Allgemeine Psychologie WS2014/15

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Allgemeine Psychologie WS2014/15
30. Januar 2015
1
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung AP1
3
2 Wahrnehmung 1
46
3 Wahrnehmung 2
84
4 Wahrnehmung 3
123
5 Wahrnehmung 4
168
6 Aufmerksamkeit 1
210
7 Aufmerksamkeit 2
252
8 Psychomotorik 1
296
9 Psychomotorik 2
326
10 Lernen 1
341
11 Lernen 2
365
12 Lernen 3
392
13 Gedächtnis 1
411
14 Gedächtnis 2
432
2
1 Einführung AP1
3
Herzlich Willkommen
zur Vorlesung
Allgemeine Psychologie I
Donnerstags, 10:15-11:45, Külpe-Hörsaal, Röntgenring
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
1
1
Modul Allgemeine Psychologie I
1. Semester (gesamt 6 ECTS-Punkte)
• Vorlesung Allgemeine Psychologie I
• Übung zur Vorlesung
Prüfung: 120 min Klausur über die Inhalte
beider Veranstaltungen (voraussichtlich
26. Februar, 10:00-12:00)
Anmeldung zur Klausur über sb@home
im Januar 2015.
2. Semester (3 ECTS-Punkte)
• Seminar Allgemeine Psychologie I
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
2
Modul Allgemeine Psychologie I
Zugangsvoraussetzung zur Übung
• Nur Studenten, die in den Studiengang Bachelor
Psychologie eingeschrieben sind.
• Personen die noch keiner Übung zugeordnet
sind, melden sich bitte bei Andrea Kiesel
[email protected]
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
3
Modul Allgemeine Psychologie I
Die Folien werden im Internet in wuecampus zur
Verfügung gestellt.
Zugang: „Kuelpe“
Es existiert kein Skript zur Vorlesung. Für die
Klausur reichen Besuch und Nacharbeitung von
Vorlesung & Übung.
Literatur zum Selbststudium wird angegeben.
ASQ-Leistung (max. 10 Personen1) 2 CP für regelmäßige Teilnahme und zweiseitiges Protokoll einer
beliebigen Vorlesungsstunde.
1 Platzvergabe
nach Studienfortschritt, bei Gleichrangigkeit Los
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
4
Einführung
Gliederung
• Was ist Allgemeine Psychologie?
• Wie arbeitet Allgemeine Psychologie?
• Wie hängt Allgemeine Psychologie mit
anderen Teildisziplinen zusammen?
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
5
Einführung
Gliederung
• Was ist Allgemeine Psychologie?
• Wie arbeitet Allgemeine Psychologie?
• Wie hängt Allgemeine Psychologie mit
anderen Teildisziplinen zusammen?
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
6
Einführung
Was ist Allgemeine Psychologie ?
Psychologie ist die Wissenschaft vom Erleben
und Verhalten.
Die Allgemeine Psychologie beschäftigt sich
mit allgemeingültigen Gesetzmäßigkeiten
des Erlebens und Verhaltens.
Also Gesetzmäßigkeiten, die für jeden
Erwachsenen Menschen gültig sind
(zumindest sein sollten).
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
7
Einführung
Was ist Allgemeine Psychologie ?
Was sind das für Gesetzmäßigkeiten ?
Es geht um unterschiedliche
Funktionsbereiche des menschlichen Erlebens
und Verhaltens.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
8
Einführung
Funktionsbereiche
Psychomotorik
Lernen
Aufmerksamkeit
Gedächtnis
Wahrnehmung
Einige Beispiele...
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
9
Einführung
Wahrnehmung
Helligkeiten
Formen
Farben
Objekte
Raum
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
10
Einführung
Wahrnehmung: Helligkeit
zähle die Punkte !
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
11
Einführung
Wahrnehmung: Bewegung
Johansson (1973)
http://www.biomotionlab.ca/Demos/BMLwalker.html
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
12
Einführung
Wahrnehmung: Sprache
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
13
Einführung
Wahrnehmung: Nacheffekte
http://dogfeathers.com/java/spirals.html
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14
Einführung
Aufmerksamkeit
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15
Einführung
Psychomotorik
Ebbinghaus-Täuschung
Aglioti, De
Souza, &
Goodale (1995)
Motorik ist resistent gegen Wahrnehmungstäuschung
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16
Einführung
Psychomotorik: Bimanuelle Koppelung.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
17
Einführung
Psychomotorik: Bimanuelle Koppelung.
Asymmetrische Bewegung
Symmetrische Bewegung
Präferenz für symmetrische Bewegungen.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
18
Einführung
Lernen
Ivan P. Pavlov
(1849-1936)
Burrhus F. Skinnner
(1904-1990)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
19
Einführung
Gedächtnis
Nennen Sie spontan
• eine Farbe
 rot
• ein Werkzeug
 Hammer oder Säge
• ein Musikinstrument
 Geige
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20
Einführung
Gedächtnis
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
21
Einführung
Gedächtnis
der nie präsentierte Prototyp
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22
Einführung
Gedächtnis
Gewisseheit, dass nie gesehener
Prototyp da war ist am grössten !
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
23
Einführung
Was ist Allgemeine Psychologie ?
Allgemeine Psychologie I
Allgemeine Psychologie II
Wahrnehmung
Emotion
Aufmerksamkeit
Motivation
Psychomotorik
Lernen
Gedächtnis
Diese Aufteilung ist willkürlich.
Allg.Psych I ist keine Voraussetzung für
Allg.Psych II.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
24
Einführung
Gliederung
• Was ist Allgemeine Psychologie?
• Wie arbeitet Allgemeine Psychologie?
• Wie hängt Allgemeine Psychologie mit
anderen Teildisziplinen zusammen?
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
25
Einführung
Gliederung
• Was ist Allgemeine Psychologie?
• Wie arbeitet Allgemeine Psychologie?
• Wie hängt Allgemeine Psychologie mit
anderen Teildisziplinen zusammen?
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
26
Einführung
Wie arbeitet Allgemeine Psychologie?
Was die Allgem. Psychologie erforscht (Wahrnehmung,
Aufmerksamkeit, Gedächtnis usw.) ist weder direkt von
außen beobachtbar noch der Introspektion (Innenschau)
zugänglich.
Daher dienen Verhaltensmaße (Reaktionszeiten,
Fehlerhäufigkeiten, Antworthäufigkeiten usw.) und
physiologische Maße (EEG, fMRI usw.) als Indikatoren der
zu untersuchenden Prozesse.
Diese „Messbarmachung“ latenter Prozesse und Merkmale
bezeichnet man als Operationalisierung.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
27
Einführung
Wie arbeitet Allgemeine Psychologie?
Die Methode der Wahl in der Allgemeinen Psychologie ist
das Experiment.
Im Experiment werden eine oder mehrere unabhängige
Variable(n) (UV) gezielt variiert und deren Einfluss auf
bestimmte abhängige Variablen (AV: z.B. Reaktionszeiten,
Fehlerraten, EEG) unter Ausschluss von Störeinflüssen
untersucht.
Das erlaubt es, die Veränderungen der AV kausal auf die
Variation der UV zurückzuführen (im Unterschied z.B. zur
Korrelation).
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
28
Einführung
Wie arbeitet Allgemeine Psychologie?
Ein Beispiel: Mentale Rotationen, Shepard & Metzler, 1973
5
4
AV
3
2
gleich oder ungleich?
1
0
0
40
80 120 160
Rotationswinkel (Grad)
UV
Linearer Anstieg der RTs vereinbar mit der Annahme mentaler
Drehung der Figuren mit konstanter Geschwindigkeit.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
29
Einführung
Gliederung
• Was ist Allgemeine Psychologie?
• Wie arbeitet Allgemeine Psychologie?
• Wie hängt Allgemeine Psychologie mit
anderen Teildisziplinen zusammen?
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
30
Einführung
Gliederung
• Was ist Allgemeine Psychologie?
• Wie arbeitet Allgemeine Psychologie?
• Wie hängt Allgemeine Psychologie mit
anderen Teildisziplinen zusammen?
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
31
Einführung
Einige Beispiele.....
Allgemeine und Differentielle Psychologie
Mentale Rotation
und
räumliches
Vorstellungsvermögen
Carpenter & Just (1985)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
32
Einführung
Einige Beispiele.....
Allgemeine und Neurospsychlogie
Verständins von Ströungen
sind Kenntnis ungesörter
Funktion voraus.
Beispiel Neglect-Störung der
Steuerung visueller
Aufmerksamkeit
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
33
Einführung
Einige Beispiele.....
Allgemeine und Entwicklungspsychologie
Wie verändern sich mentale
Funktionen (z.B. Gedächtnis)
über die Lebensspanne ?
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
34
Einführung
Einige Beispiele.....
Allgemeine und Klinische Psychologie
Wie werden dysfunktionale Reaktionsweisen (z.B.
Ängste, Zwänge) erlernt, und vor allem gelöscht ?
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
35
35
Einführung
Einige Beispiele.....
Allgemeine Psychologie und Kognitive Ergonomie
P
☼


M



Kompatible
Aktions-Effekt Zuordnung
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
P M   ☼
Kompatibilität abhängig
vom Aufmerksamkeitsfokus
3636
Einführung
Fazit
Die Allgemeine Psychologie liefert Theorien und Befunde
für alle anderen Grundlagen- und Anwendungsfächer der
Psychologie.
Deshalb ist es wichtig, sich intensiv auf Allgemeine
Psychologie einzulassen.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
37
Einführung
Gliederung
• Was ist Allgemeine Psychologie?
• Wie arbeitet Allgemeine Psychologie?
• Wie hängt Allgemeine Psychologie mit
anderen Teildisziplinen zusammen?
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
38
Einführung
Gliederung
• Was ist Allgemeine Psychologie?
• Wie arbeitet Allgemeine Psychologie?
• Wie hängt Allgemeine Psychologie mit
anderen Teildisziplinen zusammen?
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
39
Terminplan
09.10.2014
16.10.2014
23.10.2014
30.10.2014
06.11.2014
13.11.2014
20.11.2014
04.12.2014
11.12.2014
18.12.2014
25.12.2014
01.01.2015
08.01.2015
15.01.2015
22.01.2015
29.01.2015
Einführung
Wahrnehmung I
Wahrnehmung II
Wahrnehmung III
Wahrnehmung IV
Aufmerksamkeit I
Aufmerksamkeit II
Motorik I
Motorik II
Lernen I
-- Weihnachtsferien--- Weihnachtsferien-Lernen II
Lernen III
Gedächtnis I
Gedächtnis II
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
Die Vorlesungen zu den
Themen Lernen und
Gedächtnis wird Prof.
Dr. Andrea Kiesel halten
40
Literatur zum Selbststudium
Wahrnehmung
Goldstein, B. (2008). Wahrnehmungspsychologie. Heidelberg. Spektrum Verlag. (Kapitel 1, 2,
3, 5, 7-9).
Aufmerksamkeit
Müller, H. & Krummenacher, J. (2008). Aufmerksamkeit. In J. Müsseler (Hrsg.). Allgemeine
Psychologie. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag.
Psychomotorik
Hommel, B. (2008). Planung und exekutive Kontrolle von Handlungen. In J. Müsseler
(Hrsg.). Allgemeine Psychologie. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag.
Rosenbaum, D.R. (2010). Human Motor Control. Elsevier.
Lernen
Koch, I. (2008). Konditionieren und implizites Lernen. In J. Müsseler (Hrsg.). Allgemeine
Psychologie. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag.
Gedächtnis
Buchner, A. & Brandt, M. (2008). Gedächtniskonzeptionen und Wissensrepräsentationen. In J.
Müsseler (Hrsg.). Allgemeine Psychologie. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag.
Eysenck, M. W. & Keane, M. T. (2000). Cognitive psychology: A student's handbook. Hove,
UK: Psychology Press. (oder neuere Auflagen)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
41
Bitte eintragen….
Sie helfen unserer Forschung, wenn Sie an unseren
Versuchen teilnehmen.
Bitte tragen Sie sich in unsere Versuchspersonenliste ein.
https://lists.uni-wuerzburg.de/mailman/listinfo/versuchepsychologie3
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
42
2 Wahrnehmung 1
46
Vorlesung Allgemeine
Psychologie I
Wahrnehmung I
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
1
1
Wahrnehmung I
Gliederung
• Einführung
• Rezeptoren und Reizverarbeitung
• Psychophysik
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
2
2
Wahrnehmung I
Gliederung
• Einführung
• Rezeptoren und Reizverarbeitung
• Psychophysik
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
3
3
Einführung
Wozu dient die Wahrnehmung ?
1. Widerspiegelung der Umwelt (Abbildung).
innere Psychophysik
äußere Psychophysik
nach Goldstein (2002)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
4
4
Einführung
Wozu dient die Wahrnehmung ?
1. Widerspiegelung der Umwelt (Abbildung).
Aber: Wahrnehmung um der reinen Abbildung
Willen wäre nur passives Erdulden (vergleichbar
einem Beifahrer der nur Zusehen kann, wie die
Fahrt verläuft).
Was wir wahrnehmen, muss prompt im Verhalten
berücksichtigt werden können, sonst ist es für den
Organismus wertlos.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
5
5
Einführung
Wozu dient die Wahrnehmung ?
1. Widerspiegelung der Umwelt (Abbildung).
2. Steuerung des Verhaltens (Handlungskontrolle).
- Bewegungskontrolle (z.B. Feedback).
- Orientierung im Raum (z.B. Navigation).
- Manipulation von Objekten (z.B. Greifen).
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
6
6
Einführung
Wozu dient die Wahrnehmung ?
1. Widerspiegelung der Umwelt (Abbildung).
2. Steuerung des Verhaltens (Handlungskontrolle).
Oft vollzieht sich beides gleichzeitig.
Aber es gibt Situationen in denen beide Aspekte
auseinander laufen....
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
7
7
Einführung
Blindsight
aus Goldstein (1997, S. 50)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
8
8
Einführung
Patientin D.F.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
9
9
Einführung
Patientin D.F.
aus Goldstein (2002, S. 119)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
10
10
Einführung
Patientin R.V.
aus Goodale & Humphrey (1998)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
11
11
Einführung
Unbewusste Verhaltensaktivierung
Zielreiz
200 ms
Postmaske
71 ms
Zeit
6
XXXXXX
Bahnungsreiz
29 ms
8
Prämaske
71 ms
XXXXXX
gleiche Reaktion
kleiner als 5
größer als 5
al., 1998)
z.B. Dehaene et al. (1998); Kunde, Kiesel,(Dehaene
& Hoffmannet(2003,
2005)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
12
12
Einführung
Unbewusste Verhaltensaktivierung
Zielreiz
200 ms
Postmaske
71 ms
Zeit
6
XXXXXX
Bahnungsreiz
29 ms
2
Prämaske
71 ms
nicht entdeckbar
XXXXXX
ungleiche Reaktionen
kleiner als 5
größer als 5
z.B. Dehaene et al. (1998); Kunde, Kiesel, & Hoffmann (2003, 2005)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
13
13
Einführung
Wozu dient die Wahrnehmung ?
1. Widerspiegelung der Umwelt (Abbildung).
2. Steuerung des Verhaltens (Handlungskontrolle).
Wahrnehmungspsychologie untersucht beide
Aspekte
Ob Abbildung oder Handlungskontrolle: Am Anfang
steht die Stimulation von Rezeptoren…
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
14
14
Einführung
Gliederung
• Einführung
• Rezeptoren und Reizverarbeitung
• Psychophysik
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
15
15
Einführung
Gliederung
• Einführung
• Rezeptoren und Reizverarbeitung
• Psychophysik
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
16
16
Rezeptoren und Reizverarbeitung
Sehen: Der adäquate physikalische Reiz für
das Auge ist ein bestimmter Bereich des
elektromagnetischen Spektrums (Licht)
Goldstein (2002, S. 43)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
17
17
Rezeptoren und Reizverarbeitung
Auge
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
18
18
Rezeptoren und Reizverarbeitung
Akkomodation
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
19
19
Rezeptoren und Reizverarbeitung
Netzhaut
Goldstein (2002, S. 45)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
20
20
Rezeptoren und Reizverarbeitung
Netzhaut
Goldstein (2002, S. 45)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
21
21
Rezeptoren und Reizverarbeitung
Netzhaut
Stäbchen und Zapfen
Goldstein (2002, S. 51)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
22
22
Rezeptoren und Reizverarbeitung
Netzhaut
Demonstration des Blinden Flecks
Kreuz fixieren. Rechtes Auge schließen und dann soweit
an die Reizvorlage annähern bis der Punkt verschwindet.
Goldstein (2002, S. 52)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
23
23
Rezeptoren und Reizverarbeitung
Stäbchen und Zapfen haben unterschiedliche Funktionen
→ Duplizitätstheorie des Sehens.
Wird deutlich in Versuchen zur Dunkeladaptation.
Zunächst Helligkeit, dann Verdunkelung.
Beobachter stellt einen schwachen Lichtreiz so ein, dass
er ihn gerade sehen kann (Absolutschwelle). Die
Absolutschwelle wird zu veränderlichen Zeitpunkten nach
der Verdunkelung ermittelt.
Empfindlichkeit = 1/Schwelle (niedrige Schwelle
entspricht hoher Empfindlichkeit).
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
24
24
Rezeptoren und Reizverarbeitung
Beobachter blickt auf Fixationspunkt.
Testreiz wird peripher abgebildet.
=> Stäbchen und Zapfen werden erregt.
Goldstein (2002, S. 54)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
25
25
Rezeptoren und Reizverarbeitung
Stäbchenmonochromat (nur
Stäbchen stimuliert)
Sehen bei Helligkeit
wird durch Zapfen
realisiert.
Sehen bei Dunkelheit
wird durch Stäbchen
realisiert.
Testreiz fixiert (nur Zapfen
stimuliert)
Testreiz in der Peripherie (Zapfen & Stäbchen stimuliert)
Goldstein (2002, S. 55)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
26
26
Rezeptoren und Reizverarbeitung
Spektrale Empfindlichkeit
Bei Nacht sind alle
Blumen grau.
Zapfen
Stäbchen
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
Aber die blauen Blumen
erscheinen in hellerem
grau als die roten,
wegen der höheren
Empfindlichkeit der
Stäbchen für
kurzwelliges Licht
(Purkinije Phänomen)
27
27
Rezeptoren und Reizverarbeitung
Wesentliche Unterschiede zwischen Zapfen und Stäbchen
Zapfen
Stäbchen
gehäuft in Fovea
nur außerhalb der Fovea
max. Empfindlichkeit bei
max. Empfindlichkeit bei
unterschiedlichen Wellenlängen niedrigen Wellenlängen
schnelle Dunkeladaptation
langsame Dunkeladaptation
Farbensehen bei Tag
Dunkelsehen
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
28
28
Rezeptoren und Reizverarbeitung
Einige Konsequenzen der unterschiedlichen Verteilung und
Empfindlichkeit von Stäbchen und Zapfen
• Dunkelsehen ist unschärfer als Tagsehen.
