiele..... Allgemeine und Entwicklungspsychologie Wie verändern sich mentale Funktionen (z.B. Gedächtnis) über die Lebensspanne ? Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 34 Einführung Einige Beispiele..... Allgemeine und Klinische Psychologie Wie werden dysfunktionale Reaktionsweisen (z.B. Ängste, Zwänge) erlernt, und vor allem gelöscht ? Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 35 35 Einführung Einige Beispiele..... Allgemeine Psychologie und Kognitive Ergonomie P ☼ M Kompatible Aktions-Effekt Zuordnung Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I P M ☼ Kompatibilität abhängig vom Aufmerksamkeitsfokus 3636 Einführung Fazit Die Allgemeine Psychologie liefert Theorien und Befunde für alle anderen Grundlagen- und Anwendungsfächer der Psychologie. Deshalb ist es wichtig, sich intensiv auf Allgemeine Psychologie einzulassen. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 37 Einführung Gliederung • Was ist Allgemeine Psychologie? • Wie arbeitet Allgemeine Psychologie? • Wie hängt Allgemeine Psychologie mit anderen Teildisziplinen zusammen? Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 38 Einführung Gliederung • Was ist Allgemeine Psychologie? • Wie arbeitet Allgemeine Psychologie? • Wie hängt Allgemeine Psychologie mit anderen Teildisziplinen zusammen? Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 39 Terminplan 09.10.2014 16.10.2014 23.10.2014 30.10.2014 06.11.2014 13.11.2014 20.11.2014 04.12.2014 11.12.2014 18.12.2014 25.12.2014 01.01.2015 08.01.2015 15.01.2015 22.01.2015 29.01.2015 Einführung Wahrnehmung I Wahrnehmung II Wahrnehmung III Wahrnehmung IV Aufmerksamkeit I Aufmerksamkeit II Motorik I Motorik II Lernen I -- Weihnachtsferien--- Weihnachtsferien-Lernen II Lernen III Gedächtnis I Gedächtnis II Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I Die Vorlesungen zu den Themen Lernen und Gedächtnis wird Prof. Dr. Andrea Kiesel halten 40 Literatur zum Selbststudium Wahrnehmung Goldstein, B. (2008). Wahrnehmungspsychologie. Heidelberg. Spektrum Verlag. (Kapitel 1, 2, 3, 5, 7-9). Aufmerksamkeit Müller, H. & Krummenacher, J. (2008). Aufmerksamkeit. In J. Müsseler (Hrsg.). Allgemeine Psychologie. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag. Psychomotorik Hommel, B. (2008). Planung und exekutive Kontrolle von Handlungen. In J. Müsseler (Hrsg.). Allgemeine Psychologie. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag. Rosenbaum, D.R. (2010). Human Motor Control. Elsevier. Lernen Koch, I. (2008). Konditionieren und implizites Lernen. In J. Müsseler (Hrsg.). Allgemeine Psychologie. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag. Gedächtnis Buchner, A. & Brandt, M. (2008). Gedächtniskonzeptionen und Wissensrepräsentationen. In J. Müsseler (Hrsg.). Allgemeine Psychologie. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag. Eysenck, M. W. & Keane, M. T. (2000). Cognitive psychology: A student's handbook. Hove, UK: Psychology Press. (oder neuere Auflagen) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 41 Bitte eintragen…. Sie helfen unserer Forschung, wenn Sie an unseren Versuchen teilnehmen. Bitte tragen Sie sich in unsere Versuchspersonenliste ein. https://lists.uni-wuerzburg.de/mailman/listinfo/versuchepsychologie3 Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 42 2 Wahrnehmung 1 46 Vorlesung Allgemeine Psychologie I Wahrnehmung I Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 1 1 Wahrnehmung I Gliederung • Einführung • Rezeptoren und Reizverarbeitung • Psychophysik Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 2 2 Wahrnehmung I Gliederung • Einführung • Rezeptoren und Reizverarbeitung • Psychophysik Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 3 3 Einführung Wozu dient die Wahrnehmung ? 1. Widerspiegelung der Umwelt (Abbildung). innere Psychophysik äußere Psychophysik nach Goldstein (2002) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 4 4 Einführung Wozu dient die Wahrnehmung ? 1. Widerspiegelung der Umwelt (Abbildung). Aber: Wahrnehmung um der reinen Abbildung Willen wäre nur passives Erdulden (vergleichbar einem Beifahrer der nur Zusehen kann, wie die Fahrt verläuft). Was wir wahrnehmen, muss prompt im Verhalten berücksichtigt werden können, sonst ist es für den Organismus wertlos. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 5 5 Einführung Wozu dient die Wahrnehmung ? 1. Widerspiegelung der Umwelt (Abbildung). 2. Steuerung des Verhaltens (Handlungskontrolle). - Bewegungskontrolle (z.B. Feedback). - Orientierung im Raum (z.B. Navigation). - Manipulation von Objekten (z.B. Greifen). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 6 6 Einführung Wozu dient die Wahrnehmung ? 1. Widerspiegelung der Umwelt (Abbildung). 2. Steuerung des Verhaltens (Handlungskontrolle). Oft vollzieht sich beides gleichzeitig. Aber es gibt Situationen in denen beide Aspekte auseinander laufen.... Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 7 7 Einführung Blindsight aus Goldstein (1997, S. 50) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 8 8 Einführung Patientin D.F. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 9 9 Einführung Patientin D.F. aus Goldstein (2002, S. 119) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 10 10 Einführung Patientin R.V. aus Goodale & Humphrey (1998) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 11 11 Einführung Unbewusste Verhaltensaktivierung Zielreiz 200 ms Postmaske 71 ms Zeit 6 XXXXXX Bahnungsreiz 29 ms 8 Prämaske 71 ms XXXXXX gleiche Reaktion kleiner als 5 größer als 5 al., 1998) z.B. Dehaene et al. (1998); Kunde, Kiesel,(Dehaene & Hoffmannet(2003, 2005) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 12 12 Einführung Unbewusste Verhaltensaktivierung Zielreiz 200 ms Postmaske 71 ms Zeit 6 XXXXXX Bahnungsreiz 29 ms 2 Prämaske 71 ms nicht entdeckbar XXXXXX ungleiche Reaktionen kleiner als 5 größer als 5 z.B. Dehaene et al. (1998); Kunde, Kiesel, & Hoffmann (2003, 2005) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 13 13 Einführung Wozu dient die Wahrnehmung ? 1. Widerspiegelung der Umwelt (Abbildung). 2. Steuerung des Verhaltens (Handlungskontrolle). Wahrnehmungspsychologie untersucht beide Aspekte Ob Abbildung oder Handlungskontrolle: Am Anfang steht die Stimulation von Rezeptoren… Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 14 14 Einführung Gliederung • Einführung • Rezeptoren und Reizverarbeitung • Psychophysik Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 15 15 Einführung Gliederung • Einführung • Rezeptoren und Reizverarbeitung • Psychophysik Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 16 16 Rezeptoren und Reizverarbeitung Sehen: Der adäquate physikalische Reiz für das Auge ist ein bestimmter Bereich des elektromagnetischen Spektrums (Licht) Goldstein (2002, S. 43) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 17 17 Rezeptoren und Reizverarbeitung Auge Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 18 18 Rezeptoren und Reizverarbeitung Akkomodation Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 19 19 Rezeptoren und Reizverarbeitung Netzhaut Goldstein (2002, S. 45) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 20 20 Rezeptoren und Reizverarbeitung Netzhaut Goldstein (2002, S. 45) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 21 21 Rezeptoren und Reizverarbeitung Netzhaut Stäbchen und Zapfen Goldstein (2002, S. 51) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 22 22 Rezeptoren und Reizverarbeitung Netzhaut Demonstration des Blinden Flecks Kreuz fixieren. Rechtes Auge schließen und dann soweit an die Reizvorlage annähern bis der Punkt verschwindet. Goldstein (2002, S. 52) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 23 23 Rezeptoren und Reizverarbeitung Stäbchen und Zapfen haben unterschiedliche Funktionen → Duplizitätstheorie des Sehens. Wird deutlich in Versuchen zur Dunkeladaptation. Zunächst Helligkeit, dann Verdunkelung. Beobachter stellt einen schwachen Lichtreiz so ein, dass er ihn gerade sehen kann (Absolutschwelle). Die Absolutschwelle wird zu veränderlichen Zeitpunkten nach der Verdunkelung ermittelt. Empfindlichkeit = 1/Schwelle (niedrige Schwelle entspricht hoher Empfindlichkeit). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 24 24 Rezeptoren und Reizverarbeitung Beobachter blickt auf Fixationspunkt. Testreiz wird peripher abgebildet. => Stäbchen und Zapfen werden erregt. Goldstein (2002, S. 54) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 25 25 Rezeptoren und Reizverarbeitung Stäbchenmonochromat (nur Stäbchen stimuliert) Sehen bei Helligkeit wird durch Zapfen realisiert. Sehen bei Dunkelheit wird durch Stäbchen realisiert. Testreiz fixiert (nur Zapfen stimuliert) Testreiz in der Peripherie (Zapfen & Stäbchen stimuliert) Goldstein (2002, S. 55) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 26 26 Rezeptoren und Reizverarbeitung Spektrale Empfindlichkeit Bei Nacht sind alle Blumen grau. Zapfen Stäbchen Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I Aber die blauen Blumen erscheinen in hellerem grau als die roten, wegen der höheren Empfindlichkeit der Stäbchen für kurzwelliges Licht (Purkinije Phänomen) 27 27 Rezeptoren und Reizverarbeitung Wesentliche Unterschiede zwischen Zapfen und Stäbchen Zapfen Stäbchen gehäuft in Fovea nur außerhalb der Fovea max. Empfindlichkeit bei max. Empfindlichkeit bei unterschiedlichen Wellenlängen niedrigen Wellenlängen schnelle Dunkeladaptation langsame Dunkeladaptation Farbensehen bei Tag Dunkelsehen Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 28 28 Rezeptoren und Reizverarbeitung Einige Konsequenzen der unterschiedlichen Verteilung und Empfindlichkeit von Stäbchen und Zapfen • Dunkelsehen ist unschärfer als Tagsehen. • Manche Sterne sieht man nur wenn man sie nicht fixiert. • Wer dunkeladaptiert bleiben möchte aber trotzdem Helligkeit braucht, sollte sich langwelligem (roten) Licht aussetzen. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 29 29 Rezeptoren und Reizverarbeitung Konvergenz von Stäbchen und Zapfen Rezeptorsignale werden über bipolare Zellen an Ganglienzellen weitergeleitet. Aber nicht jeder Rezeptor hat seine eigene Ganglienzelle (Konvergenz). Pinel (2003) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I Pro Auge gibt es ca. 126 Mio. Rezeptoren aber nur ca.1 Mio. Ganglienzellen. 30 30 Rezeptoren und Reizverarbeitung Konvergenz von Stäbchen und Zapfen Stäbchen haben viel höhere Konvergenz als Zapfen. Nur in der Fovea gibt es eine eins-zu-eins Verschaltung von Zapfen und Ganglienzellen. Pinel (2003) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 31 31 Rezeptoren und Reizverarbeitung Hohe Empfindlichkeit bei hoher Konvergenz (räumliche Summation) das Stäbchensystem (skotopisches System) ist lichtempfindlicher wegen: höherer Sensitivität der Stäbchen und höherer Konvergenz der Signaleitung. Goldstein (2002, S. 67) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 32 32 Rezeptoren und Reizverarbeitung Hohe Sehschärfe bei geringer Konvergenz das Stäbchensystem (skotopisches System) weist geringere Sehschärfe auf wegen: Lokalisation außerhalb des Punkts des schärfsten Sehens (Fovea) und hoher Konvergenz der Signalleitung. Goldstein (2002, S. 68) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 33 33 Rezeptoren und Reizverarbeitung Konturenwahrnehmung Das visuelle System entdeckt sehr gut Kanten. Kanten sind häufig Objektgrenzen, d.h. ökologisch sehr wichtig. Hinsichtlich der Reizverteilung sind Kanten lediglich abrupte Helligkeitsunterschiede. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 34 34 Rezeptoren und Reizverarbeitung Konturenwahrnehmung Mach‘sche Bänder Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 35 35 Rezeptoren und Reizverarbeitung Helligkeitsrandkontrast Helligkeitsrandkontrast Phänomenal 120 120 100 100 subj. Helligkeit Intensität Real 80 60 40 80 60 40 20 20 0 0 Distanz Mach´sche Bänder Distanz © Joachim Hoffmann Kognitive Psychologie. Wahrnehmung Abb. 7.29. Copyright © 2004 by J.Hoffmann An Stellen wechselnder Helligkeit wird das Intensitätsgefälle verstärkt. Man sieht Mach‘sche Bänder. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 36 36 Rezeptoren und Reizverarbeitung Laterale Hemmung Hemmung benachbarter Zellen proportional zur Rezeptorerregung nach Goldstein (2002, S. 73) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 37 37 3 Wahrnehmung 2 84 Vorlesung Allgemeine Psychologie I Wahrnehmung II Psychophysik, Farben, Gestalten Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 1 1 Psychophysik Methoden zur Schwellenbestimmung Absolutschwelle: Ab welcher Intensität wird ein Reiz überhaupt wahrgenommen ? Gustav Theodor Fechner (1801-1887) Unterschiedsschwelle: Ab welchem Reizunterschied werden zwei Reize als unterschiedlich wahrgenommen. Methoden am Beispiel der Absolutschwelle… Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 2 2 Psychophysik Herstellungsverfahren Beurteiler stellt einen veränderbaren Reiz so ein, dass er gerade wahrnehmbar ist. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 3 3 Psychophysik Grenzverfahren Die Intensität eines deutlich überschwelligen Reizes wird vom Versuchsleiter (VL) so vermindert, dass der Beobachter den Reiz nicht mehr wahrnimmt (=absteigendes Verfahren). Beginn mit einem unterschwelligen Reiz (=aufsteigendes Verfahren). Schwelle=Mittelwert der Grenzen (98.5) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 4 4 Psychophysik Konstanzmethode Zufällige Präsentation von Reizen unterschiedlicheer Intensität. Absolute Schwelle: die Intensität bei der Entdeckungsrate 50% beträgt. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 5 5 Psychophysik Ernst Heinrich Weber (1795-1878) ∆S/S=konstant (Weber-Bruch) Goldstein (2002) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 6 6 Psychophysik E I Müsseler & Prinz (2002) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 7 7 Psychophysik E Fechner’sches Gesetz E I 1 ln k I0 E: Empfindungsstärke K: Weber-Bruch I aus Müsseler & Prinz (2002) I: Reizintensität I0: Absolutschwelle Zielsetzung der Psychophysik: Ermittlung des Zusammenhangs zwischen physikalischen Größen und subjektivem Erleben. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 8 8 Gliederung • Farbwahrnehmung • Gestaltwahrnehmung • Objektwahrnehmung Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 9 9 Gliederung • Farbwahrnehmung • Gestaltwahrnehmung • Objektwahrnehmung Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 10 10 Farbwahrnehmung Wozu Farbwahrnehmung ? leichtere Segmentierung von Objekten aus Goldstein (2002) z.B. Früchte im Laub Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 11 11 Farbwahrnehmung Farbe und Wellenlänge Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 12 12 Farbwahrnehmung • Die Farbe eines Objektes wird durch zwei Faktoren bestimmt: • der spektralen Zusammensetzung der Beleuchtungsquelle. • der Reflektanz des Objekts. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 13 13 Farbwahrnehmung Spektrale Zusammensetzung Beleuchtungsquelle Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 14 14 Farbwahrnehmung Objekte unterschiedlicher Reflektanz z.B. blaue Pigmentfarbe absorbiert Licht aller Spektralbereiche außer diejenigen um 450 nm Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 15 15 Farbwahrnehmung Dreifarbentheorie (Helmholtz) Farbmischung Additive Farbmischung Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I Subtraktive Farbmischung 16 16 Farbwahrnehmung Dreifarbentheorie (Helmholtz) Beobachtungen aus Farbabgleichexperimenten Man braucht mindestens 3 Farben um jeden beliebigen Farbeindruck zu erzeugen. Welche Farben man nimmt, ist relativ egal, solange sich keine der drei Farben aus der Mischung der beiden anderen ergibt. Das heißt, man kann dieselbe Farbe aus physikalisch unterschiedlichen Lichtzusammensetzungen erzeugen (sog. metamere Farben). Idee: Farbeindruck entspricht dem Aktivitätsmuster dreier Farbrezeptoren. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 17 17 Farbwahrnehmung Absorptionsspektren von drei Zapfenpigmenten und Aktivitätsreaktionen bei einem Licht von 500 nm Aktivierungsmuster der drei Zapfentypen für verschiedene Farbwahrnehmungen Kognitive Psychologie. Wahrnehmung Abb. 7.38. Copyright © 2004 by J.Hoffmann Blau Grün Rot S M L S M L S M L Gelb Orange Weiss S M L S M L S M L R=255, G=255, B = 0 Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I Kognitive Psychologie. Wahrnehmung Abb. 7.39. Copyright © 2004 by J.Hoffmann 18 18 Farbwahrnehmung Gegenfarbentheorie (Hering) Einige Phänomen sind mit der Farb-Sukzessivkontraste Dreifarbentheorie nicht erklärbar. 