01|Überuns scinexx.de-DasWissensmagazin scinexx®-sprich['saineks],eineKombinationaus“science”und“next generation”-bietetalsOnlinemagazinseit1998einenumfassenden Einblick in die Welt des Wissens und der Wissenschaft. Mit einem breiten Mix aus News, Trends, Ergebnissen und Entwicklungen präsentiert scinexx.de anschaulich Informationen aus Forschung undWissenschaft. DieSchwerpunktthemenliegenindenBereichenGeowissenschaften, Biologie und Biotechnologie, Medizin, Astronomie, Physik, Technik sowie Energie- und Umweltforschung. Das Internetmagazin spricht allewissbegierigenUseran-obinBeruf,StudiumoderFreizeit. scinexx wurde 1998 als Gemeinschaftsprojekt der MMCD NEW MEDIA GmbH in Düsseldorf und des Heidelberger Springer Verlags gegründet und ist heute Teil der Konradin Mediengruppe mit dem bekannten Magazin Bild der Wissenschaft sowie den Wissensangeboten:wissen.de,wissenschaft.de,scienceblogs.de, natur.deunddamals.de. 02|Inhalt 01 02 ÜBERUNS INHALT 03 LAUNENDERNATUR SchnabeltiereundAmeisenigel 04 IMPRESSUM 03|LaunenderNatur Schnabeltiereund Ameisenigel VONDIETERLOHMANN Fabelwesen,biologischeKuriositätodergarMissgeschickderNatur: SchnabeltiereundAmeisenigelhabenseitihrerEntdeckungvorgut 200JahrenimmerwiederdieFantasiederWissenschaftlerbeflügeltheftigeSpekulationenüberihrenPlatzimStammbaumdesLebens inklusive. EIN„DING“AUSEINERANDERENWELT D chnabeltier: Original oder Fälschung? England, wir schreiben das Jahr 1798. Aus der britischen Kolonie Neuholland – dem heutigen Australien – ist mal wieder ein Schiff eingetroffen. Nicht unbedingt ungewöhnlich, denn es herrscht reger Verkehr zwischen dem Mutterland England unddennochrelativneuenÜberseegebieten.SträflingeundSiedler strömen in das Land „down under“, im Gegenzug kommen Edelhölzer und andere Naturprodukte, aber auch exotische Geschöpfe nach England. Längst ist es unter Wissenschaftler kein Geheimnis mehr, dass in Australien eine einzigartige Tier- und Pflanzenweltexistiert. DiesesMaljedochhatdasSchiffeineFrachtanBord,diesichspäter als ganz besondere wissenschaftliche Sensation entpuppen wird. Es handelt sich um die Überreste eines Tieres, das im heutigen australischen Bundesstaats New South Wales neu entdeckt wurde – angeblich.DochesscheintSkepsisangebracht,denndasLebewesen hat ein groteskes Aussehen: Entenschnabel, Biberschwanz, Säugetierfell. Jeder, der es zu Gesichtbekommt,tipptsofort auf eine Fälschung. Das liegt zum Teil daran, dass das Tier nicht lebend in Europa eingetroffen ist, sondern nur sein Balg, eine abgezogene Haut mit Haaren und Körperanhängen. Dazu gibt es ein paar einfache Skizzen, die es in seinem Lebensraum zeigen. Schnabeltiere:EchtoderFake?©John Gould:TheMammalsofAustralia/ gemeinfrei(historisch) Echtoder„fake“? Auch der Forscher George Shaw aus der Abteilung für NaturgeschichteimBritischenMuseuminLondonstutztbeimAnblick des Balges. Er beschäftigte sich bereits Jahren mit der Tierwelt Australiens und ist, was ungewöhnliche Lebewesen betrifft, einiges gewohnt.DochdieseshierfälltvölligausdemRahmen.Aucherhält es deshalb erst einmal nicht für eine neue Art, sondern für ein von findigen Tierpräparatoren zusammengebasteltes Kunstwesen. Erst nacheingehenderPrüfungänderterseineMeinungundmachtsich 1799 an die wissenschaftliche Beschreibung der neuen Art. Nach einigem Hin und Her unter den Tiersystematikern erhält sie schließlich den Namen Schnabeltier oder Ornithorhynchus anatinus. Weitere Schnabeltierrelikte, die mit der Zeit in England eintreffen, stützenspäterShawsEinschätzung:DasmerkwürdigeDingauseiner