• Manche Sterne sieht man nur wenn man sie nicht fixiert.
• Wer dunkeladaptiert bleiben möchte aber trotzdem
Helligkeit braucht, sollte sich langwelligem (roten) Licht
aussetzen.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
29
29
Rezeptoren und Reizverarbeitung
Konvergenz von Stäbchen und Zapfen
Rezeptorsignale
werden über bipolare
Zellen an
Ganglienzellen
weitergeleitet.
Aber nicht jeder
Rezeptor hat seine
eigene Ganglienzelle
(Konvergenz).
Pinel (2003)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
Pro Auge gibt es ca.
126 Mio. Rezeptoren
aber nur ca.1 Mio.
Ganglienzellen.
30
30
Rezeptoren und Reizverarbeitung
Konvergenz von Stäbchen und Zapfen
Stäbchen haben viel
höhere Konvergenz als
Zapfen.
Nur in der Fovea gibt es
eine eins-zu-eins
Verschaltung von Zapfen
und Ganglienzellen.
Pinel (2003)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
31
31
Rezeptoren und Reizverarbeitung
Hohe Empfindlichkeit bei hoher Konvergenz
(räumliche Summation)
das Stäbchensystem
(skotopisches System)
ist lichtempfindlicher
wegen:
höherer Sensitivität der
Stäbchen und
höherer Konvergenz der
Signaleitung.
Goldstein (2002, S. 67)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
32
32
Rezeptoren und Reizverarbeitung
Hohe Sehschärfe bei geringer Konvergenz
das Stäbchensystem
(skotopisches System)
weist geringere
Sehschärfe auf wegen:
Lokalisation außerhalb
des Punkts des
schärfsten Sehens
(Fovea)
und hoher Konvergenz
der Signalleitung.
Goldstein (2002, S. 68)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
33
33
Rezeptoren und Reizverarbeitung
Konturenwahrnehmung
Das visuelle System entdeckt sehr gut Kanten.
Kanten sind häufig Objektgrenzen, d.h.
ökologisch sehr wichtig.
Hinsichtlich der Reizverteilung sind Kanten
lediglich abrupte Helligkeitsunterschiede.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
34
34
Rezeptoren und Reizverarbeitung
Konturenwahrnehmung
Mach‘sche
Bänder
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
35
35
Rezeptoren und Reizverarbeitung
Helligkeitsrandkontrast
Helligkeitsrandkontrast
Phänomenal
120
120
100
100
subj. Helligkeit
Intensität
Real
80
60
40
80
60
40
20
20
0
0
Distanz
Mach´sche Bänder
Distanz
© Joachim Hoffmann
Kognitive Psychologie. Wahrnehmung Abb. 7.29. Copyright © 2004 by J.Hoffmann
An Stellen wechselnder Helligkeit wird das
Intensitätsgefälle verstärkt. Man sieht Mach‘sche Bänder.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
36
36
Rezeptoren und Reizverarbeitung
Laterale Hemmung
Hemmung benachbarter Zellen proportional zur
Rezeptorerregung
nach Goldstein (2002, S. 73)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
37
37
3 Wahrnehmung 2
84
Vorlesung Allgemeine
Psychologie I
Wahrnehmung II
Psychophysik, Farben, Gestalten
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
1
1
Psychophysik
Methoden zur Schwellenbestimmung
Absolutschwelle:
Ab welcher Intensität wird ein Reiz
überhaupt wahrgenommen ?
Gustav Theodor Fechner
(1801-1887)
Unterschiedsschwelle:
Ab welchem Reizunterschied werden zwei
Reize als unterschiedlich wahrgenommen.
Methoden am Beispiel der Absolutschwelle…
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
2
2
Psychophysik
Herstellungsverfahren
Beurteiler stellt einen veränderbaren Reiz so ein, dass er
gerade wahrnehmbar ist.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
3
3
Psychophysik
Grenzverfahren
Die Intensität eines deutlich
überschwelligen Reizes wird vom
Versuchsleiter (VL) so vermindert,
dass der Beobachter den Reiz
nicht mehr wahrnimmt
(=absteigendes Verfahren). Beginn
mit einem unterschwelligen Reiz
(=aufsteigendes Verfahren).
Schwelle=Mittelwert
der Grenzen (98.5)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
4
4
Psychophysik
Konstanzmethode
Zufällige Präsentation
von Reizen
unterschiedlicheer
Intensität.
Absolute Schwelle: die
Intensität bei der
Entdeckungsrate 50%
beträgt.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
5
5
Psychophysik
Ernst Heinrich Weber
(1795-1878)
∆S/S=konstant
(Weber-Bruch)
Goldstein (2002)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
6
6
Psychophysik
E
I
Müsseler & Prinz (2002)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
7
7
Psychophysik
E
Fechner’sches Gesetz
E
I 
1
 ln  
k
 I0 
E: Empfindungsstärke
K: Weber-Bruch
I
aus Müsseler & Prinz (2002)
I: Reizintensität
I0: Absolutschwelle
Zielsetzung der Psychophysik: Ermittlung des
Zusammenhangs zwischen physikalischen Größen und
subjektivem Erleben.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
8
8
Gliederung
• Farbwahrnehmung
• Gestaltwahrnehmung
• Objektwahrnehmung
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
9
9
Gliederung
• Farbwahrnehmung
• Gestaltwahrnehmung
• Objektwahrnehmung
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
10
10
Farbwahrnehmung
Wozu Farbwahrnehmung ?
leichtere Segmentierung von Objekten
aus Goldstein (2002)
z.B. Früchte im Laub
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
11
11
Farbwahrnehmung
Farbe und Wellenlänge
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
12
12
Farbwahrnehmung
• Die Farbe eines Objektes wird durch zwei
Faktoren bestimmt:
• der spektralen Zusammensetzung der
Beleuchtungsquelle.
• der Reflektanz des Objekts.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
13
13
Farbwahrnehmung
Spektrale Zusammensetzung Beleuchtungsquelle
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
14
14
Farbwahrnehmung
Objekte unterschiedlicher Reflektanz
z.B. blaue Pigmentfarbe absorbiert
Licht aller Spektralbereiche außer
diejenigen um 450 nm
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
15
15
Farbwahrnehmung
Dreifarbentheorie (Helmholtz)
Farbmischung
Additive Farbmischung
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
Subtraktive Farbmischung
16
16
Farbwahrnehmung
Dreifarbentheorie (Helmholtz)
Beobachtungen aus Farbabgleichexperimenten
Man braucht mindestens 3 Farben um jeden
beliebigen Farbeindruck zu erzeugen.
Welche Farben man nimmt, ist relativ egal,
solange sich keine der drei Farben aus der
Mischung der beiden anderen ergibt.
Das heißt, man kann dieselbe Farbe aus
physikalisch unterschiedlichen
Lichtzusammensetzungen erzeugen (sog.
metamere Farben).
Idee: Farbeindruck entspricht dem
Aktivitätsmuster dreier Farbrezeptoren.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
17
17
Farbwahrnehmung
Absorptionsspektren von drei Zapfenpigmenten
und Aktivitätsreaktionen bei einem Licht von 500 nm
Aktivierungsmuster der drei Zapfentypen für verschiedene
Farbwahrnehmungen
Kognitive Psychologie. Wahrnehmung Abb. 7.38. Copyright © 2004 by J.Hoffmann
Blau
Grün
Rot
S M L
S M L
S M L
Gelb
Orange
Weiss
S M L
S M L
S M L
R=255, G=255, B = 0
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
Kognitive Psychologie. Wahrnehmung Abb. 7.39. Copyright © 2004 by J.Hoffmann
18
18
Farbwahrnehmung
Gegenfarbentheorie (Hering)
Einige Phänomen sind mit der
Farb-Sukzessivkontraste
Dreifarbentheorie nicht erklärbar.
1) Farbige Nachbilder.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
Kognitive Psychologie. Wahrnehmung Abb. 7.40. Copyright © 2004 by J.Hoffmann
19
19
Farbwahrnehmung
Gegenfarbentheorie (Hering)
Einige Phänomen sind mit der
Farb-Sukzessivkontraste
Dreifarbentheorie nicht erklärbar.
1) Farbige Nachbilder.
2) Simultankontrast
3) Typen von Farbenblindheit. Rotblinde sind auch
grünblind. Blaublinde sind auch gelbblind.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
Kognitive Psychologie. Wahrnehmung Abb. 7.40. Copyright © 2004 by J.Hoffmann
20
20
Farbwahrnehmung
Gegenfarbentheorie (Hering)
Annahme dreier antagonistisch
wirkender Farbenpaare
rot – grün
blau – gelb
weiß – schwarz
Solche Zellen sind im Kniehöcker nachgewiesen
worden (DeValois & Jacobs, 1968).
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
21
21
Farbwahrnehmung
Integration der Theorien
Opponierende Systeme im Resultat neuronaler Verschaltung der
Aktivierungen von drei Rezeptorsystemen
frequenzspezifische
Zapfen
frequenzspezifische
Neuronen
Aktivierung
Hemmung
-Gelb/Blau+
-Grün/Rot+
Kognitive Psychologie. Wahrnehmung Abb. 7.44. Copyright © 2004 by J.Hoffmann
mit freundlicher Genehmigung von Joachim Hoffmann
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
22
22
Gliederung
• Farbwahrnehmung
• Gestaltwahrnehmung
• Objektwahrnehmung
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
23
23
Gliederung
• Farbwahrnehmung
• Gestaltwahrnehmung
• Objektwahrnehmung
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
24
24
Gestaltwahrnehmung
Fragestellung: Nach welchen Prinzipien wird das
was wir wahrnehmen strukturiert?
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
25
25
Gestaltwahrnehmung
Grundüberzeugung: Das Ganze ist verschieden von
der Summe seiner Teile.
Das heißt, Einzelelemente können einen
Wahrnehmungseindruck erzeugen, der durch die
Einzelelemente allein nicht erklärt werden kann.
Beispiel: Scheinbewegung
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
26
26
Gestaltwahrnehmung
Nach welchen Gesetzmäßigkeiten werden
Elemente zu Gestalten gruppiert:
=> Gestaltfaktoren
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
27
27
Gestaltwahrnehmung
Faktor der „guten Gestalt“
Jedes Reizmuster wird so gesehen, dass die
resultierende Struktur so einfach wie möglich ist.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
28
28
Gestaltwahrnehmung
Faktor der „guten Gestalt“
Jedes Reizmuster wird so gesehen, dass die
resultierende Struktur so einfach wie möglich ist.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
29
29
Gestaltwahrnehmung
Faktor der „guten Gestalt“
Jedes Reizmuster wird so gesehen, dass die
resultierende Struktur so einfach wie möglich ist.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
30
30
Gestaltwahrnehmung
Faktor der Ähnlichkeit
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
31
31
Gestaltwahrnehmung
Faktor der gestaltgerechten Linienfortsetzung
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
32
32
Gestaltwahrnehmung
Faktor der Nähe
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
33
33
Gestaltwahrnehmung
Faktor des gemeinsamen Schicksals
Gemeinsam bewegte Objekte werden als
zusammengehörig erlebt.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
34
34
Gestaltwahrnehmung
Faktor der Vertrautheit
Objekte die zusammen etwas bedeuten oder vertraut sind,
werden als zusammengehörig interpretiert.
Bev Doolittle aus Goldstein 2002
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
35
35
Gestaltwahrnehmung
Figur-Grund-Trennung
Man separiert immer in Figur und Grund.
Das was zu einem gegebenen Zeitpunkt als Figur wahrgenommen
wird, kann nicht gleichzeitig als Grund wahrgenommen werden.
Als Figur wird eher das gesehen, was kleiner, symmetrischer,
konvexer…. ist.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
36
36
Gestaltwahrnehmung
Kritik an der Gestaltpsychologie
• viele Gesetze können nur an artifiziellen
Reizvorlagen beobachtet werden.
• beschreibt, aber erklärt nicht.
• was bedeutet „einfach“, „prägnant“, „gut“?
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
37
37
Literatur:
Goldstein, E. B. (2008). Wahrnehmungspsychologie.
Heidelberg. Spektrum. Kapitel 1,2
Müsseler, J. (2008). Wahrnehmung. In J. Müsseler.
Allgemeine Psychologie. Kap. 1-3a. Heidelberg. Spektrum.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
38
4 Wahrnehmung 3
123
Vorlesung Allgemeine
Psychologie I
Wahrnehmung III
Objektwahrnehmung
Raumwahrnehmung.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
1
1
Objektwahrnehmung
Objekterkennung := Korrekte Zuordnung von
Reizmuster und Gedächtniseintrag
Tasse
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
2
2
Objektwahrnehmung
Problem: Unterscheidung ähnlicher Objekte.
Zitrone
Ball
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
3
3
Objektwahrnehmung
Problem: Objektkonstanz trotz veränderlichem
Betrachtungswinkel.
Tasse
Tasse
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
4
4
Objektwahrnehmung
1. Modelle ansichtsabhängiger Objekterkennung
1a. Schablonenvergleich (unbrauchbar)
1b. Single-view plus transformation
1c. Multiple-views plus transformationen
2. Modelle ansichtsunabhängiger Objekterkennung
2 a. Geon-Theorie
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
5
5
Objektwahrnehmung
Schablonenvergleich

Stimulus
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
gespeicherte Ansicht
6
6
Objektwahrnehmung
Schablonenvergleich

Stimulus
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
gespeicherte Ansicht
7
7
Objektwahrnehmung
Single-view plus Transformation
+ Transformation
Stimulus
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
gespeicherte Ansicht
8
8
Objektwahrnehmung
Single-view plus Transformation
+ Transformation
Stimulus
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
gespeicherte Ansicht
9
9
Objektwahrnehmung
Single-view plus Transformation
Wir können Objekte in unterschiedlichen
Orientierungen identifizieren (=Objektkonstanz)
Reaktionszeit
aber umso schlechter, je weiter sie von ihrer üblichen
(kanonischen) Orientierung abweichen.
a
a
0°
60°
120°
180°
a
240°
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
300°
0°
10
10
Objektwahrnehmung
Multiple-views plus Transformation
Für viele Objekte gibt es mehrere typische Ansichten.
Rotation zur nächstliegenden Ansicht.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
11
Objektwahrnehmung
Multiple-views plus Transformation
Tarr & Pinker (1989)
Steven Pinker
Training
Test
RZ
0°
idealisierte Daten
120°
240°
0°
‚kef‘
‚kip‘
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
60°
120°
180°
240°
300°
0°
Trainierte Objektorientierungen
12
12
Objektwahrnehmung
Modelle ansichtsunabhängiger Objekterkennung
Ermittlung von Elementarkörpern (Geone) und ihrer
ansichtsunabhängigen Raumlagebeziehungen
zueinander.
Vergleich mit entsprechenden strukturellen
Objektbeschreibung im Gedächtnis.
Henkel zwischen Boden und Öffnung
Tasse
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
Henkel an der Öffnung
Eimer
13
13
Objektwahrnehmung
Geon-Theorie (Biederman, 1987)
Irving Biederman
Behauptung: Es lasssen sich
36 Elementarkörper (Geone)
unterscheiden.
Eine Art „visuelles Alphabet“.
Durch die Kombination dieser
Geone lässt sich jedes
beliebige Objekt
repräsentieren.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
14
14
Objektwahrnehmung
Geon-Theorie (Biederman, 1987)
Extraktion
von Kanten
Überzufällige
Merkmale
Zerlegung
nach Konkavität
Bestimmung
der „Geone“
Vergleich mit
Repräsentationen
Parallelität
zweier Linien
Zuordnung nach
Ähnlichkeit
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
15
15
Objektwahrnehmung
Geon-Theorie (Biederman, 1987)
Die gleichen Geone ergeben unterschiedliche Objekten
durch Veränderung ihrer Raumlagebeziehung.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
16
16
Objektwahrnehmung
Geon-Theorie (Biederman, 1987)
Evidenz für Geon-Theorie
• Kantenbild für Objekterkennung nahezu immer
ausreichend (Farb- und Oberflächeninformationen
relativ unwichtig).
• Beseitigung von Konkavitäten verhindert
Geonsegmentierung und macht Objekterkennung
sehr schwierig.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
17
17
Objektwahrnehmung
Geon-Theorie (Biederman, 1987)
Evidenz für Geon-Theorie
• Kantenbild für Objekterkennung nahezu immer
ausreichend (Farb- und Oberflächeninformationen
relativ unwichtig).
• Beseitigung von Konkavitäten verhindert
Geonsegmentierung und macht Objekterkennung
sehr schwierig.
• Objekterkennung umso schwieriger, je mehr Geone
fehlen oder verdeckt sind.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
18
18
Objektwahrnehmung
Geon-Theorie (Biederman, 1987)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
19
19
Objektwahrnehmung
Kontexteffekte
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
20
20
Objektwahrnehmung
Kontexteffekte
Die Erkennung eines Objektes hängt nicht nur vom
Objekt allein ab, sondern vom Kontext in den es
eingebettet ist.
Die Objekterkennung wird neben sensorischer
Information (bottom-up) auch durch Wissen,
Erwartungen und Absichten (top-down) bestimmt.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
21
21
Literatur
Goldstein, E. B. (2008). Wahrnehmungspsychologie.
Heidelberg. Spektrum. Kapitel 5, 7.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
22
22
Gliederung
• Tiefenwahrnehmung
• Größenkonstanz
• Bewegungswahrnehmung
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
23
23
Tiefenwahrnehmung
Problem:
Wie ist es möglich, räumliche Tiefe
wahrzunehmen, obwohl nur ein flächiges Bild
auf der Netzhaut zur Verfügung steht.
Lösung:
Die räumliche Tiefe muss anhand von
Tiefenkriterien erschlossen werden.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
24
24
Tiefenwahrnehmung
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
25
Tiefenwahrnehmung
Akkomodation
Anpassung der Brechkraft der Linse an
Objektentfernung zur Gewährleistung einer
scharfen Abbildung.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
26
Tiefenwahrnehmung
Konvergenz
Drehung der Augäpfel zum Fixationspunkt

Konvergenzwinkel

Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
Akkomodation und
Konvergenz tragen nur
im Nahbereich bis 2m
zur Tiefenwahrnehmung
bei.
27
Tiefenwahrnehmung
Verdeckung von Objekten
Goldstein (2002, S.229 )
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
Objekte die andere Objekte
verdecken, werden als relativ
näher gesehen.
28
Tiefenwahrnehmung
Relative Höhe
Objekte die sich näher am
Horizont befinden, werden als
weiter entfernt interpretiert.
