Skript zum Thema ASTROPHYSIK - lehrer.uni

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Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
Skript zum Thema
Astrophysik
im zweistündigen Physikkurs der Kursstufe
mit Schwerpunkt Astrophysik
Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit,
aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.
(Albert Einstein)
Skript ASTROPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
1
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
Inhaltsverzeichnis
I
STRAHLUNGSGESETZE ................................................................................... 4
I.1
Elektromagnetische Strahlung .............................................................................................................. 4
I.2
Stefan-Boltzmann-Gesetz ....................................................................................................................... 5
I.3
Plancksches Strahlungsgesetz ................................................................................................................ 6
I.4
Wiensches Verschiebungsgesetz ............................................................................................................ 7
II
SPEKTRALANALYSE ........................................................................................ 8
II.1
Absorptionslinienspektrum.................................................................................................................... 9
II.2
Optischer Dopplereffekt & Rotverschiebung ..................................................................................... 10
II.3
Probleme bei der Messung der Linienverschiebung .......................................................................... 12
III
STERNENTWICKLUNG ................................................................................... 14
III.1
Entstehung von Sternen ....................................................................................................................... 14
III.2
Spektralklassen ..................................................................................................................................... 18
III.3
Einschub: Helligkeiten ......................................................................................................................... 21
III.4
Hertzsprung–Russell–Diagramm (HRD) ............................................................................................ 22
III.5
Hauptreihe ............................................................................................................................................. 25
III.6
Endstadien ............................................................................................................................................. 31
III.6.1
Weißer Zwerg................................................................................................................................ 31
III.6.2
Supernovae .................................................................................................................................... 33
IV
EXOPLANETEN................................................................................................ 36
IV.1
Nachweismethoden ............................................................................................................................... 36
IV.1.1
Photometrische Methode (Transitmethode) .................................................................................. 36
IV.1.2
Radialgeschwindigkeitsmethode ................................................................................................... 39
IV.2
Massenbestimmung eines Exoplaneten ............................................................................................... 40
IV.3
Bedingungen für Leben (Drake-Formel) ............................................................................................ 43
V
KOSMOLOGIE .................................................................................................. 45
V.1
Exkurs: Entfernungsbestimmung im Weltall..................................................................................... 46
V.1.1
Parallaxe............................................................................................................................................. 47
V.1.2
Anpassung an die Hauptreihe – Hauptreihenfitting ........................................................................... 48
V.1.3
Pulsationsveränderliche – Cepheiden................................................................................................. 50
V.1.4
Supernovae Ia..................................................................................................................................... 52
V.2
Die Expansion des Weltalls und das Urknallmodell .......................................................................... 56
V.3
Gravitationslinsen ................................................................................................................................. 59
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Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
VI
SPEZIELLE RELATIVITÄTSTHEORIE ............................................................ 62
VI.1
Ätherproblem ........................................................................................................................................ 62
VI.2
Energie–Masse–Äquivalenz ................................................................................................................. 63
VI.3
Relativistische Masse ............................................................................................................................ 64
VI.4
Zeitdilatation ......................................................................................................................................... 65
VI.5
Längenkontraktion ............................................................................................................................... 67
VI.6
Kausalität............................................................................................................................................... 68
VII QUELLEN UND WEITERFÜHRENDE LITERATUR......................................... 71
VII.1
Literatur: ............................................................................................................................................... 71
VII.2
Weiterführende Literatur: ................................................................................................................... 73
VII.3
Internetquellen (Stand 16.11.2013): .................................................................................................... 74
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I Strahlungsgesetze
Im Universum gibt es die unterschiedlichsten Objekte: Gesteinsbrocken, Kometen,
Planeten, Sterne, Dunkelwolken, Molekülwolken, Emissionsnebel, Reflexionsnebel,
Supernovaüberreste, schwarze Löcher, Galaxien, Galaxienhaufen etc.
Dieses Wissen basiert auf Beobachtungen und Messungen, die sich alle einer
einzigen Informationsquelle bedienen. Diese Quelle ist die elektromagnetische
Strahlung, welche von den verschiedenen Objekten zu uns kommt und interpretiert
werden muss.
Um die Erkenntnisse in der Astrophysik verstehen zu können, werden wir deshalb
zuerst kurz wiederholen, was elektromagnetische Strahlung ist, und danach den
wichtigsten Gesetzmäßigkeiten bzgl. der elektromagnetischen Strahlung auf den
Grund gehen.
I.1 Elektromagnetische Strahlung
Elektromagnetische Wellen können analog zu mechanischen Wellen durch ihre
Wellenlänge, Frequenz, Ausbreitungsgeschwindigkeit und Amplitude beschrieben
werden. Sie brauchen für die Ausbreitung im Gegensatz zu den mechanischen
Wellen jedoch kein Medium und pflanzen sich im Vakuum mit Lichtgeschwindigkeit
fort, d.h. es gilt:
c = λ ⋅ f = 299792458
m
m
≈ 3 ⋅108 .
s
s
EM–Wellen bestehen aus gekoppelten elektrischen und magnetischen Feldern,
wobei elektrisches Feld und magnetisches Feld senkrecht zueinander ausgerichtet
sind. Diese Felder halten sich bei der Ausbreitung sozusagen gegenseitig am Leben.
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Electromagnetic_wave.png
Autor
P.wormer auf Wikimedia Commons
Ein zweiter Ansatz ist die Interpretation elektromagnetischer Strahlung als Strom
kleinster Teilchen. Diese Teilchen heißen Photonen und haben eine bestimmte
Energie, die von der Frequenz ν bzw. Wellenlänge λ der entsprechenden EM–
Welle im Wellenbild abhängt.
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Dieser zweite Ansatz resultiert aus dem Photoeffekt, bei welchem durch Auftreffen
von EM–Strahlung Elektronen aus einer Metalloberfläche ausgelöst werden. Dieser
Effekt kann nicht mit dem Wellenbild erklärt werden, da nicht die Intensität des Lichts
(Amplitude gibt im Prinzip die Energie an) die Energie der ausgelösten Elektronen
bestimmt, sondern einzig die Frequenz des Lichts dafür verantwortlich ist. Für die
Erklärung des Photoeffekts mithilfe des Teilchenmodells (1905) erhielt Albert Einstein
1921 den Nobelpreis für Physik.
Bis heute hat übrigens jedes Instrument, dessen Genauigkeit es zulässt, gezeigt,
dass Licht bzw. EM–Strahlung definitiv aus Photonen besteht. Da sich bestimmte
Phänomene wie die Interferenz oder Beugung allerdings nicht im Teilchenmodell
erfassen lassen, versucht man in der Quantenmechanik oder in der Quantenelektrodynamik (QED), diese beiden Eigenschaften zu vereinen. Dabei wird der
Begriff der Flugbahn eines Photons durch eine Welle (genauer Wellenfunktion)
ersetzt, welche die Ausbreitung der Teilchen im Raum beschreibt. Genauere
Ausführungen würden an dieser Stelle jedoch zu weit gehen.
Zusammenfassend halten wir fest, dass sich bestimmte Phänomene für uns nur in
einem der beiden Bilder der EM–Strahlung erklären lassen (Welle–Teilchen–
Dualismus):
Strahlung als Welle
Strahlung als Teilchen
Die Wellenlänge λ und die Frequenz f
hängen über die Beziehung c = λ ⋅ f
zusammen.
Die Strahlung besteht aus Photonen der
c
Energie E = h ⋅ f = h ⋅ , wobei λ und f
λ
aus dem Wellenbild stammen. Dabei ist
h das Plancksche Wirkungsquantum (
h = 6, 626069 ⋅10−34 Js ).
I.2 Stefan-Boltzmann-Gesetz
Trifft Strahlung auf einen Körper, so wird ein Teil der Strahlung reflektiert oder
gestreut, ein bestimmter Anteil dieser Strahlung jedoch vom Körper absorbiert.
Dadurch erhöhen sich seine innere Energie und damit auch seine Temperatur.
Jeder Körper mit einer Temperatur über den absoluten Nullpunkt ( 0 K = −273,15°C )
strahlt aber auch eine gewisse Energiemenge in Form von Strahlung ab, meist
Wärmestrahlung im Infrarotbereich.
Der Quotient aus absorbierter Strahlungsleistung und emittierter Strahlungsleistung
heißt Absorptionsgrad α und entspricht dem Emissionsgrad ε des Körpers:
α=
absorbierteStrahlungsleistung
=ε
emittierteStrahlungsleistung
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Dr. J. Hirsch
Der Absorptionsgrad eines Körpers hängt vom Material des Körpers, der Größe und
Beschaffenheit seiner Oberfläche, ihrer Temperatur und von der Wellenlänge der
Strahlung ab.
Ein Körper, der über alle Wellenlängen jegliche Strahlung absorbiert, hat den
Absorptionsgrad α = 1 und heißt Schwarzer Körper bzw. Schwarzer Strahler. Ein
solcher Körper existiert in der Natur nicht, sondern ist eine Idealisierung. Dennoch
werden Sterne als Schwarzer Körper simuliert und lassen sich mit den Gesetzen für
Schwarzkörperstrahlung relativ gut beschreiben.
Das Stefan-Boltzmann-Gesetz (benannt nach Josef Stefan und Ludwig Boltzmann)
stellt
für einen Schwarzen
Körper eine
Beziehung zwischen
der
Gesamtstrahlungsleistung P, der Oberfläche A und der Temperatur T her:
P = σ ⋅ A ⋅T 4 .
Man erkennt, dass die Strahlungsleistung eines Schwarzen Körpers proportional zur
vierten Potenz seiner Temperatur ist. Dies bedeutet zum Beispiel, dass bei einer
zehnfach höheren Temperatur die 10 4 = 10000 –fache Leistung abgestrahlt wird.
Die Proportionalitätskonstante heißt Stefan-Boltzmann-Konstante und ist eine
Naturkonstante:
σ=
2π 5 k 4
W
= 5, 670 4·10−8 2 4 .
3 2
15h c
mK
Die weiteren auftauchenden Konstanten sind:
J
eV
= 8, 617343 · 10−5
.
K
K
Boltzmann-Konstante:
k = 1,3806504 · 10−23
Plancksches Wirkungsquantum:
h = 6, 62606896 ⋅10−34 J s = 4,135667 ⋅10−15 eVs
Lichtgeschwindigkeit im Vakuum:
c = 299 792 458
m
s
I.3 Plancksches Strahlungsgesetz
Hat ein Schwarzer Körper eine Temperatur T > 0 K , so gibt er Energie in Form von
Strahlung ab. Es ist jedoch nicht so, dass ein Schwarzer Körper mit einer bestimmten
Temperatur Strahlung mit einer ganz bestimmten Wellenlänge emittiert, sondern
immer über das gesamte Frequenz– bzw. Wellenlängenspektrum. Betrachtet man
die Intensität bzw. Strahlungsleistung gegenüber der Wellenlänge aufgetragen, fällt
auf, dass die Plancksche Funktion bei einer ganz bestimmten Wellenlänge ein
Maximum hat (s. Abbildung unten). Ein schwarzer Körper strahlt also bei einer ganz
bestimmten Wellenlänge am stärksten.
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Dr. J. Hirsch
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:BlackbodySpectrum_lin_150dpi_de.png
Autor
Sch auf Wikimedia Commons
I.4 Wiensches Verschiebungsgesetz
Die Planck–Funktion lässt sich mathematisch beschreiben durch
2⋅h⋅ f 3
PT ( f ) =
⋅
c2
1
e
h⋅ f
k ⋅T
bzw.
−1
PT ( λ ) =
2⋅h⋅c
λ
3
1
⋅
e
h ⋅c
k ⋅T ⋅λ
.
−1
Berechnet man mit Hilfe der Differentialrechnung die Wellenlänge λmax , bei welcher
der Hochpunkt der Planck–Funktion liegt, so erhält man die Abhängigkeit
λmax ⋅ T = 2,898 ⋅10−3 m ⋅ K .
Die Lage des Strahlungsmaximums wird also ausschließlich von der Temperatur
bestimmt, wobei sich das Maximum zu kleineren Wellenlängen verschiebt, wenn die
Temperatur des Schwarzen Körpers steigt. Dieses Gesetz heißt Wiensches
Verschiebungsgesetz.
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Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
Dieses Gesetz ist zur Bestimmung der Oberflächentemperatur von Sternen
ungemein nützlich. Misst man über ein breites Frequenzintervall die Intensität, so
lässt sich die für diesen Stern charakteristische Planck–Funktion zeichnen und
anhand der Lage des Maximums die Temperatur des Sterns berechnen. (Eigentlich
genügen dafür sogar zwei Intensitätsmessungen bei unterschiedlichen Frequenzen.)
Übrigens:
Berechnet man die Fläche unter der Planck–Funktion im Frequenzintervall [0; ∞] , so
erhält man die pro Einheitsfläche abgegebene Strahlung, d.h. das Stefan–
Boltzmann–Gesetz:
∞
∫ P ( f ) df
T
= σ ⋅T 4 .
0
II Spektralanalyse
Elektromagnetische Wellen haben einen sehr breiten Wellenlängenbereich bzw.
Frequenzbereich. Das elektromagnetische Spektrum zeigt diese unterschiedlichen
Bereiche geordnet nach Wellenlänge bzw. Frequenz, wobei es keine scharfen
Grenzlinien zwischen den Bereichen gibt, die Übergänge sind fließend.
Im Bild unten liegen zwischen den kleinsten und größten Wellenlängen 1022 Größenordnungen, wobei der für das menschliche Auge wahrnehmbare Bereich darin nur
ein winziger Ausschnitt ist. Es kommen also weit mehr Informationen mit der elektromagnetischen Strahlung zu uns, als wir mit unseren Augen verarbeiten können.
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Electromagnetic_spectrum_c.svg
Autor
Horst Frank / Phrood / Anony auf Wikimedia Commons
Die meisten Erkenntnisse über Sterne, Galaxien oder auch Nebel fußen auf der
Interpretation des jeweiligen Spektrums dieser Objekte. Dabei spielt für einige
Aspekte das Absorptionsspektrum und die Lage einzelner Absorptionslinien eine
entscheidende Rolle. Wie sich das Absorptionsspektrum verändern kann, wird in den
folgenden Abschnitten erläutert.
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II.1
Absorptionslinienspektrum
Von der Sonne kommt kontinuierliches weißes Licht zu uns, welches alle
Spektralfarben enthält. Betrachtet man das Spektrum der Sonne jedoch genauer, so
entdeckt man an vielen Stellen des Spektrums schwarze Linien.
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Fraunhofer_lines_DE.svg
Autor
Cepheiden auf Wikimedia Commons
„Dehnt“ man das Spektrum, so werden aus manchen (breiten) schwarzen
Einzellinien nunmehr (dünnere bzw. schmalere) Doppel– oder Mehrfachlinien.
High resolution solar spectrum.
N.A.Sharp, NOAO/NSO/Kitt Peak FTS/AURA/NSF. Copyright WIYN Consortium, Inc., all rights reserved.
Diese schwarzen Linien im Sonnenspektrum wurden eigentlich zuerst von William
Wollaston 1802 entdeckt (7 Linien). Da etwa zur gleichen Zeit Joseph Fraunhofer
über 560 Linien im Sonnenspektrum gefunden hat, wurden diese Linien allerdings
nach ihm benannt und heißen Fraunhofersche Linien.
Das kontinuierliche Spektrum der Sonne stammt nur aus einer relativ dünnen Schicht
der Sonne, der Photosphäre. Da die Photonen auf dem Weg zu uns noch durch
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(Gas–)Bereiche mit verschiedenen Elementen (häufigstes Element ist Wasserstoff)
gehen, kommt es häufig zu Wechselwirkungen mit den vorhandenen Atomen. So
absorbieren diese Wasserstoffatome Photonen in scharf eingegrenzten Energiebereichen, die im obigen Termschema zu finden sind.
Das Atom gibt zwar beim Übergang in den Grundzustand wieder ein Photon
derselben Energie und damit derselben Frequenz ab, da dies aber meist nicht in
derselben Richtung erfolgt, fehlen diese Photonen aus unserer Sicht im Sonnenspektrum und es ergeben sich schwarze Linien. Diese Fraunhoferschen Linien liegen
an denselben Stellen, an denen das Emissionsspektrum farbige Linien hat.
Im Labor kann man die Lage der Emissionslinien chemischer Elemente und
verschiedener Moleküle erforschen und dann mit bekannter Lage die Fraunhoferlinien im Sonnenspektrum chemischen Elementen oder Molekülen zuordnen. So
erforscht man mithilfe der Spektroskopie die Zusammensetzung (der Photosphäre)
der Sonne bzw. eines Stern im Allgemeinen.
II.2
Optischer Dopplereffekt & Rotverschiebung
Anders als Schallwellen benötigen elektromagnetische Wellen kein (ruhendes)
Medium als Träger. Deshalb ist bei elektromagnetischen Wellen nur eine Unterscheidung zwischen Annäherung und Entfernen von Quelle und Empfänger sinnvoll.
Eine Relativbewegung mit der Radialgeschwindigkeit v zwischen Quelle und
Empfänger in Ausbreitungsrichtung der elektromagnetischen Strahlung ergibt für die
beobachtete Frequenz f '
(1)
für eine Annäherung von Sender und Empfänger
2
 v
v
1+
1 + 
 c
c = f ⋅ c+v
f '= f ⋅
= f⋅
= f⋅
2
v
c−v
 v  v 
v
1−
1 −  1 + 
1−  
c
 c  c 
c
v
1+
c
(2)
für eine Entfernung von Sender und Empfänger
2
 v
v
1−
1 − 
 c
c = f ⋅ c−v
f '= f ⋅
= f⋅
= f⋅
2
v
c+v
 v  v 
v
1
+
1
−
1
+