anderen Welt ist echt. Die Fachwelt zeigt sich begeistert von dem bisher unbekannten Erdbewohner. Forscher und andere Naturinteressierte stellen aber auch die erstaunlichsten Theorien überseineStellungimTierreichundüberseineEntstehungauf.Das ThemaEvolutionspieltdabeiaberkeineRolle,dafüristdieZeitnoch nichtreif.CharlesDarwinlebtnochnicht,seineThesenzurEvolution sowieseinHauptwerk„OntheOriginofSpecies“(DieEntstehungder Arten)erscheinenerstknapp60Jahrespäter. DiskussionenohneEnde ManchehaltendasSchnabeltierdeshalb für eine „verrückte Laune der Natur“, andere für das Resultat eines „promiskuitiven Verkehrs der unterschiedlichen Tiergeschlechter“. Hand und Fuß haben alle diese SchnabeltierimBrokenRiver© Spekulationen nicht, denn dazu weiß ChristineFerdinand/GFDL man zunächst viel zu wenig über das australische Tier, über sein Aussehen und seine Lebensgewohnheiten. Nichtsdestotrotz wird in den nächsten Jahrzehnten auch über Fragen wie „Sind Schnabeltiere Säugetiere oder Reptilien?“ und „Legen sie Eier oder gebären sie lebende Junge?“ ausgiebig und heftig gestritten – allerdings ohne durchschlagenden Erfolg. Der deutsche Zoologe und Schriftsteller Alfred Brehm fasst in seinem 1883 erschienenen Thierleben das angebliche Wissen über die Schnabeltiere so zusammen: „Endlich gelang es dem unermüdlichen Forscher [gemeint ist der Zoologe GeorgeBennett,derMittedes19.JahrhundertsmehrfachAustralien besuchte], einen Bau mit drei Jungen zu entdecken, welche etwa 5 Centim. lang waren. Nirgends fand man etwas auf, was auf die Vermuthung hätte führen können, daß die Jungen aus Eiern gekommen,unddieEiervondenAltenweggetragenwordenwären. Man konnte nicht mehr im Zweifel sein, daß das Schnabelthier lebendigeJungengebiert.Bennettglaubtnicht,daßdieEingebornen die Mutter jemals säugend gesehen, und entschuldigt sie deshalb wegenihrerlügenhaftenErzählunghinsichtlichdesEierlegens.“Doch Bennet und damit auch Brehm hatten sich geirrt – und zwar völlig. Dasweißmanheutenatürlichlängst. EINEIERLEGENDERSÄUGER D esonderheiten von Ornithorhynchus anatinus Länge: 50 oder 60 Zentimeter. Gewicht: bis 2,5 Kilogramm. Lebensweise: nachtaktiver Einzelgänger; Fleischfresser; guterSchwimmersowohlinFlüssenalsauchinTümpeln und Seen. Lebenserwartung: knapp zehn Jahre. Der Kurzsteckbrief des Schnabeltiers liest sich wie der eines x-beliebigen Lebewesens. Doch die im Osten und Südosten des australischen Festlandes und auf den vorgelagerten Inseln lebende Art ist alles andere als „normal“. „Viele Merkmale, wie das Eierlegen und der Schnabel, lassendieVerwandtschaftzuReptilienundVögelnvermuten.Andere Merkmale,wiederBesitzeinesFellsunddieAufzuchtderJungenmit Milch, deuten jedoch auf die Säugetierverwandtschaft hin“, meint Jürgen Schmitz von der Universität Münster. Der Schnabeltiernachwuchs nuckelt allerdings nicht an Zitzen, sondern lecktdieMilchdirektausdemFellanderBrustderMutter. SäugermitReptilieneinschlag Da sie die drei klassischen Säugermerkmale besitzen Haare, Milchfütterung, drei Gehörknöchelchen - ordnen Evolutionsbiologen und Systematiker die scheinbaren Mischwesen heute trotz aller Widersprüche in die Gruppe der Säugetiere ein. Genauer gesagt zählen sie die SchnabeltiervorErdbau©Rainbow606/ Schnabeltiere zu den so CCBY-SA3.0 genannten Monotremata oderKloakentieren.DennSchnabeltierebesitzenandersalsfastalle übrigen Säuger nur eine einzige Öffnung für Exkremente und die Fortpflanzung. Neben den Schnabeltieren gehören zu den Monotremata nur noch die vier Arten der Ameisenigel, die