TAGE ALTER MUSIK IN HERNE //O9 TABUS Konzerte | Musikinstrumenten-Messe 12. – 15. November 09 12. – 15. November Tabus in der Musik vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert Zehn Konzerte des Westdeutschen Rundfunks Köln und ein Konzert der Stadt Herne 14. November »Wie trivial darf’s denn sein?« Kulturpolitisches Forum wdr 3 13. – 15. November Blas- und Saiteninstrumente Musikinstrumenten-Messe der Stadt Herne Alle Konzerte des Westdeutschen Rundfunks werden auf wdr 3 gesendet. Sendedaten im Internet unter www.wdr3.de Tabus – Konzerte des WDR Gibt es heute noch Tabus im Öffentlichen, im Privaten, in der Kunst? In der Kunst seit jeher. In Tristan und Iseult bricht das Liebespaar mit allen Konventionen und zerbricht daran, in Händels Oper Ezio wird ein ehrbarer Kriegsheld rücksichtslos denunziert. Wir leben dagegen in einer offenbar tabulosen Zeit, Scham ist fast unbekannt. Körpertuning, Steuerhinterziehung, Ehebruch sind gesellschaftlich fast akzeptiert oder zumindest geduldet. Doch ebenso leben wir in einer Zeit verschärfter Tabus. Im Zeitalter der Political Correctness spricht und handelt man leicht anstößig, z. B. wenn man den Müll nicht trennt. Was sich schickt oder nicht, ist einem ständigen Wandel unterworfen. So auch in der Musik. Die TAGE ALTER MUSIK IN HERNE beobachten Grenzfälle, Schicklichkeiten und Tabubrüche. Mal sind sie nur für den Fachmann erkennbar wie bei den Madrigalen von Peter Philips, der sich völlig unbeeindruckt von den Neuerungen eines Claudio Monteverdi zeigte und weiterhin im alten Stil komponierte, obwohl die Auseinandersetzungen um die so genannte seconda prattica längst entschieden waren. Mal fallen angebliche Tabubrüche einem Kaiser auf, der Joseph Haydns Streichquartetten eine Tendenz zum Trivialen unterstellte – welch ein Fehlurteil! Zu verstoßen gegen das, was sich schickt, das konnte sich die Tochter von König Ludwig XV. erlauben: Sie ließ sich provokativ mit Bassgambe malen. Dieses Instrument war für andere Frauen tabu. Die TAGE ALTER MUSIK IN HERNE wollen erkunden, wo Musiker und Komponisten an die Grenzen des Schicklichen, des Verpönten und des politisch Ungewollten stießen und wie sie damit kreativ umgingen. Innerhalb des Hauptthemas Tabus präsentiert unser Festival zwei Ensembles, die selbst Kenner der Alte-Musik-Szene hierzulande bisher nicht im Konzert erleben konnten: Zum ersten Mal in Deutschland ist das Ensemble Concerto Romano von Alessandro Quarta, der in Rom das Privileg genießt, Zugang zu bestimmten kirchlichen Vorstadtarchiven zu haben, und dort Schätze einer Kultur geistlicher Musik für die besitzlose Bevölkerung gehoben hat. Ebenfalls zum ersten Mal in Deutschland ist die Cappella Mediterranea des Cembalisten Leonardo García Alarcón, ein Ensemble, das konstruktiv-kritisch mit scheinbar unverbrüchlichen Weisheiten der historischen Aufführungspraxis umgeht. Die Holland Baroque Society ist ein ganz junges Ensemble aus der dritten Generation der ›Aufführungspraktiker‹ und profitiert von den hohen Standards, die Gustav Leonhardt oder Ton Koopman im Nachbarland von Nordrhein-Westfalen seit Jahrzehnten setzen. Mit Manfred Cordes’ Weser-Renaissance Bremen und Christine Schornsheim im Duo mit Andreas Staier kehren Galionsfiguren der Szene nach Herne zurück. Wie gewohnt werden die TAGE ALTER MUSIK IN HERNE auch wieder zu einem großen Festival im Kulturradio wdr 3, denn die Konzerte werden live oder kurze Zeit später übertragen, kommentiert und so einem noch größeren Publikum vermittelt. Dr. Richard Lorber, wdr 3 Künstlerische Leitung Donnerstag, 12. November 2009, 19:00 Kulturzentrum Donnerstag, 12. November 2009 21:30 Kreuzkirche einfach erfolgreich Streichquartette von Joseph Haydn, Luigi Boccherini und Ignaz Pleyel Pleyel Quartett Köln: Ingeborg Scheerer (1. Violine) Verena Schoneweg (2. Violine) Andreas Gerhardus (Viola) Nicholas Selo (Violoncello) »Tändelt er nicht manches Mal gar zu viel?