Goldstein (2002, S.231 )
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
29
Tiefenwahrnehmung
Relative Größe
Goldstein (2002, S.229 )
Objekte die einen kleinen Sehwinkel einehmen, werden weiter
entfernt wahrgenommen, als gleich große Objekte die einen
grösseren Sehwinkel einnehmen.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
30
Tiefenwahrnehmung
Luftperspektive
Goldstein (2002, S.232 )
unscharfe Objekte erscheinen weiter entfernt
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
31
Tiefenwahrnehmung
Gewohnte Größe
Bei gleicher Abbildungsgröße auf der Netzhaut erscheinen
kleinere Objekte näher als größere Objekte.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
32
Tiefenwahrnehmung
Lineare Perspektive
Goldstein (2002, S.234 )
konvergierende Linien erscheinen als tiefenerstreckte Parallelen
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
33
Tiefenwahrnehmung
Texturgradient
gleichabständige Strukturen erscheinen weiter entfernt, je dichter
gepackt sie sind.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
34
Tiefenwahrnehmung
Bewegungsparallaxe
Bewegung des Beobachters von
Pos. 1 zu Pos. 2 verschiebt das
Netzhaubild eines nahen Punktes
(A) stärker als das Netzhautbild
eines entfernten Punktes (B).
Goldstein (2002, S.235 )
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
Beispiel: Zugfahrt entlang naher
bzw. entfernter Objekte
35
Tiefenwahrnehmung
Fortschreitendes Zu- und Aufdecken
Goldstein (2002, S.236 )
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
36
Tiefenwahrnehmung
Querdisparation
Die Augen liegen etwa 6 cm
auseinander. Daher
entstehen leicht
unterschiedliche Bilder auf
den beiden Netzhäuten.
Das bezeichnet man als
Querdisparation.
Das Ausmaß dieser Unterschiedlichkeit lässt Rückschlüsse
über die Entfernung der Objekte relativ zum aktuellen
Fixationspunkt zu.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
37
Tiefenwahrnehmung
Querdisparation
Korrespondierende Netzhautpunkte
Hl
Gl
Fl
Hr
Gr
Fr
Korrespondierende Netzhautpunkte liegen an gleichen
Orten auf den Netzhäuten.
(Sie würden sich überlagern wenn man die Netzhäute
aufeinander legen könnte).
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
38
Tiefenwahrnehmung
Querdisparation
Korrespondierende Netzhautpunkte
Hl
Gl
Fl
Hr
Gr
Fr
Bei Fixation eines Objektes werden manche Punkte der
Umwelt auf korrespondierende Netzhautpunkte abgebildet.
Das gilt z.B. für das fixierte Objekt (wird in beiden Augen in
der Fovea abgebildet), aber nicht nur für dieses, sondern für
alle Objekte die auf dem sog. Horopter liegen.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
39
Tiefenwahrnehmung
Querdisparation
Goldstein (2002, S.240)
Alle Objekte (in diesem Fall Personen) auf dem Horopter
werden auf korrespondierende Netzhautstellen
abgebildet.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
40
Tiefenwahrnehmung
Querdisparation
Goldstein (2002, S.241)
Objekte (Personen) vor oder hinter dem Horopter werden auf
nicht-korrespondierende Netzhautpunkte abgebildet.
Je größer der Disparitätswinkel zwischen korrespondierenden
und nicht-korrespondierenden Abbildungspunkten (z.B. B‘ und
G‘) umso größer der Abstand vom Horopter.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
41
Tiefenwahrnehmung
Querdisparation
Objekte hinter dem Horopter werden
auf innere Teile der Netzhäute
abgebildet (sog. ungekreuzte
Querdisparation).
Objekte vor dem Horopter werden auf
äußeren Randbereichen der
Netzhäute abgebildet (gekreuzte
Querdisparation).
Goldstein (2002, S.241)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
Aus der Art der Querdisparation
(gekreuzt oder ungekreuzt) und der
Größe des Disparitätswinkels lässt
sich also schließen, wie weit entfernt
ein Objekt relativ zum aktuellen
Fixationspunkt ist.
42
Tiefenwahrnehmung
Wann werden welche Tiefenkriterien genutzt?
Goldstein (2002, S.248 )
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
43
Gliederung
• Tiefenwahrnehmung
• Größenkonstanz
• Bewegungswahrnehmung
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
44
44
5 Wahrnehmung 4
168
Vorlesung Allgemeine
Psychologie I
Wahrnehmung IV
Größenkonstanz,
Bewegungswahrnehmung
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
1
1
Gliederung
• Tiefenwahrnehmung
• Größenkonstanz
• Bewegungswahrnehmung
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
2
2
Größenkonstanz
Die Abbildungsgröße eines Objektes auf der Netzhaut
(der Sehwinkel) hängt sowohl von der Größe des
Objekts ab als auch von seiner Entfernung.
Trotz unterschiedlicher Netzhautbildgrößen sehen wir
ein und dasselbe Objekt bei unterschiedlicher
Entfernung in konstanter Größe (:=Größenkonstanz)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
3
3
Größenkonstanz
Um Größenkonstanz zu erreichen, muss daher die
anhand von Tiefenkriterien erschlossene Entfernung des
Objekts mit seinem Sehwinkel verrechnet werden.
Vorhersage: Je weniger Tiefenkriterien um so schlechtere
Größenkonstanz.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
4
4
Größenkonstanz
Versuchsanordnung von Holoway & Boring (1941)
Goldstein (2002, S.258 )
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
5
5
Größenkonstanz
von Vp so einzustellen, dass
ihre Größe der realen Größe
der Testskreisscheibe
entspricht
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
6
6
Größenkonstanz
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
7
7
Größenkonstanz
Emmert‘sches Gesetz:
Die Verrechnung von erschlossener Entfernung und
Sehwinkel kann man gut illustrieren am Emmert‘schen
Gesetz.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
8
8
Größenkonstanz
Emmert‘sches Gesetz:
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
9
9
Größenkonstanz
Geometrisch-optische Täuschungen:
Die Verrechnung von retinaler Größe und erschlossener
Entfernung kann als Erklärung für Größentäuschungen
dienen.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
10
10
Größenkonstanz
Müller-Lyer-Täuschung
Die auf der Retina gleich großen Linien werden als Kante (links) oder Ecke
(rechts) gesehen, und daher unterschiedlich weit entfernt vermutet.
Ein fernes Objekt dass ein gleich großes Retinabild wie ein nahes Objekt
erzeugt „muss“ größer sein, so zumindest die Interpretation des visuellen
Systems.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
11
11
Größenkonstanz
Müller-Lyer-Täuschung
Da die Täuschung auch unter diesen Bedingungen auftritt
(ohne offensichtliche Entfernungsinterpretation) gibt es
vermutlich mehrere Ursachen (z.B. etwas weitere
Augenbewegungen in der größer erscheinenden Figur).
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
12
12
Größenkonstanz
weitere ähnliche Täuschungen....
Ponzo-Täuschung
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
13
13
Größenkonstanz
weitere ähnliche Täuschungen....
Mond-Täuschung
Das ist eine Veranschaulichung des subjektiven
Eindrucks.
Besser bei nächster Gelegenheit draußen ansehen!
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
14
14
Größenkonstanz
Mond-Täuschung
Der Mond am Horizont erscheint aufgrund der vielfältigen
Tiefeninformationen im Gelände (Verdeckung,
Linearperspektive, Strukturgradienten etc.) weiter entfernt
als im strukturenlosen Zenit.
Deckt man Gelände ab, erscheint der Mond am Horizont
so groß wie der Mond im Zenit (Kaufman & Rock, 1962).
Die geschätzte Entfernung des Himmelsgewölbes
erscheint am Horizont größer als im Zenit.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
15
15
Größenkonstanz
Mond-Täuschung
www.wikepedia.de
Horizontmond erscheint weiter entfernt als Zenitmond,
und wird wegen des gleichen Netzhautbildes daher als
größer wahrgenommen
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
16
16
Bewegungswahrnehmung
Bewegung sticht hervor.
Wo ist der Vogel ?
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
17
17
Bewegungswahrnehmung
Bewegungs-Detektor
Rezeptoren
Verzögerung ()
Multiplikation (M)
www.viperlib.com
Der Detektor ist selektiv für
• Bewegungen in eine Richtung.
• Bewegungen deren Geschwindigkeit der Dauer der
zeitlichen Verzögerung entspricht.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
18
18
Bewegungswahrnehmung
Reichardt-Detektor (1961)
Wenn zwei derartige Detektoren verknüpft
werden, entsteht ein Schaltkreis der
prinzipiell in der Lage ist
Bewegungsrichtungen zu erkennen (sog.
Reichardt-Detektor).
Vergleiche Abbildung: Bewegungen von
links nach rechts erhöhen
Ausgangsaktivität. Bewegungen von rechts
nach links verringern Ausgangsaktivität.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
19
19
Bewegungswahrnehmung
Bewegungs-Nacheffekte
http://dogfeathers.com/java/spirals.html
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
http://www.lifesci.sussex.ac.uk/home/George_Mather/Motion/MAE.HTML
20
20
Bewegungswahrnehmung
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
21
21
Bewegungswahrnehmung
Ermüdung von Bewegungsdetektoren als
Erklärung für Nacheffekte
Impulsrate einer
richtungsspezifischen Zelle
auf einen Bewegungsreiz in
bevorzugter Richtung
(Barlow & Hill, 1963)
Mit Reizdarbietung steigt
Entladung steil an, fällt dann
wieder ab.
Mit Reizende sinkt die
Entladungsate unter das
Niveau der Spontaktivität.
Goldstein (2002, S. 292)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
22
22
Bewegungswahrnehmung
Ermüdung von Bewegungsdetektoren als
Erklärung für Nacheffekte
5
5
Unbewegter Eindruck entsteht, wenn Detektoren für
Gegenrichtungen gleich aktiv sind.
3
5
Ermüdung eines Detektors erzeugt Wahrnehmung der
Gegenbewegung.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
23
23
Bewegungswahrnehmung
Trennung von Eigen- und Fremdbewegung
Retinale Bildverschiebung: Augenbewegung oder
Objektbewegung?
Objektbewegung
nach rechts
F
oder
Augenbewegung
nach links?
links
links
In beiden Fällen
bewegt sich das
retinale Bild nach
links
links
links
Kognitive Psychologie. Wahrnehmung Abb. 7.13. Copyright © 2004 by J.Hoffmann
Gleiche proximale (retinale) Bildbewegungen können durch
Objektbewegung oder durch Augenbewegung entstehen.
Wie trennt das visuelle System Augen- und Fremdbewegung?
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
24
24
Bewegungswahrnehmung
Trennung von Eigen- und Fremdbewegung
Trennung durch:
1) retinale Informationen.
(ökologischer Ansatz, Gibson).
2) propriozeptive Rückmeldung aus Augenmuskeln
(inflow-Modell).
3) efferente Kommandos an Augenmuskeln (outflowModell, Reafferenzprinzip).
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
25
25
Bewegungswahrnehmung
Trennung von Eigen- und Objektbewegung
Die Information zur Trennung von Eigen- und
Objektbewegung steckt im Reiz selbst (Gibson, 1966).
Bewegt sich das Objekt,
verdeckt und enthüllt es
andere, unabhängig
davon, ob sich das Auge
bewegt.
Goldstein (2002. S. 299)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
26
Bewegungswahrnehmung
Trennung von Eigen- und Objektbewegung
Die Information zur Trennung von Eigen- und
Objektbewegung steckt im Reiz selbst (Gibson, 1966).
Bewegt sich alles im
Gesichtsfeld, dann liegt das
an der Eigenbewegung des
Betrachters.
Goldstein (2002. S. 299)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
27
Bewegungswahrnehmung
Trennung von Eigen- und Objektbewegung
Aber: Man kann auch bei einer einzelnen
Wolke am sonst wolkenlosen Himmel
entscheiden, ob sich die Wolke oder das Auge
bewegt.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
28
Bewegungswahrnehmung
Trennung von Objekt- und Augenbewegung
Das visuelle System besitzt extraretinale Informationen über
Augenbewegungen.
Die retinale Bildänderung wird verglichen mit der
Bildänderung, die infolge der Augenbewegung erwartet wird.
Übereinstimmung
=>
keine Objektbewegung
keine Übereinstimmung
=>
Objektbewegung
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
29
29
Bewegungswahrnehmung
Trennung von Objekt- und Augenbewegung
Ein paar Beispiele.....
Situation
Bildänderung Augenbewegung Wahrnehmung
Aktive Exploration der Ja
Umgebung
Ja
Keine Bewegung
Objektbewegung vor
unbewegtem Auge
Ja
Nein
Bewegung
Verfolgung eines
bewegten Objekts
Nein
Ja
Bewegung
Betrachtung der
ruhenden Umgebung
Nein
Nein
Keine Bewegung
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
30
30
Bewegungswahrnehmung
Trennung von Objekt- und Augenbewegung
Welche Information wird genutzt?
inflow-Modell
outflow-Modell (Reafferenzprinip)
Augenmuskeln mit
Dehnungsrezeptoren
Rückmeldungen (Propriozeption)
von den Augenmuskeln
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
Motorische Kommandos (Efferenzen)
für Augenbewegungen
31
31
Bewegungswahrnehmung
Trennung von Objekt- und Augenbewegung
inflow-Modell:
Bewegungseindruck bei:
• Bildverschiebung ohne Rückmeldung aus Augenmuskeln.
• ruhendem Bild trotz Rückmeldung aus Augenmuskeln.
outflow-Modell:
Bewegungseindruck bei:
• Bildverschiebung ohne Augenbewegungskommando.
• ruhendem Bild trotz Augenbewegungskommando.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
32
32
Bewegungswahrnehmung
Empirische Beobachtungen zum Zusammenhang zwischen
Eigenbewegung, Objektbewegung und Bewegungswahrnehmung
Efferenz
Propriozeption
Retinale
Bewegung
Wahrnehmung
Aktive Exploration einer
unbewegten Umgebung
ja
ja
ja
Keine
Bewegung
Passive Bewegung des
Augapfels
nein
ja
ja
Bewegung
ja
ja
nein
Bewegung
nein
ja
nein
Keine
Bewegung
Verfolgung eines bewegten
Objektes mit den Augen
ja
ja
nein
Bewegung
Blickintention bei gelähmter
Augenmuskulatur
ja
nein
nein
Bewegung
Situation
Nachbild und aktive
Augenbewegung
Nachbild und passive
Augenbewegung
Kognitive Psychologie.
Wahrnehmung
Abb. 7.14.
Copyright © 2004 by J.Hoffmann
Bewegungseindruck,
wenn
retinale
Bewegung
und Efferenz nicht
übereinstimmen (rote Felder).
Kein Bewegungseindruck, wenn retinale Bewegung und Efferenz
übereinstimmen (weiße Felder).
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
33
33
Bewegungswahrnehmung
Empirische Beobachtungen zum Zusammenhang zwischen
Eigenbewegung, Objektbewegung und Bewegungswahrnehmung
Efferenz
Propriozeption
Retinale
Bewegung
Wahrnehmung
Aktive Exploration einer
unbewegten Umgebung
ja
ja
ja
Keine
Bewegung
Passive Bewegung des
Augapfels
nein
ja
ja
Bewegung
ja
ja
nein
Bewegung
nein
ja
nein
Keine
Bewegung
Verfolgung eines bewegten
Objektes mit den Augen
ja
ja
nein
Bewegung
Blickintention bei gelähmter
Augenmuskulatur
ja
nein
nein
Bewegung
Situation
Nachbild und aktive
Augenbewegung
Nachbild und passive
Augenbewegung
Kognitive Psychologie. Wahrnehmung Abb. 7.14. Copyright © 2004 by J.Hoffmann
Übereinstimmung mit Proriozeption spielt keine Rolle
=> Das outflow-Modell (Reafferenzprinzip) ist richtig.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
34
34
Bewegungswahrnehmung
Reafferenzprinzip (von Holst & Mittelstaedt, 1954)
Goldstein (2002, S. 294)
Bewegung wird wahrgenommen, wenn Efferenzkopie und
afferentes Signal von der Retina eine Differenz aufweisen.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
35
Bewegungswahrnehmung
Wahrnehmung menschlicher Körperbewegungen
Menschen sind besonders sensitiv für die
Wahrnehmung von menschlichen
Körperbewegungen.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
36
Bewegungswahrnehmung
Wahrnehmung menschlicher Körperbewegungen
Beispiel 1. Random dot- walker (Johansson, 1975)
http://www.biomotionlab.ca/Demos/BMLwalker.html
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
37
Bewegungswahrnehmung
Wahrnehmung menschlicher Körperbewegungen
Beispiel 2. Scheinbewegung am Körper (Shiffrar, 1975)
Regel des kürzesten Weges
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
Regel des anatomisch Möglichen
(bei Bildfolgeintervalen > 200 ms)
38
Bewegungswahrnehmung
Wahrnehmung menschlicher Körperbewegungen
Beispiel 3. Vorhersage eigener Körperbewegungen
Knoblich et al. (2002)
Folgt ein l
oder ein r ?
Vorhersage des Buchstaben bei
eigener Handschrift möglich.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
39
Bewegungswahrnehmung
Wahrnehmung menschlicher Körperbewegungen
Woher kommt die Sensitivität für menschliche
Körperbwegungen ?
Vermutlich simulieren wir innerlich die Bewegung.
Das geht besonders gut bei Artgenossen, die ähnliche
motorische Kompetenzen besitzen,
und
am besten bei der Wahrnehmung eigener Körperbewegungen,
die nur der Akteur exakt replizieren kann.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
40
Literatur
Goldstein, E. B. (2008). Wahrnehmungspsychologie.
Heidelberg. Spektrum Verlag. Kapitel 8.
Goldstein, E. B. (2008). Wahrnehmungspsychologie.
Heidelberg. Spektrum Verlag. Kapitel 9.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
41
6 Aufmerksamkeit 1
210
Vorlesung Allgemeine
Psychologie I
Aufmerksamkeit I
Begriffsbestimmung, Filtertheorien,
Ressourcentheorien, Selection-for-action.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
1
1
Begriffsbestimmung
„Jeder weiß, was Aufmerksamkeit ist. Sie
ist das Besitzergreifen durch den
Verstand, in einer klaren und lebhaften
Form. Eines wird aus dem
herausgegriffen, was wie mehrere
gleichzeitig mögliche Objekte oder
Gedankengänge scheint. Bündelung,
Konzentration des Bewusstseins sind
Wesentliche. Sie beinhaltet das
Zurückziehen von einigen Dingen, um mit
den anderen wirkungsvoll umgehen zu
können.” (James, 1890).
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
William James
2
2
Begriffsbestimmung
Aufmerksamkeit ist also
• Auswahl relevanter Informationen zum Zwecke
effektiver Verarbeitung
• und damit gleichzeitig die Ausblendung irrelevanter
Informationen.
Es geht also um die Selektion von Informationen.
 selektive Aufmerksamkeit.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
3
3
Fragen der Aufmerksamkeitsforschung
• Wodurch wird bestimmt, worauf wir achten ?
• Welche Mechanismen erlauben eine
bevorzugte Verarbeitung beachteter Reize
(und Unterdrückung nicht beachteter Reize)?
• Worin unterscheidet sich die Verarbeitung
beachteter und nicht beachteter
Informationen?