1−  
c
 c  c 
c
v
1−
c
Im Falle, dass v ≪ c ist, wird der Nenner des jeweils ersten Bruchs einer Zeile ≈ 1
und es ergibt sich die bekannte Formel des akustischen Doppler–Effekts.
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Bei einer Annäherung von Sender und Empfänger erscheint das Licht
hochfrequenter bzw. kurzwelliger, d.h. zum blauen Spektralbereich hin verschoben
zu sein (Blauverschiebung). Bei einer Entfernung von Sender und Empfänger erfolgt
eine Verschiebung in den roten Spektralbereich (Rotverschiebung).
Von dieser Verschiebung in den roten bzw. blauen Spektralbereich sind auch die
Spektrallinien betroffen. Durch die Verschiebung ∆λ bekannter Linien bei der
(Labor-)Wellenlänge λ lässt sich die Geschwindigkeit ermitteln, mit der sich z.B. ein
Stern im Vergleich zu uns bewegt (Radialgeschwindigkeit).
v
c c
c
= ⋅
λ' λ
v2
1− 2
c
1−
v2
c2
λ'=λ⋅
v
1−
c
1−
⇒
v2
△λ λ '− λ
c2 − 1
=
=
v
λ
λ
1−
c
1−
⇒
Bei nichtrelativistischen Geschwindigkeiten v ≪ c gilt:
△λ
λ
=
1
1−
v
c
−1 =
c
c−v
v
v
−
=
≈
c−v c−v c−v c
Wenn sich die Quelle von uns entfernt ( v > 0 ), bedeutet dies eine Verschiebung zu
größeren Wellenlängen (Rotverschiebung), bewegt sie sich auf uns zu ( v < 0 ), ergibt
sich eine Blauverschiebung.
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Redshift.png
Autor
Georg Wiora auf Wikimedia Commons
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II.3
Probleme bei der Messung der Linienverschiebung
Astronomische (optische) Doppler–Messungen stoßen an verschiedene Grenzen, die
sich nicht unter– bzw. überschreiten lassen. Bei Sternen gibt es diverse Effekte, die
eine „Verfälschung“ der Messergebnisse bezogen auf die Linienverschiebung, die
sich aus der Relativgeschwindigkeit von Beobachter und Strahlungsquelle ergibt,
oder auch auf die Linienbreite verursachen.
•
Konvektionsbewegungen in Sternatmosphären
Die Gasmassen in Sternatmosphären unterliegen häufig ausgeprägten
Konvektionsbewegungen. Diese Bewegungen verursachen – sofern sie auf den
Beobachter zu oder von ihm weg erfolgen – ihrerseits Doppler–Verschiebungen
in den Spektrallinien.
•
Wärmebewegung
Atome der Sternatmosphäre führen aufgrund der hohen Temperatur starke
(schnelle) Bewegungen aus, die ungeordnet erfolgen. Aufgrund des Doppler–
Effektes verursacht diese irreguläre Wärmebewegung eine Linienverbreiterung,
die sogenannte thermische Doppler–Verbreiterung.
•
Rotationsbewegung eines Sterns
Da Sterne (differentiell) rotieren, sind die Spektrallinien an unterschiedlichen
Rändern des Sterns verschieden verschoben: Am auf den Beobachter
zukommenden Randes sind die Linien blauverschoben, am sich entfernende
Rand rotverschoben. Als Resultat über den gesamten Stern gesehen ergibt sich
daraus eine Linienverbreiterung.
Bemerkung: Bei größeren, flächenhaften Objekten lassen sich die einzelnen
Ränder individuell beobachten. So kann aus der Verschiebung der Spektrallinien
z. B. auf die Rotationsgeschwindigkeit einer Galaxie geschlossen werden.
•
Aufspaltung der Linien durch äußeres Magnetfeld (Zeeman-Effekt)
Pieter Zeeman entdeckte 1896, dass sich einzelne Spektrallinien einer
emittierenden Materie in mehrere Linien aufspalten, wenn sich die Materie in
einem externen Magnetfeld befindet. Die Aufspaltungen entstehen durch die
Wechselwirkung des externen Magnetfeldes mit den – durch Bahndrehimpuls
und Spin des Elektrons erzeugten – magnetischen Momenten des Atoms.
•
Gravitationsrotverschiebung
Jedes Photon, welches sich von der Oberfläche eines massereichen und
kompakten Himmelskörpers weg bewegt, muss entgegen der Schwerkraftrichtung eine Hubarbeit EHub verrichten. Damit verringert sich die ursprüngliche
Energie E = h ⋅ f des Photons beim Durchlaufen des Gravitationsfeldes um
genau diesen Betrag EHub. Es hat dann noch die Energie E ' = E − EHub und damit
E − EHub
und ist deshalb „rotverschoben“.
eine geringere Frequenz f ' =
h
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Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
Diese genannten Effekte spielen natürlich auch bei Gaswolken und Galaxien eine
Rolle, nur die Dimensionen der Auswirkungen unterscheiden sich.
Die kosmologische Rotverschiebung durch den expandierenden Kosmos überlagert
viele dieser Effekte. Momentan dehnt sich das Universum beschleunigt aus. Bei sehr
tiefen Beobachtungen (Deep Sky) in den Raum hinein dominiert deshalb in großen
Entfernungen die Expansion des Universums die lokalen Geschwindigkeitseffekte.
Die in den Spektren entfernter Galaxien beobachtete Rotverschiebung ist also in
erster Linie durch kosmologische Effekte verursacht.
Einer Erklärung dieser Rotverschiebung mithilfe des Doppler–Effektes würden
Kosmologen entgegnen, dass entfernte Galaxien keineswegs mit hohen
Geschwindigkeiten von uns weg in den Raum hinein fliegen. Sie würden vielmehr
argumentieren, dass es der Abstand zwischen uns und den fernen Galaxien selbst
ist, der sich vergrößert und dass dabei auch die Wellenzüge der elektromagnetischen
Strahlung einer Expansion unterliegen.
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III Sternentwicklung
Sterne werden in großen Molekülwolken, bestehend aus molekularem Wasserstoff
H2, geboren. Dabei spielt vor allem die Gravitation eine entscheidende Rolle. Setzt
im Inneren eines Sterns die Kernfusion ein, so entsteht ein Gleichgewicht, durch
welches der Stern über lange Zeiträume dominiert wird. Im weiteren Leben
verändern sich viele Eigenschaften des Sterns, so z.B. die Zusammensetzung, die
Masse, die Größe und die Leuchtkraft. Die Lebenszeit und das Ende des Sterns
werden maßgeblich durch die Masse des Sterns bestimmt. Die Masse eines Sterns
hängt übrigens mit sehr vielen Eigenschaften des Sterns zusammen.
Ein kurzer Abriss eines Sternenlebens wird im weiteren Verlauf dargestellt.
III.1 Entstehung von Sternen
Interstellare Wolken aus einfach ionisiertem Wasserstoff oder/und Wasserstoffmolekülen haben eine Dichte von ca. 1000 Teilchen pro cm3. Dies ist im Vergleich
mit der irdischen Atmosphäre extrem gering, im Vergleich zur interstellaren Materie
(mit ca. 1 Atom pro cm3) jedoch sehr hoch. Die Größe von Riesenmolekülwolken liegt
im Bereich mehrerer hundert Lichtjahre und ihre Masse kann mehrere hundert bis
hunderttausende Sonnenmassen betragen. Die Abbildung zeigt Ausschnitte des
Carinanebels, einer kalten Wolke aus Wasserstoff, welche durch Anwesenheit von
Staub undurchsichtig ist.
http://hubblesite.org/gallery/album/pr2010013f/
NASA, ESA, and M. Livio and the Hubble 20th Anniversary Team (STScI)
Skript ASTROPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
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Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
Wird die gleichmäßige Verteilung (Homogenität) der Wolke durch äußere Einflüsse
gestört (z. B. Schockwellen durch Supernovae-Explosionen, Durchdringen von
Galaxien), so kann es in der Wolke zu einzelnen Verdichtungen (Globulen) kommen,
die durch Eigengravitation weiteres Wolkengas anziehen und somit kollabieren.
Welche Masse eine Wolke bzw. ein Fragment aufweisen muss, um durch
Eigengravitation kollabieren zu können, hängt z.B. von der Größe, Dichte und
Temperatur der Wolke ab. Die erforderliche Mindestmasse heißt Jeansmasse,
benannt nach dem englischen Wissenschaftler James Hopwood Jeans:
3
 R ⋅ T  2 − 12
MJ = 
 ⋅ρ
 2⋅G ⋅ µ 
Benötigte Größen:
Temperatur T , Molekulargewicht des Gases µ , universelle Gaskonstante R ,
Gravitationskonstante G , Dichte der Wolke ρ .
Je kälter die Wolke ist, desto weniger Masse wird zum Kollabieren benötigt, da die
Teilchen eine geringere mittlere kinetische Energie (Geschwindigkeit) haben und sich
weniger Zusammenstöße ereignen. Umgekehrt verhält es sich bei der Dichte: je
geringer die Dichte der Wolke ist, desto mehr Masse muss die Wolke ausweisen, um
durch Eigengravitation zu kollabieren.
Mit ein paar vereinfachenden Annahmen und einer Normierung von T und ρ auf
typische Werte interstellarer Wolken ergibt sich die folgende Formel:
 T 
M J = M⊙ ⋅

 50 K 
3
2
1
2
 10

3


m
⋅
 .
ρ




−14
kg
Der typische Ort für die Entstehung von Sternen sind kleinskalige Verdichtungen in
g
Molekülwolken mit der Temperatur T = 10 − 20 K und der Dichte ρ = 10 −18 − 10−20 3 .
cm
Somit ergeben sich typische Massen im Bereich von 0,3 bis 8 Sonnenmassen. In
diesem Bereich liegen tatsächlich die Massen der meisten Sterne.
Diese Formel sollte ursprünglich eine erste Näherung für die Erklärung eines Kollaps
sein, man stellte inzwischen jedoch fest, dass die dabei gemachten Annahmen selbst
für eine erste Näherung zu grob waren.
Dass die Berechnung der Jeansmasse in der Realität schwieriger zu bewerkstelligen
ist, liegt an den weiteren Faktoren, die eine Gravitation behindern und bisher außer
Acht gelassen wurden. So nehmen zum Beispiel Magnetfelder Einfluss auf die
Bewegung von geladenen Teilchen (HII ist einfach ionisierter Wasserstoff), zudem
beeinflussen die Rotation und die damit einhergehende „Fliehkraft“ ein Kollabieren.
Skript ASTROPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
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Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
Die etwas genauere, aber auch leicht schwierigere Formel lautet:
MJ =
2


125
1
3
⋅  f ⋅ k ⋅ (n ⋅ T − nex ⋅ Tex ) + 2 ⋅ n ⋅ m ⋅ vr ⋅ q (τ ) +
⋅ ( B 2 − Bex 2 ) 
2
3
36 ⋅ π ⋅ G ( n ⋅ m )
2 ⋅ µ0


thermische Energie
Rotation & Turbulenz
magnetische Energie
Ab dem Moment, wenn die protostellare Wolke zu kollabieren beginnt, schrumpft ihr
Radius. Durch dieses Zusammenziehen wird ein Teil der gravitativen Energie frei, die
in dem System steckt, so dass sich die Geschwindigkeit der Teilchen erhöht und eine
ungeordnete Bewegung die Folge ist. Gravitative Energie wird somit in thermische
Energie umgewandelt (Gas wird „thermalisiert“). Dabei steigen die Dichte und die
Temperatur im Zentrum schneller an als in den Randgebieten der Wolke.
Jede Wolke hat einen Drehimpuls, auch wenn sie sich „nur“ um das Zentrum einer
Galaxie oder um einen anderen Schwerpunkt bewegt, denn der Teil der Wolke,
welcher weiter vom Zentrum der Galaxie entfernt ist, hat einen anderen
Geschwindigkeitsbetrag als der dem Zentrum nähere Teil der Wolke. Beim Kollaps
der Wolke verlagert sich die Masse näher zur Rotationsachse, so dass die
Rotationsgeschwindigkeit der Wolke zunimmt und eine Abflachung der Wolke zu
einer protoplanetarischen Scheibe stattfindet. Die Abbildung unten zeigt solche
protoplanetarischen Scheiben im Orionnebel, aufgenommen mit dem Hubble Space
Telescope (HST).
http://www.hubblesite.org/gallery/album/pr1994024b/
C.R. O'Dell/Rice University; NASA
Skript ASTROPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
16
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
Im Zentrum der Wolke bzw. der Scheibe wird der thermische Gasdruck durch die
Kompression immer größer und wirkt der gravitativen Anziehung entgegen. Ist der
thermische Gasdruck letztlich so groß, dass er der gravitativen Anziehung und damit
der Kontraktion Einhalt gebieten kann, so stellt sich ein hydrostatisches
Gleichgewicht zwischen nach innen gerichteter Anziehungskraft und nach außen
gerichtetem thermischem Gasdruck ein. Ein Protostern ist entstanden.
Der Protostern würde, falls er keine Energie verlieren würde, im hydrostatischen
Gleichgewicht verharren. Da Protosterne jedoch schon leuchten, müssen sie auch
Energie in Form von Strahlung über die Oberfläche abgeben. Diese Energie kommt
noch nicht aus dem nuklearen Vorrat, da die für die Kernfusion notwendigen
Temperaturen noch nicht erreicht wurden, sondern als innere Energie aus dem
thermischen Vorrat und somit aus dem gravitativen Vorrat (siehe oben).
In dieser Phase spielt das sogenannte Virialtheorem eine besondere Rolle:
Eg = −2 Ei
Die Gravitationsenergie ist negativ definiert, d.h. sie ist null, wenn die Gaskugel bis
ins Unendliche ausgedehnt ist. Bei der Kontraktion wird Eg immer negativer und
somit die innere Energie Ei immer positiver. Das bedeutet, dass der Protostern
durch Kontraktion immer heißer werden könnte und auch wird.
Die Gesamtenergie Etot des Protosterns ist gegeben durch
Etot = Eg + Ei = − Ei =
1
Eg
2
Aus der Formel für die Gesamtenergie Etot kann man verschiedene Aussagen
ableiten:
•
Da Protosterne über ihre Oberfläche Energie verlieren (Leuchtkraft), nimmt die
Gesamtenergie Etot des Protosterns ab.
•
Dadurch wächst die innere Energie Ei in dem Maße, wie Etot abnimmt.
•
Die gravitative Energie Eg sinkt halb so schnell wie die Gesamtenergie Etot .
Da Sterne leuchten, müssen sie also kontrahieren, um gravitative Energie
freizusetzen. Die Hälfte dieser Gravitationsenergie geht in die abgestrahlte Energie
(Leuchtkraft), die andere Hälfte in die Erhöhung der thermischen Energie
(Temperatur).
Wird im Zentrum des Protosterns eine Temperatur von ca. T = 107 K erreicht, so setzt
die erste Stufe der Kernfusion ein, das Wasserstoffbrennen.
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17
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
III.2 Spektralklassen
Um die unterschiedlichen Sterne in Klassen (Typen) zu ordnen, bietet sich ein
Merkmal besonders an: das jeweilige Sternspektrum. Man versucht die
Sternspektren auszuwerten, indem man die Spektren verschiedener Sterne
vergleicht und systematische Ordnungsprinzipien anwendet.
Die Einordnung stellarer Spektren in Spektraltypen wurde 1899 durch Pickering und
Cannon begonnen (Harvard-Sequenz) und bildet mit einigen Modifikationen das
heute angewandte Schema. Grundlage des Schemas bilden die Stärken der
Absorptionslinien.
O
B
„frühe Typen“
A
F
G
„mittlere Typen“
K
M
L
T
„späte Typen“
Merkspruch für die Reihenfolge der Spektraltypen:
Oh Be A Fine Girl Kiss My Lips Tenderly
Im späten 19. Jahrhundert ging man davon aus, dass die Spektralklassen auch das
Altern von Sternen angeben. Deshalb auch die Einteilung in frühe, mittlere und späte
Typen. Obwohl man heute weiß, dass Spektralklasse und Alter eines Sterns nicht
zusammenhängen, blieben die Bezeichnungen bis heute erhalten.
Die eindimensionale Einteilung in neun Spektralklassen ist jedoch noch viel zu grob,
um eine zuverlässige Gruppierung zu erhalten. Deshalb wird jede Klasse nochmals
in Subtypen unterteilt, die durch angehängte Ziffern von 0 bis 9 angezeigt werden.
Hauptunterschiede in den Spektren:
•
Beim Übergang von frühen zu späten Typen (O G T) verschiebt sich das
Maximum der spektralen Energieverteilung immer mehr von kleinen zu
größeren Wellenlängen.
•
Aufgrund des Wienschen Verschiebungsgesetzes lässt sich deshalb
festhalten, dass die sich die verschiedenen Spektralklassen primär durch die
Effektivtemperatur unterscheiden.
•
Die Sternfarbe ändert sich entsprechend von bläulich-weiß über gelb zu rot.
•
Beim Übergang von O nach A erfolgt zudem eine enorme Zunahme der Zahl
der Absorptionslinien (siehe Abbildung unten).
•
Die Ausprägung von Wasserstoff– und Heliumlinien nimmt ausgehend von
Spektralklasse O zu den folgenden Spektralklassen ab.
•
Spätere Typen zeigen dafür mehr Absorptionslinien von Metallen, die bei den
frühen Typen fehlen.
Skript ASTROPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
18
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
Kleine Übersicht über die Spektralklassen:
Klasse
Charakteristik
Farbe
Temperatur
in K
Masse
in MO
Beispielsterne
O
Ionisiertes Helium (He II)
blau
30000–50000
60
Mintaka (δ Ori)
B
Neutrales Helium (He I),
Balmer-Serie Wasserstoff
blau-weiß
10000–28000
18
Rigel,
Spica
A
Wasserstoff,
Calcium (Ca II)
Weiß (leicht
bläulich)
7500–9750
3,2
Wega,
Sirius
F
Calcium (Ca II),
Auftreten von Metallen
weiß-gelb
6000–7350
1,7
Prokyon,
Canopus
G
Calcium (Ca II),
Eisen und andere Metalle
gelb
5000–5900
1,1
Capella,
Sonne
K
Starke Metalllinien,
später Titan(IV)-oxid
orange
3500–4850
0,8
Arctur,
Aldebaran
M
Titanoxid
rot-orange
2000–3350
0,3
Beteigeuze,
Antares
L
mattrot
1300–2000
VW Hyi
T
mattrot (Max.
im Infrarot)
800–1300
ε Ind Ba
Die Unterschiede in der Anwesenheit und Ausprägung einzelner Absorptionslinien
bei unterschiedlichen Spektraltypen werden besonders deutlich, wenn Spektren
typischer Vertreter direkt übereinander angeordnet werden:
http://www.noao.edu/image_gallery/images/d2/starsla.jpg
(NOAO/AURA/NSF)
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19
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
Auch wenn die Spektren von Sternen desselben Spektraltyps sehr große Ähnlichkeit
haben, lassen sich in ihnen noch markante Unterschiede finden:
-
Breite und Stärke der Absorptionslinien
-
An- und Abwesenheit bestimmter Absorptionslinien
-
Schärfe der Absorptionslinien
Generell gilt, dass bei heißeren und leuchtkräftigeren Sternen die Linien schmaler
und schärfer sind als bei kälteren Sternen geringerer Leuchtkraft. Deshalb wurde von
William W. Morgan und Philip. C. Keenan ein weiteres Klassifikationsmerkmal neben
dem Spektraltyp eingeführt, die sogenannte Leuchtkraftklasse, die durch eine
römische Ziffer gekennzeichnet wird.
In diesem MK-System sind die Sterne in folgende Leuchtkraftklassen eingeteilt:
I
Überriesen
(feinere Unterteilung nach abnehmender Leuchtkraft: Ia, Iab, Ib)
II
Helle Riesen
III
Riesen
IV
Unterriesen
V
Zwerge (Hauptreihensterne)
VI
Unterzwerge
VII
Weiße Zwerge
Beispiele:
•
Sonne
G2 V
•
Sirius
A2 V
•
Deneb
A2 Ia
•
Beteigeuze M2 Iab
Spektralklasse und Leuchtkraftklasse bilden damit eine zweidimensionale
Klassifizierung von Sternspektren mit einer sehr engen Verbindung der
physikalischen Eigenschaften Temperatur und Leuchtkraft der Sterne.
Im Gegensatz zur Spektralklasse gibt die Leuchtkraftklasse eher den
Entwicklungszustand eines Sterns an, da jeder Stern im Verlauf seines Lebens
verschiedene Leuchtkraftklassen durchläuft.
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20
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
III.3 Einschub: Helligkeiten
Die Sterne am Nachthimmel leuchten unterschiedlich hell. Da die Sterne
unterschiedlich weit entfernt sind, kann keine Aussage darüber getroffen werden,
welcher Stern in Wirklichkeit heller ist als ein anderer. Deshalb nennt man die
sichtbare Helligkeit der Sterne auch scheinbare Helligkeit m [lat. magnitudo=
(räumliche) Größe, Stärke (zur Bezeichnung der Intensität)].
Lange Zeit war das Auge der einzige verfügbare Lichtmesser. So teilte bereits
Hipparch von Nikäa in der Antike die Sterne in sechs Größenklassen
(Magnitudenklassen) ein: Sterne der 1. Größe sollten die hellsten und Sterne der 6.
Größe die schwächsten (gerade noch mit dem Auge erkennbaren) sein.
Im 19. Jahrhundert wurde nachgewiesen, dass quantitative Sinneseindrücke vom
menschlichen Gehirn in der Regel logarithmisch verarbeitet werden (Weber-Fechnergesetz). Dieser Mechanismus sorgt dafür, dass der Wert eines äußeren Reizes auf
das Quadrat ansteigen muss, damit der Reiz doppelt so stark wahrgenommen wird.
Dies ist auch der Grund dafür, dass der Mensch eine relativ große Bandbreite eines
Reizes verarbeiten kann.
Für die scheinbare Helligkeit eines Sterns A ist die Energie von Bedeutung, die pro
Fläche und Zeit auf einen Empfänger trifft (= Strahlungsstrom S A ) und es gilt:
m ∼ log10 ( S )
Da die scheinbare Helligkeit kein absolutes Maß, sondern ein „Vergleichssystem“
zweier Sterne darstellt, gilt:
S 
m1 − m2 ∼ log10  1 
 S2 
Damit die von Hipparch eingeführte Größenklassenskala in etwa erhalten bleibt,
wurde der Proportionalitätsfaktor -2,5 gewählt, d.h.
S 
m1 − m2 = −2,5 ⋅ log10  1 
 S2 
bzw.
S1
= 10−0,4⋅( m1 − m2 )
S2
Das negative Vorzeichen sorgt dafür, dass kleinere Zahlen den größeren
Strahlungsströmen und damit den helleren Objekten entsprechen!
Um zu verdeutlichen, dass es sich bei der Zahl um eine astronomische
Größenklassenangabe handelt, hängt man ein hochgestelltes „m“ oder das Kürzel
„mag“ an (z.B. 5,m25 oder 5,25m oder 5,25 mag).
Da es sich um ein Vergleichssystem handelt, muss ein Nullpunkt der Skala definiert
werden. Dies ist aufgrund zahlreicher geeichter Messungen des Strahlungsstroms
der Stern WEGA (α Lyrae), der die Helligkeit 0m zugeschrieben bekommt.
Das bedeutet, dass ein Stern mit der Helligkeit von 25m einen Strahlungsstrom
aufweist, der um einen Faktor 10−0,4⋅(25− 0) = 10−10 geringer ist als der von WEGA.
Skript ASTROPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
21
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
Der gemessene Strahlungsstrom S nimmt proportional zum Quadrat der Entfernung r
vom Stern ab, was Auswirkungen auf die scheinbare Helligkeit m hat.
Um ein vom Abstand unabhängiges Helligkeitsmaß zu erhalten, definiert man die
absolute Helligkeit M eines Sternes als seine scheinbare Helligkeit, gemessen in
einer Einheitsentfernung von 10 Parsec ( r0 = 10 pc ).
In der Astronomie gibt es zwei verbreitete Entfernungsmaße, das Parsec
(Parallaxensekunde, 1 pc ) und das Lichtjahr ( 1ly ):
1ly = 299792, 458
km
⋅ 365, 25 ⋅ 24 ⋅ 60 ⋅ 60 s = 9, 461 ⋅1012 km
s
1 pc = 3, 0857 ⋅1013 km
1ly = 0,3066 pc
Zwischen den absoluten Helligkeiten zweier Sterne gelten damit die gleichen
Beziehungen wie zwischen den entsprechenden scheinbaren Helligkeiten.
Bei Fehlen von Extinktion (Abschwächung des Sternenlichts durch Atmosphäre,
Dunkelwolken etc.) kann die Differenz m − M zwischen einer scheinbaren und der
entsprechenden absoluten Helligkeit als Maß für die Entfernung r des Sternes
genommen werden, m − M nennt man auch Entfernungsmodul. Es gilt:
  r 