«, fragte Kaiser Joseph II. mit kritischem Blick auf Joseph Haydns Quartettkompositionen; der Leipziger Thomaskantor Johann Adam Hiller traf in ihnen 1768 auf ein »seltsames Gemisch der Schreibart, des Ernsthaften und Komischen, des Erhabenen und Niedrigen«. Anspruchsvolle, komplexe Musik unter einer schlicht anmutenden Oberfläche, das bedeutete in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts für viele Musikkenner immer noch einen schweren Tabubruch. Doch Haydn bezog den Ton seiner Streichquartette gerne aus der Tradition der geselligen Divertimento-Praxis. So wie ihn manch Wertkonservativer dafür beargwöhnte, so dankten es ihm die Musikliebhaber. Sie rissen sich geradezu um seine Quartettveröffentlichungen, auch wenn sie damit rechnen mussten, im Notentext unter einer schlicht anmutenden Oberfläche auf komplexeste Ansprüche zu stoßen. Im Streben nach unmittelbarer Eingängigkeit wurde Haydn von seinem Schüler Ignaz Pleyel überflügelt, was diesem einen schnellen, aber nicht unbedingt nachhaltigen Erfolg als Quartettkomponist eintrug. – Mit einem spannenden musikalischen Diskurs zwischen Meister und Schüler zum oft umstrittenen Thema ›Einfachheit‹ eröffnet das PleyelQuartett Köln die TAGE ALTER MUSIK IN HERNE und lässt dabei mit Luigi Boccherini auch noch einen sanftmütig-melancholischen Vertreter mediterraner dolcezza zu Wort kommen. Pleyel Quartett Köln observanz oder opposition ? Madrigale und Motetten von Peter Philips Cappella Mediterranea Leitung: Leonardo García Alarcón (Cembalo und Orgel) Dass der moderne Komponist auf den Fundamenten der Wahrheit arbeite, betonte Claudio Monteverdi 1605 in seiner Reaktion auf die Angriffe des Gelehrten Giovanni Maria Artusi, der ihm Verstöße gegen die Regeln des musikalischen Satzes vorwarf. In Monteverdis Umfeld hatte sich die Schärfe der unerwartet auftauchenden Dissonanz längst als musikalisches Ausdrucksmittel par excellence etabliert, und wenn Monteverdi seine Kompositionspraxis als seconda prattica bezeichnete, betonte er damit ihre Jugendlichkeit und keineswegs ihre Zweitrangigkeit. Komponierte demnach Peter Philips nicht wahrhaftig? Der exilierte Engländer katholischer Konfession stand damals in den Diensten des Erzherzogs Albrecht von Österreich in Brüssel. Seine Madrigale und Motetten, zwischen 1596 und 1613 im Druck veröffentlicht, vermeiden jede Ausdrucksdissonanz, formieren sich zu einer Folge konsonanter Klänge, in denen schon die Terz nach alter Tradition als »raues und hartes« Intervall erscheint. Das mag man aus heutiger Sicht reaktionär nennen, es erscheint dem spanischen Cembalisten Leonardo García Alarcón aber eher schon als gewagter Bruch mit der damals europaweit rezipierten venezianischen Madrigalschule. In Herne bringen García Alarcón und seine Cappella Mediterranea den Außenseiter Philips nahe, indem sie dessen Madrigale und Motetten in einem wohlüberlegten Bruch mit den Gepflogenheiten der historischen Aufführungspraxis gemischt