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
4
4
Periphere Selektion
Hörschwellenkurve beim Menschen
dB (SPL)
70
Normales
Gespräch
50
30
10
10
00
50
00
10
00
0
50
0
10
0
20
-10
Frequenz (Hz)
Die größte Empfindlichkeit liegt im Frequenzbereich eines
normalen Gesprächs.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
5
5
Filtertheorien
S
Elementare
Sensorische
Merkmale
Objekte
Kategorien
Bedeutungen
Reaktionen
Verhalten
R
R
• serielle Informationsverarbeitung vom Reiz zur Reaktion.
• Irgendwo im Informationsverarbeitungsfluss sitzt ein Filter.
• Unbeschränkte Verarbeitung aller Informationen bis zum Filter
(unbegrenzte Verarbeitungskapazität).
• Am Filter werden Informationen anhand bestimmter Kriterien ausgewählt.
• Nach dem Filter werden nur wenige, ausgewählte Informationen
weiterverarbeitet (begrenzte Verarbeitungskapazität).
• Beachtung mehrerer Reize erfordert Hin- und Herschalten (multiplexing)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
6
6
Filtertheorien
Early Selection, (Broadbent, 1958)
S2
Elementare
Sensorische
Merkmale
Objekte
Kategorien
Bedeutungen
Reaktionen
Verhalten
R
„...a selective operation is performed upon the input to this channel, the operation
taking the form of selecting information from all sensory events having some feature
in common.“ (Broadbent, 1958, S. 297)
Late Selection (Deutsch & Deutsch, 1963)
Elementare
Sensorische
Merkmale
Objekte
Kategorien
Bedeutungen
Reaktionen
Verhalten
„...all sensory messages which impinge upon the organism are perceptually
analysed at the highest level.“ (Deutsch und Deutsch, 1963, S. 85)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
7
7
Filtertheorien
Wo liegt der Filter
early
Elementare
Sensorische
Merkmale
?
Objekte
Kategorien
Bedeutungen
late
Reaktionen
Verhalten
Untersuchungslogik:
• Präsentation mehrerer Informationen, von denen nur einige
verarbeitet werden sollen.
• Welche Merkmale nichtbeachteter Reize werden bemerkt?
• Die bemerkten Merkmale liegen offenbar vor dem Filter,
denn sie werden ja verarbeitet.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
8
8
Dichotisches Hören (Cherry,1953)
Simultane Darbietung unterschiedlicher Informationen auf
beiden Ohren (Ähnlichkeit mit Cocktailparty).
Zur Kontrolle der Instruktionsbefolgung: Nachsprechen der
zu beachtenden Informationen (shadowing).
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
9
9
Dichotisches Hören (Cherry,1953)
Welche Informationen werden im nichtbeachteten Ohr
wahrgenommen?
• Wechsel von einer männlichen zu einer weiblichen
Stimme oder zu einem Sinuston wird bemerkt.
• Wechsel der Sprache oder Rückwärtsspielen des
Bandes wird nicht bemerkt.
=> spricht für Selektion anhand früh verfügbarer
sensorischer Merkmale.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
10
10
Dichotisches Hören
Aber…
• eigener Name im abgewandten Ohr wird bemerkt
(breakthrough-Phänomen, Moray, 1954).
• Hautleitwertsveränderungen auf Worte einer
schockassoziierten Kategorie (z.B. Eiche, Tanne,
Fichte) bei Darbietung im abgewandten Ohr
(Generalisierung auf neue Exemplare ! z.B. Buche)
(Corteen & Wood, 1972).
• Beschattung einer bedeutungshaltigen Nachricht
trotz Wechsel der Ohrs entgegen der Instruktion.
(Treisman, 1960, nächste Folie)
=> spricht für Verarbeitung aller Reize bis auf höchste
Ebene (späte Selektion).
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
11
11
Dichotisches Hören
“Beschatte rechtes Ohr”.
Dennoch treten Wechsel
auf anderes Ohr auf, wenn
dort die Nachricht
semantisch sinnvoll
fortgesetzt wird. (Treisman,
1960).
Anderson (2001)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
12
12
Attenuationstheorie (Treisman, 1964)
Attenuation
Elementare
Sensorische
Merkmale
Objekte
Kategorien
Bedeutungen
Reaktionen
Verhalten
• unbeachtete Informationen werden nicht vollständig
eliminiert, sondern gedämpft (“mehr oder weniger”
anstatt “alles oder nichts”).
• semantische Verarbeitung unbeachteter Information
ist möglich, wenn auch schwierig.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
13
13
Filtertheorien
Zwischenfazit:
• Insgesamt ist die Befundlage zur Frage später vs. früher
Selektion uneinheitlich.
• Es gibt auch Befunde die durch keinen Ansatz leicht
erklärbar sind. Z.B. Die Verarbeitung einfacher
sensorischer Merkmale profitiert davon, dass
Aufmerksamkeit auf sie gerichtet wird, obwohl die
Verarbeitung dieser Merkmale nach allen Filtermodellen
aufmerksamkeitsunabhängig erfolgen sollte (Egeth,
1977, nächste Folie).
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
14
14
Egeth (1977)
Ist ein Reiz anders als die andern?
mixed size
mixed color
pure size
pure color
500
450
RT (ms)
Homogene Displays (z.B. immer Größe)
400
350
300
2
Heterogene Displays (Farbe / Größe im
Wechsel)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
4
6
8
display size
Die Verarbeitung einfacher
sensorischer Merkmale profitert
davon, dass Aufmerksamkeit auf
sie gerichtet wird, obwohl die
Verarbeitung solcher Merkmale
aufmerksakeitsunabhängig
erfolgen sollte.
15
15
Filtertheorien
• Filtertheorien liefern keine widerspruchfreie Erklärung der
vorliegenden Beobachtungen.
• Vielleicht ist die Konzeption einer seriellen, zunächst
sensorischen dann semantischen Analyse unangemessen.
• Sowohl Merkmale wie Größe als auch „Baumhaftigkeit“
beruhen letztlich alle auf der Verrechnung von
Rezeptorinformationen, die nicht strikt nacheinander,
sondern wenigstens teilweise parallel erfolgen kann.
• Damit wird die Unterteilung in frühe und späte Selektion
obsolet.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
16
16
Theorie zentraler Ressource
Es gibt keine Filter die nach frühen (sensorischen) oder
späten (semantischen) Merkmalen auswählen, sondern
eine begrenzte Allzweckressource die auf die
Verarbeitung unterschiedlicher Merkmale oder Aufgaben
flexibel verteilt werden kann.
Kahnemann (1973, p.9): Für das Erbringen einer Leistung ist neben dem
Vorliegen der passenden Reize zweitens erforderlich „… a nonspecific input,
which may be variously labeled effort, capacity, or attention. To explain
man´s limited ability to carry out multiple activities at the same time, a
capacity theory assumes that the total amount of attention which can be
deployed at any time is limited.”
Norman & Bobrow (1975, p 45): “Resources are always limited. If several
processes request a portion of the same available resource, this resource
must be allocated among them. The results that the processes produce
depend upon the nature of the data which they receive and the amount of
resources that have been allocated to them.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
17
17
Theorie zentraler Ressource
Arousal
Ressourcenkonzept
z.B. Kahneman, 1973
Variierende
Verarbeitungsressource
Dauerhafte
Dispositionen
Ressourcenverteilung
aktuelle
Intentionen
etc.
etc.
Cognit.
Form
Beweg.
Farbe
Motor.
Verarbeitungsmodule
Bewertung von
Kapazitätsanforderungen
Verhalten
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
18
18
Theorie zentraler Ressource
Nachweis begrenzter Ressource durch Doppelaufgaben
• Zwei gleichzeitig ausgeführte Aufgaben sollten sich
umso stärker behindern, je ressourcenabhängiger sie
sind.
• Diese gegenseitige Interferenz wird in sog.
Performance Operation Curves (POC) dargestellt.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
19
19
Theorie zentraler Ressource
Idealisierte Kurve, wenn
mindestens eine der
Aufgaben gar keine
Ressourcen beansprucht
(automatisch)
Müsseler & Prinz (2002, S. 156)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
20
20
Theorie zentraler Ressource
Wovon hängen Doppelaufgabenkosten ab?
• Aufgabenschwierigkeit (Aber: Problem der Zirkularität
Aufgaben die schwierig sind, interferieren mit anderen
Aufgaben. Aufgaben die mit anderen interferieren sind
schwierig).
• Übung. Z.B. Spelke, Hirst, Neisser (1976). Nach
viermonatigem Training (5 h pro Woche) können Vpn
gleichzeitig eine Geschichte lesen und nach Diktat
schreiben.
=> Exkurs: Automatische u. kontrollierte Verarbeitung
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
21
21
Exkurs: Automatische versus kontrollierte Verarbeitung
Automatische Prozesse
1. laufen rasch ab.
2. beanspruchen keine Ressourcen und interferieren daher
nicht mit anderen Aufgaben (siehe POC).
3. sind unvermeidbar, sobald ein passender Stimulus
vorliegt (siehe Stroop-Effekt).
4. sind nicht dem Bewusstsein zugänglich.
Kontrollierte Prozesse
1. laufen langsam ab
2. beanspruchen Ressourcen und inteferieren daher mit
anderen kontrollierten Prozessen (siehe POC).
3. sind beliebig steuerbar.
4. bewusst.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
22
22
Exkurs: Automatische versus kontrollierte Verarbeitung
Shiffrin und Schneider (1977)
• Vpn trainierten die Suche nach immer gleichen Zielbuchstaben (z.B. B u.
L) unter Distraktoren (z.B. Q u Z).
• Anfangs lamgsame Suche, die umso länger dauert je mehr Distraktoren
anwesend sind (serielle Suche).
• Nach 2100 Durchgängen Beschleunigung und Unabhängigkeit von
Distraktoranzahl (parallele Suche).
• Dann Vertauschung von Target und Distraktoren.
• Schlechtere Leistung als zu Beginn. Fast 1000 trials nötig um altes
Niveau zu erreichen.
• Automatisierung durch Übung. Das macht Probleme, wenn auf die Reize
nicht mehr automatisiert reagiert werden darf.
=> automatische Prozesse beanspruchen Ressourcen, wenn sie
unterdrückt werden müssen.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
23
23
Exkurs: Automatische versus kontrollierte Verarbeitung
Stroop-Effekt
blau
rot
grün
rot
gelb
blau
grün
rot
gelb
blau
John Ridley Stroop (1897-1973)
Wörter rufen die automatisierte Reaktion
”Lesen” hervor.
Unterdrückung dieser automatisierten
Reaktionstendenz kostet Zeit.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
24
24
Theorie zentraler Ressource
Wovon hängen Doppelaufgabenkosten ab?
• Aufgabenschwierigkeit (Aber: Problem der Zirkularität
Aufgaben die schwierig sind, interferieren mit anderen
Aufgaben. Aufgaben die mit anderen interferieren sind
schwierig).
• Übung. Z.B. Spelke, Hirst, Neisser (1976). Nach
viermonatigem Training (5 h pro Woche) können Vpn
gleichzeitig eine Geschichte lesen und nach Diktat
schreiben.
• Beschaffenheit der Aufgaben (nächste Folie)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
25
25
Segal & Fusella (1970)
Entdeckungssensitivität
(d‘) für visuelle oder
auditive Reize bei
gleichzeitiger visueller
oder auditiver
Vorstellungstätigkeit.
Hohe Interferenz bei
Überlappung der
Wahrnehmung- und
Vorstellungsmodalität
Abb. aus Eysenck & Keane (2000).
• Interferenz hängt ab von der Art der Aufgaben, nicht nur
von ihrer Schwierigkeit.
• Offenbar beanspruchen die Aufgaben nicht dieselbe
Ressource.
 Theorie multipler Ressourcen.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
26
26
Theorie multipler Ressourcen
• Es gibt nicht nur eine unspezifisch, sondern mehrere
spezifische Ressourcen, für unterschiedliche
Verarbeitungsmodule.
• Aufgaben interferieren nur, wenn sie dieselbe
Ressource beanspruchen (inhaltspezifische
Interferenz).
• Aufgaben interferieren nicht, wenn sie unterschiedliche
Ressourcen beanspruchen.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
27
27
Theorie multipler Ressourcen
Verschiedene Ressourcen
Multiple Ressourcen
Navon & Gopher, 1977
motorisch sensorisch
mental
etc...
etc.
etc.
Cognit.
Form
Beweg.
Farbe
Hände
Augen
etc.
Ressourcenverteilung
Verarbeitungsmodule
Verhalten
„...the human system is probably not a single-channel mechanism but rather a complicated
system with many units, channels, facilities. Each may have ist own capacity ... Each specific
capacity can be shared by several concurrent processes, thus it constitutes a distributable
resource. Different tasks may require those different types of resources in various
compositions (Navon & Gopher, 1977, S.233)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
28
28
Theorie multipler Ressourcen
Probleme multipler Ressourcen.
Zirkularität. Wenn zwei Aufgaben interferieren,
beanspruchen sie dieselbe Ressource. Wenn sie dieselbe
Ressource beanspruchen, interferieren sie.
Mangelnde Falsifizierbarkeit. Da die Natur und Anzahl der
Ressourcen nicht unabhängig vom Interferenzmuster
bestimmter Aufgaben bestimmt werden kann, ist die Theorie
nicht widerlegbar. Für jede neu auftretende Interferenz wird
ad hoc eine neue Ressource angenommen („MatroschkaPrinzip“).
Homunculus-Problem. Welche intelligente Instanz (eine
kleiner Homunculus im Kopf) verwaltet diese Menge
unterschiedlicher Ressourcen?
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
29
29
Selection-for-action
• Alan Allport (1987)
• Odmar Neumann (1987)
• Joachim Hoffmann (1993)
Historische Vorläufer
Joachim Hofmann
• Kurt Lewin (1923)
• Narziß Ach (1935)
• …..
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
Kurt Lewin
Narziß Ach
30
30
Selection-for-action
• Filter- und Ressourcenmodelle nehmen an, dass der
Organismus mit einer begrenzten Verarbeitungskapazität
auskommen muss.
• Aufmerksamkeit dient der Kompensation eines
Verarbeitungsdefizits.
• Selection-for-action Ansätze nehmen an, dass
Verarbeitungsengpässe nicht aus einer begrenzten
Verarbeitungskapazität entstehen, sondern aus den
Einschränkungen unserer Verhaltensmöglichkeiten.
• Aufmerksamkeit ist kein Defizit, sondern dient der
Sicherung des Verhaltenserfolges.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
31
31
Selection-for-action
• Der Organismus kann zu jeden Zeitpunkt nur wenige
Aktionen gleichzeitig ausführen (man kann sich nicht
gleichzeitig die Zähne putzen und die Haare kämmen).
• Aufmerksamkeit sorgt dafür, dass nur solche Reize
verarbeitet werden, die zur Realisierung einer konkreten
Handlung benötigt werden…
• ….und solche Reize ausgeblendet werden, die zur
Ausführung einer konkurrierenden Handlungen führen
könnten.
• Dadurch wird die Ausführung miteinander unvereinbarer
Handlungen („zwischen zwei Stühle setzen“) verhindert.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
32
32
Selection-for-action
Irrelevante Objekte dürfen keinen Einfluss auf
Greifbewegung erhalten.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
33
33
Selection-for-action
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
34
34
Selection-for-action
Handlungsrelevante Reize werden bevorzugt verarbeitet.
Lewin Aufforderungscharakter: „Man nimmt sich etwas
vor, einen Brief in den Postkasten zu werfen. Der
nächste Postkasten, an dem man vorübergeht, leuchtet
plötzlich auf und erinnert an die Handlung. Man wirft den
Brief hinein. Die weiteren Postkästen jedoch, an denen
man vorüberkommt, lassen einen völlig kalt.“ Lewin,
1928; S. 335).
Kurt Lewin
Achs´s Determination: „Von besonderer Bedeutung ist
weiterhin die Lenkung der Aufmerksamkeit durch die
determinative Wirkung, indem die Aufmerksamkeit
fortlaufend vor allem diejenigen Bewußtseinsinhalte in
der Beachtung hervortreten läßt, die für den Ablauf des
Vorganges, insbesondere für die Erreichung des Zieles
von Wichtigkeit sind.“ (Ach, 1935, S.148).
Narziß Ach
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
35
35
Selection-for-action
Handlunsgrelevante Reize werden bevorzugt verarbeitet.
Sie wirken selbst wenn dann, wenn sie nicht bewusst
wahnehmbar sind.
(nächste Folie)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
36
Selection-for-action
Prime: 34ms
ISI: 51ms
Target: 102ms
congruent
Rlinks
incongruent
Rlinks
neutral
Rlinks
Reagiere auf der Seite, auf der sich die Raute befindet.
(Das Target maskiert den Prime im Sinne eines Metakontrastes)
Neumann & Klotz (1994)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
37
Selection-for-action
Reaktionszeiten (ms)
460
450
440
430
420
410
400
390
380
1994
congruent
neutral
incongruent
Neumann & Klotz (1994)
d’ für Unterscheidung der primes =0 !, d.h. keine
bewußte Wahrnehmung der primes.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
38
Selection-for-action
Für handlungsirrelvante Reize ist man dagegen praktisch “blind”.
Inattentional Blindness
Mack & Rock 1997,1998
(parafoveale Reize)
Aufgabe: “ist die senkrechte Linie länger als die
waagerechte?”
Noncritical
trial
500 ms
200 ms
Critical trial
1.500 ms
20% der Pbn bemerken nicht den
kritischen Reiz
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
39
Selection-for-action
Inattentional Blindness
Mack & Rock 1997,1998
(foveale Reize)
Noncritical
trial
500 ms
200 ms
Critical
trial
1.500 ms
66% der Pbn bemerken nicht
den kritischen Reiz, obwohl
foveal dargeboten
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
40
Selection-for-action
Fazit: Selection-for-action
Aufmerksamkeit muss in ihrer Funktion für die
Verhaltenssteuerung verstanden werden.
So betrachtet ist Aufmerksamkeit kein “Notnagel” zur
Kompensation eines Verarbeitungsdefizits,….
…. sondern eine nützliche Einrichtung zur Sicherung
des Erfolgs intendierter Handlungen, und zur
Vermeidung der Ausführung unvereinbarer
Handlungen.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
41
7 Aufmerksamkeit 2
252
Vorlesung Allgemeine
Psychologie I
Aufmerksamkeit II
Visuelle Aufmerksamkeit
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
1
1
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
2
• Offene vs. verdeckte Aufmerksamkeit
• Messung von verdeckter Aufmerksamkeit: Cueing
Paradigma
• Aufmerksamkeit und (unilateraler) Neglekt
• Worauf richtet sich Aufmerksamkeit (Orte vs.
Objekte)
• Visuelle Suche
• Merkmalsintegrationstheorie
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
3
Augenbewegungen
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
4
4
Augenbewegungen
Yarbus (1967)
• “offene” (d.h. von außen beobachtbare)
Aufmerksamkeitszuwendung durch Augenbewegungen
daneben
• “verdeckte” (nicht direkt beobachtbare)
Aufmerksamkeitszuwendung ohne Augenbewegung...