 r 
 r  m
m − M = 5 ⋅ log 
 = 5 ⋅ log 
 − log (10 )  = 5 ⋅ log 
−5
 10 pc 
 1 pc 
  1 pc 

r = 10 pc ⋅10
Dem
1
( m− M )
5
Entfernungsmodul
≈ 10 pc ⋅1,585( m − M )
m − M = − 5m
entspricht
der
Abstand
r = 1 pc ,
jede
m
Vergrößerung von m − M um +5 vergrößert den Abstand r um den Faktor 10.
III.4 Hertzsprung–Russell–Diagramm (HRD)
Nachdem Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts für viele Sterne
Spektralklassen und absolute Helligkeiten bestimmt worden waren, lag es nahe, die
Vielfalt der Kombinationen von Spektraltyp und absoluter Helligkeit statistisch zu
untersuchen.
Die ersten derartigen Untersuchungen führte 1905 der dänische Astronom Ejnar
Hertzsprung durch, der sich zu dieser Zeit vor allem mit roten Sternen beschäftigte.
Mit der absoluten Helligkeit eines Sterns, die er in eben diesem Jahr definierte, hatte
er ein Maß, um die Leuchtkräfte von Sternen zu vergleichen. Er erkannte, dass
Sterne, die ähnlich rot waren und somit dieselbe Oberflächentemperatur aufweisen,
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22
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
durchaus unterschiedliche absolute Helligkeiten haben können. Dies war nur mit der
Sterngröße zu begründen und so unterschied er als erster Astronom zwischen
Zwerg- und Riesensternen.
Etwa zur selben Zeit arbeitete Henry Norris Russell an den Spektren blauer Sterne
(in der Sonnenumgebung). Er stellte die absolute Helligkeit der untersuchten Sterne
gegenüber dem Spektraltyp (d.h. der Oberflächentemperatur) graphisch dar und
erkannte in dem Diagramm bestimmte Strukturen. Obwohl Russell das Diagramm
entwickelt hat, heißt es dennoch Hertzsprung–Russell–Diagramm, da die
analytischen Arbeiten von Hertzsprung grundlegend waren.
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:HRDiagram.png
Autor
Richard Powell auf Wikimedia Commons
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23
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
Die Sterne ordnen sich nicht zufällig an, sondern gruppieren sich in bestimmten
Bereichen im HRD. Am auffälligsten ist das Band, welches das HRD von rechts
unten nach links oben durchzieht, die so genannte Hauptreihe, auf der sich auch die
Sonne befindet.
Weiter fällt der von der Hauptreihe abzweigende Ast auf, der sogenannte Riesenast.
Riesensterne befinden sich generell über der Hauptreihe, da sie bei gleicher
Oberflächentemperatur
wesentlich
höhere
Leuchtkräfte
aufweisen
als
Hauptreihensterne (geht nur durch riesige Oberfläche).
Unterhalb der Hauptreihe befinden sich die weißen Zwerge – Sterne, die bei gleicher
Oberflächentemperatur wie bei über ihnen befindlichen Hauptreihensternen jedoch
sehr geringe Leuchtkräfte aufweisen.
Sterne senden als schwarze Körper Strahlung über das gesamte Spektrum aus.
Nach dem Planckschen Gesetz hat jeder Körper je nach Temperatur eine ganz
bestimmte Intensitätsverteilung über die verschiedenen Wellenlängen hinweg. Mit
höher werdender Temperatur liegt das Maximum immer weiter im kurzwelligeren
Bereich und die Kurve rechts und links des Maximums steigt steiler bzw. fällt
schneller ab. Mit Hilfe von Beobachtungen der Strahlungsverteilung eines Sterns
kann man deshalb die Oberflächentemperatur sowie bei bekannter Oberfläche die
Leuchtkraft dieses Sternes ermitteln.
Bei der Fotometrie werden die scheinbaren Helligkeiten des Sterns in verschiedenen
Wellenlängenbereichen seines Spektrums gemessen. Bildet man die Differenz der
Helligkeiten von kurzwelliger und langwelliger Messung, so erhält man den
sogenannten Farbindex Fi mit
Fi = mk − ml ,
wobei mk die scheinbare Helligkeit kurzwelliger Strahlung und ml die scheinbare
Helligkeit langwelliger Strahlung ist.
Man bestimmt also im sichtbaren Spektralbereich die Differenz verschiedener
Farbhelligkeiten. Da diese Differenz von der spektralen Intensitätsverteilung
abhängig ist, kennzeichnet sie gleichzeitig die „Farbe“ des untersuchten Sternlichtes
und stellt deshalb auch ein Maß für die Oberflächentemperatur dar. Traditionell
bedeutend ist vor allem das Johnson‘sche UBV-System, nach welchem man die
scheinbaren Helligkeiten für Ultraviolett, Blau und Visuell (gelb-grün) misst. Dieses
System wurde mit der Zeit durch die Farbbänder Rot und Infrarot erweitert.
Weiterhin hat man die Übereinkunft getroffen, dass für Sterne des Spektraltyps A0
mit einer Temperatur von 10 4 K die Gleichung U = B = V gelten soll. Der Farbindex
ist somit für A0-Sterne stets 0m , 0 . Für Sterne mit höherer Oberflächentemperatur
wird der Farbindex negativ, für Sterne geringerer Oberflächentemperatur stets
positiv.
Skript ASTROPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
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Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
III.5 Hauptreihe
Kommen wir zurück zu der Entwicklung der Sterne. Aus der interstellaren Wolke ist
zunächst ein Protostern mit umgebender protoplanetarischer Scheibe geworden. Der
Protostern setzte die gravitative Energie um in emittierte Strahlung und innere
Energie, d.h. in die Erhöhung der Temperatur. Bei einer Temperatur von etwa
T = 107 K ist der Druck, die Dichte und die Temperatur so groß, dass das sogenannte
Wasserstoffbrennen einsetzt.
Mit Einsetzen der Kernfusion wird der Energieverlust durch den nuklearen Vorrat
gedeckt. Gravitative und thermische Energie sind über lange Zeiträume nahezu
konstant und das Virialtheorem ist außer Kraft gesetzt. Mit Beginn der Kernfusion
findet sich der Stern auch auf der Hauptreihe des Hertzsprung–Russell–Diagramms
wieder. Die Position des Sterns wird bestimmt durch seine Leuchtkraft und seine
Oberflächentemperatur, die über längere Zeiträume – abhängig von der Masse des
Sterns – konstant bleiben. So leuchtet unsere Sonne schon seit etwa 4,5 Milliarden
Jahre relativ konstant.
Doch der Zustand des Sterns
verändert sich dennoch leicht mit
der Zeit. Da im Kern effektiv aus
vier Protonen ein Heliumkern
entsteht
(Proton-Proton-Zyklus,
Abb. rechts), sinkt die Anzahl der
atomaren Teilchen im Kern. Da der
Druck in einem „Gas“ auch von der
Anzahl der Teilchen in diesem Gas
abhängt, sinkt damit auch der
Druck im Innern des Sterns,
wodurch die Gravitation leicht die
Oberhand gewinnt. Der Kern
kontrahiert so lange, bis die
dadurch verursachten Erhöhungen
von Dichte und Druck wieder für
Kräftegleichgewicht sorgen.
Die nuklearen Fusionsprozesse
sind in dieser Phase für den Stern
wie ein Thermostat. Eine kleine
Temperaturerhöhung erhöht die
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:FusionintheSun.svg
Anzahl der Fusionsprozesse und
Autor
Borb auf Wikimedia Commons
damit
die
Energieausbeute
drastisch, wodurch sich der thermische Druck im Kern vergrößert. Der Stern würde
sich ausdehnen und mit dieser Ausdehnung geht eine Temperaturverringerung
einher, die die Anzahl der Fusionsprozesse wieder herabsetzt.
Dies ist auch der Grund für die lange stabile Phase eines Sterns, vor allem bei
Skript ASTROPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
25
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
Sternen in Größenordnung einer Sonnenmasse M ⊙ . Deshalb befinden sich Sterne
die längste Zeit ihres Lebens auch auf der Hauptreihe des Hertzsprung–Russell–
Diagramms.
Die Masse wurde bisher schon öfters angesprochen, wenn es um Zeiträume geht, in
denen sich bestimmte Entwicklungsphasen abspielen. Deshalb soll an dieser Stelle
kurz auf den Einfluss der Masse auf die Entwicklung bzw. Entwicklungsphasen eines
Sterns eingegangen werden. Im Prinzip kann man sagen, dass jede einzelne
Entwicklung um so schneller abläuft, je größer die Masse des Sterns ist.
Ein Stern größerer Masse ist auch aus einer massereicheren interstellaren Wolke
entstanden. Dies bedeutet, dass die gravitative Energie, die in diesem System steckt,
deutlich größer als bei massearmen Sternen ist. Massereiche Sterne erreichen ihren
Gleichgewichtszustand früher als masseärmere Sterne, d.h. Druck und Temperatur
für das Wasserstoffbrennen werden schon bei einem größeren Radius erreicht.
Massereiche Sterne haben deshalb einen größeren Radius als massearme Sterne.
Die Leuchtkraft eines Sterns (abgestrahlte Energiemenge pro Sekunde) hängt
ebenfalls von der Masse ab. Dies liegt daran, dass massereiche Sterne einen
größeren Druck und eine höhere Kerntemperatur erreichen, wodurch die Fusionsrate
erheblich größer ist. Somit wird auch mehr Energie pro Sekunde frei und die
Leuchtkraft und die Oberflächentemperatur sind im Vergleich zu massearmen
Sternen größer. Ein Hauptreihenstern mit vierfacher Sonnenmasse hat etwa die
43,5 = 128 − fache Leuchtkraft der Sonne. Da dieser Stern mit nur vierfacher Masse
aber 128 Mal so viel Energie pro Zeit abstrahlt, ist sein Energiereservoir viel schneller
erschöpft. Folge: massereichere Sterne „leben“ kürzer als masseärmere Sterne.
Kurze Zusammenfassung:
•
„Größe“ des Sterns
•
Kerntemperatur
•
„Heftigkeit“ der Fusionsprozesse
•
Häufigkeit verschiedener Elemente
•
Spektrum des Sterns
•
Leuchtkraft des Sterns
•
Oberflächentemperatur des Sterns
•
Farbe des Sterns
•
Lebensdauer eines Sterns (auf Hauptreihe)
R  M 
=