sich ebenfalls in Australien, aber auch auf Neuguinea tummeln. Dass SchnabeltieresehrurtümlicheSäugersindundvonihremKörperbau und den Verhaltensweisen den Reptilien noch sehr nahe stehen, zeigennachAnsichtvonBiologenvieleBeispiele.Sobesitzensiemit etwa 32° Celsius eine deutlich niedrigere Körpertemperatur als die meisten anderen Säugetierarten. Mindestens ebenso ungewöhnlich sind die Giftsporne der männlichen Schnabeltiere, die sich in der Fersengegend der Hinterbeine befinden. Sie stehen in Verbindung mit speziellen Giftdrüsen am Oberschenkel und kommen vor allem beimKampfumdieGunstderWeibchengegenRivalenzumEinsatz. Ein solcher Giftapparat mit dem hohlen Stachel ist im Säugerreich einzigartig. KonvergenteEvolution Das Gift von Ornithorhynchus anatinus ähnelt dem von Schlangen, die Giftgene bei den beiden Tiergruppen unterscheiden sich nach den Erkenntnissen von Forschern aber deutlich. „Das Gift von Schnabeltieren und Reptilien muss sich in der Evolution also konvergent, das heißt unabhängig voneinander entwickelt haben“, konstatiert Jürgen BrosiusvonderUniversitätMünster,der im Jahr 2008 zusammen mit Kollegen das Genom der Schnabeltiere untersucht hat. Soweit man bisher weiß, GiftspornamHinterfußeines ist das Gift nicht tödlich, weder für die Schnabeltiers©E.Lonnon/ GFDL artinternen Konkurrenten noch für den Menschen.DennochdarfmandieWirkungnichtunterschätzen.Dies zeigt ein früher Erfahrungsbericht aus dem Jahr 1817. Ein Beobachter beschreibt darin den Ablauf und die Folgen der Giftattacke eines Schnabeltiers so: „Das Schnabeltier jagte seine Sporne mit einer solchen Wucht in die Handfläche und den Rücken der rechten Hand und hielt sie darin so fest, dass sie nicht entfernt werden konnten bevor das Tier getötet war. Die Hand schwoll anschließend zu einer ungeheuren Größe an. Der Schmerz war von Beginnanunerträglich.EsdauerteneunWochen,bisderMannseine Handwiederuneingeschränktbenutzenkonnte.“ SchmerzundÖdeme Klinische Studien haben solche Anekdoten längst weitgehend bestätigt. Danach sind heftiger, langanhaltender Schmerz, der auch durchMorphiumnichtzubekämpfenist,undÖdemetypischeFolgen des Schnabeltiergiftes. Die genaue Zusammensetzung und Wirkungsweise des Sekrets ist aber bis heute Gegenstand der Forschung. SCHNABELTIEREJAGENMITELEKTROSINN U Säuger spüren elektrische Felder der Opfer auf Haie können es, Welse oder Rochen auch und viele andere Raubfischeebenfalls:AlledieseTierenehmenelektrische Felder wahr, die andere Tiere beispielsweise beim Schwimmen erzeugen. Der so genannte Elektrosinn hat seinen Sitz im Seitenlinienorgan dieser Fische, das gleichzeitig auch für den Tastsinnverantwortlichist. PassiveElektroortung Vergleichbare Fähigkeiten waren lange Zeit von Säugetieren nicht einmal ansatzweise bekannt – einzige Ausnahme auch hier: die Kloakentiere. Beim Schnabeltier beispielsweise dient der Elektrosinn dazu, Nahrung wie Süßwassergarnelen oder Würmer im Schlamm der Flüsse oder Seen aufzuspüren. Wissenschaftler sprechen dabei auch von einer „passiven Elektroortung“. Die Methode funktioniert einwandfrei, obwohl Augen, Ohren und Nasenlöcher beim Tauchen fest verschlossen sind. Sie können deshalb bei der Nahrungssuche keineHilfestellunggeben.DerElektrosinnistjedochsosensibel,dass erselbstdieextremschwachenelektrischenFeldervonvierbisfünf MikrovoltproZentimeteridentifiziert,diedurchdieMuskelarbeitder potenziellen Opfer erzeugt werden. Die Sinneszellen zur Aufnahme der elektrischen Reize befinden sich im entenartigen „Schnabel“ der