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
5
5
• Offene vs. verdeckte Aufmerksamkeit
• Messung von verdeckter Aufmerksamkeit:
Cueing Paradigma
• Aufmerksamkeit und (unilateraler) Neglekt
• Worauf richtet sich Aufmerksamkeit (Orte vs.
Objekte)
• Visuelle Suche
• Merkmalsintegrationstheorie
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
6
Cueing-Paradigma
Posner, Nissen, & Ogden (1978)
Michael Posner
Target
*
*
*
*
*
*
*
Cue
Fixationspunkt
*
*
valide 80%
invalide 20%
neutral
Target am
angekündigten Ort
Target nicht am
angekündigten Ort
Cue nicht informativ
für Targetort
Augen stets unbewegt ! (verdeckte Aufmerksamkeitsausrichtung)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
7
7
Cueing-Paradigma
RT (ms)
Kosten
Nutzen
valide
neutral
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
invalide
8
8
Lichtkegelmetapher
Mentale Repräsentation
des Raumes
Posner, Snyder, & Davidson (1980, p.172): „Attention can be linked to a spotlight
that enhances the efficiency of detection of events within its beam“.
 Es wird ein zusammenhängender Bereich des Raumes beachtet
(= ortsbezogene Aufmerksamkeit).
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
9
9
zentrale vs. periphere cues
SOA
SOA
• Cuedarbietung am Fixationsort.
• Cuedarbietung peripher
• wirken nur wenn informativ für
Targetort.
• wirkt auch wenn nicht informativ
für Targetort.
• Aufmerksamkeitswechsel hat
lange Latenz (SOA >200 ms).
• Aufmerksamkeitswechsel hat
kurze Latenz (SOA ca.50 ms).
• lange Aktivierung (> 500 ms)
• kurze Aktivierung (< 200 ms).
• wird von Doppelaufgaben
beeinflusst.
• wird nicht von Doppelaufgaben
beeinflusst.
 endogene (willentliche)
Aufmerksamkeitsausrichtung
 exogene (reflexive)
Aufmerksamkeitsausrichtung
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
10
10
zentrale vs. periphere cues
10% 60% 10%
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
11
11
zentrale vs. periphere cues
SOA
SOA
• Cuedarbietung am Fixationsort.
• Cuedarbietung peripher
• wirken nur wenn informativ für
Targetort.
• wirkt auch wenn nicht informativ
für Targetort.
• Aufmerksamkeitswechsel hat
lange Latenz (SOA >200 ms).
• Aufmerksamkeitswechsel hat
kurze Latenz (SOA ca.50 ms).
• lange Aktivierung (> 500 ms)
• kurze Aktivierung (< 200 ms).
• wird von Doppelaufgaben
beeinflusst.
• wird nicht von Doppelaufgaben
beeinflusst.
 endogene (willentliche)
Aufmerksamkeitsausrichtung
 exogene (reflexive)
Aufmerksamkeitsausrichtung
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
12
12
• Offene vs. verdeckte Aufmerksamkeit
• Messung von verdeckter Aufmerksamkeit: Cueing
Paradigma
• Aufmerksamkeit und (unilateraler) Neglekt
• Worauf richtet sich Aufmerksamkeit (Orte vs.
Objekte)
• Visuelle Suche
• Merkmalsintegrationstheorie
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
13
Neglect
Neglect tritt meist nach Schädigung des rechten
Parietallapens auf. Symptomatik: Vernachlässigung von
Reizen im contraläsionalen (meist linken) Halbfeld.
Posner & Peterson (1990):
Neglect ist eine Störung der Steuerung räumlicher
Aufmerksamkeit.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
14
14
Neglect
“Kreuze die Linien an”
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
“Kopiere
Zeichnung”
15
15
Neglect
2 Monate
5 Monate
5 Monate
8 Monate
Anton Raderscheidt’s Selbstportraits im Laufe der
Erholung von einem Neglect.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
16
16
Neglect
Neglect tritt meist nach Schädigung des rechten
Parietallapens auf. Symptomatik: Vernachlässigung von
Reizen im contraläsionalen (meist linken) Halbfeld.
Posner & Peterson (1990):
Neglect ist eine Störung der Steuerung räumlicher
Aufmerksamkeit.
Annahme von drei Teilmechanismen der räumlichen
Aufmerksamkeitsorientierung:
disengage -> shift -> engage
Neglect ist eine Störung der Loslösung (disengage) der
Aufmerksamkeit aus dem gesunden ins vernachlässigte
Halbfeld.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
17
17
Neglect
Besonders verzögerte Reaktionen,
wenn ipsiläsionales (gesundes)
Halbfeld gecuet wurde, aber der Reiz
im contraläsionalen (vernachlässigten)
Halbfeld erscheint.
Deutet auf Problem der Loslösung der
Aufmerksamkeit von Reizen im
ispiläsionalen Halbfeld hin.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
18
18
• Offene vs. verdeckte Aufmerksamkeit
• Messung von verdeckter Aufmerksamkeit: Cueing
Paradigma
• Aufmerksamkeit und (unilateraler) Neglekt
• Worauf richtet sich Aufmerksamkeit (Orte vs.
Objekte)
• Visuelle Suche
• Merkmalsintegrationstheorie
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
19
Objektbezogene Aufmerksamkeit
• Annahme: Aufmerksamkeit wird nicht auf einen Ort im
Raum gerichtet, sondern auf ein Objekt.
• Zwischen ortbezogenen und objektbezogenen
Ansätzen zu trennen ist nicht einfach, denn ein Objekt
befindet sich immer auch an einem Ort im Raum.
• Eine Möglichkeit: Präsentation zu beachtender und zu
ignorierender Objekte am selben Ort.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
20
20
Objektbezogene Aufmerksamkeit
Duncan (1984)
P
(correct)
0.8
0.7
0.6
Ein
Objekt
Zwei
Objekte
Es sollten Merkmale eines Objektes berichtet werden (z.B. Neigung der
Linie (links o. rechts) und Struktur der Linie (gestrichelt o. punktiert)).
oder
Merkmale zweier Objekte, z.B. Struktur der Linie (gestrichelt o. punktiert)
und Seite der Öffnung des Kastens (links oder rechts).
Ergebnis: Bessere Leistung, wenn sich Urteile auf ein Objekt als auf zwei
Objekte beziehen, obwohl die Objekte am selben Ort sind.
Interpretation: Aufmerksamkeit richtet sich auf Objekte. Beeinträchtigung,
wenn Aufmerksamkeit auf zwei Objekte verteilt werden muss.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
21
21
• Offene vs. verdeckte Aufmerksamkeit
• Messung von verdeckter Aufmerksamkeit: Cueing
Paradigma
• Aufmerksamkeit und (unilateraler) Neglekt
• Worauf richtet sich Aufmerksamkeit (Orte vs.
Objekte)
• Visuelle Suche
• Merkmalsintegrationstheorie
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
22
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
23
Visuelle Suche
Aufgabenstellung. Es soll angegeben werden, ob ein vorher
vereinbarter Zielreiz (Target) neben einer Reihe von
Störreizen (Distraktoren) vorhanden ist (Target anwesend)
oder nicht (Target abwesend).
Wichtiger Kennwert: Anstieg der Suchzeiten in Abhängigkeit
von der Anzahl der dargebotenen Reize (Suchrate).
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
24
24
Visuelle Suche
Manche Suchaufgaben sind leicht.
Das Target (schwarzer Balken)
wird spontan entdeckt, unabhängig
von der Anzahl der Distraktoren
unter denen es „versteckt“ ist.
Die RTs steigen mit der Anzahl der
Distraktoren kaum an (hohe
Suchrate).
Das Target „sticht ins Auge“ (popout –Effekt).
 simultane (parallele)
Verarbeitung aller Reize.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
25
25
Visuelle Suche
Andere Suchaufgaben sind schwierig.
Targetentdeckung (schwarzer horizontaler
Balken) dauert umso länger, unter je mehr Reizen
das Target versteckt ist (geringe Suchrate).
Wenn kein Target vorhanden ist, müssen alle
Reize nacheinander durchmustert werden, um
sicher zu sein, dass das Target nicht übersehen
wurde.
Wenn ein Target vorhanden ist, muss man im
Schnitt etwa die Hälfte der Objekte durchsuchen,
um auf das Target zu stoßen.
Die Suche bricht ab, sobald das Target gefunden
wurde.
 serielle selbstabbrechende Suche.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
26
26
Visuelle Suche
Warum sind manche Suchaufgaben leicht (parallel)
und andere schwer (seriell)?
Merkmalssuche
Die Suche ist leicht, wenn das
Target von den Distraktoren
anhand eines elementaren
Merkmals (z.B. Farbe)
unterschieden werden kann.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
Konjunktionssuche
Die Suche ist schwer, wenn
das Target von den
Distraktoren nur durch die
Kombination von zwei
Merkmalen (Farbe und Form)
unterschieden werden kann.
27
27
• Offene vs. verdeckte Aufmerksamkeit
• Messung von verdeckter Aufmerksamkeit: Cueing
Paradigma
• Aufmerksamkeit und (unilateraler) Neglekt
• Worauf richtet sich Aufmerksamkeit (Orte vs.
Objekte)
• Visuelle Suche
• Merkmalsintegrationstheorie
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
28
Merkmalsintegrationtheorie
Objekte lassen sich als eine Kombination
elementarer Merkmale beschreiben
(Farbe, Form, Größe, Orientierung usw.).
Anne Treisman
Merkmale werden präattentiv (parallel) registriert. Daher kann
die Anwesenheit eines Merkmals (Merkmalssuche) parallel für
alle Objekte gleichzeitig geprüft werden.
Die Verknüpfung von Merkmalen erfordert Aufmerksamkeit, die
nur für ein Objekt zur Zeit zur Verfügung steht („Lichtkegel“).
Die Konjunktionssuche ist seriell, weil für die
Merkmalsverknüpfung jeder Reiz einzeln beachtet werden muss.
Aufmerksamkeit hat die Funktion eines „mentalen Klebstoffes“,
der Elementarmerkmale zu Objekten verknüpft.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
29
29
Merkmalsintegrationtheorie
Merkmalssuche
stored object repesentations
Response
Orientations
Motions
Colors
Locations
Shapes
Stimulus
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
Die Anwesenheit des Targets kann
bereits anhand der Aktivierung einer
Merkmalskarte festgestellt werden.
30
30
Merkmalsintegrationtheorie
Konjunktionssuche
stored object repesentations
Response
Orientations
Attention
Motions
Colors
Shapes
Locations
Stimulus
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
Die Anwesenheit des Targets kann nur
durch Verknüpfung von Merkmalen
festgestellt werden. Das erfordert
Aufmerkskamkeit.
31
31
Merkmalsintegrationtheorie
Illusionäre Verknüpfungen
Wenn zu wenig „Klebstoff“ zur Verfügung steht, sollte es zu
falschen Verknüpfungen kommen.
Treisman & Schmidt (1982). Zwei entfernte Ziffern sollen
beachtet werden (weiter Aufmerksamkeitsfokus). Dann
werden kurzzeitig zwei Reize dargeboten.
4
X
T
8
Gelegentliche Vertauschung von Farbe und Form (z.B.
rotes X und grünes T) => illusionäre Verknüpfungen.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
32
Merkmalsintegrationtheorie
Probleme der MIT:
• Empirisch ergibt sich keine Dichotomie zwischen
parallelen und seriellen Suchen, sondern ein Kontinuum
mehr oder wenig steiler Suchfunktionen.
• Manche Merkmalskombinationen (bestimmte Formen und
Farben) stechen ins Auge (Enns, 1990).
• Die Verarbeitung erfolgt in der ursprünglichen
Formulierung der Theorie (Treisman & Gelade, 1980)
ausschließlich bottom-up. Es gibt aber Belege für topdown Einflüsse auf die visuelle Suche. Zum Beispiel: Eine
Null (0) unter Buchstaben sticht ins Auge, ein „Oh“ (0)
unter Buchstaben tut es nicht (Jonides & Gleitman, 1982).
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
33
Merkmalsintegrationtheorie
Target
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
Distraktor
34
Merkmalsintegrationtheorie
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
35
Merkmalsintegrationtheorie
Target
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
Distraktor
36
Merkmalsintegrationtheorie
Target
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
Distraktor
37
Merkmalsintegrationtheorie
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
38
Merkmalsintegrationtheorie
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
39
Merkmalsintegrationtheorie
Probleme der MIT:
• Empirisch ergibt sich keine Dichotomie zwischen
parallelen und seriellen Suchen, sondern ein Kontinuum
mehr oder wenig steiler Suchfunktionen.
• Manche Merkmalskombinationen (bestimmte Formen und
Farben) stechen ins Auge (Enns, 1990).
• Die Verarbeitung erfolgt in der ursprünglichen
Formulierung der Theorie (Treisman & Gelade, 1980)
ausschließlich bottom-up. Es gibt aber Belege für topdown Einflüsse auf die visuelle Suche. Zum Beispiel: Eine
Null (0) unter Buchstaben sticht ins Auge, ein „Oh“ (0)
unter Buchstaben tut es nicht (Jonides & Gleitman, 1982).
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
40
Merkmalsintegrationtheorie
Alternative Theorien
• Guided Search
• Integration Competition Hypothese
• Theory of Visual Attention
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
41
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
42
Literatur:
Müller, H. & Krummenacher, J. (2008). Aufmerksamkeit. In
J. Müsseler. Allgemeine Psychologie. Berlin: Spektrum.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
43
8 Psychomotorik 1
296
Vorlesung Allgemeine
Psychologie I
Psychomotorik I
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
1
1
Zwei Prinzipien der Bewegungskontrolle
1. Regelung
2. Planung
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
2
Regelungsprinzip
Heizung
Thermostat
Ventil
Solltemperatur
Ist-Temperatur
Feedback
Handbewegung
Vergleich
„closed loop“
Zielort der
Hand
Ist-Ort der Hand
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
Muskeln
Feedback
3
3
Evidenz für Regelung mit Feedback
Spijkers & Spellerberg (1995): Vpn führen eine
Handbewegung zu einem Ziel aus. Bestimmte Teile des
Weges der Hand nach dem Start bzw. vor dem Ziel werden
blind ausgeführt (Shutterbrille).
Will Spijkers
Ausblenden visuellen feedbacks bei Handbewegungen
(Spijkers & Spellerberg, 1995)
Ziel
10%
90%
60%
40%
70%
30%
nach Start
90
Treffer %
Start
vor Ziel
70
50
30
0 10
30 40
60 70
90
visuell ausgeblendet %
Ausblenden von 30 % der
Stecke nach dem Start ist
weniger schädlich als
Ausblenden von 10% der
Wegstrecke vor dem Ziel
Feedback wichtiger bei
Annäherung ans Ziel als
bei Start der Bewegung.
Ausblenden sowohl vor dem Ziel (gelb) als auch nach dem Start (rot)
führt zur Reduktion der Trefferrate (vor Ziel stärker als nach Start).
Kognitive Psychologie: Verhaltensausführung
Abb. 6.10.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie
I
Copyright © 2004 by J.Hoffmann
4
Evidenz für Regelung mit Feedback
Woodworth (1899): Bewegungen zwischen Start- und
Zielpunkt mit unterschiedlicher Geschwindigkeit, mit und
ohne visuelles Feedback.
• kleinerer Bewegungsfehler mit
visuellem Feedback.
• Feedback spielt vor allem dann
eine Rolle wenn Bewegung
langsam ausgeführt wird.
Woodworth 2-Phasen Modell:
- Initiale Bewegungsphase: Vorspezifiziert (ohne feedback).
- Zielannäherung: Regelung (mit feedback).
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
5
Regelung mit Feedback
Mit Feedback besteht ein
Zusammenhang:
Je schneller die Bewegung,
umso ungenauer die
Ausführung. Dieser
Zusammenhang ist im
Fitts‘schen Gesetz genauer
spezifiziert (nächste Folie).
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
6
Regelung mit Feedback
Fitts Law:
 2* A 
MT  a  b * log 2 

 W 
MT: Movement Time
A: Amplitude der Bewegung
W: Breite der Zielflächen
a,b: empirische Konstanten
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
7
Regelung mit Feedback
 2* A 
MT  a  b * log 2 

 W 
Schwierigkeitsindex
Je kleiner das Ziel (je größer
die erforderliche
Genauigkeit), desto länger
die Bewegungsdauer.
Höhere Genauigkeit erfordert
höhere Bewegungsdauer
(geringere Geschwindigkeit).
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
8
Feedforward
Oft ist Feedbacksteuerung zu langsam. Dann kann die
Bewegung im Hinblick auf vorweggenommene (statt
tatsächlich wahrgenommene) Veränderungen angepasst
werden (feedforward).
Vergleich
Zielort der
Hand
Ist-Ort der Hand
Feedback
Muskeln
feedforward
vorhergesagte
Veränderungen
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
9
9
Feedforward
Feedforward beeinflußt Wahrnehmung
Reafferenz-Prinzip
Man kann sich selbst nicht kitzeln
Blakemoore, Wolpert & Frith (2000).
Vorhergesehene sensorische Veränderungen werden in
der Wahrnehmung gedämpft.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
10
2. Planung
11
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
11
Planung
mentale
Bewegungsvorläufer
Muskeln
12
Während bei der Feedbacksteuerung die Prozesse
bei der Bewegungsausführung im Mittelpunkt
stehen, geht es bei der Untersuchung der Planung
um die Prozesse vor Bewegungsbeginn.
Wie lassen sich die mentalen Bewegungsvorläufer
charakterisieren?
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
12
Motorische Programme (Keele, 1968)
Keele (1968) hat mentale Bewegungsvorläufer als
motorische Programme charakterisiert:
„a set of muscle commands that are structured before a
movement sequence begins, and that allows the entire
sequence to be carried out uninfluenced by peripheral
feedback“ (Keele, 1968, S. 387).
13
Merkmale motorischer Programme nach Keele (1968):
1. Muskelspezifisch
2. Vor Bewegungsbeginn spezifiziert
3. Erlauben Bewegungsausführung ohne feedback
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
13
Evidenz für motorische Programme
Unabhängigkeit von Rückmeldungen.
Personen ohne Körperempfindung können einfache geübte
Bewegungen ausführen (auch mit geschlossenen Augen)
Lashley (1917).
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
14
14
Evidenz für motorische Programme
Antizipationseffekte.
Bei der Ausführung einer Bewegung wird die Folgebewegung
schon berücksichtigt :
• Koartikulation (Lippenrundung bei „Tulpe“ vs. „Tasche“).
• Versprecher „queer old dean“ anstatt „dear old queen“.
Verwechslung mit späteren Phonemen setzt antizipatorische
Planung voraus.
• „end-state comfort“. Beim Greifen wird eine unbequeme
Anfangsstellung (Unterhandgriff) in Kauf genommen, wenn
damit eine bequeme Endhaltung (Daumen oben) erreicht
werden kann (Rosenbaum et al., 1992).