R⊙  M ⊙ 
0,6
L  M 
=

L⊙  M ⊙ 
L  R 
=

L⊙  R⊙ 
2
3,5
T 
⋅ 
 T⊙ 
M 
τ ≈ 10 Jahre ⋅  ⊙ 
ms
 M 
4
2,5
10
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26
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
Geht der Brennstoff (Wasserstoff) im Zentrum aus, kommt das Wasserstoffbrennen
zum Erliegen. Damit „verliert“ der Stern auch den Gas– bzw. Strahlungsdruck,
welcher der Gravitation die ganze Zeit über Einhalt gebieten konnte, und der Stern –
vor allem der Kern – kontrahiert wieder aufgrund des Virialtheorems.
Ist die Masse des Sterns und damit die vorhandene gravitative Energie groß genug,
so kann die Temperatur im Kern auf etwa 100 Mio. Kelvin ansteigen und die nächste
Brennstufe einsetzen: das Fusionieren des inzwischen im Kern vorhandenen
Heliums.
Bei der Zündung des Heliumbrennens spielen sich innerhalb von Sekunden
dramatische Prozesse ab, bei denen der Leistungsumsatz im Zentrum auf das 100Milliardenfache der Sonnenleistung ansteigen kann, ohne dass an der Oberfläche
davon etwas erkennbar ist. Diese Vorgänge bis zur Stabilisierung des
Heliumbrennens werden als Heliumflash bezeichnet.
In einem gewissen Bereich (einer Schale) um den Kern herrschen zu diesem
Zeitpunkt allerdings meist Bedingungen, die ausreichen, um Wasserstoff zu
fusionieren. Man spricht dann vom Schalenbrennen.
Die Schale, in der das Wasserstoffbrennen stattfindet, brennt am unteren Rand
schneller aus als am oberen, d.h. die Schale frisst sich langsam nach außen durch.
Zum einen wächst dabei der Kern bzgl. Größe und Masse, da das Abfallprodukt
Helium des Wasserstoffbrennens von der Schale auf den Kern fällt. Zum anderen
dehnt sich aber auch die Hülle des Sterns durch die sich nach außen fressende,
wasserstoffbrennende Schale aus. Die äußeren Bereiche einer Sternhülle sind
gravitativ deutlich schwächer gebunden als die inneren Bereiche und können bei
steigenden Gas– und Strahlungsdruck leichter vom Stern entfernt werden. Der Stern
wächst in dieser Phase um den Faktor 10 bis 1000 und wird zum Roten Riesen.
Die rötliche Farbe bekommt der Stern, da durch die Ausdehnung die abgegebene
Energiemenge pro Oberflächeneinheit abnimmt und damit die Oberflächentemperatur auf etwa 3000–4000 Kelvin sinkt. Nach dem Planckschen Strahlungsgesetz strahlen Sterne dieser Oberflächentemperatur die meiste Energie im rötlichen
Bereich des Spektrums ab.
Ist auch der Heliumvorrat im Kern soweit aufgebraucht, dass das Heliumbrennen
zum Erliegen kommt, so entscheidet sich aufgrund der Sternmasse, ob durch weitere
Kontraktion im Kern die Zündtemperatur für die jeweilig nächste Brennstufe erreicht
wird. Falls das Kohlenstoffbrennen im Kern startet, existiert um den Kern eine
Schale, in der Helium fusioniert wird und um diese Schale wiederum eine Schale, in
der Wasserstoff fusioniert wird: der Stern hat somit eine Zwiebelschalenstruktur.
Sterne mit etwa 9–10 Sonnenmassen können durch mehrmalige Kontraktion die
Zündtemperaturen für alle Brennstufen erreichen. Das Siliziumbrennen ist dabei die
letzte mögliche Brennstufe, da die entstehenden Elemente (Eisen, Kobalt, Nickel) zur
Eisengruppe gehören. Eisennuklide haben die höchste Kernbindungsenergie und
Skript ASTROPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
27
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
somit ist durch weitere Fusion kein Energiegewinn mehr möglich. In der folgenden
Tabelle sind die im Stern dominierenden Energieerzeugungsprozesse bei
verschiedenen Temperaturen aufgeführt, wobei sich das Wasserstoffbrennen je nach
Temperatur in den p-p-Zyklus und den CNO-Zyklus splittet.
Temperatur
Dominierender Energieerzeugungsprozess
bis 5 Mio. K
Wärme, Rotation, Gravitation
5–15 Mio. K
pp-Reaktion: 26.2 MeV / Reaktion
H1 + H1
→ D 2 + e+ +ν
(1.44 Μ eV , 1, 4 ⋅1010 a )
→ He3 + γ
D2 + H 1
He + He
3
3
→ He + 2 H
4
(5.49 Μ eV , 6 s )
(12.85 MeV , 1 ⋅106 a )
1
CNO-Zyklus: 25 MeV / Reaktion
C 12 + H 1 → N 13 + γ
→ C13 + e+ + ν
N 13
15–50 Mio. K
C + H
13
→N
1
14
+ γ
( 7.35 MeV , 3, 2 ⋅10 a )
8
→ N 15 + e + + ν
N 15 + H 1 → C12 + He 4
( 2.71 MeV , 82s )
( 4.96 MeV , 111000a )
3α–Prozess (He-Brennen): 7.3 MeV / Prozess
He 4 + He 4 → Be8
(−0.1 Μ eV, endotherm )
( 7.4 MeV )
γ ( 7.4 MeV )
Be8 + He4 → C12 + γ
C12 + He 4 → O16 +
C-Brennen
C 12 + He 4
→ O16 + γ
O16 + He 4 → Ne20 + γ
500–1000 Mio. K
(2.22 Μ eV , 7 m)
(7, 54Μ eV , 2, 7 ⋅106 a )
N 14 + H 1 → O15 + γ
O15
100–200 Mio. K
(1.95 Μ eV , 1, 3 ⋅107 a )
C 12 + C 12
( 7.4 MeV )
( 4.75 MeV )
→ Mg 24 + γ
→ Mg 23 + n
→ Na 23 + p
→ Ne20 + α (α = He4 )
O-Brennen
O16 + O16
→ Si 32 + γ
→ Si 31 + n
um 1,5 Mrd. K
→ P 31 + p
→ Si 28 + α
über 1,5 Mrd. K
Si-Brennen
Si 28 + Si 28 → Fe56 + γ
Skript ASTROPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
28
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
Kurz vor Versiegen der letzten Energiequelle (Si-Brennen) hat ein massereicher
Stern eine ausgeprägte Zwiebelschalenstruktur, wobei in jeder einzelnen Schale ein
anderer Fusionsprozess abläuft. Diese Zwiebelschalenstruktur ist in der folgenden
Abbildung nur schematisch dargestellt, denn die radiale Ausdehnungen der
einzelnen Schalen unterscheiden sich um mehrere Größenordnungen. Der Eisenkern
(roter Kreis) hat zum Beispiel nur etwa einen Radius von 1500 km und würde in
einem maßstabsgetreuen Bild bei einem H-Schalenradius von 100 Millionen
Kilometer zu einem winzigen Punkt ohne erkennbare Ausdehnung schrumpfen.
Beteigeuze, der scheinbar hellste Stern im Sternbild Orion, ist ein roter Überriese und
ca. 500 Lichtjahre von uns entfernt, also astronomisch gesehen relativ nahe. Sein
Durchmesser beträgt etwa den 1000–fachen Sonnendurchmesser oder etwa 10
Astronomische Einheiten (AE). Eine Astronomische Einheit entspricht gerade der
Skript ASTROPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
29
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
mittleren Entfernung der Erde zur Sonne ( 1AE = 1, 496 ⋅108 km ). Würde in unserem
Sonnensystem die Sonne durch Beteigeuze ersetzt werden, so würde der äußere
Rand von Beteigeuze bis zur Jupiterbahn reichen. Durch die relative Nähe und die
enorme Ausdehnung kann Beteigeuze zum Beispiel durch das Hubble Space
Teleskop in eine Scheibe aufgelöst werden (Abbildung unten). Neue Untersuchungen zeigen allerdings, dass Beteigeuze seit 1995 etwa um 15% geschrumpft ist.
Dies könnte ein Anzeichen dafür sein, dass gerade die letzte Kontraktion stattfindet,
bevor Beteigeuze zum finalen Ende kommt und in einer Supernova explodiert. In
diesem Fall wäre für einige Wochen Beteigeuze heller als der Vollmond.
http://hubblesite.org/newscenter/archive/releases/1996/04/image/a/
Andrea Dupree (Harvard-Smithsonian CfA), Ronald Gilliland (STScI), NASA and ESA
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30
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
III.6 Endstadien
Kommt in einem Stern die letzte erreichbare Fusionsstufe zum Erliegen, steht das
nukleare Energiereservoir nicht mehr zur Verfügung. Die Art und Weise wie sich ein
Stern aus dem Leben verabschiedet, hängt sehr stark mit den gerade ablaufenden
inneren Prozessen sowie den vorhandenen Elementen (Abfallprodukte der
Fusionsstufen) zusammen. Da die Masse und damit die gravitative Energie des
Sterns die letzte Fusionsstufe festlegt, bestimmt die Masse damit auch gleichzeitig
das Ende des Sterns – und das nicht nur zeitlich gesehen.
III.6.1 Weißer Zwerg
Masseärmere Sterne mit M ≤ 8M ⊙ durchlaufen nicht alle Brennstufen, für sie ist
meist das Heliumbrennen die letzte Brennstufe.
Durch das einsetzende Wasserstoffschalenbrennen und später durch das zusätzlich
einsetzende Heliumschalenbrennen bläht sich der Stern enorm auf, da dieses
Schalenbrennen deutlich schneller abläuft als bisher die Fusion im Kern. Durch
diesen Anstieg der Energieproduktion wird der thermische Druck auf die Hülle größer
und der Stern wird zu einem Roten Riesen.
Durch diese extreme Expansion sind die äußeren Schichten der Hülle jedoch
gravitativ weniger stark an den Stern mit seinem Kohlenstoffkern gebunden. Durch
starke Sternwinde stößt der Stern seine äußeren Schichten ab und bläst sie als
immer dünner werdende Gashülle in den Weltraum. Der zurückgebliebene Kohlenstoffkern hat zunächst immer noch sehr hohe Temperaturen und ionisiert mit seiner
abgegebenen UV-Strahlung die abgestoßene Hülle. Dadurch wird diese Hülle zum
Leuchten angeregt und es entsteht ein planetarischer Nebel (siehe Abbildungen). Mit
der Zeit wird der Kohlenstoffkern immer kälter und die weiter expandierende
Gashülle immer dünner, so dass der planetarische Nebel mit der Zeit verblasst.
Ringnebel
http://hubblesite.org/gallery/
album/entire/pr1999001a
The Hubble Heritage Team
(AURA/STScI/NASA)
Spirograph–Nebel
http://hubblesite.org/gallery/
album/pr2000028a
NASA and The Hubble Heritage Team
(STScI/AURA)
Eskimonebel
http://hubblesite.org/gallery/
album/pr2000007a/
NASA, Andrew Fruchter and the ERO
Team [Sylvia Baggett (STScI), Richard
Hook (ST-ECF), Zoltan Levay (STScI)]
Skript ASTROPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
31
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
Physikalisch wesentlich interessanter als der planetarische Nebel ist der zurückbleibende Kohlenstoffkern, der sogenannte Weiße Zwerg.
Wir erinnern uns, der Kohlenstoff im Kern ist das Abfallprodukt der letzten
Brennstufe, der Heliumfusion. Der Stern würde gerne seinen Kern kontrahieren
lassen, um die zur Zündung nötige Energie aus dem gravitativen Energiereservoir zu
erhalten (Virialtheorem). Wie wir schon wissen, gelingt es den masseärmeren
Sternen nicht, diese Zündtemperatur zu erreichen. Aber warum? Was stemmt sich
gegen eine weitere Kontraktion des Kerns?
Das Plasma im Kern ist eine Mischung aus positiven Ionen und Elektronen. Erhöht
sich die Kerntemperatur durch die Kontraktion des Kerns, so erhöht sich die
kinetische Energie dieser geladenen Teilchen, sie werden also schneller. Lässt man
das komprimierte Plasma abkühlen, so kann es aufgrund des sinkenden Drucks
danach weiter komprimiert werden. Irgendwann erreicht man jedoch die Grenze der
Komprimierung, die durch die Quantenphysik festgelegt ist, egal wie kalt das Plasma
auch wird – das Gas ist entartet.
Die Protonen, Neutronen und Elektronen sowie die Neutrinos gehören zur
Elementarteilchenfamilie der Fermionen. Diese Fermionen unterliegen dem von
Wolfgang Pauli formulierten Ausschließungsprinzip bzw. Pauli–Verbot. Dies besagt,
dass zwei Fermionen in einem bestimmten Raumbereich nicht denselben Zustand
einnehmen können. Diese Zustände werden durch die sogenannten Quantenzahlen
beschrieben:
-
Hauptquantenzahl n
Sie gibt die "Schale" an, in der sich das Elektron am wahrscheinlichsten aufhält.
-
Nebenquantenzahl bzw. Drehimpulsquantenzahl l
Sie kennzeichnet die Form des Orbitals im Atom.
-
Magnetische Quantenzahl des Drehimpulses m
Sie gibt die räumliche Orientierung des Elektronen-Bahndrehimpulses an.
-
Spinquantenzahl s
Sie gibt die Orientierung des Spins des Elektrons an.
So sind zum Beispiel die Elektronen im Atom bestrebt, nie den gleichen Zustand wie
ein anderes Elektron im Atom einzunehmen, d.h. sich in mindestens einer
Quantenzahl von den anderen zu unterscheiden.
Ein Gas ist nun entartet, wenn alle zur Verfügung stehenden Zustände lückenlos und
vollständig besetzt sind.
Eine schöne Analogie des entarteten Zustands:
In einem Raum stehen 100 Stühle und es bewegen sich 50 Menschen in diesem
Raum von Stuhl zu Stuhl. Dabei entsprechen die zur Verfügung stehenden Stühle
den verfügbaren Quantenzuständen und die Menschen sollen Elektronen darstellen.
Die Bewegung der Menschen (kinetische Energie) entspricht der thermischen
Skript ASTROPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
32
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
Bewegung der Elektronen und damit dem thermischen Druck. Das Pauli–Verbot sagt
nun aus, dass zu keiner Zeit zwei Menschen auf demselben Stuhl sitzen können, und
da mehr als ausreichend Stühle zur Verfügung stehen, wird es auch keine Probleme
in der Platzwahl geben. Werden nun aber auf der einen Seite des Raums Stühle
entfernt, so drängen sich die Menschen auf der anderen Seite des Raums und die
Wahrscheinlichkeit, dass ein angestrebter Stuhl schon von einer anderen Person
besetzt ist, wird größer. Auch die Bewegung der Menschen wird langsamer, d.h. die
kinetische Energie und der thermische Druck sinken. Sind nun nur noch 50 Stühle im
Raum, so kann eine Person nur noch den Platz wechseln, wenn eine andere Person
mit ihr den Stuhl tauscht. Nun ist es nicht mehr möglich, einen weiteren Stuhl zu
entfernen, denn alle verfügbaren Zustände sind besetzt. Das „Personengas“ ist
entartet.
Da Elektronen mit 0,511 MeV eine deutlich geringere Ruhemasse haben als
Protonen oder Neutronen (ca. 938 MeV), erreichen sie deutlich schneller (d.h. bei
wesentlich geringeren Dichten) den Zustand der Entartung als Protonen und
Neutronen. Bei den Weißen Zwergen sind es die Elektronen, die im Zustand der
Entartung keine weitere Kompression des Kohlenstoffkerns zulassen. Die Masse des
sterbenden Sterns (Weißen Zwergs) ist einfach zu klein, um aus gravitativer Sicht
eine größere Kraft für die Komprimierung aufbringen zu können. Der Entartungsdruck
der Elektronen gewinnt das Tauziehen...
Der Weiße Zwerg kühlt nun mit der Zeit ab und wird im Laufe vieler Milliarden Jahre
zum Schwarzen Zwerg.
III.6.2 Supernovae
Massereiche Sterne mit M ≥ 8M ⊙ durchlaufen alle Brennstufen, durch eine jeweilige
Kontraktion des Kerns können die für die folgenden Fusionsprozesse nötigen Zündtemperaturen erreicht werden. In Kapitel III.5 wurden die möglichen Fusionsprozesse
dargestellt. Da Eisenatome die höchste Bindungsenergie aufweisen, ist auch Eisen
das ultimative Endprodukt der Kernfusion.