Tiere,dereigentlicheineverlängerteNaseist. Superempfindliche Tastrezeptoren Ergänzt wird das Handwerkszeug für die Jagd durch superempfindliche Tastrezeptoren unter der Nasenhaut. Sie können noch die seichtesten Wellenbewegungen, SchwimmendesSchnabeltier© Rainbow606/CCBY-SA3.0 ausgelöst durch die Fortbewegung von Insektenlarven oder Krebsen, wahrnehmen. Die Informationen aus der Umgebung gelangen nach Angaben von Wissenschaftlern schließlich über einen vergleichsweise mächtigen Nervenstrang im Kiefer der Schnabeltiere zum Gehirn – der Räuber schnappt blitzschnellzu.SchnabeltierevertilgendieBeuteabernichtgleichvor Ort, sondern erst später in aller Ruhe. Die gefangenen Kleintiere werden deshalb wie bei unserem einheimischen Hamster in den Backentaschen zwischengelagert. Erst nach dem Auftauchen zermalmendieSäugerihreBeutemitdenHornplatten,dieanStelle vonZähnendieKieferzieren. DelfinemachenSchnabeltierenKonkurrenz Mittlerweile hat das Schnabeltier was den Elektrosinn angeht aber seine „Monopolstellung“ unter den Säugetieren verloren. Im Juli 2011 konnten Forscher um Wolf Hanke von der Universität Rostock zusammen mit amerikanischen Kollegen zeigen, dass auchDelphineElektrosensorenbesitzen. Diese befinden sich bei ihnen in den so genannten Vibrissengruben in der Sotalia©Archilider/GFDL Schnauze der Tiere. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Elektrorezeptoren sich aus einem Tastsinnesorgan entwickeln können, das nahezu alle Säugetiere besitzen. Das deutet darauf hin, dass diese Art der Elektrowahrnehmung auch bei anderen Säugetierarten entdeckt werden könnte“, berichten die Forscher in der Fachzeitschrift „Proceedings of the Royal Society B: BiologicalSciences“. SPURENSUCHEIMSCHNABELTIER-GENOM F her finden faszinierende Mischung von Eigenschaften im ErbgutDassnichtnurdasAussehenunddasVerhaltender SchnabeltierejedeMengeÜberraschungenbieten,sondern auch ihre DNA, hat sich erstmals im Jahr 2004 bestätigt. Damals untersuchten Wissenschaftler um Frank Grützner von der Australian National University in Canberra und der University of MelbourneerstmalsdasErbgutderTiereimDetail.Dabeikamensie einemfürSäugetiereeinzigartigenmolekularbiologischenPhänomen aufdieSpur:Schnabeltierebesitzen-warumauchimmer-stattder üblichen zwei Geschlechtschromosomen, wie etwa der Mensch, gleich zehn. So sind die Zellen der Schnabeltiermänner mit fünf Xund fünf Y-Chromosomen ausgestattet, die Schnabeltierfrauen kommendagegenaufzehnX-Chromosomen. X-ChromosomistnichtgleichX-Chromosom Wie die Analysen der Forscher weiter zeigten, gibt es im Schnabeltiergenomnocheine weitere Kuriosität: Die XChromosomenunterscheiden sichdeutlichinderLängeund im Aussehen. So erinnerten die Gene im größten XChromosom stark an ihre GegenstückebeimMenschen. Die DNA-Sequenzen eines anderen X-Chromosoms glichen dagegen stark der Vogel-DNAundspeziellderen X-ChromosomdesMenschen©MMCD sogenanntemZ-Chromosom. LetzterebesitzenzudembeideeinenErbgutbausteinmitdemNamen DMRT1, der bei Vögeln höchstwahrscheinlich das geschlechtsbestimmende Gen darstellt. Ob das DMRT1-Protein bei Schnabeltieren dieselbe Funktion besitzt, ist bis heute unklar. Die Funde könnten nach Ansicht der Forscher womöglich sogar ein neues Licht auf die Evolution der Säugetiere werfen. Die Wissenschaftler um Grützner und Marilyn Renfree vermuten, dass der noch reptilienartige Vorfahre aller Säugetiere möglicherweise irgendwann ein Z-Chromosom-ähnliches Geschlechtschromosom besessenhabenkönnte. GenomderSchnabeltiereentschlüsselt