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
15
15
Evidenz für motorische Programme
End-state comfort Effekt (Rosenbaum et al., 1992)
schwarzes Ende
in Mulde
bequeme
Endhaltung
unbequeme Anfangshaltung
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
16
Evidenz für motorische Programme
Komplexitätseffekte
Je mehr Schritte zu planen sind, umso länger sollte die
Planung dauern.
Tatsächlich vergeht umso mehr Zeit zwischen einem
Startsignal und Beginn einer Bewegung, je komplexer die
Bewegung ist.
Zum Beispiel: Aussprechen des Wortes
„Dampfschiffahrtsgesellschaft“ beginnt nach einem
Startsignal später als Aussprechen des Wortes „Dampf“
(Klapp et al., 1974).
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
17
17
Kritik motorischer Programme á la Keele
Keine zwei Bewegungen sind völlig identisch.
Wenn motorische Programme muskelspezifisch wären (d.h.
wenn sie spezifizierten, welcher Muskel wann, wie aktiv
werden soll) dann müsste es für praktisch jede
Einzelbewegung ein eigenes Programm geben.
Bewegungen scheinen mehr oder weniger
effektorunabhängig repräsentiert zu sein.
Beispiel:
Relativ konstante Handschrift, unabhängig davon welche
Muskeln verwendet werden (ob z.B. mit Stift auf Blatt,
Kreide an Tafel, oder Fuß in den Sand geschrieben wird,
siehe nächste Folie).
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
18
18
Kritik motorischer Programme á la Keele
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
19
19
Motorische Schemata (Schmidt, 1975)
Motorische Schemata sind muskelunspezifische
Repräsentationen einer Bewegung.
Motorische Schemata enthalten keine Infos über absolute
Eigenschaften von Bewegungssegmenten (Richtung, Kraft,
Dauer, Geschwindigkeit), sondern über ihre relative
Beziehung zueinander.
Die absoluten Ausprägungen dieser Werte (wie Richtung
oder Effektor, siehe übernächste Folie) werden durch
situationsabhängige Parameter bestimmt.
Es existiert also ein unveränderliches Schema in das
veränderliche Werte (Parameter) eingefügt werden.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
20
20
Precuing-Methode
Wie untersucht man die Spezifizierung solcher Parameter ?
Precuing: Eine Bewegung sollte auf ein Startsignal schneller
intiierbar sein, je mehr Parameter bereits vor dem Signal
bekannt sind (jeDieweniger
Parameter(pre-cuing)
noch fehlen).
Vorinformationsmethode
nach Rosenbaum (1983)
SOA
Precue
Reaction time
Reaction
Signal
Specify
precued
values
Identify
reaction
signal
Specify
remaining
values
Response
Start
response
SOA: stimulus onset asynchrony
Kognitive Psychologie: Verhaltensausführung
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
Abb. 6.16. Copyright © 2004 by J.Hoffmann
21
21
Rosenbaum (1980)
Weite/nahe Zielbewegungen
mit der linken/rechten Hand nach vorne/hinten.
Ergebnis: Je mehr Vorinformation, desto schneller
Bewegungsbeginn unabhängig von Art der Vorinformation
(Hand, Weite, Richtung).
Pre-Cuing Daten nach Rosenbaum,1980
Pre-cuing von Zielbewegungen der rechten und linken Hand
Forward / Right / Near
Beispiele
Cue
Signal Values to be
specified
FRN
none
FR
N
F
RN
X
FRN
Start
Kognitive Psychologie: Verhaltensausführung
Abb. 6.17. Copyright © 2004 by J.Hoffmann
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
Reaction time (ms)
nach Rosenbaum, 1980
700
2
alternatives
1
600
8
4
500
400
300
200
None
E
D
A
ED
EA
DA
EDA
values to be specified
Der Einfluss der noch zu spezifierenden Bewegungsparameter, Seite
(A für arm), Distanz (E für extent) und Richtung (D für direction) auf die
Reaktionszeit.
Kognitive Psychologie: Verhaltensausführung
Abb. 6.18. Copyright © 2004 by J.Hoffmann
22
22
Ideo-Motorik
Bewegungen sind nicht als motorische Kommandos oder
Parameter repräsentiert, sondern in Form der
wahrnehmbaren Bewegungs-Effekte.
Man kann daher eine Bewegung nicht direkt aufrufen,
sondern nur indirekt durch die Vorstellung der Effekte dieser
Bewegung.
Diese Effekte aktivieren dann ihrerseits dasjenige
motorische Muster mit dem sie verknüpft sind.
Die Bewegungsplanung beginnt also mit dem angestrebten
Effekt der Bewegung (dem Ziel), und nicht mit der
Aktivierung von Muskeln (dem Weg).
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
23
23
Ideo-Motorik
„..Die Vorstellung des eine Handlungsreihe
beschließenden Zwecks veranlasst einen
glatteren und raschen Verlauf, als wenn
Etappenweise einzelne Mittel blos, die zu
dem letzten Erfolge führen, im Bewusstsein
vorbereitet werden.“
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
Oswald Külpe
(1862-1915)
24
24
Ideo-Motorik
”An anticipatory image then, of the sensorial
consequences of a movement ... is the only
psychic state which introspection lets us
discern as the forerunner of our voluntary
acts”.
(James, 1890; p.1111/1112).
William James
Lernen:
A
ktion
E
ffekt
Bewegungsplanung:
A
ktion
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
E
ffekt
25
25
Ideo-Motorik: Evidenz
Induktion: Die Wahrnehmung von sensorischen
Effekten setzt diejenigen Bewegungen in
Bereitschaft, die diese Effekte üblicherweise
erzeugen (z.B. spontane Imitation von
Körperbewegungen).
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
26
Ideo-Motorik: Evidenz
Greenwald (1970)
Ein visuell präsentierter Buchstabe kann besser
nachgeschrieben als nachgesprochen werden.
=> Ein gesehener Buchstabe entspricht mehr den visuellen
Effekten des Schreibens als den auditiven Effekten des
Sprechens.
Ein auditiv präsentierter Buchstabe kann besser
nachgesprochen, als nachgeschrieben werden.
=> Ein gehörter Buchstabe entspricht mehr den auditiven
Effekten des Sprechens als den visuellen Effekten des
Schreibens.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
27
Ideo-Motorik: Evidenz
Experimentelles Beispiel für Induktion: Haben Vpn die
Erfahrung gemacht, dass bestimmte Tasten hohe/tiefe Töne
erzeugen, drücken sie später beim Hören eines Tons die mit
ihm verknüpfte Tasten schneller/häufiger.
Lernen
♪
♪
Effekt
Test
♪ Stimulus
Aktion
Elsner & Hommel (2001)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
28
Ideo-Motorik: Evidenz
Bewegungen der Hände sind leichter kombinierbar, wenn mit ihnen gleiche
Effekte erzielt werden, unabhängig davon, ob dazu gleiche Muskeln (d.h.
gleiche motorische Kommandos) erforderlich sind oder nicht.
Asymmetrische Bewegung
600
reaction times (ms)
inkongruent Ziele
kongruente Ziele
Symmetrische Bewegung
550
500
goals
incongruent
congruent
450
400
asymmetrical symmetrical
movements
29
Kunde & Weigelt (2005)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
29
9 Psychomotorik 2
326
Vorlesung Allgemeine
Psychologie I
Psychomotorik II
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
1
1
Bewegungsfolgen
Bislang haben wir einfache Einzelbewegungen betrachtet
(einzelner Tastendruck, eine Greifbewegung, Aussprechen
eines Wortes usw.)
Oft müssen mehrere Bewegungen nacheinander
ausgeführt werden (z.B. Tippen eines Wortes, Aufnehmen
und Benutzen eines Gegenstandes, Aussprechen eines
Satzes).
Kann mehr als eine Bewegung vor Beginn einer
Bewegungsfolge geplant werden?
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
2
2
Evidenz für Planung von Bewegungsfolgen
Schnelle Produktion von Bewegungsfolgen
Teilbewegungen werden begonnen, bevor die vorangehende
Bewegung abgeschlossen ist (d.h. feedback der
vorangehenden Bewegung noch nicht vorliegt).
Beginn und Ende gefilmter Fingerbewegungen
beim Tippen (Hommel, 2002, S. 817).
Folgebewegungen (i) beginnt bereits vor der
Ausführung der vorangehenden Bewegungen (_ep)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
3
3
Evidenz für Planung von Bewegungsfolgen
Komplexitätseffekte
Start der Bewegungsfolge dauert umso länger, je mehr
Einzelelemente zu spezifizieren sind.
(Abb. aus Hommel, 2002, S. 819).
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
4
4
Evidenz für Planung von Bewegungsfolgen
Reihenfolgefehler
z.B. Versprecher (Spoonerisms).
„You hissed als my mystery lecture“ (anstatt „you missed
als my history lectures“) setzt voraus, dass später
folgendes Element (h) schon bei der Produktion des
vorangehenden Elements (m) bekannt ist.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
5
5
Reihenfolgeproblem
Wie wird bei Bewegungsfolgen die richtige Reihenfolge
der Einzelbewegungen eingehalten?
A) Lineare Verkettung
Wahrnehmung des einen
Schrittes aktiviert den
nächsten Schritt (James,
1890).
Probleme:
• zu langsam da Wahrnehmung des Feedback einer
Bewegung zu lange dauert.
• woher kommen Komplexitäts- und Antizipationseffekte,
wenn stets nur eine Element aktiv ist?
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
6
6
Reihenfolgeproblem
B) Parallele Aktivierung und Vorwärtshemmung
Zur Vorbereitung werden alle
Elemente gleichzeitig aktiviert.
Jedes Element hemmt alle
nachfolgenden Elemente, und nach
seiner Ausführung sich selbst.
Probleme:
• Dieselben Elemente können in unterschiedlicher
Reihenfolge benötigt werden (z.B. „ORT“ statt „ROT“).
Das erfordert eine separate Repräsentation eines
Phonems für jedes Wort in dem es vorkommen kann.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
7
7
Reihenfolgeproblem
C) Verknüpfung von Vorgänger und Nachfolger
WORT ist in Form von drei Paaren von
Einzelelementen gespeichert, die jeweils
Vorläufer und Nachfolger enthalten.
W
O
R
-
O
R
T
Diese Elemente können nur in einer
Reihenfolge so angeordnet werden, dass
der Nachfolger des einen Paares dem
Vorgänger eines anderen Paares
entspricht. Dadurch entsteht zwangsläufig
die richtige Reihenfolge (WORT)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
8
8
Reihenfolgeproblem
D) Hierarchische Anordnung der Elemente
Elemente sind nicht direkt verbunden,
sondern über Knoten.
Der Baum wird
1) von oben nach unten und
2) von links nach rechts
durchwandert (tree traversal).
Passieren eines Knotens kostet Zeit.
=> Je mehr Knoten zwischen zwei
Elementen liegen, desto größer die Zeit
die zwischen der Initiierung dieser
Elemente verstreicht (siehe nächste Folie).
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
9
9
Reihenfolgeproblem
D) Hierarchische Anordnung der Elemente
Tastensequenz:
M -> m-> M -> m-> I -> i -> I-> i
m i
I
David Rosenbaum
M
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
10
10
Reihenfolgeproblem
D) Hierarchische Anordnung der Elemente
Tastensequenz:
M -> m-> M -> m-> I -> i -> I-> i
m i
I
M
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
11
11
Motorisches Lernen: Quantitative Beschreibung
Beispiel: Zigarrenrollen
(Fitts & Posner, 1963)
Potenzgesetz des motorischen Lernens:
T= a/Pb
T: Ausführungszeit
P: Anzahl der Übungsdurchgänge
a, b: Empirische bestimmbare
Kontanten die von der
betrachteten Aufgabe abhängen
(a und b haben in der Praxis
positive Werte)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
12
12
Motorisches Lernen: Qualitative Beschreibung
Fitts (1964) Drei-Phasen-Modell des motorischen Lernens:
1. Kognitive Phase: Bewusste, verbale Repräsentation der
Bewegung. Fremd- und Selbstinstruktion besonders
wirksam.
2. Assoziative Phase: Einzelne Bewegungskomponenten
werden mit Erfolg und Misserfolg assoziiert und
entsprechend beibehalten oder modifiziert. Besonders
wichtig Feedback.
3. Automatische Phase: Keine bewusste Kontrolle mehr
erforderlich. Keine verbale Repräsentation der
Bewegung.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
13
13
Literatur:
Hommel, B. (2008). Planung und exekutive Kontrolle von
Handlungen. In J. Müsseler (Hrsg.). Lehrbuch Allgemeine
Psychologie. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
14
14
10 Lernen 1
341
Lernen I
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
1
Übersicht
Einführung und Definition
Klassisches Konditionieren
Operantes Konditionieren
Latentes Lernen
Implizites Lernen
Modellernen
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
2
2
Einführung
Das Überleben einer Spezies erfordert Anpassung
des Verhaltens an die Umwelt. Dies ist auf zwei
Wegen möglich.
• Evolution: Einflüsse aus der Umwelt selektieren
erfolgreiches, d.h. angepasstes Verhalten, und
dieses Verhalten wird von Generation zu
Generation weitergegeben.
• Lernen: Durch Lernen kann der Organismus sein
Verhalten direkt aufgrund von Erfahrungen an die
Umwelt anpassen.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
3
3
Definition
Lernen ist ein Prozess, der als Ergebnis von
Erfahrungen relativ langfristige Änderungen im
Verhaltenspotential erzeugt
(vgl. Anderson, J. R., 2000, Learning and Memory. An integrated approach
(2nd edition). New York: John Wiley)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
4
4
Definition
•
•
•
•
Prozess der Änderung (Ergebnis dieser
Änderung = Erinnerung/Gedächtnis)
Ergebnis von Erfahrung (bzw. individueller
Informationsverarbeitung) (vs. Reifung)
Relativ langfristige Änderungen (schließt
kurzfristige Änderungen aus, z.B. Ermüdung)
Verhaltenspotential („latentes“ Lernen zeigt
sich erst zu einer späteren Gelegenheit)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
5
5
Klassisches Konditionieren (bedingter Reflex)
Versuchsanordnung von Pavlov (1889) zur
Untersuchung des Speichelreflexes.
Ivan P. Pavlov
(1849-1936)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
6
Grundstruktur
Aus: Zimbardo & Gerrig (2004, S. 249)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
7
Grundstruktur
1. Vor dem Lernen:
(CS)
Orientierung
UCS
UCR
(CS)
Orientierung
Kontiguität
(raum-zeitliche Nähe)
UCS
UCR
3. Testphase:
(& Löschung)
CS
CR
2. Lernphase:
Copyright © 2001 by J.Hoffmann.
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8
Beispiele für UCR, UCS, CS
UCR
UCS
CS
Reflex
Speicheln
Futter
Ton
Speichelreflex
Picken
Körner
Licht
Pickreflex
Lidschlag
Luftstrom Ton
Flucht,
E-Schock Licht
Vermeidung
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Blinzelreflex
Vermeidungsreflex
9
Erwerb, Löschung, Spontanremission
Aus Zimbardo (2008)
Spontanremission: Auftreten der CR nach
vorangehender Löschung.
Deutet darauf hin, dass alte CS-CR Verbindung nicht
zerstört wurde, sondern lediglich durch neue Verbindung
(z.B. CS – keine Reaktion) zeitweilig gehemmt wurde.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
10
Generalisierung und Diskrimination
Aus Zimbardo (2008)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
11
Der kleine Albert – Entstehung von Phobien
•
•
•
•
Watson & Rayner, 1920
Weiße Ratte als neutraler Reiz (CS)
Plötzlicher Lärm (UCS)
Ängstliches Weinen (UCR)
• Nach einigen Kopplungen von CS + UCS fängt der kleine
Albert beim Anblick der Ratte an zu weinen (CV).
• Generalisierung auf Felltiere, Weihnachtsmann
• Lernmodell für Phobien
• http://www.youtube.com/watch?v=9hBfnXACsOI
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12
Preparedness
Es kann nicht jeder beliebige CS mit
jedem beliebigen UCS gekoppelt werden.
Es gibt angeborene Präferenzen.
Beispiel konditionierte
Geschmacksaversion (Garcia & Koelling
(1966).
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13
Konditionierte Geschmacksaversion
Testphase
Lernphase
Süßw
L&C
Unbekümmertes
Trinken
W
L&C
Bestrahlung
übelkeit
Trinkvermeidung
Süßw
Schock
Süßw
L&C
W
L&C
Trinkvermeidung
Süßw
Unbekümmertes
Trinken
Schock
L: Licht
C: Click
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Garcia & Koelling (1966)
14
Konditionierte Geschmacksaversion
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15
CS-UCS oder CS-CR Verbindungen?
CS-UCS Verbindung
(S-S Lernen)
UCS
CS
CS-UCR Verbindung
(S-R Lernen)
(U)CR
Einige Beobachtungen sprechen für S-S anstatt S-R-Lernen,
z.B.:
1. Sensorische Vorkonditionierung.
2. Entwertung.
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16
Sensorische Vorkonditionierung
Vor dem Konditionieren wird der neutrale CS mit einem
anderen CS gepaart.
Untersuchung von Rizley und Rescorla (1972)
- Licht (CS2) & Ton (CS1) (nur beobachten)
- CS1 + UCS (z.B. Stromschlag) -> CS1 löst CR aus.
- Test: CS2?
- CS2 löste CR aus!
CS2 wurde niemals mit UCS gepaart und kann daher nicht
direkt mit Reaktion assoziiert worden sein. Die Reaktion ist für
die Bildung einer S-S Assoziation nicht erforderlich.
Spricht für die S-S Hypothese und gegen die S-R Hypothese.
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17
Entwertung
Untersuchung von Holland und Rescorla (1975)
- Paarung Licht (CS) & Futter (UCS) bei hungrigen
Ratten (erhöhte Aktivität als CR)
- Test, wenn die Ratten satt waren
-> CS löste keine CR mehr aus
- Spricht gegen S-R Lernen (CS sollte CR immer
auslösen)
Ratten haben gelernt, dass CS den UCS ankündigt (S-S
Lernen)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
18
Formen der CS-UCS Kontiguität
Konditionierung effektiver
wenn CS dem UCS vorangeht
(verzögerte und
Spurenkonditionierung) als
wenn CS und UCS simultan
auftreten.
Rückwärtskonditionierung
wenig effektiv. Hinweis auf
Vorhersagefunktion des CS
für den UCS, die bei
Rückwärtskonditionierung
nicht gegeben ist.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
19
Kontiguität oder Kontingenz ?
Was ist für die Konditionierung eigentlich
entscheidend?
Robert Rescorla
Das raum-zeitlich Zusammentreffen von CS und UCS
(Kontiguität)
oder
Der Vorhersagewert des CS für den UCS
(Kontingenz)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
20
Kontiguität oder Kontingenz ?