vokal-instrumental musizieren. Leonardo García Alarcón Cappella Mediterranea Freitag, 13. November 2009 16:00 Kreuzkirche tristan & iseult Freitag, 13. November 2009 19:00 Kulturzentrum georg friedrich händel: ezio Eine mittelalterliche Sage in Musik und Versen nach Texten von Gottfried von Straßburg und Thomas de Bretagne Opera eroica in drei Akten, London 1732 Text von Pietro Metastasio Jean Lorrain (Rezitation) Ezio: Lawrence Zazzo (Countertenor) Fulvia: Veronica Cangemi (Sopran) Valentiniano: Sonia Prina (Mezzosopran) Onoria: Kristina Hammarström (Mezzosopran) Massimo: Vittorio Priante (Bariton) Varo: Antonio Abete (Bass) The Boston Camerata Leitung: Anne Azéma (Sopran) Die Sage von Tristan und Isolde gehört zweifellos zu den schönsten und tragischsten des Mittelalters und ist in ihrem Kern bis heute unverändert gültig geblieben: Zwei Liebende, zerrissen zwischen Moral und Leidenschaft, zwischen gesellschaftlichen und individuellen Ansprüchen, brechen mit allen Regeln ihrer Zeit und finden letzte Erfüllung erst im gemeinsamen Tod. Der Stoff stammt aus der bretonisch-keltischen Sagenwelt und war in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts in ganz Frankreich populär. Schon der Anglo-Normanne Thomas de Bretagne versuchte in seiner Dichtung um 1165 die Tabubrüche Tristans und Isoldes in jeder Weise zu rechtfertigen. In Gottfried von Straßburgs mittelhochdeutschem Vers-Epos Tristan fand der Stoff 1210 schließlich seinen literarischen Höhepunkt im Hochmittelalter; hier verbinden sich Elemente des heidnisch-keltisches Sagenguts und des alttestamentarischen Hohelieds zu einem quasi-sakralen Liebesereignis. Aus den originalen Texten beider Autoren und zeitgleich entstandenen Kompositionen lässt die Boston Camerata unter der Leitung von Anne Azéma eine Art hochmittelalterliche Minioper entstehen, so zärtlich und voller Leben, wie es die zeitlose Geschichte einer verbotenen Liebe erfordert. Kammerorchester Basel Leitung: Attilio Cremonesi Ein ultimativer ›antiker Held‹ steht im Zentrum der Oper Georg Friedrich Händels, die am 15. Januar 1732 in London zu Uraufführung kam: der weströmische Feldherr Ætius Flavius aus dem 5. Jahrhundert, auch als ›letzter Römer‹ bekannt. Die Oper basiert auf einem Libretto Pietro Metastasios für den römischen Karneval und ist alles andere als ›monarchisch korrekt‹. In atemberaubendem Tempo ist der Untergang des Protagonisten mitzuerleben; über Nacht wird der Held zum Antihelden. Konsequent und kontinuierlich verraten Dichter und Komponist dabei Publikumserwartungen, treiben die Gattung an die Grenzen ihrer Konventionen – und darüber hinaus. Ezio thematisiert die Konfrontation des Feldherrn mit einem ›Ungeheuer‹ in Rom, dem er nicht gewachsen ist: Kaiser Valentinian III. Zwar herrscht auch in Ezio am Ende eitel Sonnenschein, allerdings durch kaiserliche Hinterlist. Ein ganz und gar offener (Trug-)Schluss, der das zeitgenössische Publikum ziemlich verstört haben muss. Die Aufführung dieser Ausnahmeoper unter der Leitung von Attilio Cremonesi beschließt die Händel-Trilogie der TAGE ALTER MUSIK IN HERNE. Sendung live The Boston Camerata Kammerorchester Basel Attilio Cremonesi Samstag, 14. November 2009 11:00 Westfälisches Museum für Archäologie kulturpolitisches forum wdr 3 Podiumsdiskussion zum Thema »Wie trivial darf’s denn sein?