MittlerweileweißmanallerdingsnochvielmehrüberdasGenomder Schnabeltiere. Denn einem internationalen Wissenschaftlerteam um WesleyC.WarrenvomGenomeSequencingCenterderWashington University in St. Louis hat im Jahr 2008 das Erbgut der Kloakentiere nahezu vollständig entschlüsselt. Es umfasst rund 2,4 Milliarden Basenpaare und 18.500 Gene. Damit sei es von der Größe her durchausmitanderenSäugergenomenvergleichbar,soForscherum Jürgen Schmitz von der Universität Münster, die an der Genomanalyse entscheidend beteiligt waren. Die Aufteilung auf 52 Chromosomen sei dagegen ungewöhnlich und habe eher Reptiliencharakter.„IhreGenorganisationwarseltsamundeinwenig unerwartet“,ergänztMarkBatzervonderLouisianaStateUniversity, einer der Co-Autoren der Studie. „Sie erschien weitaus Vogel- und Reptilien-ähnlicher als Säuger-typisch, obwohlesalsSäugetiereingestuftwird.“ WildeMischung SchnabeltierimLonePine KoalaSanctuary© Rainbow606/CCBY-SA3.0 Auch im Detail entpuppte sich die DNA derSchnabeltierealswildeMischungaus Vogel-, Reptilien- und Säuger-DNA, wie die internationale Forschergruppe feststellte. 82 Prozent aller Gene teilen die Schnabeltiere demnach mit Säugetieren, Reptilien oder Vögeln. Die restlichen 18 Prozent kommen dagegen ausschließlichbeidenKloakentierenvor, so die Genetiker. In ihrer Studie entdeckten sie dabei sowohl Säugertypische Gene, die für die Milchproduktion eine wichtige Rolle spielen. Es gab aber auch Erbanlagen – etwa für die Eierproduktion-, die denen von Vögeln und Echsen verblüffend gleichen. „Diese faszinierende Mischung von EigenschaftenimErbgutliefertunsvieleAnhaltspunktedafür,wiedie Erbanlagen aller Säugetiere funktionieren und sich entwickelten“, meint Richard Wilson von der Washington University, der KoordinatordesProjekts. Schnabeltiereriechenbesseralsgedacht Das Schnabeltiergenom hielt aber noch mehr Überraschungen parat. Es erlaubte beispielsweise Rückschlüsse auf das RiechvermögenderTiere,das imGegensatzzumSehenund Hören bislang als eher unterentwickelt eingeschätzt wurde. Doch die urtümlichen DNA-Analyse©PNNL Säuger „erschnüffeln“ ihre Umwelt offenbar viel besser als gedacht. Darauf deuten zumindest zahlreiche„Geruchsgene“hin,diedieForscherimErbgutentdeckten. DieGenekodierenRezeptorproteine,diefürdieWahrnehmungvon Düften eine entscheidende Rolle spielen. „Wir hätten nur sehr Wenige erwartet, weil die Tiere ja den Großteil ihres Lebens unter Wasser verbringen“, sagte Warren 2008 im Spiegel. Welche BedeutungderGeruchssinnfürdasLebenderSchnabeltierehatund wobei er genau eingesetzt wird, ist nach Angaben der Wissenschaftler zurzeit noch unklar. „Last but not Least“ lieferte das Genom wichtige Indizien zur Position des Schnabeltiers im StammbaumderSäuger.DieAnalysevonFossilienundmolekularen Daten ergab nach Angaben der Forscher, dass sich die Linie der Kloakentiere bereits vor rund 166 Millionen Jahren als Seitenzweig von reptilienähnlichen Säugetiervorfahren abgespalten hat. Bislang ging man meist von einer Trennung vor rund 17 bis 65 Millionen Jahrenaus. (ZU)„HEISSE“ZEITENFÜRSCHNABELTIERE K wandel bringt urtümliche Säuger in Gefahr Trotz der verblüffenden Fähigkeiten und Anpassungen war das Leben im heißen und trockenen Australien für Schnabeltiere noch nie einfach. Doch nun sieht es so aus, als wenn die Zeiten für die wehrhaften Wesen bald noch deutlich härter werden könnten. Diese Ansicht vertreten zumindest Wissenschaftler um Jenny Davis, Ross Thompson und Melissa Klamt vonderMonash-UniversityinMelbourne.DieÖkologenvomCenter für Biodiversitätsforschung