In beiden Gruppen treten CS und UCS gleich
häufig gemeinsam auf (gleiche Kontiguität)
Lernen findet trotz gleicher Kontiguität
nur bei CS-UCS Kontingenz statt.
Aber nur in der Kontingenzgruppe sagt der CS
den UCS voraus. In der Zufallsgruppe tritt
UCS auch ohne CS auf und umgekehrt.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
21
Blockierung (nach Kamin, 1969).
Blockierung von CS2 ist
nicht allein durch fehlende
Kontiguität erklärbar, da
CS2 in beiden Gruppen
gleich häufig mit UCS
auftritt.
Aber auch nicht mit
Kontingenz, da CS2 den
UCS in beiden Gruppen
gleich gut vorhersagt.
Offenbar kommt es auf die
Vorhersageverbesserung
durch CS2 an.
Zimbardo & Gerrig (2004)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
22
Blockierung (nach Kamin, 1969).
Der CS2 liefert in der Experimentalgruppe keine
neue Information über das Auftreten von UCS.
Der UCS wird ja schon durch CS1 verlässlich
vorhergesagt.
Das heißt der UCS ist nach CS2 nicht mehr
überraschend.
Offenbar wird nicht mehr gelernt, wenn der UCS
bereits hochgradig mit einem anderen CS
verbunden ist.
Das ist der Grundgedanke eines sehr
einflussreichen Modells…
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
23
11 Lernen 2
365
Lernen II
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
1
1
Übersicht
Einführung und Definition
Klassisches Konditionieren
Operantes Konditionieren
Latentes Lernen
Implizites Lernen
Modellernen – sozial-kognitive Lerntheorie nach
Bandura
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
2
2
Rescorla-Wagner Modell
Klassisches Konditionieren besteht in der Bildung von
Assoziationen zwischen den Repräsentationen von CS und UCS
Die Fähigkeit des CS, die US-Repräsentation zu aktivieren und
damit die CR auszulösen, hängt von der Stärke der CS-UCS
Assoziation ab
Zuwachs an assoziativer Stärke (ΔV) in jedem Lerndurchgang:
ΔV = α (Vmax - V)
ΔV = Veränderung der Assoziationsstärke
V = momentane Stärke der CS-UCS Assoziation
α = Lernrate
Vmax = maximal mögliche Assoziationsstärke
Der Zuwachs der Assoziationsstärke durch eine weitere CS-UCS Paarung nimmt ab, je
mehr die Assoziationsstärke schon der maximalen Assoziationsstärke entspricht.
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3
Konditionierung und Extinction eines CS nach dem
R&W Modell (für α=0.2 und vmax=100)
α x (λ – V)
ΔV
UCS
V
9
0.2 x (0-83.22)
-16.44
-
66.58
1
0.2 x (100-0)
20
+
20
10
0.2 x (0-66.88)
-13.32
-
53.26
2
0.2 x (100-20)
16
+
36
11
0.2 x (0- 53.26)
-10.65
-
42.61
3
0.2 x (100-36)
12.8
+
48.8
12
0.2 x (0- 42.61)
-8.52
-
34.09
4
0.2 x (100-48.8)
10.24
+
59.04
13
0.2 x (0- 34.09)
-6.82
-
27.27
5
0.2 x (100-59.04)
8.19
+
67.23
14
0.2 x (0- 27.27)
-5.45
-
21.82
6
0.2 x (100-67.23)
6.55
+
73.78
15
0.2 x (0- 21.82)
-4.36
-
17.45
7
0.2 x (100-73.78)
5.24
+
79.02
16
0.2 x (0- 17.45)
-3.49
-
13.96
8
0.2 x (100-79.02)
4.19
+
83.22
17
0.2 x (0- 13.96)
-2.79
-
11.16
V
0
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
CS1
CS1+CS2
extinction
acquisition
0
5
9
Lernverlauf für ein CS1: wenn
alleiniger Prädiktor (vgl. Tab.)
und wenn stets noch ein
zweiter Prädiktor dargeboten
wird (CS1 + CS2).
14
trials
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
4
Rescorla-Wagner Modell
CS-US Paarungen
Am Anfang nimmt die Assoziatonsstärke mit
jeder CS-US Paarung stark zu.
Am Ende (nach vielen CS-US Paarungen) ist der
Zuwachs kleiner.
Blockierung entsteht, weil die Assoziationsstärke
bereits komplett an CS1 gebunden ist und nichts
mehr für CS2 zur Verfügung steht.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
5
Rescorla-Wagner Modell
Das Modell macht also folgende Annahmen bzw.
Vorhersagen:
• Lernen vollzieht sich am Anfang schnell, am Ende
langsam.
• Die verfügbare Assoziationsstärke ist begrenzt.
• Daher konkurrieren mehrere CS um Assoziationsstärke.
• Ist die gesamte Assoziationsstärke schon an einen CS
gebunden, kann ein neuer CS keine zusätzliche
Assoziation mit dem UCS aufbauen. Daher Blockierung.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
6
Übersicht
Einführung und Definition
Klassisches Konditionieren
Operantes Konditionieren
Latentes Lernen
Implizites Lernen
Modellernen – sozial-kognitive Lerntheorie nach
Bandura
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
7
7
Operantes (instrumentelles) Konditionieren
Beim klassischen Konditionieren wird respondentes
Verhalten untersucht, Verhalten also, dass eine Reaktion
(CR) auf einen Reiz (CS) darstellt.
Das kritische Ereignis (der US) tritt unabhängig davon auf,
ob das Individuum ein bestimmtes Verhalten zeigt oder nicht.
Beim operanten Konditionieren wird instrumentelles
Verhalten untersucht, Verhalten also, das bestimmte
Konsequenzen bewirkt.
Das kritische Ereignis (die Verhaltenskonsequenz) ist vom
Verhalten abhängig. Es tritt ohne das Verhalten nicht ein.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
8
8
Historische Anfänge. Thorndike Law of effect
Die Anfänge der Untersuchungen
zum instrumentellen Lernen liegen
bei den „puzzle-box“-Experimenten
Thorndikes
Edward L. Thorndike
(1874-1949)
Katzen entkommen dem
Käfig durch eine Art „trial
and-error“-Lernen
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
9
9
Historische Anfänge. Thorndike Law of effect
S
Lernphase:
R
V1
V2
Käfig
E
Kratzen der Gitterstäbe
Drücken
auf Türöffner
V3
Miauen
V4
Im Kreis drehen
Effekt
Öffnen der Tür
+ Futter
Testphase:
Käfig
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
V2
Drücken
auf Türöffner
10
10
Historische Anfänge. Thorndike Law of effect
“Of several responses made to the same situation those
which are accompanied or closely followed by satisfaction
to the animal will, other things being equal, be more firmly
connected with the situation, so that, when it recurs, they
will be more likely to recur” (Thorndike, 1911, p.24)
Thorndike versteht Verhalten also weiterhin als respondent.
Effekte führen lediglich zur Stärkung von S-R
Assoziationen.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
11
Operantes Konditionieren (Skinner)
Skinner hebt den instrumentellen Charakter des
Verhaltens hervor, also seine Funktion für der
Auftreten bestimmter Konsequenzen.
Burrhus F. Skinnner
(1904-1990)
Skinners (operationale) Definition:
Ein Verstärker ist eine Verhaltenskonsequenz
die die Auftretenswahrscheinlichkeit einer
Verhaltensweise erhöht.
Eine Bestrafung ist eine Konsequenz die die
Auftretenswahrscheinlichkeit einer
Verhaltensweise verringert.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
12
Skinner-Box
Beispiel:
Futter, als Konsequenz
eines Hebeldrucks, erhöht
die Auftretenswahrscheinlichkeit des Hebeldrückens.
(a) Licht
(b) Futtermagazin
(c) Hebel
(d) elektr. Rost
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
13
Das behavioristische Dogma
Erklärung ohne Rückgriff auf nicht beobachtbare Zustände !
Ein Verstärker ist eine Verhaltenskonsequenz die die
Auftretenswahrscheinlichkeit einer Verhaltensweise
verändert.
Achtung: Ob die Konsequenz für den Organismus
angenehm ist oder nicht, spielt für die Definition keine Rolle.
Wir könnten die Ratte auch nicht fragen wie sie diese oder
jene Konsequenz des Hebeldrucks empfindet.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
14
Positive/negative Verstärkung/Bestrafung
Reize die zu einer Erhöhung der
Auftretenswahrscheinlichkeit eines Verhaltens führen,
bezeichnet man als Verstärker.
Reize die zu einer Verringerung der
Auftretenswahrschinlichkeit eines Verhaltens führen
bezeichnet man als Bestrafung.
Die Veränderung der Auftretenswahrscheinlichkeit eines
Verhaltens durch Hinzufügen eines Reizes bezeichnet man
als positiv.
Die Veränderung der Auftretenswahrscheinlichkeit eines
Verhaltens durch Beseitigung eines Reizes bezeichnet man
als negativ.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
15
Positive/negative Verstärkung/Bestrafung
Hinzufügens
eines Reizes
Entfernen eines
Reizes
Erhöhung der
Auftretenswahrscheinlichkeit
Positive
Verstärkung
(Belohnung)
Negative
Verstärkung
Verringerung der
Auftretenswahrscheinlichkeit
Positive
Bestrafung
(Bestrafung I)
Negative
Bestrafung
(Bestrafung II)
Positive Verstärkung: Hebeldruck bewirkt Futter (Hebeldruckrate steigt).
Negative Verstärkung: Hebeldruck beseitigt Stromschlag (Hebeldruckrate
steigt).
Positive Bestrafung (Bestrafung I): Hebeldruck bewirkt Stromschlag
(Hebeldruckrate sinkt).
Negative Bestrafung (Bestrafung II): Hebeldruck beseitigt Futter
(Hebeldruckrate sinkt).
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
16
Primäre/sekundäre Verstärker
Verstärker die ohne vorangehende Erfahrung spontan
funktionieren, bezeichnet man als primäre Verstärker (Futter,
Süßigkeiten, Trinken).
Eine interessanter primärer Verstärker ist das Ausführen
bestimmter Verhaltensweisen, die spontan häufig gezeigt
werden. Z.B. Verstärkung des Vokabellernens (seltenere
Verhaltensweise) durch Spielen (häufigere Verhaltensweise).
Dies nennt man nach dem Entdecker Premack-Prinzip.
Verstärker die erst nach entsprechender Erfahrung wirken,
bezeichnet man als sekundäre Verstärker (Geld, Bonuspunkte,
Lob, etc.)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
17
Verstärkerpläne
Je nachdem wie das Zielverhalten bekräftigt wird, unterscheidet
man verschiedene Verstärkerpläne.
Kontinuierliche
Verstärkung
Intermittierende
Verstärkung
Jede Zielreaktion wird
verstärkt
Nicht jede Zielreaktion
wird verstärkt
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Quotenplan
Intervallplan
fix
Jede 5te
Reaktion
bekräftigt
Zeit zwischen
Bekräftigung exakt 30
Sekunden
variabel
20% der
Reaktionen
bekräftigt
Zeit im Mittel 30
Sekunden
18
Verstärkerpläne
Die Art des Verstärkerplans hat unterschiedliche
Konsequenzen für Erwerb des Verhaltens und Löschung
(bei Ausbleiben des Verstärkers).
Erwerb am schnellsten bei kontinuierlicher Verstärkung.
Dann allerdings auch die rascheste Löschung bei
Wegfall des Verstärkers.
Bei intermittierender Verstärkung geringere Lernrate aber
dafür langsamere Löschung.
Ideale Kombination zum Aufbau eines Zielverhaltens:
Anfänglich Kontinuierliche Verstärkung (rascher Erwerb)
dann intermittierende Verstärkung (Löschungsresistenz).
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
19
Diskriminationslernen
Bedingungsabhängige Verhaltensverstärkung
S+
R
Verstärkung
S-
R
¬Verstärkung
z.B. diskriminative Verstärkung des Pickens auf eine illuminierte
Reaktionstaste bei Tauben (nach Hanson, 1959)
grünes Licht (550 nm)
Picken
Körner
rotes Licht (590 nm)
Picken
¬Körner
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
20
Diskriminationslernen bei Tauben
Number of responses
500
400
300
200
S-
S+
100
0
500
520
540
560
580
600
Wavelength (nm)
Tauben lernen diskriminativ in der Situation zu picken, in der das
Picken verstärkt wurde.
Interessanterweise steigt die Reaktionsrate links von S+ noch
etwas an.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
21
S-R oder R-E Verbindungen?
S
Käfig
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
R
Drücken
auf Türöffner
E
Futter
22
22
R-E Assoziationen beim operanten Konditionieren
Versuchsanordnung von Colwill & Rescorla, 1985
Lernen:
Käfig
Zerren
Futterkugeln
Käfig
Tasten
Zuckerlösung
Entwertung der Futterkugeln durch Injektion von
mildem Gift nach freiem Fressen
Test:
Käfig
Zerren
Futterkugeln
Tasten
Zuckerlösung
Copyright © 2001 by J.Hoffmann.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
23
S-R oder R-E Verbindungen?
S
Käfig
R
Drücken
auf Türöffner
E
Futter
• R-E Assoziation: Reaktion (Verhalten) erfolgt um ein
bestimmtes Ziel herzustellen.
• Situation (S) zeigt an, dass das Verhalten nun
erfolgreich sein kann / dass das Ziel in dieser
Situation erreichbar ist.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
24
24
Shaping
Einige weitere Phänomene:
Shaping.
Stufenweise Annäherung an ein Verhalten das der
Organismus natürlicherweise nicht zeigt. Zunächst wird
jedes Verhalten verstärkt das dem Zielverhalten ähnelt,
wobei die Ähnlichkeit zum Zielverhalten immer weiter
steigen muss.
Beispiel: Hund soll Salto erlernen. Anfänglich wird jedes
Hüpfen verstärkt. Dann nur noch Hüpfen mit Wendung
des Kopfes nach hinten, dann nur ganze Drehungen etc.
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
25
Auto-Shaping
Brown & Jenkins (1968)
In zufälligen Intervallen wird eine Taste beleuchtet,
und unabhängig davon ob die Taste gedrückt wird
oder nicht, Futter angeboten.
Tauben beginnen Taste zu picken, obwohl die
Futtergabe unabhängig von ihrem Verhalten auftritt.
Es sieht so aus, als „glaubten“ die Tauben, dass
Tastenpicken zu Futter führt („abergläubisches
Verhalten“).
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
26
12 Lernen 3
392
Lernen III
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
1
1
Übersicht
Einführung und Definition
Klassisches Konditionieren
Operantes Konditionieren
Latentes Lernen
Implizites Lernen
Modellernen – sozial-kognitive Lerntheorie nach
Bandura
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
2
2
Latentes Lernen
Klassisches (a) und operantes (b) Konditionieren
suggerieren, dass sich Lernen immer unmittelbar im
Verhalten niederschlägt.
a) Erhöhung der Auftretenswahrscheinlichkeit der
CR als Funktion wiederholter CS-US Koppelung.
b) Erhöhung der Auftretenswahrscheinlichkeit
eines Zielverhaltens als Funktion der
Verstärkung.
Aber es gibt auch Situationen in den der Organismus
lernt, ohne dass sich Lernen unmittelbar im Verhalten
niederschlägt…
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
3
Latentes Lernen
Beispiel:
Tolman & Honzik (1930)
Ratten dürfen das Labyrinth zunächst ohne
Verstärkung explorieren.
Dann werden sie für das Erreichen der Futterbox
verstärkt.
Nach Einbau von Barrieren (A oder B) laufen die
Ratten spontan den kürzesten (bzw. einzig
möglichen) Weg, obwohl sie für dieses Verhalten
vorher nie verstärkt worden sind.
Gerrig & Zimbardo (2008)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
4
Latentes Lernen
Seward (1949)
A
B
Start
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
Nachdem Ratten an zwei Tagen das TLabyrinth ohne jede Verstärkung explorieren
konnten, werden sie hungrig in einer der
beiden Boxen A/B für etwa 1 Minute gefüttert
und dann an den Start gesetzt: 28 von 32
Ratten gehen direkt zur „Futterbox“. Ohne
Exploration entscheiden sich nur 27 von 55
Ratten und bei nicht-unterscheidbaren
Boxen nur 26 von 48 Ratten unmittelbar
richtig.
5
Latentes Lernen
Offenbar haben die Ratten bereits in der
Explorationsphase so etwas wie eine „mentale
Landkarte“ erworben.
Das latente Lernen ohne Verstärkung, zeigt sich aber
erst bei Verfügbarkeit einer Verstärkung (Futter).
Man kann also trennen zwischen Lernen (ein nicht
immer im Verhalten sichtbarer Prozess) und
Performanz (Äußerung des Erlernten im Verhalten).
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6
Implizites Lernen
Ratten, Tauben etc. können wir nicht fragen, ob sie sich über
die Struktur der Umwelt in einem Lernexperiment bewusst
sind. Ihr Lernen drückt sich irgendwann im Verhalten aus.
Menschen können oft verbal über die Inhalte ihres Lernens
berichten.
Es gibt aber auch Situationen in denen Menschen etwas
über ihre Umwelt erlernen, ohne darüber berichten zu
können.
Solche Situation werden als implizites Lernen bezeichnet:
Strukturen einer komplexen Reizumgebung werden gelernt,
ohne dass dies beabsichtigt wird, und ohne dass das
resultierende Wissen verbalisierbar wird (Dienes & Berry, 1997)
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
7
Merkmale Impliziten Lernens
1. Beiläufig (inzidentell)
2. Lernprozess (bzw. Ergebnis) unbewusst
3. Unabhängig von Aufmerksamkeitsfaktoren
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
8
Implizites Lernen. Beispiele
Axel Cleeremans
2
_
_
_
In
_ _
* _
5
4
Out
6
1
1
2
1
2
3
4
5
3
5
5
4
2
6
Pbn reagieren auf den Ort eines ´dots´ mit räumlich kompatiblen Tasten. Die
Reihenfolge der Reize/Reaktionen wird durch eine ´finite state grammar´
bestimmt, die grammatische Folgen wie 52546413 oder 125413 „erzeugt“.
(Cleeremans & McClelland, 1991).
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9
Implizites Lernen. Beispiele
Axel Cleeremans
mean RT
600
ungrammatical
grammatical
550
500
450
400
1
5
9
13
17
20 Sitzungen (2/Tag) mit 20
Blöcken je 155 Trials (62.000
Trials). In 15% der Trials wird
die grammatikalische Position
durch eine zufällige Position
ersetzt.
RTs für grammatikalische
Positionen sinken schneller mit
Übung als agrammatische
Positionen, d.h. Vpn lernen die
sequentielle Struktur.
session
(Cleeremans & McClelland, 1991).
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10
Übersicht
Einführung und Definition
Klassisches Konditionieren
Operantes Konditionieren
Latentes Lernen
Implizites Lernen
Modellernen – sozial-kognitive Lerntheorie nach
Bandura
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11
11
Modellernen
Automatische Imitation
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12
12
Modellernen
Automatische Imitation
Gelerntes Imitationsverhalten
http://www.youtube.com/watch?v=zerCK0lRjp8
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13
13
Modellernen, z.B. Bandura (1965)
Film in dem ein Erwachsener eine lebensgroße
Puppe attackiert (boxt, schlägt, beschimpft).