« Samstag, 14. November 2009 14:00 Kulturzentrum werkstattkonzert der stadt herne Kammermusik des 17. und 18. Jahrhunderts Studierende des Instituts für Alte Musik der Hochschule für Musik und Tanz Köln Die Stadt Herne und das Institut für Alte Musik der Hochschule für Musik und Tanz in Köln kooperieren in dem von der Stadt Herne veranstalteten Werkstattkonzert am Samstag Nachmittag. Hier haben Studierende der Hochschule die Gelegenheit, sich einem Publikum zu präsentieren und ihr Können unter Beweis zu stellen. Im Zentrum des diesjährigen Programms mit Kammermusik des 17. und 18. Jahrhunderts steht die Frage der oftmals nicht eindeutigen Besetzungsangaben; das gilt für die MelodieInstrumente wie für die Begleit-Instrumente der Continuogruppe gleichermaßen. Zum einen wollen die Studierenden demonstrieren, wie groß die klangliche Spannbreite einzelner Stücke bei wechselnder Besetzung ist, zum anderen, welche Freiheiten in der Ausführung die Komponisten den Interpreten gelassen haben. Betreut werden die Werkstattkonzerte von den Lehrenden des Instituts für Alte Musik, die auch die Moderation übernehmen. Dieses Konzert wendet sich besonders auch an Kinder und Jugendliche. Samstag, 14. November 2009 16:30 Akademie Mont-Cenis Samstag, 14. November 2009 20:00 Kulturzentrum anna die kühne mozart-parodien Instrumentalkompositionen von Georg Friedrich Händel, Johann Adolf Hasse, Jean-Marie Leclair, Pietro Antonio Locatelli und Nicola Porpora Holland Baroque Society Leitung: Gary Cooper (Orgel) »Als ich bei Hofe sang, wurden mir urplötzlich Arien von Händel vorgesetzt: Mit großem Freimut machte ich mich daran, sie vorzutragen, und es gelang mir, dem Himmel sei Dank, mit aller Bravur«, berichtet der berühmte Kastrat Farinelli sarkastischverblüfft von seinem Antrittsbesuch im englischen Königshaus 1734. Der Starsänger war nach London gekommen, um sein lukratives Engagement an der mit Händel konkurrierenden Opera of Nobility anzutreten, die unter der persönlichen Schirmherrschaft des englischen Kronprinzen stand. Musik Händels in dieser Situation auf die Notenpulte zu legen, war eine offene Provokation gegenüber dem divo assoluto durch die 25-jährige Anne (1709-1759), die hochmusikalische älteste Tochter König Georg II. und frischgebackene Prinzessin von Oranien, die Farinellis Begleitensemble übrigens selbst vom Cembalo aus dirigierte. Ihrem Lehrer Händel hielt Anne im ruinösen Londoner ›Opernkrieg‹ unerschütterlich die Treue – gegen ihren Bruder, den Prinzen von Wales, und fast das gesamte Establishment. Auch als Gattin des holländischen Königs und spätere Regentin profilierte sie sich unbeirrbar als Förderin von Malerei und Musik; sie hielt den Kontakt zu Händel und zu weiteren der international bedeutsamsten Künstler ihrer Zeit, die ihr zahlreiche Werke widmeten. Die Holland Baroque Society erweist in Herne der königlichen Musikerin und Ausnahme-Mäzenatin zu ihrem 300. Geburtstag und 250. Todestag die Ehre. Missa »Così fan tutte« und weitere weltliche Werke von Wolfgang Amadeus Mozart in geistlichen Bearbeitungen seiner Zeitgenossen Giovanni Paisiello, Joseph Myslivecek, Niccolò Zingarelli und Simon Mayr Sabine Winter (Sopran) Ursula Eittinger (Mezzosopran) Andreas Weller (Tenor) Tobias Berndt (Bariton) German Mozart Orchestra Leitung: Franz Raml Mahnend erhob Papst Benedikt XIV. 1749 die Stimme und verurteilte in seiner Bulle Annus qui die Verweltlichung der Kirchenmusik, in der anstelle eines erhabenen a-cappella-Stils der Ton aus Konzert und Oper regierte. Vergebens! »Holzbauer, Brixi, Schmidt in Mainz haben Missen