sind im Jahr 2011 auf eine Bedrohung gestoßen, deren Wirkung auf die Schnabeltiere bislang offenbar vollständig unterschätzt wurde: Den Klimawandel. Wie die Wissenschaftler bei der Analyse von Wetter- und Populationsdaten ausdenletztengut200Jahrenfeststellten,reagierendieurtümlichen SäugerbereitsjetztvielempfindlicheraufdieglobaleErwärmungals bislanggedacht. Nichtanpassungsfähiggenug? „Schnabeltiere sind erstaunliche Tiere, Ornithorhynchusanatinus ©StefanKraft/GFDL von denen wir glaubten, dass sie ziemlich anpassungsfähig sind“, meint Klamt. „Aber wir haben Indizien dafür gefunden, dass die Erwärmung ihr Verbreitungsgebiet entscheidend beeinflusst.“ Der Trend zu höheren Temperaturen und immer weniger Regen bis hin zu langandauernden Dürren in Südostaustralien wird zudemdenLebensraumfürSchnabeltiereindennächsten60Jahren um rund ein Drittel schrumpfen lassen, so die Forscher weiter. Im Extremfall könnten die Tiere sogar nur in einigen wenigen, heute noch deutlich kühleren Bereichen wie Tasmanien oder King und Kangaroo Island auf Dauer überleben. Ein Grund: Die drohenden Hitzewellen und Dürren könnten künftig viele der bei den Schnabeltieren beliebten Gewässer verschwinden lassen. In den verbliebenen Flüssen, Tümpeln und Teichen müssten die Säuger zudemmitimmerwärmerwerdendemWasserzurechtkommen.Und genau das könnte sie nach Angaben der Wissenschaftler in echte Schwierigkeitenbringen. Luxuriöse„Pelzmäntel“ „Ein Schnabeltier ist ein wunderbar isoliertes Tier – es schwimmt herum in einem der luxuriösesten ‚Pelzmäntel‘ überhaupt“, erklärt Davis.Diesererlaubeesihmbeispielsweise,zehnStundenamTagin nahe0°GradkaltemWassernachNahrungzusuchen.Dochgenau diese gute Wärmedämmung könnte sich bei steigenden (Wasser)Temperaturen als Achillesferse erweisen. „Schnabeltiere haben nur begrenzte Möglichkeiten, ihre Körpertemperatur zu verringern“, erklärt Davis. Sie könnten lediglich in ihren vergleichsweise kühlen Erdbauten Schutz suchen. Doch spätestens wenn der Hunger zu groß wird oder die Paarungszeit ansteht, müssen sie diese immer wieder für einen längeren Zeitraum verlassen. Dann droht der Tod durch gefährliche Überhitzung. „Wenn die Sommertemperaturen künftigzuwarmwerden,sindSchnabeltiereverwundbar“,lautetdas Fazit der Ökologin. Und ihr Kollege Thompson meint: „Dies ist ein weitererBeweisdafür,dassderKlimawandeleinwichtigerFaktorist, der unsere einheimische Artenvielfalt beeinflusst.“ Neben der globalen Erwärmung haben die Wissenschaftler aber auch noch andereFaktorenausgemacht,diedenLebensraumderSchnabeltiere in den nächsten Jahrzehnten zunehmend einschränken könnten. Dazu gehören starke Wasserentnahmen aus den Flüssen, das Abholzen der wenigenverbliebenenWälder und der Bau von Dämmen – etwazurEnergiegewinnung. Pilze bedrohen tasmanische Schnabeltiere Ein ganz anderes Phänomen macht dagegen den Schnabeltierforschern auf TasmanienseiteinigenJahren Schnabeltier-Lebensraum©User:Nil/ GFDL zu schaffen und lässt sie um denErhaltderdortigenPopulationenzittern:EinePilzkrankheit.