Massereiche Sterne erleben am Ende ihres Lebens eine heftige Explosion, die
sogenannte Supernova (SN). Es gibt unterschiedliche Arten von Supernovae: SN Ia,
SN Ib, SN Ic und SN II (die eigentlich auch noch in unterschiedliche Typen unterteilt
sind).
Supernovae Ia sind thermonukleare Explosionen, während Supernovae Ib, Ic und II
durch einen Gravitationskollaps des Vorläufersterns entstehen. Die einzelnen
Supernovae–Typen lassen sich spektroskopisch unterscheiden, da ihre charakteristischen Unterschiede in der An– bzw. Abwesenheit bestimmter Absorptionslinien im
früheren Spektrum liegen (siehe Abbildung unten). Während sich Supernovae von
Typ I und Typ II durch die Anwesenheit von Wasserstofflinien differenzieren lassen,
bestehen die Unterschiede innerhalb des Typ I im Vorhandensein von Helium– und
Siliziumlinien.
Skript ASTROPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
33
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
Supernova
Keine
H–Linien
Keine
Si–Linien
H–Linien
Si–Linien
Keine
He–Linien
He–Linien
SN Ic
SN Ib
SN Ia
SN II
Die genauen Abläufe bei einer Supernova – egal welchen Typs – sind noch nicht
gänzlich verstanden, mit den Computersimulationen und Modellen scheint man aber
auf dem richtigen Weg zu sein. Dennoch sind die einzelnen Schritte sehr kompliziert
und würden den Rahmen dieses Papiers sprengen, so dass im Folgenden nur kurz
auf bestimmte Details eingegangen werden soll.
Mit Ausnahme von SNe Ia sind alle Supernovae charakterisiert durch einen finalen
Kollaps des Kerns. Anders als beim Weißen Zwerg kann der Entartungsdruck der
Elektronen diesen Kollaps nicht stoppen, erst der Entartungsdruck der Protonen und
der Neutronen verhindert ein weiteres Schrumpfen des Kerns. Bei diesem Vorgang
werden – bildlich gesprochen – die Elektronen „in die Protonen gedrückt“, wodurch
Neutronen entstehen. Da danach keine sich gegenseitig abstoßenden Protonen,
sondern nur noch Neutronen vorhanden sind, lässt sich die entstandene Substanz
noch etwas weiter komprimieren. Das Endresultat ist ein Neutronenstern, der
üblicherweise einen Durchmesser von nur 20–30 km hat, aber zwischen 1 und 3
Sonnenmassen auf die Waage bringt. Seine Materie ist so dicht, dass ein Teelöffel
dieser Materie etwa die Masse der gesamten Menschheit hat!
Ist selbst der Entartungsdruck der Neutronen nicht stark genug, um den finalen Kernkollaps aufzuhalten, kollabiert der Supernovaüberrest zu einem Schwarzen Loch.
Dies sind mit die skurrilsten Objekte im Universum, aber leider nicht Gegenstand
dieses Skripts.
Bei der thermonuklearen Explosion der Supernova Ia bleibt dagegen kein Überrest
mehr übrig. Der Stern wird vollständig zerrissen. Lange Zeit ging man davon aus,
dass Supernovae nur in einem engen Doppelsternsystem entstehen können, in dem
Skript ASTROPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
34
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
einer der beiden Sterne das Riesensternstadium hinter sich hat und zum
Zwerg geworden ist, der zweite Stern aber noch ein Roter Riese ist. Dehnt
Rote Riesenstern über eine bestimmte Grenze (Roche–Grenze) hinweg
strömt Gas vom Riesenstern auf den Weißen Zwerg über. Dadurch erhöht
Masse des Weißen Zwergs stetig.
Weißen
sich der
aus, so
sich die
Erreicht der Weiße Zwerg die sogenannte Chandrasekhar–Grenze von 1, 44M ⊙ , so
steigt die Temperatur im Innern so weit an, dass die vorhandenen positiven
Kohlenstoffionen und Sauerstoffionen ihre gegenseitige Abstoßung überwinden und
ineinander eindringen können. Da der Weiße Zwerg im entarteten Zustand ist, merkt
er nichts von dieser Temperaturerhöhung und der thermische Druck steigt deshalb
nicht an (die entartete Materie reagiert äußerst träge auf die Temperaturerhöhung).
In dem Moment, wenn die nötige Temperatur erreicht ist, um das Kohlenstoff–
Sauerstoffgemisch zu zünden, erfolgt die Verbrennung explosiv und breitet sich
explosiv durch den Weißen Zwerg aus. Die Verbrennungsrate des Kohlenstoffs ist
proportional zu T 20 . Der Weiße Zwerg wird durch diese Supernova Ia–Explosion in
ca. 2–3 Sekunden zerrissen.
Da alle SN Ia fast dieselben Voraussetzungen aufweisen, sollten sie auch alle in
etwa gleich viel Energie freisetzen und damit gleich hell sein. Bisher wurden deshalb
die leuchtkräftigen SN Ia als Standardkerzen für die Entfernungsbestimmung benutzt.
Supernovae Ia setzen etwa eine Energie von etwa 1044 J frei und leuchten fast so
hell wie eine komplette Galaxie mit mehreren Milliarden Sternen, wie das Bild von der
Supernova 1994D in der Galaxie NGC 4526 zeigt.
http://www.hubblesite.org/gallery/album/star/supernova/pr1999019i/
NASA, ESA, The Hubble Key Project Team, and The High-Z Supernova Search Team
Inzwischen sind allerdings einige SN Ia bekannt, die deutlich heller bzw. weniger hell
sind und damit einen Energiebetrag freisetzen, der über bzw. unter dem bisher vermuteten liegt. Deshalb sind heute auch mehrere Szenarien für eine SN Ia–Explosion
im Gespräch, die es allerdings in den nächsten Jahren noch genau zu prüfen gilt.
Skript ASTROPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
35
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
IV Exoplaneten
In diesem Kapitel geht es um Planeten, die um andere Sterne ihre Bahnen ziehen.
Diese heißen extrasolare Planeten oder kurz Exoplaneten.
Exoplaneten sind optisch schwer nachzuweisen, da sie nicht selbst leuchten,
sondern nur das Licht des „Muttersterns“ reflektieren. Das bedeutet, dass sie im
Vergleich zu ihrem Mutterstern sehr leuchtschwach sind und von dessen Licht (auf
Aufnahmen) überstrahlt werden. Zwei solche in der Helligkeit extrem unterschiedliche
Objekte lassen sich auf die großen Distanzen mit Teleskopen. äußerst schwer
räumlich auflösen. Dennoch hat man bisher etwa 1800 Exoplaneten um über 1000
verschiedene Sterne nachgewiesen (Stand 27.02.2014), die meisten mit Methoden,
die im Folgenden kurz beschrieben werden.
IV.1 Nachweismethoden
IV.1.1
Photometrische Methode (Transitmethode)
Diese Methode funktioniert nur, wenn man
von der Seite (edge-on) auf das zu
untersuchende Planetensystem schaut und
ein Planet aus unserer Sicht somit vor dem
Stern vorbeizieht (Transit). Steht der Planet
vor dem Stern, so verringert sich die
Helligkeit des Sterns geringfügig. In unserem
Sonnensystem können Planetentransits
ebenfalls beobachtet werden, allerdings nur
von den sogenannten inneren bzw. unteren
Planeten Merkur und Venus. Wie gering die
Abdeckung durch die Planetenscheibe ist,
wird z.B. beim Venustransit von 2012 (Bild
rechts) deutlich. Die Helligkeitsmessgeräte
(Photometer) müssen extrem empfindlich
sein, um Planeten um andere Sterne nach
dieser Methode zu identifizieren.
http://commons.wikimedia.org/wiki/
File:Venus_transit_2012_Minneapolis_TLR1.jpg
Autor
Tom Ruen auf Wikimedia Commons
Zu diesem Zweck wurde 2009 das Weltraumteleskop Kepler ausgesetzt, welches
u. a. permanent die Helligkeiten von mehr als 150000 Sternen in einem kleinen,
festen Himmelsausschnitt im Sternbild Schwan misst. Wird ein Planet entdeckt, so
erhält der Stern die Bezeichnung KeplerX, wobei das X eine fortlaufende Nummer
darstellt. Der Planet wird dann als KeplerXb bezeichnet, ein zweiter diesen Stern
umkreisender Planet erhält die Bezeichnung KeplerXc usw. Leider fiel im Mai 2013
das zweite von vier Trägheitsrädern aus, die dazu benötigt werden, das Teleskop
exakt auf eine Position auszurichten, so dass die NASA gezwungen war, die
Skript ASTROPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
36
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
Hauptmission einzustellen. Die bisher gelieferten Daten sind allerdings bei weitem
noch nicht ausgewertet, u.a. mussten etwa 3600 weitere Planetenkandidaten noch
überprüft werden. Am 26.02.2014 verkündete die NASA allerdings eine wahre Flut
von neuen Exoplaneten. Mit einem neuen statistischen Auswerteverfahren war es
möglich, auf einen Schlag 715 neue Exoplaneten als gesichert zu betrachten und die
Zahl der bekannten Exoplaneten von ca. 1100 auf 1800 zu erhöhen.
Image Credit: NASA Ames/SETI/J Rowe
Bei den „neuen“ Exoplaneten handelt es sich vorwiegend um Planeten mit der
maximalen Größe von Neptun, viele haben allerdings maximal den doppelten
Erddurchmesser. Anscheinend befinden sich vier dieser Planeten wiederum in der
habitablen Zone ihrer Zentralgestirne. Man wird sie weiter und genauer unter die
Lupe nehmen.
Image Credit: NASA Ames/W Stenzel
Skript ASTROPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
37
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
Bei Kepler16 handelt es sich z.B. um ein Doppelsternsystem, d.h. es umkreisen sich
zwei Sterne Kepler16A und Kepler16B, und um die sich umkreisenden Sterne zieht
ein Planet seine Bahnen. In der Helligkeitskurve zeigen sich mehrere Einbrüche. Die
tiefen Einbrüche kommen zustande, wenn sich die beiden Sterne gegenseitig
verdecken (Helligkeitseinbrüche um 13% bzw. 1,5%). Die Helligkeitseinbrüche durch
Planetentransits sind meist deutlich geringer und im Bild rechts etwa 0,1%.
http://kepler.nasa.gov/files/mws/lightcurveKepler16.jpg
Umkreisen mehrere Planeten einen Stern, so unterscheiden sich die Einbrüche in der
Periodizität (Umlaufdauer des Planeten), in der Tiefe des Einbruchs und in der Breite
des Einbruchs bzw. des Plateaus. Das folgende Bild zeigt den Helligkeitseinbruch
des Sterns Kepler9 durch den Planeten Kepler9b ziemlich detailliert.
http://kepler.nasa.gov/Mission/discoveries/kepler9b/
Skript ASTROPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
38
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
IV.1.2
Radialgeschwindigkeitsmethode
Bei dieser Methode greift man auf die Eigenschaft zurück, dass sich zwei sich
umkreisende Objekte um ihren gemeinsamen Schwerpunkt bewegen. Besitzt ein
Stern einen Planeten, so liegt der Schwerpunkt aufgrund der hohen Masse des
Sterns im Vergleich zum Planeten innerhalb oder wenig außerhalb des Sterns. Der
Stern bewegt sich somit bei einem Umlauf des Planeten einmal um diesen
Schwerpunkt. Somit entfernt sich der Stern von einem Beobachter oder kommt auf
ihn zu (zweites und viertes Bild der Bilderserie unten). Durch den optischen
Dopplereffekt verschieben sich die Absorptionslinien im Spektrum bei Annäherung an
den Beobachter zum blauen Ende des Spektrums hin (Blauverschiebung), beim
Entfernen des Sterns vom Beobachter erfolgt eine Rotverschiebung (siehe Kapitel
II.2). In den Situationen, in denen sich der Stern senkrecht zur Sichtlinie bewegt,
findet keine Verschiebung der Absorptionslinien statt. Durch die Verschiebung ∆λ
kann die Radialgeschwindigkeit, d.h. die Geschwindigkeitskomponente der Sterns in
Blickrichtung berechnet werden (siehe Dopplereffekt, Kapitel II.2). Mit der Umlaufzeit
des Planeten und der Radialgeschwindigkeit des Sterns lassen sich mit dem dritten
keplerschen Gesetz die Mindestmasse des Planeten sowie die Masse des Sterns
berechnen.
Verschiebung der Absorptionslinien aufgrund der Bewegung des Sterns um den Schwerpunkt des Systems Stern–Planet
Skript ASTROPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
39
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
IV.2 Massenbestimmung eines Exoplaneten
Hat man über einen gewissen Zeitraum die Linienverschiebungen gemessen, kann
man die Radialgeschwindigkeiten des Sterns zu verschiedenen Zeitpunkten
berechnen:
v2
1− 2
△λ λ '− λ
c −1
=
=
v
λ
λ
1−
c
bzw. nichtrelativistisch ( v ≪ c )
△λ
λ
≈
v
c
Wird die Radialgeschwindigkeit gegen die Zeit aufgetragen, so kann man aus dem
Diagramm die Maximalwerte der Radialgeschwindigkeit und die Umlaufzeit des
Planeten ablesen.
Beim gelben Riesenstern 18 Delphini ergibt sich z.B. untenstehendes Diagramm,
welches erkennen lässt, dass dieser Stern einen Planeten besitzt (18 Delphini b).
Ablesen der Periode liefert eine Umlaufzeit von etwa 985 Tagen (genau: 993 d).
Zudem
schwankt
die
Radialgeschwindigkeit
zwischen
den
Werten
m
m
m
−130 ≤ vr ≤ 110 , d.h. die „Nulllinie“ liegt bei vr = −10 . Diese Nulllinie verrät uns
s
s
s
übrigens, ob sich der Stern generell auf uns zu ( v < 0 ) oder von uns weg ( v > 0 )
bewegt.
Diagramm aus http://exoplanets.org/detail/18_Del_b
This plot was retrieved from the Exoplanet Orbit Database and the Exoplanet Data Explorer at exoplanets.org, maintained by
Dr. Jason Wright, Dr. Geoff Marcy, and the California Planet Survey consortium
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40
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
Kennt man die Masse des Sterns, die Umlaufzeit des Planeten und die effektive
Radialgeschwindigkeit vbeob , so kann man mit der folgenden Formel die Masse des
Exoplaneten berechnen:
mP ⋅ sin i =
1
3
vbeob ⋅ T ⋅ mS
2
3
1
( 2π ⋅ γ ) 3
Da man jedoch nicht erkennen kann, welche Neigung die Umlaufbahn des Planeten
zur Sichtlinie hat, kann man immer nur die Komponente in Beobachtungsrichtung
messen, d.h. von der Bahngeschwindigkeit des Sterns vS zeigt die Komponente vbeob
zum Beobachter.
Himmelsebene
i
vS
vbeob
Bahnebene des
Exoplaneten
vbeob = vS ⋅ sin 0 = 0
vbeob = vS ⋅ sin 90 = vS
Beobachter
vbeob = vS ⋅ sin i
Die Massenbestimmung nach der obigen Formel liefert somit aufgrund der
Unsicherheit in der Neigung der Exoplanetenbahn immer nur eine Mindestmasse des
Exoplaneten ( m p ⋅ sin i ).
Im Beispiel 18 Delphini b:
vbeob = 110
m 
m
m
−  −10  = 120
s 
s
s
T = 995d = 85968000s
mS = 2,3M ⊙ = 2, 3 ⋅1,989 ⋅1030 kg = 4,575 ⋅1030 kg
Die Formel liefert somit das Ergebnis m p ⋅ sin i = 1,95 ⋅10 28 kg ≈ 10,3 ⋅ mJupiter .
Skript ASTROPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
41
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
Herleitung der Formel für die Massenbestimmung:
Annahmen:
3. keplersches Gesetz:
r3
γ
= 2 ⋅ (mS + mP )
2
T
4π
Bahnhalbachsen:
r = rS + rP
Schwerpunktsatz („Hebelgesetz“): mS ⋅ rS = mP ⋅ rP
Umformung:

 mS
r
+
r
⋅


S
S
r 3 (rS + rP )3 
 mP
=
=
2
2
T
T
T2
3



=
  mS
 rS ⋅ 1 +
  mP
T2
3

 m 
 m + mP 
rS 3 ⋅ 1 + S 
rS 3 ⋅  S


mP 
mP 



=
=
T2
T2
vS =
Vereinfachung: konstante Bahngeschwindigkeit:
Umformung:
 m + mP 
rS ⋅  S

3
r
 mP 
=
T2
T2
3
2π ⋅ rS
T
→
3
3
3
 vS ⋅ T   mS + mP 


 ⋅
γ
 2π   mP 
⋅ (mS + mP ) =
T2
4π 2
3
vS 3 ⋅ T 3 ( mS + mP )
⋅
γ
8π 3
mP 3
⋅
(
m
+
m
)
=
S
P
4π 2
T2
vS 3 ⋅ T
mP 3
=
2
( mS + mP ) 2π ⋅ γ
Zwischenergebnis:
vS ⋅ T
2π
3
 vS ⋅ T   mS + mP 


 ⋅
r 3  2π   mP 
=
T2
T2
Vereinfachung:
rS =
3
3
mS + mP ≈ mS
wegen mP ≪ mS :
mP 3 =
3
vS 3 ⋅ T ⋅ mS 2
2π ⋅ γ
1
2
v 3 ⋅ T ⋅ mS 2 vS ⋅ T 3 ⋅ mS 3
mP = 3 S
=
1
2π ⋅ γ
2π ⋅ γ 3
(
)
Mit den Beobachtungsgrößen T und vbeob = vS ⋅ sin i :
mP ⋅ sin i =
1
3
vbeob ⋅ T ⋅ mS
2
3
1
( 2π ⋅ γ ) 3
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42
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
IV.3 Bedingungen für Leben (Drake-Formel)
In diesem Abschnitt werden nicht die biologischen oder chemischen
Voraussetzungen für die Existenz von Leben auf einem Planeten behandelt, sondern
eher die generellen, astronomischen Bedingungen.
Verschiedene Quellen1), 2) führen u. a. folgende Bedingungen an:
-
Es muss ein geeigneter Zentralstern vorhanden sein.
-
Der Planet muss eine geeignete Masse haben, d.h. bei zu großer Masse wird
alles Leben „erdrückt“ und bei zu kleiner Masse kann der Planet keine
ausgeprägte Atmosphäre halten.
-
Auf dem Planeten muss die Temperatur in einem bestimmten Bereich liegen,
damit Wasser nicht gefriert oder kocht. Somit muss sich der Planet in der
richtigen Entfernung von dem Stern befinden, in der sogenannten habitablen
Zone. Diese bewohnbare Zone hängt von der Größe und Leuchtkraft (Energie
pro Sekunde = Leistung) des Zentralgestirns ab. Das Bild zeigt ein Vergleich
zwischen dem Sonnensystem und dem Gliese 581–System (die Planeten b–e
sind bestätigt, die Existenz der Planeten f und g ist noch nicht gesichert).
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Gliese_581_-_2010.jpg
Autor
ESO auf Wikimedia Commons
-
Der Planet sollte ausgekühlt sein und somit eine feste Oberfläche haben.
-
Der Planet braucht ein Magnetfeld als Schutz vor Strahlung.
-
In dem System sollte sich auch ein benachbarter Gasriese (ähnlich dem Jupiter
oder Saturn) befinden, der wie eine Art Staubsauger größere Asteroiden oder
Meteoriten aufgrund seiner Schwerkraft einfängt.
-
Die Bahn des Planeten um den Stern sollte möglichst konzentrisch bzw. nur
leicht elliptisch sein, damit die Temperaturschwankungen nicht zu groß werden.
Es gibt natürlich noch eine Reihe weiterer Bedingungen, die Liste ließe sich fast
beliebig erweitern.
1) http://www.3sat.de/page/?source=/nano/astuecke/23568/index.html , 2) http://www.mpifr-bonn.mpg.de/public/life/ritter.htm
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43
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Dr. J. Hirsch
Der Astrophysiker Frank Drake, der seit 1984 Präsident
des SETI-Institutes (SETI = "Search for Extraterrestrial
Intelligence") ist, ging 1960 einen anderen Weg:
Er wollte statistisch die Anzahl
NZ
der technisch
entwickelten Zivilisationen in der Milchstraße ermitteln, die
eine interstellare Kommunikation beherrscht bzw. wünscht.
Dazu entwickelte er eine Formel, in die insgesamt sieben
Faktoren einfließen und die seither als Drake-Formel
bekannt ist:
N Z = R∗ ⋅ f p ⋅ ne ⋅ f l ⋅ f i ⋅ f c ⋅ L
http://commons.wikimedia.org/wiki/
File:Frank_Drake_-_primo_piano.JPG
Bedeutung des Faktors
Schätzung
Drake
Heutige
Schätzung
R∗
Anzahl der Sterne, die pro Jahr in unserer Galaxis entstehen.
100
1
fp
Verhältnis von Planeten zu Sternen bzw. Anteil der geeigneten
0,25
0,5
2
0,01
Sterne mit Planeten.
ne
Anteil der Planeten, die in der habitablen Zone liegen und über
die für biologische Prozesse notwendigen Bedingungen verfügen
(feste
Oberfläche,
geeignete
Temperaturen,
Magnetfeld,
Atmosphäre ...)
fl
Wie wahrscheinlich ist die tatsächliche Entstehung von Leben?
0,5
1
fi
Wie oft entsteht eine intelligente Spezies?
0,1
0,001
fc
Wie ist der Anteil an Zivilisationen mit den nötigen Mitteln zur
0,1
0,1
~100
50000
N Z = 25
N Z = 0, 025
interstellaren Kommunikation?
L
Wie groß ist die durchschnittliche Lebensdauer einer solchen
technischen Zivilisation?
Die Drake–Formel ist in vielerlei Hinsicht sehr spekulativ. Der Werte für die einzelnen
Faktoren werden noch heute divers diskutiert. So liegen z.B. die Werte für die
tatsächliche Entstehung von Leben im Bereich 10−6 ≤ f l ≤ 1 . Daher streuen die
Ergebnisse für die Anzahl der technisch entwickelten Zivilisationen in unserer Galaxis
enorm, von mehreren Millionen bis zu einer einzigen auf dem Planeten Erde.
Die Drake-Formel dient auf jeden Fall als Grundlage vieler Diskussionen in der
Forschergemeinschaft und wurde inzwischen dahingehend verändert, dass die
meisten unsicheren Faktoren durch Werte ersetzt wurden, die der ExoplanetenForschung zugänglich sind. Zwei Faktoren bleiben allerdings auch bei der
überarbeiteten Formel sehr spekulativ.
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44
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
V Kosmologie
Die Kosmologie ist die Lehre von der Welt und beschäftigt sich in diesem
Zusammenhang sowohl mit der Entstehung als auch der weiteren Entwicklung des
Universums.
Über den Aufbau der gesamten Welt machte man sich schon sehr lange Zeit
Gedanken. Im geozentrischen Weltbild (Claudius Ptolemäus, ca. 150 n. Chr.) steht
die Erde im Mittelpunkt der Welt und alle Dinge kreisen um die Erde. Dieses Weltbild
steht mit den Erfahrungen und Beobachtungen sehr gut im Einklang und hält sich bis
ins 16. Jahrhundert. Nikolaus Kopernikus veröffentlichte 1543 seine Schrift "De
Revolutionibus Orbium Coelestium", in der er ein endliches Universum beschreibt,
welches durch eine extrem große Fixsternsphäre begrenzt ist. Alle Planeten kreisen
in diesem heliozentrischen Weltbild um die Sonne.
Die Entwicklung und Verbesserung der Teleskope offenbarte eine Menge neuer
Objekte und Strukturen am Nachthimmel. So entdeckte 1845 William Parsons mit
seinem Riesenteleskop „Leviathan" (1,8 m Spiegeldurchmesser) in Irland die
Spiralstruktur von Nebeln. Seine hervorragende Zeichnung der Whirlpool–Galaxie ist
unten einer Aufnahme vom Hubble Space Teleskop gegenüber gestellt.
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:M51Rosse.png
Autor:
William Parsons
http://hubblesite.org/gallery/album/entire/pr2005012a/
NASA, ESA, S. Beckwith (STScI), and The Hubble Heritage
Team (STScI/AURA)
Zu diesem Zeitpunkt dachte man allerdings noch nicht an andere Galaxien, sondern
unsere Welteninsel – die Milchstraße – war nach der damaligen Meinung das
gesamte Weltall und die Nebelstrukturen mussten somit ein Teil unserer Milchstraße
sein. Diese Diskussion endete in der großen Debatte bzw. Shapley-Curtis-Debatte im
Jahre 1920. Die beiden Astronomen Harlow Shapley und Heber Curtis stritten um die
Größe des Universums und die Zugehörigkeit dieser Nebel zu unserer Milchstraße.
Während Shapley davon ausging, dass die Milchstraße wesentlich größer sein muss
als von vielen angenommen und die Spiralnebel Gaswolken in dieser einzigen
riesigen Galaxie sind, stellte sich Curtis die Milchstraße wesentlich kleiner vor und
deutete die Spiralnebel als sehr weit entfernte eigenständige Galaxien.
Skript ASTROPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
45
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
Im Prinzip hatten beide Recht und Unrecht, denn die Milchstraße ist tatsächlich
größer als damals angenommen (Shapley), aber die Spiralnebel sind definitiv
eigenständige Galaxien (Curtis). Doch bis zu dieser Erkenntnis dauerte es noch etwa
drei Jahre, als ein gewisser Edwin Powell Hubble auf einer Aufnahme des
Andromedanebels einen Stern entdeckte, der seine Helligkeit periodisch ändert – ein
sogenannter Cepheid. Warum war diese Entdeckung so wichtig bzw. entscheidend?
V.1
Exkurs: Entfernungsbestimmung im Weltall
Das Universum ist riesengroß, die Objekte in ihm sind auf extremste Weise
unterschiedlich weit voneinander entfernt. Möchte man die Entfernung eines
beobachteten Objekts ermitteln, so eignen sich für einzelne Entfernungsbereiche
unterschiedliche Verfahren.
Die von der Reichweite aufeinanderfolgenden Methoden sollten sich jeweils etwas
überlappen, damit man die Entfernungen von Objekten, die in diesem Überlappungsbereich liegen, auf zwei unterschiedliche Arten bestimmen kann und somit auch die
nächste Entfernungsstufe eichen kann. Deshalb spricht man in diesem
Zusammenhang auch von der kosmischen Entfernungsleiter (siehe Bild unten).
Allerdings sollte einem klar sein, dass jede weitere Stufe nur so gut sein kann wie die
Stufe, auf der sie aufgesetzt ist.
In der Abbildung sind zwar nicht alle, allerdings einige wichtige Verfahren zur
Entfernungsbestimmung im Kosmos dargestellt. Die auf der Achse angegeben
(Gültigkeits–)Bereiche in Parsec der einzelnen Verfahren variieren je nach Quelle, in
der man nachschlägt. Deshalb sind die Grenzen der Bereiche nicht als fest, sondern
eher als grober Anhaltspunkt zu verstehen. Allerdings lassen sie sich durch eine
Weiterentwicklung der Messmethoden und eine Erhöhung der Messgenauigkeit
vergrößern.
Auf die trigonometrische Parallaxe, das Hauptreihenfitting, die Cepheiden und die
Supernovae 1a wird im Folgenden näher eingegangen.
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46
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
V.1.1 Parallaxe
Beobachtet man am Ort A der Erde eine totale Sonnenfinsternis, so kann man von
einem weiter entfernten zweiten Ort B nur noch eine partielle Sonnenfinsternis oder
keine Verfinsterung mehr beobachten. Der uns viel nähere Mond scheint von den
beiden Orten A und B im Bezug zur Sonne unterschiedliche Positionen zu haben.
Auch besonders nahe Sterne verändern ihre Position vor dem Hintergrund der weit
entfernten Sterne, wenn sich unsere Position ändert. Die Positionsveränderung auf
der Erdoberfläche ist begrenzt, d.h. die beiden Beobachtungsorte haben einen sehr
kleinen Abstand, so dass der Effekt äußerst schwierig zu messen ist. Die größte
Ortsveränderung, die wir ausführen können, ist doppelt so groß wie die große Halbachse der Erdbahn, d.h. wir messen im zeitlichen Abstand von einem halben Jahr.
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:ParallaxeV2.png
Autor:
WikiStefan auf Wikimedia Commons
Der Winkel p, unter dem man den Abstand SonneErde vom betrachteten Stern aus sehen würde,
heißt Parallaxenwinkel oder jährliche Parallaxe. Je
weiter der Stern entfernt ist, desto kleiner wird p
und desto schwieriger ist p zu messen. Im Laufe
des Jahres beschreibt der Stern von der Erde aus
gesehen eine Ellipsenbahn vor dem Hintergrund
der sehr weit entfernten Sterne.
Es gilt:
sin p =
1AE
r
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:
Stellarparallax2_language_neutral.png
Da die gemessenen Werte für p deutlich kleiner als eine Bogensekunde 1'' =
sind, ist sin p ≈ p und somit
r=
1°
3600
1AE
, mit p im Bogenmaß.
p
Dabei steht 1 AE für 1 Astronomische Einheit, welche gerade die mittlere Entfernung
der Erde von der Sonne ist:
1AE = 149597870691 m ≈ 149, 6 Mio. km
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47
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
Die Astronomische Einheit ist für Entfernungsangaben in unserem Sonnensystem
bestens geeignet, als Maßstab für die großen Entfernungen im Weltall ist sie
allerdings zu klein. Deshalb benötigt man eine „größere“ Entfernungseinheit:
Die Entfernung, für die die Parallaxe eine Bogensekunde (1") betragen würde, heißt
Parallaxensekunde (Parsec; pc).
Es gilt:
1 pc =
180 ⋅ 60 ⋅ 60 ⋅1AE
π
= 206265 AE = 3, 0857 ⋅1013 km .
Die Entfernung eines Sterns beträgt mit p in Bogensekunden
r=
1''⋅ pc
p
Ein weiteres gebräuchliches Entfernungsmaß ist das Lichtjahr (1 ly), d.h. die Strecke,
die das Licht in einem Jahr zurücklegt:
1ly = 299792, 458
1ly = 0,3066 pc
km
⋅ 365, 25 ⋅ 24 ⋅ 60 ⋅ 60s = 9, 461⋅1012 km = 0,3066 pc
s
1 pc = 3, 26 ly
Da die Parallaxe nur bei relativ nahen Sternen bzw. Objekten bis ca. 1kpc messbar
ist, braucht man für die weiter entfernten Objekte andere Vorgehensweisen.
V.1.2 Anpassung an die Hauptreihe – Hauptreihenfitting
Diese Methode eignet sich besonders gut für Sternhaufen. Ein Sternhaufen ist eine
Ansammlung vieler Sterne, der je nach Form zu den Kugelsternhaufen (Beispiel M10
im Bild links) oder den offenen Sternhaufen (Beispiel M50 im Bild rechts) zugeordnet
wird.
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:M10_allthesky.jpg
Autor:
Till Credner und Sven Kohle, Observatorium
Hoher List
Autor:
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:M50.jpg
Till Credner und Sven Kohle, Calar Alto Observatory
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48
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
Die Sterne eines Sternhaufens sind aus derselben interstellaren Wolke entstanden
und damit etwa gleich alt. Zudem haben alle Sterne eines Haufens von uns etwa
dieselbe Entfernung.
Trägt man die scheinbare Helligkeit der Sterne eines Sternhaufens im Hertzsprung–
Russell–Diagramm ein, so sieht man, dass die Sterne des Haufens unterhalb der
Hauptreihe liegen. Da man davon ausgeht, dass die Sterne eines Haufens einen
Querschnitt aus der Hauptreihe repräsentieren, können sie durch eine Verschiebung
nach oben auf die Hauptreihe gelegt werden.
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:HRDiagram.png
Autor
Richard Powell auf Wikimedia Commonsf
Skript ASTROPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
49
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
Nun kann für einen Stern des Haufens sowohl die scheinbare als auch die absolute
Helligkeit entnommen werden. Damit kann mit dem Entfernungsmodul
d = 10 pc ⋅100,2⋅( m − M − A)
die Entfernung des Haufens bestimmt werden.
Ein Problem bei allen photometrischen Verfahren ist die interstellare Extinktion
A = ∆m . Diese gibt an, um welchen Betrag ∆m die dahinter liegenden Sterne
abgeschwächt werden. Schon ein leichtes Abweichen der tatsächlichen Extinktion
vom angenommenen Wert kann erhebliche Fehler in der Entfernungsbestimmung zur
Folge haben. Als Faustregel gilt, dass in der erweiterten Sonnenumgebung für das
visuelle Spektrum A ≈ 1 mag Extinktion pro 1 kpc Sichtlinie stattfindet.
V.1.3 Pulsationsveränderliche – Cepheiden
Ende des 19. Jahrhunderts existierten am Harvard Observatorium sehr viele
Photoplatten mit Aufnahmen von Sternen sowie eine riesige Menge an
Sternspektren. Astronomie war zu dieser Zeit reine Männersache und so stellte
Edward Charles Pickering, Direktor des Harvard Observatoriums von 1877 bis 1919,
auch zunächst Männer ein, um diese Daten zu analysieren. Die Arbeit dieser Männer
war für Pickering allerdings nicht zufriedenstellend, so dass er einmal äußerte, dass
diese Arbeit sogar von Frauen besser gemacht werden könnte. Also stellte er mehr
als zehn Frauen ein, welche die analytischen Arbeiten deutlich besser und sogar zu
geringeren Gehältern erledigten. Diese Gruppe ist bekannt unter dem Namen
„Pickerings Harem“ oder „Harvard Computer“.
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:
Edward_Charles_Pickering's_Harem_13_May_1913.jpg
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Astronomer_Edward_
Charles_Pickering%27s_Harvard_computers.jpg
Als erstes Resultat der hervorragenden Arbeit konnte Pickering 1890 einen Katalog
veröffentlichen, in welchem etwa 10000 Sterne nach ihrem Spektrum geordnet und
klassifiziert waren. Protagonistin war hier Annie Jump Cannon, die zusammen mit
Pickering die Einordnung von Sternen bzgl. ihres Spektrums in Spektralklassen
verfeinerte und verbesserte.
Skript ASTROPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
50
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
Eine andere Frau aus Pickerings Harem sollte jedoch
eine deutlich größere Rolle spielen: Henrietta Svan
Leavitt. Sie widmete sich akribisch der Auswertung
von Photoplatten und der Suche nach Cepheiden,
d.h. Sternen, die ihre Helligkeiten änderten. Leavitt
war taub, doch gerade durch diese Einschränkung
war sie die ideale Person, um mit ihrem extrem stark
ausgeprägten optischen Sinn die doch teilweise
schlechten Photoplatten auszuwerten.
1912 hatte Leavitt durch intensives Auswerten vieler
Fotoplatten bereits erkannt, dass die Periode der
Helligkeitsschwankungen eines Cepheiden anscheinend mit seiner Leuchtkraft bzw. absoluten Helligkeit
http://commons.wikimedia.org/wiki/
zusammenhängt. Für eine genaue Untersuchung
File:Leavitt_aavso.jpg
eines möglichen Zusammenhangs von Leuchtkraft
und Periode war es notwendig, veränderliche Sterne zu untersuchen, die alle etwa
gleich weit von der Erde entfernt sind, um Helligkeitsunterschiede aufgrund
unterschiedlichen Entfernung auszuschließen. Diese Sterne fand Leavitt in der
Magellanschen Wolke und eine genaue Untersuchung dieser 25 Sterne offenbarte
eine deutliche Abhängigkeit der Helligkeit (y–Achse) von der Periode (s. Abbildung).
http://adsabs.harvard.edu/cgi-bin/nph-data_query?bibcode=1912HarCi.173....1L&link_type=ARTICLE&db_key=AST&high=
Leavitt, Henrietta S.; Pickering, Edward C (1912). Periods of 25 Variable Stars in the Small Magellanic Cloud. In: Harvard
College Observatory Circular, vol. 173, pp.1-3
Diese Periode–Leuchtkraft–Beziehung ermöglichte es nun, durch Vergleich mit
einem Cepheiden in bekannter Entfernung die Entfernung des zweiten Cepheiden zu
bestimmen. Zudem kann durch die inzwischen genauer untersuchte Beziehung
M = −2,81·log( p) − 1, 43
die absolute Helligkeit eines Cepheiden in Abhängigkeit der Pulsationsdauer p (in
Tagen) abgeschätzt werden. Cepheiden sind durch ihre enorme Helligkeit sehr weit
zu sehen, so dass sie zu großen Entfernungsbestimmungen benutzt werden können.
Skript ASTROPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
51
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
V.1.4 Supernovae Ia
Supernovae des Typs Ia werden in der Astronomie als Standardkerzen für große
Entfernungen benutzt. Sie stellen – wie bereits in Kapitel III.6.2 dargestellt – eines
von mehreren Todesszenarien eines Sterns dar und scheinen auf den mehr oder
weniger selben Ausgangssituationen zu basieren. Da sich die Voraussetzungen und
Vorgänge der Explosion entsprechen, sollten alle SNe Ia dieselbe absolute Helligkeit
aufweisen.
Betrachtet man Messwerte von SNe Ia so liegen diese z.B. in folgender Form vor:
JD
(2,440,000+)
10077,8
10078,89
10079,75
10081,66
10087,72
10088,71
10089,74
10091,82
10095,7
10096,62
10099,58
B
(mag)
17,91
17,74
17,61
17,4
17,29
17,36
17,37
17,5
17,77
17,83
18,11
V
(mag)
17,22
17,07
16,94
16,7
16,49
16,51
16,5
16,58
16,76
16,8
17,03
R
(mag)
16,73
16,56
16,46
16,27
16,06
16,08
16,08
16,08
16,32
16,38
16,66
I
(mag)
16,43
16,3
16,23
16,07
16,07