geliefert: Setzt andre Worte darunter, so könnt ihr Operettchen draus machen«, konnte der Mozart-Altersgenosse Joseph Martin Kraus knapp dreißig Jahre später immer noch spotten. Das ›Parodie‹Verfahren, eine Komposition mit neuem Text zu unterlegen, um sie in einem anderen Zusammenhang noch einmal aufzuführen, stand damals unverändert auf der Tagesordnung. Am liebsten wandelten die Bearbeiter »Operettchen« in »Missen« um, denn da heiligte der Zweck die Mittel. So erklang auch die Opernmusik Mozarts in mancher Kirche Österreichs und Süddeutschlands in lateinischem Text-Gewand. Franz Raml hat ein Parodie-Meisterwerk aus dieser Zeit wiederentdeckt, eine anonyme Messvertonung zu Musik aus Così fan tutte. In Herne präsentiert er sie neben weiteren Mozart-Umdeutungen aus bekannter Bearbeiter-Hand. Sendung live Gary Cooper Holland Baroque Society German Mozart Orchestra Franz Raml Samstag, 14. November 2009 Sonntag, 15. November 2009 23:00 Künstlerzeche Unser Fritz 2/3 11:00 Kulturzentrum fandango musique des dames Kompositionen von Sebastián de Albero, Luigi Boccherini, Félix Máximo Lopez, Domenico Scarlatti und Antonio Soler Christine Schornsheim, Andreas Staier (Cembali) Luz Martín León-Tello (Castagnetten) ›Krawall‹, ›Durcheinander‹ und ›Schlägerei‹, aber auch ›Abend mit Musik‹ – all dies bedeutet das spanische Wort fandango. Seine erste urkundliche Erwähnung findet sich bezeichnenderweise in einer Inquisitionsakte von 1767 und betrifft einen Sänger und Gitarristen aus Córdoba, der darin der Bigamie angeklagt wird. Angeblich war er »muy fandanguero« – »sehr hitzig« – und an mehreren Fandangos beteiligt. Über die Herkunft des gleichnamigen Volks- und Werbetanzes gibt es mehrere Theorien. Kein Zweifel herrscht aber in den zeitgenössischen Chroniken über die Gefahren, die dieser extrem sittenwidrige Paartanz barg, als regelmäßige Ursache von Messerstechereien und Ehebruch. Trotz – oder gerade wegen – der Verbote durch Inquisition und weltliche Polizei war er im 18. und 19. Jahrhundert unglaublich beliebt; einer der aktivsten Verfechter dieses »verführerischsten und wollüstigsten Tanzes der Welt« hieß Giacomo Casanova. Zeitverzögert erreichte der Fandango auch die Kunstmusik, wo er neue Blüten trieb. Als Sinnbild des Verführerisch-Ehebrecherischen, wenn nicht gar des Verderblichen erscheint er in Mozarts Le nozze di Figaro – prompt ließ Kaiser Joseph II. ihn bei der Wiener Uraufführung durch eine Gavotte ersetzen. In Glucks Ballett Don Juan (wo er bezeichnenderweise kurz vor dessen Höllenfahrt erklingt) gelangte der Fandango zu Weltruhm. – Zu später Stunde laden Christine Schornsheim und Andreas Staier in die Künstlerzeche Unser Fritz zu einem temperamentvollen Nachtkonzert – und übernehmen keine Verantwortung für die Folgen. Christine Schornsheim Andreas Staier Französische Gambenmusik des frühen 18. Jahrhunderts von Antoine Forqueray, Charles Henry Blainville, Louis Heudelienne, Pierre Hugard, Thomas Marc u. a. Hamburger Ratsmusik: Simone Eckert (Diskant- und Bass-Viola da gamba) Ulrich Wedemeier (Theorbe, Barockgitarre) Michael Fuerst (Cembalo) Eine Dame im 18. Jahrhundert spielte nicht Gambe! Zu ›unschicklich‹ waren Form und Spielhaltung dieses Instruments. Ausnahmen galten für verwegene adelige Fräuleins, die provozieren durften – wie Prinzessin Henriette Anne, eine Tochter König Ludwigs XV., die sich 1754 gar mit einer Bassgambe porträtieren ließ und der Antoine Forqueray seine