1) Farbige Nachbilder. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I Kognitive Psychologie. Wahrnehmung Abb. 7.40. Copyright © 2004 by J.Hoffmann 19 19 Farbwahrnehmung Gegenfarbentheorie (Hering) Einige Phänomen sind mit der Farb-Sukzessivkontraste Dreifarbentheorie nicht erklärbar. 1) Farbige Nachbilder. 2) Simultankontrast 3) Typen von Farbenblindheit. Rotblinde sind auch grünblind. Blaublinde sind auch gelbblind. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I Kognitive Psychologie. Wahrnehmung Abb. 7.40. Copyright © 2004 by J.Hoffmann 20 20 Farbwahrnehmung Gegenfarbentheorie (Hering) Annahme dreier antagonistisch wirkender Farbenpaare rot – grün blau – gelb weiß – schwarz Solche Zellen sind im Kniehöcker nachgewiesen worden (DeValois & Jacobs, 1968). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 21 21 Farbwahrnehmung Integration der Theorien Opponierende Systeme im Resultat neuronaler Verschaltung der Aktivierungen von drei Rezeptorsystemen frequenzspezifische Zapfen frequenzspezifische Neuronen Aktivierung Hemmung -Gelb/Blau+ -Grün/Rot+ Kognitive Psychologie. Wahrnehmung Abb. 7.44. Copyright © 2004 by J.Hoffmann mit freundlicher Genehmigung von Joachim Hoffmann Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 22 22 Gliederung • Farbwahrnehmung • Gestaltwahrnehmung • Objektwahrnehmung Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 23 23 Gliederung • Farbwahrnehmung • Gestaltwahrnehmung • Objektwahrnehmung Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 24 24 Gestaltwahrnehmung Fragestellung: Nach welchen Prinzipien wird das was wir wahrnehmen strukturiert? Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 25 25 Gestaltwahrnehmung Grundüberzeugung: Das Ganze ist verschieden von der Summe seiner Teile. Das heißt, Einzelelemente können einen Wahrnehmungseindruck erzeugen, der durch die Einzelelemente allein nicht erklärt werden kann. Beispiel: Scheinbewegung Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 26 26 Gestaltwahrnehmung Nach welchen Gesetzmäßigkeiten werden Elemente zu Gestalten gruppiert: => Gestaltfaktoren Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 27 27 Gestaltwahrnehmung Faktor der „guten Gestalt“ Jedes Reizmuster wird so gesehen, dass die resultierende Struktur so einfach wie möglich ist. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 28 28 Gestaltwahrnehmung Faktor der „guten Gestalt“ Jedes Reizmuster wird so gesehen, dass die resultierende Struktur so einfach wie möglich ist. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 29 29 Gestaltwahrnehmung Faktor der „guten Gestalt“ Jedes Reizmuster wird so gesehen, dass die resultierende Struktur so einfach wie möglich ist. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 30 30 Gestaltwahrnehmung Faktor der Ähnlichkeit Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 31 31 Gestaltwahrnehmung Faktor der gestaltgerechten Linienfortsetzung Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 32 32 Gestaltwahrnehmung Faktor der Nähe Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 33 33 Gestaltwahrnehmung Faktor des gemeinsamen Schicksals Gemeinsam bewegte Objekte werden als zusammengehörig erlebt. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 34 34 Gestaltwahrnehmung Faktor der Vertrautheit Objekte die zusammen etwas bedeuten oder vertraut sind, werden als zusammengehörig interpretiert. Bev Doolittle aus Goldstein 2002 Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 35 35 Gestaltwahrnehmung Figur-Grund-Trennung Man separiert immer in Figur und Grund. Das was zu einem gegebenen Zeitpunkt als Figur wahrgenommen wird, kann nicht gleichzeitig als Grund wahrgenommen werden. Als Figur wird eher das gesehen, was kleiner, symmetrischer, konvexer…. ist. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 36 36 Gestaltwahrnehmung Kritik an der Gestaltpsychologie • viele Gesetze können nur an artifiziellen Reizvorlagen beobachtet werden. • beschreibt, aber erklärt nicht. • was bedeutet „einfach“, „prägnant“, „gut“? Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 37 37 Literatur: Goldstein, E. B. (2008). Wahrnehmungspsychologie. Heidelberg. Spektrum. Kapitel 1,2 Müsseler, J. (2008). Wahrnehmung. In J. Müsseler. Allgemeine Psychologie. Kap. 1-3a. Heidelberg. Spektrum. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 38 4 Wahrnehmung 3 123 Vorlesung Allgemeine Psychologie I Wahrnehmung III Objektwahrnehmung Raumwahrnehmung. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 1 1 Objektwahrnehmung Objekterkennung := Korrekte Zuordnung von Reizmuster und Gedächtniseintrag Tasse Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 2 2 Objektwahrnehmung Problem: Unterscheidung ähnlicher Objekte. Zitrone Ball Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 3 3 Objektwahrnehmung Problem: Objektkonstanz trotz veränderlichem Betrachtungswinkel. Tasse Tasse Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 4 4 Objektwahrnehmung 1. Modelle ansichtsabhängiger Objekterkennung 1a. Schablonenvergleich (unbrauchbar) 1b. Single-view plus transformation 1c. Multiple-views plus transformationen 2. Modelle ansichtsunabhängiger Objekterkennung 2 a. Geon-Theorie Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 5 5 Objektwahrnehmung Schablonenvergleich Stimulus Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I gespeicherte Ansicht 6 6 Objektwahrnehmung Schablonenvergleich Stimulus Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I gespeicherte Ansicht 7 7 Objektwahrnehmung Single-view plus Transformation + Transformation Stimulus Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I gespeicherte Ansicht 8 8 Objektwahrnehmung Single-view plus Transformation + Transformation Stimulus Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I gespeicherte Ansicht 9 9 Objektwahrnehmung Single-view plus Transformation Wir können Objekte in unterschiedlichen Orientierungen identifizieren (=Objektkonstanz) Reaktionszeit aber umso schlechter, je weiter sie von ihrer üblichen (kanonischen) Orientierung abweichen. a a 0° 60° 120° 180° a 240° Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 300° 0° 10 10 Objektwahrnehmung Multiple-views plus Transformation Für viele Objekte gibt es mehrere typische Ansichten. Rotation zur nächstliegenden Ansicht. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 11 Objektwahrnehmung Multiple-views plus Transformation Tarr & Pinker (1989) Steven Pinker Training Test RZ 0° idealisierte Daten 120° 240° 0° ‚kef‘ ‚kip‘ Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 60° 120° 180° 240° 300° 0° Trainierte Objektorientierungen 12 12 Objektwahrnehmung Modelle ansichtsunabhängiger Objekterkennung Ermittlung von Elementarkörpern (Geone) und ihrer ansichtsunabhängigen Raumlagebeziehungen zueinander. Vergleich mit entsprechenden strukturellen Objektbeschreibung im Gedächtnis. Henkel zwischen Boden und Öffnung Tasse Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I Henkel an der Öffnung Eimer 13 13 Objektwahrnehmung Geon-Theorie (Biederman, 1987) Irving Biederman Behauptung: Es lasssen sich 36 Elementarkörper (Geone) unterscheiden. Eine Art „visuelles Alphabet“. Durch die Kombination dieser Geone lässt sich jedes beliebige Objekt repräsentieren. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 14 14 Objektwahrnehmung Geon-Theorie (Biederman, 1987) Extraktion von Kanten Überzufällige Merkmale Zerlegung nach Konkavität Bestimmung der „Geone“ Vergleich mit Repräsentationen Parallelität zweier Linien Zuordnung nach Ähnlichkeit Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 15 15 Objektwahrnehmung Geon-Theorie (Biederman, 1987) Die gleichen Geone ergeben unterschiedliche Objekten durch Veränderung ihrer Raumlagebeziehung. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 16 16 Objektwahrnehmung Geon-Theorie (Biederman, 1987) Evidenz für Geon-Theorie • Kantenbild für Objekterkennung nahezu immer ausreichend (Farb- und Oberflächeninformationen relativ unwichtig). • Beseitigung von Konkavitäten verhindert Geonsegmentierung und macht Objekterkennung sehr schwierig. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 17 17 Objektwahrnehmung Geon-Theorie (Biederman, 1987) Evidenz für Geon-Theorie • Kantenbild für Objekterkennung nahezu immer ausreichend (Farb- und Oberflächeninformationen relativ unwichtig). • Beseitigung von Konkavitäten verhindert Geonsegmentierung und macht Objekterkennung sehr schwierig. • Objekterkennung umso schwieriger, je mehr Geone fehlen oder verdeckt sind. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 18 18 Objektwahrnehmung Geon-Theorie (Biederman, 1987) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 19 19 Objektwahrnehmung Kontexteffekte Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 20 20 Objektwahrnehmung Kontexteffekte Die Erkennung eines Objektes hängt nicht nur vom Objekt allein ab, sondern vom Kontext in den es eingebettet ist. Die Objekterkennung wird neben sensorischer Information (bottom-up) auch durch Wissen, Erwartungen und Absichten (top-down) bestimmt. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 21 21 Literatur Goldstein, E. B. (2008). Wahrnehmungspsychologie. Heidelberg. Spektrum. Kapitel 5, 7. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 22 22 Gliederung • Tiefenwahrnehmung • Größenkonstanz • Bewegungswahrnehmung Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 23 23 Tiefenwahrnehmung Problem: Wie ist es möglich, räumliche Tiefe wahrzunehmen, obwohl nur ein flächiges Bild auf der Netzhaut zur Verfügung steht. Lösung: Die räumliche Tiefe muss anhand von Tiefenkriterien erschlossen werden. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 24 24 Tiefenwahrnehmung Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 25 Tiefenwahrnehmung Akkomodation Anpassung der Brechkraft der Linse an Objektentfernung zur Gewährleistung einer scharfen Abbildung. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 26 Tiefenwahrnehmung Konvergenz Drehung der Augäpfel zum Fixationspunkt Konvergenzwinkel Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I Akkomodation und Konvergenz tragen nur im Nahbereich bis 2m zur Tiefenwahrnehmung bei. 27 Tiefenwahrnehmung Verdeckung von Objekten Goldstein (2002, S.229 ) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I Objekte die andere Objekte verdecken, werden als relativ näher gesehen. 28 Tiefenwahrnehmung Relative Höhe Objekte die sich näher am Horizont befinden, werden als weiter entfernt interpretiert. Goldstein (2002, S.231 ) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 29 Tiefenwahrnehmung Relative Größe Goldstein (2002, S.229 ) Objekte die einen kleinen Sehwinkel einehmen, werden weiter entfernt wahrgenommen, als gleich große Objekte die einen grösseren Sehwinkel einnehmen. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 30 Tiefenwahrnehmung Luftperspektive Goldstein (2002, S.232 ) unscharfe Objekte erscheinen weiter entfernt Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 31 Tiefenwahrnehmung Gewohnte Größe Bei gleicher Abbildungsgröße auf der Netzhaut erscheinen kleinere Objekte näher als größere Objekte. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 32 Tiefenwahrnehmung Lineare Perspektive Goldstein (2002, S.234 ) konvergierende Linien erscheinen als tiefenerstreckte Parallelen Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 33 Tiefenwahrnehmung Texturgradient gleichabständige Strukturen erscheinen weiter entfernt, je dichter gepackt sie sind. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 34 Tiefenwahrnehmung Bewegungsparallaxe Bewegung des Beobachters von Pos. 1 zu Pos. 2 verschiebt das Netzhaubild eines nahen Punktes (A) stärker als das Netzhautbild eines entfernten Punktes (B). Goldstein (2002, S.235 ) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I Beispiel: Zugfahrt entlang naher bzw. entfernter Objekte 35 Tiefenwahrnehmung Fortschreitendes Zu- und Aufdecken Goldstein (2002, S.236 ) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 36 Tiefenwahrnehmung Querdisparation Die Augen liegen etwa 6 cm auseinander. Daher entstehen leicht unterschiedliche Bilder auf den beiden Netzhäuten. Das bezeichnet man als Querdisparation. Das Ausmaß dieser Unterschiedlichkeit lässt Rückschlüsse über die Entfernung der Objekte relativ zum aktuellen Fixationspunkt zu. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 37 Tiefenwahrnehmung Querdisparation Korrespondierende Netzhautpunkte Hl Gl Fl Hr Gr Fr Korrespondierende Netzhautpunkte liegen an gleichen Orten auf den Netzhäuten. (Sie würden sich überlagern wenn man die Netzhäute aufeinander legen könnte). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 38 Tiefenwahrnehmung Querdisparation Korrespondierende Netzhautpunkte Hl Gl Fl Hr Gr Fr Bei Fixation eines Objektes werden manche Punkte der Umwelt auf korrespondierende Netzhautpunkte abgebildet. Das gilt z.B. für das fixierte Objekt (wird in beiden Augen in der Fovea abgebildet), aber nicht nur für dieses, sondern für alle Objekte die auf dem sog. Horopter liegen. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 39 Tiefenwahrnehmung Querdisparation Goldstein (2002, S.240) Alle Objekte (in diesem Fall Personen) auf dem Horopter werden auf korrespondierende Netzhautstellen abgebildet. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 40 Tiefenwahrnehmung Querdisparation Goldstein (2002, S.241) Objekte (Personen) vor oder hinter dem Horopter werden auf nicht-korrespondierende Netzhautpunkte abgebildet. Je größer der Disparitätswinkel zwischen korrespondierenden und nicht-korrespondierenden Abbildungspunkten (z.B. B‘ und G‘) umso größer der Abstand vom Horopter. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 41 Tiefenwahrnehmung Querdisparation Objekte hinter dem Horopter werden auf innere Teile der Netzhäute abgebildet (sog. ungekreuzte Querdisparation). Objekte vor dem Horopter werden auf äußeren Randbereichen der Netzhäute abgebildet (gekreuzte Querdisparation). Goldstein (2002, S.241) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I Aus der Art der Querdisparation (gekreuzt oder ungekreuzt) und der Größe des Disparitätswinkels lässt sich also schließen, wie weit entfernt ein Objekt relativ zum aktuellen Fixationspunkt ist. 42 Tiefenwahrnehmung Wann werden welche Tiefenkriterien genutzt? Goldstein (2002, S.248 ) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 43 Gliederung • Tiefenwahrnehmung • Größenkonstanz • Bewegungswahrnehmung Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 44 44 5 Wahrnehmung 4 168 Vorlesung Allgemeine Psychologie I Wahrnehmung IV Größenkonstanz, Bewegungswahrnehmung Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 1 1 Gliederung • Tiefenwahrnehmung • Größenkonstanz • Bewegungswahrnehmung Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 2 2 Größenkonstanz Die Abbildungsgröße eines Objektes auf der Netzhaut (der Sehwinkel) hängt sowohl von der Größe des Objekts ab als auch von seiner Entfernung. Trotz unterschiedlicher Netzhautbildgrößen sehen wir ein und dasselbe Objekt bei unterschiedlicher Entfernung in konstanter Größe (:=Größenkonstanz) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 3 3 Größenkonstanz Um Größenkonstanz zu erreichen, muss daher die anhand von Tiefenkriterien erschlossene Entfernung des Objekts mit seinem Sehwinkel verrechnet werden. Vorhersage: Je weniger Tiefenkriterien um so schlechtere Größenkonstanz. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 4 4 Größenkonstanz Versuchsanordnung von Holoway & Boring (1941) Goldstein (2002, S.258 ) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 5 5 Größenkonstanz von Vp so einzustellen, dass ihre Größe der realen Größe der Testskreisscheibe entspricht Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 6 6 Größenkonstanz Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 7 7 Größenkonstanz Emmert‘sches Gesetz: Die Verrechnung von erschlossener Entfernung und Sehwinkel kann man gut illustrieren am Emmert‘schen Gesetz. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 8 8 Größenkonstanz Emmert‘sches Gesetz: Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 9 9 Größenkonstanz Geometrisch-optische Täuschungen: Die Verrechnung von retinaler Größe und erschlossener Entfernung kann als Erklärung für Größentäuschungen dienen. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 10 10 Größenkonstanz Müller-Lyer-Täuschung Die auf der Retina gleich großen Linien werden als Kante (links) oder Ecke (rechts) gesehen, und daher unterschiedlich weit entfernt vermutet. Ein fernes Objekt dass ein gleich großes Retinabild wie ein nahes Objekt erzeugt „muss“ größer sein, so zumindest die Interpretation des visuellen Systems. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 11 11 Größenkonstanz Müller-Lyer-Täuschung Da die Täuschung auch unter diesen Bedingungen auftritt (ohne offensichtliche Entfernungsinterpretation) gibt es vermutlich mehrere Ursachen (z.B. etwas weitere Augenbewegungen in der größer erscheinenden Figur). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 12 12 Größenkonstanz weitere ähnliche Täuschungen.... Ponzo-Täuschung Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 13 13 Größenkonstanz weitere ähnliche Täuschungen.... Mond-Täuschung Das ist eine Veranschaulichung des subjektiven Eindrucks. Besser bei nächster Gelegenheit draußen ansehen! Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 14 14 Größenkonstanz Mond-Täuschung Der Mond am Horizont erscheint aufgrund der vielfältigen Tiefeninformationen im Gelände (Verdeckung, Linearperspektive, Strukturgradienten etc.) weiter entfernt als im strukturenlosen Zenit. Deckt man Gelände ab, erscheint der Mond am Horizont so groß wie der Mond im Zenit (Kaufman & Rock, 1962). Die geschätzte Entfernung des Himmelsgewölbes erscheint am Horizont größer als im Zenit. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 15 15 Größenkonstanz Mond-Täuschung www.wikepedia.de Horizontmond erscheint weiter entfernt als Zenitmond, und wird wegen des gleichen Netzhautbildes daher als größer wahrgenommen Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 16 16 Bewegungswahrnehmung Bewegung sticht hervor. Wo ist der Vogel ? Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 17 17 Bewegungswahrnehmung Bewegungs-Detektor Rezeptoren Verzögerung () Multiplikation (M) www.viperlib.com Der Detektor ist selektiv für • Bewegungen in eine Richtung. • Bewegungen deren Geschwindigkeit der Dauer der zeitlichen Verzögerung entspricht. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 18 18 Bewegungswahrnehmung Reichardt-Detektor (1961) Wenn zwei derartige Detektoren verknüpft werden, entsteht ein Schaltkreis der prinzipiell in der Lage ist Bewegungsrichtungen zu erkennen (sog. Reichardt-Detektor). Vergleiche Abbildung: Bewegungen von links nach rechts erhöhen Ausgangsaktivität. Bewegungen von rechts nach links verringern Ausgangsaktivität. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 19 19 Bewegungswahrnehmung Bewegungs-Nacheffekte http://dogfeathers.com/java/spirals.html Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I http://www.lifesci.sussex.ac.uk/home/George_Mather/Motion/MAE.HTML 20 20 Bewegungswahrnehmung Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 21 21 Bewegungswahrnehmung Ermüdung von Bewegungsdetektoren als Erklärung für Nacheffekte Impulsrate einer richtungsspezifischen Zelle auf einen Bewegungsreiz in bevorzugter Richtung (Barlow & Hill, 1963) Mit Reizdarbietung steigt Entladung steil an, fällt dann wieder ab. Mit Reizende sinkt die Entladungsate unter das Niveau der Spontaktivität. Goldstein (2002, S. 292) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 22 22 Bewegungswahrnehmung Ermüdung von Bewegungsdetektoren als Erklärung für Nacheffekte 5 5 Unbewegter Eindruck entsteht, wenn Detektoren für Gegenrichtungen gleich aktiv sind. 3 5 Ermüdung eines Detektors erzeugt Wahrnehmung der Gegenbewegung. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 23 23 Bewegungswahrnehmung Trennung von Eigen- und Fremdbewegung Retinale Bildverschiebung: Augenbewegung oder Objektbewegung? Objektbewegung nach rechts F oder Augenbewegung nach links? links links In beiden Fällen bewegt sich das retinale Bild nach links links links Kognitive Psychologie. Wahrnehmung Abb. 7.13. Copyright © 2004 by J.Hoffmann Gleiche proximale (retinale) Bildbewegungen können durch Objektbewegung oder durch Augenbewegung entstehen. Wie trennt das visuelle System Augen- und Fremdbewegung? Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 24 24 Bewegungswahrnehmung Trennung von Eigen- und Fremdbewegung Trennung durch: 1) retinale Informationen. (ökologischer Ansatz, Gibson). 2) propriozeptive Rückmeldung aus Augenmuskeln (inflow-Modell). 3) efferente Kommandos an Augenmuskeln (outflowModell, Reafferenzprinzip). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 25 25 Bewegungswahrnehmung Trennung von Eigen- und Objektbewegung Die Information zur Trennung von Eigen- und Objektbewegung steckt im Reiz selbst (Gibson, 1966). Bewegt sich das Objekt, verdeckt und enthüllt es andere, unabhängig davon, ob sich das Auge bewegt. Goldstein (2002. S. 299) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 26 Bewegungswahrnehmung Trennung von Eigen- und Objektbewegung Die Information zur Trennung von Eigen- und Objektbewegung steckt im Reiz selbst (Gibson, 1966). Bewegt sich alles im Gesichtsfeld, dann liegt das an der Eigenbewegung des Betrachters. Goldstein (2002. S. 299) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 27 Bewegungswahrnehmung Trennung von Eigen- und Objektbewegung Aber: Man kann auch bei einer einzelnen Wolke am sonst wolkenlosen Himmel entscheiden, ob sich die Wolke oder das Auge bewegt. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 28 Bewegungswahrnehmung Trennung von Objekt- und Augenbewegung Das visuelle System besitzt extraretinale Informationen über Augenbewegungen. Die retinale Bildänderung wird verglichen mit der Bildänderung, die infolge der Augenbewegung erwartet wird. Übereinstimmung => keine Objektbewegung keine Übereinstimmung => Objektbewegung Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 29 29 Bewegungswahrnehmung Trennung von Objekt- und Augenbewegung Ein paar Beispiele..... Situation Bildänderung Augenbewegung Wahrnehmung Aktive Exploration der Ja Umgebung Ja Keine Bewegung Objektbewegung vor unbewegtem Auge Ja Nein Bewegung Verfolgung eines bewegten Objekts Nein Ja Bewegung Betrachtung der ruhenden Umgebung Nein Nein Keine Bewegung Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 30 30 Bewegungswahrnehmung Trennung von Objekt- und Augenbewegung Welche Information wird genutzt? inflow-Modell outflow-Modell (Reafferenzprinip) Augenmuskeln mit Dehnungsrezeptoren Rückmeldungen (Propriozeption) von den Augenmuskeln Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I Motorische Kommandos (Efferenzen) für Augenbewegungen 31 31 Bewegungswahrnehmung Trennung von Objekt- und Augenbewegung inflow-Modell: Bewegungseindruck bei: • Bildverschiebung ohne Rückmeldung aus Augenmuskeln. • ruhendem Bild trotz Rückmeldung aus Augenmuskeln. outflow-Modell: Bewegungseindruck bei: • Bildverschiebung ohne Augenbewegungskommando. • ruhendem Bild trotz Augenbewegungskommando. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 32 32 Bewegungswahrnehmung Empirische Beobachtungen zum Zusammenhang zwischen Eigenbewegung, Objektbewegung und Bewegungswahrnehmung Efferenz Propriozeption Retinale Bewegung Wahrnehmung Aktive Exploration einer unbewegten Umgebung ja ja ja Keine Bewegung Passive Bewegung des Augapfels nein ja ja Bewegung ja ja nein Bewegung nein ja nein Keine Bewegung Verfolgung eines bewegten Objektes mit den Augen ja ja nein Bewegung Blickintention bei gelähmter Augenmuskulatur ja nein nein Bewegung Situation Nachbild und aktive Augenbewegung Nachbild und passive Augenbewegung Kognitive Psychologie. Wahrnehmung Abb. 7.14. Copyright © 2004 by J.Hoffmann Bewegungseindruck, wenn retinale Bewegung und Efferenz nicht übereinstimmen (rote Felder). Kein Bewegungseindruck, wenn retinale Bewegung und Efferenz übereinstimmen (weiße Felder). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 33 33 Bewegungswahrnehmung Empirische Beobachtungen zum Zusammenhang zwischen Eigenbewegung, Objektbewegung und Bewegungswahrnehmung Efferenz Propriozeption Retinale Bewegung Wahrnehmung Aktive Exploration einer unbewegten Umgebung ja ja ja Keine Bewegung Passive Bewegung des Augapfels nein ja ja Bewegung ja ja nein Bewegung nein ja nein Keine Bewegung Verfolgung eines bewegten Objektes mit den Augen ja ja nein Bewegung Blickintention bei gelähmter Augenmuskulatur ja nein nein Bewegung Situation Nachbild und aktive Augenbewegung Nachbild und passive Augenbewegung Kognitive Psychologie. Wahrnehmung Abb. 7.14. Copyright © 2004 by J.Hoffmann Übereinstimmung mit Proriozeption spielt keine Rolle => Das outflow-Modell (Reafferenzprinzip) ist richtig. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 34 34 Bewegungswahrnehmung Reafferenzprinzip (von Holst & Mittelstaedt, 1954) Goldstein (2002, S. 294) Bewegung wird wahrgenommen, wenn Efferenzkopie und afferentes Signal von der Retina eine Differenz aufweisen. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 35 Bewegungswahrnehmung Wahrnehmung menschlicher Körperbewegungen Menschen sind besonders sensitiv für die Wahrnehmung von menschlichen Körperbewegungen. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 36 Bewegungswahrnehmung Wahrnehmung menschlicher Körperbewegungen Beispiel 1. Random dot- walker (Johansson, 1975) http://www.biomotionlab.ca/Demos/BMLwalker.html Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 37 Bewegungswahrnehmung Wahrnehmung menschlicher Körperbewegungen Beispiel 2. Scheinbewegung am Körper (Shiffrar, 1975) Regel des kürzesten Weges Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I Regel des anatomisch Möglichen (bei Bildfolgeintervalen > 200 ms) 38 Bewegungswahrnehmung Wahrnehmung menschlicher Körperbewegungen Beispiel 3. Vorhersage eigener Körperbewegungen Knoblich et al. (2002) Folgt ein l oder ein r ? Vorhersage des Buchstaben bei eigener Handschrift möglich. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 39 Bewegungswahrnehmung Wahrnehmung menschlicher Körperbewegungen Woher kommt die Sensitivität für menschliche Körperbwegungen ? Vermutlich simulieren wir innerlich die Bewegung. Das geht besonders gut bei Artgenossen, die ähnliche motorische Kompetenzen besitzen, und am besten bei der Wahrnehmung eigener Körperbewegungen, die nur der Akteur exakt replizieren kann. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 40 Literatur Goldstein, E. B. (2008). Wahrnehmungspsychologie. Heidelberg. Spektrum Verlag. Kapitel 8. Goldstein, E. B. (2008). Wahrnehmungspsychologie. Heidelberg. Spektrum Verlag. Kapitel 9. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 41 6 Aufmerksamkeit 1 210 Vorlesung Allgemeine Psychologie I Aufmerksamkeit I Begriffsbestimmung, Filtertheorien, Ressourcentheorien, Selection-for-action. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 1 1 Begriffsbestimmung „Jeder weiß, was Aufmerksamkeit ist. Sie ist das Besitzergreifen durch den Verstand, in einer klaren und lebhaften Form. Eines wird aus dem herausgegriffen, was wie mehrere gleichzeitig mögliche Objekte oder Gedankengänge scheint. Bündelung, Konzentration des Bewusstseins sind Wesentliche. Sie beinhaltet das Zurückziehen von einigen Dingen, um mit den anderen wirkungsvoll umgehen zu können.” (James, 1890). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I William James 2 2 Begriffsbestimmung Aufmerksamkeit ist also • Auswahl relevanter Informationen zum Zwecke effektiver Verarbeitung • und damit gleichzeitig die Ausblendung irrelevanter Informationen. Es geht also um die Selektion von Informationen. selektive Aufmerksamkeit. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 3 3 Fragen der Aufmerksamkeitsforschung • Wodurch wird bestimmt, worauf wir achten ? • Welche Mechanismen erlauben eine bevorzugte Verarbeitung beachteter Reize (und Unterdrückung nicht beachteter Reize)? • Worin unterscheidet sich die Verarbeitung beachteter und nicht beachteter Informationen? Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 4 4 Periphere Selektion Hörschwellenkurve beim Menschen dB (SPL) 70 Normales Gespräch 50 30 10 10 00 50 00 10 00 0 50 0 10 0 20 -10 Frequenz (Hz) Die größte Empfindlichkeit liegt im Frequenzbereich eines normalen Gesprächs. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 5 5 Filtertheorien S Elementare Sensorische Merkmale Objekte Kategorien Bedeutungen Reaktionen Verhalten R R • serielle Informationsverarbeitung vom Reiz zur Reaktion. • Irgendwo im Informationsverarbeitungsfluss sitzt ein Filter. • Unbeschränkte Verarbeitung aller Informationen bis zum Filter (unbegrenzte Verarbeitungskapazität). • Am Filter werden Informationen anhand bestimmter Kriterien ausgewählt. • Nach dem Filter werden nur wenige, ausgewählte Informationen weiterverarbeitet (begrenzte Verarbeitungskapazität). • Beachtung mehrerer Reize erfordert Hin- und Herschalten (multiplexing) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 6 6 Filtertheorien Early Selection, (Broadbent, 1958) S2 Elementare Sensorische Merkmale Objekte Kategorien Bedeutungen Reaktionen Verhalten R „...a selective operation is performed upon the input to this channel, the operation taking the form of selecting information from all sensory events having some feature in common.“ (Broadbent, 1958, S. 297) Late Selection (Deutsch & Deutsch, 1963) Elementare Sensorische Merkmale Objekte Kategorien Bedeutungen Reaktionen Verhalten „...all sensory messages which impinge upon the organism are perceptually analysed at the highest level.“ (Deutsch und Deutsch, 1963, S. 85) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 7 7 Filtertheorien Wo liegt der Filter early Elementare Sensorische Merkmale ? Objekte Kategorien Bedeutungen late Reaktionen Verhalten Untersuchungslogik: • Präsentation mehrerer Informationen, von denen nur einige verarbeitet werden sollen. • Welche Merkmale nichtbeachteter Reize werden bemerkt? • Die bemerkten Merkmale liegen offenbar vor dem Filter, denn sie werden ja verarbeitet. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 8 8 Dichotisches Hören (Cherry,1953) Simultane Darbietung unterschiedlicher Informationen auf beiden Ohren (Ähnlichkeit mit Cocktailparty). Zur Kontrolle der Instruktionsbefolgung: Nachsprechen der zu beachtenden Informationen (shadowing). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 9 9 Dichotisches Hören (Cherry,1953) Welche Informationen werden im nichtbeachteten Ohr wahrgenommen? • Wechsel von einer männlichen zu einer weiblichen Stimme oder zu einem Sinuston wird bemerkt. • Wechsel der Sprache oder Rückwärtsspielen des Bandes wird nicht bemerkt. => spricht für Selektion anhand früh verfügbarer sensorischer Merkmale. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 10 10 Dichotisches Hören Aber… • eigener Name im abgewandten Ohr wird bemerkt (breakthrough-Phänomen, Moray, 1954). • Hautleitwertsveränderungen auf Worte einer schockassoziierten Kategorie (z.B. Eiche, Tanne, Fichte) bei Darbietung im abgewandten Ohr (Generalisierung auf neue Exemplare ! z.B. Buche) (Corteen & Wood, 1972). • Beschattung einer bedeutungshaltigen Nachricht trotz Wechsel der Ohrs entgegen der Instruktion. (Treisman, 1960, nächste Folie) => spricht für Verarbeitung aller Reize bis auf höchste Ebene (späte Selektion). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 11 11 Dichotisches Hören “Beschatte rechtes Ohr”. Dennoch treten Wechsel auf anderes Ohr auf, wenn dort die Nachricht semantisch sinnvoll fortgesetzt wird. (Treisman, 1960). Anderson (2001) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 12 12 Attenuationstheorie (Treisman, 1964) Attenuation Elementare Sensorische Merkmale Objekte Kategorien Bedeutungen Reaktionen Verhalten • unbeachtete Informationen werden nicht vollständig eliminiert, sondern gedämpft (“mehr oder weniger” anstatt “alles oder nichts”). • semantische Verarbeitung unbeachteter Information ist möglich, wenn auch schwierig. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 13 13 Filtertheorien Zwischenfazit: • Insgesamt ist die Befundlage zur Frage später vs. früher Selektion uneinheitlich. • Es gibt auch Befunde die durch keinen Ansatz leicht erklärbar sind. Z.B. Die Verarbeitung einfacher sensorischer Merkmale profitiert davon, dass Aufmerksamkeit auf sie gerichtet wird, obwohl die Verarbeitung dieser Merkmale nach allen Filtermodellen aufmerksamkeitsunabhängig erfolgen sollte (Egeth, 1977, nächste Folie). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 14 14 Egeth (1977) Ist ein Reiz anders als die andern? mixed size mixed color pure size pure color 500 450 RT (ms) Homogene Displays (z.B. immer Größe) 400 350 300 2 Heterogene Displays (Farbe / Größe im Wechsel) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 4 6 8 display size Die Verarbeitung einfacher sensorischer Merkmale profitert davon, dass Aufmerksamkeit auf sie gerichtet wird, obwohl die Verarbeitung solcher Merkmale aufmerksakeitsunabhängig erfolgen sollte. 15 15 Filtertheorien • Filtertheorien liefern keine widerspruchfreie Erklärung der vorliegenden Beobachtungen. • Vielleicht ist die Konzeption einer seriellen, zunächst sensorischen dann semantischen Analyse unangemessen. • Sowohl Merkmale wie Größe als auch „Baumhaftigkeit“ beruhen letztlich alle auf der Verrechnung von Rezeptorinformationen, die nicht strikt nacheinander, sondern wenigstens teilweise parallel erfolgen kann. • Damit wird die Unterteilung in frühe und späte Selektion obsolet. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 16 16 Theorie zentraler Ressource Es gibt keine Filter die nach frühen (sensorischen) oder späten (semantischen) Merkmalen auswählen, sondern eine begrenzte Allzweckressource die auf die Verarbeitung unterschiedlicher Merkmale oder Aufgaben flexibel verteilt werden kann. Kahnemann (1973, p.9): Für das Erbringen einer Leistung ist neben dem Vorliegen der passenden Reize zweitens erforderlich „… a nonspecific input, which may be variously labeled effort, capacity, or attention. To explain man´s limited ability to carry out multiple activities at the same time, a capacity theory assumes that the total amount of attention which can be deployed at any time is limited.” Norman & Bobrow (1975, p 45): “Resources are always limited. If several processes request a portion of the same available resource, this resource must be allocated among them. The results that the processes produce depend upon the nature of the data which they receive and the amount of resources that have been allocated to them. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 17 17 Theorie zentraler Ressource Arousal Ressourcenkonzept z.B. Kahneman, 1973 Variierende Verarbeitungsressource Dauerhafte Dispositionen Ressourcenverteilung aktuelle Intentionen etc. etc. Cognit. Form Beweg. Farbe Motor. Verarbeitungsmodule Bewertung von Kapazitätsanforderungen Verhalten Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 18 18 Theorie zentraler Ressource Nachweis begrenzter Ressource durch Doppelaufgaben • Zwei gleichzeitig ausgeführte Aufgaben sollten sich umso stärker behindern, je ressourcenabhängiger sie sind. • Diese gegenseitige Interferenz wird in sog. Performance Operation Curves (POC) dargestellt. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 19 19 Theorie zentraler Ressource Idealisierte Kurve, wenn mindestens eine der Aufgaben gar keine Ressourcen beansprucht (automatisch) Müsseler & Prinz (2002, S. 156) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 20 20 Theorie zentraler Ressource Wovon hängen Doppelaufgabenkosten ab? • Aufgabenschwierigkeit (Aber: Problem der Zirkularität Aufgaben die schwierig sind, interferieren mit anderen Aufgaben. Aufgaben die mit anderen interferieren sind schwierig). • Übung. Z.B. Spelke, Hirst, Neisser (1976). Nach viermonatigem Training (5 h pro Woche) können Vpn gleichzeitig eine Geschichte lesen und nach Diktat schreiben. => Exkurs: Automatische u. kontrollierte Verarbeitung Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 21 21 Exkurs: Automatische versus kontrollierte Verarbeitung Automatische Prozesse 1. laufen rasch ab. 2. beanspruchen keine Ressourcen und interferieren daher nicht mit anderen Aufgaben (siehe POC). 3. sind unvermeidbar, sobald ein passender Stimulus vorliegt (siehe Stroop-Effekt). 4. sind nicht dem Bewusstsein zugänglich. Kontrollierte Prozesse 1. laufen langsam ab 2. beanspruchen Ressourcen und inteferieren daher mit anderen kontrollierten Prozessen (siehe POC). 3. sind beliebig steuerbar. 4. bewusst. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 22 22 Exkurs: Automatische versus kontrollierte Verarbeitung Shiffrin und Schneider (1977) • Vpn trainierten die Suche nach immer gleichen Zielbuchstaben (z.B. B u. L) unter Distraktoren (z.B. Q u Z). • Anfangs lamgsame Suche, die umso länger dauert je mehr Distraktoren anwesend sind (serielle Suche). • Nach 2100 Durchgängen Beschleunigung und Unabhängigkeit von Distraktoranzahl (parallele Suche). • Dann Vertauschung von Target und Distraktoren. • Schlechtere Leistung als zu Beginn. Fast 1000 trials nötig um altes Niveau zu erreichen. • Automatisierung durch Übung. Das macht Probleme, wenn auf die Reize nicht mehr automatisiert reagiert werden darf. => automatische Prozesse beanspruchen Ressourcen, wenn sie unterdrückt werden müssen. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 23 23 Exkurs: Automatische versus kontrollierte Verarbeitung Stroop-Effekt blau rot grün rot gelb blau grün rot gelb blau John Ridley Stroop (1897-1973) Wörter rufen die automatisierte Reaktion ”Lesen” hervor. Unterdrückung dieser automatisierten Reaktionstendenz kostet Zeit. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 24 24 Theorie zentraler Ressource Wovon hängen Doppelaufgabenkosten ab? • Aufgabenschwierigkeit (Aber: Problem der Zirkularität Aufgaben die schwierig sind, interferieren mit anderen Aufgaben. Aufgaben die mit anderen interferieren sind schwierig). • Übung. Z.B. Spelke, Hirst, Neisser (1976). Nach viermonatigem Training (5 h pro Woche) können Vpn gleichzeitig eine Geschichte lesen und nach Diktat schreiben. • Beschaffenheit der Aufgaben (nächste Folie) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 25 25 Segal & Fusella (1970) Entdeckungssensitivität (d‘) für visuelle oder auditive Reize bei gleichzeitiger visueller oder auditiver Vorstellungstätigkeit. Hohe Interferenz bei Überlappung der Wahrnehmung- und Vorstellungsmodalität Abb. aus Eysenck & Keane (2000). • Interferenz hängt ab von der Art der Aufgaben, nicht nur von ihrer Schwierigkeit. • Offenbar beanspruchen die Aufgaben nicht dieselbe Ressource. Theorie multipler Ressourcen. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 26 26 Theorie multipler Ressourcen • Es gibt nicht nur eine unspezifisch, sondern mehrere spezifische Ressourcen, für unterschiedliche Verarbeitungsmodule. • Aufgaben interferieren nur, wenn sie dieselbe Ressource beanspruchen (inhaltspezifische Interferenz). • Aufgaben interferieren nicht, wenn sie unterschiedliche Ressourcen beanspruchen. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 27 27 Theorie multipler Ressourcen Verschiedene Ressourcen Multiple Ressourcen Navon & Gopher, 1977 motorisch sensorisch mental etc... etc. etc. Cognit. Form Beweg. Farbe Hände Augen etc. Ressourcenverteilung Verarbeitungsmodule Verhalten „...the human system is probably not a single-channel mechanism but rather a complicated system with many units, channels, facilities. Each may have ist own capacity ... Each specific capacity can be shared by several concurrent processes, thus it constitutes a distributable resource. Different tasks may require those different types of resources in various compositions (Navon & Gopher, 1977, S.233) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 28 28 Theorie multipler Ressourcen Probleme multipler Ressourcen. Zirkularität. Wenn zwei Aufgaben interferieren, beanspruchen sie dieselbe Ressource. Wenn sie dieselbe Ressource beanspruchen, interferieren sie. Mangelnde Falsifizierbarkeit. Da die Natur und Anzahl der Ressourcen nicht unabhängig vom Interferenzmuster bestimmter Aufgaben bestimmt werden kann, ist die Theorie nicht widerlegbar. Für jede neu auftretende Interferenz wird ad hoc eine neue Ressource angenommen („MatroschkaPrinzip“). Homunculus-Problem. Welche intelligente Instanz (eine kleiner Homunculus im Kopf) verwaltet diese Menge unterschiedlicher Ressourcen? Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 29 29 Selection-for-action • Alan Allport (1987) • Odmar Neumann (1987) • Joachim Hoffmann (1993) Historische Vorläufer Joachim Hofmann • Kurt Lewin (1923) • Narziß Ach (1935) • ….. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I Kurt Lewin Narziß Ach 30 30 Selection-for-action • Filter- und Ressourcenmodelle nehmen an, dass der Organismus mit einer begrenzten Verarbeitungskapazität auskommen muss. • Aufmerksamkeit dient der Kompensation eines Verarbeitungsdefizits. • Selection-for-action Ansätze nehmen an, dass Verarbeitungsengpässe nicht aus einer begrenzten Verarbeitungskapazität entstehen, sondern aus den Einschränkungen unserer Verhaltensmöglichkeiten. • Aufmerksamkeit ist kein Defizit, sondern dient der Sicherung des Verhaltenserfolges. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 31 31 Selection-for-action • Der Organismus kann zu jeden Zeitpunkt nur wenige Aktionen gleichzeitig ausführen (man kann sich nicht gleichzeitig die Zähne putzen und die Haare kämmen). • Aufmerksamkeit sorgt dafür, dass nur solche Reize verarbeitet werden, die zur Realisierung einer konkreten Handlung benötigt werden… • ….und solche Reize ausgeblendet werden, die zur Ausführung einer konkurrierenden Handlungen führen könnten. • Dadurch wird die Ausführung miteinander unvereinbarer Handlungen („zwischen zwei Stühle setzen“) verhindert. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 32 32 Selection-for-action Irrelevante Objekte dürfen keinen Einfluss auf Greifbewegung erhalten. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 33 33 Selection-for-action Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 34 34 Selection-for-action Handlungsrelevante Reize werden bevorzugt verarbeitet. Lewin Aufforderungscharakter: „Man nimmt sich etwas vor, einen Brief in den Postkasten zu werfen. Der nächste Postkasten, an dem man vorübergeht, leuchtet plötzlich auf und erinnert an die Handlung. Man wirft den Brief hinein. Die weiteren Postkästen jedoch, an denen man vorüberkommt, lassen einen völlig kalt.“ Lewin, 1928; S. 335). Kurt Lewin Achs´s Determination: „Von besonderer Bedeutung ist weiterhin die Lenkung der Aufmerksamkeit durch die determinative Wirkung, indem die Aufmerksamkeit fortlaufend vor allem diejenigen Bewußtseinsinhalte in der Beachtung hervortreten läßt, die für den Ablauf des Vorganges, insbesondere für die Erreichung des Zieles von Wichtigkeit sind.“ (Ach, 1935, S.148). Narziß Ach Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 35 35 Selection-for-action Handlunsgrelevante Reize werden bevorzugt verarbeitet. Sie wirken selbst wenn dann, wenn sie nicht bewusst wahnehmbar sind. (nächste Folie) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 36 Selection-for-action Prime: 34ms ISI: 51ms Target: 102ms congruent Rlinks incongruent Rlinks neutral Rlinks Reagiere auf der Seite, auf der sich die Raute befindet. (Das Target maskiert den Prime im Sinne eines Metakontrastes) Neumann & Klotz (1994) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 37 Selection-for-action Reaktionszeiten (ms) 460 450 440 430 420 410 400 390 380 1994 congruent neutral incongruent Neumann & Klotz (1994) d’ für Unterscheidung der primes =0 !, d.h. keine bewußte Wahrnehmung der primes. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 38 Selection-for-action Für handlungsirrelvante Reize ist man dagegen praktisch “blind”. Inattentional Blindness Mack & Rock 1997,1998 (parafoveale Reize) Aufgabe: “ist die senkrechte Linie länger als die waagerechte?” Noncritical trial 500 ms 200 ms Critical trial 1.500 ms 20% der Pbn bemerken nicht den kritischen Reiz Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 39 Selection-for-action Inattentional Blindness Mack & Rock 1997,1998 (foveale Reize) Noncritical trial 500 ms 200 ms Critical trial 1.500 ms 66% der Pbn bemerken nicht den kritischen Reiz, obwohl foveal dargeboten Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 40 Selection-for-action Fazit: Selection-for-action Aufmerksamkeit muss in ihrer Funktion für die Verhaltenssteuerung verstanden werden. So betrachtet ist Aufmerksamkeit kein “Notnagel” zur Kompensation eines Verarbeitungsdefizits,…. …. sondern eine nützliche Einrichtung zur Sicherung des Erfolgs intendierter Handlungen, und zur Vermeidung der Ausführung unvereinbarer Handlungen. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 41 7 Aufmerksamkeit 2 252 Vorlesung Allgemeine Psychologie I Aufmerksamkeit II Visuelle Aufmerksamkeit Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 1 1 Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 2 • Offene vs. verdeckte Aufmerksamkeit • Messung von verdeckter Aufmerksamkeit: Cueing Paradigma • Aufmerksamkeit und (unilateraler) Neglekt • Worauf richtet sich Aufmerksamkeit (Orte vs. Objekte) • Visuelle Suche • Merkmalsintegrationstheorie Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 3 Augenbewegungen Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 4 4 Augenbewegungen Yarbus (1967) • “offene” (d.h. von außen beobachtbare) Aufmerksamkeitszuwendung durch Augenbewegungen daneben • “verdeckte” (nicht direkt beobachtbare) Aufmerksamkeitszuwendung ohne Augenbewegung... Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 5 5 • Offene vs. verdeckte Aufmerksamkeit • Messung von verdeckter Aufmerksamkeit: Cueing Paradigma • Aufmerksamkeit und (unilateraler) Neglekt • Worauf richtet sich Aufmerksamkeit (Orte vs. Objekte) • Visuelle Suche • Merkmalsintegrationstheorie Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 6 Cueing-Paradigma Posner, Nissen, & Ogden (1978) Michael Posner Target * * * * * * * Cue Fixationspunkt * * valide 80% invalide 20% neutral Target am angekündigten Ort Target nicht am angekündigten Ort Cue nicht informativ für Targetort Augen stets unbewegt ! (verdeckte Aufmerksamkeitsausrichtung) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 7 7 Cueing-Paradigma RT (ms) Kosten Nutzen valide neutral Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I invalide 8 8 Lichtkegelmetapher Mentale Repräsentation des Raumes Posner, Snyder, & Davidson (1980, p.172): „Attention can be linked to a spotlight that enhances the efficiency of detection of events within its beam“. Es wird ein zusammenhängender Bereich des Raumes beachtet (= ortsbezogene Aufmerksamkeit). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 9 9 zentrale vs. periphere cues SOA SOA • Cuedarbietung am Fixationsort. • Cuedarbietung peripher • wirken nur wenn informativ für Targetort. • wirkt auch wenn nicht informativ für Targetort. • Aufmerksamkeitswechsel hat lange Latenz (SOA >200 ms). • Aufmerksamkeitswechsel hat kurze Latenz (SOA ca.50 ms). • lange Aktivierung (> 500 ms) • kurze Aktivierung (< 200 ms). • wird von Doppelaufgaben beeinflusst. • wird nicht von Doppelaufgaben beeinflusst. endogene (willentliche) Aufmerksamkeitsausrichtung exogene (reflexive) Aufmerksamkeitsausrichtung Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 10 10 zentrale vs. periphere cues 10% 60% 10% Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 11 11 zentrale vs. periphere cues SOA SOA • Cuedarbietung am Fixationsort. • Cuedarbietung peripher • wirken nur wenn informativ für Targetort. • wirkt auch wenn nicht informativ für Targetort. • Aufmerksamkeitswechsel hat lange Latenz (SOA >200 ms). • Aufmerksamkeitswechsel hat kurze Latenz (SOA ca.50 ms). • lange Aktivierung (> 500 ms) • kurze Aktivierung (< 200 ms). • wird von Doppelaufgaben beeinflusst. • wird nicht von Doppelaufgaben beeinflusst. endogene (willentliche) Aufmerksamkeitsausrichtung exogene (reflexive) Aufmerksamkeitsausrichtung Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 12 12 • Offene vs. verdeckte Aufmerksamkeit • Messung von verdeckter Aufmerksamkeit: Cueing Paradigma • Aufmerksamkeit und (unilateraler) Neglekt • Worauf richtet sich Aufmerksamkeit (Orte vs. Objekte) • Visuelle Suche • Merkmalsintegrationstheorie Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 13 Neglect Neglect tritt meist nach Schädigung des rechten Parietallapens auf. Symptomatik: Vernachlässigung von Reizen im contraläsionalen (meist linken) Halbfeld. Posner & Peterson (1990): Neglect ist eine Störung der Steuerung räumlicher Aufmerksamkeit. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 14 14 Neglect “Kreuze die Linien an” Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I “Kopiere Zeichnung” 15 15 Neglect 2 Monate 5 Monate 5 Monate 8 Monate Anton Raderscheidt’s Selbstportraits im Laufe der Erholung von einem Neglect. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 16 16 Neglect Neglect tritt meist nach Schädigung des rechten Parietallapens auf. Symptomatik: Vernachlässigung von Reizen im contraläsionalen (meist linken) Halbfeld. Posner & Peterson (1990): Neglect ist eine Störung der Steuerung räumlicher Aufmerksamkeit. Annahme von drei Teilmechanismen der räumlichen Aufmerksamkeitsorientierung: disengage -> shift -> engage Neglect ist eine Störung der Loslösung (disengage) der Aufmerksamkeit aus dem gesunden ins vernachlässigte Halbfeld. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 17 17 Neglect Besonders verzögerte Reaktionen, wenn ipsiläsionales (gesundes) Halbfeld gecuet wurde, aber der Reiz im contraläsionalen (vernachlässigten) Halbfeld erscheint. Deutet auf Problem der Loslösung der Aufmerksamkeit von Reizen im ispiläsionalen Halbfeld hin. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 18 18 • Offene vs. verdeckte Aufmerksamkeit • Messung von verdeckter Aufmerksamkeit: Cueing Paradigma • Aufmerksamkeit und (unilateraler) Neglekt • Worauf richtet sich Aufmerksamkeit (Orte vs. Objekte) • Visuelle Suche • Merkmalsintegrationstheorie Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 19 Objektbezogene Aufmerksamkeit • Annahme: Aufmerksamkeit wird nicht auf einen Ort im Raum gerichtet, sondern auf ein Objekt. • Zwischen ortbezogenen und objektbezogenen Ansätzen zu trennen ist nicht einfach, denn ein Objekt befindet sich immer auch an einem Ort im Raum. • Eine Möglichkeit: Präsentation zu beachtender und zu ignorierender Objekte am selben Ort. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 20 20 Objektbezogene Aufmerksamkeit Duncan (1984) P (correct) 0.8 0.7 0.6 Ein Objekt Zwei Objekte Es sollten Merkmale eines Objektes berichtet werden (z.B. Neigung der Linie (links o. rechts) und Struktur der Linie (gestrichelt o. punktiert)). oder Merkmale zweier Objekte, z.B. Struktur der Linie (gestrichelt o. punktiert) und Seite der Öffnung des Kastens (links oder rechts). Ergebnis: Bessere Leistung, wenn sich Urteile auf ein Objekt als auf zwei Objekte beziehen, obwohl die Objekte am selben Ort sind. Interpretation: Aufmerksamkeit richtet sich auf Objekte. Beeinträchtigung, wenn Aufmerksamkeit auf zwei Objekte verteilt werden muss. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 21 21 • Offene vs. verdeckte Aufmerksamkeit • Messung von verdeckter Aufmerksamkeit: Cueing Paradigma • Aufmerksamkeit und (unilateraler) Neglekt • Worauf richtet sich Aufmerksamkeit (Orte vs. Objekte) • Visuelle Suche • Merkmalsintegrationstheorie Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 22 Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 23 Visuelle Suche Aufgabenstellung. Es soll angegeben werden, ob ein vorher vereinbarter Zielreiz (Target) neben einer Reihe von Störreizen (Distraktoren) vorhanden ist (Target anwesend) oder nicht (Target abwesend). Wichtiger Kennwert: Anstieg der Suchzeiten in Abhängigkeit von der Anzahl der dargebotenen Reize (Suchrate). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 24 24 Visuelle Suche Manche Suchaufgaben sind leicht. Das Target (schwarzer Balken) wird spontan entdeckt, unabhängig von der Anzahl der Distraktoren unter denen es „versteckt“ ist. Die RTs steigen mit der Anzahl der Distraktoren kaum an (hohe Suchrate). Das Target „sticht ins Auge“ (popout –Effekt). simultane (parallele) Verarbeitung aller Reize. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 25 25 Visuelle Suche Andere Suchaufgaben sind schwierig. Targetentdeckung (schwarzer horizontaler Balken) dauert umso länger, unter je mehr Reizen das Target versteckt ist (geringe Suchrate). Wenn kein Target vorhanden ist, müssen alle Reize nacheinander durchmustert werden, um sicher zu sein, dass das Target nicht übersehen wurde. Wenn ein Target vorhanden ist, muss man im Schnitt etwa die Hälfte der Objekte durchsuchen, um auf das Target zu stoßen. Die Suche bricht ab, sobald das Target gefunden wurde. serielle selbstabbrechende Suche. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 26 26 Visuelle Suche Warum sind manche Suchaufgaben leicht (parallel) und andere schwer (seriell)? Merkmalssuche Die Suche ist leicht, wenn das Target von den Distraktoren anhand eines elementaren Merkmals (z.B. Farbe) unterschieden werden kann. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I Konjunktionssuche Die Suche ist schwer, wenn das Target von den Distraktoren nur durch die Kombination von zwei Merkmalen (Farbe und Form) unterschieden werden kann. 27 27 • Offene vs. verdeckte Aufmerksamkeit • Messung von verdeckter Aufmerksamkeit: Cueing Paradigma • Aufmerksamkeit und (unilateraler) Neglekt • Worauf richtet sich Aufmerksamkeit (Orte vs. Objekte) • Visuelle Suche • Merkmalsintegrationstheorie Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 28 Merkmalsintegrationtheorie Objekte lassen sich als eine Kombination elementarer Merkmale beschreiben (Farbe, Form, Größe, Orientierung usw.). Anne Treisman Merkmale werden präattentiv (parallel) registriert. Daher kann die Anwesenheit eines Merkmals (Merkmalssuche) parallel für alle Objekte gleichzeitig geprüft werden. Die Verknüpfung von Merkmalen erfordert Aufmerksamkeit, die nur für ein Objekt zur Zeit zur Verfügung steht („Lichtkegel“). Die Konjunktionssuche ist seriell, weil für die Merkmalsverknüpfung jeder Reiz einzeln beachtet werden muss. Aufmerksamkeit hat die Funktion eines „mentalen Klebstoffes“, der Elementarmerkmale zu Objekten verknüpft. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 29 29 Merkmalsintegrationtheorie Merkmalssuche stored object repesentations Response Orientations Motions Colors Locations Shapes Stimulus Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I Die Anwesenheit des Targets kann bereits anhand der Aktivierung einer Merkmalskarte festgestellt werden. 30 30 Merkmalsintegrationtheorie Konjunktionssuche stored object repesentations Response Orientations Attention Motions Colors Shapes Locations Stimulus Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I Die Anwesenheit des Targets kann nur durch Verknüpfung von Merkmalen festgestellt werden. Das erfordert Aufmerkskamkeit. 31 31 Merkmalsintegrationtheorie Illusionäre Verknüpfungen Wenn zu wenig „Klebstoff“ zur Verfügung steht, sollte es zu falschen Verknüpfungen kommen. Treisman & Schmidt (1982). Zwei entfernte Ziffern sollen beachtet werden (weiter Aufmerksamkeitsfokus). Dann werden kurzzeitig zwei Reize dargeboten. 4 X T 8 Gelegentliche Vertauschung von Farbe und Form (z.B. rotes X und grünes T) => illusionäre Verknüpfungen. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 32 Merkmalsintegrationtheorie Probleme der MIT: • Empirisch ergibt sich keine Dichotomie zwischen parallelen und seriellen Suchen, sondern ein Kontinuum mehr oder wenig steiler Suchfunktionen. • Manche Merkmalskombinationen (bestimmte Formen und Farben) stechen ins Auge (Enns, 1990). • Die Verarbeitung erfolgt in der ursprünglichen Formulierung der Theorie (Treisman & Gelade, 1980) ausschließlich bottom-up. Es gibt aber Belege für topdown Einflüsse auf die visuelle Suche. Zum Beispiel: Eine Null (0) unter Buchstaben sticht ins Auge, ein „Oh“ (0) unter Buchstaben tut es nicht (Jonides & Gleitman, 1982). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 33 Merkmalsintegrationtheorie Target Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I Distraktor 34 Merkmalsintegrationtheorie Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 35 Merkmalsintegrationtheorie Target Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I Distraktor 36 Merkmalsintegrationtheorie Target Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I Distraktor 37 Merkmalsintegrationtheorie Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 38 Merkmalsintegrationtheorie Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 39 Merkmalsintegrationtheorie Probleme der MIT: • Empirisch ergibt sich keine Dichotomie zwischen parallelen und seriellen Suchen, sondern ein Kontinuum mehr oder wenig steiler Suchfunktionen. • Manche Merkmalskombinationen (bestimmte Formen und Farben) stechen ins Auge (Enns, 1990). • Die Verarbeitung erfolgt in der ursprünglichen Formulierung der Theorie (Treisman & Gelade, 1980) ausschließlich bottom-up. Es gibt aber Belege für topdown Einflüsse auf die visuelle Suche. Zum Beispiel: Eine Null (0) unter Buchstaben sticht ins Auge, ein „Oh“ (0) unter Buchstaben tut es nicht (Jonides & Gleitman, 1982). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 40 Merkmalsintegrationtheorie Alternative Theorien • Guided Search • Integration Competition Hypothese • Theory of Visual Attention Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 41 Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 42 Literatur: Müller, H. & Krummenacher, J. (2008). Aufmerksamkeit. In J. Müsseler. Allgemeine Psychologie. Berlin: Spektrum. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 43 8 Psychomotorik 1 296 Vorlesung Allgemeine Psychologie I Psychomotorik I Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 1 1 Zwei Prinzipien der Bewegungskontrolle 1. Regelung 2. Planung Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 2 Regelungsprinzip Heizung Thermostat Ventil Solltemperatur Ist-Temperatur Feedback Handbewegung Vergleich „closed loop“ Zielort der Hand Ist-Ort der Hand Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I Muskeln Feedback 3 3 Evidenz für Regelung mit Feedback Spijkers & Spellerberg (1995): Vpn führen eine Handbewegung zu einem Ziel aus. Bestimmte Teile des Weges der Hand nach dem Start bzw. vor dem Ziel werden blind ausgeführt (Shutterbrille). Will Spijkers Ausblenden visuellen feedbacks bei Handbewegungen (Spijkers & Spellerberg, 1995) Ziel 10% 90% 60% 40% 70% 30% nach Start 90 Treffer % Start vor Ziel 70 50 30 0 10 30 40 60 70 90 visuell ausgeblendet % Ausblenden von 30 % der Stecke nach dem Start ist weniger schädlich als Ausblenden von 10% der Wegstrecke vor dem Ziel Feedback wichtiger bei Annäherung ans Ziel als bei Start der Bewegung. Ausblenden sowohl vor dem Ziel (gelb) als auch nach dem Start (rot) führt zur Reduktion der Trefferrate (vor Ziel stärker als nach Start). Kognitive Psychologie: Verhaltensausführung Abb. 6.10. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I Copyright © 2004 by J.Hoffmann 4 Evidenz für Regelung mit Feedback Woodworth (1899): Bewegungen zwischen Start- und Zielpunkt mit unterschiedlicher Geschwindigkeit, mit und ohne visuelles Feedback. • kleinerer Bewegungsfehler mit visuellem Feedback. • Feedback spielt vor allem dann eine Rolle wenn Bewegung langsam ausgeführt wird. Woodworth 2-Phasen Modell: - Initiale Bewegungsphase: Vorspezifiziert (ohne feedback). - Zielannäherung: Regelung (mit feedback). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 5 Regelung mit Feedback Mit Feedback besteht ein Zusammenhang: Je schneller die Bewegung, umso ungenauer die Ausführung. Dieser Zusammenhang ist im Fitts‘schen Gesetz genauer spezifiziert (nächste Folie). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 6 Regelung mit Feedback Fitts Law: 2* A MT a b * log 2 W MT: Movement Time A: Amplitude der Bewegung W: Breite der Zielflächen a,b: empirische Konstanten Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 7 Regelung mit Feedback 2* A MT a b * log 2 W Schwierigkeitsindex Je kleiner das Ziel (je größer die erforderliche Genauigkeit), desto länger die Bewegungsdauer. Höhere Genauigkeit erfordert höhere Bewegungsdauer (geringere Geschwindigkeit). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 8 Feedforward Oft ist Feedbacksteuerung zu langsam. Dann kann die Bewegung im Hinblick auf vorweggenommene (statt tatsächlich wahrgenommene) Veränderungen angepasst werden (feedforward). Vergleich Zielort der Hand Ist-Ort der Hand Feedback Muskeln feedforward vorhergesagte Veränderungen Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 9 9 Feedforward Feedforward beeinflußt Wahrnehmung Reafferenz-Prinzip Man kann sich selbst nicht kitzeln Blakemoore, Wolpert & Frith (2000). Vorhergesehene sensorische Veränderungen werden in der Wahrnehmung gedämpft. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 10 2. Planung 11 Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 11 Planung mentale Bewegungsvorläufer Muskeln 12 Während bei der Feedbacksteuerung die Prozesse bei der Bewegungsausführung im Mittelpunkt stehen, geht es bei der Untersuchung der Planung um die Prozesse vor Bewegungsbeginn. Wie lassen sich die mentalen Bewegungsvorläufer charakterisieren? Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 12 Motorische Programme (Keele, 1968) Keele (1968) hat mentale Bewegungsvorläufer als motorische Programme charakterisiert: „a set of muscle commands that are structured before a movement sequence begins, and that allows the entire sequence to be carried out uninfluenced by peripheral feedback“ (Keele, 1968, S. 387). 13 Merkmale motorischer Programme nach Keele (1968): 1. Muskelspezifisch 2. Vor Bewegungsbeginn spezifiziert 3. Erlauben Bewegungsausführung ohne feedback Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 13 Evidenz für motorische Programme Unabhängigkeit von Rückmeldungen. Personen ohne Körperempfindung können einfache geübte Bewegungen ausführen (auch mit geschlossenen Augen) Lashley (1917). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 14 14 Evidenz für motorische Programme Antizipationseffekte. Bei der Ausführung einer Bewegung wird die Folgebewegung schon berücksichtigt : • Koartikulation (Lippenrundung bei „Tulpe“ vs. „Tasche“). • Versprecher „queer old dean“ anstatt „dear old queen“. Verwechslung mit späteren Phonemen setzt antizipatorische Planung voraus. • „end-state comfort“. Beim Greifen wird eine unbequeme Anfangsstellung (Unterhandgriff) in Kauf genommen, wenn damit eine bequeme Endhaltung (Daumen oben) erreicht werden kann (Rosenbaum et al., 1992). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 15 15 Evidenz für motorische Programme End-state comfort Effekt (Rosenbaum et al., 1992) schwarzes Ende in Mulde bequeme Endhaltung unbequeme Anfangshaltung Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 16 Evidenz für motorische Programme Komplexitätseffekte Je mehr Schritte zu planen sind, umso länger sollte die Planung dauern. Tatsächlich vergeht umso mehr Zeit zwischen einem Startsignal und Beginn einer Bewegung, je komplexer die Bewegung ist. Zum Beispiel: Aussprechen des Wortes „Dampfschiffahrtsgesellschaft“ beginnt nach einem Startsignal später als Aussprechen des Wortes „Dampf“ (Klapp et al., 1974). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 17 17 Kritik motorischer Programme á la Keele Keine zwei Bewegungen sind völlig identisch. Wenn motorische Programme muskelspezifisch wären (d.h. wenn sie spezifizierten, welcher Muskel wann, wie aktiv werden soll) dann müsste es für praktisch jede Einzelbewegung ein eigenes Programm geben. Bewegungen scheinen mehr oder weniger effektorunabhängig repräsentiert zu sein. Beispiel: Relativ konstante Handschrift, unabhängig davon welche Muskeln verwendet werden (ob z.B. mit Stift auf Blatt, Kreide an Tafel, oder Fuß in den Sand geschrieben wird, siehe nächste Folie). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 18 18 Kritik motorischer Programme á la Keele Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 19 19 Motorische Schemata (Schmidt, 1975) Motorische Schemata sind muskelunspezifische Repräsentationen einer Bewegung. Motorische Schemata enthalten keine Infos über absolute Eigenschaften von Bewegungssegmenten (Richtung, Kraft, Dauer, Geschwindigkeit), sondern über ihre relative Beziehung zueinander. Die absoluten Ausprägungen dieser Werte (wie Richtung oder Effektor, siehe übernächste Folie) werden durch situationsabhängige Parameter bestimmt. Es existiert also ein unveränderliches Schema in das veränderliche Werte (Parameter) eingefügt werden. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 20 20 Precuing-Methode Wie untersucht man die Spezifizierung solcher Parameter ? Precuing: Eine Bewegung sollte auf ein Startsignal schneller intiierbar sein, je mehr Parameter bereits vor dem Signal bekannt sind (jeDieweniger Parameter(pre-cuing) noch fehlen). Vorinformationsmethode nach Rosenbaum (1983) SOA Precue Reaction time Reaction Signal Specify precued values Identify reaction signal Specify remaining values Response Start response SOA: stimulus onset asynchrony Kognitive Psychologie: Verhaltensausführung Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I Abb. 6.16. Copyright © 2004 by J.Hoffmann 21 21 Rosenbaum (1980) Weite/nahe Zielbewegungen mit der linken/rechten Hand nach vorne/hinten. Ergebnis: Je mehr Vorinformation, desto schneller Bewegungsbeginn unabhängig von Art der Vorinformation (Hand, Weite, Richtung). Pre-Cuing Daten nach Rosenbaum,1980 Pre-cuing von Zielbewegungen der rechten und linken Hand Forward / Right / Near Beispiele Cue Signal Values to be specified FRN none FR N F RN X FRN Start Kognitive Psychologie: Verhaltensausführung Abb. 6.17. Copyright © 2004 by J.Hoffmann Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I Reaction time (ms) nach Rosenbaum, 1980 700 2 alternatives 1 600 8 4 500 400 300 200 None E D A ED EA DA EDA values to be specified Der Einfluss der noch zu spezifierenden Bewegungsparameter, Seite (A für arm), Distanz (E für extent) und Richtung (D für direction) auf die Reaktionszeit. Kognitive Psychologie: Verhaltensausführung Abb. 6.18. Copyright © 2004 by J.Hoffmann 22 22 Ideo-Motorik Bewegungen sind nicht als motorische Kommandos oder Parameter repräsentiert, sondern in Form der wahrnehmbaren Bewegungs-Effekte. Man kann daher eine Bewegung nicht direkt aufrufen, sondern nur indirekt durch die Vorstellung der Effekte dieser Bewegung. Diese Effekte aktivieren dann ihrerseits dasjenige motorische Muster mit dem sie verknüpft sind. Die Bewegungsplanung beginnt also mit dem angestrebten Effekt der Bewegung (dem Ziel), und nicht mit der Aktivierung von Muskeln (dem Weg). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 23 23 Ideo-Motorik „..Die Vorstellung des eine Handlungsreihe beschließenden Zwecks veranlasst einen glatteren und raschen Verlauf, als wenn Etappenweise einzelne Mittel blos, die zu dem letzten Erfolge führen, im Bewusstsein vorbereitet werden.“ Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I Oswald Külpe (1862-1915) 24 24 Ideo-Motorik ”An anticipatory image then, of the sensorial consequences of a movement ... is the only psychic state which introspection lets us discern as the forerunner of our voluntary acts”. (James, 1890; p.1111/1112). William James Lernen: A ktion E ffekt Bewegungsplanung: A ktion Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I E ffekt 25 25 Ideo-Motorik: Evidenz Induktion: Die Wahrnehmung von sensorischen Effekten setzt diejenigen Bewegungen in Bereitschaft, die diese Effekte üblicherweise erzeugen (z.B. spontane Imitation von Körperbewegungen). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 26 Ideo-Motorik: Evidenz Greenwald (1970) Ein visuell präsentierter Buchstabe kann besser nachgeschrieben als nachgesprochen werden. => Ein gesehener Buchstabe entspricht mehr den visuellen Effekten des Schreibens als den auditiven Effekten des Sprechens. Ein auditiv präsentierter Buchstabe kann besser nachgesprochen, als nachgeschrieben werden. => Ein gehörter Buchstabe entspricht mehr den auditiven Effekten des Sprechens als den visuellen Effekten des Schreibens. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 27 Ideo-Motorik: Evidenz Experimentelles Beispiel für Induktion: Haben Vpn die Erfahrung gemacht, dass bestimmte Tasten hohe/tiefe Töne erzeugen, drücken sie später beim Hören eines Tons die mit ihm verknüpfte Tasten schneller/häufiger. Lernen ♪ ♪ Effekt Test ♪ Stimulus Aktion Elsner & Hommel (2001) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 28 Ideo-Motorik: Evidenz Bewegungen der Hände sind leichter kombinierbar, wenn mit ihnen gleiche Effekte erzielt werden, unabhängig davon, ob dazu gleiche Muskeln (d.h. gleiche motorische Kommandos) erforderlich sind oder nicht. Asymmetrische Bewegung 600 reaction times (ms) inkongruent Ziele kongruente Ziele Symmetrische Bewegung 550 500 goals incongruent congruent 450 400 asymmetrical symmetrical movements 29 Kunde & Weigelt (2005) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 29 9 Psychomotorik 2 326 Vorlesung Allgemeine Psychologie I Psychomotorik II Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 1 1 Bewegungsfolgen Bislang haben wir einfache Einzelbewegungen betrachtet (einzelner Tastendruck, eine Greifbewegung, Aussprechen eines Wortes usw.) Oft müssen mehrere Bewegungen nacheinander ausgeführt werden (z.B. Tippen eines Wortes, Aufnehmen und Benutzen eines Gegenstandes, Aussprechen eines Satzes). Kann mehr als eine Bewegung vor Beginn einer Bewegungsfolge geplant werden? Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 2 2 Evidenz für Planung von Bewegungsfolgen Schnelle Produktion von Bewegungsfolgen Teilbewegungen werden begonnen, bevor die vorangehende Bewegung abgeschlossen ist (d.h. feedback der vorangehenden Bewegung noch nicht vorliegt). Beginn und Ende gefilmter Fingerbewegungen beim Tippen (Hommel, 2002, S. 817). Folgebewegungen (i) beginnt bereits vor der Ausführung der vorangehenden Bewegungen (_ep) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 3 3 Evidenz für Planung von Bewegungsfolgen Komplexitätseffekte Start der Bewegungsfolge dauert umso länger, je mehr Einzelelemente zu spezifizieren sind. (Abb. aus Hommel, 2002, S. 819). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 4 4 Evidenz für Planung von Bewegungsfolgen Reihenfolgefehler z.B. Versprecher (Spoonerisms). „You hissed als my mystery lecture“ (anstatt „you missed als my history lectures“) setzt voraus, dass später folgendes Element (h) schon bei der Produktion des vorangehenden Elements (m) bekannt ist. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 5 5 Reihenfolgeproblem Wie wird bei Bewegungsfolgen die richtige Reihenfolge der Einzelbewegungen eingehalten? A) Lineare Verkettung Wahrnehmung des einen Schrittes aktiviert den nächsten Schritt (James, 1890). Probleme: • zu langsam da Wahrnehmung des Feedback einer Bewegung zu lange dauert. • woher kommen Komplexitäts- und Antizipationseffekte, wenn stets nur eine Element aktiv ist? Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 6 6 Reihenfolgeproblem B) Parallele Aktivierung und Vorwärtshemmung Zur Vorbereitung werden alle Elemente gleichzeitig aktiviert. Jedes Element hemmt alle nachfolgenden Elemente, und nach seiner Ausführung sich selbst. Probleme: • Dieselben Elemente können in unterschiedlicher Reihenfolge benötigt werden (z.B. „ORT“ statt „ROT“). Das erfordert eine separate Repräsentation eines Phonems für jedes Wort in dem es vorkommen kann. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 7 7 Reihenfolgeproblem C) Verknüpfung von Vorgänger und Nachfolger WORT ist in Form von drei Paaren von Einzelelementen gespeichert, die jeweils Vorläufer und Nachfolger enthalten. W O R - O R T Diese Elemente können nur in einer Reihenfolge so angeordnet werden, dass der Nachfolger des einen Paares dem Vorgänger eines anderen Paares entspricht. Dadurch entsteht zwangsläufig die richtige Reihenfolge (WORT) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 8 8 Reihenfolgeproblem D) Hierarchische Anordnung der Elemente Elemente sind nicht direkt verbunden, sondern über Knoten. Der Baum wird 1) von oben nach unten und 2) von links nach rechts durchwandert (tree traversal). Passieren eines Knotens kostet Zeit. => Je mehr Knoten zwischen zwei Elementen liegen, desto größer die Zeit die zwischen der Initiierung dieser Elemente verstreicht (siehe nächste Folie). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 9 9 Reihenfolgeproblem D) Hierarchische Anordnung der Elemente Tastensequenz: M -> m-> M -> m-> I -> i -> I-> i m i I David Rosenbaum M Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 10 10 Reihenfolgeproblem D) Hierarchische Anordnung der Elemente Tastensequenz: M -> m-> M -> m-> I -> i -> I-> i m i I M Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 11 11 Motorisches Lernen: Quantitative Beschreibung Beispiel: Zigarrenrollen (Fitts & Posner, 1963) Potenzgesetz des motorischen Lernens: T= a/Pb T: Ausführungszeit P: Anzahl der Übungsdurchgänge a, b: Empirische bestimmbare Kontanten die von der betrachteten Aufgabe abhängen (a und b haben in der Praxis positive Werte) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 12 12 Motorisches Lernen: Qualitative Beschreibung Fitts (1964) Drei-Phasen-Modell des motorischen Lernens: 1. Kognitive Phase: Bewusste, verbale Repräsentation der Bewegung. Fremd- und Selbstinstruktion besonders wirksam. 2. Assoziative Phase: Einzelne Bewegungskomponenten werden mit Erfolg und Misserfolg assoziiert und entsprechend beibehalten oder modifiziert. Besonders wichtig Feedback. 3. Automatische Phase: Keine bewusste Kontrolle mehr erforderlich. Keine verbale Repräsentation der Bewegung. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 13 13 Literatur: Hommel, B. (2008). Planung und exekutive Kontrolle von Handlungen. In J. Müsseler (Hrsg.). Lehrbuch Allgemeine Psychologie. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 14 14 10 Lernen 1 341 Lernen I Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 1 Übersicht Einführung und Definition Klassisches Konditionieren Operantes Konditionieren Latentes Lernen Implizites Lernen Modellernen Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 2 2 Einführung Das Überleben einer Spezies erfordert Anpassung des Verhaltens an die Umwelt. Dies ist auf zwei Wegen möglich. • Evolution: Einflüsse aus der Umwelt selektieren erfolgreiches, d.h. angepasstes Verhalten, und dieses Verhalten wird von Generation zu Generation weitergegeben. • Lernen: Durch Lernen kann der Organismus sein Verhalten direkt aufgrund von Erfahrungen an die Umwelt anpassen. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 3 3 Definition Lernen ist ein Prozess, der als Ergebnis von Erfahrungen relativ langfristige Änderungen im Verhaltenspotential erzeugt (vgl. Anderson, J. R., 2000, Learning and Memory. An integrated approach (2nd edition). New York: John Wiley) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 4 4 Definition • • • • Prozess der Änderung (Ergebnis dieser Änderung = Erinnerung/Gedächtnis) Ergebnis von Erfahrung (bzw. individueller Informationsverarbeitung) (vs. Reifung) Relativ langfristige Änderungen (schließt kurzfristige Änderungen aus, z.B. Ermüdung) Verhaltenspotential („latentes“ Lernen zeigt sich erst zu einer späteren Gelegenheit) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 5 5 Klassisches Konditionieren (bedingter Reflex) Versuchsanordnung von Pavlov (1889) zur Untersuchung des Speichelreflexes. Ivan P. Pavlov (1849-1936) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 6 Grundstruktur Aus: Zimbardo & Gerrig (2004, S. 249) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 7 Grundstruktur 1. Vor dem Lernen: (CS) Orientierung UCS UCR (CS) Orientierung Kontiguität (raum-zeitliche Nähe) UCS UCR 3. Testphase: (& Löschung) CS CR 2. Lernphase: Copyright © 2001 by J.Hoffmann. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 8 Beispiele für UCR, UCS, CS UCR UCS CS Reflex Speicheln Futter Ton Speichelreflex Picken Körner Licht Pickreflex Lidschlag Luftstrom Ton Flucht, E-Schock Licht Vermeidung Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I Blinzelreflex Vermeidungsreflex 9 Erwerb, Löschung, Spontanremission Aus Zimbardo (2008) Spontanremission: Auftreten der CR nach vorangehender Löschung. Deutet darauf hin, dass alte CS-CR Verbindung nicht zerstört wurde, sondern lediglich durch neue Verbindung (z.B. CS – keine Reaktion) zeitweilig gehemmt wurde. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 10 Generalisierung und Diskrimination Aus Zimbardo (2008) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 11 Der kleine Albert – Entstehung von Phobien • • • • Watson & Rayner, 1920 Weiße Ratte als neutraler Reiz (CS) Plötzlicher Lärm (UCS) Ängstliches Weinen (UCR) • Nach einigen Kopplungen von CS + UCS fängt der kleine Albert beim Anblick der Ratte an zu weinen (CV). • Generalisierung auf Felltiere, Weihnachtsmann • Lernmodell für Phobien • http://www.youtube.com/watch?v=9hBfnXACsOI Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 12 Preparedness Es kann nicht jeder beliebige CS mit jedem beliebigen UCS gekoppelt werden. Es gibt angeborene Präferenzen. Beispiel konditionierte Geschmacksaversion (Garcia & Koelling (1966). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 13 Konditionierte Geschmacksaversion Testphase Lernphase Süßw L&C Unbekümmertes Trinken W L&C Bestrahlung übelkeit Trinkvermeidung Süßw Schock Süßw L&C W L&C Trinkvermeidung Süßw Unbekümmertes Trinken Schock L: Licht C: Click Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I Garcia & Koelling (1966) 14 Konditionierte Geschmacksaversion Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 15 CS-UCS oder CS-CR Verbindungen? CS-UCS Verbindung (S-S Lernen) UCS CS CS-UCR Verbindung (S-R Lernen) (U)CR Einige Beobachtungen sprechen für S-S anstatt S-R-Lernen, z.B.: 1. Sensorische Vorkonditionierung. 2. Entwertung. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 16 Sensorische Vorkonditionierung Vor dem Konditionieren wird der neutrale CS mit einem anderen CS gepaart. Untersuchung von Rizley und Rescorla (1972) - Licht (CS2) & Ton (CS1) (nur beobachten) - CS1 + UCS (z.B. Stromschlag) -> CS1 löst CR aus. - Test: CS2? - CS2 löste CR aus! CS2 wurde niemals mit UCS gepaart und kann daher nicht direkt mit Reaktion assoziiert worden sein. Die Reaktion ist für die Bildung einer S-S Assoziation nicht erforderlich. Spricht für die S-S Hypothese und gegen die S-R Hypothese. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 17 Entwertung Untersuchung von Holland und Rescorla (1975) - Paarung Licht (CS) & Futter (UCS) bei hungrigen Ratten (erhöhte Aktivität als CR) - Test, wenn die Ratten satt waren -> CS löste keine CR mehr aus - Spricht gegen S-R Lernen (CS sollte CR immer auslösen) Ratten haben gelernt, dass CS den UCS ankündigt (S-S Lernen) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 18 Formen der CS-UCS Kontiguität Konditionierung effektiver wenn CS dem UCS vorangeht (verzögerte und Spurenkonditionierung) als wenn CS und UCS simultan auftreten. Rückwärtskonditionierung wenig effektiv. Hinweis auf Vorhersagefunktion des CS für den UCS, die bei Rückwärtskonditionierung nicht gegeben ist. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 19 Kontiguität oder Kontingenz ? Was ist für die Konditionierung eigentlich entscheidend? Robert Rescorla Das raum-zeitlich Zusammentreffen von CS und UCS (Kontiguität) oder Der Vorhersagewert des CS für den UCS (Kontingenz) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 20 Kontiguität oder Kontingenz ? In beiden Gruppen treten CS und UCS gleich häufig gemeinsam auf (gleiche Kontiguität) Lernen findet trotz gleicher Kontiguität nur bei CS-UCS Kontingenz statt. Aber nur in der Kontingenzgruppe sagt der CS den UCS voraus. In der Zufallsgruppe tritt UCS auch ohne CS auf und umgekehrt. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 21 Blockierung (nach Kamin, 1969). Blockierung von CS2 ist nicht allein durch fehlende Kontiguität erklärbar, da CS2 in beiden Gruppen gleich häufig mit UCS auftritt. Aber auch nicht mit Kontingenz, da CS2 den UCS in beiden Gruppen gleich gut vorhersagt. Offenbar kommt es auf die Vorhersageverbesserung durch CS2 an. Zimbardo & Gerrig (2004) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 22 Blockierung (nach Kamin, 1969). Der CS2 liefert in der Experimentalgruppe keine neue Information über das Auftreten von UCS. Der UCS wird ja schon durch CS1 verlässlich vorhergesagt. Das heißt der UCS ist nach CS2 nicht mehr überraschend. Offenbar wird nicht mehr gelernt, wenn der UCS bereits hochgradig mit einem anderen CS verbunden ist. Das ist der Grundgedanke eines sehr einflussreichen Modells… Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 23 11 Lernen 2 365 Lernen II Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 1 1 Übersicht Einführung und Definition Klassisches Konditionieren Operantes Konditionieren Latentes Lernen Implizites Lernen Modellernen – sozial-kognitive Lerntheorie nach Bandura Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 2 2 Rescorla-Wagner Modell Klassisches Konditionieren besteht in der Bildung von Assoziationen zwischen den Repräsentationen von CS und UCS Die Fähigkeit des CS, die US-Repräsentation zu aktivieren und damit die CR auszulösen, hängt von der Stärke der CS-UCS Assoziation ab Zuwachs an assoziativer Stärke (ΔV) in jedem Lerndurchgang: ΔV = α (Vmax - V) ΔV = Veränderung der Assoziationsstärke V = momentane Stärke der CS-UCS Assoziation α = Lernrate Vmax = maximal mögliche Assoziationsstärke Der Zuwachs der Assoziationsstärke durch eine weitere CS-UCS Paarung nimmt ab, je mehr die Assoziationsstärke schon der maximalen Assoziationsstärke entspricht. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 3 Konditionierung und Extinction eines CS nach dem R&W Modell (für α=0.2 und vmax=100) α x (λ – V) ΔV UCS V 9 0.2 x (0-83.22) -16.44 - 66.58 1 0.2 x (100-0) 20 + 20 10 0.2 x (0-66.88) -13.32 - 53.26 2 0.2 x (100-20) 16 + 36 11 0.2 x (0- 53.26) -10.65 - 42.61 3 0.2 x (100-36) 12.8 + 48.8 12 0.2 x (0- 42.61) -8.52 - 34.09 4 0.2 x (100-48.8) 10.24 + 59.04 13 0.2 x (0- 34.09) -6.82 - 27.27 5 0.2 x (100-59.04) 8.19 + 67.23 14 0.2 x (0- 27.27) -5.45 - 21.82 6 0.2 x (100-67.23) 6.55 + 73.78 15 0.2 x (0- 21.82) -4.36 - 17.45 7 0.2 x (100-73.78) 5.24 + 79.02 16 0.2 x (0- 17.45) -3.49 - 13.96 8 0.2 x (100-79.02) 4.19 + 83.22 17 0.2 x (0- 13.96) -2.79 - 11.16 V 0 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 CS1 CS1+CS2 extinction acquisition 0 5 9 Lernverlauf für ein CS1: wenn alleiniger Prädiktor (vgl. Tab.) und wenn stets noch ein zweiter Prädiktor dargeboten wird (CS1 + CS2). 14 trials Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 4 Rescorla-Wagner Modell CS-US Paarungen Am Anfang nimmt die Assoziatonsstärke mit jeder CS-US Paarung stark zu. Am Ende (nach vielen CS-US Paarungen) ist der Zuwachs kleiner. Blockierung entsteht, weil die Assoziationsstärke bereits komplett an CS1 gebunden ist und nichts mehr für CS2 zur Verfügung steht. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 5 Rescorla-Wagner Modell Das Modell macht also folgende Annahmen bzw. Vorhersagen: • Lernen vollzieht sich am Anfang schnell, am Ende langsam. • Die verfügbare Assoziationsstärke ist begrenzt. • Daher konkurrieren mehrere CS um Assoziationsstärke. • Ist die gesamte Assoziationsstärke schon an einen CS gebunden, kann ein neuer CS keine zusätzliche Assoziation mit dem UCS aufbauen. Daher Blockierung. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 6 Übersicht Einführung und Definition Klassisches Konditionieren Operantes Konditionieren Latentes Lernen Implizites Lernen Modellernen – sozial-kognitive Lerntheorie nach Bandura Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 7 7 Operantes (instrumentelles) Konditionieren Beim klassischen Konditionieren wird respondentes Verhalten untersucht, Verhalten also, dass eine Reaktion (CR) auf einen Reiz (CS) darstellt. Das kritische Ereignis (der US) tritt unabhängig davon auf, ob das Individuum ein bestimmtes Verhalten zeigt oder nicht. Beim operanten Konditionieren wird instrumentelles Verhalten untersucht, Verhalten also, das bestimmte Konsequenzen bewirkt. Das kritische Ereignis (die Verhaltenskonsequenz) ist vom Verhalten abhängig. Es tritt ohne das Verhalten nicht ein. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 8 8 Historische Anfänge. Thorndike Law of effect Die Anfänge der Untersuchungen zum instrumentellen Lernen liegen bei den „puzzle-box“-Experimenten Thorndikes Edward L. Thorndike (1874-1949) Katzen entkommen dem Käfig durch eine Art „trial and-error“-Lernen Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 9 9 Historische Anfänge. Thorndike Law of effect S Lernphase: R V1 V2 Käfig E Kratzen der Gitterstäbe Drücken auf Türöffner V3 Miauen V4 Im Kreis drehen Effekt Öffnen der Tür + Futter Testphase: Käfig Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I V2 Drücken auf Türöffner 10 10 Historische Anfänge. Thorndike Law of effect “Of several responses made to the same situation those which are accompanied or closely followed by satisfaction to the animal will, other things being equal, be more firmly connected with the situation, so that, when it recurs, they will be more likely to recur” (Thorndike, 1911, p.24) Thorndike versteht Verhalten also weiterhin als respondent. Effekte führen lediglich zur Stärkung von S-R Assoziationen. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 11 Operantes Konditionieren (Skinner) Skinner hebt den instrumentellen Charakter des Verhaltens hervor, also seine Funktion für der Auftreten bestimmter Konsequenzen. Burrhus F. Skinnner (1904-1990) Skinners (operationale) Definition: Ein Verstärker ist eine Verhaltenskonsequenz die die Auftretenswahrscheinlichkeit einer Verhaltensweise erhöht. Eine Bestrafung ist eine Konsequenz die die Auftretenswahrscheinlichkeit einer Verhaltensweise verringert. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 12 Skinner-Box Beispiel: Futter, als Konsequenz eines Hebeldrucks, erhöht die Auftretenswahrscheinlichkeit des Hebeldrückens. (a) Licht (b) Futtermagazin (c) Hebel (d) elektr. Rost Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 13 Das behavioristische Dogma Erklärung ohne Rückgriff auf nicht beobachtbare Zustände ! Ein Verstärker ist eine Verhaltenskonsequenz die die Auftretenswahrscheinlichkeit einer Verhaltensweise verändert. Achtung: Ob die Konsequenz für den Organismus angenehm ist oder nicht, spielt für die Definition keine Rolle. Wir könnten die Ratte auch nicht fragen wie sie diese oder jene Konsequenz des Hebeldrucks empfindet. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 14 Positive/negative Verstärkung/Bestrafung Reize die zu einer Erhöhung der Auftretenswahrscheinlichkeit eines Verhaltens führen, bezeichnet man als Verstärker. Reize die zu einer Verringerung der Auftretenswahrschinlichkeit eines Verhaltens führen bezeichnet man als Bestrafung. Die Veränderung der Auftretenswahrscheinlichkeit eines Verhaltens durch Hinzufügen eines Reizes bezeichnet man als positiv. Die Veränderung der Auftretenswahrscheinlichkeit eines Verhaltens durch Beseitigung eines Reizes bezeichnet man als negativ. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 15 Positive/negative Verstärkung/Bestrafung Hinzufügens eines Reizes Entfernen eines Reizes Erhöhung der Auftretenswahrscheinlichkeit Positive Verstärkung (Belohnung) Negative Verstärkung Verringerung der Auftretenswahrscheinlichkeit Positive Bestrafung (Bestrafung I) Negative Bestrafung (Bestrafung II) Positive Verstärkung: Hebeldruck bewirkt Futter (Hebeldruckrate steigt). Negative Verstärkung: Hebeldruck beseitigt Stromschlag (Hebeldruckrate steigt). Positive Bestrafung (Bestrafung I): Hebeldruck bewirkt Stromschlag (Hebeldruckrate sinkt). Negative Bestrafung (Bestrafung II): Hebeldruck beseitigt Futter (Hebeldruckrate sinkt). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 16 Primäre/sekundäre Verstärker Verstärker die ohne vorangehende Erfahrung spontan funktionieren, bezeichnet man als primäre Verstärker (Futter, Süßigkeiten, Trinken). Eine interessanter primärer Verstärker ist das Ausführen bestimmter Verhaltensweisen, die spontan häufig gezeigt werden. Z.B. Verstärkung des Vokabellernens (seltenere Verhaltensweise) durch Spielen (häufigere Verhaltensweise). Dies nennt man nach dem Entdecker Premack-Prinzip. Verstärker die erst nach entsprechender Erfahrung wirken, bezeichnet man als sekundäre Verstärker (Geld, Bonuspunkte, Lob, etc.) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 17 Verstärkerpläne Je nachdem wie das Zielverhalten bekräftigt wird, unterscheidet man verschiedene Verstärkerpläne. Kontinuierliche Verstärkung Intermittierende Verstärkung Jede Zielreaktion wird verstärkt Nicht jede Zielreaktion wird verstärkt Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I Quotenplan Intervallplan fix Jede 5te Reaktion bekräftigt Zeit zwischen Bekräftigung exakt 30 Sekunden variabel 20% der Reaktionen bekräftigt Zeit im Mittel 30 Sekunden 18 Verstärkerpläne Die Art des Verstärkerplans hat unterschiedliche Konsequenzen für Erwerb des Verhaltens und Löschung (bei Ausbleiben des Verstärkers). Erwerb am schnellsten bei kontinuierlicher Verstärkung. Dann allerdings auch die rascheste Löschung bei Wegfall des Verstärkers. Bei intermittierender Verstärkung geringere Lernrate aber dafür langsamere Löschung. Ideale Kombination zum Aufbau eines Zielverhaltens: Anfänglich Kontinuierliche Verstärkung (rascher Erwerb) dann intermittierende Verstärkung (Löschungsresistenz). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 19 Diskriminationslernen Bedingungsabhängige Verhaltensverstärkung S+ R Verstärkung S- R ¬Verstärkung z.B. diskriminative Verstärkung des Pickens auf eine illuminierte Reaktionstaste bei Tauben (nach Hanson, 1959) grünes Licht (550 nm) Picken Körner rotes Licht (590 nm) Picken ¬Körner Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 20 Diskriminationslernen bei Tauben Number of responses 500 400 300 200 S- S+ 100 0 500 520 540 560 580 600 Wavelength (nm) Tauben lernen diskriminativ in der Situation zu picken, in der das Picken verstärkt wurde. Interessanterweise steigt die Reaktionsrate links von S+ noch etwas an. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 21 S-R oder R-E Verbindungen? S Käfig Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I R Drücken auf Türöffner E Futter 22 22 R-E Assoziationen beim operanten Konditionieren Versuchsanordnung von Colwill & Rescorla, 1985 Lernen: Käfig Zerren Futterkugeln Käfig Tasten Zuckerlösung Entwertung der Futterkugeln durch Injektion von mildem Gift nach freiem Fressen Test: Käfig Zerren Futterkugeln Tasten Zuckerlösung Copyright © 2001 by J.Hoffmann. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 23 S-R oder R-E Verbindungen? S Käfig R Drücken auf Türöffner E Futter • R-E Assoziation: Reaktion (Verhalten) erfolgt um ein bestimmtes Ziel herzustellen. • Situation (S) zeigt an, dass das Verhalten nun erfolgreich sein kann / dass das Ziel in dieser Situation erreichbar ist. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 24 24 Shaping Einige weitere Phänomene: Shaping. Stufenweise Annäherung an ein Verhalten das der Organismus natürlicherweise nicht zeigt. Zunächst wird jedes Verhalten verstärkt das dem Zielverhalten ähnelt, wobei die Ähnlichkeit zum Zielverhalten immer weiter steigen muss. Beispiel: Hund soll Salto erlernen. Anfänglich wird jedes Hüpfen verstärkt. Dann nur noch Hüpfen mit Wendung des Kopfes nach hinten, dann nur ganze Drehungen etc. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 25 Auto-Shaping Brown & Jenkins (1968) In zufälligen Intervallen wird eine Taste beleuchtet, und unabhängig davon ob die Taste gedrückt wird oder nicht, Futter angeboten. Tauben beginnen Taste zu picken, obwohl die Futtergabe unabhängig von ihrem Verhalten auftritt. Es sieht so aus, als „glaubten“ die Tauben, dass Tastenpicken zu Futter führt („abergläubisches Verhalten“). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 26 12 Lernen 3 392 Lernen III Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 1 1 Übersicht Einführung und Definition Klassisches Konditionieren Operantes Konditionieren Latentes Lernen Implizites Lernen Modellernen – sozial-kognitive Lerntheorie nach Bandura Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 2 2 Latentes Lernen Klassisches (a) und operantes (b) Konditionieren suggerieren, dass sich Lernen immer unmittelbar im Verhalten niederschlägt. a) Erhöhung der Auftretenswahrscheinlichkeit der CR als Funktion wiederholter CS-US Koppelung. b) Erhöhung der Auftretenswahrscheinlichkeit eines Zielverhaltens als Funktion der Verstärkung. Aber es gibt auch Situationen in den der Organismus lernt, ohne dass sich Lernen unmittelbar im Verhalten niederschlägt… Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 3 Latentes Lernen Beispiel: Tolman & Honzik (1930) Ratten dürfen das Labyrinth zunächst ohne Verstärkung explorieren. Dann werden sie für das Erreichen der Futterbox verstärkt. Nach Einbau von Barrieren (A oder B) laufen die Ratten spontan den kürzesten (bzw. einzig möglichen) Weg, obwohl sie für dieses Verhalten vorher nie verstärkt worden sind. Gerrig & Zimbardo (2008) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 4 Latentes Lernen Seward (1949) A B Start Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I Nachdem Ratten an zwei Tagen das TLabyrinth ohne jede Verstärkung explorieren konnten, werden sie hungrig in einer der beiden Boxen A/B für etwa 1 Minute gefüttert und dann an den Start gesetzt: 28 von 32 Ratten gehen direkt zur „Futterbox“. Ohne Exploration entscheiden sich nur 27 von 55 Ratten und bei nicht-unterscheidbaren Boxen nur 26 von 48 Ratten unmittelbar richtig. 5 Latentes Lernen Offenbar haben die Ratten bereits in der Explorationsphase so etwas wie eine „mentale Landkarte“ erworben. Das latente Lernen ohne Verstärkung, zeigt sich aber erst bei Verfügbarkeit einer Verstärkung (Futter). Man kann also trennen zwischen Lernen (ein nicht immer im Verhalten sichtbarer Prozess) und Performanz (Äußerung des Erlernten im Verhalten). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 6 Implizites Lernen Ratten, Tauben etc. können wir nicht fragen, ob sie sich über die Struktur der Umwelt in einem Lernexperiment bewusst sind. Ihr Lernen drückt sich irgendwann im Verhalten aus. Menschen können oft verbal über die Inhalte ihres Lernens berichten. Es gibt aber auch Situationen in denen Menschen etwas über ihre Umwelt erlernen, ohne darüber berichten zu können. Solche Situation werden als implizites Lernen bezeichnet: Strukturen einer komplexen Reizumgebung werden gelernt, ohne dass dies beabsichtigt wird, und ohne dass das resultierende Wissen verbalisierbar wird (Dienes & Berry, 1997) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 7 Merkmale Impliziten Lernens 1. Beiläufig (inzidentell) 2. Lernprozess (bzw. Ergebnis) unbewusst 3. Unabhängig von Aufmerksamkeitsfaktoren Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 8 Implizites Lernen. Beispiele Axel Cleeremans 2 _ _ _ In _ _ * _ 5 4 Out 6 1 1 2 1 2 3 4 5 3 5 5 4 2 6 Pbn reagieren auf den Ort eines ´dots´ mit räumlich kompatiblen Tasten. Die Reihenfolge der Reize/Reaktionen wird durch eine ´finite state grammar´ bestimmt, die grammatische Folgen wie 52546413 oder 125413 „erzeugt“. (Cleeremans & McClelland, 1991). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 9 Implizites Lernen. Beispiele Axel Cleeremans mean RT 600 ungrammatical grammatical 550 500 450 400 1 5 9 13 17 20 Sitzungen (2/Tag) mit 20 Blöcken je 155 Trials (62.000 Trials). In 15% der Trials wird die grammatikalische Position durch eine zufällige Position ersetzt. RTs für grammatikalische Positionen sinken schneller mit Übung als agrammatische Positionen, d.h. Vpn lernen die sequentielle Struktur. session (Cleeremans & McClelland, 1991). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 10 Übersicht Einführung und Definition Klassisches Konditionieren Operantes Konditionieren Latentes Lernen Implizites Lernen Modellernen – sozial-kognitive Lerntheorie nach Bandura Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 11 11 Modellernen Automatische Imitation Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 12 12 Modellernen Automatische Imitation Gelerntes Imitationsverhalten http://www.youtube.com/watch?v=zerCK0lRjp8 Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 13 13 Modellernen, z.B. Bandura (1965) Film in dem ein Erwachsener eine lebensgroße Puppe attackiert (boxt, schlägt, beschimpft). UV1: Variation des Filmendes • Erwachsene wird belohnt. • Erwachsene wird bestraft. • Verhalten hat keine Konsequenz (Kontrolle). UV2: unmittelbare Imitation (Phase 1) vs. Imitationsverhalten wird belohnt (Phase 2) AV: wie oft zeigt Kind aggressives Verhalten der Puppe gegenüber Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 14 14 Modellernen, z.B. Bandura (1965) Jungen Mädchen 4 mittlere Anzahl der Imitationshandlungen mittlere Anzahl der Imitationshandlungen 4 3 2 1 0 3 Kontrolle 2 Modell belohnt Kontrolle Modell bestraft Modell bestraft Modell belohnt 1 0 Phase 1 Phase 2 Phase 1 Phase 2 Kinder ahmen aggressives Verhalten seltener nach, wenn das Modell dafür bestraft wird. Aber sie lernen das Verhalten, denn sie können es durchführen, wenn sie dafür belohnt werden. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 15 15 sozial-kognitive Lerntheorie nach Bandura 4 Faktoren determinieren, ob das Verhalten einer anderen Person imitiert wird: 1. Aufmerksamkeit – Vh muss enkodiert werden; Auffälligkeit, Komplexität, Neuigkeit 2. Gedächtnis – Reproduktion eines abstrakten, instrumentellen Handlungsplans 3. Motorische Reproduktionsfähigkeit 4. Motivation - Verstärkung Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 16 16 Problematisches Imitationsverhalten Werther-Effekt Nachahmung von Suizid durch Medienberichte induziert, z.B. Robert Enke (gest. 10.11.2009) Aus Hegerl, et al., 2013 Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 17 17 Literatur: Koch, I.(2008). Konditionieren und implizites Lernen. In J. Müsseler. Allgemeine Psychologie. Berlin: Spektrum. Kiesel, A. & Koch, I. (2012). Lernen. Grundlagen der Lernpsychologie. Wiesbaden: VS Verlag. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 18 13 Gedächtnis 1 411 Gedächtnis I Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 1 1 Vorbemerkung Unter Lernen wird in der Psychologie traditionell das Lernen von Verhalten verstanden. Unter Gedächtnis werden dagegen die mentalen Prozesse und Repräsentationen verstanden, die dem Lernen zugrunde liegen. Dies sind Prozesse der - der Enkodierung - der Speicherung - des Abrufs von Informationen. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 2 2 Gedächtnisformen Im Allgemeinen werden je nach Speicherdauer, Speicherkapazität und Repräsentationsformat verschiedene Formen des Gedächtnis unterschieden. Die klassische Unterscheidung ist das sogenannte „modale“ Modell von Atkinson & Shiffrin (1968). aus Goschke (1997) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 3 Ultrakurzzeitgedächtnis (sensorischer Speicher) Speicherformat Information werden anschaulich, modalitätsspezifisch (visuell, auditiv etc.) gespeichert. Speicherdauer Wenige Momente (etwa 500 Millisekunden) Speicherkapazität Große (unbegrenzte?) Speicherkapazität. Es werden also anschaulich, für sehr kurze Zeit, große Informationsmengen gespeichert. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 4 Ultrakurzzeitgedächtnis Entdeckung durch Sperling (1960) George Sperling 50 ms Aus Müsseler (2008) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 5 Ultrakurzzeitgedächtnis George Sperling Soll die gesamte Matrix wiedergeben werden (whole report), schaffen die Vpn nur ca. 50% der Buchstaben richtig zu reproduzieren. Muss nur ein Teil der Buchstabenmatrix wiedergegeben werden (partial report, z.B. erste Zeile) ist die Wiedergabeleistung dagegen wesentlich besser. Der Teilberichtsvorteil verschwindet, wenn der zu berichtende Teil der Matrix mehr als 250 msec nach Verschwinden der Matrix bekannt wird. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 6 Ultrakurzzeitgedächtnis Erklärung des Befundmusters: George Sperling Im ikonischen Speicher (visuelles UKZG) ist mehr Information enthalten als wiedergegeben werden kann. Allerdings verfällt die Information sehr rasch. Wenn schnell klar ist, was aus dem ikonischen Speicher ausgelesen werden soll, geht das für diese Teilmenge sehr gut. Daher der Teilberichtsvorteil. Wenn zu viel Zeit verstreicht, geht die Information verloren und kann nicht mehr reproduziert werden. Daher die Angleichung von Teil- und Ganzbericht mit langen Intervallen zwischen Matrix und Hinweisreiz. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 7 Ultrakurzzeitgedächtnis Offenbar gelangen nur beachtete Informationen vom sensorischen Speicher in das Kurzzeitgedächtnis (und können dann verbal berichtet werden). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 8 Kurzzeitgedächtnis Speicherformat Information scheint bevorzugt phonologisch gespeichert zu werden (wenn das Material es zulässt. Jedoch ist auch bildhafte oder semantische Kodierung möglich). Speicherdauer ca. 2 Sekunden. Speicherkapazität Geringe Speicherkapazität (etwa so viel wie in 2 Sekunden gesprochen werden kann). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 9 Kurzzeitgedächtnis. Kapazitätslimitierung. Das augenfälligste Merkmal der kurzfristigen Speicherung von Informationen ist die Kapazitätslimitierung. Dies wird besonders deutlich beim unmittelbaren seriellen Reproduzieren, z.B. von Zahlen (digit span) 726098- 726098 85452130861- 85452130861 Es können etwa 7± 2 beziehungslose Informationseinheiten unmittelbar behalten werden (Miller, G.A. 1956: „The magical number seven, plus or minus two: some limits on our capacity for processing information. Psychological Review, 63,81-97). Danach scheint das KZG eine Speicherkapazität von 5 bis 9 „Informationseinheiten“ zu haben. Durch eine Vergrößerung der Einheiten, kann die Behaltensleistung erheblich verbessert werden. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 10 Kurzzeitgedächtnis. Chunking. 85452130861- (8.5.45) (2) (13.08.61) chunks (Kapitulation) 2 (Mauerbau) Durch eine Zusammenfassung von elementaren zu größeren Einheiten (chunks) kann die Behaltensleistung erheblich verbessert werden. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 11 Kurzzeitgedächtnis. Phonologische Kodierung. Ein Hinweis auf die phonologische Speicherung im KZG ist der Wortlängen-Effekt. Es kann eine größere Menge einsilbiger Worte (tip) anstatt z.B. fünfsilbiger Worte (university) unmittelbar reproduziert werden (Baddeley, Thompson, & Buchanan, 1975). Es werden in etwa so viele Wörter reproduziert, wie in 2 Sek. ausgesprochen werden können. Es können z.B. 2.25 einsilbige Wörter pro Sekunde gesprochen werden. In 2 Sekunden also 4,5 Wörter. Das entspricht genau der Gedächtnisspanne für einsilbige Wörter. Es können 1.25 fünfsilbige Wörter/Sek. ausgesprochen werden, also in 2 Sekunden etwa 2,5 Wörter, was wieder genau der Gedächtnisspanne für fünfsilbige Wörter entspricht. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 12 Kurzzeitgedächtnis. Suche im KZG. Wie lange dauert es, das Kurzzeitgedächtnis zu durchsuchen? => Sternberg (1969) „Memory scanning“ Saul Sternberg Vpn werden zwischen 1 und 6 Ziffern zum memorieren dargeboten (z.B. 365). Anschließend wird je eine Ziffer präsentiert, und es soll so schnell wie möglich entschieden werden, ob diese Ziffer (z.B. 2) im memory set enthalten war (positiv) oder nicht (negativ). Ergebnis: Mit jeder zusätzlichen zu merkenden Ziffer steigt die Suchzeit um etwa 38 ms an. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 13 Kurzzeitgedächtnis. Suche im KZG. Wie lange dauert es, das Kurzzeitgedächtnis zu durchsuchen? => Sternberg (1969) „Memory scanning“ Saul Sternberg Im Unterschied zu Ergebnissen zur visuellen Suche Gleicher Anstieg der Suchzeit für ja und nein Antworten => serielle, exhaustive Suche Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 14 Wiederholung/Rehearsal im KZG. Wiederholung (internes Rehearsal) bewirkt, dass Information im KZG erhalten bleibt. TJ M Z B L 275 Wird Wiederholung verhindert , z.B. durch Rückwärtszählen in Dreierschritten, sinkt die Behaltensleistung nach wenigen Sekunden. Peterson & Peterson (1959) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 15 Vom Kurzzeitgedächtnis zum Arbeitsgedächtnis Modernere Theorien versuchen stärker die Funktion des Kurzzeitgedächtnis für die menschliche Informationsverarbeitung zu beschreiben. Wir speichern ja z.B. zwei Zahlen meist nicht einfach so, sondern um mit Ihnen eine mentale Operation auszuführen, z.B. sie zu addieren. Allgemein werden Informationen kurzzeitig gespeichert, damit wir mit Ihnen mental „arbeiten“ können. Dies hat zur Formulierung von Theorien des sog. „Arbeitsgedächtnis“ geführt…. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 16 Arbeitsgedächtnis Arbeitsgedächtnismodell nach Baddeley (1986) Alan D. Baddeley Ein „zentraler Operator“ steuert einzelne Schritte kognitiver Prozesse (z.B. Kopfrechnen, logisches Denken, Suche im Gedächtnis). Zwei „Sklavensysteme“ die Informationen für kognitive Operationen bereit halten. - Phonologische Schleife: entspricht dem KZG wie wir es bisher besprochen hatten - Visuell-räumlicher Skizzenblock: Kurzzeitspeicher für visuellräumliche Informationen. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 17 Arbeitsgedächtnis Warum zwei verschiedene Kurzzeitspeicher, einen für verbales einen für visuell-räumliches Material? Alan D. Baddeley Weil die Speicherung verbaler und visuell-räumlicher Informationen durch je andere Zweitaufgaben gestört werden können. Aufgaben, die die kurzzeitige Speicherung verbaler Informationen stören (z.B. artikulatorische Unterdrückung) beeinträchtigen nicht die Speicherung visuell-räumlicher Informationen. Aufgaben, die die kurzzeitige Speicherung visuell-räumlicher Informationen stören (z.B. Nachverfolgung eines Pendels mit einem Laser-Pointer) beeinträchtigen nicht die Speicherung verbaler Informationen. => Doppelte Dissoziation Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 18 Arbeitsgedächtnis Doppelte Dissoziation Alan D. Baddeley Gedächtnisaufgabe Digit span Kurzfristiges Behalten sprachlicher Informationen Kurzfristiges Behalten räumlicher Informationen Sekundäraufgabe Artikulatorische Unterdrückung („bla bla bla bla….“) Sprachliche Zweitaufgabe Räumliche Zweitaufgabe Tracking Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 19 Arbeitsgedächtnis – neue Konzeption Nelson Cowan Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 20 14 Gedächtnis 2 432 Gedächtnis II Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 1 1 Langzeitgedächtnis. Enkodierung. Informationen die ausreichend im KZG wiederholt und elaboriert wurden, werden ins Langzeitgedächtnis transferiert. „Levels of processing“ Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 2 Langzeitgedächtnis. Elaboration. Wichtiger als das bloße Wiederholen ist die „Tiefe der Verarbeitung“ („level of Processing“, Craik & Lockhart, 1972). Craik & Tulving (1975). Drei Gruppen von Vpn bekommen identische Wortlisten, sollen aber die Worte unterschiedlich „tief“ verarbeiten: Case: Ist das Wort groß oder klein geschrieben? Rhyme: Finde ein Wort das sich auf das Wort reimt? Sentence: Bilde einen sinnvollen Satz mit dem Wort. Je tiefer die Verarbeitung um so besser die Erinnerungsleistung. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 3 Langzeitgedächtnis. Speicherung. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 4 Langzeitgedächtnis Speicherformat Für das Langzeitgedächtnis werden verschiedene Arten der Speicherung angenommen, z.B. semantisch, episodisch, prozedural. Speicherdauer unbegrenzt (allerdings nicht immer abrufbar). Speicherkapazität unbegrenzt (allerdings nicht immer abrufbar). Informationen werden in großen Mengen für lange Zeit gespeichert. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 5 LZG. Klassifikation von Gedächtnisprozessen. LZG Explizit deklarativ Abruf bewusst Semantisch Faktenwissen Episodisch Ereigniswissen Implitzit prozedural Abruf nicht bewusst Fertigkeiten/ Gewohnheiten Konditionierung klassisch/operant Priming Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 6 Langzeitgedächtnis. Informationsarten im LZG Semantische Gedächtnisinhalte: Informationen die losgelöst sind von ihrem spezifischen Erwerbskontext. Beispiel: Kenntnis der Hauptstadt Frankreichs. Der spezifische Erwerbskontext (wann und wo Sie das gelernt haben?) ist nicht mehr verfügbar. Episodisches Gedächtnisinhalte: Spezifische raum-zeitliche Ereignisse. Beispiel: Der Weg zur heutigen Vorlesung. Prozedurale Gedächtnisinhalte: Fertigkeiten und Regelwissen. Schwer verbalisierbar. Beispiel: Radfahren, Musikinstrument spielen, Sequenzlernen (vgl. Vorlesung zum impliziten Lernen) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 7 Repräsentation semantischen Wissens • Speicherung in hierarchischen Netzwerken • Propositionale Repräsentation Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 8 Hierarchische Netzwerke Collins & Quillian, 1969 lebt Tier Vogel frisst fliegt Schnabel Federn singt Meise grün-blau Strauß Flossen schwimmt Fisch Schuppen groß fliegt nicht essbar Lachs schwimmt stromaufwärts Evidenz: • Vpn sollen Aussagen hinsichtlich Korrektheit klassifizieren, z.B. "Ein Lachs ist essbar" (richtig). • RT für Verifikation steigt mit der Anzahl der durchlaufenden Knoten an. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 9 9 Begriffe sind hierarchisch organisiert übergeordnete Begriffe Tier Rosch et al., 1976 Vogel Meise Basisbegriffe Fisch Strauß Lachs untergeordente Begriffe Evidenz für Sonderstellung der Basisbegriffe: • Objekte werden spontan mit ihrem Basisbegriff benannt. • Kinder erwerben zuerst Basisbegriffe (Hund) und erst später übergeordnete (Tier) bzw. untergeordnete Begriffe (Dalmatiner). • Basisniveau ist der höchstmögliche Abstraktionsgrad auf dem noch ein gemeinsamer motorischer Umgang mit den Kategoriemitgliedern möglich ist (z.B. Stuhl -> hinsetzen). Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 10 10 Propositionale Repräsentation • Eine Proposition ist die kleinste Wissenseinheit die eine selbstständige Aussage bildet, und daher als wahr oder falsch beurteilt werden kann. • Propositionen sind sprachübergreifende Beschreibungen der Bedeutung eines Sachverhalts. • Propositionen bestehen aus Argumenten und Relationen (Prädikaten). z.B. „Das Buch liegt auf dem Tisch“ lässt sich darstellen als auf (Buch, Tisch) Allgemein: Relation (Argument1, Argument2, Argument3...) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 11 11 Propositionale Repräsentation Relationen zwischen Propositionen lassen sich als propositionales Netz darstellen. z.B. „John glaubte, dass die Frau das Kind hochheben würde“ glauben [ John hochheben(Frau, Kind) ] Agent Objekt Relation John glauben Objekt Agent Relation Frau Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I hochheben Kind 12 12 Langzeitgedächtnis. Einflüsse auf den Abruf. Wovon hängt der Abruf ab ? Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 13 Langzeitgedächtnis. Einflüsse auf den Abruf. Der Abruf gelingt umso besser, je mehr Hinweisreize auf die abzurufende Information es gibt. Wird deutlich an der Überlegenheit von Wiedererkennen gegenüber Reproduzieren Beispiel: Vpn lernen Liste mit 10 Wörtern Apfel, Hut, Uhr, Maus, Hand, Baum, Ball, Decke, Ohr, Boot, Ast. Reproduzieren Wiederkennen Welche Wörter erinnern Sie? Welche der folgenden Worte war dabei? ___________ Ball ? ___________ Mund ? ___________ Baum ? ………………. schwierig Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I leichter 14 Langzeitgedächtnis. Einflüsse auf den Abruf. Kontexteffekte. Der Abruf gelingt besser, wenn der Kontext beim Abruf dem des Lernens entspricht. (Baddeley & Godden, 1975). Beispiel: Es werden mehr Wörter korrekt reproduziert, wenn unter Wasser gelernt und abgerufen wird, bzw. an Land gelernt und abgerufen wird, als bei Wechsel des Kontexts. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 15 Langzeitgedächtnis. Vergessen. Zerfall? Oder Probleme beim Abruf/Interferenz? Warum vergessen wir (bzw. können nicht immer abrufen)? Wichtige Ursache: Interferenz Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 16 Langzeitgedächtnis. Pro/retroaktive Interferenz Proaktive Interferenz: Alte Informationen stören den Abruf neuer Informationen. Lernen Lernen Test___ Liste 1 Liste 2 Liste 2 (schlecht) -------- Liste 2 Liste 2 (gut) Retroaktive Interferenz: Neue Informationen stören den Abruf alter Informationen. Lernen Lernen Test___ Liste 1 Liste 2 Liste 1 (schlecht) Liste 1 --------- Liste 1 (gut) Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 17 Konstruktives Gedächtnis -falsche Erinnerungen Loftus & Palmer, 1974 • Erinnerungen an erlebte Ereignisse werden rekonstruiert und dabei mit plausiblen Einzelheiten aufgefüllt (konstruktives Gedächtnis). • Falsche Erinnerungen können dabei auch durch die Art der Fragestellung induziert werden. Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 18 Literatur: Buchner, A. & Brandt, M. (2008). Gedächtniskonzeptionen und Wissensrepräsentation. In J. Müsseler. Lehrbuch der Allgemeinen Psychologie. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag. Gerrig,R.J. & Zimbardo, P.G. (2008). Psychologie. Kapitel 7. München: Pearson Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I 19