16,16
16,14
16,14
16,4
16,47
16,62
Dabei entsprechen JD (2,440,000+) dem Julianischen Datum, d.h. der Anzahl von
Tagen seit dem 24. Mai 1968 und die Buchstaben B, V, R und I der Helligkeit der SN
bei den Filtern Blau (B = 440 nm), Gelb (V = 540 nm), Rot (R = 620 nm) und Infrarot
(I = 780 nm).
Bei Helligkeitskurven von SNe liegen die Maxima bei t = 0 , d.h. der Helligkeitsverlauf
wird gegen die Anzahl von Tagen seit Erreichen des Maximums aufgetragen.
Bild aus: http://www-supernova.lbl.gov/public/papers/aasposter198dir/wwwposter1d.jpg
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52
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
Helligkeitsverlauf im B-Filter bei verschiedenen SNe Ia
13
13,5
14
14,5
15
scheinbare Helligkeit in mag
15,5
16
16,5
17
17,5
18
18,5
19
19,5
20
20,5
-15
0
15
30
45
21
Zeit in Tagen nach Maximum
Wie auch im selbst erstellten Diagramm oben unschwer zu erkennen ist, scheinen
die helleren SNe Ia langsamer abzuklingen als die weniger hellen. Als typische
Abklingrate wird der ∆m15 -Wert betrachtet, welcher angibt, um wie viel Magnituden
die Helligkeit der SN Ia 15 Tage nach Erreichen des Maximums gesunken ist.
Zeit in Tagen nach Maxim um
-15
0
15
30
45
60
75
90
105
17
scheinbare Helligkeit im B-Band
18
∆m15
19
20
21
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53
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
Untersucht man viele SNe des Typs Ia, so kann man eine lineare Beziehung
zwischen der absoluten Helligkeit und der Abklingrate ∆m15 in jedem Filter
feststellen.
Bild aus: http://iopscience.iop.org/0004-637X/647/1/501/pdf/0004-637X_647_1_501.pdf
Prieto, Rest & Suntzeff (2006). A new method to calibrate the magnitudes of type Ia supernovae at maximum light. In: The
Astrophysical Journal, 647:501–512, 2006 August 10
Bestimmt man die lineare Funktion für die Berechnung der absoluten Helligkeit in der
Form M max = a + b ⋅ ( ∆m15 − 1,1) , so ergeben sich für a und b die folgenden Werte:
Bild aus: http://iopscience.iop.org/0004-637X/647/1/501/pdf/0004-637X_647_1_501.pdf
Prieto, Rest & Suntzeff (2006). A new method to calibrate the magnitudes of type Ia supernovae at maximum light. In: The
Astrophysical Journal, 647:501–512, 2006 August 10
Skript ASTROPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
54
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
Für den Filter B ergibt sich mit a = −19, 319 und b = 0, 634 die Formel
M max = −19,319 + 0, 634 ⋅ ( ∆m15 − 1,1)
Bearbeitet man die Helligkeitskurven mit diesem Korrekturfaktor, so liegen die SNe
des Typs Ia mit ihren Helligkeitskurven in den ersten 30–40 Tagen ziemlich
deckungsgleich aufeinander. Dies zeigt auch, dass diese SNe in etwa die gleichen
Randbedingungen aufweisen.
Bild aus: http://www-supernova.lbl.gov/public/papers/aasposter198dir/wwwposter1d.jpg
Berechnet man mit dem ∆m15 –Wert einer Helligkeitskurve die maximale absolute
Helligkeit M und entnimmt die maximale scheinbare Helligkeit m aus dem Diagramm,
kann mit dem Entfernungsmodul die Entfernung d = 100,2⋅( m− M − A+5) der SN berechnet
werden, falls die Extinktion bekannt ist.
Für die Extinktion gilt in guter Näherung:
A = 3,315 ⋅ ( E ( B ) − E (V ) ) = 3,315 ⋅ ( mmax, B − mmax,V )
Dabei ist mmax, B − mmax,V die Helligkeitsdifferenz im Maximum der SN zwischen B– und
V–Filter; dieser Wert kann ebenfalls aus dem Diagramm entnommen werden,
vorausgesetzt es sind sowohl B– wie auch V–Kurve vorhanden.
Skript ASTROPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
55
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
V.2
Die Expansion des Weltalls und das Urknallmodell
Warum war Hubbles Entdeckung des Cepheiden im Andromedanebel so wichtig?
Die Antwort sollte nun klar sein: Bei einem Cepheiden kann man mithilfe der
Perioden–Leuchtkraft–Beziehung dessen Entfernung und damit die Entfernung des
Andromedanebels berechnen.
Seine Berechnungen zeigten, dass der Andromedanebel etwa 900000 Lichtjahre
entfernt ist, wobei unsere Galaxis einen Durchmesser von etwa 120000 Lichtjahren
hat. Somit konnte der Andromedanebel nicht zu unserer Heimatgalaxie gehören und
musste eine eigenständige Welteninsel sein. Die Tatsache, dass wohl alle bekannten
Nebel dieser Art eigenständige Galaxien sind, erweiterte 1924 die Größe des
Universums in den Köpfen der Menschen schlagartig in unvorstellbare Dimensionen.
Somit war auch die große Debatte zu Ende.
Zu dieser Zeit hatte man bereits die Spektren von etwa 20 Nebeln untersucht und
festgestellt, dass der überwiegende Anteil eine Rotverschiebung aufweist. Dies
bedeutet, dass sich diese Nebel bzw. Galaxien (wie man inzwischen wusste) von uns
weg bewegen. Diese Erkenntnis passte in keines der Schemata der damaligen Zeit.
Hubble sah sich als nunmehr weltbekannter Astronom und gern gesehener Gast auf
gesellschaftlichen Veranstaltungen berufen, dieses Problem zu lösen. Dabei half ihm
einer der besten Astronomiefotografen der damaligen Zeit, Milton Humason, der
genau wie Hubble am Mount Wilson Observatorium arbeitete. Mit ihrem 2,5m–
Teleskop hatten sie das optimale Instrument zur Hand, da es im Vergleich zu den
anderen Observatorien größer und damit lichtempfindlicher war. Während Humason
die Aufnahmen der Spektren diverser Galaxien machte und deren Rot– bzw.
Blauverschiebungen maß, bestimmte Hubble die zugehörige Entfernung. Bald hatten
sie 64 Galaxien in der näheren Umgebung (7 Millionen Lichtjahre) untersucht, wobei
Hubble aufgrund diverser Messfehler nur etwa der Hälfte der Messungen traute.
Als Hubble die Geschwindigkeiten der Galaxien (ermittelt aus der Rotverschiebung)
gegen deren Entfernung (ermittelt mit Cepheiden) auftrug, ergab sich das Diagramm
auf der nächsten Seite oben.
Hubble sah in den Daten einen linearen Zusammenhang zwischen der
Geschwindigkeit einer Galaxie und deren Entfernung von uns. Da die Punkte
allerdings sehr beträchtlich um die eingezeichnete Linie streuten, waren viele
Astronomen nicht von der Aussagenkräftigkeit des Diagramms überzeugt, vielleicht
waren die Punkte doch nur zufällig und diffus verteilt.
Hubble war vom linearen Zusammenhang allerdings so überzeugt, dass er mit
Humason in den folgenden zwei Jahren noch genauere Messungen anstellte, die
auch um einiges tiefer gingen, d.h. die Bestimmung der Spektren und Entfernungen
weiter entfernter Galaxien zuließ. Im Jahr 1931 veröffentlichte Hubble einen Artikel,
in dem er die Ergebnisse von 1929 untermauerte (Diagramm auf der nächsten Seite
unten).
Skript ASTROPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
56
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
Bild aus: http://apod.nasa.gov/debate/1996/hub_1929.html
Edwin Hubble (1929). A RELATION BETWEEN DISTANCE AND RADIAL VELOCITY AMONG EXTRA-GALACTIC NEBULAE.
In: Proceedings of the National Academy of Sciences Volume 15 : March 15, 1929 : Number 3
Bild aus: http://adsabs.harvard.edu/full/1931ApJ....74...43H
Edwin Hubble & Milton L. Humason (1931). The Velocity-Distance Relation among Extra-Galactic Nebulae. In: Astrophysical
Journal, vol. 74, p.43
Die Gerade lässt sich beschreiben durch
v = H0 ⋅ d ,
km
die von Hubble berechnete Konstante (Hubble-Konstante)
s ⋅ Mpc
darstellt. Pro Megaparsec Entfernung erhöht sich demnach die Geschwindigkeit der
km
Galaxien um H 0 = 558
.
s
wobei H 0 = 558
Inzwischen liegt der in der Astrophysik gehandelte Wert für die Hubble–Konstante bei
H 0 ≈ 71
km
.
s ⋅ Mpc
Neuste Messungen mit dem Satelliten Planck ergeben den Wert H 0 ≈ 67,8
km
.
s ⋅ Mpc
Skript ASTROPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
57
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
Dabei wurde aus seiner extrem genauen Messung der kosmischen Hintergrundstrahlung die Hubble-Konstante abgeleitet, die allerdings einen räumlichen Mittelwert
darstellt. Für viele Astronomen ist dieser Wert deutlich zu klein. Sie würden eine
Ausdehnung mit 73,8 Kilometern pro Sekunde und pro Megaparsec bevorzugen,
bestimmt durch Messungen an nahegelegenen Galaxien.
Die Proportionalität der Geschwindigkeit, mit der sich die Galaxien von uns
entfernen, zur Entfernung der Galaxien, lässt im Umkehrschluss zu, dass – rechnet
man in der Zeit zurück – alle Galaxien auf „einen Punkt zulaufen“.
Die Folge dieser Überlegung ist somit ein Punkt, aus dem das Universum beim
sogenannten Urknall (Big Bang) entstanden ist. Diese Erkenntnis spaltete die Welt
der Astronomen wieder einmal für Jahrzehnte in zwei Lager: Die Kritiker, die an
einem statischen Universum festhalten wollten, und die Befürworter des Urknallmodells. Diese Kontroverse soll an dieser Stelle jedoch nicht vertieft werden, letztlich
deckte sich das Urknallmodell am besten mit den über viele Jahre immer neu dazu
gekommenen Beobachtungen.
Geht man von einer gleichförmigen Expansion in einem leeren Universum aus, liefert
die Hubblekonstante bzw. deren Kehrwert auch noch das Alter des Universums, d.h.
die Zeit, die seit dem Urknall vergangen ist.
21
1
1
1 Mpc ⋅ s 1 ( 30,856776 ⋅10 m ) ⋅ s
=
=
=
= 4,346 ⋅1017 s = 1,38 ⋅1010 a
km
H 0 71
71 km
71
1000m
s ⋅ Mpc
Demnach wären seit dem Urknall etwa 13,8 Milliarden Jahre vergangen.
Die Voraussetzung einer gleichförmigen Expansion ist anscheinend
aber nicht gegeben, wie wir
spätestens seit 2011 wissen:
Die Astrophysiker Saul Perlmutter
(links), Adam Riess (Mitte) und Brian
P. Schmidt (rechts) haben „für die
Entdeckung der beschleunigten
Expansion des Universums durch
Beobachtungen
weit
entfernter
Supernovae“
den
Physiknobelpreises verliehen bekommen.
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Shaw2006astro_lightened.jpg
Diese Erkenntnis beeinflusst natürlich das Alter des Universums, zudem lässt sich
die beschleunigte Expansion nur das Vorhandensein sogenannter dunkler Energie
erklären, die etwa 75% des Universums ausmacht. Aber das ist ein eigenständiges,
bei weitem noch nicht abgeschlossenes Kapitel der Astrophysik bzw. Kosmologie,
welches an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden soll.
Skript ASTROPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
58
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
V.3
Gravitationslinsen
Die Teleskope der beobachtenden Astronomen werden zwar immer besser und
größer, jedoch sind der momentanen Technik auch Grenzen gesetzt. So bestimmt
zum Beispiel die Öffnung des Teleskops die Menge an Licht, die pro Zeit
„gesammelt“ werden kann. Mit großen Öffnungen können die Astronomen mit
Langzeitbelichtungen noch Objekte aufnehmen, die aufgrund ihrer riesigen
Entfernung extrem lichtschwach sind.
So hat das Hubble-Teleskop im Dezember 1995 innerhalb von 10 Tagen und 150
Erdumrundungen einen anscheinend leeren Ausschnitt im Sternbild Großer Bär sehr
lange belichtet. Dieser Ausschnitt am Himmel war nicht größer als ein Tennisball in
etwa 100 Meter Entfernung. Dabei wurden insgesamt 342 Einzelbilder in
unterschiedlichen Wellenlängenbereichen aufgenommen, die gesamte Belichtungszeit betrug etwa 141 Stunden, d.h. fast sechs Tage.
Diese 342 Einzelbilder wurden anschließend perfekt überlagert und das Resultat
wurde bekannt als Hubble Deep Field:
http://imgsrc.hubblesite.org/hu/db/images/hs-1996-01-e-full_jpg.jpg
Credit: R. Williams (STScI), the Hubble Deep Field Team and NASA
Skript ASTROPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
59
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
Fast jeder Punkt auf der Aufnahme ist eine Galaxie, insgesamt sind mehr als 3000
Stück erkennbar. Die erreichte Entfernung geht bis etwa 12 Milliarden Lichtjahre, d.h.
bis knapp 2 Milliarden Jahre nach dem Urknall.
Von September 2003 bis Januar 2004 wurde erneut ein kleiner Ausschnitt länger
belichtet. Der Ausschnitt liegt im Sternbild Chemischer Ofen und die Belichtungszeit
betrug etwa 16 Tage! Dieses Hubble Ultra Deep Field und liefert etwa 10000
Galaxien bis zu einer Entfernung von über 13 Milliarden Lichtjahre, also etwa 800
Millionen Jahre nach dem Urknall.
http://imgsrc.hubblesite.org/hu/db/images/hs-2006-12-a-print.jpg
Credit: NASA, ESA, R. Bouwens and G. Illingworth (University of California, Santa Cruz)
Am 25. September 2012 wurde die bisher tiefste Aufnahme veröffentlicht, das Hubble
Extreme Deep Field. Dabei wurden ca. 2000 Einzelbelichtungen von einem
Ausschnitt aus dem Zentrum des Hubble Ultra Deep Field überlagert, die über einen
Zeitraum von zehn Jahren entstanden sind. Das Licht der entferntesten Galaxien in
dieser Aufnahme ist seit etwa 13,2 Mrd. Jahren unterwegs.
Unter bestimmten Umständen sind sehr weit entfernte und lichtschwache Objekte für
uns auch ohne Langzeitbelichtung sichtbar. Der Grund hierfür ist die Ablenkung des
Lichtes durch Materie (Masse), die von Einstein postuliert und 1919 von Arthur
Eddington bei einer Sonnenfinsternis bestätigt wurde.
Befindet sich eine große Masse an der richtigen Stelle zwischen uns und einer sehr
weit entfernten Galaxie, so kann durch die Masse das schwache Licht der dahinter
liegenden Galaxie gerade so gebrochen werden, dass die Lichtstrahlen bei uns
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60
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Dr. J. Hirsch
wieder zusammenlaufen und so verstärkt werden. Die Masse wird also wie eine Art
Sammellinse, welche die Lichtstrahlen in ihrem Brennpunkt bündelt. Diesen Effekt
nennt man Gravitationslinseneffekt.
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Diagram_on_%22Gravitational_Lensing%22.jpg
NASA/JPL-Caltech/T. Pyle (SSC/Caltech)
Da das Licht aber in jeder Raumrichtung gebrochen wird und wir meist nie genau im
Brennpunkt der „Linse“ sitzen, sollten sich dadurch Ringe ergeben, die von Einstein
ebenfalls vorhergesagt wurden und deshalb als Einsteinringe bezeichnet werden.
Tritt dieser Effekt auf, so sieht man auf den Aufnahmen meist aber nur Teilbögen
dieser Ringe, so wie auch auf dem Bild unten rechts.
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Gravitational_lens-full.jpg
http://hubblesite.org/gallery/album/pr2011012a/
Credit: NASA, ESA, J. Richard (Center for Astronomical
Research/Observatory of Lyon, France), and J.-P.
Kneib (Astrophysical Laboratory of Marseille, France)
Astrophysiker können mithilfe dieser Bögen zum einen viel weiter ins Weltall hinausschauen, zum anderen können sie die Größe der dazwischen liegenden Masse –
meist eine große Galaxie oder ein Galaxienhaufen – aus den Einsteinringen ableiten.
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Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
VI Spezielle Relativitätstheorie
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren bestimmte Fragen bzw. Erkenntnisse aus
Versuchen ungeklärt. So rätselte man zum Beispiel, auf welche Art und Weise die
Sonne die riesigen Mengen an Energie erzeugt, denn chemische Energie
(Verbrennung von Kohle o.ä.) und gravitative Energie kamen dafür nicht in Frage.
Auch das Ätherproblem, d.h., ob Licht für die Ausbreitung ein Medium (= Äther)
benötigt, war zu dieser Zeit häufig, aber meist erfolglos diskutiert worden.
VI.1 Ätherproblem
Nach der Newtonschen Additionsregel
für Geschwindigkeiten gilt, dass die
Relativgeschwindigkeit v ' zweier sich
zueinander bewegender Objekte die
Summe
der
beiden
einzelnen
Geschwindigkeiten ist:
v ' = v1 + v2 .
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:AetherWind.png
Autor:
Eirik auf Wikimedia Commons
Man versuchte den Äther nun nachzuweisen, indem man die Lichtgeschwindigkeit
einmal in Flugrichtung der Erde und einmal entgegen der Flugrichtung der Erde maß.
Da sich die Erde auf ihrer Bahn um die Sonne mit ca. v = 30 km bewegt, sollte sich
s
für das Modell des ruhenden Äthers einmal eine Lichtgeschwindigkeit von c ' = c + v
und das zweite Mal eine Lichtgeschwindigkeit von c ' = c − v ergeben.
Das Experiment, welches unter dem
Namen Michelson–Morley–Interferometer
bekannt ist, war wie folgt aufgebaut:
Der Lichtstrahl einer monochromatischen
Lichtquelle wurde durch einen halbdurchlässigen Spiegel in zwei zueinander
rechtwinklige Strahlen aufgespalten. Die
beiden Strahlen wurden danach jeweils an
einem Spiegel reflektiert und auf einem
Beobachtungsschirm wieder zusammengeführt.
Aufgrund
konstruktiver
und
destruktiver Interferenz entstand am Schirm
ein Interferenzmuster, welches äußerst
sensibel auf Änderungen in der Differenz http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Michelson-Morley.svg
Autor:
nd auf Wikimedia Commons
der
optischen
Wege
der
beiden
Lichtstrahlen reagierte. Durch die Bewegung der Erde im Äther sollte sich das
Interferenzmuster bei Drehung der gesamten Apparatur verändern.
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62
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
Als der Physiker Albert Abraham Michelson 1881 in Potsdam allerdings nachwies,
dass durch Drehung der Apparatur keine Veränderung auftritt und die Lichtgeschwindigkeit in allen Fällen gleich groß ist, und dies zusammen mit dem
amerikanischen Chemiker Edward Morley 1887 mit größerer Genauigkeit bestätigte,
musste man den Äther verwerfen. Zudem schien die Newtonsche Additionsregel für
Geschwindigkeiten bei großen Geschwindigkeiten nicht mehr gültig zu sein.
Diese und viele weitere offene Fragen beantwortete 1905 der 26 jährige Schweizer
Patentbeamter Albert Einstein in seiner der Zeitschrift „Annalen der Physik“
übergebenen Arbeit mit dem Titel „Zur Elektrodynamik bewegter Körper“. Diese
enthielt auch seine Gedanken zur speziellen Relativitätstheorie (SRT).
Das grundlegende Postulat der SRT ist dabei, dass die Lichtgeschwindigkeit im
Vakuum in allen sich mit konstanter Geschwindigkeit gegeneinander bewegenden
Inertialsystemen (= Bezugssysteme, in denen der Trägheitssatz gilt) gleich groß ist,
unabhängig vom Bewegungszustand der Lichtquelle.
Die korrigierte Additionsregel für Geschwindigkeiten ist nach Einstein
v' =
v1 + v2
,
v1 ⋅ v2
1+ 2
c
die bei kleinen Geschwindigkeiten in die Newton‘sche Additionsregel v ' = v1 + v2
v ⋅v
übergeht, da 1 2 2 ≈ 0 ist.
c
VI.2 Energie–Masse–Äquivalenz
Die wohl berühmteste Formel der SRT lautet
E = m ⋅ c2 ,
mit der Einstein zum Ausdruck bringt, dass Energie und Masse äquivalent sind und
sich mit dem Faktor c 2 ineinander umrechnen lassen. Diese Formel erwies sich als
entscheidend für die Frage, auf welche Art und Weise die Sonne Energie erzeugt.
Bei der Kernfusion im Innern von Sternen entstehen Produkte, deren Masse etwas
geringer ist als die Summe der ursprünglichen Bestandteile. Dieser
Massenunterschied (Massendefekt) wird nach obiger Formel komplett in Energie
umgewandelt.
Auch bei der Spaltung von schweren Atomkernen, wie sie unkontrolliert bei der
Atombombe oder kontrolliert in einem Atomkraftwerk stattfindet, wird Energie frei, die
sich entsprechend berechnen lässt.
Zudem erklärt die Formel E = m ⋅ c 2 die spontane Entstehung von Teilchen und