alle Konventionen der Zeit sprengenden Pièces de Viole widmete. Auch die Violine war für Frauen tabu, und so wurden sie züchtig hinter das Spinett oder die Laute verbannt. Damen der Oberschicht mit einem Faible für Streichinstrumente fanden aber einen Ausweg: den kleinen (sittsam im Schoß gehaltenen) Dessus de Viole und den Pardessus de Viole. Sie wurden im frühen 18. Jahrhundert vor allem in Frankreich zu Dameninstrumenten par excellence. Der anspruchsvollen Nachfrage verdanken wir virtuose, oft einer Vertreterin des Hochadels gewidmete Kompositionen. Der Männer-Domäne Violinmusik wurde hier mit sanftem, aber bestimmtem und vor allem modulationsfähigem Ton begegnet. Die Mitglieder der Hamburger Ratsmusik um die Gambistin Simone Eckert bieten Kostproben dieses exquisiten Repertoires, das sich letztlich einem absurden Tabu verdankt. Hamburger Ratsmusik Sonntag, 15. November 2009 16:00 Kreuzkirche seelenheil gegen die regeln Geistliche Musik um 1600 für die römische Kirche Santa Maria in Vallicella von Giovanni Animuccia, Francisco Soto De Langa, Emilio De’ Cavaglieri, Andrea Falconieri, Virgilio Mazzocchi, Giovanni Maria Nanino, Giovanni Pierluigi da Palestrina u. a. Concerto Romano Leitung: Alessandro Quarta Als erste neuzeitliche ›Kirche von unten‹ könnte man die Bewegung der Oratorianer umschreiben, jene basisdemokratische Gemeinschaft von Laien und Priestern um den Heiligen Filippo Neri, die eine Verbreitung neuer seelsorgerischer Methoden zur Förderung der Volksfrömmigkeit anstrebte. Ihr geistliches Zentrum war die Kirche Santa Maria in Vallicella in Rom, bis heute Chiesa Nuova, neue Kirche genannt. 1575 in einem übervölkerten, von Armut, Kriminalität und geistiger Verwahrlosung gezeichneten Viertel nahe dem Tiber erbaut, sollte sie einfachen Menschen jeden Alters moralisch-spirituelle Betreuung und Erbauung bieten. Wichtigstes Seelsorge-Instrument war dabei die Musik. Dabei ignorierte man Verordnungen von höchster Stelle und ließ im Gottesdienst Instrumente und ›verbotene‹ weltliche Rhythmen erklingen. Ebenso sangen Frauen öffentlich im Kirchenraum, und in der Wortwahl war man mitunter recht drastisch. Kaum ein in Rom ansässiger oder durchreisender Musiker verzichtete darauf, für Santa Maria in Vallicella zu komponieren und sich dabei den dortigen ›Bedürfnissen‹ anzupassen, wie das immense Archiv der Chiesa Nuova bis heute bezeugt. Das junge römische Ensemble Concerto Romano unter Alessandro Quarta entführt in eine archaisch-sinnliche Zeit und an einen ganz besonderen Ort geistlicher Musikpflege. Sonntag, 15. November 2009 20:00 Kulturzentrum paolo colonna: la caduta di gierusalemme Oratorium in zwei Teilen, Bologna 1688 Text von Antonio Bergamori Gieremia, Nabuzardan: Charles Daniels (Tenor) Sedecia: Dominik Wörner (Bass) Abdia: Andrea Brown (Sopran) u. a. Weser-Renaissance Bremen Leitung: Manfred Cordes Volkssprachliche Oratorien erfreuten sich im 17. Jahrhundert großer Beliebtheit: sie dienten als Manifestation des Glaubens, als religiös-politische Huldigungen und privates Divertissement. Neben Rom mit seinen Opernverboten war Bologna ein Zentrum der Oratorienproduktion. Seit 1674 wirkte dort Giovanni Paolo Colonna. Einst hatte er die berühmte Accademia Filarmonica von Bologna mitbegründet, die sich zur Gralshüterin kompositorischer Regeln und Tabus entwickelte. In seinen Oratorien war er allerdings wenig zimperlich. La Caduta di Gierusalemme zeigt mit handgreiflicher Dramatik, ja