UV1: Variation des Filmendes
• Erwachsene wird belohnt.
• Erwachsene wird bestraft.
• Verhalten hat keine Konsequenz (Kontrolle).
UV2: unmittelbare Imitation (Phase 1) vs. Imitationsverhalten
wird belohnt (Phase 2)
AV: wie oft zeigt Kind aggressives Verhalten der Puppe
gegenüber
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14
14
Modellernen, z.B. Bandura (1965)
Jungen
Mädchen
4
mittlere Anzahl der
Imitationshandlungen
mittlere Anzahl der
Imitationshandlungen
4
3
2
1
0
3
Kontrolle
2
Modell belohnt
Kontrolle
Modell bestraft
Modell bestraft
Modell belohnt
1
0
Phase 1
Phase 2
Phase 1
Phase 2
Kinder ahmen aggressives Verhalten seltener nach, wenn das Modell
dafür bestraft wird. Aber sie lernen das Verhalten, denn sie können es
durchführen, wenn sie dafür belohnt werden.
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15
15
sozial-kognitive Lerntheorie nach Bandura
4 Faktoren determinieren, ob das Verhalten einer anderen
Person imitiert wird:
1. Aufmerksamkeit – Vh muss enkodiert werden;
Auffälligkeit, Komplexität, Neuigkeit
2. Gedächtnis – Reproduktion eines abstrakten,
instrumentellen Handlungsplans
3. Motorische Reproduktionsfähigkeit
4. Motivation - Verstärkung
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16
16
Problematisches Imitationsverhalten
Werther-Effekt
Nachahmung von Suizid durch Medienberichte induziert,
z.B. Robert Enke (gest. 10.11.2009)
Aus Hegerl, et al., 2013
Prof. Dr. Wilfried Kunde. Allgemeine Psychologie I
17
17
Literatur:
Koch, I.(2008). Konditionieren und implizites Lernen. In J.
Müsseler. Allgemeine Psychologie. Berlin: Spektrum.
Kiesel, A. & Koch, I. (2012). Lernen. Grundlagen der
Lernpsychologie. Wiesbaden: VS Verlag.
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13 Gedächtnis 1
411
Gedächtnis I
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1
1
Vorbemerkung
Unter Lernen wird in der Psychologie traditionell das
Lernen von Verhalten verstanden.
Unter Gedächtnis werden dagegen die mentalen
Prozesse und Repräsentationen verstanden, die dem
Lernen zugrunde liegen.
Dies sind Prozesse der
- der Enkodierung
- der Speicherung
- des Abrufs
von Informationen.
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2
2
Gedächtnisformen
Im Allgemeinen werden je nach Speicherdauer,
Speicherkapazität und Repräsentationsformat
verschiedene Formen des Gedächtnis unterschieden. Die
klassische Unterscheidung ist das sogenannte „modale“
Modell von Atkinson & Shiffrin (1968).
aus Goschke (1997)
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Ultrakurzzeitgedächtnis (sensorischer Speicher)
Speicherformat
Information werden anschaulich, modalitätsspezifisch
(visuell, auditiv etc.) gespeichert.
Speicherdauer
Wenige Momente (etwa 500 Millisekunden)
Speicherkapazität
Große (unbegrenzte?) Speicherkapazität.
Es werden also anschaulich, für sehr kurze Zeit, große
Informationsmengen gespeichert.
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Ultrakurzzeitgedächtnis
Entdeckung durch Sperling (1960)
George Sperling
50 ms
Aus Müsseler (2008)
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Ultrakurzzeitgedächtnis
George Sperling
Soll die gesamte Matrix wiedergeben werden (whole report), schaffen die
Vpn nur ca. 50% der Buchstaben richtig zu reproduzieren.
Muss nur ein Teil der Buchstabenmatrix wiedergegeben werden (partial
report, z.B. erste Zeile) ist die Wiedergabeleistung dagegen wesentlich
besser.
Der Teilberichtsvorteil verschwindet, wenn der zu berichtende Teil der
Matrix mehr als 250 msec nach Verschwinden der Matrix bekannt wird.
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Ultrakurzzeitgedächtnis
Erklärung des Befundmusters:
George Sperling
Im ikonischen Speicher (visuelles UKZG) ist mehr Information enthalten als
wiedergegeben werden kann.
Allerdings verfällt die Information sehr rasch.
Wenn schnell klar ist, was aus dem ikonischen Speicher ausgelesen
werden soll, geht das für diese Teilmenge sehr gut. Daher der
Teilberichtsvorteil.
Wenn zu viel Zeit verstreicht, geht die Information verloren und kann nicht
mehr reproduziert werden. Daher die Angleichung von Teil- und
Ganzbericht mit langen Intervallen zwischen Matrix und Hinweisreiz.
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Ultrakurzzeitgedächtnis
Offenbar gelangen nur beachtete Informationen vom
sensorischen Speicher in das Kurzzeitgedächtnis (und
können dann verbal berichtet werden).
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Kurzzeitgedächtnis
Speicherformat
Information scheint bevorzugt phonologisch
gespeichert zu werden (wenn das Material es zulässt.
Jedoch ist auch bildhafte oder semantische Kodierung
möglich).
Speicherdauer
ca. 2 Sekunden.
Speicherkapazität
Geringe Speicherkapazität (etwa so viel wie in 2
Sekunden gesprochen werden kann).
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Kurzzeitgedächtnis. Kapazitätslimitierung.
Das augenfälligste Merkmal der kurzfristigen Speicherung
von Informationen ist die Kapazitätslimitierung.
Dies wird besonders deutlich beim unmittelbaren seriellen
Reproduzieren, z.B. von Zahlen (digit span)
726098-
726098
85452130861-
85452130861
Es können etwa 7± 2 beziehungslose Informationseinheiten unmittelbar
behalten werden (Miller, G.A. 1956: „The magical number seven, plus
or minus two: some limits on our capacity for processing information.
Psychological Review, 63,81-97). Danach scheint das KZG eine
Speicherkapazität von 5 bis 9 „Informationseinheiten“ zu haben. Durch
eine Vergrößerung der Einheiten, kann die Behaltensleistung erheblich
verbessert werden.
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Kurzzeitgedächtnis. Chunking.
85452130861-
(8.5.45) (2) (13.08.61)
chunks
(Kapitulation) 2 (Mauerbau)
Durch eine Zusammenfassung von elementaren zu
größeren Einheiten (chunks) kann die Behaltensleistung
erheblich verbessert werden.
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Kurzzeitgedächtnis. Phonologische Kodierung.
Ein Hinweis auf die phonologische Speicherung im KZG ist
der Wortlängen-Effekt.
Es kann eine größere Menge einsilbiger Worte (tip) anstatt
z.B. fünfsilbiger Worte (university) unmittelbar reproduziert
werden (Baddeley, Thompson, & Buchanan, 1975).
Es werden in etwa so viele Wörter
reproduziert, wie in 2 Sek.
ausgesprochen werden können.
Es können z.B. 2.25 einsilbige Wörter pro Sekunde
gesprochen werden. In 2 Sekunden also 4,5 Wörter. Das
entspricht genau der Gedächtnisspanne für einsilbige Wörter.
Es können 1.25 fünfsilbige Wörter/Sek. ausgesprochen
werden, also in 2 Sekunden etwa 2,5 Wörter, was wieder
genau der Gedächtnisspanne für fünfsilbige Wörter
entspricht.
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Kurzzeitgedächtnis. Suche im KZG.
Wie lange dauert es, das Kurzzeitgedächtnis zu
durchsuchen? => Sternberg (1969) „Memory scanning“
Saul Sternberg
Vpn werden zwischen 1 und 6
Ziffern zum memorieren
dargeboten (z.B. 365).
Anschließend wird je eine Ziffer
präsentiert, und es soll so schnell
wie möglich entschieden werden,
ob diese Ziffer (z.B. 2) im memory
set enthalten war (positiv) oder
nicht (negativ).
Ergebnis: Mit jeder zusätzlichen zu
merkenden Ziffer steigt die
Suchzeit um etwa 38 ms an.
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Kurzzeitgedächtnis. Suche im KZG.
Wie lange dauert es, das Kurzzeitgedächtnis zu
durchsuchen? => Sternberg (1969) „Memory scanning“
Saul Sternberg
Im Unterschied zu Ergebnissen zur visuellen Suche Gleicher Anstieg der Suchzeit für ja und nein Antworten
=> serielle, exhaustive Suche
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Wiederholung/Rehearsal im KZG.
Wiederholung (internes Rehearsal) bewirkt, dass
Information im KZG erhalten bleibt.
TJ M
Z
B
L
275
Wird Wiederholung
verhindert , z.B. durch
Rückwärtszählen in
Dreierschritten, sinkt
die Behaltensleistung
nach wenigen
Sekunden. Peterson &
Peterson (1959)
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Vom Kurzzeitgedächtnis zum Arbeitsgedächtnis
Modernere Theorien versuchen stärker die Funktion des
Kurzzeitgedächtnis für die menschliche
Informationsverarbeitung zu beschreiben.
Wir speichern ja z.B. zwei Zahlen meist nicht einfach so,
sondern um mit Ihnen eine mentale Operation auszuführen,
z.B. sie zu addieren.
Allgemein werden Informationen kurzzeitig gespeichert, damit
wir mit Ihnen mental „arbeiten“ können.
Dies hat zur Formulierung von Theorien des sog.
„Arbeitsgedächtnis“ geführt….
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Arbeitsgedächtnis
Arbeitsgedächtnismodell nach Baddeley (1986)
Alan D. Baddeley
Ein „zentraler Operator“ steuert einzelne Schritte kognitiver Prozesse (z.B.
Kopfrechnen, logisches Denken, Suche im Gedächtnis).
Zwei „Sklavensysteme“ die Informationen für kognitive Operationen bereit
halten.
-
Phonologische Schleife: entspricht dem KZG wie wir es bisher
besprochen hatten
-
Visuell-räumlicher Skizzenblock: Kurzzeitspeicher für visuellräumliche Informationen.
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Arbeitsgedächtnis
Warum zwei verschiedene Kurzzeitspeicher,
einen für verbales einen für visuell-räumliches
Material?
Alan D. Baddeley
Weil die Speicherung verbaler und visuell-räumlicher Informationen durch
je andere Zweitaufgaben gestört werden können.
Aufgaben, die die kurzzeitige Speicherung verbaler Informationen stören
(z.B. artikulatorische Unterdrückung) beeinträchtigen nicht die Speicherung
visuell-räumlicher Informationen.
Aufgaben, die die kurzzeitige Speicherung visuell-räumlicher Informationen
stören (z.B. Nachverfolgung eines Pendels mit einem Laser-Pointer)
beeinträchtigen nicht die Speicherung verbaler Informationen.
=> Doppelte Dissoziation
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Arbeitsgedächtnis
Doppelte Dissoziation
Alan D. Baddeley
Gedächtnisaufgabe
Digit span
Kurzfristiges Behalten
sprachlicher Informationen
Kurzfristiges Behalten
räumlicher Informationen
Sekundäraufgabe
Artikulatorische Unterdrückung („bla bla
bla bla….“)
Sprachliche Zweitaufgabe
Räumliche Zweitaufgabe
Tracking
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Arbeitsgedächtnis – neue Konzeption
Nelson Cowan
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14 Gedächtnis 2
432
Gedächtnis II
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1
Langzeitgedächtnis. Enkodierung.
Informationen die ausreichend im KZG wiederholt und
elaboriert wurden, werden ins Langzeitgedächtnis transferiert.
„Levels of
processing“
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Langzeitgedächtnis. Elaboration.
Wichtiger als das bloße Wiederholen ist die „Tiefe der Verarbeitung“
(„level of Processing“, Craik & Lockhart, 1972).
Craik & Tulving (1975). Drei Gruppen von Vpn bekommen identische
Wortlisten, sollen aber die Worte unterschiedlich „tief“ verarbeiten:
Case: Ist das Wort groß oder klein geschrieben?
Rhyme: Finde ein Wort das sich auf das Wort reimt?
Sentence: Bilde einen sinnvollen Satz mit dem Wort.
Je tiefer die Verarbeitung
um so besser die
Erinnerungsleistung.
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Langzeitgedächtnis. Speicherung.
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Langzeitgedächtnis
Speicherformat
Für das Langzeitgedächtnis werden verschiedene
Arten der Speicherung angenommen, z.B.
semantisch, episodisch, prozedural.
Speicherdauer
unbegrenzt (allerdings nicht immer abrufbar).
Speicherkapazität
unbegrenzt (allerdings nicht immer abrufbar).
Informationen werden in großen Mengen für lange Zeit
gespeichert.
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LZG. Klassifikation von Gedächtnisprozessen.
LZG
Explizit
deklarativ
Abruf bewusst
Semantisch
Faktenwissen
Episodisch
Ereigniswissen
Implitzit
prozedural
Abruf nicht bewusst
Fertigkeiten/
Gewohnheiten
Konditionierung
klassisch/operant
Priming
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Langzeitgedächtnis. Informationsarten im LZG
Semantische Gedächtnisinhalte:
Informationen die losgelöst sind von ihrem
spezifischen Erwerbskontext.
Beispiel: Kenntnis der Hauptstadt Frankreichs. Der
spezifische Erwerbskontext (wann und wo Sie das
gelernt haben?) ist nicht mehr verfügbar.
Episodisches Gedächtnisinhalte:
Spezifische raum-zeitliche Ereignisse.
Beispiel: Der Weg zur heutigen Vorlesung.
Prozedurale Gedächtnisinhalte:
Fertigkeiten und Regelwissen. Schwer verbalisierbar.
Beispiel: Radfahren, Musikinstrument spielen,
Sequenzlernen (vgl. Vorlesung zum impliziten Lernen)
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Repräsentation semantischen Wissens
• Speicherung in hierarchischen Netzwerken
• Propositionale Repräsentation
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Hierarchische Netzwerke
Collins & Quillian, 1969
lebt
Tier
Vogel
frisst
fliegt
Schnabel
Federn
singt
Meise
grün-blau
Strauß
Flossen
schwimmt
Fisch
Schuppen
groß
fliegt nicht
essbar
Lachs
schwimmt
stromaufwärts
Evidenz:
• Vpn sollen Aussagen hinsichtlich Korrektheit klassifizieren, z.B. "Ein
Lachs ist essbar" (richtig).
• RT für Verifikation steigt mit der Anzahl der durchlaufenden Knoten an.
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9
Begriffe sind hierarchisch organisiert
übergeordnete
Begriffe
Tier
Rosch et al., 1976
Vogel
Meise
Basisbegriffe
Fisch
Strauß
Lachs
untergeordente
Begriffe
Evidenz für Sonderstellung der Basisbegriffe:
• Objekte werden spontan mit ihrem Basisbegriff benannt.
• Kinder erwerben zuerst Basisbegriffe (Hund) und erst später übergeordnete
(Tier) bzw. untergeordnete Begriffe (Dalmatiner).
• Basisniveau ist der höchstmögliche Abstraktionsgrad auf dem noch ein
gemeinsamer motorischer Umgang mit den Kategoriemitgliedern möglich ist
(z.B. Stuhl -> hinsetzen).
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10
Propositionale Repräsentation
• Eine Proposition ist die kleinste Wissenseinheit die eine
selbstständige Aussage bildet, und daher als wahr oder
falsch beurteilt werden kann.
• Propositionen sind sprachübergreifende Beschreibungen der
Bedeutung eines Sachverhalts.
• Propositionen bestehen aus Argumenten und Relationen
(Prädikaten).
z.B. „Das Buch liegt auf dem Tisch“ lässt sich darstellen als
auf (Buch, Tisch)
Allgemein:
Relation (Argument1, Argument2, Argument3...)
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11
Propositionale Repräsentation
Relationen zwischen Propositionen lassen sich als
propositionales Netz darstellen.
z.B. „John glaubte, dass die Frau das Kind hochheben würde“
glauben [ John
hochheben(Frau, Kind) ]
Agent
Objekt
Relation
John
glauben
Objekt
Agent
Relation
Frau
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hochheben
Kind
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Langzeitgedächtnis. Einflüsse auf den Abruf.
Wovon hängt der
Abruf ab ?
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Langzeitgedächtnis. Einflüsse auf den Abruf.
Der Abruf gelingt umso besser, je mehr Hinweisreize auf die
abzurufende Information es gibt.
Wird deutlich an der Überlegenheit von Wiedererkennen
gegenüber Reproduzieren
Beispiel: Vpn lernen Liste mit 10 Wörtern
Apfel, Hut, Uhr, Maus, Hand, Baum, Ball, Decke, Ohr, Boot, Ast.
Reproduzieren
Wiederkennen
Welche Wörter erinnern Sie?
Welche der folgenden Worte war dabei?
___________
Ball ?
___________
Mund ?
___________
Baum ?
……………….
schwierig
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leichter
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Langzeitgedächtnis. Einflüsse auf den Abruf.
Kontexteffekte.
Der Abruf gelingt besser, wenn der Kontext beim Abruf dem
des Lernens entspricht.
(Baddeley & Godden, 1975).
Beispiel: Es werden mehr Wörter korrekt reproduziert,
wenn unter Wasser gelernt und abgerufen wird, bzw. an
Land gelernt und abgerufen wird, als bei Wechsel des
Kontexts.
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Langzeitgedächtnis. Vergessen.
Zerfall? Oder Probleme beim Abruf/Interferenz?
Warum
vergessen wir
(bzw. können
nicht immer
abrufen)?
Wichtige
Ursache:
Interferenz
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Langzeitgedächtnis. Pro/retroaktive Interferenz
Proaktive Interferenz:
Alte Informationen stören den Abruf neuer Informationen.
Lernen
Lernen
Test___
Liste 1
Liste 2
Liste 2 (schlecht)
--------
Liste 2
Liste 2 (gut)
Retroaktive Interferenz:
Neue Informationen stören den Abruf alter Informationen.
Lernen
Lernen
Test___
Liste 1
Liste 2
Liste 1 (schlecht)
Liste 1
---------
Liste 1 (gut)
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Konstruktives Gedächtnis -falsche Erinnerungen
Loftus & Palmer, 1974
• Erinnerungen an erlebte Ereignisse werden
rekonstruiert und dabei mit plausiblen Einzelheiten
aufgefüllt (konstruktives Gedächtnis).
• Falsche Erinnerungen können dabei auch durch die Art
der Fragestellung induziert werden.
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Literatur:
Buchner, A. & Brandt, M. (2008). Gedächtniskonzeptionen
und Wissensrepräsentation. In J. Müsseler. Lehrbuch der
Allgemeinen Psychologie. Heidelberg: Spektrum
Akademischer Verlag.
Gerrig,R.J. & Zimbardo, P.G. (2008). Psychologie. Kapitel 7.
München: Pearson
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