Antiteilchen aus Energie, d.h. aus Photonen. Gerade in der Kosmologie ist dieser
Umstand von enormer Bedeutung, da in den ersten Sekundenbruchteilen des
Universums nach dem Urknall nur Energie vorhanden war.
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Einstein brachte allerdings noch weitere Effekte ins Spiel, die bei sehr hohen
Geschwindigkeiten eintreten und zu dieser Zeit noch nicht nachgewiesen bzw.
begründbar waren: die Dehnung der Zeit, die Verkürzung der Länge eines Körpers
oder die Zunahme der Masse eines Körpers.
VI.3 Relativistische Masse
Bewegen sich geladene Teilchen in einem
Magnetfeld B, erfahren sie eine Ablenkung durch
die Lorentzkraft FL. Bewegen sie sich senkrecht
zu den Magnetfeldlinien, so werden die
geladenen Teilchen auf eine Kreisbahn mit
Radius r gezwungen, wobei die Lorentzkraft der
Zentripetalkraft entspricht. Bei einem Elektron
gilt somit
FL = FZ
⇒
mv 2
e⋅v⋅ B =
r
⇒
e
v
=
,
m B⋅r
http://commons.wikimedia.org/wiki/
File:FuerzaCentripetaLorentzN2.svg
Autor:
Jfmelero auf Wikimedia Commons
wobei das Verhältnis der Ladung zur Masse eines Teilchens eine feste Größe dieses
Teilchens ist und spezifische Ladung heißt.
1897 begann der deutsche Physiker Walter Kaufmann mit Experimenten zur
Bestimmung der spezifischen Ladung von Elektronen. Angeregt durch theoretische
Vorhersagen, dass sich die Masse eines geladenen Teilchens mit steigender
Geschwindigkeit erhöht, verfeinerte Kaufmann seine Experimente und konnte 1901
tatsächlich eine Geschwindigkeitsabhängigkeit der Masse feststellen. Allerdings
dachte man zu diesem Zeitpunkt eher an eine elektromagnetische Masse, d.h. eine
durch das elektromagnetische Feld und damit auch durch die Ladung des Teilchens
beeinflusste Masse.
Einstein führte in der SRT im Gegensatz zur trägen Masse, d.h. zur Masse wie wir
sie bisher immer benutzt haben, die relativistische Masse ein, welche von der
Geschwindigkeit abhängt:
Bewegt sich ein Körper mit der Ruhemasse m0 mit der Geschwindigkeit v relativ zu
einem Beobachter, so erhöht sich seine Masse für diesen Beobachter – und nur für
diesen Beobachter – auf
m=
m0
1−
v2
c2
bzw.
m=
m0
k
v
mit k = 1 − β 2 und β = .
c
Dabei ist zu beachten, dass diese Massenzunahme nicht den Körpers an sich
verändert, denn für einen mitfliegenden Beobachter hat der Körper stets die
Ruhemasse m0 .
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VI.4 Zeitdilatation
Zur Erklärung des Phänomens der relativen Zeit baut man sich in Gedanken eine
Lichtuhr. In dieser Lichtuhr läuft ein Lichtblitz auf und ab und wird am jeweiligen Ende
von einem idealen Spiegel vollständig reflektiert.
Ein Beobachter, der sich mit derselben Geschwindigkeit
wie die Lichtuhr bewegt und unmittelbar neben ihr
l
steht, sieht den Lichtblitz in der Zeit ∆t = hoch bzw.
c
nach unten laufen. Für die Länge l = 1,50m benötigt der
Lichtblitz für die Bewegung von unten nach oben
l
1,5m
∆t = =
= 5ns . Die folgende Bilderreihe3)
8 m
c 3 ⋅10
s
entspräche damit einer Gesamtzeit von ∆t = 10ns , d.h. man kann aus der Bewegung
des Lichtblitzes die Zeit seit dem Starten der Uhr ermitteln.
Betrachtet man als (grüner) Beobachter dieselbe Lichtuhr, die nun mit einer
Geschwindigkeit v ≠ 0 vorbeizieht, ergibt sich folgende Bilderreihe:
Für den bewegten roten Beobachter vergeht genau die Zeit ∆tb , die der Lichtblitz
benötigt, um einmal senkrecht nach oben und wieder nach unten zu gehen, also
∆t = 10ns wie im vorherigen Beispiel. Der außenstehende, ruhende grüne
Beobachter sieht durch die Bewegung der Lichtuhr den Lichtblitz in der Zeit ∆tr
allerdings schräg nach oben und wieder schräg nach unten verlaufen. Insgesamt legt
der Lichtblitz bei seiner Bewegung von unten nach oben für den ruhenden
Beobachter die Strecke L zurück, welche größer als l ist.
3) Bilder aus einer Animation auf dem Landesbildungsserver Baden-Württemberg
http://www.schule-bw.de/unterricht/faecher/physik/online_material/relativitaet/zeitdilatation.htm
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Dr. J. Hirsch
Betrachtet man die Größen im rechtwinkligen Dreieck und die Grundvoraussetzung,
dass die Lichtgeschwindigkeit in allen Bezugssystemen c ist, so ergibt sich mit dem
Satz des Pythagoras:
L2 = l 2 + s 2
(c ⋅ ∆tr )2 = (c ⋅ ∆tb ) 2 + (v ⋅ ∆tr ) 2
(c ⋅ ∆tb )2 = (c ⋅ ∆tr ) 2 − (v ⋅ ∆tr ) 2
c 2 ⋅ ∆tb 2 = c 2 ⋅ ∆tr 2 − v 2 ⋅ ∆tr 2
c 2 ⋅ ∆tb 2 = (c 2 − v 2 ) ⋅ ∆tr 2
∆tb 2 (c 2 − v 2 )
=
∆tr 2
c2
∆tb
v2
= 1− 2
∆tr
c
∆tr =
∆tb
1−
v2
c2
Für den Beobachter im ruhenden System scheint die Zeit im bewegten System
verlängert oder gedehnt zu sein. Deshalb spricht man auch von Zeitdehnung oder
Zeitdilatation.
Alternativ dazu kann man auch sagen, dass bewegte Uhren langsamer gehen.
Allerdings muss man sich wiederum im Klaren sein, dass ein mitbewegter
Beobachter diese Zeitdehnung nicht wahrnimmt.
Zeit ist somit relativ und die Relativitätstheorie kann nur eine Aussage über den
„Uhrenvergleich“ zweier Bezugssysteme zueinander machen. Da es die absolute
kosmische Zeit nicht gibt, mit welcher man die Zeit in unserem Bezugssystem
vergleichen kann, ist eigentlich die Frage nach der ZEIT äußerst mühselig. Einstein
sagte dazu: „Zeit ist das, was man an der Uhr abliest“.
Der experimentelle Nachweis der Zeitdilatation gelang mit Hilfe von Myonen,
Teilchen mit 207–facher Elektronenmasse und mittleren Lebensdauer (Zeit, in der die
Anzahl der zerfallenden Teilchen auf 1 ≈ 37% abnimmt) von ca. 2, 2µ s . Die Myonen
e
entstehen in der Erdatmosphäre in etwa 10 km Höhe beim Auftreffen der kosmischen
Strahlung auf die Moleküle und bewegen sich fast mit Lichtgeschwindigkeit (
v = 0,999 ⋅ c ). Die Myonen könnten somit während ihrer Lebenszeit den Weg
s = v ⋅ t = 0,999 ⋅ c ⋅ 2, 2µ s ≈ 660m zurücklegen.
Messungen zeigen aber, dass diese Myonen an der Erdoberfläche auftreffen und
dort nachgewiesen werden können. Das Geheimnis liegt in der Zeitdilatation. Da wir
die Myonen als ruhender Beobachter betrachten, vergeht aus unserer Sicht für die
Myonen auf ihrem Weg zur Erdoberfläche die Zeit langsamer. Die mittlere
Lebensdauer der Myonen, die in deren Bezugssystem 2, 2µ s beträgt, entspricht für
uns ruhende Beobachter
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Dr. J. Hirsch
∆tr =
∆tb
1−
2
=
v
c2
2, 2 ⋅10−6 s
1−
(0,999c)
c2
2
= 49, 2 ⋅10−6 s = 49, 2µ s .
In dieser Zeit legen die Myonen für uns den Weg
s = v ⋅ t = 0,999 ⋅ c ⋅ 49, 2µ s ≈ 14, 73km ,
also mehr als die benötigten 10 km von ihrem Entstehungsort zum Erdboden. Dies ist
eine beeindruckende Bestätigung der in der SRT dargelegten Zeitdilatation.
VI.5 Längenkontraktion
Ein weiteres Ergebnis der SRT ist die Längenkontraktion, die sich unmittelbar aus
der Zeitdilatation ergibt.
Bewegt sich die Lichtuhr U' mit einer Geschwindigkeit von v = 270000
km
≈ 0,9 ⋅ c am
s
ruhenden Maßstab L vorbei, so misst
-
ein ruhender Beobachter zum Beispiel die Zeit tr = 10ns und
-
ein mitbewegter Beobachter im System von U' somit die Zeit tr = 4,36ns .
Die Länge L würde der ruhende Beobachter nun folgendermaßen bestimmen:
L = v ⋅ tr = 0,9 ⋅ c ⋅10ns ≈ 2, 7m .
Der bewegte Beobachter erhält aufgrund seiner gedehnten Zeit nur eine Länge von
L ' = v ⋅ tb = 0, 9 ⋅ c ⋅ 1 −
v2
⋅ tr ≈ 1,18m .
c2
Somit lässt sich festhalten, dass eine Strecke der Länge L für einen mit v = β ⋅ c
bewegten Beobachter in Bewegungsrichtung um den Faktor k = 1 − β 2 verkürzt
wird. Die Strecke hat somit für ihn die Länge
L′ = L· 1 −
v2
.
c2
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Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
Übrigens:
Es werden nur Strecken verkürzt, die in Bewegungsrichtung des bewegten
Beobachters liegen. Querstrecken bleiben unberührt und werden nicht kontrahiert!
Die Längenkontraktion wird zu Ehren des holländischen Physikers Hendrik Antoon
Lorentz auch Lorentzkontraktion genannt.
Das Myonenproblem könnte man jetzt aus der Perspektive der Myonen betrachten:
Da die Myonen sich mit v = 0,999 ⋅ c bewegen, verkürzt sich für sie die Strecke zur
Erdoberfläche auf
L′ = L· 1 −
v2
(0, 999c ) 2
=
10
km
·
1
−
≈ 447 m .
c2
c2
Da sie in ihrer mittleren Lebensdauer aber s = v ⋅ t = 0,999 ⋅ c ⋅ 2, 2 µ s ≈ 660m zurücklegen können, erreichen diese Myonen ohne Mühe die Erdoberfläche.
VI.6 Kausalität
Im Alltag gibt es viele regelmäßige Abläufe, so zum Beispiel das morgendliche
Aufstehen, das Zähneputzen und die anschließende Tasse Kaffee. Aber daraus auf
eine allgemeine Gesetzmäßigkeit zu schließen, wäre fatal, denn aus einem
regelmäßigen Ablauf lässt sich eigentlich nicht vorhersagen, dass es in Zukunft
genau so wieder passieren wird. Vielleicht reicht die Zeit an einem bestimmten
Morgen nicht, um vor dem Losgehen zur Arbeit oder zur Schule eine Tasse Kaffee zu
trinken oder vielleicht ist sogar die Kaffeemaschine defekt.
Der Grund, warum wir überhaupt etwas von dieser Welt verstehen bzw. vorhersagen
können, ist zum einen unsere Neugier und zum anderen das Prinzip von Ursache
und Wirkung. In unseren Köpfen haben wir eine gute Vorstellung davon, was
Ursache und was die Wirkung davon ist, vor allem aufgrund der zeitlichen
Reihenfolge: Die Ursache kommt immer vor der Wirkung, wodurch sich Ursache und
Wirkung sauber voneinander trennen lassen.
In „Das Aktuelle Wissen.de Lexikon“ (herausgegeben von Wissen Media Verlag
GmbH) findet sich für den Begriff Kausalität folgende philosophische und
physikalische Definition:
Kausalität [lat. „Ursächlichkeit“], der angenommene gesetzmäßige
Zusammenhang zwischen zwei aufeinander folgenden Ereignissen, von
denen das eine [frühere] die Ursache und das andere [spätere] die
Wirkung genannt wird. Nach dem Kausalitätsprinzip kann es keine
Wirkung ohne Ursache geben.
Pierre-Simon Laplace hat 1814 in seinem Werk „Essai philosophique sur des
Probabilités“ (Philosophischer Essay über die Wahrscheinlichkeit) die These
Skript ASTROPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
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Dr. J. Hirsch
aufgestellt, dass eine umfassende Kenntnis aller momentanen Größen und
Bedingungen im Universum reichen würde, um die Vergangenheit und die Zukunft
vollständig beschreiben zu können:
Wir müssen also den gegenwärtigen Zustand des Universums als Folge
eines früheren Zustandes ansehen und als Ursache des Zustandes, der
danach kommt. Eine Intelligenz, die in einem gegebenen Augenblick alle
Kräfte kennt, mit denen die Welt begabt ist, und die gegenwärtige Lage
der Gebilde, die sie zusammensetzen, und die überdies umfassend genug
wäre, diese Kenntnisse der Analyse zu unterwerfen, würde in der gleichen
Formel die Bewegungen der größten Himmelskörper und die des
leichtesten Atoms einbegreifen. Nichts wäre für sie ungewiss, Zukunft und
Vergangenheit lägen klar vor ihren Augen.
Mit genügend Rechenleistung könnte man also die Zukunft bis in alle Ewigkeit
vorhersagen, wenn man alle Anfangsbedingungen aller Teilchen des Universums
(Orte, Geschwindigkeiten) kennen würde. Diese von Laplace beschriebene
Intelligenz wird auch als Weltgeist bzw. Laplacescher Dämon bezeichnet.
Fälschlicherweise wird oft davon ausgegangen, dass kleine Änderungen auch nur
kleine Auswirkungen haben. Manchmal können aber kleine Änderungen sehr große
Auswirkungen haben, so sagt man zum Beispiel, dass ein Flügelschlag eines
Schmetterlings an einem anderen Ort einen Wirbelsturm auslösen kann. Dies ist seit
den 1960er Jahren als Schmetterlingseffekt bekannt, aber nicht realitätsnah. In der
damaligen Zeit wurde u.a. das Wetter mit Rechnern simuliert und vorhergesagt, die
in ihrer Rechengenauigkeit allerdings noch nicht so weit fortgeschritten waren. In den
Simulationen hatten also aufgrund der vielen Rundungsfehler und Ungenauigkeiten
kleine Änderungen in den Ausgangsbedingungen teilweise massive Auswirkungen.
In den Wissenschaften muss man damit zwei Arten der Kausalität unterscheiden:
•
Starke Kausalität: auf eine bestimmte Ursache folgt immer eine ganz
bestimmte Auswirkung.
•
Schwache Kausalität: auf eine bestimmte Ursache folgt zwar eine Auswirkung,
aber deren Art oder Ausmaß ist nicht vorhersehbar.
Für die Naturwissenschaften ist es demnach von enormer Bedeutung, dass es eine
starke Kausalität zwischen zwei Ereignissen gibt, wie sonst sollte man den
Naturgesetzen vertrauen können.
Das Fundament „Kausalität“ und das Vertrauen der Wissenschaftler auf das
Kausalitätsprinzip führen jedoch zu Fragen, die nicht zu beantworten sind.
Kosmologen können zum Beispiel keine Antwort auf die Frage „Was war der Anfang
von Allem?“ geben. Der Urknall war zwar die Ursache für alles Weitere im
Universum, aber was war der Verursacher des Urknalls? Auch der Urknall müsste
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eine Auswirkung von etwas anderem sein. Dieser logische Fehlschluss wird dadurch
behoben, dass der Urknall als klar definierter Anfang gesehen wird, und jeder klar
definierte Anfang hat keine Zeit davor!
Die Frage „Was ist außerhalb unseres Universums?“ lässt sich ebenfalls nicht
beantworten. Ursache und Wirkung haben eine klare zeitliche Abfolge, zuerst die
Ursache, dann die Wirkung. Würden sich Photonen als „Überbringer“ von
Informationen mit beliebiger Geschwindigkeit, z.B. auch mit Überlichtgeschwindigkeit
ausbreiten, so könnte man nicht mehr zwischen Ursache und Wirkung unterscheiden
bzw. Ursache und Wirkung würden zeitlich vertauscht bei uns eintreffen. Nach
Einsteins Relativitätstheorie breitet sich aber nichts schneller als mit Lichtgeschwindigkeit aus. Somit erreicht uns heute (13,7 Milliarden Jahre nach dem Urknall) auch
nur das Licht von den Objekten, die maximal 13,7 Milliarden Lichtjahre von uns
entfernt sind. Von Objekten, die weiter entfernt sind, konnte uns das Licht bisher
nicht erreichen und wir uns auch nie erreichen. Deshalb haben wir einen Erkenntnishorizont, über den wir im Universum nie hinausschauen können.
Auch beim Aufbau der Materie sind unserer Erkenntnis Grenzen gesetzt. Heute weiß
man, dass Atome aus Elektronen und einem Atomkern bestehen, der Atomkern
wiederum aus Protonen und Neutronen aufgebaut ist und diese Teilchen ihrerseits
aus kleiner Teilchen (Quarks) bestehen. Jede Substruktur begründet die nächst
höhere Struktur, ist also gewissermaßen die Ursache dafür. Die Quantenmechanik
lehrt uns allerdings, dass es eine kleinste Grenze des Erkennbaren gibt, festgelegt
durch die Heisenbergsche Unschärferelation: Die Natur wird ganz einfach ab einer
bestimmten Grenze unscharf, da nützen auch die besten „Kameras“ nichts.
Die Quantenmechanik bzw. Quantenelektrodynamik lehrt uns, dass einzig Aussagen
über die Wahrscheinlichkeit eines möglichen Ergebnisses gemacht werden können.
Da es eine „untere“ bzw. kleinste Erkenntnisgrenze gibt, sind die Ursachen für
bestimmte Wirkungen nicht mehr zu erkennen. Diese akausalen Prozesse sind oft
mit dem Begriff Zufall verknüpft.
Es mag einem befremdlich vorkommen, dass die Welt im Kleinsten auf akausalen
Prozessen, also auf Zufall aufgebaut ist, und dennoch in ihren größten Strukturen so
geordnet erscheint. Auch Albert Einstein hatte seine Zweifel und schrieb 1926 in
einem Brief an Max Born über die Quantentheorie:
„Die Theorie liefert viel, aber dem Geheimnis des Alten bringt sie uns doch
nicht näher. Jedenfalls bin ich überzeugt davon, dass der nicht würfelt.“
Skript ASTROPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
70
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
VII
Quellen und weiterführende Literatur
VII.1 Literatur:
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Hasinger, Günther (2009). Das Schicksal des Universums. Eine Reise vom
Anfang zum Ende. München: Wilhelm Goldmann Verlag.
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München: Wilhelm Goldmann Verlag.
-
-
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-
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71
Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
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Eine Reportage über 13,7 Milliarden Jahre Werden und Vergehen. München:
Piper Verlag GmbH.
Lesch, Harald (2011). Die Elemente, Naturphilosophie, Relativitätstheorie &
Quantenmechanik. München/Grünwald: Verlag KOMPLETT-MEDIA GmbH.
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Müller, Andreas (2010). Schwarze Löcher. Die dunklen Fallen der Raumzeit. In
Andreas Burkert, Harald Lesch, Nikolaus Heckmann, Helmut Hetznecker (Hrsg.):
Astrophysik aktuell. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag.
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beschleunigten Expansion des Universums. In Andreas Burkert, Harald Lesch,
Nikolaus Heckmann, Helmut Hetznecker (Hrsg.): Astrophysik aktuell. Heidelberg:
Spektrum Akademischer Verlag.
Rees, Martin (2006). Das Rätsel unseres Universums. Hatte Gott eine Wahl?
München: dtv.
Singh, Simon (2011). Big Bang. der Ursprung des Kosmos und die Erfindung der
modernen Wissenschaft. München: dtv.
-
Sterne und Weltraum Dossier Heft 1/2010. Sieben Blicke in den Kosmos.
Astronomie in der Max-Planck-Gesellschaft. Spektrum der Wissenschaft.
-
Sterne und Weltraum Dossier Heft 5/2007. Kosmische Ursprünge. Wie
Astronomen die Geschichte des Universums enträtseln. Spektrum der
Wissenschaft.
Sterne und Weltraum Special Heft 1/2007. Unsere Sonne. Spektrum der
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Sterne und Weltraum. Spektrum der Wissenschaft.
Surdin, V.G. & Lamzin, S.A. (1998). Protosterne. Wo, wie und woraus entstehen
Sterne? Deutsche Übersetzung und Texterfassung: G. Ruben. Heidelberg,
Leipzig: Johann Ambrosius Barth Verlag.
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München: Piper-Verlag.
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Röser und W. Tscharnuter. Weinheim: Wiley-VCH Verlag.
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In Andreas Burkert, Harald Lesch, Nikolaus Heckmann, Helmut Hetznecker
(Hrsg.): Astrophysik aktuell. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag.
Wischnewski, Erik (2006). Astronomie in Theorie und Praxis. 3. Auflage.
Eigenverlag.
-
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Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
VII.2 Weiterführende Literatur:
-
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Sterne und Weltraum Dossier Heft 4/2006. Astronomie vor Galilei. Spektrum der
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Skript ASTROPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
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Skript zum Thema ASTROPHYSIK
Dr. J. Hirsch
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http://hubblesite.org/
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http://kepler.nasa.gov/
(Alles rund um das Kepler-Teleskop)
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Skript ASTROPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
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