Brutalität und offensichtlicher Lust an der Zurschaustellung orientalisch-exotischer Laster, wie weit die Gattung inzwischen in den Bereich einer theologisch verbrämten Oper gerückt war. Eine Aufführung 1690 in der prächtigen Dienstwohnung des Komponisten, bei der man in der Pause Konfekt und andere Leckereien reichte und hinterher tanzte, geriet zum Skandal: Ein anwesender päpstlicher Legat drohte nicht nur seine sofortige Abreise nach Rom an, sondern verlangte sogar die Inhaftierung des Komponisten und Gastgebers. – Mit dem Ensemble Weser-Renaissance Bremen unter der Leitung von Manfred Cordes wird Colonnas hochbarocke Nabucco-Variante zum Abschluss der TAGE ALTER MUSIK IN HERNE und live auf wdr 3 zu hören sein. Sendung live Sendung live Alessandro Quarta Manfred Cordes Musikinstrumenten-Messe blas- und saiteninstrumente Foyer des Kulturzentrums Freitag 15:00– 19:00 Uhr Samstag 11:00– 19:00 Uhr Sonntag 11:00– 17:00 Uhr Präsentiert werden Holz- und Blechblasinstrumente sowie Zupf- und Streichinstrumente der Alten Musik. Die Musikinstrumenten-Messe kann auch während der Konzerte im Hause besucht werden. Das Ausprobieren der Instrumente ist dann nur eingeschränkt möglich. Kartenvorverkauf Der Vorverkauf beginnt am 14. September 2009 proticket-vorverkaufsstellen in herne Einzelkarten: 14,80 € / 7,10 € ermäßigt* (inkl. System- und VVK-Gebühren) Festivalkarten: 115,50 € / 55,00 € ermäßigt* (inkl. System- und VVK-Gebühren) Stadtmarketing Gesellschaft mbH Herne Kirchhofstraße 5, 44623 Herne, Fon: (0 23 23) 9 19 05 14 Mo. – Mi., Fr.: 9:00 – 12:30 Uhr und 13:00 – 16:00 Uhr Do.: 9:00 – 12:30 Uhr und 13:00 – 18:00 Uhr Festivalkarten berechtigen zum Eintritt in alle Konzerte der 34. TAGE ALTER MUSIK IN HERNE und sind nur im Vorverkauf über die ProTicket-Hotline erhältlich. Bürgerlokal Herne Bahnhofstr. 38, 44623 Herne, Fon: (0 23 23) 16 16 16 Bürgerlokal Wanne Hauptstr. 210, 44649 Herne, Fon: (0 23 23) 16 16 16 Programmänderungen vorbehalten *Ermäßigungen: Schüler, Studenten, Auszubildende, Grundwehrdienst-/Zivildienstleistende, Empfänger von Arbeitslosengeld oder Sozialgeld sowie Schwerbehinderte (ab 80%). Entsprechende Nachweise sind vorzulegen. Mo.: 9:00 – 17:00 Uhr Di. – Mi.: 9:00 – 16:00 Uhr Do.: 9:00 – 18:00 Uhr Fr.: 9:00 – 14:00 Uhr festivalkasse im kulturzentrum herne (12. bis 15. November 2009) Bitte beachten Sie, dass Sie künftig die Karten über den Anbieter ProTicket sowie die angebundenen Vorverkaufsstellen und vom 12. bis 15. November auch an der Festivalkasse erhalten! Das Platzangebot bleibt unverändert! Do.: Fr.: Sa.: So.: 18:00 – 20:00 Uhr 15:00 – 19:00 Uhr 11:00 – 20:00 Uhr 10:00 – 20:00 Uhr Fon: (0 23 23) 16-2815 Die Kassen an den Außenspielstätten öffnen jeweils eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn. information ProTicket-Hotline: 01803 – 77 68 42 (9ct./min.) www.proticket.de sowie bei allen ProTicket-Vorverkaufsstellen Stadt Herne – Fachbereich Kultur – Thomas Schröder Willi-Pohlmann-Platz 1, 44623 Herne Fon: (0 23 23) 16-2839, Fax: (0 23 23) 16-2977 [email protected] www.tage-alter-musik.de Veröffentlichungen der Stadt Herne konzertdokumentationen Zu den TAGEN ALTER MUSIK IN HERNE 2009 erscheint eine CD-Kassette der Veranstaltungsreihe des Vorjahres: Für dich. Für mich. Für alle. (4 CDs) 30 € Erhältlich sind außerdem: 1997: Musikalische Wanderungen (4 CDs) 2 € 1998: Musik zwischen Ostsee und Adria (4 CDs) 2 € 1999: Musikalische Begegnungen in Europa (4 CDs) 2 € CD-Paket 1997, 1998, 1999 (12 CDs) 5 € 2000: Das Reich, in dem die Sonne nicht untergeht (4 CDs) 10 € 2001: Allianzen – Musik und Politik (4 CDs) 10 € 2002: Frauen in der Musik (4 CDs) 10 € CD-Paket 2000, 2001, 2002 (12 CDs) 20 € 2003: …mit aller Freiheit… (4 CDs) 15 € 2004: Vivo o deliro (4 CDs) 20 € 2005: Grenzgänge (2 CDs) 15 € CD-Paket 2003, 2004, 2005 (10 CDs) 35 € 2006: Phönixvögel (3 CDs) 25 € 2007: Utopie und Klischee (4 CDs) 30 € dokumentation der symposien (seit 1999) Herausgeber: Stadt Herne Redaktion: Christian Ahrens und Gregor Klinke Musikverlag Katzbichler . München – Salzburg Alle Veröffentlichungen der Stadt Herne sind während der TAGE ALTER MUSIK im Kulturzentrum erhältlich. Wegbeschreibungen Kulturzentrum Herne Willi-Pohlmann-Platz 1, 44623 Herne (Navigationssystem: Berliner Platz 11 eingeben) Kreuzkirche Bahnhofstr. 8, 44623 Herne Westfälisches Museum für Archäologie Europaplatz 1, 44623 Herne – Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Herne Bf mit der U 35 (Richtung Bochum) bis »ArchäologieMuseum/Kreuzkirche« (Entfernung zum Kulturzentrum ca. 200 m) oder zu Fuß über die Fußgängerzone der Bahnhofstraße (ca. 15 Minuten) von Bochum Hbf mit der U 35 (Richtung Herne) bis »ArchäologieMuseum/Kreuzkirche« – Anreise mit dem PKW über die A 42, Abfahrt Herne-Baukau über die A 43, Abfahrt Herne-Eickel Der Weg zum Kulturzentrum ist ausgeschildert. Dem Kulturzentrum ist eine kostenpflichtige (Veranstaltungstarif) Tiefgarage angeschlossen. Für behinderte Personen besteht die Möglichkeit, direkt vor dem Haus zu parken. Akademie Mont-Cenis Mont-Cenis-Platz 1, 44627 Herne – Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Herne Bf Linie 311 bis »Mont-Cenis-Platz« von Bochum Hbf mit der U 35 bis »Archäologie-Museum/ Kreuzkirche«, dann Linie 311 bis »Mont-Cenis-Platz« – Anreise mit dem PKW über die A 42, Abfahrt Herne-Börnig über die A 43, Abfahrt Herne-Eickel Der Weg zur Akademie Mont-Cenis ist ausgeschildert. Die Zufahrt zu den kostenlosen Parkplätzen erfolgt über die Kirchstraße. Für behinderte Personen besteht die Möglichkeit, direkt vor dem Haus zu parken. Künstlerzeche Unser Fritz 2/3 Alleestraße 50 / Anfahrt Grimberger Feld, 44653 Herne-Wanne – Für Konzertbesucher wird ein Bus vom Kulturzentrum zur Künstlerzeche Unser Fritz 2/3 inkl. Rückfahrt zur Verfügung stehen. – Anreise mit dem PKW über die A 42, Abfahrt Herne-Wanne nach der Ausfahrt links bis zur Ampelkreuzung, dann links Richtung Gelsenkirchen, Überquerung des Rhein-Herne-Kanals, an der 2. Ampel links (Grimberger Feld), wieder links und noch ca. 100 m weiter Vorankündigung (Änderungen vorbehalten) 35. TAGE ALTER MUSIK IN HERNE vom 11. – 14. November 2010 Odyssee Konzertreihe des Westdeutschen Rundfunks Köln Tasteninstrumente Musikinstrumenten-Messe der Stadt Herne vom 12. – 14. November 2010 Herausgegeben vom Westdeutschen Rundfunk Köln und von der Stadt Herne – Fachbereich Kultur Verantwortlich: Öffentlichkeitsarbeit Verantwortliche Redaktion wdr 3 und künstlerische Leitung: Richard Lorber Koordination: Melanie Loll, PG Produktion Musik Programmgruppe Musik wdr 3: Werner Wittersheim Programmleitung wdr 3: Prof. Karl Karst Gestaltung: 24.7 communication Die Fotos wurden von den Künstlern und Institutionen mit Nutzungsrecht zur Verfügung gestellt. August 2009 Änderungen vorbehalten Rundfunkgebühren für gutes Programm. TAGE ALTER MUSIK IN HERNE //O9 Förderung der Musikinstrumenten-Messe durch