„Die Krankheit wurde das erste Mal 1986 von einem Tierarzt in Tasmanienbeschrieben.ErwarmitseinenHundenspazieren,alser einige sehr krank und traurig aussehende Schnabeltiere entdeckte, mit großen Geschwüren auf dem Rücken und dem Schwanz. Erst acht Jahre später haben wir herausgefunden, dass diese Krankheit voneinemPilzausgelöstwird,dernormalerweiseAmphibienbefällt”, sagtderMedizinerNiallStewartvonderUniversitätvonTasmanienin einem Beitrag des Deutschlandfunks. Längst seien viele Tiere an dieser Erkrankung gestorben, die erstaunlicherweise nur die tasmanischenundnichtdieaustralischenSchnabeltierebefällt.Neue Zahlenzeigtenjedoch,dassdieEpidemiemitMucoramphibiorum,so der Name des Pilzes, langsam abzuebben scheint – warum auch immer. Doch die Wissenschaftler können und wollen noch keine Entwarnung geben. Denn über die tatsächlichen Bestände der scheuentasmanischenSchnabeltiereistnochvielzuwenigbekannt. SchnabeltierevordemAus? Klimawandel,LebensraumzerstörungdurchdenMenschen,Seuchen: Bedrohungen wie diese könnten die zurzeit noch häufigen Schnabeltiere nach Ansicht von vielen Wissenschaftlern schon bald an den Rand des Aussterbens bringen – lange bevor alle Rätsel um dieurtümlichstenallerheutelebendenSäugetieregelöstsind. DESSCHNABELTIERSMERKWÜRDIGEVERWANDTEN A enigel zeigen bizarres Sexleben So kurios und ungewöhnlich das australische Schnabeltier auch wirken mag,esgibtnocheinigewenigenaheVerwandte,dieihm beinahe das Wasser reichen können – sowohl was das kuriose Aussehen als auch was die bizarren Verhaltensweisen betrifft. Gemeint sind die so genannten Ameisenigel oder Schnabeligel, die sich fast ausschließlich von Ameisen, Termiten und Würmernernähren. Mehralsnurein„Schnabeltier-Double“ Genau wie die Schnabeltiere bringen die vier heute noch existierenden Arten keine lebenden Jungen zur Welt, sondern legen Eier. Auch sie füttern ihre Jungen mit Milch und besitzen einen Elektrosinn. Doch bei allen verblüffenden Parallelen sind die Ameisenigelkeinsimples„Double“derSchnabeltiere,siesehenihnen nicht einmal besonders ähnlich. Dafür sorgen schon der vergleichsweisekleineKopfmitderlangenröhrenförmigenSchnauze und der eher stummelartige Schwanz. Ein besonderes Markenzeichen der Tiere ist zudem das dichte Stachelkleid, das als perfekter Verteidigungsschild gegen Fressfeinde wie Warane oder Dingosdient.WerdenAmeisenigelangegriffen,rollensiesichwiedie heimischen Igel zu einer nahezu undurchdringlichen Stachelkugel zusammen. Sie graben sich bei feindlichen Attacken aber auch blitzschnell in den Boden ein, bis nur noch der stachelbewehrte Rücken herausschaut. Ameisenigel©AllanWhittome (Whitto)/gemeinfrei BizarresSexleben Einzigartig und ungewöhnlich zugleich ist jedoch vor allem das bizarre Sexleben der Ameisenigel. Das fängt schon mit dem „Vorspiel“ an. Denn zurPaarungszeitkommendie Stachelkugel©Nachoman-au/GFDL sonst eher einzelgängerischen Männchen häufig in bis zu elf Mitglieder umfassenden „Herren-Clubs“ der besonderen Art zusammen. Angelockt von Sexuallockstoffen eines Weibchens reihen sie sich hinter der „Angebeteten“ fein säuberlich wie in einer Warteschlange oderKolonneaufundwartendarauf„ihrenJobmachenkönnen“,wie Forscher um Steve Johnston von der Universität von Queensland in Gattonsagen.DeneigenenKopfamPodesVordermannesverfolgen sie dabei zum Teil über Wochen hartnäckig ein einziges Weibchen, bisdiesesendlichPaarungsbereitschaftsignalisiert. GrabenkämpfebeiAmeisenigeln Dann beginnt jedoch erst das eigentliche Spektakel. Die „Freier“ graben eine mehr oder minder tiefe Rinne um das begehrte Weibchen und tragen darin unermüdlich ihre Rivalenkämpfe aus. Nach und nach schubst dabei das das stärkste oder trickreichste MännchenseineKonkurrentennachundnachausdem„Ring“,bises am Ende alleine übrig ist. Anschließend erfolgt die Paarung, die viel Streichelzeit umfasst und alles in allem schon mal sieben Stunden dauern kann. Dies haben einige der wenigen erfolgreichen FreilandbeobachtungenderscheuenTieregezeigt,dieausschließlich inTeilenAustraliensundaufNeuguinealeben. VIERPENIS-SPITZEN,ZWEIEINGÄNGE R umdenGeschlechtsaktderAmeisenigelgelöstUmbeiden Weibchen zum Zuge zu kommen, zeigen AmeisenigelMännchen viel Geduld und Ausdauer. Das ist schon seit längerembekannt.RätselgabdenWissenschaftlernbisvor einigen Jahren jedoch noch der eigentliche Geschlechtsakt auf. Das Kuriosedaran:DiemännlichenAmeisenigelbesitzeneinenPenismit vier Spitzen, das Weibchen aber nur einen Fortpflanzungstrakt mit zwei Eingängen. Wie konnte und sollte das funktionieren? Die Forscher hatten keine schlüssige Erklärung parat – bis zum Jahr 2007. ForscherfilmenErektionundSamenerguss Denn da lüfteten Wissenschaftler um Steve Johnston von der Universität von Queensland in Gatton auch dieses Geheimnis. Die Lösung lieferte ein Männchen, das aus einem Zoo verbannt wurde, weil es bei Vorführungen häufig durch eine Dauererektion aufgefallen war. Dieses filmten die Wissenschaftler ausgiebig und kamen so erstmals der Erektion und dem Samenerguss der AmeisenigelaufdieSpur.„WennwirfrüherSamenflüssigkeitmithilfe der Elektrostimulation sammeln wollten, bekamen wir keinen einzigen Tropfen zusammen“,sagtJohnston.„Dergesamte Penis schwoll zu einem vierköpfigen Monster an, der nicht in den Geschlechtstrakt mit seinen zwei Ästen passen konnte. Nun wissen wir, dass während einer normalen Erektion zwei Kurzschnabeligel©JohnGould, Köpfe stillgelegt werden und die MammalsofAustralia/ anderen beiden passen dann.“ Beim gemeinfrei(historisch) nächstenMal,wennderAmeisenigelSex hat, wird einfach getauscht und die beiden anderen Köpfe kommen zumEinsatz,sodieForscher. ReptilienalsGleichgesinnte Sie haben mit der Enthüllung desSexlebenseinenweiteren wichtigen Beleg für reptilienähnliche Verhaltensweisen bei den Ameisenigelngefunden.Denn der Geschlechtsakt der Kloakentiere erinnert stark daran, wie die Paarung bei Eidechsen oder Schlangen abläuft. Letztere besitzen AmeisenigelbeimEingraben©FritzGellerGrimm/CC-By-SA-2.5 zwarnureinen„doppelten“Penis–auchHemipenisgenannt–doch nur einer davon wird jeweils bei der Kopulation verwendet. Der andere hat Pause und muss auf das nächste Weibchen und die nächste Begattung warten. Die evolutionäre Bedeutung der nur halbseitigenEjakulationbeidenSchnabeltierenundReptilienistnach AngabenderWissenschaftlernochweitgehendunklar.Johnstonund seine Kollegen vermuten jedoch, dass dieses Phänomen eine wichtigeRollebeiderKonkurrenzderSpermienumdieBefruchtung des Eis spielen könnte – vor allem, wenn sich das Weibchen nacheinandermitvielenverschiedenenMännchenpaart. Gestützt wird diese Theorie durch eine Studie aus den 1980er Jahren. Darin hatten Forscher um Russell Jones von derUniversityofNewcastleinNewSouth Wales die Samenflüssigkeit toter Ameisenigel untersucht. Ergebnis: Darin waren „Bündel“ von über hundert Spermien enthalten. Diese schwammen nach Angaben der Wissenschaftler viel JungerSchnabeligel©Ujullala /GFDL schneller als einzelne Samen. Auch dies stellt offenbar eine weitere Anpassung beim Wettlauf der Spermien dar. 04|Impressum scinexx.de-DasWissensmagazin MMCDNEWMEDIAGmbH Elisabethstraße42 40217Düsseldorf Tel.0211-94217222 Fax03212-1262505 www.mmcd.de [email protected] Geschäftsführer:HaraldFrater,[email protected] Chefredakteurin:NadjaPodbregar,[email protected] Handelsregister: Düsseldorf,HRB56568;USt.-ID.:DE254927844; FinanzamtDüsseldorf-Mitte Konzeption/Programmierung YOUPUBLISHGmbH Werastrasse84 70190Stuttgart M:info(at)you-publish.com Geschäftsführer:AndreasDollmayer ©2016byKonradinMedienGmbH,Leinfelden-Echterdingen